Vorschlag für eine konzeptionelle Weiterentwicklung am Institut

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Biotechnologie-Workshop
in Mariensee am 27./28. April 2010
Von Rodeobullen, Leuchtfischen und patentiertem Schinken –
Als ‚Der Lernende’ beschrieb sich Prof. Mettenleiter, der Präsident des Friedrich-Löffler-Institutes (FLI) in seinem Grußwort zum diesjährigen Biotechnologie-Workshop „Biotechnologie:
Wohin steuert die Tierzucht im 21. Jahrhundert?“ Aber nicht nur er, sondern vermutlich ein jeder
der rund 100 Zuhörer, der der Einladung zu diesem hochkarätigen Workshop gefolgt war, empfand ebenso. Für den Workshop, zu dem das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz (BMELV) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde e.V. (DGfZ) und dem Institut für Nutztiergenetik (FLI) am 27. und 28. April 2010 nach Mariensee eingeladen hatte, hatten nicht nur Themen wie Sperma-Sexing, Transgene Tiere, somatisches Klonen und die Genomische Selektion geworben. Auch Begriffe wie ‚bucking bulls’
und ‚glow fish’ betonten sowohl die Internationalität als auch die Aktualität biotechnologischer
Entwicklungen.
Unter dem Motto „Wie lassen sich neue Zuchtziele realisieren?“ wurden die Referenten des ersten Tages aufgefordert Stellung zu nehmen und den Stand der aktuellen Entwicklungen zu präsentieren. Mit einem Überblick zum Stand der Biotechnologie und Genomics führte Herr Prof.
Dr. Niemann, FLI Mariensee, in die Veranstaltung ein und beleuchtete das facettenreiche Potential neuer biotechnologischer Verfahren. Neue genomische Techniken, transgene Tiere, das
somatische Klonen und die an Bedeutung zunehmende Einbeziehung pluripotenter Stammzellen könnten einen wesentlichen Beitrag zu einer effizienten, diversifizierten, zielgenauen und
damit nachhaltigen Tierproduktion leisten. Die Technologien des 21. Jahrhunderts werden somit
als wertvolles Hilfsmittel zur Bewältigung der zukünftigen und zunehmenden Herausforderungen gesehen.
Bestrebt, Verfahren an neue Herausforderungen anzupassen und entsprechend zu optimieren,
stellte Herr Prof. Dr. Rath, FLI Mariensee, seine Forschungsarbeiten im Bereich des SpermaSexing vor. Mit einem in Mariensee und in Zusammenarbeit mit der Besamungsindustrie entwickeltem Verfahren, welches während und nach dem Sortierprozess die physikalischen Belastungen der Spermien reduziert, konnten die Spermienqualität verbessert und höhere Befruchtungsraten erzielt werden. Besonders interessant könnte das Verfahren im Rahmen der
aktuellen Diskussion um Alternativen für die Ferkelkastration bewertet werden. Anders als beim
Rind sei die Technik für die Tierart Schwein jedoch noch längst nicht praxisrelevant, da der Bedarf an Spermien pro Befruchtung sehr hoch und das Verfahren der Spermien-Sortierung mit
fünf bis sechs Stunden zu aufwendig sei, erläuterte Herr Prof. Dr. Rath.
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Weiter vorangeschritten ist man dagegen bei der Genomsequenzierung der Nutztiere, was man
den Ausführungen von Herr Prof. Dr. Schwerin, Leibniz-Institut für Nutztierbiologie Dummerstorf, entnehmen konnte. Mit dem Ziel, ein auf den Menschen übertragbares Modell zu
erstellen, um u. a. effiziente Medikamente gegen Folgen von Erbfehlern entwickeln zu können,
wurde mit der Sequenzierung einzelner Nutztiergenome begonnen. Anhand von SNP-Karten
verschiedener Nutztierarten können Erbanlagen der Nutztiere in bisher nicht gekannter Genauigkeit beschrieben werden. Durch die Fortführung technologischer Entwicklungen zur Verbesserung der genetischen Erkenntnisse wird in naher Zukunft die Hochdurchsatzsequenzierung der
3. Generation erwartet. Der durch die neuen Informationen zu gewinnende Zuchtfortschritt wird
jedoch entscheidend davon abhängen, ob und wie es gelingt, die Phänotypisierung zu verbessern.
Anschließend berichtete Herr Dr. Reents, vit Verden, über den Stand der genomischen Selektion und ihre Bedeutung für zukünftige Zuchtprogramme. Mit der Typisierung männlicher Kälber
erhalten Zuchtorganisationen sehr früh sichere Informationen zur Vererbungsleistung eines Tieres. Den genomischen Zuchtwerten wird somit, im Vergleich zur konventionellen Zuchtwertschätzung bei Deutschen Holsteins, eine deutliche Überlegenheit der Sicherheit zugeschrieben
nach denen künftig Jungbullen für den Ersteinsatz selektiert werden. Doch für die offizielle Verwendung müsse das Verfahren der genomischen Zuchtwertschätzung von Interbull anerkannt
und qualitätsgeprüft werden. Die Genomische Selektion besitze das Potential, die Milchrinderzucht nachhaltig und deutlich zu verbessern, vorausgesetzt die konventionellen ZWS in
Deutschland blieben in ihren bewährten Strukturen erhalten, was wiederum die Wettbewerbsfähigkeit gewährleiste.
In ihrem Vortrag über Forschungsaktivitäten im Bereich der transgenen Nutztiere, veranschaulichte Frau Prof. Dr. Schnieke, Technische Universität München, neue Methoden und ihre Anwendungsbereiche. Der technologische Fortschritt bei der Herstellung transgener Tiere zeigt
sich durch die Möglichkeiten, neue Gene in das Genom eines Tieres hinzuzufügen, endogene
Gen-Expressionen zu verändern, endogene Gene zu inaktivieren oder auch gezielt zu verändern. Doch dies allein sei kein Grund, transgene Großtiere zu produzieren, da bei jedem transgenen Projekt Risiko und Nutzen objektiv abgewogen werden müsse und das Wohl des Tieres
erste Priorität habe, betonte Frau Prof. Schnieke. Erst wenn große Vorteile für die Umwelt, die
Gesundheit und das Wohlbefinden von Mensch und Tier bestünden, könne die transgene
Technologie ein leistungsstarkes und präzises Werkzeug sein.
Mit der Frage nach Nutzen und Risiko bzw. ‚Königsweg oder Teufelszeug’ neuer Bio- und Gentechnologien in der Tierzucht, setzte sich Herr Prof. Dr. Simianer, Universität Göttingen, im anschließenden Vortrag auseinander. Wichtig sei es, in einer sachlichen Auseinandersetzung sowohl die ethische Bewertung des Einsatzes als auch des Nicht-Einsatzes biotechnologischer
Verfahren in Hinblick auf die großen Herausforderungen einer immer zunehmenden Weltbevölkerung und der damit verbundenen notwendigen Effizienzsteigerung der Nahrungsmittelproduktion gegenüberzustellen und abzuwägen. Prof. Simianer betonte in diesem Zusammenhang,
dass die Tierzucht bei dieser Entwicklung einen wesentlichen Beitrag leisten müsse und dafür
der Einsatz neuer Biotechnologien in Zuchtprogrammen ein unabdingbares Element sei. Für
den praktischen Einsatz müssten aber im Wesentlichen vier Bedingungen erfüllt sein. So sollte
das Verfahren technisch ausgereift und praxistauglich sein, ein züchterischer Mehrwert erzielt
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werden können, die Technologie kosteneffizient eingesetzt werden können und als vierte Bedingung und Grundvoraussetzung für den Erfolg eines (neuen) biotechnologischen Verfahrens
die gesellschaftliche Akzeptanz gegeben sein. Die Zuchtorganisationen, Medien und die Politik
seien aufgefordert, eine sachgerechte Diskussion zu führen.
Mit den Fragen der Zulässigkeit befasste sich die Podiumsdiskussion zum Thema „Patente in
der Landwirtschaft, insbesondere in der Tierzucht“. Die Moderatorin Frau Dr. Jorasch, Gesellschaft für Erwerb und Verwertung von Schutzrechten in Bonn diskutierte mit den Podiumsteilnehmern Herr Dr. Heider, BMELV Bonn, Herr Dr. Feindt, Cardiff University, Frau Lampe, Deutscher Bauernverband und Frau Dr. Lind, Förderverein für Biotechnologieforschung
e.V. und dem Publikum bestehende Probleme hinsichtlich der Anwendung von Patenten sowie
eigene Erfahrungen bei den Patentanmeldungen. Während der lebhaften Podiumsdiskussion
wurde vor allem die Komplexität und komplizierte Schreibweise einer Antragstellung und des
damit einhergehenden umfangreichen Prüfungsprozesses durch das Patentamt zur Sprache
gebracht. Daher wäre es aus Sicht der Teilnehmer durchaus wünschenswert, das Deutsche Patentamt fachlich zu unterstützen. Weiterhin wird der Bedarf bei der Änderung gesetzlicher
Grundlagen gesehen, da die Patentpraxis erhebliche Rechtsunsicherheiten bei Züchtern und
Landwirten erzeugt habe.
Der zweite Tag wurde ganz den aktuellen Entwicklungen im somatischen Klonen von Nutztieren
gewidmet. Als Einstieg präsentierte Herr Prof. Niemann die Grundlagen, technischen Entwicklungen und Erfolge des somatischen Klonens bei Nutztieren, beginnend mit dem wohl prominentesten Schaf Dolly. Zudem nahm Herr Prof. Niemann Bezug auf die aktuell diskutierte Frage
nach der Verwertbarkeit der Produkte geklonter Tiere und ihrer Nachkommen. Aus wissenschaftlicher Sicht seien diese Produkte als sicher einzuschätzen.
Einen kurzen globalen Überblick und einen Erfahrungsbericht über die kommerzielle Anwendung des somatischen Klonens gab Herr Dr. Walton, VIAGEN Texas. Seit dem Jahr 2002 stellt
das Unternehmen VIAGEN kommerzielle Klone im Nutztierbereich her. Bei den geklonten Tieren handele es sich ausschließlich um Zuchttiere bzw. um Tiere für die Tierzuchtwissenschaften
und nicht für den konventionellen Gebrauch zur Lebensmittelproduktion. Aber auch die US Regierung betrachte Produkte von geklonten Rindern, Schweinen und Schafen als sicher. Daher
stelle sich auch die Frage nach den Nachkommen geklonter Tiere in den USA nicht, da es sich
bei diesen nach Auffassung der Regierung nicht um Klone handele. Für die Rückverfolgbarkeit
und das Vertrauen der Verbraucher wurde ein System entwickelt, indem alle geklonten Tiere
registriert sind und zu dem jeder freien Zugang hat. Alus Sicht von Dr. Walton habe sich die Effizienz des Klonens sichtlich gebessert und sollte künftig weltweit zunehmend von Nutzen sein.
An den Nutzen des Klonens schloss Frau Dr. Hornbergs-Schwetzel, Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften, an und beleuchtete die ethischen Aspekte des somatischen Klonens. Sie betonte in Ihren Ausführungen, dass alle ethischen Gesichtspunkte, Handlungsziele, Mittel und mögliche Alternativen in die Bewertung des somatischen Klonens mit
einbezogen werden müssten und einer intensive Debatte bedürften, bevor Entscheidungen getroffen bzw. Verfahren etabliert würden.
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Herr Dr. Frese, Masterrind Verden stellte fest, dass in Deutschland das Klonen geringe gesellschaftliche Akzeptanz erfährt. Dies bemängelte Dr. Frese und appellierte, dass eine Verbraucheraufklärung, auch seitens der Politik, zwingend notwendig sei, um ideologische Diskussionen durch sachliche Aufklärungen abzulösen. Alternativ gäbe es nur eine Möglichkeit, das Feld
den Mitbewerbern zu überlassen. Doch dies würde nicht der Wertschöpfung in der Landwirtschaft dienen.
Zum Abschluss berichtete Frau Bruetschy, EU Kommission Brüssel, über die aktuellen Diskussionen im Bereich der Rechtsetzung und der Überarbeitung der Novel Food Verordnung.
Nach einer kurzen Einführung über die Voraussetzungen zur Einstufung eines Produktes als
Novel Food, erläuterte Frau Bruetschy die rechtliche Einordnung tierischer Produkte wie
Fleisch, Milch, Eier, Fisch etc. die durch ein geklontes Tier produziert wurden. Laut der aktuellen EU-Verordnung sind Produkte als Novel-Food einzustufen, die auch mit einer neuen Technik hergestellt wurden. Demnach würden Lebensmittel von geklonten Nutztieren als Novel Food
angesehen, Lebensmittel, die aus den Nachkommen der geklonten Tiere entstehen nicht. Allerdings zeige sich, dass diese Einordnung aus Sicht der EU-Mitgliedsstaaten geändert werden
solle und das EU-Parlament eine sehr unterschiedliche Einschätzung der Situation vornehme.
Zum Abschluss der Veranstaltung betonte Herr Schulz, BMELV Bonn, die Aktualität dieser
Veranstaltung und die Notwendigkeit des weiteren Forschungsbedarfes im Bereich der neuen
(Bio)Technologien. Die damit einhergehende Frage nach der Akzeptanz ist akut und die Überzeugung von technologischen Anwendungen bzw. die Kommunikation des wissenschaftlichen
Fortschrittes daher notwendig. Dabei bedarf es einer Sicherstellung, dass nicht nur die Quantität sondern auch die Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Produktion gesteigert werde.
Informationen zur Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde (DGfZ)
Seit der Gründung im Jahre 1905 ist die Deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde (DGfZ) ein gemeinnütziger Verein, der nach seiner Satzung in enger Zusammenarbeit zwischen Tierzucht und Veterinärmedizin dem Fortschritt auf den Gebieten Tierzüchtung, Tierhaltung, Tierernährung, Fortpflanzung und
Gesundheit landwirtschaftlicher Nutztiere dient.
Organe der Gesellschaft sind das Präsidium und die Mitgliederversammlung. Zur fachlichen Unterstützung beruft das Präsidium einen Fachbeirat ein.
Die Gesellschaft hat sich die Aufgabe gestellt, eine Mittlerfunktion zwischen der Wissenschaft, Verwaltung und der Praxis sowie zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen zu übernehmen. Die Deutsche
Gesellschaft für Züchtungskunde ist die offizielle Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der "Europäischen Vereinigung für Tierproduktion" (EVT) und benennt die deutschen Vertreter der Fachkommissionen bei der EVT.
Kontaktdaten:
Deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde e.V.
Adenauerallee 174 | 53113 Bonn
Tel.: 0228/91447 61
http://www.dgfz-bonn.de | E-Mail: [email protected]
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