wohnungsmietrecht 418 Info M 11/09 Lärm: Welche Belästigungen muss der Mieter hinnehmen? Auch dauerhafte Geräuschimmissionen sind i.d.R. kein Mangel, wenn die maßgeblichen technischen Normen (hier: TA-Lärm) eingehalten sind. Das gilt auch dann, wenn die Geräuschimmissionen erst durch nachträgliche Veränderungen am Gebäude entstehen (hier: Lüftungsanlage im neuen Fischrestaurant). BGH, U. v. 23.9.2009 – VIII ZR 300/08 – www.bundesgerichtshof.de zur Frage, wann eine Plattform als Terrasse mitvermietet ist, s. Info M 2009, 420 – in dieser Ausgabe zur Minderung, wenn nur Funktionsräume betroffen sind, s. Info M 2009, 419 – in dieser Ausgabe Der Fall: Vermietet ist eine Wohnung in einem Wohn- und Geschäftshaus. Die Geschäftsräume im Erdgeschoss werden nach 8 Jahren als Fischrestaurant vermietet und mit einer Kühl- und Lüftungsanlage versehen. Deren Zu- und Abluftkamine werden durch einen Lichthof des Hauses nach oben über Dach geführt. Der Mieter mindert wegen der Geräusche dieser Lüftungsanlage, weil er die Fenster zum Lichthof permanent geschlossen halten müsse. Er verlangt Feststellung des Minderungsrechts und Unterlassung des Lüftungsbetriebs zu bestimmten Tagesund Nachtzeiten. Der Vermieter verweist darauf, dass die Anlage den Vorgaben der TA-Lärm entspricht. Hintergrund Schallschutz: Der BGH stellt überwiegend auf die maßgeblichen technischen Regelwerte zur Zeit der Errichtung des Gebäudes ab. Uneins ist die Rechtsprechung jedoch, wenn sich die Schallsituation nachträglich verschlechtert. Besteht dann Anspruch auf Schallschutzmaßnahmen? Gericht BGH, 6.10.2004 – VIII ZR 355/03 – Info M 2005. 22 betr. Trittschall nach DG-Ausbau Anspruch auf Mangel bzw. Störung? ja, weil der Vermieter die strengeren technischen Normen zur Zeit des Umbaus (DIN 4109) beachten muss OLG München, 34 Wx 20/07 – ZMR ja, trotz Einhaltung der DIN 4109 ist das 2007, 809 betr. störender Trittschall zwi- besondere Gepräge des Gebäudes zu beschen Wohnungseigentümern nach Aus- achten tausch von Bodenbelägen OLG München, 34 Wx – 23/07 – NZM 2008, 249 betr. Geräusche einer neuen Wärmepumpe stören benachbarten Wohnungseigentümer ja, trotz Einhaltung der DIN 4109 müssen „Schallpegel eingehalten werden, die denen vor der Instandsetzung entsprechen und vom Antragsteller belästigungsfrei empfunden wurden.“ LG Berlin, 11.2.2008 – 67 S 64/07 – Info M 2009, 5 betr. Fenstermodernisierung ja, neue Fenster müssen den aktuellen Normen (DIN 4109) entsprechen BGH, 15.2.2008 – V ZR 222/06 – Info M 2008, 185 betr. Lärmschutz zwischen Wohnungseigentümern bei verschachtelter Bauweise nein, Überschreitung der maßgeblichen DIN 4109 ist nur Indiz für eine wesentliche Beeinträchtigung gem. § 906 BGB – maßgeblich ist wertende Beurteilung eines verständigen Durchschnittsmenschen BGH, 17.6.2009 – VIII ZR 131/08 – Info M 2009, 271 betr. Austausch PVCBelag durch Bodenfliesen nein, weil keine bauliche Veränderung vorliegt, ist nur auf Schallschutz bei Errichtung des Gebäudes abzustellen. Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BImSchG TA Lärm) 6 Immissionsrichtwerte 6.1 Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden Die Immissionsrichtwerte für den Beurteilungspegel betragen für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden 6 Uhr - 22 Uhr 22 Uhr - 6 Uhr Kurgebiete, Krankenhäuser und Pflegeanstalten 45 dB 35 dB reine Wohngebiete 50 dB 35 dB allgemeine Wohngebiete und Kleinsiedlungsgebiete 55 dB 40 dB Kerngebiete, Dorfgebiete und Mischgebiete 60 dB 45 dB Gewerbegebiete 65 dB 50 dB Industriegebiete 70 dB 70 dB Die Entscheidung: Der Vermieter gewinnt. Die von der Lüftungsanlage ausgehenden Belästigungen führten nicht zu einem Mangel an der Wohnung gem. § 536 Abs. 1 BGB. Zwar schulde der Vermieter auch ohne Abrede „jedenfalls die Einhaltung der maßgeblichen technischen Normen.“ Jedoch seien vorliegend die Immissionsrichtwerte gemäß Abschnitt 6 der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm vom 26.8.2006 (TA-Lärm) nicht überschritten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht wegen der Dauerhaftigkeit der Geräusche. Denn es sei nicht erforderlich, die Fenster zum Innenhof permanent geschlossen zu halten, wenn die TA-Lärm eingehalten ist. Auch könne der Mieter nicht erwarten, dass der Vermieter solche Veränderungen unterlässt, die den Nutzungsbedürfnissen anderer Mieter entgegenkommen, „wenn dadurch die Geräuschimmissionen zwar steigen, die Belastung aber – wie hier – noch den technischen Normen genügt (…)“. Denn: Wenn das Gebäude bei Mietbeginn einen Immissionsstandard aufweist, der besser ist als derjenige, den der Mieter nach den maßgeblichen technischen Normen verlangen darf, „kann der Mieter im allgemeinen nicht davon ausgehen, dass der Vermieter ihn gegenüber dafür einstehen will, dass dieser Zustand während der gesamten Dauer des Mietverhältnisses erhalten bleibt.“ Kommentar technische Normen: Die Entscheidung ist abzulehnen. Ob ein Mangel vorliegt oder nicht, hängt nicht davon ab, ob bestimmte technische Normen eingehalten sind. Die TA-Lärm ist auch viel zu grob, um einen brauchbaren Maßstab zu liefern. Generell wird dieser Norm im Verwaltungsrecht lediglich die Bedeutung eines „antizipierten Sachverständigengutachtens“ beigemessen. Überzeugender ist es, die TA-Lärm lediglich als Indiz zu werten (so: BGH, 15.2.2008, a.a.O.) und insbesondere auf das besondere Gepräge des Gebäudes abzustellen – also auf den Einzelfall. Kommentar bauliche Veränderung: Der BGH problematisiert nicht, ob es sich beim Umbau in ein Fischrestaurant um eine bauliche Veränderung handelt. Dann wäre jedenfalls die DIN 4109 (Schutz gegen Installationsgeräusche und anderer haustechnischer Anlagen) mit dem wesentlich strengeren Schallschutz maßgeblich (s. BGH, 17.6.2009, a.a.O.). RA FAMuW Robert Vedder Alfers Vedder Tensing- Winkels, Lingen [email protected]