Definitionen Definition der Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) Einführung / Diagnostik Die KJP beschäftigt sich mit der Diagnose und Behandlung von Störungen des Verhaltens und Befindens im Entwicklungsalter. Diesen Arbeitsauftrag erfüllt die KJP als medizinisches Fach in polyprofessioneller Zusammenarbeit schwerpunktmässig mit den Fächern Psychologie, Pädagogik, Sozialarbeit und den sog. paramedizinischen Berufen (z.B. Physiotherapie, Logopädie). © H.-C. Steinhausen Definitionen Definitionen Definition des kinder- und jugendpsychiatrischen Krankheitsbegriffs Klassifikation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Eine seelische Störung liegt vor, wenn das Verhalten und/oder Erleben des Kindes und Jugendlichen bei Berücksichtigung seines Entwicklungsstandes 1. Berücksichtigung unterschiedlicher Komplexitätsgrade von Störungen 1. abnorm ist (z.B. hinsichtlich Alter, Geschlecht, soziokultureller Normen, Art und Ausmass der Störung) und/oder 2. zu einer Beeinträchtigung führt (z.B. durch subjektives Leiden, soziale Einengung, Behinderung der Entwicklung, Auswirkungen auf Dritte). l Symptome l Syndrome l Störungen 2. Empirische statt hypothetische Organisation 3. Mehrdimensionalität © H.-C. Steinhausen Themen der speziellen Kinder- und Jugendpsychiatrie © H.-C. Steinhausen Altersabhängigkeit psychischer Störungen Säuglingsalter l Psychische Störungen mit körperlicher l Entwicklungsstörungen Regulationsstörungen Bindungsstörungen l Geistige Behinderung l Autismus l Psychosen l Organische Psychosyndrome l Hyperkinetische Störungen l Störungen des Sozialverhaltens Kleinkindalter l Bewegungsstörungen l Drogenmissbrauch und Sucht l Wutanfälle/Aggressivität l Störungen des Sprechens und der Sprache l Deprivations- und Misshandlungssyndrome l Hyperaktivität l Lern- und Leistungsstörungen l Persönlichkeitsstörungen l Emotionale Störungen l Sexuelle Störungen l Angststörungen, häufig mit Ess- und Schlafstörungen kombiniert l Belastungs- und Anpassungsstörungen l Suicid und Suicidversuch l Entwicklungsstörungen Symptomatik l l Chronische Krankheiten und l Behinderungen © H.-C. Steinhausen © H.-C. Steinhausen 1 Altersabhängigkeit psychischer Störungen Altersabhängigkeit psychischer Störungen Jugendalter -1- Mittlere Kindheit l Störungen des Sozialverhaltens l Emotionale Störungen n sozialer Rückzug n Schulängste, Schulphobie n depressive Reaktionen n (passagere) Zwangsphänomene l Somatisierungen l (passagere) Tics l l affektive Störungen/Suicid(versuch) Angststörungen l Phobien (Agoraphobie/Klaustrophobie) l Schulverweigerung (Erstmanifestation/Rezidiv) l Zwangsstörungen l Anorexia nervosa, Bulimia nervosa © H.-C. Steinhausen © H.-C. Steinhausen Diagnostik Altersabhängigkeit psychischer Störungen Jugendalter -2- Ziele 1. Bestandesaufnahme / Analyse von l somatoforme Störungen l dissoziative Störungen l Delinquenz l Drogenabhängigkeit 2. Diagnose und Differentialdiagnose l Schizophrenien 3. Begründung von therapeutischen Massnahmen Problemen im Verhalten Symptomen l Störungen der Befindlichkeit im Kontext von Umfeld und Entwicklung l l © H.-C. Steinhausen © H.-C. Steinhausen Diagnostik Diagnostik Methodische Aspekte Informanten Kombination von Empathie und Aktivität 1. Kind / Jugendlicher l 2. Bezugspersonen l Ergänzung von offenen und geschlossenen Fragen l Verständlichkeit und Konkretheit l Einsatz von Spiel und Gestaltung l Direkte Verhaltensbeobachtung l Berichte / Beobachtungen aus dem Umfeld l Familiendiagnostik l l innerhalb der Familie ausserhalb der Familie © H.-C. Steinhausen © H.-C. Steinhausen 2 Diagnostik Diagnostik Gliederung eines kinder- und jugendpsychiatrischen Anamneseund Befundberichtes l Vorstellungsanlass und Aufnahmemodus n n Familienanamnese 1. Von jedem Verwandten (Eltern, Geschwister, ggf. Grosseltern usw., evtl. Darstellung über Stammbaum) Angaben über: Tag, Zeit, Begleitung, einweisender Arzt, Zuweisungsgrund Alter Krankheiten (Missbildungen, chronische Krankheiten, psychische Auffälligkeiten, psychiatrische Krankheiten, Klinikaufenthalte) l Soziale Stellung und Beruf l Aktuelle Symptomatik: Beginn, situativer Kontext, Intensität, Massnahmen, Verlauf, Exazerbation l Familienanamnese l persönliche Anamnese l Befunde l Diagnosen l Beurteilung l 2. Familiäre Situation: Sozioökonomische Lage, Persönlichkeit und Entwicklung der Eltern und Geschwister, Geschwisterkonstellation, Beziehung des Patienten zu den übrigen Familienmitgliedern, Interaktion und Aktivitäten innerhalb der Familie. © H.-C. Steinhausen © H.-C. Steinhausen Diagnostik Diagnostik Persönliche Anamnese l l Sexualität Sexueller Entwicklungsstand, Einstellung zur Sexualität, sexuelle Aktivitäten l Frühere Krankheiten Beginn, Massnahmen und Verlauf Soziale Situation Freundschaftsbeziehungen, soziale Stellung, soziale Aktivitäten, Freizeitunternehmungen l Genussmittel, Drogen und Medikamente Nikotin, Alkohol, Rauschmittel und Arzneimittel: jeweils gekennzeichnet hinsichtlich Art, Dosis, Frequenz und Dauer der Einnahme Schule und Beruf l Hobbies und Interessen, Primärpersönlichkeit Entwicklung Schwangerschaftsverlauf, Geburt, Neugeborenenperiode, Säuglings- und Kleinkindentwicklung, Entwicklung in Vorschulalter/Schulalter/ Adoleszenz l l Einschulung, Schulstand, Leistungen, Schularbeitssituation, Berufspläne, Ausbildung in Lehre und Beruf © H.-C. Steinhausen Diagnostik © H.-C. Steinhausen Diagnostik Befunde 1. Psychopathologischer Befund: Äusserliches Erscheinungsbild Attraktivität, Grösse, Gewicht, Reife, Missbildungen, Minor-Anomalien, erworbene körperliche Entstellungen, Kleidung, Sauberkeit Kontakt- und Beziehungsfähigkeit Abhängigkeit von der Begleitperson, Beziehungsaufnahme zum Untersucher, Rapport, Selbstsicherheit, Kooperation Kognitive Funktionen Aufmerksamkeitssteuerung, Orientierung, Auffassung, Wahrnehmung, Gedächtnis und Merkfähigkeit, allgemeine Intelligenz Sprache Umfang, Intonation, Artikulation, Vokabular, Komplexität, Sprachverständnis, Gesten Motorik Antrieb und Aktivität, qualitative Auffälligkeiten (z.B. Tics, Stereotypien, Automutilation, Jactationen) Emotionen Stimmung, Affekte, Angst, psychomotorischer Ausdruck Denkinhalte Ängste, Befürchtungen, Phantasien, Träume, Denkstörungen, SelbstKonzept, Identität © H.-C. Steinhausen Soziale Interaktion Position/Beziehungen innerhalb von Familie/Schulklasse/ Gleichaltrigengruppe/Freundeskreis © H.-C. Steinhausen 3 Diagnostik Diagnostik 2. Körperlicher Untersuchungsbefund: Interner und neurologischer Status, Laborbefunde Diagnosen (ICD-10, multiaxiales System) 3. Psychologische Untersuchungsbefunde: l Leistungsdiagnostik l Persönlichkeitsdiagnostik l Beurteilungsskalen l Verhaltensbeobachtung l Familiendiagnostik 4. Ergänzende Befunde (Psychomotorik, Ergotherapie und Sozialarbeit) l Klinisch-psychiatrisches Syndrom l Spezifische Entwicklungsstörungen l Intelligenz l Körperliche Krankheiten l Psychosoziale Umstände l Globale Bestimmung der psychosozialen Behinderung © H.-C. Steinhausen Diagnostik © H.-C. Steinhausen Literatur Beurteilung Annahmen zur Entstehung der Störung, Interpretation der Befunde, Differentialdiagnostische Überlegungen. Therapie und Massnahmenplanung Ggfs. Bericht über bereits eingeleitete Massnahmen bis zum Zeitpunkt der Berichterstattung;Therapieziele und geplantes Vorgehen. © H.-C. Steinhausen Literatur 4