1 Normalverteilte Zufallsvariablen Andreas Pechtl Eigenschaften von normalverteilten Zufallsvariablen Linare Transformation von Zufallsvariablen Es sei X : (W; A ) ® R eine Zufallsvariable mit Verteilungsfunktion FX : R ® R und FX ( x ) = P[ X £ x ] . Unter einer linearen Transformation der Zufallsvariablen X versteht man eine Zufallsvariable Z : (W; A ) ® R , die eine Darstellung der Art Z = s × X + m , m ,s Î R , s ¹ 0 , gestattet. Es gilt folgender Satz. LEMMA 1. Für positive Werte s besteht zwischen der Verteilungsfunktion FZ : R ® R von Z = s × X + m und der Verteilungsfunktion FX für alle z Î R folgender Zusammenhang, æ z -m ö (E-1) FZ ( z ) = FX ç ÷. è s ø Gilt umgekehrt die Beziehung (E-1) zwischen zwei Zufallsvariablen X und Z , so gibt es D eine zu X verteilungsgleiche Zufallsvariable X * , X = X * , derart, daß Z = s × X * + m ist. BEWEIS. Offenbar folgt aus Z = s × X + m z -m ù æ z -m ö é FZ ( z ) = P[Z £ z ] = P ê X £ = FX ç ÷. ú s û è s ø ë Gilt umgekehrt (E-1) und setzen wir X *:= Z -m , so folgt für alle Werte x Î R s éZ -m ù FX ( x ) = FZ (s × x + m ) = P[Z £ s × x + m ] = P ê £ x ú = FX * (x ) , ë s û also die Verteilungsgleichheit von X und X * . BEMERKUNG. Für negative Werte s existiert eine zu (E-1) analoge, jedoch etwas kompliziertere Beziehung. Dabei wird die Funktion F X ( x ) := P[ X < x ] benötigt. Während eine Verteilungsfunktion FX stets rechtsseitig stetig mit linksseitigen Grenzwerten ist, ist die zugehörige Funktion F X stets linksseitig stetig mit rechtsseitigen Grenzwerten, und es gilt F X ( x ) = lim FX (x ) . x ­x Für alle Werte s < 0 und alle Werte z Î R folgt dann z -m é FZ ( z ) = P[Z £ z ] = P ê X ³ s ë z -m ù é ú = 1 - Pê X < s û ë ù æ z -m ö ú = 1- FX ç s ÷ . û è ø 2 Normalverteilte Zufallsvariablen Die Standardnormalverteilungsfunktion ì x2 ü × expí- ý , x Î R , ist eine positive, gerade und stetige 2 ×p î 2þ Funktion, deren uneigentliches Integral ò f 0,1 ( x ) × dx existiert, i. e., für alle x Î R ist Die Funktion f 0,1 ( x ) := 1 xÎR ò f (x ) × dx < ¥ . Da f 0,1 (- x ) = f 0,1 ( x ) , und es gilt 0 < 0 ,1 ò f (x ) × dx = 2 × ò f (x ) × dx . 0 ,1 Weiterhin 0 ,1 xÎR f 0,1 eine gerade Funktion ist, gilt xÎR ergibt sich unmittelbar wegen x >0 ì x2 ü ì x2 ü expí- ý £ x × expí- ý für alle Werte x ³ 1 î 2þ î 2þ 0< ò f 0,1 ( x ) × dx = 2 × xÎR f 0,1 ( x ) × dx £ 2 × x >0 1 = 2× ò ò f (x ) × dx + 0 ,1 x =0 1 f 0,1 ( x ) × dx + ò x =0 ì x2 ü x × exp í- ý × dx = ò 2 × p x >1 î 2þ 2 × ì 1ü × expí- ý < ¥ . 2 ×p î 2þ 2 Der konkrete Nachweis ò f (x ) × dx = 1 ist technisch aufwendiger und wird an dieser Stelle 0 ,1 xÎR nicht geführt. Aufgrund dieser Eigenschaften der Funktion f 0,1 ist die Integralfunktion x (E-2) F0,1 (x ) := ò f 9,1 (w) × dw = w = -¥ eine Verteilungsfunktion. ì w2 ü exp ò íî- 2 ýþ × dw , x Î R , 2 ×p w=-¥ x 1 × Diese Verteilungsfunktion Standardnormalverteilungsfunktion bezeichnet, die Funktion Dichtefunktion mit F0,1 wird als f 0,1 ist ihre zugehörige d F0,1 ( x ) = f 0,1 ( x ) . dx Mit W0,1 bezeichnen wir im folgenden eine standardnormalverteilte Zufallsvariable, i. e., W0,1 ist eine Zufallsvariable, deren Verteilungsfunktion F0,1 ist. Für den Erwartungswert EW0,1 und die Varianz V (W0,1 ) von W0,1 gilt (E-3) EW0,1 = 0 , (E-4) V (W0,1 ) = 1 . BEWEIS. Offenbar ist EW0,1 = ò w × f (w) × dw = 0 , 0 ,1 wÎR da w a w × f 0,1 (w) eine ungerade Funktion ist. Hieraus ergibt sich ferner durch partielle Integration V (W0,1 ) = E(W0,1 - EW0,1 ) = EW02,1 = 2 òw wÎR 2 × f 0,1 (w) × dw = ò f (w) × dw = 1 . 0 ,1 wÎR 3 Normalverteilte Zufallsvariablen BEMERKUNG. Da f 0,1 eine gerade stetige Funktion ist, gilt die Symmetriebeziehung P[W0,1 £ x ] = P[W0,1 ³ - x ]. Hieraus ergibt sich sofort, daß mit W0,1 auch - W0,1 wegen P[- W0,1 £ x ] = P[W0,1 ³ - x ] eine standardnormalverteilte Zufallsvariable ist. Normalverteilte Zufallsvariablen DEFINITION. Eine Zufallsvariable Wm ,s 2 heißt normalverteilt mit den Parametern m ,s Î R , wenn es eine Darstellung (D-1) Wm ,s 2 = s × W0,1 + m gibt, wobei W0,1 eine standardnormalverteilte Zufallsvariable ist. BEMERKUNG. Da mit W0,1 auch - W0,1 eine standardnormalverteilte Zufallsvariable ist, kann der Parameter s ohne Beschränkung der Allgemeinheit als nicht negativ angenommen werden. Gemeinhin wird der Fall s = 0 einer zur Konstanten entarteten normalverteilten Zufallsvariable ausgeschlossen. LEMMA 2. Eine Zufallsvariable X ist genau dann normalverteilt mit den Parametern m Î R ,s Î R + , wenn ihre Verteilungsfunktion FX = Fm ,s 2 mit Fm ,s 2 (x ) = ì ( w - m )2 ü exp ò í- 2 ×s 2 ý × dw 2 ×p ×s w= -¥ î þ 1 x × ist. BEWEIS. Durch die Substitution v = w -m ergibt sich für alle Werte z Î R die Gleichung s z -m Fm ,s 2 (z ) = s ì (w - m )2 ü ì v2 ü 1 æ z -m × = × × ò expíexp dw í- ý × dv =F0,1 ç 2 ý ò 2 ×p ×s w= -¥ 2 ×p w= -¥ è s î 2×þ î 2 ×s þ 1 z ö ÷. ø Diese Gleichung ist aber gerade die Beziehung (E-1), so daß die Aussage von Lemma 2 eine unmittelbare Konsequenz aus Lemma 1 ist. BEMERKUNG. Die Verteilung einer normalverteilten Zufallsvariablen Wm ,s 2 ist durch die Parameter m und s 2 eindeutig bestimmt, wie bereits aus der Definition (D-1) zu erkennen ist. Die Interpretation dieser beiden Parameter als Erwartungswert EWm ,s 2 und Varianz ( V Wm s, 2 ) wird im nachstehenden Korollar nachgewiesen. In der wahrscheinlichkeitstheoretischen Literatur wird jedoch meist Lemma 2 zur Definition einer normalverteilten Zufallsvariable verwendet. KOROLLAR. Es gelten die Beziehungen 4 Normalverteilte Zufallsvariablen (E-5) EWm ,s 2 = m , ( ) (E-6) V Wm ,s 2 = s 2 . ( ) BEWEIS. (E-5) folgt unmittelbar aus (E-3). Aus (E-5) folgt dann V Wm ,s 2 = s 2 × EW02,1 , und (E-6) folgt aus (E-4).