Zingiber officinale (Ingwer) Traditionelle Arzneiheilkunde Erich Schmitt Beschreibung Deutsche Bezeichnung: Ingwer Fachbezeichnung: Zingiber officinale (Zingiber) Einzel-Arzneimittel mit Pharmazentralnummer: A) Rezeptursubstanz (CAELO): • Tinct. Zingiberis 100/250 ml • Rhiz. Zingiberis con. 100/250 g • Rhiz. Zingiberis tot. 100/250 g • Rhiz. Zingiberis pulv. gross. 100 g • Rhiz. Zingiberis pulv. sbt. 100 g • Oleum Zingiberis 5/25 ml B) Homöopathika (DHU): • Zingiber Urt. (= D1) 20 ml • Zingiber D2 50 ml • Zingiber D4 20 ml • Zingiber D3 Globuli 10 g • Zingiber D30 Tabletten 80 Tabletten Die Firma Staufen Pharma listet in ihrem Spagyrik-Programm Zingiber officinale als Urtinktur (Dilutionen ab D3). Durchschnittsdosierung der Ursubstanzen: • Wurzel und Pulver: bis 0,5 Gramm pro Dosis • Tinktur / Urtinktur: 10 bis 30 Tropfen (2- bis 3-mal täglich) Beschreibung: Die Ingwerpflanze wird bis zu 25 Zentimeter hoch und entwickelt einen kräftigen Wurzelstock (Rhizom). Als „Gemüse“ bzw. als Gewürz oder als Arzneimittel wird der exotisch anmutende Wurzelstock verwendet. (Heutzutage kann man diese knolligen Wurzelstücke in vielen Lebensmittelläden Naturheilpraxis 9/2011 oder auf den Obst- und Gemüsemärkten preisgünstig erwerben.) Ihr Geruch aromatisch, der Geschmack scharf würzig. Es geht schon in Richtung „brennend scharf“. Die alkoholische Tinktur ist klar, ohne nennenswerte Färbung; der Geruch ist leicht aromatisch und der Geschmack ist betont gewürzhaft scharf. Inhaltsstoffe (Rhiz. Zingiberis): • ätherisches Öl (1,5 – 3 %) (bis zu 150 Komponenten) • scharfes „Harz“ und bittere „Extraktivstoffe“ (Gingerole, Shogaole usw.) • organische Säuren • Stärke und Zucker Arzneigruppe: • Stimulans / Excitans • Stomachicum / Carminativum • Emmenagogum • Geschmackskorrigens • „Umstimmungsmittel“ Indikation Innere Anwendung bei: •Verdauungsschwäche („kalter Magen“) • Dyspepsie / Blähungen • Appetitmangel • Verschleimungen • „gedämpftem“ Stoffwechsel • Rheuma / Gicht (z.B. von Verdauungsstörung herrührend) • Erkältungen aller Art • Atembeschwerden (Verschleimung) • „kaltem“ Unterleibsleiden • Sterilität (bei torpider Lage) • sogenannten Unpässlichkeiten (Übelkeit, Schwindel, Reisekrankheit, Kreislaufschwäche usw.) Kontraindikation: • Vorsicht bei überempfindlichem Magen und bei Hämorrhoidalbeschwerden. Aber auch bei Gallensteinen ist Vorsicht geboten. • Nicht bei Schwangerschaftserbrechen einsetzen. (Ist ein altes Hausrezept in Indien.) Eine zu lange bzw. eine zu intensive Einnahme kann eine Verdauungsstörung verursachen. Anwendung als Externum (Verdünnung) • als Gurgelmittel (bei Zahnschmerzen oder chronischer Halsentzündung) • für die Wundheilung Wirkungsweise Die Ingwerwurzel wird heutzutage aus den verschiedensten tropischen Ländern als Massenware (kultivierte Anbauflächen) zu uns geliefert. Früher unterschied man drei verschiedene Handelssorten: den westindischen, den bengalischen und den chinesischen Ingwer. Schon im alten Indien und im alten China hatte der Ingwer in Küche und Apotheke eine herausragende Rolle. Bei den asiatischen Kulturvölkern wurde der Ingwer seit uralten Zeiten als „Gemüse“ bzw. als scharfes Gewürz und als kräftiges Arzneimittel verwendet. Über die damaligen Handelswege (z. B. Seidenstraße) gelangte der Ingwer zur arabischen Medizin und ins antike Griechenland, später dann zu den Römern. Bereits im Mittelalter war der Ingwer auch bei uns in den Klöster- und Hofapotheken ein fester Bestandteil des Arzneimittelschatzes. So war für Hildegard von Bingen (12. Jahrhundert) der Ingwer Fachforum |1037 ein gebräuchliches und vertrautes Arzneimittel. Zingiberis officinalis gehört in die Gruppe der scharfen Mittel (Acria) – Aromatikum mit einer pfefferartigen Schärfe. Ingwer ist ein erregend-belebendes Arzneimittel. Das Haupteinsatzgebiet ist die so genannte irritable und atonische Schwäche. Bei allgemeinen Vitalitätsschwächen mit „kraftlosen Verdauungsorganen“ (Dyspepsie, Völlegefühl, Blähungen, Sodbrennen usw.) ist der Ingwer ein Mittel der engeren Wahl. Er belebt und erwärmt den gesamten Verdauungstrakt; er hat eine erregende Schleimhautwirkung und er wirkt auch „auflösend“ bei Stauungen und Verschleimungen. Diese positiven Wirkungen zeigen sich nicht nur am Verdauungstrakt, sondern auch an den Atmungsorganen und am Urogenitalsystem. In der Volksheilkunde hat der Ingwer einen guten Ruf als Magenmittel und als Bronchialmittel. Zum Beispiel bei Erkältung, Magen-Darmbeschwerden und bei Verschleimungen. Auch bei einem reduzierten Wärmehaushalt, zum Beispiel bei „Unterleibsverkühlung“ oder „Bauchverkühlung“, kommt der Ingwer als Hausmittel viel zum Einsatz. Pfarrer Kneipp lobte den Ingwer bei Sodbrennen, wenn der Magen schwach und torpide ist. Hierbei ließ er den Ingwer, zusammen mit einem Bittermittel, vor dem Essen einnehmen, damit der Magen schon am Anfang der Speiseaufnahme „erweckt“ ist und die Verdauungsorgane kräftiger arbeiten. So mancher chronische Husten hat seine Ursache in Magen-Darmstörungen. Bei dem sogenannten „Magenhusten“ kann der Ingwer ein mögliches Heilmittel sein. Auch bei „schleimigem Asthma“ hat man mit Ingwergaben gute Chancen auf Linderung. Nicht nur in Asien wird der Ingwer bei den einfachen „Unpässlichkeiten“ wie Übelkeit, Brechreiz, Benommenheit, Schwindelgefühl usw. als „Universalmittel“ bzw. Umstimmungsmittel vielfältigst verwendet. Die Problematik der sogenannten Hypochondrie (besonders wenn sie beim „kalten K-Typ“ vorhanden ist) kann mit einer Ingwerarznei positiv beeinflusst werden. (Der ängstliche Hypochonder braucht etwas, was sofort hilft, bzw. sofort „umstimmt“. Auch beim chronischen Rheuma (atonisch rheumatisch arthritischem Leiden) kann man an Ingwer denken. Selbst bei asthenischen Lähmungen kann man mit Ingwer 1038| Fachforum zuweilen Positives bewegen. (Hier sind auch erregende Einreibungen wichtig.) In der asiatischen Medizin wird der Ingwer häufig in der Frauenheilkunde eingesetzt, zum Beispiel, um den Unterleib anzuregen, bzw. ihn zu beleben. Nicht nur das einfache Volk verwendet den Ingwer in Asien auch bei Schwangerschaftserbrechen. (Die „Kommission E“ warnt allerdings ausdrücklich davor – vermutlich wegen Abortgefahr.) Vor etwa 50 Jahren veröffentlichte Prof. F. Hübotter ein Büchlein über die chinesischtibetische Pharmakologie. Bei Zingiber officinale kann man Folgendes lesen: „Ingwer unterstützt die Gestaltung der Hitze, regt den Appetit an, zerdrückt Gase und Schleim. Roher Ingwer hilft gegen Schwangerschaftserbrechen und wird als Magenstärkungsmittel gebraucht. Getrockneter Ingwer wirkt gegen Schwellungen des Bauches. Gerösteter Ingwer wärmt den Magen und vertreibt die Kälte. Auch bei Erbrechen, Herzschwäche und Husten angewandt“. Zurzeit ist der Ingwer in den verschiedensten Zubereitungen und Aufmachungen in Mode. Einige Beispiele: • Ingwer-Pulver • Ingwer-Fruchtsaft • Ingwer-Pflanzentrunk • Ingwer-Kapseln • Ingwer-Erkältungstee • Ingwer-Bonbons • Ingwer-Lebkuchen • Ingwer-Likör • Ingwer-Bier • Ingwer-Chips • Ingwerstäbchen – kandiert • Ingwer-Hautöl • Ingwer-Massageöl • Ingwer-Bodylotion • Ingwer-Duschbalsam usw. Bemerkungen Zu bestimmten Zeiten war in ganz Europa der Pfeffer das beliebteste Gewürz, um Geschmack und „Schärfe“ an die Speisen zu bekommen, so zum Beispiel bei einem groben Fleischgericht. Als man dann in Frankreich eine hohe Steuer auf Pfeffer erhob, verwendete die breite Bevölkerung den Ingwer als Pfefferersatz. Das IngwerPulver ist häufig in alten „NiespulverRezepten“ enthalten. (Ingwer macht Brennen auf Schleimhaut und Haut.) Als es noch keine Schmerzmittel gab, hat man sich bei Zahnschmerzen mit dem Kauen von Gewürznelken oder Ingwerscheiben behelfen müssen. In der alten Literatur kann man geschrieben finden, dass der Ingwer erwärmt, ohne zu erhitzen. Dies „ohne zu erhitzen“ gilt mehr für den frischen Ingwer und ist auch immer abhängig von der individuellen Verfassung (und Empfindlichkeit) des Patienten, aber auch von der galenischen Aufbereitung des Arzneimittels, bzw. von der Kochkunst. Die asiatische Küche gibt bei hitzigen Speisen und Gewürzen gerne Tamarinden-Mus zum „Temperieren“ (Kühlen) dazu. Nicht nur schwer verdauliche Nahrungsmittel, sondern auch so manche pflanzlichen Arzneimittel, werden von Patienten, die unter torpiden Verdauungsorganen leiden, oft schlecht „verdaut“ bzw. vertragen. Mit Beigaben von Ingwer oder Zitwerwurz kann man dieses Problem vermindern. In Asien ist der Ingwer eines der meist verwendeten Gewürze. Auch in den verschiedenen Currymischungen ist fast immer Ingwer enthalten. Der kandierte Ingwer (zuckerhaltige Würfel oder Stäbchen) hat, je nach Hersteller, unterschiedliche Ingwerkonzentrationen. Dies ist ein „süß-scharfes Genussmittel“, welches man bei Verschleimung und Antriebsmangel gerne verzehrt. (Die schärfsten Ingwerstäbchen gibt es im Naturkostladen.) In der traditionellen abendländischen Medizin hat man den Ingwer oft und gerne mit Rhabarber in einer Mischung verordnet – meist zu gleichen Teilen. Rezepturbeispiele Rezepturbeispiel I: Zingiber Urtinktur DHU DS: 3- bis 4-mal täglich 10 Tropfen 20,0 Rezepturbeispiel II: Tinct. Zingiberis 10,0 Tinct. amara DAB 10,0 Spiritus dil. 45 % ad 50,0 MDS: Magentropfen vor dem Essen 20 Tropfen Rezepturbeispiel III: Zingiberis D2 DHU Gastritol® Klein Spiritus dil. 45 % MDS: Magen-Darmtropfen vor dem Essen 30 Tropfen 20,0 50,0 ad 100,0 Naturheilpraxis 9/2011 Rezepturbeispiel IV: Zingiber D2 DHU Bursa pastoris Syn.110 Kattwiga Spiritus dil. 45 % MDS: Herz- und Gefäßtropfen 3-mal täglich 30 Tropfen 20,0 20,0 ad 50,0 Anschrift des Verfassers Erich Schmitt Heilpraktiker Hastverstraße 34 90408 Nürnberg Rezepturbeispiel V: Tinct. Valerianae 20,0 Tinct. Calami 5,0 2,0 Tinct. Zingiberis Spiritus dil. 45 % ad 100,0 MDS: Kreislauftropfen / auch bei Föhn ½ Stunde nach dem Essen 20 Tropfen Rezepturbeispiel VI: Zingiber D2 DHU 20,0 Pimpinella alb Urtinktur DHU 20,0 Spiritus Dil. 45 % ad 50,0 MDS: Stoffwechseltropfen 3- bis 5-mal täglich 15 bis 30 Tropfen Rezepturbeispiel VII: Rhiz. Zingiberis Pulv. sbt. Rhiz. Rhei Pulv. Natrium bicarbonicum Saccharum Lactis M.f.pulv. DS: Magenpulver nach dem Essen ¼ Teelöffel mit Wasser 10 g 10 g 20 g 50 g Anmerkung Die „Wellnesswelt“ ist in der Zwischenzeit ein fester Bestandteil unserer Patienten geworden. In den verschiedensten Läden und Versandshops gibt es auch Wellnesstees mit Ingwer, Zimt und vielem mehr. Bei der durchaus lobenswerten Technologie von „eingeschweißten Teebeuteln“ ist heutzutage vieles machbar. Allerdings ist solch ein „hitziger“ Wellnesstee (mit Ingwer, Zimt usw.) nicht für jeden Patienten geeignet. Bei hitzigen und vollblütigen Naturen oder bei Patienten mit hypersthenischen Magenverhältnissen oder „hitzigen“ Organstörungen ist Ingwer als täglicher „Haustee“ einfach ungeeignet – manchmal sogar kontraindiziert. Kompetente Aufklärung und Beratung von Seiten des Heilpraktikers ist dann bedeutsam. Diese Beratung über Wellnessprodukte wird sehr oft bewusst verlangt. Ein Beratungsgespräch fördert auch das gegenseitige Vertrauen zwischen Patient und Behandler. Naturheilpraxis 9/2011 Fachforum |1039