Zukunftscharta EINEWELT - UNSERE VERANTWORTUNG Kurzdokumentation Themenforum 3 Die ökonomische Dimension von Nachhaltigkeit 17. bis 18. Juni 2014 | Institut für Weltwirtschaft, Kiel Die ökonomische Dimension von Nachhaltigkeit Vom 17. bis 18. Juni fand im Institut für Weltwirtschaft in Kiel das Themenforum zur ökonomischen Dimension von Nachhaltigkeit statt. Insgesamt 80 Teilnehmende aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft folgten der Einladung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und erarbeiteten gemeinsam konkrete Handlungsempfehlungen für die Zukunftscharta aus der Perspektive der ökonomischen Dimension von Nachhaltigkeit. Eröffnet wurde das Themenforum am 17. Juni mit einer Diskussionsveranstaltung zum Thema „Wachstum neu gestalten – für Breitenwirksamkeit und Nachhaltigkeit weltweit“. Der Online-Dialog hatte vorab viele kritische Anregungen zum Wachstumsbegriff ergeben, die im Rahmen der Auftaktdiskussion aufgegriffen wurden. Im Zentrum der kontrovers geführten Debatte stand die Frage, ob beziehungsweise in welcher Form wir Wirtschaftswachstum brauchen und ob sich Wachstum und ökologische Nachhaltigkeit ausschließen oder ergänzen. Viele Teilnehmende waren überzeugt, dass der bisherige Wachstumsbegriff nicht ausreiche, um adäquat auf die globalen Herausforderungen zu reagieren. Die Etablierung sozial und ökologisch nachhaltiger Wachstumsmodelle weltweit wurde als eine der zentralen Zukunftsaufgaben identifiziert. Die Ausgestaltung solcher Wachstumsmodelle müsse kontextspezifisch erfolgen und könne nicht für alle Länder weltweit dieselbe sein. Einige Teilnehmende stellten grundsätzlich in Frage, dass jede Ökonomie Wachstum benötige. Wachstum sei demnach kein immanenter Wert, nach dem jeder Mensch strebe. Allerdings wurde vielfach angemerkt, dass insbesondere für Entwicklungsländer Wirtschaftswachstum, wenn auch keine hinreichende, so doch eine notwendige Bedingung für die Verbesserung der Lebenssituation vieler Menschen mit niedrigem Einkommen darstellt. Bei der Bekämpfung der Armut in Entwicklungs- und Schwellenländern kommt der Schaffung von ausreichend qualifizierten Arbeits- plätzen und Einkommen eine zentrale Rolle zu, daher hat die Generierung von Wachstum für diese Länder hohe Priorität. Aus Sicht vieler Teilnehmender sei es eine zentrale Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit (EZ), diese Länder bei der Gestaltung eines ökologisch nachhaltigen und breitenwirksamen Wachstums zu unterstützen. Ein weiterer Diskussionspunkt war die Rolle von Märkten sowie deren Regulierung. Anstelle eines Gegeneinanders von Staat und Markt würde ein verträgliches Miteinander benötigt, damit Märkte in Zukunft zu einer sozial inklusiven und ökologisch nachhaltigen Entwicklung beitragen können. Bei der Schaffung geeigneter Kooperationsmechanismen zwischen Staat und Markt gehe es im Kern um Governancefragen, sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene. Hier könne das Modell der sozial-ökologischen Marktwirtschaft als wichtiges Leitprinzip dienen. Am 18. Juni wurden in Fachdiskussionen konkrete Beiträge zum weiteren Zukunftscharta-Dialogprozess aus der Perspektive der ökonomischen Dimension der Nachhaltigkeit erarbeitet. Die Fachdiskussion wurde von der Unterabteilungsleiterin des BMZ Dr. Tania Rödiger-Vorwerk und dem Themenpaten für die ökonomische Dimension im ZukunftschartaProzess, Prof. Joachim von Braun, eröffnet. In insgesamt neun Arbeitsgruppen konnten Teilnehmende ihre fachliche Expertise und Ideen einbringen. Die Arbeitsgruppen orientierten sich an Themen, die im bisherigen Dialogprozess verstärkt aufgetreten waren, darunter → → → → → → → → → nachhaltige Produktion und Beschäftigung; Innovationen als Schlüssel für nachhaltiges Wachstum und ländliche Entwicklung; Investitionen; Migration; Berufliche Bildung; Menschenrechte; Gesundheitsversorgung; Digitalisierung; Handel und Globalisierung. Im Folgenden sind die wichtigsten Ergebnisse der Diskussion zusammengefasst: AG 1 Reformen, Instrumente, Anreizmechanismen: Welche Rahmen und Interventionen brauchen wir für nachhaltige Produktion und Beschäftigung? Ein wichtiger Diskussionsstrang erörterte das Zusammenspiel von Unternehmen, Konsumenten, Zivilgesellschaft und staatlichen Regelungen. Dabei wurde kontrovers diskutiert, auf welcher Ebene die Veränderung hin zu nachhaltiger Produktion und Beschäftigung beginnen solle. Folgende Thesen wurden in der Diskussion aufgestellt: → Innovationen, die zu Fortschritt führen, beginnen häufig in Unternehmen. NGOs müssen Unternehmen in diesem Prozess kritisch begleiten, aber konstruktiv bleiben. → Es müssen Indikatoren entwickelt werden, um Unternehmen auch nach sozialen und ökologischen Kriterien zu bewerten. Staaten sollten nachhaltige Unternehmensprozesse fördern und belohnen. → Beschäftigung muss auskömmlich und menschenwürdig sein, um einen Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen leisten zu können. Daher müssen die durch ein Unternehmen geschaffenen Beschäftigungsmöglichkeiten auch an Qualitätskriterien gemessen werden. → Nachhaltigkeit muss als gesellschaftliches Thema verankert werden und von Konsumenten eingefordert werden, damit sie zu einem Wettbewerbsfaktor für Unternehmen werden kann. Nachhaltige Angebote werden nur entstehen, wenn es seitens der Konsumenten eine entsprechende Nachfrage gibt. → Die Etablierung nachhaltiger Konsummuster kann durch den Staat und Unternehmen unterstützt werden. Denkbar ist eine stärkere Verankerung von Nachhaltigkeitsthemen im Schulunterricht oder eine transparentere Darstellung des Ressourcenverbrauchs von Produkten durch Unternehmen. → Die vorherrschende, rein quantitative Form der Wohlstandsmessung ist nicht mehr zeitgemäß. Wenn ökologische Nachhaltigkeit und Breitenwirksamkeit als Qualitätskriterien für Wachstum etabliert werden sollen, muss sich dies auch in den Indikatoren der Wohlstandsmessung widerspiegeln. Diese müssen dann neben quantitativen Kriterien wie Bruttoinlandsprodukt und Konsum auch soziale Indikatoren und Ressourceneffizienz berücksichtigen. → Die Rolle der Einpreisung von Externalitäten, d.h. negativer Effekte nicht nachhaltiger Produktion, muss weiter diskutiert werden. Ein Weg könnte die Etablierung eines indirekten Steuersystems sein. → Die Rolle von Zertifikaten muss geschärft werden. Deren Glaubwürdigkeit leide unter der Masse der existierenden Zertifikate; für Konsumenten sei eine Unterscheidung schwierig. AG 2 Produkte, Prozesse, Organisation: Welche Innovationen sind der Schlüssel für nachhaltiges und breitenwirksames Wachstum und ländliche Entwicklung? → Da der Agrarsektor in vielen Entwicklungsländern nach wie vor der zentrale Wirtschaftssektor ist und die Mehrheit der armen Menschen auch weiterhin im ländlichen Raum lebt, müsse insbesondere dort ein breitenwirksames, nachhaltiges Wachstum stattfinden. Der Beitrag deutscher EZ könne vor allem darin liegen, systemisches Wissen weiterzugeben. Dies betreffe insbesondere Bereiche wie die Förderung von Bauernverbänden, Erzeugernetzwerken, Einkaufs-, Verkaufs- und Finanzierungsgenossenschaften oder auch Finanzierungsgenossenschaften. Kleinbauern können nur innerhalb derartiger organisierter Strukturen eine Stimme und Marktmacht erhalten. Außerdem fördern derartige Kooperationen den Wissensaustausch und schaffen Möglichkeiten zur Weiterbildung. Zusätzlich sind förderliche politische Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche ländliche Entwicklung nötig, die durch deutsche EZ weiter unterstützt werden sollten. → Viele Kleinbauern haben keinen Zugang zu Finanzierung, beispielsweise für Saatgut oder Düngemittel. Hier müssen lokale Banken und Strukturen bei der Entwicklung entsprechender bedarfsgerechter Finanzprodukte unterstützt werden. → Die Bildung und Ausbildung von Bauern spielt eine tragende Rolle in Entwicklungsländern und sollte in vielen Ländern unterstützt werden. → Um eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft und damit eine langfristig nachhaltige Entwicklung zu fördern, müssen Umweltkosten in die Preise landwirtschaftlicher Produkte einbezogen werden. Hier können Labels ein gutes Instrument darstellen, welches auch zur Veränderung des Konsumverhaltens in Industrieländern beiträgt. → Die EZ solle sich anhand der Grundprinzipien Know-How-Transfer und Ownership organisieren. AG 3 Finanzieren, investieren, Risiken absichern: Wie kann Kapital für nachhaltiges und breitenwirksames Wachstum zum Tragen kommen? Die Teilnehmenden waren sich einig, dass Kapital gezielt eingesetzt werden muss, um nachhaltige Entwicklungsprozesse zu fördern. Hierbei wurden verschiedene Maßnahmen diskutiert. → In Entwicklungsländern besteht ein Mangel an lokalen inklusiven und stabilen Finanzsystemen. Während große Unternehmen wenig Schwierigkeiten haben, an Kapital zu kommen, fehlt kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) häufig der Zugang. → Crowdfunding als Möglichkeit zur Finanzierung von Projekten und KMUs in Entwicklungsländern wurde von den Teilnehmenden kritisch diskutiert. Einerseits kann der Ansatz dazu genutzt werden, gezielt lokale Projekte zu fördern. Andererseits schwächt eine solche Finanzierung lokale Kapitalsysteme. → Anleger sollen die Möglichkeit haben, ethische Werte bei Investments zu berücksichtigen. Hierzu muss durch die Unternehmen Transparenz im Hinblick auf die Verwendung der Finanzmittel geschaffen werden. → In den letzten Jahren sind zahlreiche Angebote für sozial und ökologisch nachhaltige Geldanlagen entstanden. Klare Standards für solche „ethischen Investments“ müssen geschaffen werden. → Investitionen sollten insbesondere beim nachhaltigen Aufbau von Infrastruktur erfolgen. Der Investitionsbedarf in Entwicklungsländern im Bereich Infrastruktur sei enorm, ob bei der Wasserversorgung, in den Bereichen Energie, Gesundheit oder Bildung. Die Frage, wer welche Infrastrukturleistungen bereitstelle, sei für die gesellschaftliche Entwicklung prägend und eng mit den sozialen Strukturen einer Gesellschaft verknüpft. Im Zuge der weltweiten Verschuldung von Staaten spiele der Privatsektor hier eine wichtige Rolle. → Es fand eine differenzierte Diskussion zu der Frage statt, ob Startups gezielter gefördert werden sollten. Zwar fördern Startups Innovationen, kritisch bemängelt wurde aber, dass sie keinen breiten Wohlstand in den Ländern hervorbringen. AG 4 Migration als ökonomische Chance nutzen Migration wurde von den Teilnehmenden vor allem als Chance gesehen, die aktiv gestaltet werden müsse. Dabei wurde sowohl die Situation der aufnehmenden Länder diskutiert als auch die Situation in den Heimatländern der Migranten. → Migration muss stärker gestaltet werden. Dies solle gemeinsam mit den Partnerländern geschehen, sodass es möglich wird, Rahmenabkommen zu schließen und „brain drain“ entgegenzuwirken. Auch die Entsendeländer sollten von Migration profitieren – beispielsweise durch die Ermöglichung einer temporären Rückkehr der Migranten in ihre Heimatländer. → Rücküberweisungen (Remittances) sollen von Gebühren befreit werden. → Die Gestaltungskraft von rückkehrenden Migranten solle für Entwicklungsprojekte genutzt werden, etwa in kommunalen Partnerschaften oder Netzwerken, aber auch als wirtschaftliche Promotoren, beispielsweise als Investoren. → Opfer von Menschenhandel müssen effektiver unterstützt werden. Moderne Formen von Arbeitsversklavung wie Zwangsprostitution müsse entschieden bekämpft werden. Dies sei möglich durch Bleiberechte für betroffene Personen oder Chancen auf Ausbildung statt der Rückführung. → Die Verantwortung für die Aufnahme von Flüchtlingen solle innereuropäisch gleichmäßiger verteilt werden. Entscheidend sei aber die Verbesserung der Lebensbedingungen in den Heimatländern, um Wirtschaftsmigration zu verringern. → Die Angst vor Überfremdung, die häufig mit Migration einhergeht, müsse abgebaut werden. Dies kann durch Austausch im Rahmen von Straßen- und Kulturfesten geschehen. Gleichzeitig müssen die positiven Aspekte von Migration stärker thematisiert werden. AG 5 Perspektiven schaffen durch Bildung: Berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung Die Möglichkeiten der Gestaltung von beruflicher Bildung wurden aus verschiedenen Sichtweisen diskutiert. Dabei wurde ein Schwerpunkt auf die Verantwortung von multinationalen Unternehmen gelegt, welche Bildungsprozesse in Entwicklungsländern ebenfalls fördern sollten. → Auch im ländlichen Raum muss eine dezentrale Förderung von Unternehmertum vorangetrieben werden, die zu qualifizierten Arbeitsplätzen führt und Ausbildungsmöglichkeiten schafft. → Für Existenzgründer in Entwicklungsländern muss der Zugang zu Krediten verbessert werden. → Technologiezentren vor Ort sollten kleine Unternehmen begleiten und unterstützen. → Entwicklungsländer sollten dabei unterstützt werden, Firmen, die junge Menschen ausbilden, staatlich zu fördern. Betriebliche Ausbildungszeiten sollten verlängert und auf die Übernahme in reguläre Arbeitsverhältnisse ausgerichtet werden. → Strategischer Kernbereich sollte die „Green Economy“ sein, die mit eigenen Bildungsprogrammen gefördert werden kann, welche sich gezielt auf nachhaltig ausgerichtete Berufsbildung beziehen. → Qualifikationen und Abschlüsse müssen sich dem Bedarf des jeweiligen Arbeitsmarktes anpassen, damit sie Möglichkeiten bieten, Jugendarbeitslosigkeit zu verringern. AG 6 Menschenrechte weltweit schützen: Beitrag und Verantwortung des Privatsektors → Menschenrechte müssen auch für unternehmerisches Handeln die entscheidende Leitlinie darstellen. Die Teilnehmenden kritisierten die aus Ihrer Sicht mangelnde Umsetzung der UN Guidelines for Business and Human Rights und kamen zu dem Schluss, dass die Durchsetzung von Menschenrechten in Unternehmen weltweit nur durch Kontrollmechanismen gewährleistet werden könne. → Zertifizierungssysteme können den Menschenrechtsaspekt auch für Konsumenten sichtbar machen. Ein Scoringsystem könne verschiedene Aspekte von Menschenrechten aufgreifen und so Anreize für Unternehmen und mehr Transparenz für Konsumenten schaffen. Verpflichtungen und Aufgaben müssen zunächst für deutsche Unternehmen und Investoren erarbeitet werden, dürfen aber nicht als Wettbewerbsnachteil wirken. → Die Wahrung der Menschenrechte von Mitarbeitenden und Lieferanten sollten aus Sicht der Teilnehmenden verbindliche Voraussetzung für Investitionen in Unternehmen sein. → Aufgrund langer, unübersichtlicher Lieferketten ist es für Unternehmen häufig eine Herausforderung, die Einhaltung der Menschenrechte in allen Zulieferbetrieben zu gewährleisten. Dies ist nur möglich, wenn Regierungen und die Zivilgesellschaft vor Ort mit einbezogen werden und Produzenten von ihnen überprüft werden. → Der Roundtable „Menschenrechte im Tourismus“ ist ein positives Beispiel für Unternehmensengagement im Bereich Menschenrechte. Der Roundtable ist eine Multistakeholder-Initiative und versteht sich als offene Plattform zur Förderung der Menschenrechte im Tourismus. Er ist ein Impulsgeber für Unternehmen, Organisationen und Institutionen, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte im Tourismus einsetzen. Die Teilnahme steht allen institutionellen Akteuren offen, die sich mit den Grundsätzen des Roundtables identifizieren. Die Initiative sollte anderen Branchen als Vorbild dienen. AG 7 Gesundheitsversorgung als Voraussetzung für nachhaltiges und inklusives Wachstum Gesundheit ist sowohl Voraussetzung als auch Ergebnis und wichtiger Indikator für Entwicklung. Es wurde festgestellt, dass Gesundheitssysteme nach wie vor vernachlässigt werden. Einigkeit herrschte in der Auffassung, dass Vorsorge wichtiger sei als nur die Symptome zu behandeln. Interventionen dürfen nicht nur im Falle von Epidemien durchgeführt werden. → Unternehmen müssen in umfassende Partnerschaften eingebunden sein, um Technologie, KnowHow und Material bereitstellen zu können. Ein Beispiel ist die German Healthcare Partnership, die das Ziel verfolgt, den Zugang von Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern zu qualitativ hochwertigen Gesundheitsleistungen zu verbessern. Dennoch solle aus Sicht der Teilnehmenden die gesundheitliche Grundversorgung staatlich oder kommunal bereitgestellt werden und über entsprechende Träger laufen. → Systematische Maßnahmen wie Vorsorgeprogramme, die die Grundlage für Gesundheit schaffen, müssen langfristig gefördert werden. Eine Möglichkeit sind Workplace-Programme, die von Unternehmen unterstützt werden können. → Positivbeispiele wie Green Hospitals müssen von der EZ gezielt gefördert werden. → Oft fehlt es in Entwicklungsländern an betriebswirtschaftlichem Hintergrundwissen für einen funktionierenden Krankenhausbetrieb. Lokalen Partnern sollte Unterstützung, beispielsweise in Form von Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich Gesundheitsökonomie, angeboten werden. → Gesunde Ernährung und die Vorbeugung von Mangelernährung müssen als eigener Aspekt verstanden werden. Ein kritisch diskutierter Lösungsansatz war die Verbreitung fortifizierter Lebensmittel. Kurzfristig können diese Symptome von Mangelernährung bekämpfen, als langfristiges Konzept seien sie allerdings nicht geeignet. Dabei sei zu beachten, dass Lebensmittel lokal produziert werden sollten. AG 8 Digitalisierung als Treiber für nachhaltiges und inklusives Wachstum Die Teilnehmenden der AG diskutierten, welche konkreten Potenziale und Innovationsmöglichkeiten die weitreichende Digitalisierung im Hinblick auf ein nachhaltiges und inklusives Wachstum bietet. → Wichtig sei es, lokales Know-How zu fördern. Dies könne in staatlichen und kommunalen Stellen ebenso erfolgen wie in Unternehmen. Außerdem bedürfe es einer Infrastruktur, die das Internet und andere Medien für viele Menschen zugänglich mache. Allerdings müsse die Aufklärung dieser neuen Verbraucher über mögliche Risiken solcher Medien (z.B. hinsichtlich Datenschutz) sichergestellt werden. → Digitalisierung biete die Chance, die Ressourceneffizienz zu steigern, wenn beispielsweise Transportsysteme, Produktion oder Landwirtschaft über digitale Medien und Hilfsmittel „intelligenter“ und damit ressourcenschonender organisiert werden können. Ein Beispiel ist die landwirtschaftliche Wettervorhersage per SMS, die es auch Landwirten in abgelegenen Gebieten ermöglicht, die Bewässerung ihrer Felder und die Erntezeiten entsprechend zu planen. So kann breitenwirksames und ökologisch nachhaltiges Wachstum bei schrumpfendem Ressourcenverbrauch erreicht werden. Bedingung hierfür ist eine dezentrale Energieversorgung für digitale Endgeräte sowie die nachhaltigere Produktion von Geräten wie Mobiltelefonen (beispielsweise durch das Recycling von wertvollen Rohstoffen und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Produktion). → Innovative Ideen für die Nutzung der Chancen der Digitalisierung müssen gezielt gefördert und finanziell unterstützt werden. Dies kann durch den Aufbau von Technologiezentren passieren, die Startups bei der Gründung unterstützen und den Wissensaustausch erleichtern. Auch bei Beantragung staatlicher Zuschüsse bedarf es an Beratung für die Startups. Ebenso können peer-to-peer Netzwerke (z.B. Online-Plattformen) zum gegenseitigen Austausch und Lernen für Startups hilfreich sein. All diese Maßnahmen könnten durch die deutsche EZ unterstützt werden. AG 9 Handel und Globalisierung: Chancen nutzen und Herausforderungen meistern Die internationalen Handelsstrukturen wurden von den Teilnehmenden kritisch beleuchtet. Die bessere Einbindung von Entwicklungsländern in internationale Handelsstrukturen wurde als Möglichkeit zur Eröffnung neuer wirtschaftlicher Chancen gesehen. Gleichzeitig wurde aber auf Machtungleichgewichte in internationalen Vereinbarungen hingewiesen und das Motto „leave no one behind“ betont. → Handelsschranken richten sich häufig noch gegen afrikanische Staaten. Zwar sind Zollschranken weitgehend abgebaut, allerdings treten an ihre Stelle häufig Standards, die mit Nachteilen für Kleinbauern und Entwicklungsländer verbunden sind. Wichtig sei es, Transparenz für Standards herzustellen und weltweit gleichmäßige Standards durchzusetzen. → Regionaler Handel müsse stärker gefördert werden. Während Einfuhrzölle in die EU relativ niedrig sind, gebe es zwischen afrikanischen Staaten nach wie vor viele Zollbestimmungen. Diese müssen abgebaut werden, damit sich regionaler Handel ausweite. → Handel müsse gezielt eingesetzt werden, um auch ungelernten Arbeitern eine Chance zu geben, sich an der globalen Wertschöpfung zu beteiligen. Es müsse über Strategien nachgedacht werden, die schwache Regionen in die Weltwirtschaft integrieren. → Entwicklungsländer müssen gezielt bei der Ausarbeitung von Handelsabkommen unterstützt werden, da sie häufig mit dem Verwaltungsaufwand überfordert seien. → Exporte in Entwicklungsländer müssen Strukturen vor Ort stärken. → Entwicklungsländer müssen gezielt bei der Ausarbeitung von Handelsabkommen unterstützt werden, da sie häufig mit dem Verwaltungsaufwand überfordert seien. Auch mit vielen Zertifizierungen ist ein hoher Verwaltungsaufwand verbunden. Ergebnisse: Umsetzungsideen und globale Partnerschaften in der ökonomischen Dimension von Nachhaltigkeit Nach engagierten Diskussionen in den Arbeitsgruppen wurde das Themenforum mit kurzen Erfahrungsberichten zu ausgesuchten, innovativen Partnerschaften in Costa Rica und Deutschland abgeschlossen. Leo Pröstler, Geschäftsführer der Querdenker GmbH, stellte sein Nachhaltigkeitskonzept im Bereich der tropischen Land- und Forstwirtschaft vor, das auf einem starken öko-sozialen Partnerschaftsgedanken aufbaut. Andreas Thiel berichtete von einem deutschen Modellbeispiel im Augsburger Raum, der Strategischen Allianz für Demografiemanagement, Innovationsförderung und Ressourceneffizienz ADMIRe A3. Das als Forschungsprojekt aufgesetzte ADMIRe A3 erarbeitet und erprobt dabei integrierte Instrumente und eine regionale Kooperationsform für eine nachhaltige Wirtschafts- und Regionalentwicklung im Raum Augsburg. Prof. Joachim von Braun griff abschließend die Debatte um den Wachstumsbegriff erneut auf. Er verwies nochmals auf die Themen des Online-Dialogs zur Zukunftscharta (www.zukunftscharta.de), bei denen Wachstum als Ziel kaum Erwähnung finde. Dieses gehe jedoch an der Realität vieler Entwicklungsländer vorbei, die wirtschaftliches Wachstum benötigen, um Armut zu reduzieren. Von Braun sieht Wachstum daher als wichtigen Bestandteil der Entwicklungsziele. Wachstum diene nicht nur dem Sichern des bloßen Überlebens, „es geht auch um menschenwürdiges Leben, gutes Leben“, so von Braun. „Wer dies nicht berücksichtigt, blendet die Masse der Menschheit aus.“ Themenpate Prof. von Braun fasste die Ergebnisse des Themenforums folgendermaßen zusammen: → Forderung eines qualitativen statt quantitativen Wachstumsverständnisses, wobei folgende Elemente von besonderer Bedeutung seien: > Entkopplung von Wachstum und Ressourcenverbrauch insbesondere durch Innovation > Breitenwirksamkeit von Beschäftigung > Schaffung und Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards > Berücksichtigung von Produktlebenszyklen und dem ökologischen Fußabdruck von Produkten → Rechtssystementwicklung → Verknüpfung der ökonomischen mit der sozialen Dimension: Bildung und Gender, Gesundheit → Wachstum 4.0: Informations- und Kommunikationstechnologien nutzen → Wachstumspolitik kontext-spezifisch sehen, spezifische Wachstumsdiagnostik (Land/ Region) → Wirtschaftliches Wachstum im ländlichen Raum ist wichtig, da dort die Mehrheit der Armen leben und arbeiten → Rollen des Staates: Infrastruktur, makro-ökonomische Rahmenbedingungen, Steuer- und Budgetpolitik → Finanzierung von Innovation → Effiziente Sozialpolitik → Förderung von naturwissenschaftlich-technischer Bildung → Technologie- und Innovationspartnerschaften auf Augenhöhe → Förderung neuer Geschäftsmodelle, insbesondere mit KMUs / Mittelstand → Abbau von Investitionshemmnissen für Firmengründungen → Bildung von sektorübergreifenden Allianzen für nachhaltiges Wirtschaften → Messbarkeit von nachhaltigem Unternehmenshandeln → Schaffung einer gerechten Welthandelsordnung einschließlich Standards Herausgeber + Redaktion: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) | Kontakt: Projektsekretariat Zukunftscharta | „EINEWELT – Unsere Verantwortung“ | E [email protected] | I www.zukunftscharta.de | Gestaltung: www.kattrin-richter.de, Berlin | Bildnachweis © GIZ/ Christina Kloodt | Stand: September 2014