PIQUE DAME (Pikovaja Dama) Piotr Iljitsch Tschaikowsky Uraufführung: St. Petersburg 1890; Libretto: Modest Tschaikowsky Hermann – Tenor; Graf Tomski – Bariton; Fürst Jeletzki – Bariton; Tschekalinski – Tenor; Surin – Bass; Tschaplitzki – Tenor; Narumov – Bass; Gräfin – Mezzosopran; Lisa, ihre Enkelin – Sopran; Polina, deren Freundin – Alt; Gouvernante – Alt; Mascha, Dienerin – Sopran; Festordner – Tenor. St. Petersburg, Ende des 18. Jahrhunderts. 1. Akt: Auf einem sommerlichen Spaziergang im Park erzählt der Offizier Hermann seinem Freund Tomski, dass er sich in eine schöne Unbekannte verliebt habe. Er glaubt jedoch, wegen seiner Armut nicht um sie werben zu können. Fürst Jeletzki kommt hinzu und berichtet freudig von seiner Verlobung mit Lisa, die kurz darauf mit ihrer Grossmutter, einer alten Gräfin, den Park betritt. Entsetzt erkennt Hermann in ihr seine schöne Unbekannte. Mit Hermann allein geblieben, erzählt Tomski ihm tolle Geschichten über das etwas eigenartige Vorleben der alten Gräfin, die nach wilden Liebesnächten am Hof der Pompadour von einem ihrer Liebhaber das Geheimnis dreier immer trumpfender Spielkarten erhalten habe, worauf ihr ganzer Reichtum beruhe. Seither heisse die Gräfin deshalb nur „Pique Dame“. Niemandem ausser ihrem Mann habe sie das Geheimnis verraten, da man ihr einst prophezeit habe, dass der dritte Eingeweihte sie umbringen werde. Hermann will Lisa um jeden Preis erringen und nimmt sich vor, das Geheimnis der drei Karten zu erfahren. Die melancholisch gestimmte Lisa schickt ihre fröhlichen Freundinnen aus dem Haus, weil sie sich trotz der Verlobung mit Jeletzki in Hermann verliebt hat. Plötzlich steht dieser vor ihr und gesteht ihr seine Liebe. Er droht sich umzubringen, wenn sie ihn nicht erhöre. Nach einer Weile kann ihm Lisa nicht länger widerstehen und gibt sich ihm hin. 2. Akt: Bei einem Maskenfest in einem grossen Palais wird Hermann von seinen Kameraden wegen seines veränderten Wesens verspottet. Sein ganzes Sinnen gilt nur noch den drei Glückskarten. Aber auch Jeletzki ist über Lisas Verhalten beunruhigt. Ein Schäferspiel gibt Lisa Gelegenheit, Hermann einen Schlüssel zu ihrem Zimmer zuzustecken. Nachts hat sich Hermann auf dem Weg zu Lisa in das Zimmer der alten Gräfin geschlichen, wo er aus einem Versteck mit anhört, wie die „Pique Dame“ ihrer früheren Zeiten am französischen Hof gedenkt. Hermann tritt vor sie hin und beschwört sie, ihm das Geheimnis der drei Karten zu verraten. Die Gräfin jedoch ist zutiefst erschrocken und ruft um Hilfe. Als sie von dem in Panik geratenen Hermann mit einer Pistole bedroht wird, erleidet sie einen Herzschlag. Lisa eilt ins Zimmer und hält Hermann zunächst für den Mörder ihrer Grossmutter. Als sie jedoch seine Erklärungen hört, wendet sie sich enttäuscht von ihm ab, weil sie annehmen muss, Geld bedeute ihm mehr als ihre Liebe. 3. Akt: In seinem Quartier in der Kaserne erhält Hermann einen Brief von Lisa, in dem sie sich wieder zu ihm bekennt. Um Mitternacht erwarte sie ihn am Kai der Newa. Wenn er jedoch bis dahin nicht gekommen sei, müsse sie annehmen, dass er sie nicht liebe. Der verstörte Hermann vergegenwärtigt sich die Begräbnisfeier der alten Gräfin. Es scheint ihm, sie hätte ihn noch bei der Aufbahrung höhnisch angesehen. Plötzlich hat er eine Vision: Die Alte scheint vor ihm zu stehen und nennt ihm drei Karten: Die Drei, die Sieben und das As. In höchster Erregung eilt er davon. Am Newa-Kai wartet Lisa auf Hermann. Endlich erscheint er. Sie ist bereit, mit ihm zu gehen, er aber kennt nur ein Ziel – den Spieltisch – und findet kaum ein liebes Wort für sie. In höchster Verwirrung lässt er Lisa stehen, worauf sie sich verzweifelt in den Fluss stürzt. Hermann betritt den Spielsaal und gewinnt mit den drei Karten der Gräfin so grosse Summen, dass niemand mehr gegen ihn zu spielen wagt. Nur der Fürst Jeletzki tritt noch gegen ihn an. Seinen ganzen Gewinn setzt Hermann auf das As, doch als die Karte aufgedeckt wird, hält er die Pique Dame in seinen Händen. In seinem Wahn glaubt er das höhnisch grinsende Antlitz der Gräfin zu sehen und erschiesst sich vor den Augen der entsetzten Kameraden. Über das Werk: Der Vorschlag für Tschaikowskys Oper „Pique Dame“ stammte vom Intendanten des Kaiserlichen Theaters in St. Petersburg. In Puschkins gleichnamiger Novelle aus dem Jahr 1834, der ersten psychologisch motivierten Erzählung der russischen Literatur, fand der Komponist erneut ein Thema, das er mit starker persönlicher Identifikation verbinden und mit tiefempfundener Musik skizzieren konnte. Das Libretto von Tschaikowskys Bruder Modest passt die Handlung geschickt den Erfordernissen der Opernbühne an. Im Gegensatz zur Erzählung Puschkins, wo man Hermann ins Irrenhaus bringt und Lisa eine Ehe der Vernunft schliesst, entschieden sich Modest und Piotr Tschaikowsky für den tragischen Tod beider Protagonisten. Auch die Einführung der Figur des Fürsten, sowie die Dämonie der alten Gräfin geht auf die Ideen des Librettisten zurück. Die Komposition entstand im Jahr 1890 in Florenz und wurde in weniger als sechs Wochen abgeschlossen. Wirkung: Die Uraufführung am 19. (31.) Dezember 1890 im Kaiserlichen Theater von St. Petersburg endete mit einem überwältigenden Triumph für den Komponisten. Nach weiteren Aufführungen in Kiew, Odessa und Moskau kam das Werk 1900 in Darmstadt heraus, wo es, wie 1910 in den USA, von Gustav Mahler geleitet wurde. Nach „Eugen Onegin“ ist „Pique Dame“ Tschaikowskys populärste und am häufigsten inszenierte Oper im internationalen Repertoire geworden. Auszug aus „Harenberg Opernführer“ ACS - REISEN AG, Bern