016 2 . 1 1 . 0 7. – 2 1 K I S U S T I H T S E T A E R G FESTI ZEI R Ü F VAL TG SCH I S S Ö EN EM www.greatest-hits-hamburg.de WILLKOMMEN! »Wenn Dir jemand sagt: ›Das geht nicht‹, dann solltest Du genau das tun.« Ein großer, streitbarer, wundervoller Satz, hingestellt von niemand anderem als John Cage. Gemeinsam mit seinem nicht minder originellen Kollegen Morton Feldman steht Cage im Zentrum der aktuellen, vierten Ausgabe des viertägigen Festivals »Greatest Hits«, zu dem wir Sie herzlich hier auf Kampnagel begrüßen. »Das geht nicht« – wenn dieser Satz immer die Oberhand behielte, gäbe es vieles nicht, an dem wir uns heute freuen. Neue Erfindungen, Ideen, Gebäude, und wohl auch keine Neue Musik. Wer sich diesem Satz widersetzt, kann Greatest Hits schaffen. Vielleicht erkennt man ihre ungewohnte Schönheit nicht beim ersten Hinhören, aber – auch das ein Postulat von John Cage – dann hört man eben noch einmal hin. Unsere »Greatest Hits« werden jedenfalls auch im elbphilharmonischen Zeitalter weiterklingen. Wieder haben Elbphilharmonie, Kampnagel und die NDR-Reihe »das neue werk« gemeinsam ein hochklassiges und vielseitiges Programm auf die Beine gestellt, das den Bogen spannt von einer Kinderoper über einige der profiliertesten Neue-Musik-Ensembles unserer Zeit bis hin zu kreativen Electro-Masterminds. Wir freuen uns auf vier Tage voller Greatest Hits mit Ihnen! Christoph Lieben-Seutter Amelie Deuflhard Generalintendant Intendantin Kampnagel Laeiszhalle & Elbphilharmonie Andrea Zietzschmann Leitung Bereich Orchester, Chor und Konzerte des NDR FESTIVALÜBERSICHT TAG 1 | DO, 17.11. 18:30 Uhr | K2 19:30 Uhr | K6 22:00 Uhr | K2 Gesprächskonzert: Calder Quartet Eröffnung: Ensemble intercontemporain & Matthias Pintscher John Cage: Sonatas and Interludes TAG 2 | FR, 18.11. 17:00 Uhr | KMH 18:00 Uhr | K4 19:30 Uhr | K2 21:30 Uhr | K1 Klangradar 3000 – Schüler komponieren Nelly Boyd Ensemble Bang on a Can All-Stars: Field Recordings Composer Slam TAG 3 | SA, 19.11. 11:00 Uhr | P1 15:00 Uhr | P1 16:30 Uhr | K2 18:00 Uhr | K6 19:30 Uhr | K6 23:00 Uhr | KMH Kinderoper: A House full of Music (ab 5 Jahren) Kinderoper: A House full of Music (ab 5 Jahren) Klangradar 3000 – Schüler komponieren NDR Chor Ensemble Resonanz & Boyds Elektro Gitarren Orchester Anna Meredith TAG 4 | SO, 20.11. 11:00 Uhr | K4 17:15 Uhr | Foyer 18:30 Uhr | K6 19:30 Uhr | K6 21:00 Uhr | K2 Calder Quartet: Feldman Marathon Wandelkonzert mit 58 Bläsern Einführungsgespräch Ensemble Musikfabrik: Sixteen Dances Autechre John Cage Morton Feldman FREIE GEISTER, FREIE KLÄNGE Zwei amerikanische Komponisten stehen im Fokus der aktuellen Ausgabe von »Greatest Hits«: John Cage und Morton Feldman. Wobei: Was heißt schon Komponist? Der eine sammelte Pilze und schuf Stücke ohne Noten, der andere sammelte antike Nomadenteppiche und übersetzte deren Muster in Klang. Verbunden waren sie durch ihre lebenslange Freundschaft – und durch ihren Rang als Revolutionäre, die das musikalische Denken ab der Mitte des 20. Jahrhunderts entscheidend beeinflussten. Denn eine ganze Reihe musikalischer Neuerungen geht auf die beiden zurück: die Gleichberechtigung von Klang und Stille, das Einbeziehen des Zufalls in Komposition und Interpretation, neue Notationsweisen und – damit einhergehend – ein Höchstmaß an Freiheit für die Ausführenden. Wie Pierre Boulez, Luigi Nono und Karlheinz Stockhausen als Hauptvertreter der seriellen Musik im NachkriegsEuropa, so beteiligten sich auch John Cage und Morton Feldman an der Gestaltung einer zweiten musikalischen Moderne. In einem waren sich die jungen Komponisten auf beiden Seiten des Atlantiks einig: Sie wollten die traditionelle Rollenverteilung zwischen Komponist und Interpret ändern; die Musik sollte nicht mehr allein den Genius ihres Schöpfers widerspiegeln. In der Umsetzung dieser Idee schlugen sie allerdings ganz unterschiedliche Wege ein. Cage und Boulez beispielsweise fanden anfangs noch viele Gemeinsamkeiten in ihren künstlerischen Zielen – das zeigt ihr intensiver Briefwechsel zu Beginn der 50er Jahre. Sie tauschten Stücke aus, fragten nach der Meinung des anderen, berichteten über Erfolge und Misserfolge. Doch mit seiner »Music of Changes« führte Cage einen Denkansatz ein, der sich von den europäischen Musiktraditionen stark unterscheidet. Basierend auf dem chinesischen Orakelbuch »I Ging« entwickelte er eine Methode, die dem Zufall eine wichtige Rolle im Kompositionsprozess zuweist. Damit konnte sich Boulez nicht identifizieren. Ein Kompo- nist, der den Anspruch erhebt, Kunst zu schaffen, konnte in seinen Augen nicht den Zufall walten lassen. Diese Sichtweise – die viele europäische Serialisten mit Boulez teilten – sollte Cages Rezeption in Europa für viele Jahre bestimmen. Aber wer war dieser John Cage denn nun? Musiker, Maler, Mykologe? Philosoph, Autor, Buddhist? Oder all das zugleich? Am nächsten käme man Cage vermutlich, würde man die Entscheidung darüber dem Zufall überlassen. Geboren wurde er jedenfalls 1912 in Los Angeles. Er studierte zuerst Literatur und Architektur, bevor er bei der Musik landete und zwei Jahre Unterricht bei Arnold Schönberg nahm. Ab den 40er Jahren lebte er in New York und wurde zu einer zentralen Figur der amerikanischen Avantgarde. 1952 inszenierte Cage am Black Mountain College in North Carolina eine Aktion, die als erstes »Happening« der Kunstgeschichte gilt. Bei dieser spartenübergreifenden Impro-Performance wirkten unter anderem der Tänzer Merce Cunnigham, der Musiker David Tudor und der Maler Robert Rauschenberg mit. Im selben Jahr ließ sich Cage von Rauschenbergs »White Paintings« zu seinem bekanntesten Stück anregen: »4‘33“«. Für die Uraufführung hatte der Pianist David Tudor die Dauer erwürfelt. Vier Minuten und 33 Sekunden für beliebige Besetzung in drei Sätzen mit jeweils nur einer einzigen Spielanweisung: »tacet«. Mit diesem Stück hat John Cage die Stille – oder genauer: das, was man hört, wenn niemand spielt – in der Musik etabliert: die Atemgeräusche des Publikums, das Knarzen der Stühle, der Straßenlärm von draußen, das leise Säuseln des Blutes in den Ohren. Jeder, der hören kann, wird so zum Komponisten. Cage selbst bestand niemals darauf, die Ergebnisse seiner Arbeit als Musik zu bezeichnen: »You must not call it music if this expression hurts your feelings«, tröstete er einen verstörten Zuhörer nach einer Aufführung von »Fontana Mix«. FREIE GEISTER, FREIE KLÄNGE Dieses Stück besteht aus zehn Seiten mit jeweils sechs geschwungenen Linien und zehn transparenten Folien mit frei angeordneten Punkten. Für die Aufführung legt man eine Punkt-Folie über eine der Linien-Seiten und verbindet die Punkte. Je nachdem, wo die Verbindungslinien die vorgezeichneten Linien schneiden, ergeben sich Messwerte für sechs musikalische Parameter. Wie genau diese Ergebnisse dann in Klänge umgesetzt werden (und in welcher Reihenfolge) ist frei – und natürlich auch die Besetzung. Alles klar? Die Frage, ob man sich das überhaupt anhören kann oder soll, läuft, wie bei jedem Konzeptkünstler, ins Leere. John Cage, diesem feinen und sanftmütigen Intellektuellen, ging es um so viel mehr: Er wollte es sich und anderen ermöglichen, ungestört den Klängen des Lebens zu lauschen. (Wobei einige von Cages vor allem frühen Werken auch im traditionellen Sinn wunderschöne Musik sind!) Im Gespräch mit Morton Feldman erklärte er: »Der Maler Willem de Kooning sagte einmal zu mir: ›Weißt du, was der Unterschied zwischen uns beiden ist? Ich will ein großer Künstler sein. Du nicht.‹ Und er hatte absolut recht, denn ich weiß wirklich nicht, was das heißt: ein Künstler zu sein.« Gefragt, ob auch das Schließen einer Tür für ihn Kunst sei, antwortete Cage: »Wenn man es zelebriert, ist es Kunst. Wenn nicht, dann nicht.« So einfach war das für ihn. In New York war Cage eingebunden in einen illustren Kreis von Intellektuellen und Künstlern, die sich gegenseitig befruchteten und ergänzten. Dazu zählten Maler wie Jasper Johns, Willem de Kooning und Mark Rothko, Schriftsteller, Theaterleute und Tänzer wie sein Lebenspartner Merce Cunningham – und eben Morton Feldman. Morton Feldman war 14 Jahre jünger als John Cage, und er war kein Quereinsteiger in die Musik. Geboren 1926 in New York als Sohn jüdischer Einwanderer aus Kiew, erhielt er Klavierunterricht bei Vera Press, einer ehemaligen Schülerin Ferruccio Busonis. Durch seine ersten Komposi- tionslehrer Wallingford Riegger, einen Schönberg-Anhänger, und Stefan Wolpe kam er früh in Berührung mit der europäischen Moderne. Cage und Feldman lernten sich im Januar 1950 kennen, und zwar im leeren Foyer der Carnegie Hall. Beide hatten im ersten Teil des Konzerts Anton Weberns Sinfonie op. 21 gehört und dann schnell den Saal verlassen – teils, weil sie sich über das intolerante Publikum geärgert hatten, teils, weil sie auf keinen Fall Rachmaninows »Sinfonische Tänze« hören wollten, die nach der Pause folgten. Aus diesem Zufall entstand eine lebenslange Freundschaft. Herrlich nachzulesen und nachzuhören sind diese und andere Geschichten in den »Radio Happenings« der 60er Jahre – mehr dazu auf der folgenden Seite. Im Amerika der 50er und 60er agierten Komponisten wie Cage und Feldman gewissermaßen in einem luftleeren Raum, ohne vom Establishment wahrgenommen zu werden. »I was free because nobody cared«, hat Feldman über diese Zeit einmal gesagt. Angeregt von seinen Malerfreunden experimentierte er mit grafischen Notationsweisen und schrieb eine Reihe von Werken, in denen der Interpret nur noch vage Angaben für Tonhöhe, Dauer etc. vorfindet. Die Musik sollte befreit werden aus der einengenden Kontrolle durch Kompositionssysteme, Formgesetze, harmonische oder rhythmische Hierarchien. Später kehrte Feldman allerdings zur herkömmlichen Notation zurück. Er hatte zu einer anderen Methode gefunden: der Übereinanderschichtung kleinteiliger rhythmischer Muster, sogenannter Patterns. Als Modell dienten ihm dabei die asymmetrischen Muster alter anatolischer Nomadenteppiche. So webte und knüpfte er seine eigenen, fein changierenden Klangoberflächen. Er konzentrierte sich dabei immer stärker auf einzelne Klänge, die vorgestellt, behutsam gedreht und gewendet, von allen Seiten beleuchtet werden, die sanft entgleiten und plötzlich wieder aufscheinen, verändert, verschoben wie in den Ornamenten der Orientteppiche. Musik, die gehört werden will, wie man ein Gemälde betrachtet. Leise, zart. Zeit wird ein wichtiges Thema für Feldman. Immer länger werden seine Stücke: »For Philip Guston« für Flöte, Celesta und Schlagwerk dauert vier Stunden und das zweite Streichquartett, je nach Interpretation, sogar über fünf Stunden. »Ich bin kein Uhrmacher«, kommentierte er lakonisch. Den Versuch der europäischen Nachkriegsavantgarde, neben allen anderen Faktoren auch die Zeit zu definieren und zu strukturieren, empfand er schlicht als langweilig: »Ich bin an Zeit in ihrem unstrukturierten Zustand interessiert. Mich interessiert, wie dieses wilde Tier im Dschungel lebt, nicht im Zoo. Wie Zeit existiert, bevor wir unsere Klauen hineinschlagen, unsere Ideen und Vorstellungen.« In seiner »Lecture on Something« schrieb John Cage: »Es gab für mich nie irgendeinen Zweifel an der Schönheit von Morton Feldmans Musik. Sie ist mir manchmal sogar zu schön.« Und es ist tatsächlich etwas Besonderes um seine Klänge und die geheimnisvolle Wirkung, die sie auf ihre Zuhörer hat. Den vielleicht schönsten Vergleich fand der Musikjournalist Ulrich Dibelius: Wer sich nur immer tiefer in Feldmans Musik verwickeln lasse, dem schenke sie »ein Erlebnis von Freiheit, Schwerelosigkeit, Gegenwartserfahrung, das – ähnlich wie die Euphorie über den nicht enden wollenden Tag in Gebieten der Mitternachtssonne – einen neuen Raum des eigenen Daseinsgefühls erschließt. Die Wahrnehmung wird wichtiger als das Wahrgenommene, die Phänomene verselbständigen sich, Zeit entfaltet einen Aspekt von Zeitlosigkeit.« Barbara Lebitsch The Transmigration of Morton F. Die Sängerin Joan La Barbara trifft in Amsterdam auf eine geheimnisvolle Gestalt. Ist es die Reinkarnation von Morton Feldman? Im Auftrag des Holland Festivals 2016 hat der Opernregisseur und Performer Sjaron Minailo diese digitale Musiktheaterproduktion mit Musik von Morton Feldman und der Komponistin Anat Spiegel gestaltet. Für die Dauer des Festivals »Greatest Hits« ist sie im Foyer als interaktive Videoinstallation zu erleben. Sjaron Minailo und Anat Spiegel sind dabei persönlich anwesend. Freitag bis Sonntag | Foyer INSTITUT FÜR ANGEWANDTES HALBWISSEN Institut für angewandtes Halbwissen Zwischen Sommer 1966 und Januar 1967 setzten sich John Cage und Morton Feldman, die beiden Freunde und großen Klang-Erneuerer, vier Mal gemeinsam vor das Mikrofon des amerikanischen Hörfunksenders WBAI, um zu reden: über Musik, Kunst, Philosophie, über das Leben. Heraus kamen vier Stunden Gesprächsmaterial, das unter dem Namen »Radio Happenings« in die Musikgeschichte einging. Feldman und Cage bewiesen darin, dass sie nicht nur gute Redner, sondern noch bessere Zuhörer waren. In kollegialen Gesprächen auf Augenhöhe, in denen ein freundschaftliches Miteinander statt erbitterten Meinungsstreits vorherrscht, gaben die beiden ungefilterten Einblick in ihr Denken über Musik, die Rolle des Komponisten und viele weitere Themen. Möchte man der Musik und der Denkwelt von John Cage und Morton Feldman näherkommen – hier ist die perfekte Gelegenheit! Das Institut für angewandtes Halbwissen, das sich nach seinem Debüt im letzten Jahr nun bereits zum zweiten Mal im Rahmen von »Greatest Hits« auf Kampnagel installiert, greift diese »Radio Happenings« auf und gestaltet daraus einen performativen Festivalquer-, -seiten- und -überblick. Mit Improvisationslust und klanglicher Präzision holt es die so intime wie weltzugewandte Atmosphäre der »Radio Happenings« nach Kampnagel. Ort des Geschehens ist erneut die »Meisterbude«, der erhöht gebaute Glaskasten mitten im Festival-Foyer. Mit Lautsprechern, Radiowellen und anderen Medien wird hier der Versuch unternommen, gewissermaßen mit den Geistern von John Cage und Morton Feldman zu kommunizieren. Wie lässt sich teilhaben am Dialog der zwei Ikonen? Geben uns die langen Denkpausen von Cage und Feldman, die Gelegenheit, selbst zu Wort zu kommen? Im Fokus steht dabei die Auseinandersetzung mit den Ihnen, den Festivalbesuchern, und eine sinnliche und inhaltliche Unterfütterung Ihrer Höreindrücke. Das Institut für angewandtes Halbwissen entstand aus der Zusammenarbeit des Composer-Performers Leo Hofmann und des Hamburger Musiktheater-Regisseurs Benjamin van Bebber im Rahmen der Biennale Bern 2014. Für die aktuellen »Greatest Hits« stoßen nun auch der Cellist und Komponist Michael Rauter und die Performerin und Kostümbildernerin Filomena Krause hinzu. Die »Meisterbude« im Kampnagel-Foyer Dem Institut gilt Musiktheater als Ort, an dem unser Sein in der Welt über das Klingen und Resonieren verhandelt wird. Seine Forschungen gelten einem Musiktheater jenseits klar definierter Genregrenzen und der opulenten Reproduktion bestehender Werke. Entgegen monodirektionaler Hörigkeiten möchten sie zum aktiven Zuhören einladen. Zuhören gilt ihnen als Möglichkeit zur Partizipation. Und Partizipation ist angewandtes Halbwissen. Institut für angewandtes Halbwissen Leo Hofmann Benjamin van Bebber Michael Rauter Filomena Krause Freitag, 18.11. bis Sonntag, 20.11. durchgängig Meisterbude im Foyer Begrenztes Platzangebot (max. 20 Personen) John Cage: 33 1/3 Was passiert, wenn man ein Dutzend Plattenspieler und ein paar Hundert Schallplatten in einen Raum stellt? Erstmal nichts – bis das Publikum anfängt, selbst aufzulegen. Dann überlagern sich Sinfonie und Schlager, Rock’n’Roll und Rumba, Weihnachtslied und Wiener Walzer. Und John Cage, der diese zufallsbasierte interaktive Soundinstallation 1969 für ein Happening ersonnen hat, sitzt im Himmel auf Wolke Sieben und kichert in sich hinein. Täglich | Foyer TAG 1 | DO, 17.11.2016 18:30 UHR | K2 GESPRÄCHSKONZERT Calder Quartet Cédric Pescia Gespräch Hervé Boutry Gespräch Barbara Lebitsch Moderation Morton Feldman: Structures for String Quartet Pierre Boulez: Le livre V aus: Livre pour quatuor Eintritt frei 19:30 UHR | K6 ERÖFFNUNGSKONZERT Ensemble intercontemporain Dirigent Matthias Pintscher Matthias Pintscher: Sonic Eclipse Pierre Boulez: Sur Incises Gefördert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung € 25 22 UHR | K2 SONATAS AND INTERLUDES Cédric Pescia Klavier John Cage: Sonatas and Interludes € 12 18:30 | K2 | GESPRÄCHSKONZERT CALDER QUARTET Benjamin Jacobson Violine Andrew Bulbrook Violine Jonathan Moerschel Viola Eric Byers Violoncello CÉDRIC PESCIA Gespräch HERVÉ BOUTRY Gespräch BARBARA LEBITSCH Moderation Morton Feldman (1926–1987) Structures for String Quartet (1951) ca. 5 Min. Pierre Boulez (1925–2016) Le livre V aus: Livre pour quatuor (1948/49) ca. 5 Min. Calder Quartet Inspiriert von und benannt nach dem amerikanischen Bildhauer Alexander Calder (1898–1976), hat sich das Calder Quartet vornehmlich der Neuen Musik verschrieben. Gegründet wurde es 1998 an der University of Southern California. Ihrem Anspruch, die Vision des Komponisten umzusetzen und zu vermitteln, werden die vier Musiker in der Zusammenarbeit mit vielen zeitgenössischen Komponisten gerecht. Dazu gehören gleichermaßen junge aufstrebende Komponisten wie Größen der Musikwelt, darunter Terry Riley, Thomas Adès und Péter Eötvös. Über 40 Werke hat das Quartett bisher in Auftrag gegeben, uraufgeführt oder auf CD eingespielt. Nicht zuletzt für diesen Einsatz für zeitgenössische Musik wurden die vier Musiker 2014 mit dem prestigeträchtigen Avery Fisher Career Grant ausgezeichnet. Neben klassischen Künstlern und Ensembles wie Barbara Hannigan und Joshua Bell oder dem Cleveland Orchestra und dem L. A. Philharmonic arbeitet das Calder Quartet mit Künstlern aus allen Genres zusammen. Die Bandbreite reicht von Klassik und Neuer Musik über Rock bis hin zu Soundtracks für Filme und das Fernsehen. Dabei spielen die Musiker sowohl an traditionellen Konzertorten wie der Carnegie Hall als auch in Museen oder der legendären Hollywood Bowl. Auch in den populären amerikanischen Late-Night-Shows von David Letterman oder Jimmy Kimmel traten sie bereits vor einem Millionenpublikum auf. Künftige Highlights des Quartetts sind Auftritte im Lincoln Center, dem Metropolitan Museum of Art, der Disney Hall in Los Angeles und der Wigmore Hall London. Auch im Rahmen von »Greatest Hits« ist das Calder Quartet nochmals zu erleben: am kommenden Sonntag ab 11 Uhr, in einer fünfstündigen (!) Aufführung von Morton Feldmans Zweitem Streichquartett. DONNERSTAG Morton Feldman: Structures for String Quartet Wer in die Welt des Komponisten Morton Feldman eintaucht, der begegnet sehr bald dessen Vorliebe für Malerei und grafische Kunst. Die Abstraktion eines Mondrian, die dunklen Farbflächen eines Mark Rothko oder das dynamische Chaos eines Jackson Pollock, in all dem schlummerte für Feldman Musik. Besonders hatten es ihm orientalische Teppiche mit ihren komplexen geometrischen Mustern angetan. Wenn in deren Struktur eine kleine Irritation, ein Symmetriebruch eingewoben war, liebte »Morty« sie umso mehr. Feldmans Hang zu grafischer Kunst war mehr als nur ein Faible, er beeinflusste zutiefst sein Denken und seine Arbeitsmethoden als Komponist. Sein Komponistenkollege Christian Wolff verglich Feldmans Vorgehen mit dem eines Malers: »Feldman pflegte seine Manuskripte an der Wand aufzuhängen, so dass er zurücktreten und sie betrachten konnte wie ein Maler. Ich bin mir nicht sicher, aber manchmal schien es mir als würde er denken: ›Ich sollte hier unten oder dort oben noch etwas machen‹. Es war mehr wie eine Leinwand, nicht wie eine lineare narrative Struktur.« Für Feldman war die Partitur, die er auch deshalb an die Wand hängte, um sie als Ganzes überblicken zu können, ein zweidimensionaler geometrischer Raum, in den er genau abgezirkelte Muster einpasste. Zeitdauer und Tonhöhe bildeten die Achsen eines Koordinatensystems, in das Feldman seine Klangfiguren einwob. In »Structures« für Streichquartett von 1951 hört man eine lose Abfolge mehrerer solcher Muster: Das Stück beginnt mit locker im Raum verteilten Tonpunkten – später im Stück wird eine ähnliche Passage wiederkehren. Auf diese Tonpunkte folgen verschiedene Abschnitte, in denen die Wiederholungen kurzer Tonfolgen den Raum mit tönenden Mustern füllen. Die Farben und Fäden, aus denen Feldman seine Texturen wob, sind dabei durchweg zart und fein: Alles soll so leise wie möglich gespielt werden. Pierre Boulez: Livre pour quatuor Das eine, einzige, grenzenlose Buch, das die Summe aller denkbaren Bücher enthält, wollte der Poet Stéphane Mallarmé mit seinem »le livre« schaffen. Es wäre ein Buch geworden, dessen Seiten nicht länger in einer festgelegten Reihenfolge stehen; ein Konvolut, das jeder Leser, der zugleich Interpret und Schöpfer ist, neu hätte ordnen müssen, um ihm einen eigenen Sinn abzugewinnen. Das offene Buch – Pierre Boulez war von diesem Gedanken fasziniert. Noch bevor die erste Ausgabe von Mallarmés 288 nachgelassenen Blättern erschien, versuchte der Komponist Ende der 1940er Jahre eine ähnliche Konzeption in Tönen zu realisieren. Sein Werk nannte er, mit einer respektvollen Verbeugung vor dem Vorbild, »Livre pour quatuor«. Der Gedanke an offene, in ihrer Form nicht festgelegte Kompositionen erschien am Horizont. (Anfang der 1950er entdeckte John Cage dann den Zufall für sich; so weit wollte der Mathematiker Pierre Boulez allerdings nicht gehen.) Eine erste sechssätzige Fassung des »Livre pour Quatuor« schrieb Boulez 1948/49; veröffentlicht wurden 1958 zunächst fünf Sätze. In ihrer Reihenfolge sind sie frei austauschbar; jeder Interpret muss seine Wahl treffen. Die Offenheit ist dem »Livre« buchstäblich eingeschrieben. Wie fast alle Werke von Boulez wuchs und wucherte auch das »Livre« im Lauf der Jahrzehnte. Zwei der Sätze entwickelte Boulez 1968 zu Streichorchesterstücken weiter; an der Quartettfassung revidierte er bis 2012. Aufführungen aber blieben eine Seltenheit. Denn Boulez’ einziges Streichquartett ist so schwer, dass selbst der extrem anspruchsvolle Komponist schließlich eingestehen musste, seine Partitur sei »überladen mit Informationen«, eigentlich brauche man einen Dirigenten für die Aufführung. Das Calder Quartet wagt sich nun dirigentenfrei an den fünften Satz. Ilja Stephan 19:30 | K6 | ERÖFFNUNGSKONZERT ENSEMBLE INTERCONTEMPORAIN CLÉMENT SAUNIER Trompete JEAN-CHRISTOPHE VERVOITTE Horn Dirigent MATTHIAS PINTSCHER Matthias Pintscher (1971) Sonic Eclipse (2009/2010) Celestial Object I für Trompete und Ensemble Celestial Object II für Horn und Ensemble Occultation für Horn, Trompete und Ensemble Das gute alte Solo-Konzert spielt in der Musik der Gegenwart zwar nicht mehr die prominente Rolle wie in früheren Jahrhunderten. Aber die Grundprinzipien des Konzertierens, die Virtuosität, das Wechselspiel von Klanggruppen bzw. von Solist und Ensemble, sind zeitlos. Auf dem Programm des heutigen Abends stehen zwei Werke, in denen die Ideen der reinen Virtuosität und des dreisätzigen Konzerttypus mit den Mitteln und Klängen der Gegenwart neu gedacht werden. Matthias Pintscher: Sonic Eclipse ca. 35 Min. Pause Pierre Boulez (1925–2016) Sur Incises (1996–1998) Moment I Moment II ca. 45 Min. Gefördert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung Die drei Teile von Matthias Pintschers Zyklus »Sonic Eclipse« wurden zwar unabhängig voneinander als separate Werke uraufgeführt, doch vollständig enthüllen sie ihre Eigenart erst, wenn man sie als Teile eines größeren Ganzen betrachtet. Man könnte »Sonic Eclipse« eine Art Doppelkonzert für Trompete und Horn in drei Sätzen nennen. Der Komponist schreibt dazu: »Die musikalische Idee ist, dass im ersten Stück die Trompete und im zweiten das Horn eine Solistenfunktion übernehmen. Die Konturen der beiden Stücke werden im dritten Teil quasi übereinander gelegt, wobei das Material der beiden Stücke total heterogen ist und im Moment des Beieinanderseins miteinander verschmilzt. Mich hat interessiert, das Repertoire von zwei sehr unterschiedlichen Instrumenten, die doch einer Familie angehören, zu untersuchen, und die beiden Instrumente sehr verschieden klingen zu lassen. Dieses ganz heterogene Klang- und Gestaltungsrepertoire wird langsam zusammen und übereinander geführt, und schließlich auch das Ensemble hineingezogen, so dass alles wirklich zu einer Stimme, einem Instrument und Klanggestus verschmilzt und anschließend wieder auseinander fällt. Bildlich entspricht dies genau der Eklipse.« Im ersten Teil, »Celestial Object I« (Himmelsobjekt), steht die Trompete als Solo-Instrument im Zentrum. Der Komponist lässt sie zuerst mit einigen geräuschhaften, rein rhythmischen Klängen auftreten. Ganz im Gegensatz dazu DONNERSTAG steht die Grandezza, mit der das Horn als Solo-Instrument im zweiten Teil, »Celestial Object II«, seine melodischen Bögen spannt. So unterstreichen die Anfänge der ersten beiden Teile die unterschiedlichen Klangcharaktere der Solo-Instrumente, auf die es dem Komponisten ankam. Im dritten Satz, »Occultation« (Bedeckung), schiebt sich ein Teil vor den anderen und verhüllt ihn klanglich, so wie bei der astronomischen Eklipse ein Himmelskörper den anderen verdeckt. Die Teile werden »verdichtet und übereinandergelegt«, schreibt Pintscher dazu, »sie kommen einander so nahe, dass sie sich fast deckungsgleich übereinanderlegen.« Den End- und Zielpunkt des Triptychons markiert ein einvernehmlicher Dialog der beiden Solisten in einer großen gemeinsamen Kadenz. Pierre Boulez: Sur Incises Wenn es einen Ehrenpreis für Menschen gäbe, die komplizierte Dinge in einfachen Worten erklären können, dann hätte Pierre Boulez ihn verdient gehabt. Denn sein 40-Minuten-Stück »Sur Incises« zählt zwar zum Vertracktesten, was man neun Musikern zumuten kann, aber den Worten des Meisters zufolge ist eigentlich alles ganz einfach: »Was ich tue, ist wie Geschichten erzählen – abstrakte Geschichten natürlich. Ich brauche ›Sur Incises‹ nicht, um das Meer zu beschreiben oder so etwas. Aber es bleibt eine Erzählung. Kontinuität bedeutet, dass die Elemente immer anwesend sind, allerdings mit Variationen und Differenzierungen. Also, in ›Sur Incises‹ gibt es Material. Die erste Seite der Partitur enthält quasi die Hälfte des Stückes, weil das Material sehr einfach ist. Es gibt resonantes Material und sehr schnelles Material. Der Prozess besteht darin, beides zu vermischen oder nicht zu vermischen: Am Anfang sind sie nicht vermischt, während der zweiten Hälfte werden sie vermischt. Der Punkt ist, immer einen Weg zu finden, resonantes und schnelles Material miteinander in Dialog treten zu lassen.« Im Prinzip ist dieses Virtuosenstück also nichts anderes als ein sehr, sehr weit ausgeführtes Zwiegespräch zwischen zwei musikalischen Charakteren, nachhallenden Akkorden einerseits und aberwitzig rasanten Tonkaskaden anderseits. Die Vorgeschichte des Stückes ist allerdings schon etwas verschlungener. Wie der Name »Über Incises« schon ahnen lässt – und wie so oft bei Boulez –, beruht auch »Sur Incises« auf einem früheren Werk, das ihm als Vorlage und Ausgangspunkt für eine Weiterentwicklung diente. Das Klavierstück »Incises« schrieb Boulez 1994 als Prüfungsstück für einen Klavierwettbewerb. Die extreme Virtuosität war also dem Anlass geschuldet. Boulez nannte das Stück eine »Kadenz« – im klassischen Solokonzert war dies ein Abschnitt, in dem der Solist seine Virtuosität voll ausspielen durfte. »Incises« zeigt quasi die Essenz der Virtuosität. Ursprünglich hatte Boulez mit »Sur Incises« aus dieser Vorlage ein Klavierkonzert für Maurizio Pollini schaffen wollen, doch dann führte ihn sein Material auf andere Wege: »Die sehr brillante Kadenz habe ich erweitert durch unterschiedliche Formen von Multiplikation, angefangen von der einfachen Spiegelung bis hin zur sechs- und mehrfachen Spiegelung.« Ähnlich wie mit dem Tonmaterial verfuhr Boulez auch mit dem Ensemble: Er erweiterte den Klavierklang durch gestimmte Schlaginstrumente, Harfe und Steel Drum, und er erweiterte dieses Trio, indem er es symmetrisch spiegelte: Dem zentralen Klavier und seinen Erweiterungen stellte er zur Rechten und zur Linken ihre »Schatten« (Boulez) zur Seite. So wurde aus dem Solostück, das ein Konzert hätte werden sollen, schließlich ein Nonett für drei mal drei Virtuosen. Und auch für die Wirkung dieser irrwitzigen, funkelnden Musik fand der Komponist eine Formel, wie sie einfacher und treffender kaum sein könnte. »Sur Incises« verkörpert in Reinform, was Boulez ein »organisiertes Delirium« nannte. Es ist ein musikalischer Rauschzustand, der mit mathematischer Präzision in eine Form gebannt wurde. Ilja Stephan L E G A N P KAMAPM NAGEL.DE ERÖFFNUNGSKONZERT K Matthias Pintscher Dirigent »Gustav Mahlers Musik fängt die Unruhe und die emotionale Aufgewühltheit ein, die die Menschen zu seiner Zeit verspürt haben. In diesem Sinne ist es besonders interessant, ihn in die heutige Zeit zu holen.« Matthias Pintscher betrachtet das Komponieren und das Dirigieren als komplementäre Sphären seiner künstlerischen Arbeit. 1971 im westfälischen Marl geboren, studierte er bei Giselher Klebe, Manfred Trojahn und Péter Eötvös und wurde von Hans Werner Henze gefördert. Schnell avancierte Pintscher zu einem der erfolgreichsten Komponisten seiner Generation: Seine Musiktheaterwerke »Thomas Chatterton« und »L’Espace dernier« wurden an der Dresdner Semperoper bzw. der Opéra National de Paris uraufgeführt, seine Orchesterstücke von den Berliner und den New Yorker Philharmonikern, dem Philharmonia Orchestra, dem London Philharmonic oder dem Cleveland Orchestra gespielt. Heute lehrt Matthias Pintscher selbst Komposition an der New Yorker Juilliard School. Alain Platel ALAIN PLATEL / STEVEN PRENGELS NICHT SCHLAFEN MAHLER-PROJEKT 24.–26.11.2016 / 20:00 TICKETS: K AMPNAGEL.DE / 040 270 949 49 Design: queens-design.de, Foto: © Chris Van der Burght Als Dirigent hat sich Pintscher ein breites Repertoire vor allem mit Werken des 19. und 20. Jahrhunderts erarbeitet. Er dirigierte u. a. die Berliner Philharmoniker, das Cleveland Orchestra, das New York und das Los Angeles Philharmonic, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, die Staatskapelle Berlin und das Mahler Chamber Orchestra. Seit Beginn dieses Jahres leitet er als Principal Conductor gemeinsam mit Wolfgang Rihm die Lucerne Festival Academy, mit der er kürzlich bereits die Saisoneröffnung in der Laeiszhalle gestaltete. 2013 trat Pintscher das Amt des Musikdirektors beim von Pierre Boulez in Paris gegründeten Ensemble intercontemporain an, das er heute dirigiert und mit dem er bald auch eine Asientournee bestreitet. Im Rahmen seines »Multiversums« bei der Elbphilharmonie leitet er am 3. März auch die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, mit der er sein Werk »Ex Nihilo« aufführt; am 4. März gestaltet er einen ganzen Tag in der Elbphilharmonie. Gekrönt wird Matthias Pintschers Residenz im April mit der Uraufführung seines neuen Werkes in drei Konzerten des NDR Elbphilharmonie Orchesters. DONNERSTAG Ensemble intercontemporain 1976 gründete Pierre Boulez mit Unterstützung des damaligen französischen Kulturministers Michel Guy und in Zusammenarbeit mit Nicholas Snowman das Ensemble intercontemporain. Die insgesamt 31 Solisten des Ensembles einte von Anfang an die Liebe zur Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Heute arbeiten die Musiker unter der Künstlerischen Leitung von Matthias Pintscher eng mit Komponisten zusammen, erkunden neue Techniken auf ihren Instrumenten und entwickeln Projekte, die Musik, Tanz, Theater, Film, Video und visuelle Künste miteinander verbinden. In Zusammenarbeit mit dem IRCAM (Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique) ist das Ensemble auch auf dem Gebiet der synthetischen Klangerzeugung aktiv. Regelmäßig führt das Ensemble intercontemporain neue Werke auf und vergibt Kompositionsaufträge. Daneben ist das Ensemble bekannt für sein Engagement in der musikalischen Vermittlungsarbeit und Nachwuchsförderung und veranstaltet Kinderkonzerte, Kreativ-Workshops für Studierende oder Trainingsprogramme für zukünftige Musiker, Dirigenten und Komponisten. Seit 2004 stehen die Solisten des Ensembles als Tutoren bei der Lucerne Festival Academy dem Nachwuchs zur Verfügung. Das Ensemble intercontemporain ist an der neuen Philharmonie de Paris beheimatet und absolviert weltweit Auftritte und Festivalbesuche. Hae-Sun Kang Violine Diégo Tosi Violine Odile Auboin Viola Eric-Maria Couturier Violoncello Simon Drappier* Kontrabass Emmanuelle Ophèle Flöte Didier Pateau Oboe Alain Billard Klarinette Martin Adamek Klarinette Loïc Chevandier* Fagott Jean-Christophe Vervoitte Horn Clément Saunier Trompete Jérôme Naulais Posaune Gilles Durot Schlagzeug Samuel Favre Schlagzeug Victor Hanna Schlagzeug Dimitri Vassilakis Klavier Hidéki Nagano Klavier Sébastien Vichard Klavier Frédérique Cambreling Harfe Ségolène Brutin* Harfe Bleuenn Le Friec* Harfe *Gäste 22:00 | K2 | SONATAS AND INTERLUDES CÉDRIC PESCIA Klavier John Cage (1912–1992) Sonatas and Interludes (1946–1948) Sonatas I–IV Interlude 1 Sonatas V–VIII Interludes 2–3 Sonatas IX–XII Interlude 4 Sonatas XIII–XVI ca. 65 Min. Cédric Pescia Klavier Cédric Pescia studierte in seiner Heimatstadt Lausanne, in Genf, an der Universität der Künste in Berlin sowie in der International Piano Foundation am Comer See bei Dimitri Bashkirov, Leon Fleisher und Andreas Staier. Wichtige Impulse erhielt er zudem von Pierre-Laurent Aimard, Daniel Barenboim, Dietrich Fischer-Dieskau und dem Alban Berg Quartett. Seinen Durchbruch feierte er 2002 mit dem Sieg bei der Gina Bachauer International Artists Piano Competition in Salt Lake City, einem der renommiertesten Klavierwettbewerbe der Welt. Seither konzertierte er u.a. in der Philharmonie Berlin, Laeiszhalle Hamburg, Kölner Philharmonie, Carnegie Hall New York sowie beim Lucerne Festival, Schleswig-Holstein Musik Festival und Klavierfestival Ruhr. Seine Diskografie ist äußerst vielseitig und reicht von Bachs »Goldberg-Variationen« und »Die Kunst der Fuge« (aufgenommen auf einem ungleich gestimmten Flügel) über Beethoven, Schumann, Debussy und Busoni bis hin zu Messiaen, Gubaidulina und John Cage, dessen »Sonatas and Interludes« er einspielte. Seit 2012 lehrt Cédric Pescia als Professor an der Musikhochschule in Genf und gibt Meisterkurse in den USA und Europa. DONNERSTAG John Cage: Sonatas and Interludes Die Erfindung des präparierten Klaviers ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich aus der Not eine Tugend machen lässt. Denn: Im Jahr 1938 bestellte die Tänzerin Syvilla Fort zu ihrem Solo »Bacchanal« Musik bei John Cage. Etwas Afrikanisches sollte es sein, drei Tage hatte der Komponist dafür Zeit. Cage, der damals noch mit Zwölftonreihen komponierte, zerbrach sich den Kopf über »eine afrikanische Zwölftonreihe« – es fiel ihm keine ein. Ein logistisches Problem hatte er außerdem: In Forts Studio war kein Platz für Perkussionsinstrumente, allenfalls ein Flügel passt dort hinein. Und so erfand Cage das Schlagzeugensemble für zehn Finger. Mit einer Fleischplatte, die er auf die Saiten legte, und später – weil die Platte immer wieder verrutschte – mit Schrauben, die er zwischen die Saiten klemmte, verfremdete und dämpfte Cage den Klang des Flügels. Der altehrwürdige Tastenkasten wurde so verwandelt in ein zauberhaftes, exotisch klingendes Perkussionsorchester – in dessen Klang gleichwohl Restbestände des alten, unpräparierten Klaviers mitschwingen. Mögliche Klänge auf seinem neuen Instrument suchte und fand Cage nach eigenen Worten »wie man Muscheln am Strand sucht«. Mit den »Sonatas and Interludes« zog der Klangsammler 1946–1948 dann die Summe aus seinen Experimenten. In einem Zyklus von 20 Stücken (16 Sonaten und vier »Zwischenspielen«) lotete er die Möglichkeiten seines seit 1938 beständig erweiterten Klangkosmos voll aus. Doch obwohl er sich größte Mühe gegeben hatte, die Präparierung so präzise wie möglich zu bezeichnen, musste Cage am Ende einsehen, dass jede Realisierung unterschiedlich ausfiel. Aber auch aus dieser Not macht er schließlich (s)eine Tugend: »Es gehört dazu, sich wegzubewegen von der Kontrolle, hin zu dem, was einfach passiert.« Ilja Stephan Cédric Pescia, Calder Quartet, Ensemble intercontemporain, Matthias Pintscher TAG 2 | FR, 18.11.2016 17 UHR | KMH KLANGRADAR 3000 Hamburger Schüler komponieren Eintritt frei 18 UHR | K4 NELLY BOYD ENSEMBLE Alvin Lucier: Criss-Cross John Cage: Four 6 Morton Feldman: Durations 2 James Tenney: For Percussion perhaps, or … (night) €9 19:30 UHR | K2 BANG ON A CAN ALL-STARS »Field Recordings« Mit Hits von Julia Wolfe, Michael Gordon, David Lang, Tyondai Braxton, Steve Reich, Bryce Dessner und anderen € 18 21:30 UHR | K1 COMPOSER SLAM Der große Wettstreit der Komponisten Mit Ehsan Ebrahmi, Tobias Hertlein, Julia Mihàly, Tatjana Prelevic, Sebastian Wendt sowie Simon Kluth € 12 IMPRESSUM Herausgeber: HamburgMusik gGmbH Elbphilharmonie und Laeiszhalle Betriebsgesellschaft Generalintendanz: Christoph Lieben-Seutter Geschäftsführung: Jack F. Kurfess Redaktion, Layout und Satz: Clemens Matuschek, Simon Chlosta Alle Werkeinführungstexte sind Originalbeiträge für dieses Festivalprogrammbuch. Gestaltung: Mehmet Alatur / breeder design Druck: Flyer-Druck, Hamburg Das Filmen oder Fotografieren während der Konzerte ist nicht gestattet. Es ist untersagt, während der Konzerte Tonträgeraufnahmen zu machen. Bildnachweis John Cage (Rex Rystedt), Morton Feldman (Rob Bogaerts), Institut für angewandtes Halbwissen (Kampnagel), Cédric Pescia (Uwe Neumann), Calder Quartet (Autumn de Wilde), Ensemble intercontemporain (Aymeric Warme-Janville), Matthias Pintscher (Luc Hossepied), Bang on a Can All-Stars (Bang on a Can), Rothko Chapel (Flying High Solo), Philipp Ahmann (Steven Haberland), NDR Chor (Michael Müller), Ensemble Resonanz (Tobias Schult), Anna Meredith (Kate Bones), Elliott Sharp (Andreas Sterzing), Autechre (Warp Records), Ensemble Musikfabrik (Jonas Werner-Hohensee, Calder Quartet (Autumn de Wilde), Alexandra Waierstall (Jörg Letz) 17:00 | KMH | KLANGRADAR 3000 Klangradar 3000 FREITAG Zwischen den Klängen 16 Jahre besteht es bereits, das Musikvermittlungsprojekt »Klangradar 3000«, in dessen Rahmen Komponisten in die Schulen kommen, um Schülerinnen und Schüler mit zeitgenössischer Musik bekannt zu machen. Diese Stücke dienen dann wiederum als Ausgangspunkt für eigene experimentelle Kompositionen, die die Jugendlichen im Rahmen ihres Schulalltags erschaffen. So erhalten sie einen aktiven Zugang zur Musik des 21. Jahrhunderts und entdecken und entwickeln ihre eigene musikalische Ausdrucksfähigkeit und Kreativität. Indem die Jugendlichen ihr Projekt von der Konzeption bis zur heutigen Uraufführung eigenständig verwirklichen und verfeinern, lernen sie zudem viel über dynamische Prozesse in Gruppen. Entwickelt wurde das Format vom Komponisten Burkhard Friedrich. Unsere Stadtteilschule Hamburg-Mitte nimmt nun schon zum zweiten Mal am Kompositionsprojekt »Klangradar 3000« des Landesmusikrates Hamburg teil. Da unser Musikkurs des 13. Jahrgangs auch aus hörgeschädigten Schülern besteht, ist es für uns eine neue Erfahrung, auch die außergewöhnlichsten Klänge hörbar und erfahrbar zu machen. Bei diesem Experiment geht es darum, neue Klänge sowohl auf Instrumenten als auch mit Alltagsgegenständen zu entdecken. Für das aktuelle Projekt besuchte der Komponist Goran Lazarevic den Musikkurs JG 13 der Stadtteilschule Hamburg-Mitte. Als Inspirationsquelle diente ihnen » Four 6« von John Cage, das im anschließenden Konzert des Nelly Boyd Ensemble um 18:00 Uhr in der K4 im Original zu hören ist. Zusammen mit unserem Lehrer Herrn Müller und dem Komponisten Goran Lazarevic entwickelten wir eine eigene Komposition der anderen Art. Dabei lernten wir nicht nur, Musik anders zu hören, sondern auch, wie man Kompositionsteile bewusst wiederholt und Spannung durch Pausen zu erzeugt. Die genutzten Instrumente wurden nicht mehr auf ihre ursprüngliche Weise gespielt: Ihren Klang veränderten wir so weit, dass kaum erkennbar ist, welches Instrument gerade verwendet wurde. »Klangradar 3000« ist eine Kooperation des Landesmusikrats in der Freien und Hansestadt Hamburg e.V. und Elbphilharmonie Kompass. Gefördert durch die Behörde für Schule und Berufsbildung und die Stiftung Feldtmann Kulturell unter dem Dach der Hamburgischen Kulturstiftung. Weitere Informationen: www.klangradar3000.de Wir haben uns die Frage gestellt, ob man wirklich zwischen Geräusch und Klang unterscheiden muss, oder ob nicht doch Alltagsgeräusche Musik für einen Menschen sein können. Bei diesen Gedanken orientierten wir uns an dem Stück »Four 6« von John Cage. Schülerinnen und Schüler des Musikkurses der Stadtteilschule Hamburg-Mitte, Jahrgang 13 Enis Bajrami, Philine Burmeister, Orhan Corban, Kaan Eroglu, Clara Sophie Friedrich, Stefanie Maria Jacobs, Ahmed Karbasi, Hanna Marie Müller, Ege Ok, Armin Sadri, Ardit Saiti, Veysi Soyku Goran Lazarevic Komponist Matthias Müller Lehrer Burkhard Friedrich Künstl. Leitung, Moderation 18:00 | K4 | NELLY BODY ENSEMBLE NELLY BOYD ENSEMBLE Robert Engelbrecht Violoncello, E-Gitarre, Percussion Jan Feddersen Klavier, E-Gitarre, Percussion Moxi Beidenegl Stimme, Percussion Johann Popp E-Gitarre, Percussion Alvin Lucier (*1931) Criss-Cross (2013) John Cage (1912–1992) Four 6 (1992) Morton Feldman (1926–1987) Durations 2 (1960) James Tenney (1934–2006) For Percussion perhaps, or … (night) (1971) Nelly Boyd Ensemble Nelly Boyd ist ein Hamburger Ensemble und Komponistenkollektiv, das 2004 gegründet wurde. Die Mitglieder stammen aus verschiedenen Disziplinen wie bildender Kunst, klassischer Komposition, elektroakustischer Musik, Rock und freier Improvisation. Als Kollektiv realisiert Nelly Boyd die musikalischen Ideen seiner Mitglieder. Als aufführendes Ensemble erforscht es musikalische Einflüsse durch Komponisten der europäischen und amerikanischen (klassischen) Avantgarde und lädt dazu häufig Gastmusiker ein. Die Programme haben stets konzeptionellen Charakter und arbeiten stark mit der jeweiligen Aufführungssituation. Das Ensemble spielte u.a. Werke von John Cage, Morton Feldman, Terry Riley, Karlheinz Stockhausen und James Tenney und arbeitete mit den Komponisten Alvin Lucier, Phill Niblock, Christian Wolff und mit Charles Curtis für eine Aufführung von La Monte Youngs »Composition 1960 # 7« zusammen. Werke wie Phill Niblocks »One Large Rose« wurde speziell für Nelly Boyd komponiert; eine Aufnahme erschien 2009 als Teil der CD »Touch Strings«. Darüber hinaus erschien Niblocks »Tow By Tom« in einer Aufnahme mit dem Trio Scordatura aus Amsterdam und Nelly Boyd 2014 auf der DVD Brazil 84. Eine Aufnahme von Christian Wolffs »For 1, 2 or 3 People« ist auf der 2011 herausgebrachten CD »Christian Wolff: Kompositionen 1950–1972« enthalten. Nelly Boyd spielt regelmäßig auf den Festivals Blurred Edges und klub katarakt in Hamburg. Auftritte und Gastspiele hatte das Ensemble zudem im Podewil (Berlin), bei Experimental Intermedia (New York), in der Serpentine Gallery (London), in der Roten Fabrik (Zürich), im Issue Project Room (New York), Hangar Bicocca (Mailand), Bozar (Brüssel) und beim Festival MaerzMusik (Berlin). FREITAG Alvin Lucier: Criss-Cross Der Titel von Alvin Luciers »Criss-Cross« ist Programm. Übersetzen lässt er sich mit »kreuz und quer« oder »über kreuz«. Beide Gitarristen halten einen Ton das gesamte Stück über aus, allerdings um einen Halbton versetzt. Doch Lucier gibt minimale Tonhöhenschwankungen vor, die bestimmten Mustern folgen: eine Gitarre glissandiert einen Halbton nach unten, eine nach oben. Also kreuzen und überschneiden sich die beiden Frequenzen. Daraus ergibt sich ein Phänomen, das die Akustiker »Schwebung« nennen. Sie addieren sich zu neuen Mustern, wir hören einen Puls, der sich beschleunigt oder verlangsamt. Der eine, lange Halteton offenbart auf einmal ein rhythmisches Innenleben. Schön, oder? John Cage: Four 6 Viel ist es nicht, was John Cage den Interpreten seines Stücks »Four 6« mit auf den Weg gab. Dass es für vier Ausführende gedacht ist, verrät der Titel »Four«. Die hochgestellte Sechs bedeutet, dass es sich um Cages sechstes Stück für vier Spieler handelt. Und an wen Cage dabei dachte, verrät die Widmung: »Für Pauline Oliveros zur Feier Ihres 60. Geburtstages sowie für Joan La Barbara, William Winant und Leonard Stein«. Offenbar handelt es sich um ein Geburtstagsständchen unter Kollegen. Zwölf Klänge sollen die vier Interpreten sich aussuchen. Wie diese produziert werden, elektronisch, auf Instrumenten oder mit der Stimme, liegt ganz im Belieben der Ausführenden. Wie in Cages »Number Pieces« üblich, besteht die gesamte Partitur – neben einigen schriftlichen Anweisungen – aus Zahlen. Jeder der zwölf Klänge wird beziffert; wann er einsetzen und wann er wieder aufhören soll, gibt Cage auf die Sekunde genau durch notierte Zeitklammern an. Gesamtdauer laut Partitur: exakt 30 Minuten. Morton Feldman: Durations 2 Einen originellen Kunstgriff, um die Interpreten dazu zu bringen, neu über das Phänomen der Dauer nachzudenken, fand Morton Feldman in seinen »Durations 2« für Violoncello und Klavier. Er notierte die Musik in konventioneller Notenschrift, ließ aber von den Noten die Hälse, die die Länge einer Note definieren, einfach weg. So muss jeder Interpret selbst entscheiden, wie lange er eine Note spielen will. Im Vorwort der Partitur gab Feldman den Spielern einige Anweisungen mit auf den Weg, wie sein Stück zu klingen habe: »Der erste Klang von beiden Instrumenten gleichzeitig. Die Dauer jedes Klanges wird von den Spielern bestimmt. Der Puls ist langsam. Alle Klänge sollen mit einem Minimum an Attacke gespielt werden. Die Dynamik ist sehr leise.« Nur der Eindruck eines »linearen Kontrapunkts«, bei dem säuberlich Note gegen Note gesetzt wird, sei unbedingt zu meiden, riet der Komponist. James Tenney: For Percussion perhaps, or … (night) Eine Steuererklärung, die auf einem Bierdeckel Platz findet, wird wohl ewig ein Traum bleiben. Aber Kompositionen, die auf eine Postkarte passen, gibt es schon lange. Ab Mitte der 1960er Jahre schrieb James Tenney zehn solcher »Postal Pieces«. In diesem Fall besteht die Postkarten-Partitur lediglich aus drei Spielanweisungen: »very soft, very long, nearly white« (sehr weich, sehr lang, annähernd weiß). Auf welchen Instrumenten und wie diese Anweisungen in Klänge übersetzt werden, liegt ganz im Ermessen des/der Interpreten. Bleiben die Interpreten dem Konzept treu, seien diese Stücke, obwohl fast nichts festgelegt ist, doch sehr vorhersehbar, erklärte Tenney in einem Interview. »Man braucht nicht auf der Stuhlkante zu sitzen.« Denn nur wer aufgehört habe, auf die große Überraschung zu warten, könne endlich anfangen, den Klängen wirklich zuzuhören. Ilja Stephan 19:30 | K2 | BANG ON A CAN ALL-STARS BANG ON A CAN ALL-STARS Adrián Sandí Klarinette Ashley Bathgate Violoncello Robert Black Kontrabass Derek Johnson Gitarre Vicky Chow Klavier, Keyboard David Cossin Schlagzeug Andrew Cotton Tontechnik »Field Recordings« Julia Wolfe (*1958) Reeling (2012) Florent Ghys (*1979) An open Cage Michael Gordon (*1956) Gene takes a Drink (2012) Film: Bill Morrison Christian Marclay (*1955) Fade to slide David Lang (*1957) Unused Swan Tyondai Braxton (*1978) Casino Trem Steve Reich (*1936) The Cave of Machpelah aus »The Cave« (1990–1993) Arr.: Michael Gordon Caroline Shaw (*1982) Really craft when you Todd Reynolds Seven Sundays Alvin Lucier (*1931) Firewood (2013) Bryce Dessner (*1976) Letter 27 Anna Clyne (*1980) A wonderful day (2013) FREITAG Bang on a Can All-Stars »The country’s most important vehicle for contemporary music« nannte der San Francisco Chronicle einmal das Komponistenkollektiv Bang on a Can. 1987 in New York von den drei Komponisten Julia Wolfe, David Lang, and Michael Gordon gegründet, sorgt die Gruppe für die Aufführung und Verbreitung von Neuer Musik weit über die eigenen Werke hinaus. 1992 rief man dazu ein eigenes Ensemble ins leben: die Bang on a Can All-Stars. Mittlerweile sind die All-Stars auf der ganzen Welt für ihre dynamischen Live-Auftritte und Aufnahmen innovativer zeitgenössischer Musik bekannt. Dabei bewegt sich das sechsköpfige Ensemble frei zwischen Genres wie Klassik, Jazz, Rock, World und experimenteller Musik, um immer wieder in musikalisch unentdeckte Gebiete vorzudringen. Bei ihren Reisen innerhalb und außerhalb der USA haben die All-Stars die Definition aufgebrochen, wie Konzerte heutzutage aussehen. Mit dem großen Repertoire, das speziell für das Ensemble mit seiner besonderen Besetzung geschrieben wurde, haben die Musiker ein eigenes Genre etabliert. Die Bang on a Can All-Stars verbindet eine langjährige und enge Zusammenarbeit mit einigen der wichtigsten und inspirierendsten Musikern der Gegenwart, darunter Steve Reich, Ornette Coleman, Tan Dun, DJ Spooky und vielen weiteren. Zu den bisherigen Projekten gehören etwa Aufnahmen von Brian Enos »Music for Airports« oder Terry Rileys »In C« sowie Live-Auftritte mit Philip Glass, Meredith Monk, Don Byron, Iva Bittova und viele weitere. Im Jahr 2005 wurden die All-Stars vom Magazin Musical America als Ensemble des Jahres ausgezeichnet. Zu den jüngsten Projekten des Ensembles gehören neben den »Fiels Recordings« aus dem heutigen Konzert unter anderem die Uraufführung und Aufnahme von Julia Wolfes mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnetes Oratorium »Anthracite Fields« und die 2014 veröffentlichte Einspielung von Wolfes »Steel Hammer« zusammen mit dem Trio Mediaeval. In der ausverkauften Carnegie Hall führten sie Steve Reichs »2x5« zum ersten Mal auf und spielten das Stück auch auf CD ein. Konzertreisen führten die All-Stars zudem mehrfach nach China zum Beijing Music Festival und zum Hong Kong Arts Festival. 19:30 | K2 | BANG ON A CAN ALL-STARS »Field Recordings« »Field Recordings«: »Feld- oder Außen-Aufnahmen« sagt das englisch-deutsche Lexikon. Das legendäre New Yorker Ensemble Bang on a Can verweist mit diesem Begriff auf klassische Musikethnologen wie etwa Béla Bartók und Zoltán Kodály, die Mitte des letzten Jahrhunderts mit einem Phonographen in die slowakischen Berge und die ungarischen Ebenen zogen, um Volkslieder und Tanzmusik aufzuzeichnen. Es geht also um Feldforschung, um die Welt da draußen! Sie soll ins Zentrum aktueller Kompositionen rücken. »Es ist eine Art Geistergeschichte«, erklärt der Komponist und Ensemble-Mitgründer David Lang. »Wir haben Komponisten aus verschiedenen Teilen der Musikwelt aufgefordert, nach einer Aufnahme zu suchen, die bereits existiert – eine Stimme, ein Klang, ein kleiner Abschnitt einer Melodie – und dann etwas Neues darum herum zu schreiben.« Dieses Prinzip liegt allen Werken des heutigen Abends zugrunde. Den naheliegendsten Weg beschreitet Julia Wolfe, ebenfalls eine der Gründerinnen von Bang on a Can und 2015 ausgezeichnet mit dem Pulitzerpreis für Musik. Ihr Ausgangsmaterial ist – Musik. Sie nimmt sich ein YoutubeVideo und komponiert verschiedene Instrumentalstimmen dazu. Die raue Stimme, der unbekümmerte Gestus eines Folksängers geben den Ton vor. Diesen schmückt Julia Wolfe nun mehr und mehr mit Instrumentalstimmen und Schlagzeug aus. Florent Ghys dagegen bezieht sich auf Sprache und erweist gleichzeitig John Cage Reverenz, der bei diesen »Greatest Hits« im Fokus steht. Sie lässt sich von Cage inspirieren, der aus seinem Tagebuch liest, und betont dessen Sprechrhythmus durch funkige Bassriffs. Michael Gordon wiederum geht auf die Alltagskultur der Videoclips ein, die für viele von uns längst Realität ist. »Gene takes a drink« – ziemlich lässig betitelt Gordon, der dritte Mitbegründer von Bang on a Can und Ehemann von Julia Wolfe, seine Komposition. Und genau so lässig gibt er Auskunft über den Ort des Geschehens: »Gene takes a walk around the community gardens on the corner of Ave. C and East 9th Str.« Ein kleiner Spaziergang im New Yorker Stadtteil Alphabet City also. Hier, im East Village, fing damals alles an. Aufregend ist »Gene takes a drink« aber auch, weil Gene durch die Gemeinschaftsgärten im ehemaligen puertoricanischen Viertel spaziert. Denn man gärtnert inzwischen gemeinsam mitten in Manhattan – ein Ausdruck moderner urbaner Lebensweise. Dazu passt ein sanfter, gleichförmiger Soundtrack. Ein sehr ausgeklügeltes Video bringt Christian Marclay auf die Bühne. Kein Wunder, schließlich ist Marclay nicht nur Komponist, sondern hat sich mit seinen Videocollagen einen großen Namen gemacht. In rascher Abfolge schneidet er Sequenzen aneinander; die Zeit reicht kaum, um sie einzuordnen, dann folgt schon die nächste. Dazu hat er eine Art Soundteppich komponiert, der mal illustrierend, mal verstärkend, das Video bereichert. Die »found sounds« für David Langs Werk stammen aus einer Scherenschleiferei. Er nahm sie ganz zu Beginn seiner Karriere auf. Über »Unused Swan« sagt er : »Ich machte damals einen Track mit Leuten, die Messer und Scheren schliffen. Ich erinnere mich daran, wie sehr ich diese Aufnahme mochte, aber das Konzert selbst war grässlich.« Deswegen entschloss sich Lang, das Stück neu aufzubauen. Die Geräusche der Scherenschleifer aber sind gleich geblieben – und wirklich nichts für schwache Nerven. Inzwischen gibt es eine Generation junger amerikanischer Komponisten, die ganz selbstverständlich auf mehreren Hochzeiten tanzen. Sie spielen in Rockbands, mischen als Produzent und Ein-Mann-Orchester komplizierte Elektroklänge und verstehen sich gleichzeitig als klassische Komponisten. Zu dieser Generation gehören unter anderem Tyondai Braxton und Bryce Dessner. FREITAG Das beliebige An- und Ausschalten schlecht produzierter und auf billige Lautsprecher übertragener Klänge bildet das Grundmaterial von Tyondai Braxtons »Casino Trem«. Braxton setzt eine zweite Ebene auf diese Alltagsklänge, indem er wunderbar leichte und gut wahrnehmbare Klangschichten erzeugt. Die kommen mal als fetter Keyboardsound rüber, mal wie eine zu laut aufgedrehte Fernsehwerbung. Braxton ist so etwas wie die »lone brave soul« der amerikanischen Neue Musik Szene, schreibt Seth Colter Wall auf pitchfork.com über ihn. Bryce Dessner wurde als Rockmusiker mit seiner Band »The National« weltbekannt. Sein Werk mit dem sperrigen Titel »Maximus to Gloucester, Letter 27, withheld« bezieht sich auf ein Gedicht des Schriftstellers Charles Olson. Dessner wählt einen Videoclip, auf dem Olson das Gedicht vorträgt. Es handelt sich um einen sehr sinnlichen Vortrag; der Dichter rezitiert sein Werk mit weicher Stimme und großen Gesten. Da genügt eine Cellokantilene und ein wiederkehrendes eingängiges Motiv, um diese Form der Alltagskultur auch musikalisch erfahrbar zu machen. Mit ihm fing alles an: Steve Reich. Inzwischen ist es viele Jahre her, dass der Amerikaner auf die Idee kam, die Rhythmen afrikanischer Trommler in einer Endlosschleife anzuordnen und langsam gegeneinander zu verschieben. Das war mit der damaligen Technik gar nicht so leicht zu bewerkstelligen: Zu Beginn blieb ihm nichts anderes übrig, als zwei separate Tonbänder zu nutzen Deswegen gehört er bei »Field Recordings« einfach dazu. Dass Bang on a Can sich für einen Ausschnitt aus der Oper »The Cave« entschieden hat, liegt an dem Material, dass Reich und seine Frau, die Videokünstlerin Beryl Korot, gesammelt haben. Denn in »The Cave« geht es um die Höhle von Machpelah im Westjordanland, angeblich die Grabstätte von Adam und Eva und auch von Abraham. Die darf aber niemand betreten. Und so wird der Kern des Werks aus Interviews mit Menschen gebildet, die sich für die jüdische Kultstätte interessieren. Wieder anders gehen Caroline Shaw und Anna Clyne an die Sache heran. Beide schöpfen ihre Kreativität aus alltäglichen, fast banalen Situationen. In »Really craft when you« von Caroline Shaw kann man Stimmen lauschen: Es sind Frauen aus dem Süden der USA, die sich getroffen haben, um Quilts zu nähen, die berühmten Decken mit ihren zahllosen kleinen Stichen. Erstaunlich, was man daraus machen kann. Caroline Shaw versetzte ihrerseits ganz Amerika in Erstaunen, als sie vor drei Jahren den Pulitzerpreis für Musik bekam. Mit gerade einmal 30 Jahren war sie damit die jüngste Amerikanerin überhaupt, der diese Ehre zu teil wurde. Todd Reynolds verbrachte quasi seine gesamte Kindheit an der amerikanischen Westküste in Kirchen unterschiedlicher protestantischer Prägungen, da sich sein Vater als Organist und Chorleiter von Job zu Job hangelte. Doch die Macht der Erleuchtung und der Ekstase erlebte er erst in den schwarzen Baptistenkirchen der Südstaaten. Ergo bildet eine Schallplatte voller mitreißender Predigten aus den 30er bis 50er Jahren die Grundlage für seine »Seven Sundays«. Der über 80-jährige Altstar Alvin Lucier suchte und fand die Partitur für sein Stück »Firewood« im Wald. Genauer gesagt: In den Spuren, die Insekten im Holz unter der Baumrinde hinterlassen hatten, und die nun als grafische Notation für die Stimmen der Musiker dienen. So gesehen gibt es in seinem Werk zwar keine recordings, aber jede Menge field. Die Engländerin Anna Clyne schließlich hat einfach einen Fußgänger angesprochen, der vor sich hin sang, ob sie ihn aufnehmen dürfte. Sie durfte, und so bildet Willie Barbees Gesang auf der Magnificent Mile in Chicago die Grundlage von »A wonderful day«. Mirjam Schadendorf / Clemens Matuschek 21:30 | K1 | COMPOSER SLAM Willkommen zum Composer Slam! Heute Abend liegt es in Ihrer Hand, also in den Händen des Publikums, eine Komponistin oder einen Komponisten bis ins Finale zu klatschen. Als da wären: Ehsan Ebrahimi Ehsan Ebrahimi wurde 1980 im Iran geboren und erlernte dort die Santur, die persische Form des Hackbretts. Seit 2012 studiert er in Hannover Komposition. Er komponierte bereits für namhafte Formationen wie etwa das Ensemble Musikfabrik oder das Ensemble Mosaik. Seine Werke wurden auf renommierten Festivals aufgeführt, so etwa bei den Händel-Festspielen Göttingen, dem Heidelberger Frühling oder im ZKM Karlsruhe. Ehsan Ebrahimi gründete mehrere Orchester in Deuschland und im Iran. Tobias Hertlein Tobias Hertlein ist Percussionist, Komponist und Musikvermittler. In letzter Funktion hat er schon beim EducationProgramm der Elbphilharmonie, auf Kampnagel und beim Ensemble Resonanz mitgewirkt. Als Schlagzeuger hat er u.a. mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester und bei Musicals wie »Aladdin« oder »König der Löwen« gespielt. Mit seiner Mischung aus Livesounds, Elektronik, Komposition und Improvisation trat er bei verschiedenen Performances in Erscheinung. Julia Mihàly Julia Mihály bewegt sich an der Schnittstelle von zeitgenössischer Musik, Elektroakustik und Electronica. Das Crossover von unterschiedlichen Musikstilen ist charakteristisch für ihre Musik. Sie studierte Gesang und elektronische Komposition an der Musikhochschule Hannover. Mit ihrem Elektronik-Duo CLUBbleu ist sie Artist in Residence am Staatstheater Darmstadt. Sie ist Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Elektroakustische Musik. FREITAG Tatjana Prelevic Tatjana Prelevic wurde in Podgorica geboren, der Hauptstadt von Montenegro. Sie studierte Klavier und Komposition in ihrer Heimatstadt sowie in Hannover, wo sie seit 1997 Dozentin für Kammermusik und Neue Musik ist. In ihren Werken, die von Solo-, Kammer- und Orchesterbesetzungen bis zu Vokal- und Musiktheaterstücken reichen, setzt sie sich oft mit der Kunst und Kultur des ehemaligen Jugoslawien auseinander. Dazu erhielt sie Kompositionsaufträge zahlreicher namhafter Institutionen. Sebastian Wendt Im Alter von 16 Jahren hörte Sebastian Wendt sein erstes Free-Jazz-Konzert und verliebte sich sofort in diese neue Klangwelt. Der Wunsch, diesen Kosmos und alles Fremde zu erforschen und auf der Klarinette in allen Facetten zum klingen zu bringen, führte ihn durch halb Deutschland und schließlich nach Hannover, wo er Klarinette, Komposition und Audioprogrammierung studierte. Seine Ideen bezieht er oft aus mechanischen oder organischen Strukturen. 2016 erhielt er ein Stipendium des Landes Niedersachsen. Simon Kluth Idee und Moderation Simon Kluth, 1986 in Hamburg geboren, studierte Violine in Detmold, Hannover und Paris. Er war langjähriges Mitglied in der Jungen Deutschen Philharmonie und nahm an der Lucerne Festival Academy teil. Derzeit spielt er u.a. als Stimmführer in der Hamburger Camerata sowie in der Band »Milou&Flint«. Simon Kluth ist Erfinder und Moderator des Komponistenwettstreits »Composer Slam«, den er in verschiedenen Städten in ganz Deutschland organisiert. Mittlerweile haben sogar Schüler-Composer-Slams stattgefunden; ein Konzept, das mit dem Förderpreis Musikvermittlung der Niedersächsischen Sparkassenstiftung ausgezeichnet wurde und für den »Junge Ohren Preis« nominiert war. Bang on a Can All-Stars TAG 3 | SA, 19.11.2016 11 & 15 UHR | P1 FÜR KINDER AB 5 JAHREN: A HOUSE FULL OF MUSIC Wiener Taschenoper John Cage: A House full of Music €9 16:30 UHR | K2 KLANGRADAR 3000 Hamburger Schüler komponieren Eintritt frei 18 UHR | K6 NDR CHOR Andra Darzins Viola | Sönke Schreiber Schlagwerk | Thomas Cornelius Celesta Leitung Philipp Ahmann Morton Feldman: Rothko Chapel Julian Anderson: Four American Choruses John Cage: Four 2 € 18 19:30 UHR | K6 ENSEMBLE RESONANZ BOYDS ELEKTRO GITARREN ORCHESTER Gareth Davies Klarinette | Elliott Sharp E-Gitarre Dirigenten Christoph Altstaedt, Jan Feddersen Hits von Pauline Oliveiros, James Tenney, John Cage und Elliott Sharp € 18 23 UHR | KMH ANNA MEREDITH & BAND € 15 11:00 & 15:00 | P1 | A HOUSE FULL OF MUSIC A HOUSE FULL OF MUSIC Eine musikphilosophische Abenteuerreise für Kinder ab 5 Jahren mit Musik von John Cage Katja Hensel Text Jewgenij Sitochin Künstlerisches Konzept und Inszenierung Nives Widauer Bühnenbild Esther Straganz Videodesign Wolfgang Musil Audiodesign Frank Sobotta Lichtdesign Martin Bermoser Clown Marie-Christine Friedrich Stille Michael Tiefenbacher Klavier Was ist Lärm? Was ist Musik? John Cage, einer der einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts, hat unsere Hörgewohnheiten und unser Denken über Musik radikal auf den Kopf gestellt. Auf seinen Spuren begeben wir uns auf eine abenteuerliche Hör-Reise durch unseren Alltag und staunen darüber, was alles in unseren Ohren Musik werden kann: zum Beispiel eine Schranktür, ein Wasserkocher, ein Reißverschluss, Bleistifte. Aber was wäre das alles ohne die Stille, die uns diese Klänge und Geräusche erst so richtig hören lässt! Ausgezeichnet mit dem »Stella Darstellender.Kunst.Preis« für junges Publikum. John Cage John Cage (1912–1992) war ein amerikanischer Komponist. Schon falsch! Er war eher ein Erfinder. Er liebte Klänge und Geräusche; alles was man hören kann. Und er hasste es, wenn alles so klingt, wie man es gewohnt ist. Deshalb erfand er viele Arten, wie man neue Klänge erzeugen kann. Zum Beispiel beim Klavier: Jeder weiß, wie das klingt; deshalb steckte Cage Schrauben, Nägel und Radiergummis zwischen die Saiten, und schon klang es ganz anders. Klänge, die bisher noch niemand gehört hatte! Außerdem fiel John Cage auf, dass jedes Ding seinen eigenen Klang hat. Zum Beispiel in der Küche: Schrank, Herd, Spühle, Töpfe Pfannen, Messer und all die andern Sachen. Wenn man draufhaut, dran reibt, hat alles einen Ton, und man kann damit sogar Musik machen. Ja, die merkwürdigsten Klänge sind sogar immer schon da, man muss sie nur reinlassen. John Cage machte deshalb gerne die Fenster seiner Wohung auf, und zwar die, die zur Straße rausgingen. Schon hatte er ganz abwechslungsreiche Geräusche: die Autos, die Stimmen der Leute, Wind in den Bäumen und vieles mehr. Deshalb sagte John Cage oft: Mach die Ohren auf – dann kriegst Du neue glückliche Ohren, die immer etwas Neues hören. Die Freunde von Cage meinten: Er war ein glücklicher Mensch, weil er in jedem Moment etwas Unerwartetes hören konnte. Das will seine Musik uns zeigen. Thomas Ulrich SAMSTAG Wiener Taschenoper Die Wiener Taschenoper produziert in den letzten Jahren hauptsächlich Kinderopern. Dafür vergibt sie Aufträge an Komponisten wie Wolfgang Mitterer (»Schneewittchen«), Martin Brandlmayr (»Der blaue Autobus«) und eröffnet Kindern den Zugang zu Klassikern der Avantgarde wie etwa John Cages »A House full of Music« oder Karlheinz Stockhausens »Der kleine Harlekin«. Wesentliche Weggefährten dabei sind Künstler wie Jevgenij Sitochin, Harald Thor, Charles Koroly, Reinhard Traub und andere. Zu ihren Partnern zählen neben der Elbphilharmonie die Wiener Sängerknaben, das Opernhaus Graz, die Bayerische Staatsoper und das Staatstheater Kassel. Marie-Christine Friedrich Stille Die geborene Wienerin Marie-Christine Friedrich ist freischaffende Schauspielerin für Kino, Film und Bühne. Sie spielte u.a. in »La Luz de la Esperanza« von Sylvia Quer, »Karo und der liebe Gott« von Danielle Proskar und »Weitertanzen« von Friederike Jehn, in der Serie »Fauner Consulting«, in dem französischen Kinofilm »Tout est pardonné« und in der TV-Reihe »Lena Lorenz«. 2004 erhielt sie den Preis »Romy« in der Kategorie Shootingstar und 2007 den Preis als beste Schauspielerin beim internationalem Filmfestival in Gijon. Darüber hinaus spielte sie am Volkstheater Wien, Kosmostheater Wien und bei den Vereinigten Bühnen Bozen. Die Wiener Taschenoper wird gefördert von der Stadt Wien. Michael Tiefenbacher Klavier Martin Bermoser Clown Geboren und aufgewachsen in Kärnten, studierte Martin Bermoser Schauspiel in Wien und New York und nahm an diversen Method-Acting-Workshops teil. Er spielte an zahlreichen Bühnen im In- und Ausland, unter anderem im Schauspielhaus Stuttgart, bei den Salzburger Festspielen, an der Wiener Volksoper oder in der »Blue Man Group« in New York und Berlin. Außerdem stand er für zahlreiche Filme und Fernsehserien wie »Tatort« oder »Kommissar Rex« vor der Kamera und arbeitete mit Regisseuren wie Michael Haneke für »Die Klavierspielerin« zusammen. Seine internationale Filmkarriere startete er 2015 mit »Mission Impossible – Rogue Nation« an der Seite von Tom Cruise und 2016 »Beyond Valkyrie« an der Seite von Rutger Hauer und Tom Sizemore. »Ein Name, den man sich merken sollte« hieß es auf Ö1 über den 1982 in Tirol geborenen Michael Tiefenbacher. Er absolvierte ein Jazzklavierstudium am Tiroler Landeskonservatorium sowie am Gustav-Mahler-Konservatorium und besuchte Meisterkurse bei Größen wie Jacky Terrasson, Rob McConnel, Bobby McFerrin und Lee Harper. Seit 2009 ist er Dozent für Klavier und Ensemble und seit 2014 Abteilungsleiter der Abteilung für Tasteninstrumente am Vienna Music Institute. Zu seinen künstlerischen Partnern zählen Billy Cobham, Jeff Richman und Wolfgang Mitterer. In dieser Saison ist Michael Tiefenbacher u.a. mit dem Ulrich Drechsler Trio, in der Oper »Schneewitchen« von Wolfgang Mitterer sowie auf Europatournee mit der Band Studio Dan zu erleben. 16:30 | K2 | KLANGRADAR 3000 Klangradar 3000 Klingende Geschichten am Feuer 16 Jahre besteht es bereits, das Musikvermittlungsprojekt »Klangradar 3000«, in dessen Rahmen Komponisten in die Schulen kommen, um Schülerinnen und Schüler mit zeitgenössischer Musik bekannt zu machen. Und nicht nur das: Die Schüler experimentieren mit alltäglichen Gegenständen, Geräuschen und Elektronik und erfinden selbst Instrumente. So werden sie für das klangliche Potenzial ihrer Umwelt sensibilisiert. Ziel ist die Komposition eines eigenen Gemeinschaftswerkes im Musikunterricht auf Basis des gesammelten musikalischen Materials. Entwickelt wurde das Format vom Komponisten Burkhard Friedrich. Stadtteilschule Langbargheide, Klasse »Wölfe« Arda Bastürk, Irini Bousdoukou, Sirat Charrad, Leis Chebishat, Dorit Christiansen, Rojhat Dogan, Maria Gabriela Gäding, Abdurrachman Gemirhanov, Pascal Gehren, Seline Glindemann, Semih Gul, Leandro Jalo Ramalho, Robert Jantscha, Conner Arwed Klemm, Karen Marutyan, Yusuf Ozbal Beig, Alisa Pavlovskaya, Maxim Saltykov, Ondrej Vagovic Heute erleben Sie die Uraufführungen von vier solcher Werke. Bei der Komposition haben sich die Schüler vom Thema »Zurück in die Zukunft« inspirieren lassen. Das kann sich zum Beispiel auf das Licht von Sternen im Universum beziehen: Manches Sternenlicht, das uns erreicht, ist schon Billionen Jahre alt, und man weiß nicht mal genau, ob die Lichtquelle überhaupt noch existiert. Und doch scheint dieses Licht in die Zukunft. Ein bisschen wie Musik also, deren Komponist vielleicht nicht mehr am Leben ist, die aber immer noch universell und zukunftsweisend sein kann – wie zum Beispiel die Stücke von John Cage und Morton Feldman. »Wir haben mit Dario Musik gemacht. Das war toll!« »Ich finde es toll, dass Indianer Instrumente selbst erfunden haben. Das machen wir auch!« »Wir waren im Volkspark und haben mit Dario Musikinstrumente gesammelt. Es sind Naturinstrumente!« »Das Instrument klingt schön, das ich gefunden habe!« »Das ist mein Instrument: Holz-Super-Blatt!« »Klangradar 3000« ist eine Kooperation des Landesmusikrats in der Freien und Hansestadt Hamburg e.V. und Elbphilharmonie Hamburg. Gefördert durch die Behörde für Schule und Berufsbildung und die Stiftung Feldtmann Kulturell unter dem Dach der Hamburgischen Kulturstiftung. Dario Quinones Komponist Julia Langguth, Susanne Matzen-Krüger Lehrerinnen netieZ Stadtteilschule Meiendorf, Klasse 8c Bahros Abdul, Derek Adjei, Rachel Albrecht, Emal Alikusi, Aylin Bode, Lilly Brederlow, Emmy Burak, Sascha Drewes, Linus Fehling, Julie Ferreira de Silva, Avril Gyamfi, Chantal Hecker, Kristian Horvath, Hajriz Hyseni, Alessandra Kraus, Denise Küper, Celia Leib, Celina Lübke, Sarah Meyer, Josefine Nagurski, Tony Ngguyen, Maya Petrovic, Ahmed Radwan, Michelle Schultz, Nawid Waez Zadeh, Maximilian Wehr Weitere Informationen: www.klangradar3000.de Carlos Andrés Rico Komponist Hendrikje Witt Lehrerin SAMSTAG Lesen Sie den Titel unseres Stückes rückwärts, dann werden Sie ihn verstehen! Denn uns ging es – nach dem Motto »Zurück in die Zukunft« – um die Frage, wie sich Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit anhören könnten. Also, welche Bilder wir Ihnen als Zuhörern in den Kopf setzen wollen und mit welchen Instrumenten und Gegenständen sich die dafür notwendigen Klänge erzeugen lassen. Nun könnte man denken, diese Instrumente und Gegenstände sind das Wichtigste bei unserem Projekt. Sie sind jedoch nur die Arbeiter; diejenigen, die ausführen, was in unseren Köpfen stattfindet: vier Momente, beeinflusst von den Klängen der vier Elemente (Feuer, Wasser, Luft und Erde) und ihre Entwicklung in der Zeit. Im Laufe des Projekts konnten wir viele Instrumente ausprobieren und neu erschaffen. Alltägliche Gegenstände wie zum Beispiel Basketbälle oder Tacker wurden zu willkommenen Effekten in unserer Komposition. So lernten wir auch den Umgang mit Pausen und Rhythmen besser kennen und entwickelten ein Gespür für die Wirkung der Musik auf unsere Gefühle und umgekehrt. Verloren in der Zeit Friedrich-Ebert-Gymnasium, Klasse 6m Liberty Abuah, Rozerin Aras, Fabian Bizanz, Fenina Buch, Amelie Diedrich, Zara Dolas, Marina Fernandez y Wiese, Rike Gilles, Alicia Gülüm, Miray Halisdemir, Theia Hartmann, Xenia Jost, Alina Kronhard, Emil Kruse, Mariam Mahdi, Paulina Markevka, Aleyna Özmen, Carola Peters, Taja Rommel, Hannah Ruge, Mia Schultz, Jarray Siise, Hanna Sollböhmer, Semir Streicher, Helene Sturm, Sude Tugrul Benjamin Helmer Komponist Lone Baumann Lehrerin In unserem Stück geht es um eine Zeitreise, die im Kopf eines Menschen stattfindet. Mit einer Zeitmaschine werden wir Sie in die Vergangenheit und in die Zukunft entführen. Aber wie klingt eigentlich die Zeit? Wie klingt die Vergangenheit? Wie klingt die Zukunft? Welche Geräusche macht eine Zeitmaschine, wenn sie startet oder wenn sie kaputt geht? Diese Fragen haben wir uns gestellt. Die Antworten werden Sie während des Stückes hören. The Unknown Future Albert-Schweitzer-Stadtteilschule, Klasse 10a Lukas Bochnik, Lina Brinkmann, Friederike Bruhns, Lea Deger, Lara von Deyen, Piet Finder, Elias Grimm, Alicia Hauschildt, Sina Heisler, Gesa Jensen, Indra Klünder, Julie Köhler, Tomke Kuhlmann, Jonathan von Massenbach, Justus Mayr, Louis Meinecke, Lewin Müller, Svenja Olberg, Nils Outzer, Manja Pertt, Johann Rattay, Josefine Schwarz, Caroline Thedens, Alexander Thiedemann, Sophia Tsalikis Goran Lazarevic Komponist Jan Peters Lehrer Wir beschreiben mit unserem Stück die Entwicklung der Menschheit, die sich immer mehr zu einer medienorientierten Gesellschaft entwickelt. Die Technik wird immer mehr zum Bestandteil der Menschen, selbst der jüngsten Generation. Bedingt durch den wachsenden Konsumrausch werden die Lebensumstände stressiger und die Kommunikation untereinander findet fast ausschließlich nonverbal statt. Wir versuchen, einen Kontrast zwischen Melancholie und einer positiven Stimmung herzustellen. Die Herstellung der Klänge konzentriert sich hierbei auf unsere Orchesterinstrumente. Die große Frage unseres Stückes ist: Können wir uns den Herausforderungen der Zukunft stellen? 18:00 | K6 | NDR CHOR NDR CHOR NDR Chor Leitung PHILIPP AHMANN ANDRA DARZINS Viola SÖNKE SCHREIBER Schlagwerk THOMAS CORNELIUS Celesta Morton Feldman (1926–1987) Rothko Chapel (1971) ca. 25 Min. Julian Anderson Four American Choruses (2008) I’m a Pilgrim Beautiful Valley of Eden Bright Morning Star At the Fountain ca. 20 Min. John Cage (1912–1992) Four2 (1990) for mixed chorus (1990) ca. 10 Min. 1946 gegründet, gehört der NDR Chor zu den international führenden Kammerchören. Sein Repertoire erstreckt sich von Alter Musik bis hin zu Uraufführungen. Mit seiner nuancierten Klangfülle und stilistischem Einfühlungsvermögen in die verschiedenen Musikepochen liegt der Schwerpunkt seiner Arbeit besonders auf der Auseinandersetzung mit anspruchsvoller A-cappella-Literatur. Auch die Musikvermittlung ist dem NDR Chor ein wichtiges Anliegen. Künstlerischer Leiter ist seit 2008 Philipp Ahmann. Dirigenten wie Daniel Barenboim, Marcus Creed, Paavo Järvi, Andris Nelsons und Sir Roger Norrington geben dem Chor weitere künstlerische Impulse. Regelmäßig zu Gast ist der NDR Chor beim Schleswig-Holstein Musik Festival, den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern, den Internationalen Händel-Festspielen Göttingen und in internationalen Konzerthäusern wie dem Théâtre des ChampsElysées in Paris. Sopran Regine Adam, Bettina Podjaski, Dorothee Risse-Fries, Katharina Sabrowski, Stephanie Stiller, Raphaela Mayhaus, Johanna Mohr, Agnes Kovacs, Elisa Rabanus Alt Almut Pessara, Gabriele-Betty Klein, Alexandra Hebart, Christa Diwiak, Ina Jaks, Gesine Grube, Kristien Daled, Meredith Nicoll, Andrea Hess Tenor Dantes Diwiak, Keunhyung Lee, Joachim Duske, Aram Mikaelyan, Götz-Phillip Körner, Joachim Streckfuß, Satoshi Mizukoshi Bass Christoph Liebold, Andreas Heinemeyer, Dávid Csizmár, Simon Schnorr, Andreas Pruys, Fabian Kuhnen, Manfred Reich, Rudolph Preckwinkel, Till Schulze, Johannes Happel SAMSTAG Philipp Ahmann Leitung Philipp Ahmann, geboren 1974, studierte Dirigieren bei Marcus Creed im Köln. Seit 2005 arbeitet er mit Rundfunkchören, u.a. beim SWR, WDR und rbb. 2013 ernannte ihn der MDR Rundfunkchor Leipzig für drei Jahre zum Ersten Gastdirigenten. 2008 übernahm er die Leitung des NDR Chores, unter der die sehr erfolgreiche eigene Abonnementreihe gegründet wurde. Neben der Erarbeitung von A-cappella-Literatur hat Philipp Ahmann sich auch einen Namen mit Interpretationen oratorischer Werke vom Barock bis zur Moderne gemacht. Dabei arbeitete er mit Orchestern der Alten Musik wie Concerto con Anima oder Concerto Köln und mit Spezial-Ensembles der Neuen Musik wie dem Raschèr Saxophone Quartet zusammen, ferner mit dem Ensemble Resonanz, dem GürzenichOrchester Köln, dem MDR Sinfonieorchester und der NDR Radiophilharmonie. Produktionen mit der NDR Bigband und NDR Brass sowie die Leitung des NDR Mitsingprojektes »Singing!« mit über 600 Sängern unterstreichen seine Vielseitigkeit. Andra Darzins Viola Als Kind lettischer Eltern in Australien geboren, studierte Andra Darzins zunächst in Adelaide. Als Churchill Fellowship und DAAD-Stipendiatin kam sie schließlich nach Berlin, wo sie ihr Studium bei Wolfram Christ 1989 mit dem Konzertexamen mit Auszeichnung absolvierte. Nach ihrer Position als Erste Solobratschistin im Philharmonischen Staatsorchester Hamburg von 1993 bis 2004, wurde sie als Professorin an die Musikhochschule Stuttgart berufen. Sie hat bereits viele Werke zur Uraufführung gebracht, u.a. das ihr gewidmete Violakonzert der lettischen Komponistin Maija Einfelde. Andra Darzins ist Preisträgerin bei zahlreichen Wettbewerben. Ihre CD »America«, auf der sie die Solo-Viola in Feldmans »Rothko Chapel« mit dem SWR Vokalensemble spielt, wurde 2014 mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. Sönke Schreiber Schlagwerk Sönke Schreiber studierte klassisches Schlagwerk an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg und spielte u.a. beim Philharmonischen Staatsorchester als Aushilfe. Als Solist trat Sönke Schreiber 2003 mit dem Marimbakonzert von Ney Rosauro und 2004 mit dem Konzert für Marimba, Vibra und Orchester von Darius Milhaud auf. 2005 folgte die CD-Einspielung des Rosauro-Konzertes. In weiteren Konzerten kamen das Paukenkonzert von Philip Glass und die Marimbakonzerte von Emmanuel Séjourné und Anders Koppel zur Aufführung. Bei Elbtonal Percussion, dem fulminanten Schlagzeugquartett aus Hamburg, ist er seit 2012 Mitglied und tourt durch Deutschland und im Ausland. Gemeinsam mit der Pianistin Elisaveta Ilina verwirklicht er im Ensemble farbton die Vorstellungen von Klangfarben in reiner Kammermusik. Im Unterricht an Musik- und Grundschulen vermittelt Sönke Schreiber Kindern die Vielfalt an und Freude mit den Schlaginstrumenten, zudem hat er einen Lehrauftrag an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg inne. Thomas Cornelius Celesta Thomas Cornelius wurde 1986 in Schleswig geboren und begann seine musikalische Ausbildung am Schleswiger Dom. Es folgten Studien der Kirchenmusik, historischer Tasteninstrumente, Dirigieren und Komposition an der Musikhochschule Lübeck und an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Für seine Interpretationen wurde Cornelius mehrfach ausgezeichnet. Er tritt sowohl solistisch, im Ensemble und mit großen Sinfonieorchestern auf und musizierte schon mit verschiedenen Chören und Orchestern unter namhaften Dirigenten wie Thomas Hengelbrock und Herbert Blomstedt. Konzertreisen als Organist führten ihn sowohl in bedeutende Kathedralen Europas als auch in die USA und nach Fernost. Premieren und Aufführungen seiner Kompositionen stehen 2017 u.a. in der Kölner und Breslauer Philharmonie an. 18:00 | K6 | NDR CHOR Morton Feldman: Rothko Chapel Intimität ist in der Malerei auch eine Frage des Maßstabs. Wer repräsentieren wollte, etwa als Monarch, wählte den monumentalen Schinken in Öl. Intimität verlangte dagegen nach dem kleinen Format – vielleicht ein Medaillon mit dem Bild der Geliebten. Mark Rothko aber malte im Großformat, um auf diese Weise Intimität herzustellen. Rothko (1903–1970) wollte Farbflächen, die so groß sind, dass sie unser Blickfeld ganz einnehmen. »Es ist mir klar, dass die Funktion großer Bilder historisch etwas Bombastisches, Aufgeblasenes ist«, sagte der Maler. »Doch der Grund, warum ich sie male, ist genau umgekehrt: Ich möchte intim und menschlich sein. Wenn Sie ein großes Bild malen, sind sie in ihm.« Mit der Rothko Chapel, einem ökumenischen Andachtsraum in Houston (Texas) realisierte der Maler einen Ort, in dem der Betrachter ganz von seinen Großformaten umgeben ist. 14 von Rothkos Bildern wurden in einem eigens dafür konzipierten achteckigen Raum aufgehängt. Die Bilder sind schwarz, aber vielschichtig schwarz. Bei der Einweihung lernte Morton Feldman die Stifter der Chapel kennen und erhielt den Auftrag, Musik für Rothkos Raum zu schreiben. Feldmans »Rothko Chapel« ist aber sicher keine simple Vertonung von Rothkos Malerei. Vielmehr spürt der Komponist mit musikalischen Mitteln den Erfahrungen nach, die sich in dem von Rothko geschaffenen Raum der Stille und Einkehr machen lassen: »Meine Auswahl der Instrumente im Hinblick auf Besetzungsumfang, Klangbalance und Klangfarbe wurde in hohem Maße bestimmt durch den Raum, aber auch durch die Bilder«, schrieb der Komponist. »Die Musik sollte sich über den ganzen Raum verbreiten und nicht aus Distanz gehört werden.« An zwei Stellen tauchen Melodien wie längst verschüttete Erinnerungen an der musikalischen Oberfläche auf. So singt der Sopran eine Melodie, die Feldman am Tag von Igor Strawinskys Beisetzung skizziert hatte. Und für den Schluss greift er auf eine quasi-hebräische Melodie zurück, die er als 15-Jähriger geschrieben hatte. Julian Anderson: Four American Choruses Warum singt man im Chor? Weil es schön ist, zusammen mit anderen zu singen, als Gemeinschaft. Dem Kollektiv ein klingendes Denkmal zu setzen, war auch das Anliegen des Briten Julian Anderson bei der Komposition seiner »Four American Choruses on Gospel Texts«. Als Textgrundlage wählte Anderson vier Hymnen aus einem seit dem 19. Jahrhundert in den USA weit verbreiteten Kirchenliederbuch von Ira D. Sankey. Es sei deren Kunstlosigkeit und zupackender Optimismus gewesen, die ihn an diesen Worten fasziniert hätten, schreibt der Komponist zur Einführung. Menschen in »vermutlich schrecklichen Lebensumständen« hätten in Sankeys Erweckungsliedern Trost und Hoffnung auf ein besseres Leben gefunden. Im Fokus von Andersons Chören steht so die »soziale Idee« von gemeinsamer Hoffnung. In ihrer einfachsten Form erscheint die Idee des Kollektivs in der »unbegleiteten Monodie« (Anderson) am Anfang des ersten, schlichtesten Stückes »The Pilgrim«. Im größtmöglichen Kontrast dazu steht das zweite Stück »Beautiful Valley of Eden«. Hier haben sich die vier Stimmen des gemischten Chores zu vier Chören verselbstständigt, die jeweils in ihrem eigenen Tempo singen und von einem Unterdirigenten geleitet werden. Erst im letzten Takt sind die vier Chöre dann exakt miteinander synchronisiert. Für das dritte Stück »Bright Morning Star!« beruft Anderson sich auf das Vorbild der »heterophonen Psalmen-Sing-Tradition auf den gälischen Inseln Lewis und Harris an der Westküste Schottlands«. In der »Heterophonie« bringen mehrere Stimmen gleichzeitig ihre eigene Version einer zugrundeliegenden gemeinsamen Melodie. Das kollektive Leid einer ganzen Bevölkerungsschicht, aber auch der stolze Sinn für die eigene Würde, sind wohl selten so eindrücklich in Töne gefasst worden wie im Blues. So ist es nur folgerichtig, dass Anderson vom letzten seiner Choruses »At the Fountain« schreibt: »Im Mittelteil nimmt die Musik Züge des Blues an.« SAMSTAG Rothko Chapel Cage: Four 2 (1990) John Cage hatte eine schöne Definition für seine Art der Musik, er nannte es »Klang in die Stille werfen«. Cages Verfahren als Komponist bestand häufig darin, Spielregeln für diesen elementaren Akt festzulegen. Gut nachvollziehen lässt sich das anhand der ca. 45 sogenannten »Number Pieces«, an denen er ab 1987 komponierte. Die erste Zahl des Titels gibt die Anzahl der Beteiligten an, die hochgestellte Zahl ist eine Art fortlaufender Seriennummer: Four2 ist also das zweite der Number Pieces mit vier Beteiligten – in diesem Fall ein vierstimmiger Chor. Wer in die Partitur blickt, sieht vor allem Zeitangaben. Auf die Sekunde genau notierte Werte geben Zeitfenster an, innerhalb derer ein Ton in einer Stimme einsetzen kann und bis wann er maximal gehalten werden soll. Im Ermessen der Interpreten liegt es, wann innerhalb dieser Zeitfenster die Töne einsetzen und wieder verschwinden. Festgelegt ist nur die Gesamtdauer: exakt sieben Minuten. Auch den Tonvorrat legte Cage akribisch fest. Zwölf Töne in sechs Lautstärken kommen vor. Weil der Komponist dabei einfache Tonkonstellationen bevorzugte, klingt Four 2 so harmonisch und meditativ. Und auch für die Laute, auf die diese Töne gesungen werden, fand Cage eine originelle Spielregel. Der Lautvorrat des Stückes beruht auf dem Namen des US-Bundesstaates Oregon. Für den Verstand ist Cages Four 2 eine Art arithmetisches Anordnungspiel der Klänge, für das Ohr hingegen kann es zu einer spirituellen Erfahrung werden. Ilja Stephan JÓhann JÓhannsson orphée »Die Musik des Isländers lässt sich durch Genrebegriffe nicht einfangen. Sie schwebt zwischen Ambient, zeitgenössischer Klassik und dem Spiel von akustischen Instrumenten und elektronischen Sounds.« nDR Live 01.12.2016 Berlin, Funkhaus Nalepastraße · 10.02.2017 hamburg, Elbphilharmonie www.johann-johannsson.de 18:00 | K6 | NDR CHOR Julian Anderson: Four American Choruses Mary S. B. Dana: I’m a pilgrim I’m a pilgrim and I’m a stranger, I can tarry, I can tarry but a night! Do not detain me, for I am going To where the streamlets are ever flowing: SAMSTAG There is the home of my Savior; There, with the blood-washed throng, Over the highlands of glory Rolleth the great new song. Beautiful valley of Eden, Home of the pure and blest, How often amid the wild billows I dream of thy rest, sweet rest! I’m a pilgrim and I’m a stranger, I can tarry, I can tarry but a night! Victoria Stuart: Bright morning star Of that city, to which I journey, My Redeemer, my Redeemer is the light! There is no sorrow, nor any sighing, Nor any tears there, nor any dying. I’m a pilgrim and I’m a stranger, I can tarry, I can tarry but a night! Shine on! Shine on! Thou bright and beautiful star! Shine on, O star of beauty! From thy fair home above; Reflecting in thy brightness, Our Father’s look of love. Shine on! Shine on! Thou bright and beautiful star! Shine on, O star of Glory! We lift our eyes to thee; Beyond the clouds that gather, Thy radiant light we see. Shine on! William Orcutt Cushing: Beatiful valley of Eden P. P. Bliss: At the fountain Beautiful valley of Eden! Sweet is thy noontide calm; Over the heart of the weary, Breathing thy waves of balm. Beautiful valley of Eden, Home of the pure and blest, How often amid the wild billows I dream of thy rest, sweet rest! Over the heart of the mourner Shineth thy golden day, Waiting the songs of the angels Down from the far away. Will you meet me at the fountain, When I reach the glory land? Will you meet me at the fountain? Shall I clasp your friendly hand? Other friends will give me welcome, Other loving voices cheer; There’ll be music at the fountain, Will you, will you meet me there? Yes, I’ll meet you at the fountain, At the fountain bright and fair, Yes, I’ll meet you, oh, I’ll meet you at the fountain, Yes, I’ll meet you, meet you there. 19:30 | K6 | ENSEMBLE RESONANZ ENSEMBLE RESONANZ GARETH DAVIES Klarinette ELLIOTT SHARP E-Gitarre Dirigent CHRISTOPH ALTSTAEDT BOYDS ELEKTRO GITARREN ORCHESTER Dirigent JAN FEDDERSEN James Tenney For Ann (rising) (1969) ca. 10 Min. Pauline Oliveros Out of the Dark (1998) for chamber orchestra ca. 20 Min. James Tenney Septet für sechs E-Gitarren und E-Bass (1981–2000) ca. 10 Min. James Tenney For 12 Strings (rising) (1971) ca. 30 Min. Pause John Cage (1912–1992) Quartets I–VIII (1975) Version für 24 Instrumente Part 1 James Tenney: Rising & Septet Pauline Oliveros: Out of the Dark Es geht aufwärts. Den Rahmen des ersten Konzertteils bilden zwei Versionen von James Tenneys Stück »Rising«. In der elektronischen Urversion von 1969 »For Ann (rising)« sind es insgesamt 240 zeitlich versetzte Sinustöne, die aus Regionen unterhalb der menschlichen Hörschwelle stetig aufsteigen, dabei zunächst lauter werden, um dann an der Obergrenze des Hörbereichs wieder im Nichts zu verschwinden. Für das menschliche Ohr ergibt sich so die Illusion einer endlos aufsteigenden Linie. Einen wichtigen Teil seines Berufslebens verbrachte James Tenney in den Bell Telephone Laboratories mit der Entwicklung von Verfahren zur elektronischen Klangsynthese. Doch sein künstlerisches Credo weist den Pionier der Elektroakustik und Computermusik auch als Naturliebhaber aus: »Ich glaube, dass Texturen aus der realen Welt – oder welche, die einen solchen Charakter haben – schön sind: die Sterne im Himmel, die Blätter an den Bäumen, der Verkehrslärm an der Straßenecke, die Vögel im Wald etc. Das sind für mich schöne Texturen. Ich denke zum Beispiel an Jackson Pollock. Das ist nicht nur interessant, radikal, nicht-figurativ und so weiter. Das ist großartig.« In seinem »Septet« komponierte Tenney Texturen aus jenem Naturphänomen, das aller akustischen Kunst zugrunde liegt, der Obertonreihe. Sieben Gitarren bringen alle Töne zum Vibrieren, die über einem Grund- und Basston mitschwingen. ca. 40 Min. Pause Elliott Sharp (*1951) Oceanus procellarum (2016) Uraufführung ca. 40 Min. Auch Pauline Oliveros nutzt in »Out of the Dark« das Phänomen der Obertonreihe. Kern ihres Stückes ist ein einziger Ton (ein d), der auf vier verschiedene Weisen verändert und entwickelt werden soll: durch Tonhöhenveränderung, durch verschiedene Klangfarben, durch rhythmische Belebung und durch das Hervorheben seiner Obertöne. Aus der Fixierung auf einen Ton arbeiten sich die improvisierenden SAMSTAG Musiker so in immer neuen Anläufen zu immer höheren Graden von Freiheit und immer reicheren Gestaltungsmöglichkeiten vor. Wie der Titel es nahelegt: Durch die Nacht zum Licht. Dabei enthält Oliveros’ grafische Partitur eine Anweisung, die sich in Partituren bemerkenswerterweise sonst nur selten bis gar nicht findet: »Listen«. Höre zu! Auch den Kernsatz ihrer künstlerischen Botschaft hat die Gründerin eines »Instituts für vertieftes Hören« (Deep Listening Institute) den Musikern in Form einer Spielanweisung mit auf den Weg gegeben. Beim Stichwort »Freie Improvisation« heißt es: »Alles ist möglich, solange du zuhörst.« So scheint Cage manche Noten, die nach dem »I Ging« hätten stehenbleiben sollen, nachträglich wegradiert zu haben. Im Ergebnis wurden fast alle Noten zu »Inseln«, die durch Pausen von ihren Nachbarn getrennt sind. Anderes wiederum war dem Komponisten so wichtig, dass er es im Original beließ, damit die Botschaft wahrnehmbar blieb. So blitzen mitunter größere Fragmente des Originals zwischen den von Cage ausgesiebten Toninseln auf. Wenn es etwa im Text des Chorals »Lift up your Heads, o Ye Gates« heißt »Earth’s my footstool«, dann ließ Cage die Melodielinie zu dieser bodenständigen Botschaft unangerührt stehen. Part 2 John Cage: Quartets I–VIII Part 3 Elliott Sharp: Oceanus procellarum (Uraufführung) Seinem Land zum 200. Jahrestag der Unabhängigkeit ein Ständchen zu bringen, wurde John Cage nicht leicht gemacht. Eigentlich war es seine Absicht gewesen, »einen Zyklus voller Musik zu machen, den man 1776 in diesem Land gehört haben könnte«. Doch die nötigen Rechte für die Verwendung solcher Originalmusik waren für ihn nicht zu bekommen. Also verfiel Cage auf eine ganz besondere Art der Bearbeitung, die zugleich das Urheberrecht unterlief. Für seine Quartets griff der Komponist auf protestantische Choräle aus der Frühzeit der Vereinigten Staaten von Amerika zurück und eliminierte nach einem durch das Orakelbuch »I Ging« bestimmten Verfahren einen Großteil der Noten in den vierstimmigen Chorsätzen. Wo im Original ein Klang gestanden hatte, blieb nun eine Pause. Die verbleibenden Noten verteilte Cage so auf die 24 Instrumente seines Ensembles, dass nie mehr als vier Instrumente gleichzeitig spielen und sich immer neue, andere Konstellationen ergeben. Sein neustes Werk »Oceanus procellarum« (Ozean der Stürme) benannte der Gitarrist und Komponist Elliott Sharp nach einer Landschaft auf der erdzugewandten Seite des Mondes. Ist sie bei abnehmendem Mond deutlich zu sehen, so glaubte man früher, kündigen sich Stürme an. Sharp studierte an der University of Buffalo Physik, Komposition, Musikethnologie und Improvisation, unter anderem bei Morton Feldman. Nach dem Studium etablierte er sich in der New Yorker Avantgarde-Szene und hat seither mit zahlreichen Orchestern und Künstlern wie Laurie Anderson, Hillary Hahn und Ryuichi Sakamoto zusammengearbeitet. Zu seinem neusten Werk schrieb der Komponist: »Das Stück mit dem Titel ›Oceanus Procellarum‹ macht von einer Reihe verschiedener Strategien Gebrauch. Die Hauptteile für das Ensemble Resonanz sind komponiert, aber erweitert durch Abschnitte, die verschiedene algorithmische Verfahren für die Spieler vorsehen. Es wird nie improvisiert, doch beruht es entweder auf generativen Prozessen oder grafischer Notation. Gareth Davies und ich haben gleichfalls komponierte Abschnitte, werden darüber hinaus aber auch improvisieren und nach grafischer Notation spielen.« Ilja Stephan Wie immer, wenn Cage zu solchen Zufallsverfahren griff, ging es ihm darum, sein persönliches Urteil und seinen Geschmack weitgehend auszuschalten. Doch so ganz konnte und wollte er sich dann doch nicht heraushalten. 19:30 | K6 | ENSEMBLE RESONANZ Ensemble Resonanz Besetzung Mit seiner außergewöhnlichen Spielfreude und künstlerischen Qualität zählt das Ensemble Resonanz zu den führenden Kammerorchestern weltweit. In innovativen Programmen spannen die Musiker den Bogen von der Tradition zur Gegenwart. Die lebendige Interpretation alter Meisterwerke im Dialog mit zeitgenössischen Kompositionen führt dabei zu oft überraschenden Bezügen. Violine Barbara Bultmann*, Nimrod Guez*, Swantje Tessmann, Gregor Dierck, Tom Glöckner, Benjamin Spillner, Rebecca Beyer, Laura Rajanen, Anne Schinz Das Streichorchester ist demokratisch organisiert und arbeitet ohne festen Dirigenten, holt sich aber immer wieder künstlerische Partner wie die Bratschistin Tabea Zimmermann oder den Cellisten Jean-Guihen Queyras an Bord. In der aktuellen Saison begleitet der argentinische Dirigent und Komponist Emilio Pomàrico das Ensemble als Artist in Residence. Neben weiteren namhaften Solisten und Dirigenten arbeiten auch zahlreiche Komponisten wie Enno Poppe, Beat Furrer, Rebecca Saunders, Georg Friedrich Haas oder Isabelle Mundry eng mit dem Ensemble zusammen. Konzerte und Produktionen führen die Musiker weltweit an die führenden Konzerthäuser und Festivals. Violoncello Olivier Marron, Saerom Park, Jörn Kellermann In der Laeiszhalle hat das Musikerkollektiv als Ensemble in Residence mit großem Erfolg die Konzertreihe »Resonanzen« etabliert, die in der aktuellen Saison unter dem Motto »Into the Unknown« zu neuen und überraschenden Hörerlebnissen einlädt. Ab Januar 2017 wird die Residency im Kammermusiksaal der Elbphilharmonie fortgeführt, während die Heimat des Ensemble Resonanz mitten in St. Pauli bleibt – in dem im Oktober 2014 eröffneten »resonanzraum« im Bunker an der Feldstraße. Hier haben die Musiker nicht nur die monatliche, junge Konzertreihe »Urban String« etabliert, die Klassik und Klub auf einzigartige Weise miteinander verbindet, sondern veranstalten auch die Ankerangebote, die das Publikum zu neuen Erfahrungsräumen rund um die Konzerte laden: vom Philosophie-Gespräch über Werkstätten, Hörstunden bis zum experimentellen Format »Offbeat«. Viola Tim-Erik Winzer, David Schlage, Maresi Stumpf Kontrabass Benedict Ziervogel Flöte Angela Firkins Oboe Nehil Durak Klarinette Sebastian Borsch Fagott Javier Bosca Bas, Niki Fortunato Horn Anton Richter, Hasko Kröger * Konzertmeister SAMSTAG Gareth Davies Klarinette Seit seinem Debüt in der Londoner Wigmore Hall im Alter von 18 Jahren hat der (Bass-)Klarinettist Gareth Davies unzählige Konzerte in Europa, Nordamerika und Asien gespielt. Dabei arbeitete er mit so bedeutenden Dirigenten wie Riccardo Chailly, Sir Simon Rattle und Roger Norington zusammen und führte eigens für ihn geschrieben Werke von Komponisten wie Salvatore Sciarrino, Toshio Hosokawa und Péter Eötvös auf. Derzeit entwickelt Davies vor allem Konzepte, um gängige Konzertformate zu erweitern und auf diese Weise Musik des 20. und 21. Jahrhunderts auf eine visuelle und interaktive Art erlebbar zu machen. Elliott Sharp E-Gitarre Elliott Sharp wurde 1951 in Cleveland (Ohio) geboren und lernte zunächst Klavier und Klarinette, bevor er sich seinem heutigen Hauptinstrument zuwandte: der Gitarre. In der Folge spielte er in psychedelischen Bands, mit avantgardistischen Jazzformationen, aber auch mit klassischen Konzertensembles. Auch seine eigenen Werke sind stets zwischen den üblichen Genres angesiedelt. Er komponierte für das Ensemble Modern, das hr Sinfonieorchester und das JACK Quartet und schrieb eine Science-Fiction-Oper für die Bayerische Staatsoper. 2014 erhielt er das Guggenheim-Stipendium und 2015 das Stipendium der American Academy in Berlin. Elliott Sharp arbeitete unter anderem mit der Pop-Sängerin Debbie Harry zusammen, mit den Schauspielern Steve Buscemi und Barbara Sukowa, mit dem Qawwali-Sänger Nusrat Fateh Ali Khan, den BluesLegenden Hubert Sumlin und Pops Staples und mit Jazzgrößen wie Jack DeJohnette. Er lebt in Lower Manhattan zusammen mit der Designerin und Videokünstlerin Janene Higgins und den beiden gemeinsamen Kindern. Christoph Altstaedt Christoph Altstaedt studierte Klavier und Dirigieren in Detmold und Hannover sowie an der Hochschule Hanns Eisler in Berlin. Wichtige künstlerische Impulse erhielt er in Meisterkursen bei Kurt Masur, als Assistent von Pierre Boulez in Luzern sowie beim Musikfestival in Tanglewood durch André Previn und Bernard Haitink. Von 2010 bis 2014 war er Kapellmeister der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf. Darüber hinaus dirigierte Christoph Altstaedt Klangkörper wie die Bamberger Symphoniker, Rundfunkorchester von NDR, MDR, hr und SWR oder das Orchester des Mozarteums bei den Salzburger Festspielen. Boyds Elektro Gitarren Orchester Boyds Elektro Gitarren Orchester (BEGO) wurde 2009 als Seitenprojekt des Nelly Boyd Ensembles gegründet, um neue eigene Kompositionen sowie bestehende Werke in Besetzungen von bis zu zwölf E-Gitarren, E-Bass und Schlagzeug aufzuführen. Die Musiker stammen aus verschiedenen Genres und finden fast nur bei BEGO-Auftritten zusammen. Die Vielfalt der Charaktere trägt jenseits der Musik auch zum besonderen Eindruck und zur Atmosphäre der Konzerte bei. BEGO trat bislang in Hamburg und Berlin sowie bei den Fusion Festivals 2010 und 2014 auf. Beim klub katarakt-Festival 2011 spielte BEGO Werke von Rhys Chatham unter Leitung des Komponisten sowie 2015 »Go Guitars« für fünf E-Gitarren von Lois V. Vierk. Robert Engelbrecht E-Gitarre Markus Lipka E-Gitarre Fiona McKenzie E-Gitarre Johann Popp E-Gitarre Jim Sudmann E-Gitarre Geka Winkler E-Gitarre Stefan Link E-Bass Dirigent Jan Feddersen 23:00 | KMH | ANNA MEREDITH Anna Meredith Wer Anna Merediths jüngstes Album »Varmints« hört, fragt sich: Warum finden Pop und klassische Komposition so selten so kongenial und selbstverständlich zusammen? Alles scheint erlaubt: Avantgardistische Orchesterklänge, wummernde Beats aus dem Hinterhof, glasklare, in Richtung Pop schielende Gesänge – »Varmints« präsentiert sich wie ein Sammelsurium obskurer, musikgewordener Spontaneinfälle. Das ist cooler Eklektizismus, leicht und komplex, als Popmusik elektrisierend und für an Neue Musik gewöhnte Ohren erfrischend. Die 1978 geborene Britin hat damit die klassischen Konzerthallen bewusst verlassen, für die sie seit Jahren – u.a. als Composer in Residence beim BBC Scottish Symphony Orchestra – aufregende Stücke schrieb (zu einem ließ sie sich beispielsweise von einem MRT Scanner inspirieren). Der Grund: »Ich wollte nicht mehr nur für Menschen komponieren, die notgedrungen meine Stücke anhören, weil in der zweiten Konzerthälfte noch etwas von Elgar folgt.« Angefangen hat Anna Meredith dennoch ganz klassisch, als Klarinettistin im Jugendorchester, zu dem sie durch ein kostenloses Musikprogramm ihrer Schule in Edinburgh fand. Schon damals war es kein Widerspruch für sie, darüber hinaus Fan der Gruppe Nirvana zu sein und abends Konzerte im legendären Tanzclub Barrowland Ballroom in Glasgow zu hören. Fürs Studium ging es zunächst nach York, dann folgte die Aufnahme am renommierten Royal College of Music in London, wo sie endgültig ihren Entschluss fasste, Komponistin zu werden. »Wenn man Sachen von anderen Leuten nachspielt, beginnt man instinktiv darüber nachzudenken, warum sie etwas auf diese Weise gemacht haben und nicht anders. Das ist wie unbewusstes Komponieren.« SAMSTAG Diesem Ansatz verfolgte sie auch nach ihrem Studium in dem mit Freunden gegründeten Camberwell Composers’ Collective, in dem sich gegenseitig Material vorgespielt wurde, um es anschließen zu remixen. Es folgten Auftritte in Jazz-Clubs und zahlreiche Kompositionen, die sie, anstatt auf Aufträge zu warten, im Eiltempo einfach für sich selbst komponierte. Während dieser Zeit entzündete sich auch ihr Interesse an elektronischer Musik. Der Auslöser war ausgerechnet ein von ihr selbst geschriebenes Stück für Solo-Fagott, dessen Aufnahme sie elektronisch verzerrte. Das Ergebnis: das Fagott klang nun wie eine E-Gitarre. »Mir gefiel die Idee der Transformation – was man sieht ist nicht unbedingt das, was man hört.« Solche formwandlerischen Mutationen sollten zum Markenzeichen von Anna Meredith werden, deren Karriere bald steil bergauf ging. Neben der erwähnten Residenz bei der BBC schrieb sie u.a. den Soundtrack zur Frühlings- und Sommerkampagne des Modelabels Prada oder Kurioses wie Musik zwecks Bespielung von Parkbänken in Hong Kong. Die bei der Last Night of the Proms aufgeführte Komposition »Froms« – gleichzeitig gespielt von fünf Orchestern – verfolgten 40 Millionen Menschen vor dem Fernseher oder Radio. 2012 und 2013 erschienen ihre ersten beiden EPs »Black Prince Fury« und »Jet Black Raider«, die bereits für viel Aufsehen in der Composer-Szene sorgten. Mit ihren orchestral untermalten Soundgerüsten, die immer wieder in die verschiedensten Richtungen ausbrachen, schien sie sich jeder Definition und Kategorisierung zu entziehen. Kaum hatte man sie an der Leine, war sie auch schon wieder weg – beziehungsweise ihre Songs. Mit »Varmints« und ihrer aus zwei Celli, E-Gitarre, Tuba und Schlagzeug bestehenden »Band« geht die Ausnahmekünstlerin nun noch einen Schritt weiter. Philipp Ahmann, NDR Chor Ensemble Resonanz, Anna Meredith Elliot Sharp TAG 4 | SO, 20.11.2016 11 UHR | K4 FELDMAN MARATHON Calder Quartet Morton Feldman: Streichquartett Nr. 2 (Dauer ca. 5 Stunden) € 9 17:15 UHR | FOYER WANDELKONZERT Bläserensemble der Hochschule für Musik und Theater Hamburg Leitung Ulrich Windfuhr John Cage: Fifty-Eight Eintritt frei 19:30 UHR | K6 ENSEMBLE MUSIKFABRIK Dani Brown, Harry Koushos, Anna Pehrsson, Karolina Szymura Tanz Alexandra Waierstall Choreografie John Cage: Sixteen Dances for Soloist and Company of Three 18:30 Uhr / Einführung € 25 21 UHR | K2 AUTECHRE Rob Brown live electronics Sean Booth live electronics € 22 11:00 | K4 | FELDMAN MARATHON CALDER QUARTET Benjamin Jacobson Violine Andrew Bulbrook Violine Jonathan Moerschel Viola Eric Byers Violoncello Morton Feldman (1926–1987) Streichquartett Nr. 2 (1983) ca. 5 Stunden Calder Quartet Inspiriert von und benannt nach dem amerikanischen Bildhauer Alexander Calder (1898–1976), hat sich das Calder Quartet vornehmlich der Neuen Musik verschrieben. Gegründet wurde es 1998 an der University of Southern California. Ihrem Anspruch, die Vision des Komponisten umzusetzen und zu vermitteln, werden die vier Musiker in der Zusammenarbeit mit vielen zeitgenössischen Komponisten gerecht. Dazu gehören gleichermaßen junge aufstrebende Komponisten wie Größen der Musikwelt, darunter Terry Riley, Thomas Adès und Péter Eötvös. Über 40 Werke hat das Quartett bisher in Auftrag gegeben, uraufgeführt oder auf CD eingespielt. Nicht zuletzt für diesen Einsatz für zeitgenössische Musik wurden die vier Musiker 2014 mit dem prestigeträchtigen Avery Fisher Career Grant ausgezeichnet. Neben klassischen Künstlern und Ensembles wie Barbara Hannigan und Joshua Bell oder dem Cleveland Orchestra und dem L.A. Philharmonic arbeitet das Calder Quartet mit Künstlern aus allen Genres zusammen. Die Bandbreite reicht von Klassik und Neuer Musik über Rock bis hin zu Soundtracks für Filme und das Fernsehen. Dabei spielen die Musiker sowohl an traditionellen Konzertorten wie der Carnegie Hall als auch in Museen oder der legendären Hollywood Bowl. Auch in den populären amerikanischen Late-Night-Shows von David Letterman oder Jimmy Kimmel traten sie bereits vor einem Millionenpublikum auf. Künftige Highlights des Quartetts sind Auftritte im Lincoln Center, dem Metropolitan Museum of Art, der Wigmore Hall London und auf Festivals in Salzburg, Donaueschingen und Perth, wo es eine Residenz innehat. Darüber hinaus kehren die Musiker zurück in die Disney Hall in Los Angeles und zum Ojai Music Festival, wo sie ein von Peter Sellars kuratiertes Programm präsentieren. SONNTAG Morton Feldman: Streichquartett Nr. 2 Ein Streichquartett, das fünf Stunden dauert! Warum macht ein Komponist sowas? Morton Feldmans Zweites Streichquartett ist eine echte Herausforderung, um nicht zu sagen, eine Zumutung. Fünf Stunden aufmerksam einer Musik lauschen, die mit endlosen Wiederholungen und minimalen Verschiebungen arbeitet, das führt unser Hören und unser musikalisches Erinnerungsvermögen an seine Grenzen. Und genau das war Feldmans Absicht. Vor allem aber verlangt das Quartett von den Spielern eine nahezu übermenschliche Anstrengung. Leise, feine Töne wie diese zu produzieren, erfordert ein Höchstmaß an Spannung und Kontrolle. Die über einen solchen Zeitraum hinweg durchzuhalten, ist für alle Interpreten eine Grenzerfahrung. Um diese fünf Stunden Musik zu erfassen, lohnt es sich, ein wenig zurückzutreten und das Ganze aus der Distanz, zum Beispiel aus der Sicht eines Statistikers zu überblicken: Feldmans Partitur besteht aus 124 Seiten, jede Seite enthält drei Systeme mit jeweils neun Takten. Der äußere Rahmen ist also geradezu schematisch. Die Musik besteht aus 68 verschiedenen, mehrtaktigen Modulen. Viele dieser Module sind ihrerseits aus den Wiederholungen kleinerer Einheiten zusammengesetzt. 18 dieser Module erscheinen nur einmal, die anderen 50 werden wiederholt. Die Anzahl der Wiederholung variiert dabei zwischen zwei und 15. Bei jeder Wiederholung verändert Feldman ein Modul geringfügig, stellt intern Takte um, instrumentiert Klänge neu und erforscht andere Konstellationen seiner Klangbausteine. Würde dieses Musikmosaik eine Stunde dauern, wären die geübtesten Hörer vielleicht noch in der Lage, dem Spiel der Varianten zu folgen, den Zustand des Ausgangsmaterials zu erinnern und es bewusst mit späteren Variationen zu vergleichen. So funktioniert musikalisches Hören für gewöhnlich. Morton Feldman aber nannte das hämisch ein »Baby-Nahrungs-Gedächtnis«. Und er erschwert diese Art des Hörens systematisch: durch die schiere Dauer, die Zeitstrecke, die zwischen den Wiederholungen liegt. Genau das hatte Feldman im Sinn, als er zu seinem Streichquartett erklärte, dass man »bis zur Dauer von einer Stunde über die ›Form‹ nachdenken kann, danach nur noch über den ›Maßstab‹«. Im großen Maßstab verwischt und verblasst die Zeit unsere Erinnerungen. Extreme Dauer ist einer der Wege, die der Komponist beschritt, um die Klänge zu befreien, das verbindende Band der Erinnerung zu (über-)dehnen, damit wir seine fein austarierten Klangmobiles erneut wie zum ersten Mal hören können. Am Ende gibt es hier kein Original und keine Variationen mehr, sondern viele gleich selbstverständliche, gleichberechtigte Konstellation eines Materials, dessen Konturen sich immer weiter auflösen. Eindeutigkeit war Morton Feldmans Sache nie. Seine Kunst und auch seine oft launigen Einlassungen sind weit mehr dazu angetan, einen vieldeutigen Schwebezustand hervorzubringen. So verhält es sich auch mit den »Erklärungen«, die er seinem Quartett mit auf den Weg gab. Sie laufen darauf hinaus, die Verwirrung zu akzeptieren: »Die Module sind so durchkonstruiert, dass ich alles umstellen kann, und es dennoch immer natürlich wirkt, weil die Gestaltung des kleinen Moduls perfekt ist. Die ganze Idee ist wie ein Albtraum; es ist wie ein Puzzle, in das jedes Teil, das Sie nehmen, passt. Und wenn Sie es beendet haben, sehen Sie, dass es nicht das ›richtige‹ Bild ist. Das war die Idee. Das Puzzle, alles passt und es ist nicht das Bild. Dann versuchen Sie eine andere Version und es ist nicht das Bild. Am Ende sehen Sie, dass Sie das Bild nicht bekommen werden.« Fünf – bei manchen Aufführungen sogar sechs – Stunden Feldmans Zweites Streichquartett zu hören, das ist ein minutiös durchkonstruierter Weg direkt ins Nirwana. Ilja Stephan 17:15 | FOYER | WANDELKONZERT BLÄSERENSEMBLE DER HOCHSCHULE FÜR MUSIK UND THEATER HAMBURG Gesamtleitung ULRICH WINDFUHR Yu Sugimoto Assistenz Maline Zickow Organisation Fagott Christian Kunert, Angel Ferrandis, Chen Zijun, Maxi Marhenke John Cage (1912–1992) Fifty-Eight (1992) Sopransaxofon Heike Rügert, n.n., n.n. Kontrafagott Christoph Konnerth, Rainer Leisewitz, Silas Gärtner Dauer: 45 Min. In Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Theater Hamburg Altsaxofon Lasse Grunewald, Nina Kühnle, Magdalena Bobardt Tenorsaxofon Aaron Luther, Sebastian Gille, Johannes Wöhrmann Die 58 Musiker Piccoloflöte Daphne Meinhold, Nadine Kowol, Melanie Sobieraj Flöte Jiyu Jin, Xiaoyue Shang, Xingyun Ma, Jeweon Kim Altflöte Kateryna Vasyleva, Naoki Sato, Eva Jensterle Oboe Seokyeon Kang, Freya Obijon, Chikako Nemoto, Hans-Joachim Berner Englischhorn Sarah Lippold, Mariko Hanashiro, Kenta Urawaki Klarinette Leslie Schillen, Emily Wynn, Yumi Maeno, Anna Engster Bassklarinette Cora Rott, Hiroko Onuma, Eva Jurisch Baritonsaxofon n.n., Niklas Gottschall, n.n. Trompete Friederike Butt, Johannes Benz, Emilia Suchlich, Jose Real Cintero Horn Chin-Hsi Liu, Sonja Engelhardt, Yushan Luo, Didrik Rosenboom Posaune Justus Reiff, Alvaro Corrales, Lena Kruse, Jakob Borggrefe Tuba Kota Sakamoto, Josep Gomez, Peter Kanya SONNTAG John Cage: Fifty-Eight In der Herrengasse Nr. 16 in Graz steht ein absolutes Schmuckstück der Renaissancearchitektur: das »Grazer Landhaus«. Dessen Innenhof gestaltete der Architekt Domenico dell’Allio im 16. Jahrhundert aus drei übereinanderliegenden Reihen von Arkaden mit 58 Bögen, getragen von toskanischen Säulen. Speziell für diesen besonderen Ort sollte der Komponist John Cage ein Werk schreiben – so der Auftrag des Festivals »Steirischer Herbst«. Also ließ Cage sich Baupläne und Fotos zusenden. Das Ergebnis seiner Recherche war das Konzept zu einer Raummusik für 58 Bläser. Unter jedem der Bögen sollte ein Instrumentalist des Pannonischen Blasorchesters Oberschützen postiert werden. Eigentlich hatte der Komponist die Einstudierung und die Platzierung selbst überwachen wollen, doch dazu kam es nicht mehr. Cage verstarb im Spätsommer 1992, kurz vor der Urauffühung. Die Architektur des Uraufführungsortes von »Fifty Eight« gab eine Situation vor, die für Cage besonders reizvoll gewesen sein muss. Jeder der Bläser ist unter seinem Arkadenbogen eine räumlich abgesonderte Einheit für sich, und doch sind alle Teil eines durch wenige, elementare Prinzipien geregelten Gesamtarrangements. Hatte der Ort den Rahmen für die Positionierung der Musiker vorgegeben, so definierte der Komponist den Rahmen für deren Aktionen. Eine Partitur zu diesem Stück gibt es nicht; jeder Spieler erhält fünf Doppelbögen, auf denen – von Instrument zu Instrument unterschiedlich – 64 bis 71 Töne notiert sind. Die Dauer der einzelnen Töne liegt im Ermessen der Spieler; von Cage gesetzte Zeitklammern definieren einen Zeitrahmen für Anfang und Ende jedes Tones. Und auch den Gesamtrahmen legte Cage fest: Genau 45 Minuten soll das Stück dauern. Innerhalb dieser Spielregeln ist jeder Spieler frei in seinem Tun. Freiheit und Individualität jedes Einzelnen, die nur in minimalen gemeinsamen Absprachen ihre Grenzen findet, das war nicht nur John Cages Ideal von Musik, sondern auch vom Zusammenleben der Menschen. Dass das Zusammenspiel so vieler autonomer Monaden Misstöne erzeugen könnte, war seine Sorge nicht. Was »richtige« Töne sind, war für ihn ohnehin eine reine Definitionssache. Cage ging es um »eine gewandelte Definition von Harmonie, eine die keiner Regeln und Gesetze bedarf. Man könnte es eine ›Anarchische Harmonie‹ nennen. Einfach Töne, die zusammen sind.« Bei Freiluftmusiken – wie »Fifty Eight« es zumindest bei seiner Uraufführung noch war – erhält dieser Gedanke des Zusammenklangs von allem mit allem eine neue Qualität. Denn hier sind auch die Umgebungsgeräusche Teil der universellen Harmonie. Natur und Kunst klingen ineinander. Für Cage war diese »Anarchische Harmonie« offenbar eine Erscheinungsform des Glücks, er schwärmte davon, dass »alles harmonisch ist und darüber hinaus die Geräusche mit den musikalischen Tönen harmonieren. Das bereitet mir – kann ich Ihnen sagen – so viel Vergnügen wie eine makrobiotische Diät.« Über die Uraufführung von »Fifty Eight« am 11. Oktober 1992 berichtet der Musikpublizist Hartmut Lück: »Es war eine faszinierende Raummusik von feierlicher, fast zeremonieller Strenge, aber auch von der heiteren Gelassenheit des beiläufig Bedeutsamen – diese Musik kennt keine Höhepunkte, keinen Anfang, keine Mitte und kein Ende im herkömmlichen formalen Sinne, aber jede Einzelheit ist gleich wichtig und der Aufmerksamkeit des Interpreten wie des Zuhörers anempfohlen, ganz in dem Sinne, wie der Anarchist John Cage Freiheit verstand: alle Musiker – wie alle Menschen – sollen von Zwängen befreit werden, aber wenn sie sich über die Prinzipien der Zusammenarbeit in Freiheit verständigt haben, müssen sie sich auch daran halten. ›Fifty-Eight‹ verwirklicht diese selbstdefinierte Freiheit.« Ilja Stephan 19:30 | K6 | ENSEMBLE MUSIKFABRIK ENSEMBLE MUSIKFABRIK Helen Bledsoe Flöte Bob Koertshuis Trompete Ulrich Löffler Klavier Hannah Weirich Violine Dirk Wietheger Violoncello Dirk Rothbrust Schlagzeug Thomas Meixner Schlagzeug Rie Watanabe Schlagzeug Dirigent WARWICK STENGÅRDS DANI BROWN Tanz HARRY KOUSHOS Tanz ANNA PEHRSSON Tanz KAROLINA SZYMURA Tanz ALEXANDRA WAIERSTALL Konzept, Choreografie John Cage (1912–1992) Sixteen Dances for Soloist and Company of Three (1951) Anger. Solo Interlude. Trio Humor. Solo Interlude. Duet Sorrow. Solo Interlude. Quartet The Heroic. Solo Interlude. Quartet The Odious. Solo Interlude. Duet The Wonderous. Solo Interlude. Trio Fear. Solo Interlude. Solo The Erotic. Duet Tranquility. Quartet John Cage: Sixteen Dances Mit seinem Nächsten in Ruhe und Zufriedenheit auszukommen, ist eine hohe Kunst – erst recht, wenn dieser Nächste zugleich der Liebespartner und Kollege ist. Der Komponist John Cage und der Tänzer und Choreograf Merce Cunningham scheinen für ihre Lebens- und Arbeitsgemeinschaft eine ideale Formel gefunden zu haben. Man einigte sich auf einen Rahmen für die Freiheit. Wenn Cage Musik zu den Choreografien von Cunningham schrieb, so verabredeten die beiden Zeitrahmen für bestimmte Abschnitte und die Gesamtdauer des Stückes. Ansonsten ließ jeder den anderen seinen Weg gehen. Cages Klänge und Cunninghams Bewegungen teilten sich einen gewissen, vorher abgesprochenen Zeitabschnitt, innerhalb dieses Rahmens liefen sie unabhängig voneinander nebeneinander her. Wahrscheinlich muss die Harmonie schon da sein, damit eine solche Form des Miteinanders gelingen kann. Bei Cage und Cunningham scheint es so gewesen zu sein; ihr Denken und ihre künstlerischen Methoden waren einander auffallend ähnlich. Cunningham brach mit den Grundsätzen des klassischen Tanzes, so wie Cage mit den Konventionen der klassischen Kunstmusik gebrochen hatte: Der Choreograf verzichtete auf den Erzählstrang des Handlungsballetts, er verzichtete auf dessen standardisierten Bewegungsformeln, und er verzichtete auf die für den Tanz sonst so unerlässliche Synchronizität mit einer Musik, die Takt und Rhythmus vorgibt. »Er brauchte keine Vorgaben durch die Musik, aber er musste wissen, wo innerhalb der Zeit er sich befand«, so charakterisierte der Pianist David Tudor Cunninghams Verhältnis zu den Klängen, die seine Bewegungen durch den Raum begleiteten. Dies galt in ähnlicher Weise für die Bühnenbildner und Kostümschneider, die zu seinen Balletten beitrugen: »Er brauchte Tanz, Musik, Licht und Dekor nicht, um seine Zwecke zu verfolgen, sondern er ließ ihnen die Freiheit, SONNTAG innerhalb des Raumes und der Dauer einer Aufführung ihre Zwecke zu verfolgen«, berichtete der Fotograf James Klosty. Ziel war eine »nichtkooperative Kooperation«, die funktionierte – wenn sie funktionierte –, weil jeder auf den anderen achtete: »Wir waren wie ein Jazz-Ensemble«, so beschrieb es der Musiker Gordon Mumma, »du konntest individuelle Risiken eingehen, weil jeder verstand und jeder verfolgte, was der andere tat.« Die Entstehungsgeschichte der »Sixteen Dances for Soloist and Company of Three« scheint die prästabilisierte Harmonie zwischen dem Choreografen Cunningham und dem Komponisten Cage eindrucksvoll zu belegen. Cunningham operierte in den »Sixteen Dances« erstmals mit dem Zufallsprinzip, das auch für Cages Kompositionsmethode grundlegend werden sollte: »Das Thema der Choreografie war der Ausdruck von Emotionen«, schrieb Cunningham. »In diesem Fall die neun permanenten Emotionen der klassischen indischen Ästhetik, vier lichte und vier dunkle sowie die Ruhe als neunte und alles umfassende. Die Struktur des Stückes sah vor, jeder Emotion einen Tanz zu widmen, gefolgt von einem Interludium. Doch obwohl hell und dunkel einander abwechseln sollten, schien es keinen Unterschied zu machen, ob Sorge oder Furcht an erster Stelle kämen. Also warf ich eine Münze.« Auch über die Abfolge der Bewegungen in den Interludien entschied der Choreograf per Münzwurf. Die tänzerische Vorlage, auf die Cage schließlich seine Musik komponierte, bestand also aus sieben je einer Emotion gewidmeten Solos – die Erotik vertanzte Cunningham sinnvollerweise als Duett –, sowie sieben Interludien für Ensemble, deren Bewegungsfolgen der Zufall bestimmt hatte. Die Ruhe erschien zuletzt als zusammenfassender End- und Zielpunkt. John Cage war der indischen Philosophie bereits Jahre zuvor begegnet. 1946 hatte er die indische Musikerin Gita Sarabhai kennengelernt. Sie machte ihn mit hinduistischen Konzepten vertraut, er revanchierte sich mit Unterweisungen über westliche Musik. Eine der Lehren, die bei Cage auf besonders fruchtbaren Boden fielen, betraf die Funktion der Musik, den »Geist zur Ruhe zu bringen und ihn damit empfänglich zu machen für den göttlichen Einfluss«. Ruhe zu finden, war in den Jahren nach seiner Scheidung und dem »coming out« als Homosexueller Cages Lebensthema gewesen. Zunächst hatte er es mit Psychoanalyse versucht. In der indischen Philosophie fand er schließlich Formeln für jenen inneren Frieden, zu dem ihm die Deutungen seines Analytikers nicht hatten verhelfen können. Kompositorisch markieren die »Sixteen Dances« einen entscheidenden Wendepunkt in Cages Schaffen. Sie sind das erste vollendete Werk, in dem er den Zufall (teilweise) über die Abfolge seiner Klänge entscheiden ließ. Als Komponist von Schlagzeugmusik und Musik für sein präpariertes Klavier hatte Cage sich daran gewöhnt, mit einem genau definierten Katalog von Klängen pro Stück zu arbeiten. Für die »Sixteen Dances« wählte er nun ein Verfahren, das er kurz zuvor während der Arbeit an seinem Konzert für Präpariertes Klavier und Kammerorchester entwickelt hatte. Cage trug sämtliche seiner vorher ausgewählten Klänge in eine Tabelle aus 8 x 8 = 64 Feldern ein. Mithilfe des chinesischen Orakelbuches »I Ging« legte er dann Wege fest, wie er sich durch diese Tabelle bewegen wollte: zwei Kästchen nach unten, eines nach links etc. Auf diese Weise wurde die Abfolge der Klänge gefunden. Um Abwechslung hineinzubringen, tauschte Cage außerdem bei jedem Tanz eine gewisse Anzahl der vorausgewählten Klangmodule aus. So weit zumindest die Theorie. In der Praxis scheint Cage die Weisheit besessen zu haben, sich nicht gänzlich zum Sklaven seiner Matrix zu machen. Tatsächlich manipulierte er – wo er es gebrauchen konnte – für bestimmte Nummern sein eigenes Verfahren durch eine entsprechende Vorauswahl der Klangmodule so geschickt, dass im zwölften Tanz eine charmante, rhythmisch groovende Melodie sich einstellt, während die Trompetentöne des zehnten Tanzes hörbar nach Blues klingen. Ilja Stephan 19:30 | K6 | ENSEMBLE MUSIKFABRIK Ensemble Musikfabrik Seit seiner Gründung 1990 zählt das Kölner Ensemble Musikfabrik zu den führenden Klangkörpern der zeitgenössischen Musik. Dem Anspruch des eigenen Namens folgend, ist das Ensemble in besonderem Maße der künstlerischen Innovation verpflichtet. Neue, unbekannte, in ihrer medialen Form ungewöhnliche und oft eigens in Auftrag gegebene Werke sind sein zentrales Produktionsfeld. Die Ergebnisse dieser häufig in enger Kooperation mit den Komponisten geleisteten Arbeit präsentiert das internationale Solistenensemble in jährlich etwa 80 Konzerten im In- und Ausland, auf Festivals, in der eigenen Abonnementreihe »Musikfabrik im WDR« und in regelmäßigen Audioproduktionen für den Rundfunk und den CD-Markt. Gleich die erste CD »Sprechgesänge« der eigenen Reihe »Edition Musikfabrik« gewann 2011 den Echo Klassik. Alle wesentlichen Entscheidungen werden von den Musikern in Eigenverantwortung selbst getroffen. Dabei ist ihnen die Auseinandersetzung mit modernen Kommunikationsformen und experimentellen Ausdrucksmöglichkeiten im Musik- und Performance-Bereich ein zentrales Anliegen. Interdisziplinäre Projekte unter Einbeziehung von Live-Elektronik, Tanz, Theater, Film, Literatur und bildender Kunst erweitern die herkömmliche Form des dirigierten Ensemblekonzerts ebenso wie Kammermusik und die immer wieder gesuchte Konfrontation mit formal offenen Werken und Improvisationen. Dazu gehören auch Gesprächskonzerte und Konzertformate, die das Publikum stärker integrieren. Dank seines außergewöhnlichen inhaltlichen Profils und seiner überragenden künstlerischen Qualität ist das Ensemble Musikfabrik ein weltweit gefragter Partner bedeutender Dirigenten, Komponisten und Künstler, darunter Wolfgang Rihm, Helmut Lachenmann, Péter Eötvös, Unsuk Chin oder Sasha Waltz. Warwick Stengårds Dirigent Der Dirigent Warwick »Rick« Stengårds hat schwedischaustralische Wurzeln. Sein Studium absolvierte er bei Dirigenten wie Ronald Zollman, Albert Rosen und Péter Eötvös. Nach vielen Jahren an unterschiedlichen Häusern ist er heute freischaffend tätig. Sein Schwerpunkt sowohl im Musiktheater- als auch im Konzertreperoire liegt auf der klassischen Moderne und der zeitgenössischen Musik. Rick Stengårds hat alle größeren australischen Orchester geleitet sowie Produktionen im Rahmen des Melbourne International Festival dirigiert. Ab 1991 war er Generalmusikdirektor der West Australian Opera in Perth, ab 1994 des West Australian Ballet. In Australien machte er sich einen Namen als Verfechter und Promoter aktueller Musik. So brachte er zahlreiche Werke australischer Komponisten zur Uraufführung. Gleichzeitig kümmerte er sich um Repertoireklassiker wie Orffs »Carmina Burana« oder Tschaikowskys »Nussknacker«. 2000 wechselte er als Assistenzdirigent an die Wiener Volksoper und war anschließend sieben Jahre lang als Erster Kapellmeister am Luzerner Theater tätig. Parallel leitete er von 2004 bis 2006 das Schlossorchester Schönbrunn in Wien. Zudem dirigierte er an der Folkoperan Stockholm, am Theater Lüneburg, beim Klangforum Wien und beim Ulster Orchestra Northern Ireland und leitete mehrere Kinderopern an der Wiener Staatsoper. SONNTAG Dani Brown Tanz Geboren und aufgewachsen in Rochester im Bundesstaat New York, zog es Dani Brown nach Abschluss der High School in die Wüste von Albuquerque (New Mexico). Dort war sie Mitbegründerinder der Sidewalk Performance Group »Shhhhh!«. Anschließend studierte sie Tanz und Choreografie an der Virginia Commonwealth University und an der ArtEZ in Arnheim. Ihre Arbeiten werden national und international präsentiert. Daneben tritt sie für Künstler wie Alexandra Waierstall oder das japanische Modelabel Cosmic Wonder Light Source auf. Sie unterrichtet an Universitäten und choreografischen Zentren in Europa und ist Mitinitiatorin des 2013 gegründeten Performanceprogramms »Smash« in Berlin. Harry Koushos Tanz Harry Koushos wurde auf Zypern geboren und wohnt heute in Athen. Der Tänzer und Choreograf absolvierte die Professional School of Dance Niki Kontaxaki in Athen. Seine Choreografien wurden bei verschiedenen Festivals in Europa und den USA gezeigt und unterstützt vom Ministerium für Bildung und Kultur Zypern, dem Onassis Cultural Centre sowie durch die europäischen Netzwerke Aerowaves, Modul Dance und ARC for Dance Festival. Er ist Mitglied im Dance Gate Lefkosia und Gründungsmitglied des Dancehouse Nicosia. Als Tänzer arbeitet er mit zahlreichen Choreografen zusammen; mit der Choreografin Alexandra Waierstall seit 2011. Anna Pehrsson Tanz Anna Pehrsson erhielt ihre Tanzausbildung an der Ballet Academy ihrer Heimatstadt Stockholm. Sie war zudem Mitglied der Schweizer Alias Compagnie, tanzte am Stockholm City Theatre und beim Cullberg Ballet. 2013 erhielt sie einen Master-Abschluss in Choreografie mit ihrem Projekt »Unthinkable objects«, einer zweiteiligen Arbeit aus Text und einem abendfüllenden Solo. Ihr künstlerischer Prozess entfaltet sich häufig in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern, zuletzt »At the bottom left corner« mit Frédéric Gies. Zudem ist sie künstlerische Beraterin am Milvus Artistic Research Center in Kivik an der Südspitze Schwedens. Karolina Szymura Tanz Karolina Szymura absolvierte eine Ausbildung an der Staatlichen Balletschule in Bytom in ihrer Heimat Polen und schloss ihre Ausbildung an der Tanzakademie »Codarts« in Rotterdam ab. Sie war vier Jahre lang bei Piet Rogie und der Compagnie Noord Nederlandse Dans tätig und tanzte dort Choreografien u.a. von Stephen Shropshire, Emanuel Gat, Andrea Miller, Itzik Galili und Roy Assaf. Zurzeit ist sie freiberufliche Tänzerin und tritt in Stücken von Thomas Noone, Alexandra Waierstall und Felix Landerer auf. Alexandra Waierstall Choreografie Alexandra Waierstall wurde in England geboren, wuchs auf der Insel Zypern auf und lebt seit 2004 in Düsseldorf. Ihre konzeptuell-physisch geprägten Arbeiten äußern sich in Choreografien, Installationen, Situationen, Klängen, Texten und Bildern und werden in Theatern, Galerien, Museen und in Publikationen gezeigt. 2014 bis 2016 war Alexandra Waierstall Residenzkünstlerin am tanzhaus nrw in Düsseldorf. Zusammen mit ihrem Vater, dem bildenden Künstler Horst Weierstall, gründete sie den interdisziplinären Projektraum »TheArtSpace for moving ideas«; zudem ist sie Mitbegründerin des jährlichen interdisziplinären Tanzfestivals No-Body in Nikosia. 2013 wurde Alexandra Waierstall mit dem Förderpreis der Darstellenden Kunst der Landeshauptstadt Düsseldorf prämiert. Ihre choreografischen Werke werden international gezeigt. Seit Jahren wird sie von Universitäten und Festivals in aller Welt zu Workshops und Vorträgen eingeladen. 21:00 | K2 | AUTECHRE Autechre Autechre, das sind Rob Brown und Sean Booth aus Manchester. Aus ihrer Sicht ist damit wahrscheinlich auch schon alles gesagt. Denn beweisen müssen sie wirklich niemanden mehr etwas. Beeinflusst von illegalen Raveparties ihrer Jugend, Hip-Hop, aber auch konzeptioneller Musik im Stile von Karlheinz Stockhausen entwickelt das Duo seit Anfang der 90er Jahre abstrakte Computermusik, die dem Informationsoverkill unserer Zeit eine sonische Form gibt. Die beiden Briten gelten damit nicht nur als Pioniere für kluge Clubmusik jenseits von gerader Bassdrum, sondern prägen neben Künstlern wie Aphex Twin bis heute den Sound des legendären Warp Labels. Nach dem vorerst letzten Auftritt 2010 im Uebel & Gefährlich kommt Autechre im Rahmen des Festivals »Greatest Hits« für einen seiner raren Auftritte zurück nach Hamburg. Support kommt vom Noise-Veteran Russel Haswell und dem Skam-Labelchef Andy Maddocks. Support Russell Haswell (Diagonal Records / Editions Mego / Bocian Records) Andy Maddocks (Skam Records) SONNTAG Autechre, Ensemble Musikfabrik Calder Quartet, Alexandra Waierstall