Referat zum Thema: Medieneinfluss-PC-Spiele

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Referat zum Thema: Medieneinfluss-PC-Spiele
Seminar: Sozialisation durch Medien
Dozent: Nehles
Referent: Thomas Schmidt 330937
Inhalt:
Vorwort
1. Theoretischer Teil
1.1 Einleitung
1.2 Definition und Abgrenzung des Aggressionsbegriffs
1.3 Ansätze zur Erklärung des Phänomens Aggression
1.3.1 Trieb- und instinkttheoretische Erklärungsansätze von Aggression
1.3.2 Die Frustrations-Aggressions-Hypothese
1.3.3 Die Neuformulierung der Frusrations-Aggressions-Hypothese
1.3.4 Die Imitations-Lern-Theorie Banduras
1.3.5 Die soziale Lerntheorie der Aggression
1.4 Die Motivationstheorie der Aggression von Kornadt
1.5 Die Bedeutung antagonistischer Systeme in Bezug auf das Motivsystem Aggression
1.5.1 Die Wirkungsweise von verinnerlichten Normen und die Veränderung durch
häufigen Umgang mit Gewalt
1.5.2 Die Fähigkeit zum Mitfühlen (Empathie) als Hemmfaktor für Aggression
1.5.3 Das Bindungsmotiv und seine Bedeutung für die Aggressionsentwicklung und
die Genese der Hemmechanismen
1.6 Die Aggressionsentwicklung
1.7 Wirkungsforschung zu Video- und Computerspielen
1.7.1 Empirische Befunde zur Verbreitung der Spiele und zu den Videospielpräferenzen
1.7.2 Auswirkungen von Video- und Computerspielen auf das Verhalten von Kindern
2. Die Methoden
2.1 Die Stichprobe
2.2 Erfassung der Personvariablen
2.2.1 Das Aggressions-Motiv-Gitter
2.2.2 Erzieherinnenrating zur offen gezeigten Aggression
2.2.3 Empathie
2.2.4 Ängstlichkeit
2.2.5 Neugier/Wissbegier und Sensation-Seeking
2.2.6 Allgemeine Spiel- und Freizeitvorlieben
2.3 Experimentelles Vorgehen
2.3.1 Auswahl der Spiele
2.3.2 Durchführung der Untersuchung
2.3.3 Beschreibung des Verfahrens zur Erfassung emotionaler Reagibilität
2.3.4 Erhebung der emotionalen Reaktionen
2.3.5 Erfassung der subjektiven Befindlichkeit
2.3.6 Messung der Aggressionsaktivierung
2.3.7 Abschließendes Interview
3. Befunddarstellung und Auswertung
3.1 Teil der Datenanalyse: Beschreibung der Stichprobe im Hinblick auf die erhobenen
Variablen
3.1.1 Analyse der Dispositionsvariablen
3.1.1.1 Die mit dem Aggressions-Motiv-Gitter erfasste Aggressionsdisposition
3.1.1.2 Einschätzung des Aggressionsverhaltens und der Beliebtheit durch die
Erzieherinnen
3.1.1.3 Die Disposition zur Empathie
3.1.1.4 Ängstlichkeit
3.1.1.5 Sensation-Seeking und Neugier/Wissbegier
3.1.2 Analyse der Daten zu Videospielgewohnheiten und –erfahrungen
3.1.2.1 Besitz
3.1.2.2 Spielerfahrung
3.1.2.3 Erfahrung mit aggressionsorientierten Spielen
3.1.2.4 Präferenz für die unterschiedlichen Videospielkategorien
3.1.2.5 Spielhäufigkeit
3.1.2.6 Spielzeit
3.1.2.7 Zugangsmöglichkeiten
3.1.3
Angaben zu dem in der Untersuchung gespielten Videospiel
3.1.3.1 Bekanntheit des Spiels
3.1.3.2 Wertschätzung des Spiels
3.1.3.3 Wertschätzung der aggressiven Anteile des Street-Fighter-Spiels
3.1.3.4 Leistungsbeurteilung
3.1.4 Allgemeine Spielpräferenzen
3.2 Teil2 der Datenanalyse: Beziehungsmuster zwischen den Dispositionsvariablen, den
allgemeinen Spielpräferenzen und den speziellen Videospielerfahrungen
3.2.1 Zusammenhang zwischen den verschiedenen Dispositionsmaßen und ihren
Unterskalen
3.2.2 Beziehungen zwischen den allgemeinen Spielpräferenzen und den
Videospielerfahrungen und –gewohnheiten
3.2.3 Zusammenhänge zwischen den Dispositionsvariablen und den im Interview
erfassten Spielerfahrungsdaten
3.3 Teil3 der Befunddarstellung: Experimentelle Befunde und Nebenbefunde
3.3.1 Motivierungseffekte durch die Spiele
3.3.1.1 Aggressionsmotivaktivierung durch das Videospiel und Interpretation der
Befunde
3.3.1.2 Befunde und ihre Interpretation zur emotionalen Abstumpfung durch das
aggressionsorientierte Videospiel
4. Zusammenfassende Diskussion der wichtigsten Befunde und Ausblick
Vorwort
Im folgendem werde ich über die Arbeit: „Aggression in Videospielen; Gibt es Auswirkungen
auf das Verhalten von Kindern“ referieren, die 1998 von Rita Steckel veröffentlicht wurde.
1. Theoretischer Teil
1.1 Einleitung
Das Thema Gewalt und Brutalität unter Kindern ist ein viel diskutiertes Thema. Bereits im
Kindergarten finden körperliche Auseinandersetzungen statt und auf den Schulhöfen gehören
Prügeleien zur Tagesordnung. Laut Statistiken ist das gewalttätige Verhalten unter
Jugendlichen in den letzten Jahren enorm gestiegen. Speziell die Gewalt an den Schulen
erfährt einen rapiden Anstieg hin zu Raub, Erpressungen oder Bedrohungen. Erschreckend
dabei ist vor allem das viele Jugendliche als Grund für diese Gewalt die „Freude an Gewalt“
angeben.
Weiterhin ist eine schwindende Sensitivität für die Opfer festzustellen. Gewalt wird mit
Gegengewalt bekämpft und in sozialen Interaktionen werden dem Gegner antisoziale
Absichten unterstellt, was dann zur Gewalt führt.
Daraus resultiert die Frage nach den Ursachen und inwieweit mediale Gewalt einen Einfluss
auf die zunehmende Brutalisierung der Kinder hat. Innerhalb der Fernsehwirkungsforschung
kristallisieren sich nach Parke und Slaby (1983) zwei Haupteffekte der Medienwirkung
heraus: a) der Anstieg von Aggression als Folge des Anschauens der Gewalt und b) eine
herabgesetzte Sensitivität gegenüber realer Gewalt.
Ein heutzutage größeres Problem geht aber von der fiktiven und brutalen Gewalt in
Videofilmen aus, die für Jugendliche leicht erhältlich sind (Horrorfilme, Splatter).
Ein weiterer Bereich der in den letzten Jahren immer größere Verbreitung erfuhr, ist der der
Videospiele/Computerspiele. Ein wesentliches Merkmal der Videospiele ist die Interaktivität.
Es liegt nicht mehr nur ein passives konsumieren der Gewalt vor, der Spieler ist nun in der
Lage aktiv in das Geschehen einzugreifen, wird in das Spiel involviert. Im Laufe der Jahre hat
die Beliebtheit dieser Spiele bei Kindern und Jugendlichen stark zu genommen und heute
besitzt ein Großteil der Kinder und Jugendlichen eine Spielkonsole oder einen Computer. Zu
einem großen Teil sind die Spielinhalte gewaltorientiert, wobei die Trauer oder Mitleid für die
Opfer keine große Rolle spielen.
Inzwischen werden auch die Computer- und Videospiele immer mehr als Ursache für
aggressives Verhalten bei Kindern benannt und es kommt die Frage auf, ob der tägliche
Umgang mit gewaltverherrlichenden Spielen Folgen für das Verhalten der Kinder und
Jugendlichen haben kann. Diese Folgen können sich zum einen in einem Ansteigen des
aggressiven Verhalten zeigen oder aber sich auch langfristig in Form einer emotionalen
Abstumpfung gegenüber dem Leid der Opfer bzw. beim leid von generell anderen Personen
zeigen.
Das Ziel der Arbeit über die ich referiere ist es nun die vermittelnden Wirkungsmechanismen
zu identifizieren und einen möglichen Gesamtzusammenhang zwischen medialer und realer
Gewalt aufzuzeigen. Es soll sowohl die aggressionsanregende Wirkung als auch die
Beeinträchtigung der Sensitivität für empathisches Miterleben am Beispiel von Gewalt in
Computer- und Videospielen dargestellt werden.
1.2 Definition und Abgrenzung des Aggressionsbegriffs
Der Begriff Aggression hat seine Wurzeln in der lateinischen Sprache. Die Verbform
„aggredior“ kann man mit „herangehen“, „angehen“ oder auch mit „angreifen übersetzen.Eine
Vielfalt von Handlungen, die anderen Menschen schaden zufügt wird umgangssprachlich als
Aggression beschrieben. Dies kann in Form von körperlicher Gewalt gegenüber anderen,
Zerstörung von Eigentümern, verbalen Attacken oder in einer Form der Beeinträchtigung
eines anderen auftreten. Für den psychologischen Aggressionsbegriff wird hier allerdings eine
Abgrenzung zwischen den einzelnen Phänomenen nötig. Es muss eine deutliche Abgrenzung
zwischen den Verhaltensweisen, die als aggressive Handlung definiert werden können und
den nichtaggressiven Handlungen stattfinden. Dies ist möglich, wenn man die beabsichtigten
Folgen von Aggression auf einen funktionsäquivalenten Nenner bringt (z.B. ein Verhalten mit
dem Ziel anderen Schaden zuzufügen).
Die meisten Definitionsversuche zeichnen sich durch große Heterogenität aus. Beispielsweise
teilen Parke und Slaby (1983) nach Hartup und de Wit (Hartup&de Wit, 1974) Definitionen
von Aggression nach ihrer theoretischen Einbettung in drei Gruppen ein. Man unterscheidet
hierbei Definitionen, die einem ethologischen Ansatz folgen und dabei sich nur auf die
Beschreibung äußerlich beobachtbarer Verhaltensmerkmale beschränken um aggressive
Verhaltensweisen von nicht aggressiven Verhaltensweisen zu unterscheiden (Blurton Jones
1967,1972; McGrew, 1972), von Definitionen, die entweder die Antezedentien für
Aggression (Dollard, Doob, Miller, Mowrer & Sears, 1939) oder die Handlungsfolgen in den
Mittelpunkt stellen (Buss, 1961). Diese Definitionen weisen allerdings auch Mängel auf. So
zum Beispiel, dass die ethologische Definitionen die Vielfältigkeit des Phänomens
Aggression ausschließlich auf die beobachtbaren Verhaltensmuster beschränkt. Bei der
Betrachtung von Kindern spielen sie deshalb keine große Rolle. Bei der zweiten Gruppe der
Definitionen, die die Vorraussetzungen für Aggression in den Fokus stellt wird die
Intentionalität des aggressiv Handelnden in den Vordergrund gestellt. Das Problem hierbei ist,
dass die Intentionalität nur aus dem Verhalten erschlossen werden kann, aus dem Verhalten
dessen Merkmal sie ist. In der dritten Definition, in der die Handlungsfolgen im Mittelpunkt
stehen bekommt man eine objektivere aber sehr allgemeine Definition. Die Quantifizierung
der Handlungsfolgen (Verletzungen/Schmerzen) ist schwierig und subjektiv.
Man kann feststellen, dass es keine Definition von Aggression gibt die das Phänomen als
Ganzes beschreibt. Die einfachste Definition von Aggression, die Aggression als ein
Verhalten beschreibt, das darauf abzielt andere zu verletzen oder in irgendeiner Form zu
schädigen ist zwar auch nicht befriedigend aber sie beinhaltet die wesentlichen Merkmale der
Intentionalität und der Handlungsfolgen und kann so aggressives Verhalten von nicht
aggressivem Verhalten unterscheiden.
1.3 Ansätze zur Erklärung des Phänomens Aggression
Ebenso wie die Definitionen von Aggression sind auch die Erklärungsansätze eher unheitlich.
Die Aggressionstheorien lassen sich in drei Theoriefamilien einteilen . Die Trieb- oder
instinkttheoretischen Ansätze, die Frusrations-Aggressions-Theorie und soziale Lerntheorien.
1.3.1 Trieb- und instinkttheoretische Erklärungsansätze von Aggression
In der psychoanalytischen Theorie Freuds (1905) war die Aggression ein Bestandteil der IchTriebe. Sie trat demnach als Reaktion auf Bedrohungen oder Versagungen des auf die sich
dem Ich in den Weg stellen konnten. Später erweiterte Freud dies um den angeborenen
Destruktions- und Todestrieb. Er gelangte zu der Auffassung, dass dieser Trieb in jedem
Menschen arbeite und auf Selbstzerstörung gerichtet sei, um „das Leben zum Zustand der
unbelebten Materie zurückzuführen“ (Freud 1933). Das Ziel besteht darin einen völlig
spannungsfreien Zustand zu schaffen. Aggression war demnach unvermeidbar und nicht
abschaffbar. Lorenz (1963) hatte eine ähnliche Auffassung wie Freud, die besagt dass
Aggression ein biologisch verankerter arterhaltender Trieb sei. Die aggressive Triebenergie,
die im Organismus erzeugt wird dränge hierbei nach Entladung. Kommt es nicht zu dieser
Entladung staut sich diese Energie immer weiter an und der Schwellwert für die Entladung
sinkt. Auch diese Vorstellung beschreibt, dass Aggression ständig vorhanden sein muss und
nur auf Entladung wartet. Als einzige Möglichkeit diese Energie ohne Schaden zu entladen
sieht Lorenz den Sport.
Diesen Erklärungsansätzen liegt ein deterministisches Weltbild zu Grunde. Aggression ist
angeboren und folglich unvermeidbar und eine Reduzierung der Aggression ist demnach nicht
möglich. Heute gelten diese Ansätze als überholt, obwohl man einzelne Punkte auch in
anderen Erklärungsansätzen wiederfindet. Für die psychologische Aggressionsforschung sind
diese Ansätze wenig relevant, da es ein leichtes wäre aggressives Handeln mit dem
Triebcharakter zu rechtfertigen.
1.3.2 Die Frustrations-Aggressions-Hypothese (F-A-Hypothese)
Die Grundidee des Erklärungsansatzes von Freud wurde hier von der Yale-Gruppe (Dollard et
al., 1939) aufgegriffen. Im Gegensatz zu dem Ansatz von Freud entseht hier Aggression
allerdings reaktiv als Folge einer Zielbehinderung oder Frustration. Dieser Ansatz wird durch
zwei Postulate gekennzeichnet: 1.) Aggression ist immer die Folge von Frustration und 2.)
Jede Frustration führt zu Aggression. Da insbesondere das zweite Postulat so nicht haltbar
war wurde es kurze Zeit später modifiziert (Miller, Sears, Mowrer, Doob & Dollard, 1941).
Auf eine Frustration muss nicht zwangsläufig auch Aggression folgen. Es ist auch möglich,
dass andere Reaktionen wie Resignation oder aktives Handeln um die Zielbehinderung zu
entfernen eintreten kann. Auch das erste Postulat ist so nicht stimmig, da auch Aggression
auftreten kann ohne das vorher Frustration eingesetzt hat.
Genau wie bei den Triebtheorien wird hier Aggression als unvermeidbar gesehen und wird
somit entschuldbar. Nur wenn jede Zielbehinderung aufgehoben werden könnte, könnte sich
die Aggression vermindern. Faktisch hieße das, dass die Kinder in einer frustrationsfreien
Welt aufwachsen müssten um keine Aggressionen zu bilden. Weiterhin wirft das
Abhängigkeitsverhältnis von Frustration und Aggression die Frage auf, unter welchen
Umständen Frustration denn zu Aggression führt.
1.3.3 Die Neuformulierung der Frustrations-Aggressions-Hypothese
Diese Neuformulierung durch Berkowitz basiert auf einer lerntheoretischen Sichtweise von
Aggression, die zusammengefasst besagt, dass jedes Verhalten, also auch aggressives, durch
Erfahrungen aufgebaut wird.
Berkowitz führte als intervenierdende Variable die Ärgeremotion ein, um die Begriffe
Frustration und Aggression voneinander abzugrenzen. Die Aggressionsbereitschaft einer
Person erhöht sich nur dann, wenn durch die Zielblockade eine Reaktion wie Ärger oder Wut
entsteht, das heißt eine Zielbehinderung führt nicht unweigerlich zur Aggression. Ein
wesentlicher Kernpunkt dieser Theorie ist, dass die Reize die eine Aggression auslösen
können ihre aggressionsfördernde Relevanz durch eine Verknüpfung mit früheren
Erfahrungen erhalten (Klassische Konditionierung). Berkowitz erweiterte seine Theorie um
die Annahme, dass nicht mehr nur die auslösenden Reize zur Aggression führen, sonder auch
Reize, die einen Verstärkungscharakter besitzen. Weiterhin berücksichtigt er Faktoren wie das
Verhältnis zum Opfer die Interpretation der eigenen emotionalen Reaktionen oder die
Angemessenheit einer aggressiven Reaktion in verschiedenen Situationen.
In diesem Ansatz von Berkowitz berücksichtigt er lerntheoretische Prinzipien und kognitive
Elemente, wobei auch mit dieser Theorie entwicklungsmäßige Vorhersagen nur schwer
möglich sind.
1.3.4 Die Imitations-Lern-Theorie Banduras
Banduras geht davon aus, dass menschliche Verhaltensweisen sozial vermittelt werden und
das aggressive Verhaltensweisen allein durch Beobachtung aggressiver Modelle erlernt
werden können. Hierbei unterschied er drei Effekte. Zum einen können neue
Verhaltensmuster durch Beobachtung erlernt werden. Bei der Beobachtung von Bestrafungen
oder Belohnungen kann es zu einer Verstärkung oder Abschwächung von
Aggressionshemmungen kommen. Als dritten Punkt fügt er an, die Verhaltensweisen anderer
als soziale Anreize dienen können. All diese Annahme bestätigte er durch Experimente, so
dass man folgern kann das das Beobachten eines aggressiven Modells ausreicht um seine
komplexen Verhaltensmuster zu erwerben und zu speichern.
Solche aggressiven Modelle finden die Kinder und Jugendlichen heute täglich im fernsehen
oder in Computer- und Videospielen.
1.3.5 Die soziale Lerntheorie der Aggression
1973 erweiterte Bandura seine Theorie. Er geht nun davon aus, dass ein komplexes
Aggressionsverhalten nicht nach einfachen Mustern entsteht. Es entsteht erst durch die
Integration zahlreicher Handlungskomponenten unterschiedlichen Ursprunges. Im Gegensatz
zu anderen Theorien werden in der sozialen Lerntheorie sowohl Situationseinflüsse als auch
kognitive und selbstregulierende Prozesse der Person berücksichtigt.
Das Beobachtungslernen ist abhängig von vier aufeinander bezogenen Subsystemen:
Aufmerksamkeitsprozesse; Gedächtnisprozesse; motorische Reproduktionsprozesse;
Verstärkungs- und Motivationsprozesse.
Der Beobachtende wählt die Merkmale eines Verhaltens aus, die für ihn eine Bedeutung
haben. Diese beobachteten Verhaltensweisen müssen in einer symbolischen Form im
Langzeitgedächtnis abgespeichert werden, um sie später bei Bedarf zu reproduzieren. Die
Verstärkungs- und Motivationsprozesse sind nun für die Ausführung entscheidend. Der
Mensch ist auch in der Lage die Konsequenzen seines Verhaltens zu berücksichtigen und sich
danach auszurichten. Wenn nun eine Handlung durch Verstärkungsprozesse mit etwas
Negativen verbunden wird, so werden die negativen Anreize eine Ausführung blockieren.
Werden positive Anreize erwartet wird die Ausführung dem entsprechend begünstigt.
Allerdings müssen die erwartenden Konsequenzen nicht nur auf der eigenen Erfahrung
beruhen, sondern können auch auf Erfahrungen anderer basieren die beobachtet wurden.
Diese verschiedenen Reaktionskonsequenzen können ebenfalls Aggression auslösen, genauso
wie allgemein provokative aggressionsauslösende Bedingungen wie physische Angriffe,
verbale Gewalt.
Die durch Beobachtungslernen erworbenen aggressiven Verhalten werden über
Verstärkungsvorgänge aufrechterhalten. Hierbei spielen vor allem die positiven Erwartungen,
die über kognitive Prozesse vermittelt werden eine Rolle. Zum einen sind dies durch die
angenehmen Effekte der aggressiven Handlung auftretende direkte externe Bekräftigungen,
wie Beseitigung von Schmerz, Triumph über den Gegner , soziale Annerkennung oder Besitz
von Objekten. Aber auch Selbstverstärkung wirkt sich auf die Aufrechterhaltung auf, indem
auf Grund eigener Standards das aggressive Handeln selbstbilligend bewertet wird und so das
Selbstwertgefühl stützt. Die stellvertretenden Bekräftigungen die dem Beobachteten Modell
widerfahren tragen ebenfalls ihren Teil dazu bei das aggressive Verhalten aufrecht zu halten.
Eine eintretende Desensibilisierung gegenüber den Auswirkungen der eigenen aggressiven
Taten begünstigt den Verbleib oder Anstieg der Aggression ebenfalls. Bei wiederholtem
aggressiven Verhalten werden Selbstvorwürfe verschwinden und somit das Ansteigen des
Aggressionslevels begünstigen.Diese Lerntheorie kann als Bindeglied zwischen der
lerntheoretischen und motivationstheoretischen Forschung gesehen werden. Eine explizite
Betrachtung der Personenseite kommt in ihr zwar nicht vor, wird aber im folgenden in
Motivationstheoretischen Ansätzen aufgegriffen. Ein motivationstheoretischer Ansatz zur
Erklärung von Aggression sieht Aggression als ein auf der Personenseite individuell
organisiertes Verhaltenssystem und kann somit auf das Individuelle besser eingehen. Ich
werde mich auf „Die Motivationstheorie der Aggression“ von Kornadt beschränken, da dieser
Ansatz der Arbeit über die ich referiere zu Grund liegt.
1.4 Die Motivationstheorie der Aggression von Kornadt
Kornadt versucht ein Bedingungsmodell zu entwerfen, dass aggressives Handeln umfassend
erklären kann und seinen Fokus auf das Zusammenspiel der verschiedenen Größen Trieb,
Instinkt und situative Bedingungen lenkt. Er geht davon aus, dass in jedem Individuum eine
Disposition zur Aggression steckt, die in ihrer Ausprägung und Stabilität variiert. Zunächst
unterscheidet er zwischen dem Motiv und der Motivation. Die Motivation stellt dabei die
Tendenz dar, in einer bestimmten Situation auf bestimmte Art und Weise zu handeln.Das
Motiv kennzeichnet die latente Disposition des Individuums, abgegrenzt von der Motivation
als gegenwärtigem Zustand des Motiviertseins. Es determiniert die Motivation. Die Motive
können inhaltlich voneinander abgegrenzt werden. So definiert Kornadt das
Aggressionsmotiv als „die Schädigung oder Verletzung von anderen oder von deren
Interessen und/oder das Eliminieren von Quellen einer Frustration durch eigenes gewaltsames
Handeln“, wobei von einer Zielsetzung eine positive Affektänderung erwartet wird. Diese
Definition bezieht sich ausschließlich auf feindselige Aggression. Für das Individuum
frustrierende Bedingungen werden als situative Hinweisreize genannt, die das Motiv
aktivieren. Es entsteht eine Ärgeremotion im Individuum. Diese Reaktion kann als angeboren
oder angelernt gesehen werden. Allerdings muss die erlebte Ärgeremotion nicht zwangsläufig
in aggressives Handeln übergehen, da kognitive prozesse wie das Interpretieren der Situation
zwischengeschaltet sind. Das Motiv wird nur dann aktiviert, wenn die Situation auch
tatsächlich als ärgerlich empfunden wird. Es braucht auch nicht immer eine Situation in der
Frust oder Ärger aufkommt um das Motiv zu aktivieren. Es kann durchaus reichen einen
positiven emotionalen Zustand zu erwarten, der nach erreichen des Aggressionsziels eintritt
um das Aggressionsmotiv zu aktivieren. Kornadt bezeichnet die als „lustvolle“ Aggression
Er nimmt weiter an, dass das Aggressionsmotiv zwei antagonistische Komponenten
beinhaltet. Zum einen das Motiv zur Aggression und zum anderen das Motiv zur
Aggressionshemmung. Das letztgenannte Motiv bezieht sich auf negative Konsequenzen wie
Schuldgefühle oder Angst vor strafe und wirkt so verhaltenshemmend. Eine
Aggressionshandlung ist danach immer das Ergebnis einer Wechselwirkung zwischen dem
Personenfaktor, unter Berücksichtigung der beiden Motive, und den situativen Bedingungen.
Es kommt nur zum aggressiven Handeln, wenn die Stärke der Annäherungstendenz die der
Meidungstendenz überwiegt. Die tatsächliche Aggressionsmotivation wird durch die
Differenz der beiden Motive dargestellt.
Solch ein motivationstheoretischer Erklärungsansatz ermöglicht es auch eine Erklärung für
das zustande kommen individueller Unterschiede zu finden und gibt die Möglichkeit
Rückschlüsse auf das entstehen des Motivs zu ziehen.
Wie schon erwähnt basiert die mir vorliegende Arbeit auf der Theorie von Kornadt, weil man
nicht nur davon ausgehen kann das die Kinder durch Imitation lernen und das gesehene
zwangsläufig auch anwenden. Im weiteren werde ich auf die Faktoren eingehen, die dem
Motiv zur Aggression entgegenwirken und deren Veränderung durch mediale Gewalt eine
langfristige Verhaltensänderung nach sich ziehen können.
1.5 Die Bedeutung antagonistischer Systeme in Bezug auf das Motivsystem
Aggression
Grundsätzlich sind zwei Hemmechanismen zu nennen, die auf das Aggressionsmotiv
einwirken können. Zum einen die in der Sozialisation erworbenen Normen und Werte. Zum
zweiten die Fähigkeit zum Mitfühlen, die Empathie. Für die Entwicklung dieser beiden
Komponenten ist das Bindungsmotiv, also die Beziehung zwischen Mutter und Kind, von
großer Bedeutung. Im folgenden werde ich näher auf die genannten Punkte eingehen.
1.5.1 Die Wirkungsweise von verinnerlichten Normen und die Veränderung durch
häufigen Umgang mit Gewalt
Dem heranwachsenden Kind werden im Laufe der Zeit moralische Normen und Werte
vermittelt, die sich auch auf Gewalt oder Aggression beziehen. Je nach dem in welchem
kulturellen Kontext das Kind aufwächst lernt es welche Form von Aggressivität erlaubt ist
und wann es sie zeigen darf. Wenn die von den Eltern oder anderen Instanzen vermittelten
Normen und Werte vom Kind angenommen und verinnerlicht werden und sich daraufhin zur
eigenen Richtlinie entwickeln findet eine Internalisierung statt. Weicht das Kind nun von
seinen verinnerlichten Werten ab wird es Scham, Schuldgefühle oder Strafangst empfinden,
was dann als Hemmfaktor für Aggression dienen kann. Dieser Prozess der
Werteverinnerlichung reicht allerdings über das Kindesalter hinaus und ist auch als
Jugendlicher noch nicht abgeschlossen, so dass sich das moralische Urteilen im Laufe der
Jahre noch verändert. Nicht nur die Eltern vermitteln die Normen. Im Laufe der Entwicklung
des Kindes kommen auch noch andere Personen oder Instanzen dazu, die ebenfalls in die
Entwicklung eingreifen(z.B. Schule). Weiterhin muss festgestellt werden das solche Werte
und Normen auch durch einfaches beobachten von dem Kind oder Jugendlichen
aufgenommen werden (Bandura, 1973). Diese beobachteten Beispiele können sowohl positiv
als auch negativen Einfluss auf die Entwicklung haben. So kann das Kind zum Beispiel auch
eine Belohnung erfahren, beispielsweise bei einem Videospiel dessen Ziel es ist den Gegner
zu verletzen. Die Belohnung könnte dann sein das es in ein nächstes Spiellevel gelangt oder
ähnliches. Das birgt die Gefahr das verinnerlichte Standards im Laufe der zeit aufgehoben
werden bzw. eine Veränderung in dem Empfinden von Gewalt beim Kind stattfindet.
1.5.2 Die Fähigkeit zum Mitfühlen (Empathie) als Hemmfaktor für Aggression
Das empathische Mitfühlen ist ein weitere Antagonist des aggressiven Verhaltens. Der
Begriff Empathie wird in verschiedenen Kontexten verwandt. Ich beschränke mich an dieser
Stelle auf eine affektive Sichtweise des Begriffs, da die mir vorliegende Arbeit eben auf
einen solchen aufbaut. Demnach kann man Empathie als nachgefundene Emotion und als
Reaktion auf das Leid anderer definieren (Hoffmann, 1976; Feshbach, 1978; Eisenberg,
1986). Nach Eisenberg (1986) können zwei unterschiedliche Kategorien einer affektiven
Empathie festgemacht werden. Zum einen kann man Empathie als stellvertretende
Affektreaktion verstanden werden. Der eigene affektive Zustand ist hierbei stark auf den
Affekt eines anderen bezogen und kann dysphorische und euphorische Affekte einbeziehen.
Zum anderen ist Empathie als Mitleid und Sorge um andere zu verstehen und bezieht sich
dabei nur auf negative Affekte.
Hoffman stellte 1975 ein eigenes Modell auf indem er Empathie als die affektive Reaktion auf
die Gefühle anderer definiert. Hierbei bezieht er allerdings auch kognitive Aspekte mit ein.
Demnach ist eine empathische Reaktion auch immer abhängig von dem kognitiven
Reifezustand des Handelnden. Im Laufe der Kindheit entwickelt sich die Empathie vom
einfachen Mitleiden bis hin zu immer reiferen Formen des Mitleidens. Ab dem zweiten
Lebensjahr beginnt das Kleinkind zwischen sich und den anderen zu unterscheiden. Dieses
Konzept von sich und den anderen verfestigt sich zwischen dem 6. und 12. Lebensjahr. Die
sich ständig entwickelnde Selbst-Andere-Differenzierung bildet zusammen mit einer
gedächtnismäßigen Repräsentation genereller Not die Grundlage für die Fähigkeit sich in das
Leid anderer hineinzuversetzen und möglicherweise zuhelfen. Während sich die empathische
Besorgtheit entwickelt, entwickelt sich auch ein Schuldgefühl für das Leid das anderen
zugefügt wurde.
Diese Fähigkeit des empathischen Mitleidens stellt so einen natürlichen Hemmmechanismus
aggressiven Verhaltens dar. Die Fähigkeit zum Mitleiden kann aggressives Verhalten
hemmen, was auch in mehreren Studien nachgewiesen wurde. Allerdings besteht die Gefahr
das in der Phase der Entwicklung der empathischen Fähigkeiten dieser Hemmechanismus
durch z.B. Gewalt in Videospielen an Wirkung verliert bzw. abstumpft.
1.5.3 Das Bindungsmotiv und seine Bedeutung für die Aggressionsentwicklung und die
Genese der Hemmechanismen
Anfang der 70er Jahre wurde das Bindungskonzept durch Bowlby (1969, 1973) zum
Gegenstand der Forschung. Er stellte fest, dass die frühe Mutter-Kind-Beziehung eine große
Rolle für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes hat. Das proximate Ziel dieser
Beziehung liegt darin dem Kind Sicherheit und Geborgenheit zu geben. Bereits im ersten
Lebensjahr etabliert sich die Bindung zwischen Kind und Betreuungsperson. Sie entwickelt
sich noch bis zum fünften Lebensjahr weiter.
Ainsworth und Wittig (1969) entwickelten nach Bowlby ein Verfahren um die Qualität einer
solchen Bindung messbar zu machen. In dem Fremde-situations-test wurden Kinder
verschiedenen Trennungsepisoden ausgesetzt und es war möglich verschiedene
Bindungstypen zu unterscheiden. Anhand ihres Verhaltens den Bindungspersonen gegenüber,
gerade während der Wiedervereinigung, wurden die Kinder in verschiedenen
Bindungsgruppen eingeteilt, von denen drei ermittelt wurden. Hierbei wird zwischen einer
sicheren Bindung (B-Kinder), einer unsicher vermeidenden Bindung (A-Kinder) und unsicher
ambivalenten Bindung (C-Kinder) unterschieden. Die sicher gebundenen Kinder suchen nach
der Trennung von der Bindungsperson aktiv die Nähe dieser und halten diesen Kontakt auch
aufrecht. Im Gegensatz dazu suchen die unsicher gebundenen Kinder bei der
Wiedervereinigung mit der Bezugsperson diese Nähe nicht und vermeiden eher den engen
Kontakt. Unsicher ambivalente Kinder suchen zwar einerseits den Kontakt, widersetzen sich
aber auch gleichzeitig diesem. In verschiedenen Untersuchungen konnte ein Zusammenhang
zwischen der Bindungsqualität und der sozialen Entwicklung der Kinder nachgewiesen
werden. Als Beispiel sei an dieser Stelle eine Untersuchung von Waters und Mitarbeitern
erwähnt, die Kinder im Kindergartenalter auf ihr soziales Verhalten hin untersuchten. Diese
Kinder waren zuvor im Alter von 12 Monaten mit Hilfe des Fremde-Situations-Tests in die
oben genannten Gruppen eingeteilt worden. Man fand heraus, dass die als sicher gebundenen
geltenden Kinder eine höhere soziale Kompetenz gegenüber ihrer Spielkameraden aufwiesen,
als die unsicher gebunden Kinder. Spätere Untersuchungen bestätigten dies weiter. Unsicher
gebundene Kinder wurden von ihren Spielkameraden weniger gemocht und eher abgelehnt
und ambivalent gebundene Kinder zeigten ein höheres Maß an Aggressionen gegenüber
anderen (Cohn 1990). Daraus konnte man schließen, dass der Bindungsqualität eine große
Rolle bei dem entwickeln von sozialen Motiven zukommt. Während der frühen Mutter-KindBeziehung entwickelt das Kind die Fähigkeit soziale Signale zu verstehen und anzuwenden
und ist so in der Lage empathisches Mitgefühl anderen gegenüber zu zeigen. Wichtig hierbei
ist auch die wechselseitige Beeinflussung von dem Kind und seiner Bezugsperson. Das Kind
leistet seinen eigenen Beitrag zur Mitgestaltung der Beziehungsqualität. So zeigte sich zum
Beispiel in einer Studie von Grossmann und Mitarbeitern (Grossmann, Grossmann, Spangler,
Suess & Unzner, 1985), dass sicher gebundene Kinder, deren Mütter sich sensitiv gegenüber
den Signalen der Kinder verhielten, auch eher bereit waren auf Gebote oder Verbote der
Mutter einzugehen. Daher kann man annehmen, dass die Vermittlung von Normen und
Werten bei sicher gebundenen Kindern ehr gelingt als bei unsicher gebundenen Kindern.
Kinder die ihre Eltern als Sicherheitsbasis erleben können offensichtlich leichter Werte
annehmen. Erfährt das Kind eher Zurückweisung oder Enttäuschung kann es seine Umwelt
möglicherweise als feindselig und unangenehm empfinden. Dann besteht die Gefahr das sein
empathisches Empfinden abnimmt und es möglicherweise aggressive Verhaltensweisen
aufbaut.
1.6 Die Aggressionsentwicklung
Ich werde hier nun eine Zusammenfassung der Kernpunkte verschiedener Modelle zur
Aggressionsbildung aufstellen.
Nach Kornadt kann davon ausgegangen werden, dass sich bereits in der frühsten Kindheit die
Basisvoraussetzungen, die für die Ausbildung eines Aggressionsmotivs nötig sind,
entwickeln. In seiner Motivationstheorie zur Aggression nimmt Kornadt an, dass die
genetisch veranlagten Temperamentsunterschiede bei Kindern die Sensibilität für Ereignisse
die Ärger auslösen bestimmen und auch dafür verantwortlich sind dann eine emotionale
Reaktion des Kindes ausfallen wird. So wird zum Beispiel ein Kind das seine Umwelt
zunehmend als frustrierend ansieht und so seinen Unmut deutlich zeigt eher Zurückweisung
durch seine Betreuungsperson erfahren. Daraus resultiert dann eine unsichere Bindung zur
Betreuungsperson, die dafür verantwortlich ist, dass das Kind zunehmend das Verhalten der
Mutter, aber auch das seiner kompletten sozialen Umwelt (Familie, Freunde etc.) als
feindselig interpretiert. So trägt das Verhalten der Mutter und das eigene Temperament des
Kindes dazu bei das Aggressionsmotiv auszubilden. Die negative Grundeinstellung des
Kindes, die es in der frühen Kindheit gegenüber seiner Bezugsperson ausbaut führt
zwangsläufig zu weiteren Konflikten, die durch die unsichere Bindung begünstigt sind. Es
bilden sich Muster bei denen die Konflikte mit der Mutter auch auf andere Familienmitglieder
oder später dann auch generalisiert auf das komplette soziale Umfeld des Kindes angewandt
werden. Man kann sagen, dass das aggressive Verhalten in der Familie trainiert wird und dann
später auch außerhalb der Familie Anwendung findet. Hier wird das Kind zwar mit seinem
aggressiven Verhalten auf Zurückweisung bei weniger aggressiven Kindern treffen, es wird
aber weiterhin Kontakt zu Gleichgesinnten suchen und finden.
Heutzutage finden die Kinder und Jugendlichen aber nicht nur in der Familie Vorgaben für
ein aggressives Verhalten, sondern auch zunehmend in den Medien in denen Gewalt in jeder
Form dargestellt wird.
Im folgenden werde ich dazu speziell auf Wirkungen eingehen die von Video- und
Computerspielen ausgehen eingehen.
1.7 Wirkungsforschung zu Video- und Computerspielen
Die Entwicklung von Videospielen begann vor ca. 30 Jahren in den USA und war zunächst
nur auf die Spielhallen beschränkt. Dort wurden Jugendliche und junge Erwachsene von dem
Medium angesprochen. Mit der technischen Weiterentwicklung von Heimspielsystemen
verlagerten sich die Spielmöglichkeiten auch auf die privaten Haushalte und sprachen so auch
eine deutlich jüngere Zielgruppe an. Der Markt für diese Konsolen boomte und die Spiele
wurden rasent schnell weiterentwickelt. Bessere Grafiken die das Spielgeschehen immer
realistischer machen und einfachere Bedienung führten dazu, dass das Interesse für solche
spiele immer weiter anwuchs und auch heute noch anwächst.
1.7.1 Empirische Befunde zur Verbreitung der Spiele und zu den Videospielpräferenzen
Knoll und Mitarbeiter (Knoll, Kolfhaus, Pfeifer & Swoboda, 1986) führten 1986 eine
bundesweite Repräsentativbefragung durch, die den Umgang mit Videospielen von 1000
Kindern und jungen Erwachsenen im Alter von 12 bis 25 Jahren untersuchte. Zu diesem
Zeitpunkt spielten Videospiele noch eine geringe Bedeutung für die Befragten. Nur 20%
gaben an über eine Spielkonsole zu verfügen und sie unregelmäßig zu nutzen. Hauptsächlich
männliche, ältere Jugendliche mit geringem Bildungsstand zählten zur der Minderheit von
Vielspielern und die Spielinhalte waren eher unbedenklich.
Lukesch (1990) untersuchte diesen Sachverhalt zwischen den Jahren 1985 und 1988. Hier
konnte man schon eine starke Zunahme von Heimcomputern (von 7,1 auf 23,5 %) und
Videokonsolen (von 12,3 auf 19,9%) erkennen. Vor allem bei jüngeren Kindern war dieser
anstieg festzustellen. Auch in dieser Untersuchen waren die meisten Besitzer von
Spielanlagen männlich, wobei auch bei den Mädchen ein starker Zuwachs zu verzeichnen
war.
In einer Erhebung von 1993 (Steckel et al., 1995) waren bereits 45% der Jungen im
Vorschulalter im Besitz einer Spielkonsole, bei den Mädchen waren es 35%. Bei Kindern im
Grundschulalter gaben bereits 90% der Jungen und 65% der Mädchen an eine Spielkonsole zu
besitzen.
Fritz (1992) entwickelte eine eigene Typologie um die verschiedenen Spielarten in Kategorien
einteilen zu können. Demnach gibt es fünf Hauptgruppen von Videospielen, die meiner
Meinung nach heute noch mehr differenziert werden müssten.1. Abstrakte Denk- und
Geschicklichkeitsspiele, 2. Kampfspiele, 3. Funny-Games, 4. Simulationen, 5.
Spielgeschichten.
In der oben erwähnten Studie von Lukesch wurden die Kinder und Jugendlichen auch nach
ihren bevorzugten Spielen befragt. Die Jungen bevorzugen demnach Sport- und Kampfspiele.
Diese Kategorie der Spiele erfuhr auch eine große Steigerung der Verfügbarkeit. Weiterhin
stieg die Zahl der indizierten Spiele drastisch an. Waren es nur 12 Spiele im Jahre 1986 so
waren es schon 137 bis Ende 1990 (Glogauer, 1991). Eine klare Hirachie der Lieblingsspiele
lässt sich nur schwer festmachen, da auch hier unterschiedliche Ergebnisse bei
unterschiedlichen Studien vorliegen. Allerdings kann man sagen, dass die Kampfspiele immer
gut vertreten sind in solchen Studien.
1.7.2 Auswirkungen von Video- und Computerspielen auf das Verhalten von Kindern
Die Video- und Computerspiele bzw. die Auswirkungen die sie haben können rückten immer
mehr ins öffentliche Interesse, so das sich auch die Wissenschaft nach und nach mit diesem
Thema befasste. Im deutschsprachigen Raum gilt Jürgen Fritz als Vorreiter der
Videospielforschung. In einem Forschungsprojekt zu Beginn der 80er Jahre (Fritz, 1983,
1984) untersuchte er die Wirkungen von Videospielen. Sein Hauptaugenmerk galt den
emotionalen Auswirkungen und den motivationalen Beweggründen zum Videospielen bei
Kindern vom 6. bis zum 12. Schuljahr. Bei allen Kindern war eine Abschwächung der vitalen
Antriebe zu beobachten und es ließen sich Unterschiede im emotionalen Erleben festmachen.
Besonders bei älteren Schülern wirkte das intensive Spielen gefühlsmindernd. Vitale
Antriebe. Aktivität, Interesse und die positive soziale Emotionalität waren betroffen. Die
Schüler stuften ihre emotionale Gestimmtheit selber als eher feindselig und aggressiv ein.
Wie weiter oben erwähnt beinhaltet ein Großteil der Spiele Aggression in irgendeiner Form
und Kinder und Jugendliche bevorzugen dieses Genre. Das wirft die Frage auf inwieweit
solche Spiele eine aggressionsfördernde Wirkung haben. Allerdings findet man nicht nur in
Gewaltspielen Formen der Gewalt, sondern auch in abgeschwächter Form in „normalen“
Spielen. Ein wichtiger Faktor bei den spielen ist die Interaktivität. Der Spieler kann aktiv
Einfluss auf das Spielgeschehen nehmen und wird damit stärker in das Medium einbezogen,
als es zum Beispiel beim Fernsehen geschieht.
Trotz des öffentlichem Interesse hinkt die Forschung auf dem gebiet der Videospiele noch
hinterher. Führend in dem Bereich der Forschung sind hier die USA, wobei die einzelnen
Studien nicht zu einheitlichen Ergebnissen kommen und so wenig befriedigend sind. Deshalb
möchte ich an dieser stelle auch nicht weiter auf einzelne Forschungen eingehen, sondern
einige Punkte anführen die bei einer solchen Untersuchung von Bedeutung sein können.
Bei einer Untersuchung die, die Wirkung von Gewaltspielen überprüft müssen sowohl die
unterschiedlichen aggressiven Veranlagungen der Spieler, als auch die Anreizwerte der
Gewaltelemente und der Spielhandlung berücksichtigt werden. So haben gewalthaltige Spiele
auf aggressivere Kinder eine andere Wirkung als auf Kinder die als nicht aggressiv gelten. Ein
weitere Punkt ist die Vorerfahrung der Spieler mit gewalthaltigen Spielen. Bei einem Kind
das ausgiebig Erfahrungen mit solchen Spielen schon im Vorfeld gesammelt hat, wird so ein
Spiel andere Auswirkungen haben als auf ein Kind, dass so ein spiel zum ersten Mal spielt.
Auch das Alter der Kinder wird eine Rolle dabei spielen. Die meisten der Studien
untersuchten vor allem die beobachtbaren Aggressionsverhalten, was so nicht ausreicht.
Vielmehr muss das Augenmerk auch auf die Hemmechanismen des Aggressionsverhaltens
gerichtet werden. Der spielerische Umgang mit der Gewalt kann zum Beispiel zu einer
unmittelbaren emotionalen Abstumpfung führen und langfristig die Sensibilität für Notlagen
anderer reduzieren und eine Gewaltakzeptanz im eigenen Wertesystem manifestieren.
2. Die Methoden
Mit Hilfe der mir vorliegenden Arbeit soll der Nachweis erbracht werden, dass
aggressionsorientierte Spiele im Vergleich zu gewaltfreien Spielen eine Auswirkung auf das
kindliche Verhalten haben. Es soll aufgezeigt werden, dass der Umgang mit einem
gewalthaltigem Spiel zu einer Aktivierung des Aggressionsmotivs führen kann und das weiter
die Fähigkeit zum Mitleiden eine Beeinträchtigung erfährt. Dabei sollen auch die
verschiedenen Einflüsse der Dispositionsvariablen wie Empathie, Ängstlichkeit, Neugier,
Sensations-Seeking und allgemeine Spiel- und Freizeitgewohnheiten mit einbezogen werden.
Auch die Vorerfahrung mit Spielen in denen Gewalt dargestellt wird erfährt
Berücksichtigung.
2.1 Die Stichprobe
Es nahmen insgesamt 167 Kinder teil, die aus verschiedenen Kindertagesstätten und
Jugendfreizeiteinrichtungen in Bochum gewonnen wurden. Nach der Einwilligung der Eltern
konnten die Kinder und Jugendlichen an der Untersuchung teilnehmen. Es wurde darauf
geachtet, dass sowohl die Geschlechter sowie die verschiedenen Altersgruppen gleichermaßen
vertreten waren. Der Altersdurchschnitt lag bei 121 Monaten. Es wurden zwei Gruppen
gebildet. Zum einen eine Gruppe mit Kindern die nicht älter als 10 Jahre und einen Monat alt
waren (Grundschulkinder; Altersdurchschnitt 8,96 Jahre ) und zum anderen die Gruppe mit
den Kindern und Jugendlichen die mindestens 10 Jahre und 2 Monate alt waren (ältere
Schüler; Altersdurchschnitt 11,98 Jahre). In beiden Gruppen war das Geschlecht und das
Alter ausgeglichen und die Unterschiede sind nicht statistisch bedeutsam.
Die Untersuchung gliederte sich dann in zwei Abschnitte. Der erste Abschnitt befasste sich
mit der Erfassung der Dispositionsvariablen. Ein bis zwei Tage danach fand das Experiment
statt.
2.2 Erfassung der Personvariablen
Die Erfassung der Variablen erfolgte im Vorfeld des eigentlichen Experimentes. In
Einzelversuchen wurden den Kindern die einzelnen Verfahren zur Bearbeitung vorgelegt.
Hierbei ließ die Aufmerksamkeit bei den jüngeren Kindern manchmal nach, so dass eine
kurze Pause eingelegt wurde. In der Regel waren die Kinder selber in Lage die einzelnen
Verfahren durchzuführen, nachdem der Versuchsleiter ihnen eine Instruktion gegeben hatte.
Nur bei kleinen Kinder, die noch nicht in der Lage waren alles zu lesen, griff der
Versuchsleiter helfend ein.
2.2.1 Das Aggressions-Motiv-Gitter
Dieses Instrument zur Erfassung der Aggressionsdisposition wurde ausgewählt, weil es in
enger Beziehung zu einer Motivationstheorie der Aggression steht. Es wurde von Burkhardt,
Zumkley und Kornadt (1987) speziell für Kinder entwickelt. Hier werden auf
unterschiedlichen Skalen die beiden Komponenten des Motivs, das Motiv zur Aggression
und das Motiv zur Aggressionshemmung, gemessen.
Die Anwendung dieser Methode ist bei Kindern recht einfach und kann in Gruppen- oder
Einzeltests erfolgen. Den Kindern werden hierbei sechs Bilder gezeigt, die Jungen in
verschiedenen sozialen Situationen zeigen. Im Gegensatz zum Thematischen Auffassungstest
aus dem die Bilder stammen treffen die Kinder hier eine Auswahl aus vorgefertigten
Antworten, die zu einer in Gedanken entworfen Geschichte zu den Bildern passen. Die
einzelnen Antwortmöglichkeiten enthalten Aussagen für das Aggressionsmotiv, z.B. das
Bedürfnis nach Verletzungen und auch hemmungsrelevante Gefühle wie Schuld. Als PufferItems enthält das Gitter auch Aussagen die Freundschaft betreffen.
Das Verfahren wurde im Einzelversuch mit jedem Kind angewendet. Berechnet wurden die
Standardskalen „Aggressionsmotiv“ (A) mit den Subskalen „Handlungsbezogene
Kognitionen“ (ADH) und „Bedürfnis nach Erfolgserwartung“ (ADM) und
„Aggressionshemmung“ (AH) mit den Subskalen „intrinsiche Hemmung“ (AHI) und
„extrinsiche Hemmung“ (AHE).
2.2.2 Erzieherinnenrating zur offen gezeigten Aggression
Auch das beobachtbare Verhalten der Kinder bezüglich der Aggressivität sollte berücksichtigt
werden. In Anlehnung an das von Olweus (1974) konzipierte Peer-Rating bekamen die
Erzieherinnen vier Skalen zur Einschätzung des kindlichen Verhaltens vorgelegt. Die erste
Skala beschreibt die Tendenz des Kindes Kämpfe mit anderen Kindern anzufangen, die
zweite Skala beschreibt ob das Kind häufig Ziel solcher aggressiven Handlungen ist, die dritte
Skala erfasst dass verbale aggressive Verhalten den Erzieherinnen gegenüber und mit Hilfe
der vierten Skala wird eingeschätzt wie beliebt das Kind bei den anderen Kindern ist.
Eingeteilt sind die Skalen in sieben Stufen. Hierbei wird eingeschätzt ob das Kind sehr selten
bis hin zu sehr oft zu relevantem Verhalten neigt, bzw. bei der Skala „Beliebtheit“, ob das
Kind von keinem gemocht wird bis hin zu von jedem gemocht. Auf diese Weise wurde jedes
Kind anonym von zwei oder drei Erzieherinnen seiner Gruppe beurteilt.
2.2.3 Empathie
Hier wurde ein Fragebogen, der Empathie-Index (Bryant 1982) gewählt. Das Verfahren
beruht auf einem theoretischen Verständnis von Empathie im Sinne von stellvertretender
emotionaler Reaktion auf die wahrgenommene emotionale Erfahrung. Der Schwerpunkt liegt
herbei auf der emotionalen Responsivität. Hierbei wurden den Kindern 22 Statements
vorgelegt, die in der Ich-Form verfasst waren. Sie hatten die Möglichkeit mit stimmt oder
stimmt nicht zu antworten. Diese zwei Skalen wurden später für die Berechnung ausgezählt.
2.2.4 Ängstlichkeit
Hier kam der Angstfragebogen zur Schul- und Prüfungsängstlichkeit bei Kindern „AFS“
(Wieczerkowski, Nickel, Janowski, Fittkau & Rauer, 1975) zum Einsatz. Die Angst wird hier
als ein theoretisches Konstrukt verstanden, dass aus verschiedenen objektivierbaren daten
erschlossen werden muss. Es findet eine Unterscheidung zwischen genereller Angst und
situationsabhängiger Angst statt. Der Fragebogen ist so konzipiert, dass er beide Arten der
Angst erfassen kann. Ein dritter Aspekt beschäftigt sich mit der Schullust bzw. der
Schulunlust. Mit Hilfe von 50 Itmes wird bei diesem Verfahren die Angst in vier Skalen
gemessen. Die erste Skala ist die „Manifeste Ängstlichkeit“ (MA), mit der allgemeine
Angstsymptome wie Nervosität oder Herzklopfen etc. beschrieben werden können. Die
zweite Skala „Prüfungsängstlichkeit“ (PA) enthält Items, die sich Hilflosigkeit in
Prüfungssituationen oder Ängste vor einem Leistungsversagen beziehen. Die Skala
„Schulunlust“ (SU) beschreibt die innere Abwehr der Kinder gegenüber Schule. Mit der Skala
„Soziale Erwünschtheit“ wird erhoben, inwieweit die Kinder eine Ängstlichkeit entwickeln,
von der sozial erwünschten Norm abzuweichen.
In der vorliegenden Arbeit wurden alle Skalen bis auf die der „Sozialen Erwünschtheit“
ausgewertet.
2.2.5 Neugier/Wissbegier und Sensation-Seeking
Das Verfahren welche hier eingesetzt wurde, wurde von der Autorin auch bei einer früheren
Studie schon angewandt. Ursprünglich für eine Studentenpopulation entwickelt (Mackowiak
& Trudewind, 1992) wurden hier die Items für die Kinder neu entwickelt. 19 Items
definierten die Skala Neugier/Wissbegier und 13 Items die Skala Sensation-Seeking. Letztere
beruht auf den theoretischen Grundannahmen des Sensation-Seeking-Konzeptes nach
Zuckerman (Zuckerman, 1980). Es handelt sich hierbei um eine Verhaltensdisposition, die
gekennzeichnet ist von einem Bedürfnis nach abwechslungsreichen, komplexen Eindrücken.
Um diese Eindrücke zu erfahren besteht auch die Bereitschaft physische und soziale Risiken
einzugehen.
2.2.6 Allgemeine Spiel- und Freizeitvorlieben
Bei diesem Verfahren werden den Kindern Spiel- und Freizeitgestaltungsmöglichkeiten mit
unterschiedlichen Anreizqualitäten bildhaft vorgeführt. Die Kinder treffen dann eine Auswahl
mit der Methode des Paarvergleiches. Eingeteilt ist das Ganze in vier Bereiche: sportliche
Spiele, Phantasie- und Rollenspiele, leistungsthematische Spielaktivitäten und rezeptive
Tätigkeiten. In jeder Kategorie liegen vier Auswahlmöglichkeiten vor. Jede Kategorie sollte
nach Möglichkeit Spiele mit Wettbewerbscharakter vs. Reiner Funktionslust, soziale vs.
Einzelspiele und Spiele im Freien vs. Spiele im Raum enthalten. Jedes Element einer Gruppe
kann mit jeweils einem Element der anderen Gruppen kombiniert werden. Das ergibt dann 24
Paarvergleiche.
Die Vergleichspaare sind im Test in einer zufälligen Reihenfolge angeordnet. Jede Spielart ist
dreimal vertreten und kann so auch nur maximal dreimal gewählt werden, wobei die Wahl
einer Spielart stets aus einer der anderen drei Kategorien zu treffen ist.
Bei der späteren Auswertung entstehen sechs unterschiedliche Kennwerte. Diese beschreiben
das Ausmaß der Präferenz sportlicher Spiele, von Phantasie- und Rollenspielen,
leistungsthematischer Spiele, rezeptiver Freizeittätigkeit, sozialer Spielaktivität und von
Spielen in geschlossenen Räumen.
2.3 Experimentelles Vorgehen
2.3.1 Auswahl der Spiele
Es wurden zwei Spiele ausgesucht. Zum einen ein aggressionsorientiertes Spiel und ein
aggressionsfreies Spiel. Aus ethischen, moralischen und pädagogischen Gründen war die
Wahl für ein aggressionsorientiertes spiel eingeschränkt. Es sollten keine Waffen eingesetzt
werden, keine Verletzungen oder Tötungen thematisiert werden. Die Wahl fiel auf das
Kampfspiel „Street-Fighter2“. Das Spiel baut zwar auf körperliche Auseinandersetzungen auf,
zeigt aber keine Verletzungen oder gar Tötungen. Sieben Kämpfer und eine Kämpferin stehen
dem Spieler zur Auswahl, die jeweils mit einer eigenen Biographie beschrieben sind und auch
jeder eigene Spezialfertigkeiten hat. Dadurch entsteht eine höhere Identifikation bei dem
Spieler. Die Spieler kämpfen sich nach und nach durch alle Gegner, wobei man immer zum
nächsten Gegner gelangt nachdem man einen anderen zweimal k.o. geschlagen hat.
Das Geschicklichkeitsspiel „Joshi´s Cookie“ wurde als gewaltfreies Spiel ausgewählt. Der
Spieler muss hier bunte Kekse entsprechend ihrer Farbe und Form in Reihen sortieren. Von
Level zu Level erhöht sich der Schwierigkeitsgrad.
Beide Spiele werden über Spielkonsolen gespielt und haben eine einfache Bedienung.
2.3.2 Durchführung der Untersuchung
Die Kinder wurden einzeln in einen Raum geführt, in dem das Videospiel schon aufgebaut
war. Die Auswahl Der Versuchsleiter legte den Kindern dann für die EKG- und GSRAufzeichnungen nötigen Elektroden an und stellte anschließend eine Verbindung zum
„Kölner Vitaport-System“ her, wo die physiologischen Daten direkt in Computern gespeichert
wurden. Nachdem eine Videokamera auf das Gesicht des Kindes gerichtet war begann das
Experiment. Nach dem Zufallsprinzip wurden die Kinder entweder dem aggressiven oder dem
nicht-aggressiven Spiel zugeteilt.
Nachdem die Kinder eine kurze Einleitung vom Versuchsleiter bekommen hatten konnten sie
ca. 20 Minuten spielen. Nach dieser Zeit brach der Versuchsleiter das Spiel mit den Worten
„wir müssen jetzt hier Schluss machen, du kannst dir nun ein paar Bilder ansehen“ ab. Durch
diese Formulierung war den Kindern nicht klar, dass sie das Spiel zu einem späteren
Zeitpunkt nochmals fortsetzen konnten.
Um jetzt die emotionale Reagibilität zu messen wurde der Monitor weggeschoben und durch
einen Diaprojektor ersetzt. Nun wurde den Kindern ein Bildsatz von 48 Bildern präsentiert. Es
handelte sich um einen Satz Bilder (16 Stück), die in dreifacher Ausführung vorlagen. Dieser
einfache Satz enthielt zur Hälfte emotionsanregende und zur Hälfte neutrale Bilder.
2.3.3 Beschreibung des Verfahrens zur Erfassung emotionaler Reagibilität
Da das Ziel der Arbeit darin lag nachzuweisen, dass Videospiele mit aggressionshaltigem
Inhalt eine emotionale Abstumpfung gegenüber dem Leid anderer bewirken, schien es
sinnvoll die Kinder mit bildhaften Stimulusmaterial zu konfrontieren, dass solche
empathischen Reaktionen anregt. Den Kindern wurde abwechselnd je ein emotionsanregendes
Bild und ein neutrales Bild gezeigt. Die neutralen Bilder wurden dazwischen geschoben um
speziell bei den jüngeren Kindern einer emotionalen Verstimmung vorzubeugen. Im Kontrast
zu den eher emotional belastenden Bildern sollten die neutralen Bilder auch positive
Reaktionen zulassen. Die Bilder wurden in folgender Reihenfolge gezeigt.1.Küstenlandschaft,
2.Maus, die Injektion erhält, 3.Feldweg, 4.Frau mit pockenkrankem Kind, 5.Beerenblüte,
6.Kind bei Impfung, 7.Mohnfeld, 8.Hühner in der Legebatterie, 9.Brücke, 10.Kind mit
Verbrennungen, 11.Parklandschaft, 12.abgemagerter Mann aus Hungergebiet,
13.Mohnblume, 14.getötetes Wildschwein, 15.Wiese, 16.misshandeltes Kind.
Die beiden weiteren Bildsätze enthielten dieselben Bilder.
Mit diesem Verfahren ist es möglich verschiedene empathische Reaktionen zu erfassen. Zum
einen das Ausdrucksverhalten mit Komponenten wie Mimik, Gestik und Verbalisation, zum
anderen können auch physiologische Parameter wie die Herzfrequenz emotionale Reaktion
beschreiben. Auch die zeit, die ein Kind sich nimmt die Bilder anzuschauen spielt dabei eine
Rolle.
2.3.4 Erhebung der emotionalen Reaktionen
Mit Hilfe eines einzelnen Knopfdrucks konnte das Kind die Bilder wechseln. Dieser Moment
wurde dann auch gleichzeitig vom Vitasport-System festgehalten werden , um die Dauer der
Betrachtung zu bestimmen. Wenn das Kind keine weiteren Bilder mehr sehen wollte konnte
er das Gerät mit einem andern Knopf ausschalten. Nachdem der Versuchsleiter dem Kind die
Informationen mitgeteilt hatte zog er sich zurück und war angewiesen sich im Hintergrund zu
halten und auch nicht auf Fragen oder Kommentare des Kindes einzugehen.
Mit Hilfe der noch angelegten Elektroden und der Kamera, die auf das Kind gerichtet war
konnten alle nötigen Daten erfasst werden.
Es ergaben sich folgende Parameter:1.Indikatoren im mimisch-gestischen Bereich und verbale
Äußerungen, 2.physiologische Parameter, 3. Anzahl der angeschauten Bilder, 4.
Betrachtungszeit für die einzelnen Bilder.
Diese Parameter wurden dann gesondert voneinander ausgewertet. Auf die Verfahren zur
Auswertung werde ich an dieser Stelle nicht eingehen.
Nachdem die Kinder die Bilder angeschaut hatten bekamen sie die Möglichkeit nochmals mit
dem zuvor gespielten Spiel zu spielen. Dieser Vorgang wurde dann nach zehn Minuten vom
Versuchsleiter abgebrochen, so dass der gesamte Vorgang ca. 30 Minuten dauerte. Es folgte
eine weitere Erhebung in einem zweiten Versuchsraum.
2.3.5 Erfassung der subjektiven Befindlichkeit
Um die momentane Befindlichkeit der Kinder einschätzen zu können legte man ihnen eine
Emotions-Adjektiv-Skala vor. Sie war in Anlehnung an ähnliche Verfahren von Sokolowski
(19929 und Fritz (1983) konstruiert worden. Sie enthält 13 gegensätzliche Adjektivpaare:
heiter-ernst, ruhig-aufgeregt, schlapp-munter, lebendig-lahm, ängstlich-mutig, frischerschöpft, fröhlich-traurig, kraftvoll-kraftlos, locker-angespannt, wütend-friedlich, zufriedenunzufrieden, freundlich-feindselig, überlegen-unterlegen. Die Kinder bekamen die Instruktion
auf einer siebenstufigen Skala zu beschreiben, wie sie sich fühlten.
2.3.6 Messung der Aggressionsaktivierung
Hierzu bekamen die Kinder nochmals die sechs Bilder aus dem Aggressions-Motivs-Gitters
vorgelegt. Diesmal konnten sie jedoch zu jedem Bild eine eigene Geschichte erzählen. Als
Anhaltspunkte für die Gestaltung der Geschichte gab der Versuchsleiter zu jedem Bild vier
Fragen vor.1.Was spielt sich hier ab - wer sind die Personen? 2.Wie ist es zu der Situation
gekommen – was hat sich zugetragen? 3.Was denken die einzelnen Personen auf dem Bild –
was wollen sie? 4.Wie wird es weitergehen – wie geht alles aus?
Falls das Kind schon nach der ersten Frage eine Geschichte erzählte, die alle nötigen
Merkmale beinhaltete, so wurde auf die anderen Fragen verzichtet. Die Geschichten wurden
weiterhin auf Tonband festgehalten und anschließend analysiert.
2.3.7 Abschließendes Interview
In diesem Interview wurde nach den positiven und negativen anreizen der zuvor gespielten
Spiele gefragt. Auch die Videospielgewohnheiten sollten mit Hilfe dieses Interviews
erschlossen werden. Insgesamt sah das Interview 12 Items vor.
Um das Interview auswerten zu können wurde ein Kodierschema entworfen. Die
Einschätzung der Wertschätzung des gespielten Spiels erfolgte mit Hilfe einer dreistufigen
Skala von „gar nicht gefallen“ über „gefallen mit Einschränkungen“ bis hin zu „gut gefallen“.
Die Werteinschätzung der aggressiven Anteile des Street-Fighter Spiels erfolgt genauso. Für
die Leistungsbeurteilung bei der Bewältigung des jeweiligen Spiels lag eine vierstufige Skala
vor(schlecht, mittelmäßig, gut und sehr gut). Die allgemeine Erfahrung mit Spielen und die
mit Kampf- und Gewaltspielen wurde ebenfalls mit einer vierstufigen Skala vorgenommen
(keine, geringe, mittlere und hohe Erfahrung). Die Spielhäufigkeit wurde fünfstufig erfasst
(nie, sehr selten, selten, häufig und sehr häufig). Die Zugangsmöglichkeiten wurden in einer
sechsstufigen Skala bestimmt. Dabei wurde unterschieden zwischen „bei Freunden“, „zu
Hause“, „im Kaufhaus“, sowie die Kombinationsmöglichkeiten der Orte. Um die Vorliebe für
bestimmte Spielgenres zu erkennen erstellte man vier Kategorien: Strategie- und
Geschicklichkeitsspiele, Sportspiele, Action- und Adventurespiele, Gewalt- und Kampfspiele.
Der Besitz eigener Spiele und die Bekanntheit des gespieltem wurden mit „ja“ und „nein“
beantwortet. Die Dauer des Spielens wurde in Minuten angegeben.
3. Befunddarstellung und Auswertung
3.1 Teil Beschreibung der Stichprobe im Hinblick auf die erhobenen
Variablen in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht
In diesem ersten Teil der Analyse werden die erfassten Variablen in Abhängigkeit von Alter
und Geschlecht dargestellt. Weiterhin werden die Videospielgewohnheiten und Erfahrungen
der Kinder betrachtet, unter Einbeziehung des in der Untersuchung gespielten Spiels.
3.1.1 Analyse der Dispositionsvariablen
3.1.1.1 Die mit dem Aggressions-Motiv-Gitter erfasste Aggressionsdisposition
Es ist festzustellen, dass sich bei beiden untersuchten Altersgruppen keine bedeutenden
Unterschiede bezüglich der Aggressionsdisposition zeigen. Als weiterer Punkt sei erwähnt,
dass sich Jungen und Mädchen nicht im Grad ihrer Aggressionsausprägung unterscheiden.
Weder bei dem Aggressionsmotiv noch bei dem Aggressionshemmungsmotiv sind
Unterschiede festzustellen. Die festgestellten Werte lagen alle im Normbereich, wobei der
Wert der Hemmung etwas höher lag als bei der Norm.
Auch die Kinder die mit dem aggressionsorientierten Spiel spielten unterschieden sich in ihrer
Aggressionsmotivation nicht von den Kindern, die das gewaltfreie Spiel spielten.
3.1.1.2 Einschätzungen des Aggressionsverhaltens und der Beliebtheit durch die
Erzieherinnen
Die beiden Skalen, die beschrieben ob das Kind in seiner Gruppe dazu neigt Streit anzufangen
und ob es sich aufsässig gegenüber den Erzieherinnen verhält wurden zu einem
Aggressionskennwert zusammen gefasst. Die Beliebtheit des Kindes in seiner Gruppe ging als
Einzelskala in die Bewertung ein.
Altersunterschiede wurden keine festgestellt. Allerdings wurden die Mädchen als weniger
aggressiv von den Erzieherinnen beurteilt. Auch bei der Beliebtheit lag der wert der Mädchen
deutlich höher als bei den Jungen.
Auch hier war kein Unterschied zwischen den Kindern mit dem gewalthaltigem Spiel und den
Kindern mit dem gewaltfreien spiel festzustellen.
3.1.1.3 Die Disposition zur Empathie
Hier unterschieden sich die Mittelwerte bei den verschiedenen Altersgruppen und
Geschlechtern deutlich. Demnach sind die älteren Kinder empathischer als die Jüngeren und
die Mädchen empathischer als die Jungen.
3.1.1.4 Ängstlichkeit
Die Unterskalen „Manifeste Ängstlichkeit“ (MA), „Prüfungsängstlichkeit“ (PA) und
„Schulunlust“ (SU) wurden getrennt auf Geschlechts- und Alterseffekte hin untersucht. Nur
bei dem Mittelwert der PA konnte ein Unterschied zwischen Jungen und Mädchen festgestellt
werden. Der Wert lag hier bei den Mädchen höher als bei den Jungen.
3.1.1.5 Sensation-Seeking und Neugier/Wissbegier
Weder bei den Altersgruppen noch bei Jungen und Mädchen waren hier Unterschiede
festzustellen.
Abschließend sei hier noch mal erwähnt, dass sich die Kinder beider Experimentalgruppen
weder in ihrer Aggressionsneigung noch in der dispositionellen Empathie unterschieden.
3.1.2 Analyse der Daten zu Videospielgewohnheiten und –erfahrungen
Hier sollen nun die Ergebnisse der Befragung erläutert werden. Zunächst wird auf die
Videospielgewohnheiten im Allgemeinen und dann auf die in der Untersuchung gespielten
Spiele im speziellen eingegangen werden.
3.1.2.1 Besitz
135 Kinder (81,3%) von den 167 Kindern gaben an selber im Besitz einer Spielkonsole bzw.
Computers oder von Spielen zu sein. Nur 31 Kinder (18,7%) gaben an keine Spielmöglichkeit
zu besitzen. Von einem Kind liegen keine Daten vor.
Laut den Ergebnissen besitzen deutlich mehr Jungen eine Spielkonsole als Mädchen. Bei den
beiden Altersgruppen gab es kaum Unterschiede.
3.1.2.2 Spielerfahrung
Von allen Kindern wurden hier nur 2,4% als völlig unerfahren eingestuft. 24,1% der Kinder
gaben eine geringe Spielerfahrung an. Der größte Teil der Kinder (44%) hatte eine mittlere
Spielerfahrung und 29,5% galten als hoch sielerfahren.
Bei den Altersgruppen konnten keine Unterschiede festgestellt werden. Allerdings sind auch
hier genauso wie beim Besitz die Jungen führend. Sie verfügen im Vergleich zu den Mädchen
über mehr Spielerfahrung.
3.1.2.3 Erfahrung mit aggressionsorientierten Spielen
71,1% der Kinder gaben an keine oder nur geringe Erfahrungen mit diesem Genre zu haben.
28,9% der Kinder gaben an hohe bis sehr hohe Spielerfahrungen mit aggressionsorientierten
Spielen zu haben. Hier sind auch Unterschiede bei den Altersgruppen und Geschlechtern
festzustellen. Jungen verfügen über mehr Erfahrungen mit diesem Genre als die Mädchen.
Die älteren Schüler sind vertrauter mit dieser Art von Spielen als die Jüngeren.
3.1.2.4 Präferenz für die unterschiedlichen Videospielkategorien
Die vier Kategorien die, die Kinder hier auswählen konnten waren: Strategie- und
Geschicklichkeitsspiele, Sportspiele, Action- und Adventurespiele und Gewalt und
Kampfspiele.
Die meisten Kinder (64,1%) bevorzugen Action- und Adventurespiele. 17% bevorzugen die
Gewalt- und Kampfspiele, während nur 9,8% bzw. 9,2% Geschicklichkeitsspiele bzw.
Sportspiele bevorzugen.
Bei Jungen und Mädchen ergeben sich unterschiedliche Vorlieben. So bevorzugen 50% der
Jungen Action- und Adventurespiele, 30% bevorzugen Kampf- und Gewaltspiele, 16,3%
Sportspiele und nur 3,8% Geschicklichkeitsspiele.
Der Großteil der Mädchen (79,5%) bevorzugen wie die Jungen am liebsten Action- und
Adventurespiele. 16,4% bevorzugen Strategie- und Geschicklichkeitsspiele. Gewalt- und
Kampfspiele zählen ebenso wenig wie Sportspiele zu den präferierten spielen von Mädchen.
3.1.2.5 Spielhäufigkeit
19,3% der Kinder gaben an täglich mit elektronischen Spielen zu spielen. 39,8% spielten
mehrmals die Woche und 22,4 % der Kinder sehr selten. Nur 1,9% gaben an noch nie mit
einem Video- und Computerspiel gespielt zu haben. Sechs Kinder machten keine Angaben.
Auch hier war wieder ein deutlicher Unterschied zwischen Jungen und Mädchen festzustellen.
Die Jungen spielten demnach häufiger mit elektronischen Spielen als die Mädchen. Bezüglich
der zwei Altersgruppen konnten keine Unterschiede festgestellt werden.
3.1.2.6 Spielzeit
Sechzig Kinder (35,9%) machten keine Angaben in diesem Bereich. Der Mittelwert lag bei 60
Minuten, wobei das Minimum bei fünf Minuten und das Maximum bei 300 Minuten lag. 35,5
% der Kinder gaben an zwischen fünf und 30 Minuten zu spielen. 29,9% spielten bis zu einer
Stunde, 14% zwischen einer und zwei Stunden, 11,2% bis zu drei Stunden und 5,6 % der
Kinder gaben an länger als drei stunden zu spielen.
Bei Jungen und Mädchen gab es keine bedeutsamen Unterschiede. Bei den beiden
Altersgruppen unterschieden sich die Mittelwerte jedoch recht deutlich. Die älteren Schüler
spielten demnach 100 Minuten hintereinander, während die Grundschulkinder nur etwa 60
Minuten durchgehend spielten.
3.1.2.7 Zugangsmöglichkeiten
Hier gaben 38,6% der Kinder an zu Hause und bei Freunden das Medium zu nutzen. Ein
ebenfalls recht großer Teil von 24,7% gab zusätzlich noch an auch in Kaufhäusern zu spielen.
12,7% spielen zu Hause und in Kaufhäusern, 13,3% der Kinder haben nur die Möglichkeit bei
Freunden zu spielen und lediglich 10,8% gaben an nur zu Hause spielen zu würden. Jungen
nutzen nach diesen Angaben mehr Zugangsmöglichkeiten als Mädchen. Bei den beiden
Altersgruppen gab es keine Unterschiede.
3.1.3 Angaben zu dem in der Untersuchung gespielten Videospiel
3.1.3.1 Bekanntheit des Spiels
Von den Kindern die das Street-Figter-Spiel während der Untersuchung gespielt hatten gaben
47% an das Spiel ihnen bekannt sei und 53 % gaben an es nicht zu kennen.
Von der Gruppe die das Joshi-Spiel gespielt hatten gaben 89,9% an das Spiel gar nicht zu
kennen und nur 10,3 % gaben an es zu kennen.
Das Street-Fighter-Spiel war den Jungen in höherem Maße vertraut als den Mädchen. Ei
Unterschied war auch bei den beiden Altersgruppen zu erkennen. Demnach kannten die
älteren Schüler das Spiel mehr als die Grundschulkinder.
Bei dem Joshi-Spiel gab es keine Unterschiede.
3.1.3.2 Wertschätzung des Spiels
Auf beide Spiele bezogen gaben 74,7 % der Kinder an, dass ihnen das zuvor gespielte Spiel
gefallen hat. 15,7% gaben an, dass es ihnen nur eingeschränkt gefallen hatte und 9,6%
mochten das Spiel überhaupt nicht.
Bei einer getrennten Betrachtung der beiden Spiele konnte festgestellt werden, dass das
Street-Fighter-Spiel häufiger abgelehnt wurde (11,8%) als das Joshi-Spiel(7,4%).
Bei den beiden Geschlechtern fiel die Bewertung gegensätzlich aus. So lehnten 19% der
Mädchen das Street-Fighter-Spiel ab und nur 2,4% das Joshi-Spiel. Die Jungen dagegen
lehnten mit 12,5% das Joshi-Spiel ab, während nur 2,4% das Street-Fighter-Spiel nicht
mochten.
3.1.3.3 Wertschätzung der aggressiven Anteile des Street-Fighter-Spiels
Von den 86 Kindern, die das Street-Fighter-Spiel gespielt hatten gaben 73 ein Kommentar ab.
20,5% von ihnen gaben an, dass ihnen die aggressiven Anteile des Spiels nicht gefallen
hätten, während der Großteil von 69,9% der Kinder angab das Spiel gerade aufgrund dieser
Elemente zu schätzen. Der Rest von 9,6% schätzte diese Elemente mit kleinen
Einschränkungen.
3.1.3.4 Leistungsbeurteilung
2% der Kinder schätzen ihre zuvor erbrachte Leistung im Spiel als schlecht ein. 47% meinten
mit mittelmäßigem Erfolg gespielt zu haben, 37,3% mit gutem erfolg und 13,1% mit sehr
gutem Erfolg.
Es fiel auf, dass sich die jungen im Mittel besser einstuften als es die Mädchen taten. Bei den
beiden Altersgruppen gab es keine Unterschiede.
Bei einzelner Betrachtung der Spiele konnten auch keine signifikanten Unterschiede
festgestellt werden.
3.1.4 Allgemeine Spielpräferenzen
Bei den sonstigen Spiel- und Freizeitaktivitäten zeigten sich bei Jungen und Mädchen keine
großen Unterschiede. Dagegen lagen bei den beiden Altersgruppen durchaus Unterschiede
vor. Die Grundschüler bevorzugten hierbei Phantasie- und Rollenspiele in höherem Maße als
die älteren Schüler. Diese bevorzugten mehr Spiele mit leistungsthematischen Anreiz.
Sportliche Spiele und rezeptive Aktivitäten waren bei beiden Gruppen gleich vertreten.
Bei den drei Kennwerten die, die Vorliebe für Spiele im Haus vs. Spiele im Freien,
Sozialspiel vs. Alleinspiel und Spiel mit Leistungsanforderungen vs. Spiel ohne
Leistungsanforderungen ausdrückten gab es wenig Unterschiede.
Hierbei bevorzugten Jungen Spiele mit Leistungsanforderung eher als die Mädchen. Ältere
Kinder bevorzugten diese Sparte ebenfalls mehr als die Jüngeren.
3.2 Teil 2 der Datenanalyse: Beziehungsmuster zwischen den
Dispositionsvariablen, den allgemeinen Spielpräferenzen und den speziellen
Videospielerfahrungen
3.2.1 Zusammenhang zwischen den verschieden Dispositionsmaßen und ihren
Unterskalen
Hierbei ist festzustellen, dass eine hohe Ausprägung der Aggressionsdisposition in Beziehung
steht zu einer hohen manifesten Ängstlichkeit. Kinder die als hoch aggressiv gelten weisen
auch eine Vielzahl allgemeiner Angstsymptome auf wie Nervosität, Schlaf- und
Konzentrationsstörungen und hohe Furchtsamkeit. Diese Kinder begegnen der Schule auch
eher mit Ablehnung bzw. Unlust. Bei Kindern die eine hohe Aggressions-HemmungsTendenz aufweisen liegen Versagensängste und Hilflosigkeitsgefühle in Prüfungs- und
Leistungssituationen vor.
Weiterhin kann man sagen, dass hoch aggressive Kinder in ihrer Spiel- und Freizeitgestaltung
eher auf Tätigkeiten zurückgreifen, die keinen leistungsthematischen Anspruch haben.
Nach den Beobachtungen, die von den Erzieherinnen in den Horteinrichtungen gemacht
wurden besteht auch ein Zusammenhang zwischen hoher Aggressivität und der
Neugier/Wissbegier, jedoch kein Zusammenhang zur Ängstlichkeit. Dabei sind die Kinder,
die durch aggressives Verhalten in den Horten auffallen auch diejenigen, die als neugierig und
wissbegierig einzustufen sind.
Andere Zusammenhänge sind bei der Empathiedisposition zu erkennen. Niedrig empathische
Kinder weisen ein hohes Maß an Schulunlust auf und sind auch nur in geringem Maße
neugierig bzw. wissbegierig.
3.2.2 Beziehung zwischen den allgemeinen Spielpräferenzen und den
Videospielerfahrungen und- gewohnheiten
Man kann sagen, dass die Videospielgewohnheiten nicht unabhängig von den sonstigen Spielund Freizeitvorlieben gesehen werden können. Kinder die sich allgemein eher weniger mit
aktiven Tätigkeiten beschäftigen spielen auch gerne Videospiele.
Kinder, die im eher leistungsthematische Herausforderungen suchen besitzen zwar nicht
Videospiele in großem Ausmaß, jedoch wenn sie im Besitz solcher Spiele sind beschäftigen
sie sich auch ausgiebig mit ihnen. Vermutlich spielt der leistungsthematische Anreiz vieler
Spiele hier eine entscheidende Rolle.
Kinder, die Phantasie- und Rollenspiele bevorzugen und die , die gerne mit anderen Kindern
zusammen spielen, beschäftigen sich weniger ausdauernd mit Videospielen wie die anderen.
Das kann zum einen daran liegen, dass man meist alleine vor dem Bildschirm sitzt und zum
anderen, dass oft keine kreative Spielgestaltung möglich ist. Wenn sich solche Kinder doch
mit Videospielen beschäftigen, so bevorzugen sie eher Strategie- und Geschicklichkeitsspiele
als das sie Kampfspielen spielen würden.
3.2.3 Zusammenhänge zwischen den Dispositionsvariablen und den im Interview
erfassten Spielerfahrungsdaten
Kinder die als hoch aggressiv gelten spielen häufig mit Videospielen und schätzten auch sehr
die aggressiven Elemente in dem während der Untersuchung gespieltem Spiel. Um Spielen zu
können nutzen sie auch die verschiedenen Zugangsmöglichkeiten aus.
Auch Mädchen die in ihren Gruppen durch aggressives Verhalten auffallen geben an, dass sie
häufiger mit elektronischem Spielzeug spielen. Im Gegensatz dazu zählen die Mädchen, die
nur selten solche Spiele spielen zu den beliebtesten in den Gruppen.
Kinder die durch Aggression gegenüber ihren Spielkameraden auffallen verfügen auch über
reichhaltige Erfahrungen mit Videospielen und werden von ihren Spielkameraden weniger
gemocht. Dies gilt auch für die Kinder die Gewalt- und Kampfspiele bevorzugen.
Es fiel auch auf, dass die Kinder die angaben sehr ausdauernd mit Videospielen umzugehen
auch von den Erzieherinnen als aggressiv eingestuft wurden. Bei den Grundschulkindern
allerdings gelten diese Kinder noch als beliebt was sich bei den älteren Kindern im genauen
Gegenteil niederschlägt.
Im Zusammenhang mit der Selbsteinschätzung der Kinder lässt sich folgendes festhalten. Als
allgemein weniger beliebt galten die Kinder die ihre Leistung im Spiel als „gut“ einschätzten.
Unter diesem Aspekt werden Mädchen auch als aggressiv eingestuft. Jungen die diese
Einschätzung abgaben verfügten nur über eine geringe Fähigkeit zur Empathie. Dies gilt
ebenso für die Kinder, die über viel Erfahrung mit Gewaltspielen verfügten. Diese niedrig
empathischen Kinder schätzten auch besonders die aggressiven Elemente in den gespielten
Spielen.
Diese Befunde weisen darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen den
Videospielgewohnheiten, Personvariablen und Verhaltensweisen gibt und das es
möglicherweise langfristige Auswirkungen auf die Kinder gibt, bei dauernden gebrauch von
aggressiven Videospielen. Es wird deutlich, dass die aggressiven und niedrig empathischen
Kinder einen Hang zu solchen Spielen haben. Diese Vorliebe wird vielleicht noch verstärkt
durch die Ablehnung, die sie durch ihre Spielkameraden erfahren.
3.3 Teil 3 der Befunddarstellung: Experimentelle Befunde und
Nebenbefunde
3.3.1 Motivierungseffekte durch die Spiele
Hierbei fällt vor allem auf, dass die Kinder, die über viel Erfahrung mit
aggressionsorientierten Spielen verfügen über viele körperliche Auseinandersetzungen mit
Spielkameraden berichteten. Kinder die, die Gewaltelemente in dem Street-Figter-Spiel
besonders schätzten neigen auch dazu körperliche Aggressionen zu thematisieren und zu
verallgemeinern. Daher wäre es denkbar, dass die dargestellte Gewalt in solchen Spielen für
die Kinder Modellcharakter hat und sie dieses Modell in ihr eigenes Verhaltensmuster
aufnehmen.
Der Zusammenhang zwischen einer geringen Aggressions-Hemmung und einer hohen
Spielhäufigkeit lässt die Vermutung zu, dass ein ausgiebiger Umgang mit Videospielen,
insbesondere mit denen die Gewalt darstellen, eine Abschwächung der Hemmechanismen
bewirken kann.
3.3.1.1 Aggressionsmotivaktivierung durch das Videospiel und Interpretation der
Befunde
Bei der Erhebung der Aggressionskennwerte konnten keine bedeutsamen Unterschiede bei
den Geschlechtern festgestellt werden. Bei der isoliert betrachteten körperlichen Aggression,
eine Subkomponente des Aggressionsmotivs, konnten dagegen bedeutsame Unterschiede
zwischen Jungen und Mädchen festgestellt werden. So beschreiben die Jungen in ihren
Phantasiegeschichten mehr körperliche Auseinandersetzungen als die Mädchen es tun.
Vergleicht man die beiden Altersgruppen konnte zunächst auch kein Unterschied in der
Aggression gefunden werden. Jedoch gab es bei den Mädchen Unterschiede im Mittelwert.
Ältere Mädchen wiesen höhere Aggressionskennwerte auf als die jüngeren Mädchen.
Bei der Betrachtung der Werte für die Aggressions-Hemmung zeigten sich auch in der
Gesamtgruppe Unterschiede. Demnach zeigten ältere Kinder höhere Hemmungs-Tendenzen.
Bei genauerer Betrachtung wurde klar, dass dieser Unterschied nur bei den Jungen von
Bedeutung war.
Auch bei der Betrachtung der Subkomponente des Aggressionsmotivs „körperliche
Aggression“ war ein Unterschied zwischen den Grundschülern und älteren Schülern zu
erkennen. Ältere Schüler thematisierten mehr körperliche Aggressionen als die Jüngeren. Bei
den zwei Geschlechtsgruppen lagen keine Unterschiede vor.
In einem weiteren Schritt wurden die ermittelten Kennwerte in Beziehung zu den
Videospielerfahrungen der Kinder gesetzt. Dabei stellte sich heraus, dass bei
Grundschulmädchen, die nur wenige Zugangsmöglichkeiten zu Videospielen nutzen, nur
geringe Aggressionswerte gemessen werden konnten. Im Gegensatz zu Mädchen die viele
Zugangsmöglichkeiten nutzten. Bei den Jungen waren es vor allem die Älteren, die hohe
Aggressionswerte aufwiesen unter diesem Aspekt.
Der Zusammenhang zwischen einer hohen Spielhäufigkeit und einer geringen AggressionsHemmung gibt Hinweise auf eine langfristige Auswirkung des häufigen Umgangs mit
Videospielen, ebenso wie der Zusammenhang zwischen der Erfahrung mit Gewaltspielen und
dem Ausmaß der in den Phantasiegeschichten thematisierten körperlichen Gewalt. Kinder mit
einem hohen maß an Erfahrung erzählen in ihren Geschichten oft von körperlichen
Auseinandersetzungen und schätzen die aggressiven anteile in einem Kampfspiel.
Ein Ziel der mir vorliegenden Arbeit war es nachzuweisen, dass der Umgang mit einem
aggressionsorientiertem spiel im Gegensatz zu einem aggressionsfreien Spiel eine kurzfristige
Aktivierung des Aggressionsmotivs hervorruft. Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass
das Motiv bei den hoch Aggressiven durch das Street-Fighter-Spiel mehr angeregt wurde als
durch das Joshi-Spiel. Auch bei den niedrig aggressiven Kinder waren keine Unterschiede
festzustellen. Unabhängig von dem Spiel wiesen hoch aggressive Kinder einen höheren
Aggressionswert auf als niedrig aggressive Kinder. Allerdings findet die größte
Motivaktivierung bei den hoch aggressiven Kindern statt, die mit dem Street-Fighter-Spiel
gespielt hatten im Gegensatz zu den niedrig aggressiven Kindern die dasselbe Spiel spielten.
Die thematisierte körperliche Gewalt in den Phantasiegeschichten wurde gesondert analysiert.
Hierbei fiel auf, dass die niedrig aggressiven Kinder ohne Erfahrungen mit Gewaltspielen in
ihren Geschichten keine Gewalt einbrachten. Die hoch aggressiven Kinder mit einer hohen
Erfahrung brachten dagegen viel Gewalt in ihre Geschichten ein, egal welches Spiel sie
vorher gespielt hatten. Im Schnitt konnte bei niedrig aggressiven Kindern mit viel
Aggressionsspielerfahrung und bei hoch aggressiven Kindern mit wenig Erfahrung mehr
thematisierte Gewalt festgestellt werden nachdem sie das Street-Fighter-Spiel gespielt hatten,
als bei den Kindern die das Joshi-Spiel zu Verfügung hatten.
Interessant ist weiterhin, dass viele der hoch aggressiven und spielerfahrenen Kinder nach
dem Sortierspiel viele körperliche Auseinandersetzungen thematisierten. Mögliche
Erklärungen könnten sein, dass das Spiel nur sehr wenigen bekannt war und das es
Schwierigkeiten beim Lösen des Spiels gab. Ebenso könnten sie das Spiel als zu langweilig
empfunden haben, was dann in einer stärkeren Motivanregung resultierte.
Hinweise darauf ergeben sich aus unmittelbar nach dem Spiel erfassten Befindlichkeit. Auf
der Erregungsskala, die emotionale Erregungen wie Wut oder Ärger beinhaltet, wiesen die
hoch aggressiven Kinder, die das Joshi-Spiel spielten, höhere Werte auf als die hoch
aggressiven Kinder die das Street-Fighter-Spiel spielten. Bei den niedrig aggressiven Kindern
war es genau umgekehrt.
Im Zusammenhang betrachtet kann man feststellen, dass durch das Gewaltspiel nicht eine
generelle unmittelbare Aggressionsmotivaktivierung erfolgt, sondern nur für Subgruppen und
in Interaktion mit der Aggressionsdisposition nachgewiesen werden konnte. Allerdings lässt
sich sagen, dass das Gewaltspiel die Motivaktivierung mehr beeinflusst als es das gewaltfreie
Spiel tut. Für eine langfristige Auswirkungen auf die Kinder sprechen die Zusammenhänge
zwischen einer hohen Aggressionsausprägung und der hohen Spielerfahrung sowie zwischen
der in den Geschichten erzählten Gewalt und der Erfahrung mit Gewaltspielen. Dabei gilt
auch zu beachten, dass die Hemmungs-Tendenz bei häufigem Umgang mit Gewaltspielen
abnimmt und das hoch aggressive Kinder, die über viel Erfahrung verfügen, unabhängig
davon welches Spiel sie spielten, dazu neigen Gewalt zu thematisieren.
Die Vorerfahrung der Kinder steht demnach in Zusammenhang mit der Struktur des
Aggressionsmotivsystems.
3.3.1.2 Befunde und ihre Interpretation zur emotionalen Abstumpfung durch das
aggressionsorientierte Videospiel
Ein weiteres Anliegen der Arbeit war es zu überprüfen, ob der Umgang mit einem
aggressionsorientierten Videospiels die Sensitivität für Hinweisreize, die für die Aktivierung
des empathischen Miterlebens führen, vermindert.
Ein wichtiger Bereich der darüber Auskunft geben kann ist der mimisch-gestische Bereich.
Die Kinder, die mit dem Street-Fighter-Spiel konfrontiert waren zeigten in diesem Bereich
nur wenig emotionale Betroffenheit. Einzige Ausnahme waren hier die niedrig aggressiven
Kinder mit einer hohen Spielerfahrung. Besonders die hoch aggressiven Kinder mit viel
Erfahrungen zeigten nur wenig emotionale Betroffenheit nach dem Spielen mit dem
gewaltorientiertem Spiel. Wenn sich diese Kinder zuvor auch mit dem gewaltfreien spiel
beschäftigt hatten konnte man hier ein hohes Ausmaß an emotionalen Reaktionen feststellen.
Die Anzahl der angeschauten Bilder nach dem Spielen sollte ebenfalls Aufschluss auf eine
mögliche Desensibilisierung geben. Viele Kinder hatten sich den kompletten Diasatz
angeschaut. Bei näherer Betrachtung fiel auf, dass ältere Kinder, die das Street-Fighter-Spiel
gespielt hatten, im Schnitt mehr Bilder anschauten als die gleichaltrigen Kinder die das JoshiSpiel spielten.
Die Zeit die, die Kinder für das Betrachten der einzelnen Bilder aufbrachten, konnte
nachgewiesen werden, dass die Kinder, die das Gewaltspiel vorliegen hatten, im schnitt die
negativen Bilder länger betrachteten als die neutralen Bilder. Bei den Kindern die das
gewaltfreie Spiel vorliegen hatten war dies genau umgekehrt.
Auf der physiologischen Ebene sollten weitere Indizien für die Abstumpfung gefunden
werden. Kinder die das Joshi-Spiel gespielt hatten wiesen beim Betrachten der negativen
Bilder eine niedrige Herzfrequenz auf. Dies trat bei den anderen Kindern nicht auf. Daraus
lässt sich schlissen, dass bei den Joshi-Kinder eine emotionale Betroffenheit in Form einer
Herzratendezeleration auftrat.
Die innere Anspannung der Kinder wurde auch über den mimischen Bereich analysiert.
Niedrig und hoch empathische Kinder zeigten nach dem Joshi-Spiel ein mittleres Ausmaß von
Anspannung. Hoch und niedrig empathische Kinder die das Street-Fighter-Spiel gespielt
hatten unterschieden sich dagegen deutlich voneinander. So konnte man bei niedrig
empathischen Kindern nur im geringen Maße Indikatoren für Anspannung feststellen. Bei den
hoch empathischen Kindern dagegen zeigte sich ein hohes Maß an innerer Anspannung. Diese
Kinder scheinen zwar wenig emotional betroffen zusein, dennoch lässt sich erkennen das die
negativen Bilder bei ihnen eine gewisse Anspannung erzeugen.
Zwischen den verbalen und vokalen Merkmalen des emotionalen Erlebens und dem zuvor
gespieltem Spiel ließ sich kein Zusammenhang erkennen. Allerdings war zu erkennen, dass
die Manifeste Ängstlichkeit wie auch das Alter der Kinder das Ausmaß der Verbalisation und
Vokalisation mit bestimmen. Ältere Kinder äußerten sich weniger verbal als die jüngeren
Kinder. Von den jüngeren Kindern waren es vor allem die, die niedrig ängstlich waren.
Dagegen äußerten sich die hoch ängstlichen Grundschüler nach dem Betrachten der
belastenden Bilder kaum. Hier zeigt sich eine allgemeine Gehemmtheit.
Durch diese Befunde kann darauf geschlossen werden, dass die Konfrontation mit
gewaltverherrlichenden Videospielen die Empathie beeinflussen kann. Dieses Spiel ist zwar
eher als harmlos in diesem Genre einzuordnen und meiner Meinung nach auch nicht mehr
aktuell aber auch hier kommt das Kind nur durch das Einsetzen von körperlichen Gewalt zum
Ziel des Spiels. Bei dieser Art der Spielstruktur bleibt das Mitleid für das Opfer außen vor.
Solche Spiele begünstigen das Abstumpfen des Hemmechanismus für aggressives Verhalten
Solche kurzfristigen Folgen konnten mit der Arbeit nachgewiesen werden. Aber es liegen
auch Anzeichen für langfristige Folgen vor, denn der größte Abstumpfungseffekt lag bei den
Kindern vor, die das Kampfspiel spielten und bereits über große Erfahrungen mit dieser Art
von Spielen verfügten.
In diesem Zusammenhang muss allerdings erwähnt werden, dass es auch Kinder gab, die trotz
einer großen Erfahrung mit solchen Spielen noch sensibel auf die emotional belastenden
Bilder reagierten. Diese Kinder galten auch als nicht aggressiv. Warum die Gewaltspiele
anscheinend keine Auswirkungen auf sie hatten konnte in der Arbeit nicht geklärt werden.
Möglicherweise spielt hier eine gute Mutter-Kind-Beziehung eine Rolle oder das empathische
Mitfühlen ist so stark ausgeprägt, dass es keine Abstumpfung mehr erfährt.
4. Zusammenfassende Diskussion der wichtigsten Befunde und Ausblick
In der von mir referierten Arbeit wurde der Schwerpunkt gesetzt, vermittelnde
Wirkmechanismen zu erfassen, die einen Zusammenhang zwischen Gewaltpräsentationen (in
diesem Fall Videospiele) und antisozialem Verhalten deutlich machen können.
Ein wichtiger Ausgangspunkt war hierbei die Motivkonzeption der Aggression (Kornadt,
1982). Aggression wird hier als eine überdauernde Disposition im Individuum verstanden, die
in ihrer Stärke und Ausprägung interindividuell variiert. Das Motiv zur Aggression und das
Motiv zu Aggressions-Hemmung bilden zusammen das Motivsystem. Aggressives Verhalten
resultiert aus dem Wechselspiel dieser beiden Komponenten.
Zwei wichtige Hemmechanismen aggressiven Verhaltens wurden in dieser Arbeit erläutert.
Zum einen verinnerlichte Normen und Werte und zum anderen die Fähigkeit zur Empathie.
Vermutet wurde, dass diese zwei Mechanismen durch Gewalt in Videospielen abgeschwächt
werden können.
Man nahm an, dass es sowohl langfristige wie auch kurzfristige Folgen durch den Umgang
mit Gewaltspielen geben kann. Als kurzfristige Folgen wurde erwartet, dass das
Aggressionsmotiv nach dem Spielen mit einem Gewaltspiel angeregt wird und , dass die
emotionale Sensitivität gleichzeitig abgeschwächt wird. Da auch langfristige Folgen
schonwirksam sein konnten wurde darauf geachtet die Vorerfahrungen der Kinder mit
Gewaltspielen zu berücksichtigen
Es bleibt zunächst festzustellen, dass eine unmittelbare Anregung des Motivsystems durch
den Umgang mit Gewaltspielen nicht allgemein nachgewiesen werden konnte. Vielmehr
stellte sich heraus, dass die Ausprägung der Disposition einen wesentlichen Einfluss auf
Motivierung ausübt. Hoch aggressive Kinder wiesen höhere Motivationskennwerte auf als
niedrig aggressive Kinder. Dabei muss allerdings erwähnt werden, dass die höchste
Motivanregung bei den hoch aggressiven Kindern auftrat, die das Street-Fighter-Spiel gespielt
hatten, im Gegensatz zu den niedrig aggressiven Kindern. Bei dem Sortierspiel gab es keine
Unterschiede. Auch die Analyse der thematisierten Aggression der Kinder lässt auf
langfristige Folgen schließen. So finden sich in den Geschichten der hoch aggressiven
Kindern viele körperliche Auseinandersetzungen unabhängig davon welches Spiel sie
spielten. Es kann angenommen werden, dass bereits langfristige Folgen des Umgangs mit
Gewaltspielen die kurzfristigen Effekte verschleiern. Diese Annahme wird gestützt durch die
Tatsache das Kinder mit einer hohen Spielerfahrung eine niedrigere Hemmkomponente
vorweisen. Dies mag auch mit Eltern-Kind-Beziehung zu tun haben in der die nötigen Werte
und Normen vermittelt werden.
Es konnten auch Zusammenhänge zwischen dem Sozialverhalten der Kinder und ihren
Spielgewohnheiten. Hoch aggressive Kinder beschäftigen sich in ihrer Freizeit auch gerne mit
Videospielen und schätzen dort auch die aggressiven Spielelemente. Gleichzeitig wurde
herausgestellt, dass Kinder die sich ausgiebig solchen Spielen widmen auch lieber alleine
spielen. Ein weiterer beleg für das Zusammenspiel der Faktoren ist, dass die Kinder die sich
ausdauernd mit einem spiel beschäftigen und über eine hohe Spielerfahrung verfügen von
ihren Erzieherinnen als wenig beliebt und aggressiv eingestuft wurden. Kinder die
Gewaltspiele bevorzugen werden auch von ihren Spielkameraden weniger gemocht.
Das hoch aggressive Kinder ängstlicher sind und weniger Interesse an Schule haben wie
andere ist ein weiterer interessanter Befund. Eine unsichere Bindung zur Betreuungsperson
kann auch zur Entwicklung von Ängstlichkeit führen.
Die Befunde machen es möglich das Zusammenspiel von Videospielgewohnheiten und
Aggressionsmotiv aufzuzeigen.
Es kann davon ausgegangen werden, dass die Impulse zur Persönlichkeitsentwicklung schon
sehr früh in der Beziehung zwischen Kind und Betreuungsperson gesetzt werden. Bei einer
unsicheren Bindung, zusammen mit einem negativen Weltbild und einem negativen
Selbstkonzept, kann eine Entwicklung zu einer antisozialen Persönlichkeit stattfinden. Das
Kind entwickelt aggressive Werte und ist empfänglich für aggressive Modelle, die es dann in
seinem kompletten sozialen Umfeld auslebt. Dadurch erfährt es allerdings Ablehnung
wodurch sich sein negatives Selbstkonzept weiter verstärkt. Als Folge davon ist die
Ausbildung von Ängsten begünstigt, seien es allgemeine Ängste, Schulangst oder Angst vorm
Versagen. Solche Kinder bevorzugen eher Videospiele, da sie hier Erfolg erleben können und
Fertigkeiten ausbilden können. Da viele Spiele aber Gewalt in irgendeiner Form enthalten
kann sich die Einstellung der Kinder gegenüber Gewalt verändern. Hemmechanismen können
abgebaut werden und es ist möglich, dass das Kind Konflikte immer mehr mit Gewalt lösen
wird. Dadurch erfährt es wieder Zurückweisung und gelangt möglicherweise in eine Art
Teufelskreislauf. Es könnte sich dann noch intensiver mit Gewaltspielen auseinandersetzen,
seine Hemmechanismen weiter abbauen usw..
Allerdings kann man nicht davon ausgehen, dass nur hoch aggressive Kinder solche Spiele
nutzen und negative Wirkungen durch diese erfahren. Auch andere Kinder kommen in
Kontakt mit diesen Medien und es besteht auch bei ihnen die Gefahr, dass das noch im
Aufbau befindliche Werte- und Normensystem sich verändert.
Unmittelbare Effekte des Kampfspiels konnte die Arbeit nicht nachweisen. So zeigten niedrig
aggressive Kinder nach dem Kampfspiel keine erhöhte Aggressionsmotivierung.
Es kann allerdings nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass dies nicht geschieht. Die
Autorin verweist darauf, dass so ein projektives Verfahren eine genauere Erfassung der
Motivaktivierung nicht zulässt. Dies müsse in anderen Untersuchungen erfolgen. Allerdings
belegen die Befunde die Vermutung, dass langfristige Folgen des Umgangs mit Gewaltspielen
die kurzfristigen schon überdecken. Das lässt sich daraus schließen, dass die hoch aggressiven
Kinder nach dem Kampfspiel auch die höchste Motivaktivierung zu verbuchen hatten. Ebenso
thematisierten sie körperliche Gewalt in ihren Geschichten.
Ein weiteres Ziel der Arbeit war es nachzuweisen, dass das empathische Miterleben durch
brutale Videospiele beeinträchtigt wird. Dieses kann durch einige Befunde gestützt werden.
Kinder , die das Kampfspiel vorliegen hatten zeigten bei der Betrachtung der negativen Bilder
weniger emotionelle Reaktionen im mimisch-gestischen Bereich als die Sortierspiel-Gruppe.
Ausnahme waren hier nur die niedrig aggressiven Kinder mit viel Spielerfahrung.
Langfristige Auswirkungen durch den Umgang mit Gewaltspielen scheinen auch hier eine
Rolle zu spielen, denn die hoch aggressiven Kinder mit viel Erfahrung in diesem Genre
zeigten am wenigsten Betroffenheit.
Ein weiterer Beleg für die emotionale Abstumpfung zeigte sich darin, dass die Kinder die dem
Gewaltspiel ausgesetzt waren sich die negativen Bilder länger anschauten als die positiven.
Außerdem schauten sich die älteren Kinder, die zuvor das Street-Fighter-Spiel gespielt hatten,
mehr Bilder an als ihre Altersgenossen die das Joshi-Spiel gespielt hatten. Kinder, die mit
dem harmlosen Spiel spielten, wiesen auch unter physiologischer Betrachtungsweise
emotionale Reaktionen auf (niedrigere Herzrate). Dies war bei den Street-Fighter Spielern
nicht festzustellen.
Eine Abschwächung der emotionalen Reaktion war also beobachtbar. Langfristig kann das zu
einer Schwächung der Empathie führen. Dies wird gestützt durch die Tatsache, dass Kinder
mit viel Erfahrung mit Gewaltspielen und Kinder die besonders die Gewalt in solchen Spielen
schätzen, eine geringe Ausprägung der dispositionellen Empathie aufweisen. Niedrig
empathische Kinder zeigten, nach dem Kampfspiel, auch wenig Anzeichen für Anspannung
beim Betrachten der Bilder. Im Gegensatz dazu wiesen hoch empathische Kinder, nach dem
Spiel, beim Betrachten der Bilder ein höheres Ausmaß an Anspannung auf.
Auch wenn sich hier zeigt das eine Abstumpfung der Empathie stattfinden kann, so gab es
auch Kinder, die obwohl sie häufig mit Gewaltspielen Umgang haben, trotzdem noch sensibel
auf die Bilder reagierten. Das wirft die Frage auf warum das so ist. Möglicherweise lag bei
diesen Kindern eine gute Bindungsqualität vor die, die soziale Entwicklung positiv
beeinflusste. Da diese Bindungsqualität jedoch nicht bei dieser Arbeit erfasst wurde kann
diese Frage nicht beantwortet werden.
Auch wenn sich in dieser Arbeit genug Hinweise auf die Auswirkungen von Gewaltspielen
finden lassen, so kann man kein allgemeines Resumee ziehen. Unterschiedliche Kinder mit
unterschiedlichen Voraussetzungen nehmen die Auswirkungen auch unterschiedlich auf.
Allerdings nehmen Videospiele einen großen Platz in der Welt der Kinder ein, weshalb auch
nicht verharmlosend mit diesem Medium umgegangen werden.
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