Etablierung der Stressambulanz des Gesundheits- und Vorsorgezentrums der KFA Konstantinos Papageorgiou Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin Von Stress zu Burn-Out zu Depression Burn-Out im ICD-10: Keine Hauptdiagnose! Z73 - Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung Z73.0 Z73.1 Z73.2 Z73.3 Z73.4 Z73.5 Z73.6 Ausgebranntsein [Burn out] Akzentuierung von Persönlichkeitszügen - Typ-A-Verhalten (Verhaltensmuster, das durch zügellosen Ehrgeiz, starkes Erfolgsstreben, Ungeduld, Konkurrenzdenken und Druckgefühl charakterisiert ist) Mangel an Entspannung oder Freizeit Stress, anderenorts nicht klassifiziert Unzulängliche soziale Fähigkeiten, anderenorts nicht klassifiziert Sozialer Rollenkonflikt, anderenorts nicht klassifiziert Einschränkung von Aktivitäten durch Behinderung Von Stress zu Burn-Out zu Depression F32 Depressive Episode • Obligate Symptome: gedrückte Stimmung und Verminderung von Antrieb und Aktivität. • Die Fähigkeit zu Freude, das Interesse und die Konzentration sind vermindert. • Ausgeprägte Müdigkeit kann nach jeder kleinsten Anstrengung auftreten. • Der Schlaf ist meist gestört, der Appetit vermindert. • Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sind fast immer beeinträchtigt. Sogar bei der leichten Form kommen Schuldgefühle oder Gedanken über eigene Wertlosigkeit vor. • Die gedrückte Stimmung verändert sich von Tag zu Tag wenig, reagiert nicht auf Lebensumstände und kann von so genannten "somatischen" Symptomen begleitet werden, wie Früherwachen, Morgentief, deutliche psychomotorische Hemmung, Agitiertheit, Appetitverlust, Gewichtsverlust und Libidoverlust. • Abhängig von Anzahl und Schwere der Symptome ist eine depressive Episode als leicht (F32.0), mittelgradig (F32.1) oder schwer (F32.2 und F32.3) zu bezeichnen. • Dauer: Mindestens 14 Tage! Von Stress zu Burn-Out zu Depression Bianchi R, Schonfeld IS, Laurent E. Burnout-depression overlap: a review. Clin Psychol Rev. 2015 Mar;36:28-41. • Whether burnout is a form of depression or a distinct phenomenon is an object of controversy. • A systematic literature search was carried out in PubMed, PsycINFO, and IngentaConnect. A total of 92 studies were identified as informing the issue of burnout-depression overlap. • The current state of the art suggests that the distinction between burnout and depression is conceptually fragile. It is notably unclear how the state of burnout (i.e., the end stage of the burnout process) is conceived to differ from clinical depression. • Empirically, evidence for the distinctiveness of the burnout phenomenon has been inconsistent, with the most recent studies casting doubt on that. The absence of consensual diagnostic criteria for burnout and burnout research's insufficient consideration of the heterogeneity of depressive disorders constitute major obstacles to the resolution of the raised issue. • In conclusion, the epistemic status of the seminal, field-dominating definition of burnout is questioned. It is suggested that systematic clinical observation should be given a central place in future research on burnout-depression overlap. Von Stress zu Burn-Out zu Depression: Stress mittels Biomonitoring erfassbar? Von Stress zu Burn-Out zu Depression Stress bei Orchestermitgliedern Alexander Pilger, Helmuth Haslacher, Elisabeth Ponocny-Seliger, Thomas Perkmann, Karl Böhm, Alexandra Budinsky, Angelika Girard, Katharina Klien, Galateja Jordakieva, Lukas Pezawas, Oswald Wagner, Jasminka Godnic-Cvar, Robert Winker *Medizinische Universität Wien, Institut für Arbeitsmedizin, Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien [email protected] Von Stress zu Burn-Out zu Depression Arbeitshypothese Konzertstress bei Orchestermusikern führt zu Veränderungen in biologischen Parametern, die mit oxidativen Effekten und erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert sind Projektteilnehmer und Untersuchungen 52 Mitglieder des ORF-Radiosymphonieorchesters Untersuchungszeitpunkte: (1) letzte Orchesterprobe (2) Uraufführung (1 Tag später) Fragebögen: Allg. Daten (Alter, Geschl., Gewicht...) Work Ability Index Self Assessment Manikin Laborparameter: Speichelcortisol, CRP, Homocystein, Folsäure, Myeloperoxidase, Paraoxonase, Malondialdehyd, Interleukin 6 Biochemische Parameter Zusammenfassung ● Speichelcortisol reflektiert erwartungsgemäß die Stresssituation ● MPO ist am Konzerttag um rund 20% erhöht ● Raucher haben signifikant höhere MPO-Spiegel als Nichtraucher ● sign. pos. Korrelationen: MPO vs Tagescortisol Homocystein vs Tagescortisol IL-6 vs CRP ● sign. neg. Korr.: Homocystein vs Folsäure, WAI vs Alter ● keine geschlechtsspezifischen Unterschiede ● emotionale Faktoren beeinflussen die stressbedingten Auswirkungen Stressambulanz 2014-2015: Demographische Daten Geschlechterverteilung 97 Demographische Daten w m N Altersspanne: 23 - 87 Durchschnittsalter: 47 [WERT] w m 211 97 308 Stressambulanz 2014-2015: Diagnosen Allgemeinmedizin Diagnosen (Allgemeinmedizin) n=308 5 18 16 5 264 Depressive Störungen Chron. Erschöpfungssyndrom Angststörungen Somatisierungsstörungen Andere (Bipolare Störung, Essstörung, organisch affektive Störung, Reizdarm, nicht näher bez.) Stressambulanz 2014-2015: Diagnosen Allgemeinmedizin Kategorien Depressiver Störungen (Allgemeinmedizin) n=264 15 1 6 242 leicht mittelgradig chronisch nicht näher bezeichnet Stressambulanz 2014-2015: Diagnosen Fachärzte für Psychiatrie Diagnosen (Fachärzte für Psychiatrie) n=96 12% 7% 6% 75% Affektive Störung Anpassungsstörung Angststörung Andere (ADHS, Alkoholabusus, Dissoziative Störung, Organisch affektive Störung, PTBS, Somatoforme Störung) Stressambulanz 2014-2015: Differenzierung affektiver Störungen Kategorien Affektive Störungen (Diagn. Fachärtze für Psychiatrie) n=72 10% 14% 4% 72% Bipolare Störung leichte depr. Episode mittelgradige depr. Episode schwere depr. Episode Stressambulanz 2014-2015: Stresswerte (Mittelwert und Standardfehler) Stress-- und Burnoutwerte im Vergleich t=0 vs. t=1 Stress 68 66 64 63,67 62 60 58,28 58 56 54 52 50 Quelle: PSS-Fragebogen t=0…….Erstuntersuchung Zeitpunkt 0 t=1.…...Kontrolluntersuchung nach 4 Monaten Zeitpunkt 1 Quelle: PSS-Fragebogen t=0…….Erstuntersuchung t=1.…...Kontrolluntersuchung nach 4 Monaten Stressambulanz 2014-2015: Angstwerte (Mittelwert und Standardfehler) Angstwert (anhand PSS PSS-- Fragebogen) im Vergleich t=0 vs. t=1 14 12 10,68 7,52 10 8 6 4 2 0 Zeitpunkt 0 Zeitpunkt 1 Quelle: PSS-Fragebogen t=0…….Erstuntersuchung t=1.…...Kontrolluntersuchung nach 4 Monaten Stressambulanz 2014-2015: Depressionswerte (Mittelwert und Standardfehler) Depressionswerte (anhand PSSPSS - Fragebogen) im Vergleich t=0 vs. t=1 12 9,58 10 7,36 8 6 4 2 0 Zeitpunkt 0 Zeitpunkt 1 Quelle: PSS-Fragebogen t=0....Erstuntersuchung t=1....Kontrolluntersuchung nach 4 Monaten Stressambulanz 2014-2015: Biomonitoring Daten - Cortisol Cortisol im Vergleich t=0 vs. t=1 0,8 0,7 0,66 0,57 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 Zeitpunkt 0 Zeitpunkt 1 Cortisolspeicheltest (Zeitpunkt nach Aufwachen) t=0….Erstuntersuchung t=1....Kontrolluntersuchung nach 4 Monaten Stressambulanz 2014-2015: Biomonitoring Daten - MPO MPO-- Werte im Vergleich t=0 vs. t=1 MPO 200 180 160 155,29 140 120 90,67 100 80 60 40 20 0 Zeitpunkt 0 Zeitpunkt 1 Methylperoxidase t=0…….Erstuntersuchung t=1.…...Kontrolluntersuchung nach 4 Monaten Stressambulanz 2014-2015: Clinical Global Impression (CGI) CGI 4 3,58 3,56 3,11 3,5 3,11 2,54 3 2,5 2 1,5 1 t=0 t=1 t=2 t=3 t=4 Clinical Global Impression (Einschätzung des Schweregrades der psych. Erkrankung, Stufen 1-7) t0=Baseline und 4 Kontrolluntersuchungen n0=268; n1= 61; n2=57; n3=27; n4=74 Stressambulanz 2014-2015: Clinical Global Impression (CGI) CGI 4,5 3,58 4 3,5 2,54 3 2,5 2 1,5 1 t=0 t=4 Clinical Global Impression (Einschätzung des Schweregrades der psych. Erkrankung, Stufen 1-7) t=0…….Erstuntersuchung t=1.…...Kontrolluntersuchung nach 4 Monaten n=74 Stressambulanz 2014-2015: CGI - Verbesserung Delta 1% 4% 12% Delta= Diff. CGI Zpkt 0 vs. CGI Zpkt 4 t=0…….Erstuntersuchung t=1.…...Kontrolluntersuchung nach 4 Monaten n=74 11% 34% 38% keine Verbesserung geringe Verbesserung mäßige Verbesserung mittlere Verbesserung starke Verbesserung Verschlechterung Stressambulanz 2014-2015: CGI - Verbesserung Delta 14% Delta= Diff. CGI Zpkt 0 vs. CGI Zpkt 4 t=0…….Erstuntersuchung t=1.…...Kontrolluntersuchung nach 4 Monaten n=74 86% Keine Verbesserung Verbesserung Fallvignette 1 Pat. A.A., männlich, 46 Jahre alt Erstbegutachtung Juli 2014: Anamnese: • Der Pat. berichtet, seit 2000 unter depressiven Verstimmungen zu leiden. • Vor 3 Jahren wären die langjährigen Konflikte mit dem Stiefsohn eskaliert, dieser musste ausziehen. Seitdem immer mehr Konflikte mit der Tochter. Letztes Jahr Tod des Vaters, juristischer Konflikt. • Pat. spürt oft massive Frustration, hat Phantasien alles zurückzulassen, würde dann "auf eine einsame Insel", fühle sich eingeengt. Er hätte vieles falsch gemacht, sei wütend auf andere und vor allem sich selbst. • Im Beruf „eigentlich zufrieden“, er verspüre aber immer mehr Druck, mache Fehler, könne sich nicht so gut konzentrieren. Aufgrund der familiären Konflikte keine Entspannung nach Feierabend möglich • Keine psychopharmakologische Medikation, kein FA für Psychiatrie, keine Psychotherapie. Fallvignette 1 Diagnose: Rezidivierend depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode Procedere: • Einstellung auf Cipralex 10 mg 1-0-0-0 (Beginn mit 5 mg/d für eine Woche). • Psychiatrische Reha empfohlen, Befund wurde erstellt. • Psychologisches Coaching angemeldet. • MBSR-Gruppe angemeldet. • Weiterführende ambulante Psychotherapie empfohlen, wird auch vom Pat. erwünscht. • Kontrolle in 3 Wochen. Fallvignette 1 1. Kontrolle: • Pat. berichtet, es ist ihm einiges "mehr egal" geworden, und dies empfindet er als positiv. Er fühle sich weniger belastet und gestresst, etwas gelassener. Stimmung weiterhin depressiv. • Der Schlaf sei weiterhin gut, nur einmal einen schlimmen Alptraum gehabt. • Die Medikation wurde problemlos vertragen. Keine akute Selbst- oder Fremdgefährdung. Procedere: • Cipralex Aufdosierung auf 20 mg 1-0-0. • Beginn mit Coaching-Gesprächen (Mag. Auner) demnächst. • Reha in Leopoldau beantragt; nächste Woche Diabetes-spezifische Kur in Ottenschlag, bis 25.08. • Kontrolle in 6 Wochen (nach Kur). Fallvignette 1 2. Kontrolle am 3.9.2014: • Pat. berichtet, er rege sich nicht mehr so auf wie früher, sei gelassener, was ihn sehr freue. • Schlaf weiterhin zufriedenstellend, intensive Träume vereinzelt. Pat. nimmt sich mehr Freiräume, Phantasien des "Weglaufens" im Hintergrund. • Verträglichkeit gut. Keine akute Selbst- oder Fremdgefährdung. Procedere: • Med. mit Cipralex 10 mg 2-0-0 weiter. • Termine bei Fr. Mag. Auner weiter (noch 8 Termine). Im weiteren Verlauf ambulante Psychotherapie empfohlen. • MBSR-Kurs demnächst. MBSR (Mindfulness-based stress reduction) • Intensives 8-wöchiges Gruppenprogramm (Bewußtseinstraining) • Achtsamkeit (Mindfulness) als Grundlagenkonzept • Weltweit erfolgreich angewandt, wissenschaftlich evaluiert • Kursinhalte: • Training der Achtsamkeit mittels Body-Scan, Sitz-/Geh-Meditation u.a. • Schwerpunktthemen erkennen • Umgang mit schwierigen Gefühlen, mit belastenden Gedanken • Erkennen von und Aussteigen aus schädigenden Verhaltensmustern • Kein Entspannungstraining! Keine Gruppentherapie! • Aber: Begünstigt und untersützt therapeutische Prozesse MBCT (Mindfulness-based cognitive therapy): • Vereint Kernelemente des Achtsamkeits-Konzepts (MBSR) und verhaltenstherapeutische Ansätze • Wirksamkeit als Rückfallsprophylaxe bei rezidivierender Depression erwiesen Fallvignette 1 6. Kontrolle Februar 2015: • Pat. ist zufrieden mit dem Verlauf, alles ist "geruhsam" gelaufen, habe keinen Stress verspürt trotz verschiedener Belastungen. • Sexuelle Funktionsstörung deutlich gebessert. Hormonbefund unauffällig. Procedere: • Cipralex 20 mg/d idem. • Termine bei Fr. Mag. Auner weiter. • MBSR-Gruppe Endbesprechung nächste Woche. Pat. verwendet das dort Erlernte immer wieder. • Kontrolle in 8 Wochen. Klinische Fallbeispiele Pat. B.B., weiblich, 35 Jahre alt: • Erstvosrstellung: Depressives Syndrom, Verdacht auf bipolare Depression • Kontrolltermine: Verdacht auf emotional-instabile Persönlichkritsstörung • Nach Abschluss der Coaching-Termine massive Krise; stationäre Aufnahme im AKH, im stabilen Zustand entlassen, krankheitsspezifische Psychotherapie begonnen Pat. C.C., männlich, 55 Jahre alt: • Erstvosrstellung: Depressives Syndrom, massive Konzentrationsstörung • Kontrolltermine: Verdacht auf ADHS im Erwachsenenalter, durch Testung bestätigt • Nach Einstellung auf ADHS-spezifische Pharmakotherapie deutliche Besserung Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!