Nicht-heimische Tierseuchen beim Rind: Was könnte auf uns zukommen? Franz J. Conraths Friedrich-Loeffler-Institut Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit Greifswald-Insel Riems 038351-71522 [email protected] Risiken der Globalisierung • Handel – Tiere – Produkte tierischer Herkunft • Personenverkehr – Einfuhr potenziell kontaminierter Lebensmittel – Schuhwerk, Kleidung, … • Unbelebte Vektoren – Fahrzeuge – Gegenstände, die mit Tieren oder Produkte von Tieren in Kontakt kommen • Belebte Vektoren – Arthropoden – Vögel – … Eintragsquelle nicht identifiziert • BTV-8, Schmallenberg-Virus, BTV-6 • Illegale Einfuhr – Tiere, Sperma, Embryonen, Lebend-Impfstoffe, Sera • Einschleppung von infizierten Vektoren – Internationale Flughäfen, Häfen – Verdriftung mit dem Wind Schiffsverkehr und Straßennetz Quelle: Shipping lanes map created from data downloaded at www.aoml.noaa.gov/phod/trinanes/BBXX , Map created from Environmental Systems Research Institute’s (ESRI) Digital Chart of the World (DCW) global vectors, created in 1992 Globale Erwärmung: Projektion • Steigerung der Temperaturen im Mittel um ca. 2-5°C • Deutliche regionale Unterschiede • Größte Steigerungen: – Arktis – Südamerika Klimawandel und Tierseuchen • Ein Einfluss des Klimawandels auf die Verbreitung von Infektionskrankheiten ist wahrscheinlich. – Insbesondere werden Auswirkungen auf Krankheiten befürchtet, die von belebten Vektoren (vor allem Arthropoden) übertragen werden. • Genaue Prognosen sind schwierig, auch in wissenschaftlichen Publikationen getroffene Aussagen häufig spekulativ. – Verfügbare und projizierte Daten (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Niederschläge) reichen nicht aus, um verlässliche prädiktive Modelle für Infektionskrankheiten zu erstellen. – Es gibt nur wenige Meta-Analysen zu den möglichen Auswirkungen von Klimaveränderungen auf die Epidemiologie von Tierseuchen. – Der Einfluss des Klimawandels auf die Epidemiologie von Tierseuchen ist weitgehend unbewiesen. Der Klimawandel stellt, wenn überhaupt, nur einen Einflussfaktor in der komplexen Wechselwirkung zwischen Erreger, Wirt und Umwelt dar (Heffernan & Salmon 2012). • Erhöhte Temperaturen können einen irreversiblen „Trigger“-Effekt auf die Ausbreitung von Tierseuchen haben. – Beispiel: Verbreitung der Blauzungenkrankheit durch einheimische Vektoren nach initialer Einschleppung und Vermehrung Bakteriell bedingte Infektionen – Ehrlichia (Cowdria) ruminantium • Herzwasserkrankheit • Vorkommen: Afrika südlich der Sahara, Karibik, Balkan • hohes Fieber, gastrointestinale und zentralnervöse Störungen; Flüssigkeitsansammlungen in den Körperhöhlen – kleine Wiederkäuer: vermehrt Herzbeutelflüssigkeit – Rind: vermehrt Cerebrospinalflüssigkeit • Befall der Gefäßendothelien • Übertragung: Schildzecken (Amblyomma spp.) • Therapie: Tetrazykline, Sulfonamide; Prognose in fortgeschrittenen Fällen schlecht Parasitosen – Tropische Babesiosen • B. bovis (hoch virulent, vor allem für europäische Rassen) • B. bigemina (Texasfieber) • Verbreitung bei Einschleppung nach Deutschland unwahrscheinlich, da Vektoren (einwirtige Zecken: Rhipicephalus spp., R. bursa, R. evertsi) in Mitteleuropa nicht vorkommen – Tropische Theileriosen • Theileria parva, T. mutans, T. annulata • Verbreitung bei Einschleppung nach Deutschland unwahrscheinlich, da Vektoren in Mitteleuropa nicht vorkommen – Trypanosomose (Nagana) • Trypanosoma vivax, T. congolense, T. brucei brucei – Übertragung durch Glossinen, die in Mitteleuropa nicht vorkommen. – Besnoitiose • Besnoitia besnoiti Besnoitiose - Vorkommen Endemisch: •Südlichen Europa: •in Teilen Portugals und Spaniens, •Süden Frankreichs •Pyrenäen, •Massif Central, •Südliche französische Alpen •Afrika (Subsahara) •Asien •Südamerika Sporadisch: •Frankreich •in Westfrankreich bis hinauf an die Loire •zentral gelegenen Regionen Frankreichs •an der Grenze zu Belgien •Italien •Türkei •Israel •Deutschland. Aktuelle Fälle: MV, BB •Schweiz Freudiger, I. 2008. La besnoitiose bovine: Étude épidemiologique de l‘épizootie des Alpes-de-HauteProvence et des Hautes-Alpes. These, Universite Claude-Bernard – Lyon I Besnoitia besnoiti – Lebenszyklus Lebenszyklus nur teilweise bekannt ? ? Besnoitiose – eine neue Parasitose in Deutschland (2008) •Akute Infektion (Tachyzoiten, Parasitämie) •Fieber, Augen- und Nasenausfluss •Inappetenz, Lichtscheue •Schmerzhafte Ödeme •Unterbauch, distale Gliedmaßen, perianal und Vulvabereich •Orchitis (Infertilität) •Oft nur milde Symptome! Majzoub, LMU München Selten Tod (Mortalität < 10%) •Chronische Infektion (Zystozoiten enthaltende Gewebezysten; lebenslang) •Sklerodermie, Hyperkeratose und Alopezie •Abmagern •Dauerhafte Infertilität bei Bullen •Oft nur wenige oder keine Symptome! Cortes, Evora Univesität Portugal Besnoitiose – eine neue Parasitose in Deutschland (2008) Typische klinische Symtome! Cortes, Evora Univesität Portugal Gollnick, LMU München Gollnick, LMU München Klinisch erkrankte Tiere sind aber nur die „Spitze des Eisbergs“ Virusinfektionen • Bunyaviridae • Rift Valley Fever • Krim-Kongo-Fieber • Rhabdoviridae – Bovines Ephemeralfieber Rifttal-Fieber • Phlebovirus, Bunyaviridae • Vektoren: Culex, Aedes • oft inapparent in adulten Rindern, Schafen • Aborte, Tod bei jungen Tieren • Zoonose – Mensch • Grippe-artige Symptome • Enzephalitis, Retinitis • Tödliches hämorrhagisches Fieber • Bewässerungsprojekte – Brutstätten für Mücken – Neue Weidegründe für Rinder • Hohe Tierdichte • Verbringen infizierter Tiere Chevalier et al., 2004 Krim-Kongo-Fieber • Bunyaviridae, Nailovirus – Vorkommen: Ost-Europa, Balkan, Krim, Türkei; Mittlerer Ost bis West-China; Afrika – Breites Wirtsspektrum, Hase, Igel, Pferd, Esel, Rind, Schaf, Ziege, Schwein • Keine Erkrankung; Reservoir – Gefährliche Zoonose: Mensch: hämorrhagisches Fieber, Hepatitis • Letalität: 10-50% (teilweise bis über 70%) • Humane Infektionen auch nach Umgang mit infiziertem Vieh, Schlachtung: Kontakt mit Blut von subklinisch infizierten Tieren; Exposition gegenüber infizierten Zecken (Feldarbeit etc.) – Rind: i.d.R. nur Antikörpernachweise – Vektor: Zecken (Hyalomma spp.), auch transovariell; infizierte Zecken auf Zugvögeln gefunden Übertragung von CCHF Larven und Nymphen saugen an kleinen Säugetieren (z.B. Hasen) und Vögeln; Erwachsene bevorzugen große Tiere und den Menschen Rinder, Schafe Ixodes-Zecken, v.a. Hyalomma marginatum Schwalben Hasen Krim-Kongo-Fieber und H. marginatum Ergönül, 2006 Bovines Ephemeralfieber • Rhabdoviridae, Ephemerovirus – Vorkommen: Afrika, Asien, Australien, Nahost (Israel, Ägypten, Türkei) – Dreitagefieber • akutes Fieber, Steifheit, Lahmheit – Spontanheilung innerhalb von 3 Tagen – Hohe Morbidität möglich, aber geringe Letalität. • Milchleistungabfall, Handelssperren – Vektoren: vermutlich Gnitzen und Stechmücken Walker, 2008 BTV-4 in Südost-Europa • Seit Ende Mai 2014 • Griechenland, Bulgarien, Rumänien, Türkei, Mazedonien, Serbien • Ausdehnung in nördlicher Richtung • Reassortante aus aus Stämmen (BTV-4, BTV-1 und BTV-2), die in Nordafrika und dem westlichen Mittelmeerraum zirkulierten BTV-4 in Europa: EMPRES-i, 03/2015 Maul- und Klauenseuche • Picornavirus – A, Asia1, O, C, SAT1, 2, 3 – Hohe Verluste zu erwarten – 2014: Nordafrika • O/ME-SA/Ind-2001 MKS im Vereinigten Königreich 2001 2.030 Ausbrüche 6,5-(10) Mio. Tiere getötet Geschätzte Verluste ca. 6,6 Mrd. € Erstattung durch EU ca. 400 Mio. € Gesamtkosten: 10-12 Mrd. € Zusammenfassung • Wir müssen jederzeit mit dem Auftreten neuer und in Europa bisher nicht heimischer Vektorübertragener Infektionen rechnen . – Die Globalisierung ist die größte Gefahr für die Verbreitung von Tierseuchen. • Weltweiter Personen- und Warenverkehr • Regeln von Handel und Geschäft im Vordergrund • Mangelnde Transparenz bezüglich Tierseuchen – Die Veränderungen des Klimas verstärken die Gefahren., besonders bezüglich Vektor-übertragener Krankheiten. – Eintrittspforten in Europa müssen identifiziert und geschlossen werden. • Internationale Flughäfen, Häfen, … Danksagungen Dr. Lutz Geue Prof. Dr. Martin Groschup Dr. Detlef Höreth-Böntgen Dr. Jörn M. Gethmann Dr. Timo Homeier-Bachmann Dr. Gereon Schares Dr. Nicole Gollnick, LMU München … vielen Dank !