Der Mensch – Geschöpf und Gebieter Der Mensch ist Geschöpf und Gebieter zugleich. Als Geschöpf gehört er mit den Tieren zusammen, als Gebieter steht er ihnen gegenüber. Die Schöpfungsgeschichte bringt die Zusammengehörigkeit zwischen Tier und Mensch dadurch zum Ausdruck, dass beide am selben Tag geschaffen werden, die Naturwissenschaft sieht diese Zusammengehörigkeit dadurch gegeben, dass zwischen der Genstruktur der höchstentwickelten Tiere und der der Menschen nur sehr geringe Unterschiede bestehen. Zum Gebieter über die Tiere wird der Mensch nicht durch eine Veränderung seiner Gene, sondern dadurch, dass Gott ihn aus dem Tierreich herausruft und ihn zu seinem Ebenbild macht. Verlief die Entwicklung bisher auf der Genbahn, so wird sie von nun an auf spirituellem Wie kann er seiner Verantwortung gerecht werden? Nachdenken dessen, was Gott in den Werken seiner Schöpfung vorgedacht hat. Dabei sind die Vorgedanken Gottes immer größer als die Nachgedanken der Menschen. So ist zum Beispiel das statische Wissen, das in einem Grashalm steckt, unendlich viel größer als das statische Wissen eines Architekten, der einen Fernsehturm baut. Keinem Architekten wird es gelingen, einen Turm zu konstruieren, der sich wie der Grashalm bei starkem Wind zu Boden neigt und danach wieder aufrichtet. Und kein Konstrukteur wird ein Flugzeug bauen können, das so wendig wie eine Möwe fliegt und sich jedem Wind anpasst. Schmelzen die Gletscher und Eisberge auf Grönland bald ganz ab? Weg weitergeführt. Zwischen den Genbeständen des Urzeit- und denen des Gegenwartsmenschen gibt es keine Unterschiede, aber in ihrem Verhalten und Wissen sind diese Unterschiede riesengroß. Diese Doppelstellung des Menschen lädt dazu ein, darüber nachzudenken, was es bedeutet, dass der Mensch Geschöpf unter Geschöpfen und Gebieter über die Geschöpfe ist. Der Mensch ist nicht das einzige geisterfüllte Wesen in einer geistlosen Welt, sondern er ist Teil einer Welt, in der der Geist Gottes überall gegenwärtig und wirksam ist. Dieser in der Schöpfung wirkende göttliche Geist geht dem Geist des Menschen voraus und bringt durch Inspiration die Intelligenz des Menschen hervor. Alles, was Menschen denken und erfinden, ist nur ein 8 Foto: Lassiwe Der Mensch darf niemals vergessen, dass er in das Wurzelwerk der Schöpfung eingebunden ist. Nur dadurch kann er davor bewahrt werden, die „Ehrfurcht vor dem Leben“ zu verlieren und teilnahmslos am Ergehen der Tiere vorbeizuleben. Weitergeben der Güte Gottes Dem Menschen ist zwar aufgetragen, dass er über die Tiere herrschen soll, das bedeutet aber nicht, dass er die Tiere zu seinem eigenen Nutzen ausbeuten darf, sondern das heißt, dass er sie pflegen und bewahren soll. Die Pflege der Tiere geschieht dadurch, dass der Mensch die Ängste und körperlichen Beschwerden der Tiere wahrnimmt und diese – so weit das möglich ist – lindert. Der Apostel Paulus sagt: „Das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbart werden“ (Römer 8, 19). Was soll das heißen? Das bedeutet: Das Warten der Tiere ist darauf gerichtet, dass in den Gesichtern der Menschen die Güte Gottes aufleuchtet und dass die Menschen die Güte, die sie selbst von Gott empfangen haben, an ihre Mitgeschöpfe weitergeben. Damit sind wir freilich vor eine Aufgabe gestellt, die wir nicht aus eigener Kraft, sondern nur mit Hilfe des heiligen Geistes erfüllen können. Als Ebenbild Gottes sind wir berufen, „offen zu sein für den Geist Gottes und stellvertretend für Gott in dieser Welt zu wirken“ (Jörg Zink). Unser Bemühen muss darauf gerichtet sein, als Stellvertreter Gottes so in der Welt zu stehn, dass wir Gott möglichst glaubhaft repräsentieren und in seinem Auftrag für ihn zu handeln. Wir sollen Christus ähnlich werden, so dass er am Ende der Erste unter vielen Brüdern und Schwestern ist. Um aber Gott in dieser Welt glaubhaft zu verkörpern, müssen wir uns dem Geist Gottes öffnen und Gottes Wahrheit und seine Herrlichkeit in unsere verschlossene Menschenwelt hereinkommen lassen, um dadurch in die Lage versetzt zu werden, auf das Leid unserer Mitmenschen und „das ängstliche Harren der Kreatur“ sensibel reagieren zu können. Als Menschen, die sich die Erde untertan machen und über sie herrschen sollen, werden wir dadurch fähig zum Staunen und dankbar zu sehen, was um uns ist. Unseren Auftrag, über die Tiere zu gebieten, nehmen wir nicht dadurch wahr, dass wir uns über sie erheben, sondern dadurch, dass wir uns ihnen zuwenden. Die Tatsache, dass wir unsere Geschöpflichkeit vergessen und uns zu Herrn der Schöpfung aufgespielt haben, hat zu verheerenden Folgen geführt. Durch die rücksichtslose Abholzung der Wälder haben wir den Luft- und Wasserhaushalt der Erde empfindlich gestört und ganze Tierarten zum Aussterben gebracht. Durch die Überfischung der Meere sind die Fischbestände schon so stark reduziert worden, dass Fangverbote für bestimmte Fischarten verhängt werden mussten. Bekannt sind die Streitigkeiten, die um das Fangver- bot für Wale geführt werden. Das Ringen um den Erhalt der Fischbestände verdient deshalb unsere Aufmerksamkeit und Unterstützung, weil Fische zu den wichtigsten Nahrungsmitteln der Menschen gehören. Es ist gar nicht auszudenken, welche Schäden für die Menschen entständen, wenn die Fische als wichtige Eiweißträger für die Ernährung ausfallen würden. Erschöpfung der Energie Als drohendes Menetekel steht die Erschöpfung der Erdöl- und Erdgasvorräte an der Wand. Darauf hat schon vor Jahren der „Club of Rome“ aufmerksam gemacht. Was in Jahrmillionen entstanden ist, wird in wenigen Jahrzehnten verbrannt. Der rasche Abbau des Erdöls ist deshalb so schädlich, weil dieses Öl nicht nur ein Energieträger, sondern auch ein wertvoller Rohstoff ist, der zur Herstellung von Kunststoffen in der chemischen Industrie dringend gebraucht wird. Die Verbrennung von Erdöl und Erdgas ist ein wesentlicher Faktor, der zur Erwärmung der Atmosphäre beiträgt. Schon vor Jahren haben Meteorologen vor dieser Erwärmung gewarnt und darauf hingewiesen, dass diese zu einer Klimakatastrophe führen könne. Im Anfang sind diese Warnrufe der Meteorologen nicht beachtet oder sogar als unbegründete Kassandrarufe abgetan worden. Inzwischen aber hat sich die Lage geändert. Das nicht mehr zu übersehende Abschmelzen der Gletscher in den Hochgebirgen und in den Polargebieten und die zunehmenden Unwetter haben die Menschheit aufhorchen lassen. Nun wird auf Klimakonferenzen beraten und beschlossen, wie man den Ausstoß der Treibhausgase in die Luft, der durch Haushalte, Autos und Flugzeuge erzeugt wird, verringern kann. Durch Wärmedämmung in den Häusern und durch die Konstruktion benzinsparender Motoren soll Abhilfe geschaffen werden. Diese Fehlentwicklung hätte verhindert werden können, wenn sich der Mensch immer bewusst geblieben wäre, dass er als Gebieter in der Schöpfung nicht zum Ausbeuter der Schöpfung werden darf. Die Macht, die ihm Gott über die Schöpfung gegeben hat, ist keine unbegrenzte Macht. Wenn er die ihm von Gott gesetzte Machtgrenze überschreitet, zerstört er sich selbst. Walter Saft Evangelisches Sonntagsblatt aus Bayern · Nr. 37 vom 16. 9. 2007