8. Linear Response, Kubo

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Statistische Physik, G. Schön, Karlsruher Institut für Technologie (Universität)
147
8. Linear Response, Kubo-Formalismus
8.1 Schrödinger, Heisenberg und Wechselwirkungsbild
Wir betrachten einen zeitabhängigen Hamilton Operator H(t) = H0 + H1(t), wobei H1(t) im folgenden den Effekt einer schwachen aber zeitabhängigen Störung beschreibt.
a) Schrödinger-Bild (Darstellung):
Die Lösung der zeitabhängigen Schrödinger-Gleichung kann formal mit Hilfe des
Zeitentwicklungsoperators U(t,t0) geschrieben werden
i
d
S(t) = H(t) S(t)
dt

i
d
U(t,t0) = H(t) U(t,t0) ;
dt

U(t,t0) = 1 –
↔
S(t) = U(t,t0) S(t0)
U(t0,t0) = 1
t
 i t

i

.
exp
dt
'
H(t
')

dt
'
H(t')
U(t',t
)
=
T
0
 t
 t


0

0
Hier ist der Zeitordnungsoperator T eingeführt worden. Er ordnet Operatoren entsprechend ihrer
Zeit so, dass die mit der spätesten Zeit links stehen. Für H(t) = H0 reduziert sich der Zeitentwicklungsoperator auf U0(t,t0) = e
iH0 (t  t 0 )/ 
.
b) Heisenberg-Bild:
Im Heisenberg-Bild enthalten Operatoren die Zeitabhängigkeit, während Zustände zeitunabhängig sind
OH(t)  U+(t,t0) OS(t) U(t,t0)
H = U+(t,t0) S(t) = S(t0) .
Erwartungswerte sind in beiden Bildern gleich,
 O  =  H(t) |OH(t)| H(t)  =  S(t) |Os| S(t)  .
Die Operatoren erfüllen die Heisenberg-Bewegungsgleichung
i
∂
d
O H (t) = [OH(t), HH(t)] + i  U+(t,t0) (∂t OS(t)) U(t,t0) .
dt
Der letzte Term berücksichtigt eine explizite Zeitabhängigkeit, die in OS(t) enthalten sein kann.
148
c) Wechselwirkungsbild:
Im Wechselwirkungsbild wird die einfache Zeitabhängigkeit, die von H0 herrührt, abgespalten
OI(t) = e

i
iH0 t / 
OS(t) e
iH0 t / 
,
I(t) = e
iH0 t / 
S(t)
 iH0 t / 
d
iH t /   
.
O I (t) = [OI (t), H0] + i  e 0
 OS (t)  e
dt
t

Wir betrachten nun ein System, das durch eine Dichtematrix (t) beschrieben ist. Diese erfüllt die
d
Liouville-Gleichung i  (t) = [H(t), (t)] .
dt
In der Wechselwirkungsdarstellung gilt


I (t) = e
iH0 t / 
(t) e
iH0 t / 
d
I (t) = [H1I (t), I (t)]
dt
t
i
I (t) = (t0) –  dt ' [H1I (t'), I (t')] .
t
i
0
Diese Form eignet sich besonders für die unten folgende Störentwicklung.
8.2 Linear Response
1
Bei t0 sei das System in einem Zustand beschrieben durch eine Dichtematrix 0 = Z e–H0 .
0
Dabei ist die Normierung die Zustandssumme Z0 = tr e–H0. Weiterhin greife eine externe
Störung F(r,t) an, die an eine physikalische Größe Q(r) koppelt in dem Sinne, dass der Beitrag
zum Hamilton-Operator gegeben ist durch
H1 (t)    d3r F(r, t) Q(r )
Beispiele: Ein elektrisches Potential koppelt an die Ladungsdichte e +(r) (r), ein Vektorpotential A an den Strom (s. unten), ein Magnetfeld H an die Magnetisierung M.
In linearer Näherung können wir die Integralgleichung für I (t) nach einer Iteration abbrechen
I (t) ≈ 0 –
t
i
dt ' [H1I (t'), 0] .
 t
0
Damit bestimmen wir den Erwartungswert einer physikalischen Größe O(t)
 O(t)  = tr [I (t) OI (t)] =  O   –
0
i

149
t
 dt ' tr {0 [OI (t), H1I (t')]} .
t0
(Hier haben wir die Invarianz der Spur unter zyklischen Permutationen des Argumentes ausgenutzt.) Wir führen die Abweichung vom ungestörten Wert O(r,t) = O(r,t) –  O  0 ein, setzen
H1 ein und lassen t0→ – ∞

i
 O(r,t)  =
t
t
0
 dt '  d r ' tr {0 [OI (r,t), QI (r',t')]}

3
F(r',t') .
Die verallgemeinerte Suszeptibilität oder Lineare-Antwort-Funktion (“linear response”) ist
definiert durch
O(r, t) 

 dt'  d r' (r, t, r ', t') F(r ', t')
3
.
Der Vergleich zeigt
(r, t, r ', t') 
i
tr 0 O I (r, t), Q I (r ', t')  (t  t')

.
Dies ist die Kubo-Formel. Sie drückt die Lineare-Antwort-Funktion  durch Eigenschaften des
ungestörten Systems aus.
Bei räumlicher und zeitlicher Translationsinvarianz hängt nur von Orts- und Zeitdifferenzen ab.
Nach Fourier-Transformation (r – r', t – t') → (k,) wird aus der oben geschriebenen
Faltungsrelation
O(k , )  (k , ) F(k , )
Oft sind wir an der Änderung der Größe Q, an die F ankoppelt, interessiert, d.h. O = Q. Dann gilt
(r,t, r',t') =
i
tr {0 [QI (r,t), QI (r',t')]}  (t – t') .

(Der Einfachheit halber betrachten wir im Folgenden nur die Zeitabhängigkeit.) Wir können 
weiter auswerten, indem wir Energieeigenzustände H0 |n  = En |n  einschieben
i(E  E )(t  t')/ 
i(En  En' )(t  t')/ 
i (t  t ')
e–En |  n | Q | n'  |2 [e n n'
e
].

 Z0 nn'

–1
P
Nach Fourier-Transformation und mit  dt eit (t) =
= i + () finden wir
i–


(t – t') =

150
() = '() + i"() ;

"() =
=
'() = '()
 1
 e–En |  n | Q |n'  |2
 Z0 nn'
"(–) = –"()
 
E n  E n'  
E  E n'  
  n
   




 

 
 1  e   
 e–En  n | Q |n'  |2

Z0
nn'
'() = –
;
E  E n' 

 n




1
P
(e En  e En ' ) |  n |Q|n'  |2 .

Z0 nn' E n  E n'   
8.3 Fluktuations-Dissipations-Theorem
Wir betrachten die Korrelationsfunktion im Gleichgewicht
 Q(t) Q(t')  . Da bei
quantenmechanischen Operatoren i.A. die Ordnung der Operatoren eine Rolle spielt, definiert
man die Korrelationsfunktion durch die symmetrisierte Form
1
G(t–t') = 2 tr {0 [Q(t) Q(t') + Q(t') Q(t)]} .
Nach Fourier-Transformation erhalten wir analog zu den oben gezeigten Schritten
G()   Q Q   = 
E  E n'
1  e   
e–En |  n |Q|n'  |2 ( + n


Z0
nn'
).
Der Vergleich mit der Responsefunktion liefert das Fluktuation–Dissipations–Theorem
QQ   coth

  "()
2
Im klassischen Grenzfall  « kT gilt also
 Q Q   ≈
2kT
" () .

Zur Erläuterung der Bezeichnung "Dissipation" zeigen wir, dass " die Energiezunahme
beschreibt und daher im stationären Fall proportional zur Dissipation ist.
d
d
∂
•
dt  E(t)  = dt tr [ H(t)] = tr [H ] =  ∂t H1(t)  .
•
Hier haben wir benutzt, dass i  tr { H} = tr {[H, ] H} = tr { [H,H]} = 0.

d
•
•
dt  E(t)  = –  Q(t)  F(t) = –  dt ' (t – t') F(t') F(t)
151
und
E =  dt
d
 E(t)  =  d ( i) () |F()|2 =  d "() |F()|2 .
dt
E ≥ 0 nimmt zu, d.h. " hängt mit der Energieänderung und damit der Dissipation zusammen.
8.4 Kramers-Kronig-Relationen
Die Responsefunktion ist “kausal”, (t–t')  (t–t') , d.h. der Response zur Zeit t hängt nur von
der Störung F(t') zu Zeiten t' ≤ t ab. Aus der Kausalität folgt die wichtige Eigenschaft, dass ()
analytisch in der oberen -Halbebene ist. Es gilt außerdem für alle sinnvollen Modelle, dass
|()| < 1/|| für || → ∞. Wir wenden nun zunächst Cauchy's Theorem an (mit einer Kontur
~
längs der reellen Achse und zurück in der oberen Halbebene) und verwenden dann die Relation
1/(x–i0)=P/x +i(x)
( + i0) =


()
d ' ( ')
d ' ( ')
= P
+
2
2 i  '   i0
2 i  ' 

P
( ')
() =
d '
.

i 
 ' 
Eine Zerlegung nach Real-und Imaginärteil liefert die Kramers-Kronig-Relationen
Re () = '() =

P
 "()
d '



 ' 
Im () = "() = –
P
 '()
d '
.


 ' 
Sie erlauben die Berechnung des Imaginärteils der Responsefunktion, wenn der Realteil gemessen ist und umgekehrt. Daher sind sie von großer praktischer Bedeutung.
8.5
Die elektrische Leitfähigkeit
Als konkretes Beispiel werten wir nun die elektrische Leitfähigkeit aus
 j()  =  () E() ; ,  = x, y, z . 

152
Der Leitfähigkeitstensor  ist die lineare Responsefunktion, die Änderungen des Stromes als
1 •
Antwort auf ein elektrisches Feld E = – grad  – A beschreibt. Für die weitere Auswertung
c
1 •
wählen wir die Eichung  = 0 . D.h. E = – A
c

i
A()
c
 j()  =  ()

A(t) =
d
 2 e–it A() .
Zu beachten ist das Auftreten des Faktors i in der Relation zwischen  j()  und A(). Das
Vektorpotential geht in der eichinvarianten Ableitung in den Hamilton-Operator ein
1
H =  d 3r +(r) {2m
[   – ec
i
2
A(r,t)] + U(r)} (r) + ...
Nach Linearisierung finden wir also
H1 = –  d3r
A(r, t)
j1(r)
c
mit
e


j1(r)  2m [+(r) (r) – (+(r)) (r)] .
i
i
Der Strom
e
j(r,t) = 2m
{+(r) (   –
i
e

e
A) (r) + [(–  – A) +(r)] (r)}
c
c
i
e2 +
besteht aus 2 Beiträgen j(r,t) = j1(r) –
 (r) (r)A(r,t) . In linearer Ordnung in A finden
mc
wir dann auch 2 Terme
 j (r,t)  = –

1
e2
 +(r) (r)  A(r,t) +   dt '  d 3 r '  (r,t, r',t') c A(r',t') .
mc
 
Dabei ist  +(r) (r)  = n(r,t) die Dichte der Elektronen, während die Responsefunktion  nun
nach den obigen Regeln folgt
 (r,t, r',t') =
i
tr {0 [j1I (r,t), j1I (r',t')]}(t–t') .

Wenn wir Raum- und Zeittranslationsinvarianz annehmen, wird dies

 j (k,)  = –
1
e2
n A (k,) +  (k,) c A (k,)
mc


1  e2
 (k,) =   n    (k , )  .
i  m

153
Der erste Term beschreibt eine freie Beschleunigung (vergleiche die Drude-Leitfähigkeit) und ist
rein imaginär, der zweite Term beschreibt den dissipativen Anteil.
Einstein-Relation
Zur weiteren Auswertung nehmen wir, dass ein homogenes Feld angelegt ist, k = 0, und betrachten nur die -Abhängigkeit des Realteils der Leitfähigkeit

e2
Re  () =
Re  d(t  t ') ei (t–t') tr {0 [pI (t), pI (t')]} (t–t')
 m 2



=
e2
iH t / 
iH t / 
Re   d t ei t  n | 0 e 0 p e 0 | n ' n ' | p | n 
2
 m
n n' 0
  n ' | 0 p | n  n | e
=
iH0 t / 
p e
iH0 t / 

| n '
f (E n )  f (E n' )
e2
Re  ()  n | p | n'   n' | p | n 
.
2
i (   E n  E n' )  
m
n n'
2
2
Wir betrachten außerdem ein isotropes SystemD.h. =   ;  px  =  py  = ...

Re  () =
 e2
  n | p | n'  |2  (  + En – En') [ f(En) – f(En')] ,
3 m 2 n n'
und ein entartetes Elektronengas, d.h.  , kT « EF  [f(En) – f(En +  )] /   = (En – EF)
 e2
(En – EF) (   + En – En') |  n | p | n'  |2.

2 
3m n n'

d t i t  iEn t /   iEn' t / 
e
Jetzt drücken wir die zweite -Funktion wieder als Integral aus Re 


0

Re () =

Re () =

e2
Re
(En – EF)  n | p(t) p(0) | n  eit.
 dt 
3m 2
n
0
Es bleibt eine Mittelung über die Richtung der Impulse auf der Fermi-Oberfläche. Mit Hilfe der
Zustandsdichte pro Spin N(EF) schreiben wir

n
(En – EF)  n| ... | n  N(EF)  ...  FS.Damit
wird die Gleichstromleitfähigkeit ausgedrückt durch die Diffusionskonstante
Re ( = 0) = 2e2 N(EF) D
Einstein-Relation
154

D=
1
 dt 3
0
Re  v(t) v(0)  FS
Für freie Elektronen gilt weiter
Diffusionskonstante
N(E F) 
pFm
2  2 3 V
p3F
4
und die Dichte ist n  2
.
3 (2)3 V
Schließlich nehmen wir ein einfaches Relaxationsmodell an,  v(t)v(0)  FS = e–t/ vF2, und finden
vF2
n e2 
und  
.
so die altbekannten Ergebnisse wieder, D = 3
m
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