Der Kritische Rationalismus ist eine wissenschaftliche Konzeption In der empirisch-analytischen Wissenschaft wird nach zuverlässigen Gesetzesaussagen gesucht, zur Prüfung von Hypothesen dient der Kritische Rationalismus Von Prof. Dr. Mintken Unser Wissen ist vorläufig, es gilt nur solange als richtig, wie es nicht widerlegt wurde. Der hypothetische Charakter von Vermutungen, Gesetzmäßigkeiten und Theorien erfordert sowohl im Alltag als auch in der Wissenschaft Überprüfungen des Richtigkeitsanspruchs. Ein systematisches Verfahren zur Prüfung von Theorien wurde im 20. Jahrhundert von Sir Karl Popper entwickelt, der Kritische Rationalismus. Anwendbar ist diese Konzeption sowohl in den Naturwissenschaften als auch in anderen Wissenschaftsdisziplinen. Mit dem Kritischen Rationalismus wird empirisch-analytische Wissenschaft möglich Wird Wissenschaft nach dem Ansatz des Kritischen Rationalismus betrieben, stehen erfahrungswissenschaftlich überprüfbare Gesetzmäßigkeiten und Theorien im Mittelpunkt. Dies setzt eine überprüfbare Formulierung der Theorien voraus, die Theorien müssen an der Wirklichkeit scheitern können. Nach Popper ist es nicht möglich, die Gültigkeit von Theorien zu beweisen, möglich ist aber eine Widerlegung der Theorien. In der empirisch-analytisch orientierten Wissenschaft wird daher versucht, Hypothesen und Theorien durch systematische Prüfungen zu falsifizieren, also zu widerlegen. Es kann sich dabei um neue Hypothesen oder auch um vermeintliche fundamentale Gewissheiten wie das geozentrische Weltbild handeln. Gelingt die Falsifikation, wird die geprüfte Aussage verworfen, andernfalls wird sie beibehalten. An die Stelle einer verworfenen Hypothese kann eine neue treten und sich der kritischen Überprüfung durch die Wissenschaftsgemeinde stellen. In den Naturwissenschaften erweisen sich zahlreiche Gesetze als robust gegenüber Versuchen der Falsifikation. Bei der Formulierung von Hypothesen wird häufig induktiv vorgegangen, also von einem oder mehreren Einzelfällen ausgehend wird eine begründete Vermutung über einen allgemeinen Zusammenhang formuliert. Dagegen erfolgt die kritische Prüfung der hypothetischen Aussage deduktiv. Die deterministisch formulierte Gesetzmäßigkeit wird als vorläufige Aussage mit geeigneten Daten aus der Wirklichkeit konfrontiert. Stehen die Daten im Widerspruch zu der hypothetisch formulierten Aussage, ist diese widerlegt. Von Popper stammt das folgende Beispiel zur Erläuterung des Prinzips einer Falsifikation: Aufgrund zahlreicher Einzelbeobachtungen wird als deterministische Aussage formuliert „Alle Schwäne sind weiß“. Zur kritischen Prüfung dieser vorläufigen Gesetzmäßigkeit wird weltweit nach Schwänen Ausschau gehalten. Sobald auch nur ein einziger nicht-weißer Schwan gesichtet wird, ist die vermutete Gesetzmäßigkeit widerlegt. Etwas anders wird vorgegangen, wenn die Hypothesen keine deterministischen Aussagen darstellen wie in den Naturwissenschaften, sondern es sich um nicht-deterministische Aussagen handelt, wie meistens außerhalb der Naturwissenschaften. Bei nichtdeterministischen Aussagen kann eben nicht davon ausgegangen werden, dass die Aussage in jedem Einzelfall gilt. Stattdessen wird die Gültigkeit mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsangaben eingeschränkt. Zur Widerlegung einer solchen Hypothese genügt dann nicht nur ein Einzelfall. Mit Hilfe statistischer Testverfahren lässt sich aber ermitteln, ob empirische Daten mit den aufgrund der Hypothese zu erwartenden Daten vereinbar sind. Ist die Vereinbarkeit nicht gegeben, wird die Hypothese verworfen. Aus mehreren sinnvoll miteinander kombinierten nicht widerlegten Hypothesen lässt sich eine Theorie formulieren. Der Kritische Rationalismus und andere Ansätze in der Wissenschaft Die kritische Überprüfung von Hypothesen ist nicht nur eine wichtige Aufgabe für den einzelnen Wissenschaftler. Sie obliegt vielmehr auch der Wissenschaftsgemeinde, deren Mitglieder nicht nur die eigenen Forschungsergebnisse, sondern auch die vorgelegten Ergebnisse anderer Wissenschaftler einer systematischen Kritik und somit einer intersubjektiven Prüfung unterziehen. Dadurch steigt die Chance für die frühzeitige Widerlegung unzutreffender Hypothesen. Nicht in allen Wissenschaftsdisziplinen steht die Prüfung behaupteter Gesetzmäßigkeiten im Vordergrund. Neben dem Kritischen Rationalismus sind daher aktuell auch andere wissenschaftstheoretische Ansätze wie philosophisch-normative Ansätze und die Kritische Theorie vorfindbar. Diese Ansätze unterscheiden nicht wie der Kritische Rationalismus konsequent nach dem Sein und dem Sollen, sondern vermischen in der Argumentation deskriptive und präskriptive Aussagen. Es wird in diesen Ansätzen also ein anderer Wissenschaftsbegriff verwandt. Dies wirkt sich auf die erzielten Ergebnisse aus, die als Aussagen der Philosophie oder anderer normativer Konzeptionen der Wissenschaft im weiteren Sinne zugeordnet werden können. Literatur- und Quellenhinweise Opp, Karl-Dieter: Methodologie der Sozialwissenschaften. 6. Aufl. Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden 2005 Popper, Karl: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Band II: Falsche Propheten, Hegel, Marx und die Folgen. 7. Aufl. Verlag Mohr Tübingen 1992 Popper, Karl: Alles Leben ist Problemlösen. 2. Auflage Verlag Piper München 1996 www.profdrmintken.de Autor: Prof. Dr. Karl-Heinz Mintken VDI Dipl.-Ing. Dipl.-Päd. Freier Wissenschaftler Cloppenburger Str. 458 26133 Oldenburg