News Oktober 2016 8 Seiten PDF 4,21 MB

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Moderne Arbeitswelt: Das Unilever-Gebäude am Strandkai
ist Pionier für offene, informelle Kommunikation
HAFENCIT Y HAMBURG
NEWS
OKTOBER 2016
Offenheit und Inspiration: Neue Arbeitswelten
Die Anzahl der Firmen in der HafenCity hat sich innerhalb von sechs Jahren verdreifacht. In innovativen Neubauten gehen Großunternehmen ungewohnte Wege in
der Arbeitsorganisation und Kommunikation. Auch im Quartier Elbbrücken ganz im Osten gibt es erste Ansiedlungspläne
Yoga auf der Firmenterrasse
Fotos: Bert Brüggemann (1), Bina Engel (2)
Bei Gebr. Heinemann freut sich der Leiter der Architekturabteilung, Kai Böckler, über die neuen Büroräume. Nebenan die frisch eröffnete Zentrale von Marquard & Bahls
HAFENCITY Noch ist es ein Modell, an
dem Christian Völkers die künftige Firmenzentrale von Engel & Völkers erklärt. Ganz
in Weiß ist es gehalten. Die Signetfarbe des
Architekten Richard Meier entspricht dem
puristischen Markenauftritt des Hamburger Maklerunternehmens. Dem Firmengründer und Vorstandsvorsitzenden Christian Völkers geht es bei seiner Präsentation
Anfang September allerdings nicht nur um
den Look des neuen Gebäudes, das bis Frühjahr 2018 neben dem Unilever-Gebäude im
Quartier Strandkai fertiggestellt wird. Der
neue Hauptsitz von Engel & Völkers ist Teil
eines Ensembles, das zusammen mit der
Quantum Immobilen AG entwickelt wird,
und das – unter dem Namen STRANDHAUS
by Richard Meier – auch hochwertige Eigentumswohnungen und Mietwohnungen
enthält. Völkers ist stolz auf diese Nutzungsmischung und er freut sich auf die
Transformation, die sich für sein Unternehmen ankündigt: Das neue „Markenhaus“
soll auf 6800 Quadratmetern Fläche viel
mehr bieten als Büros: Es soll Engel & Völkers erlebbar machen, Mitarbeiter inspirieren und offen für Gäste sein.
Mit 8000 Mitarbeitern, die in 32 Ländern
unter der Marke Engel & Völkers agieren –
WWW.HAFENCITY.COM
der Markencourtageumsatz betrug 2015
rund 410 Millionen Euro –, hat sich hier ein
weiteres Großunternehmen für die HafenCity entschieden. Bereits 2009 verlegte
der Konsumgüterproduzent Unilever seine
Zentrale für die deutschsprachigen Länder
aus der City an die Elbe. Es folgten unter
anderem die DNV GL-Gruppe (früher Germanischer Lloyd) und die SPIEGEL-Gruppe.
Insgesamt hat sich die Zahl der Firmen in
der HafenCity von 2010 bis 2016 nach einer
neuen Zählung auf mehr als 730 Unternehmen fast verdreifacht. Darunter finden sich
auch viele kleine und mittlere Unternehmen: Die Bandbreite reicht von Start-ups bis
zu den Großen der Hamburger Wirtschaft
mit internationalem Business und Ansehen.
Repräsentation ist nicht alles
Zum Beispiel auch Marquard & Bahls, eines der weltweit führenden unabhängigen
Unternehmen im Bereich Energieversorgung, -handel und -logistik. Die Hamburger
Familienfirma betreibt unter anderem die
Tankstellenkette OIL! und wird mit einem
Umsatz von 12,5 Milliarden Euro unter den
hundert deutschen Top-Unternehmen aufgelistet. Seit September gehen die rund
700 Mitarbeiter der Hamburger Firmenzentrale in einem Neubau in der zentralen
HafenCity ein und aus. Das Gebäude drückt
mit seinem großzügigen „Stadtbalkon“
über dem Brooktorhafen zugleich Offenheit
und Klarheit aus. Gegenüber erhebt sich ein
weiterer eleganter Neubau aus Klinker, mit
dem die Firma Gebr. Heinemann den 2009
eröffneten Hauptsitz vergrößert hat (siehe
Seite 2).
Natürlich sollen die neuen Unternehmenssitze repräsentativ sein und mit dem Umzug in der Regel auch eine einhergehende
Erfolgsgeschichte widerspiegeln. Doch oft
können sie sogar weit mehr. Man nehme die
zweigeschossige, etwa 1000 Quadratmeter
große künftige Eingangshalle in dem künftigen Gebäude von Engel & Völkers: „Sie ist
einer Hotel-Lobby nachempfunden, um ein
Ort zu werden, in dem man sich wohlfühlt
und in produktiven Austausch geht“, sagt
Christian Völkers. In der Lobby werden künftig Meetings, Kundengespräche und Veranstaltungen stattfinden. Zugleich steht sie
offen für jeden Interessierten. Auch die
Büroräume in den oberen Stockwerken mit
350 bis 400 Arbeitsplätzen werden laut Völkers „offen gestaltet. Alles wird sehr kommunikativ“.
In der Architektur spiegelt sich so eine neue
Haltung zu Arbeit und Unternehmertum, auf
Innovation, Vernetzung und das konstruktive
Miteinander über Abteilungs- und eventuell
sogar Firmengrenzen hinweg bedacht. Mit
der Unilever-Zentrale für Deutschland, Öster­
reich und die Schweiz wurde diese moderne
Arbeitswelt vor sieben Jahren in der HafenCity erstmals realisiert. „Früher ging man ins
Büro, weil dort die Kollegen, die Bürotechnik
und die Arbeitsunterlagen waren. Heute ist
die Infrastruktur in Form von Smartphones,
Laptops und Daten überall verfügbar. Das
Büro wird immer mehr zu einem Ort, um
Menschen zu treffen und direkt zu kommunizieren“, sagt der Sprecher Konstantin Bark.
Die Arbeitsumgebung solle Offenheit und
Transparenz fördern, den Teamgeist stärken
und vor allem Spaß am Arbeiten vermitteln,
so Bark weiter. In dem von Behnisch Architekten gestalteten Gebäude am Strandkai ist
die Eingangshalle zugleich öffentliche Passage und Veranstaltungsort. In den oberen
Etagen spannen sich Brücken und Treppen
einladend kreuz und quer. Kaffee-Lounges,
Terrassen und der Dachgarten sind wichtige
Treffpunkte Fortsetzung auf Seite 2 3
IN DIESER AUSGABE:
Ein Haus für viele
Seite 3
Wie Wohnungen, Kita, Ateliers und
Geschäfte am Grasbrookpark entstehen
In memoriam Bürger­‑
meister Voscherau
Seite 4–5
Gemeinsam für die
gute Sache
Seite 7–8
Wie die HafenCity „geschaffen“ wurde
Wie ehrenamtliches Engagement
und Stiftungen die HafenCity prägen
1
REPORTAGE
Ein Umfeld mit Schulen (hier die Katharinenschule)
und Kindergärten ist auch für Unternehmen attraktiv
3 Fortsetzung von Seite 1
sowohl für
Meetings als auch für informelle Kommunikation. Auf der Dachterrasse der UnileverZentrale finden – mit grandiosem Blick auf
die Elbe – zudem Yogakurse statt, denn das
Thema Gesundheit und Wohlbefinden werde großgeschrieben, so Bark, ebenso wie die
Integration von Familie und Beruf.
Umso mehr „weiche Faktoren“ wie gute
Kommunikation, Fitness und Work-Life-Balance in die Selbstbilder und die Strukturen
großer Unternehmen Eingang finden, desto
besser passt der Standort HafenCity. Diese bildet als zukunftsfähige Erweiterung
der bestehenden City nicht einfach deren
Strukturen ab, die seit dem 20. Jahrhundert
überwiegend durch großflächige Büro- und
Handelsnutzungen geprägt sind. Als „New
Downtown“ fügt die HafenCity der Hamburger Innenstadt künftig insgesamt über
45.000 Arbeitsplätze hinzu – dicht gemischt
mit Wohnen, Einkaufen sowie Freizeit- und
Kulturangeboten. Es entsteht eine starke
soziale Infrastruktur mit Kindergärten und
Schulen und eine Stadt der kurzen Wege.
„Erst die Mischung macht einen Stadtteil
lebenswert. Davon profitieren auch die
Unternehmen“, sagt Margit Werner von
PME-Familienservice. Die bundesweit aufgestellte Gruppe mit Sitz und einer eigenen
Kita am Lohsepark erhebt das Sichern einer
guten Work-Life-Balance zum Geschäftszweck. Werner weiß aus Erfahrung, wie
wichtig das Umfeld dafür ist. „Dazu gehören, wie in der HafenCity, eine zentrale und
attraktive Lage, eine Kinderbetreuung, die
auch Notfallsituationen und Ferienzeiten
abdeckt, aber auch Parks, Geschäfte, Restaurants und Sportangebote“, sagt sie. Im
Wettbewerb um gute Mitarbeiter könne
man mit einem stützenden und attraktiven
Standort besonders punkten.
Mit dem Einzug von Großunternehmen
erhöht sich schlagartig die Zahl der Arbeitnehmer in der HafenCity – mit Marquard
& Bahls sind es ca. 12.000. Dies wiederum
stimuliert das Angebot im Umfeld und die
attraktiven besucherfreundlichen LobbyKonzepte sorgen für zusätzliche Belebung.
Im Quartier Elbbrücken wird ein neues Vorhaben die Publikumswirkung von Anfang an
hoch ansetzen: Die Berufsgenossenschaft
für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und die Verwaltungs-Berufs­
genossenschaft (VBG) planen gemeinsam ein großes Präventionszentrum. Auf
28.500 Quadratmeter Bruttogeschossfläche wird es neben 180 Beschäftigten rund
30.000 Nutzer pro Jahr an die – verkehrlich
hervorragend abgebundene – Ostspitze
der HafenCity bringen. Seminare, Ausstellungen und Veranstaltungen machen das
Thema Sicherheit und Gesundheit bei der
Arbeit anschaulich und in Praxiswelten erlebbar. Dabei werden ein dichtes Konzept
der Kommunikation und eine zukunftsweisende Lernumgebung etabliert. Wie sich
das in der Architektur niederschlägt, wird
das Ergebnis des Architekturwettbewerbs
im Frühjahr 2017 zeigen.
Ein Haus und Treffpunkt für viele
E D ITO R IAL
Der Geist der HafenCity ergibt sich aus ihrer Zukunftsfähigkeit. Niemand wusste das
vermutlich besser als Dr. Henning Voscherau. Als er 1997 seine Vision vorstellte, wie
aus einem „innerstädtischen Hafenrand“ die HafenCity werden sollte, berief sich
Hamburgs damaliger Erster Bürgermeister ausdrücklich auf „ein blühendes Hamburg
im neuen Jahrhundert“. Nicht immer ist dieser Zukunftsgeist allerdings willkommen.
Er kann sogar Ängste auslösen. Transformationsprozesse dieser Größenordnung und
Direkt neben dem Grasbrookpark entsteht ein Wohngebäude mit außergewöhnlicher Nutzungsvielfalt: rund 140 Wohnungen in den verschiedensten Formen,
dazu eine Kita, Ateliers und Gewerbeflächen. Anfang 2018 soll eines der letzten verfügbaren Grundstücke der westlichen HafenCity fertig bebaut sein
Komplexität rufen Fragen der Wirtschaft und der Arbeit, des Konsums, des sozialen
Zusammenhalts, der Kultur oder der Nachhaltigkeit im verdichteten innerstädtischen
Kontext auf. Solche Fragen zu durchdenken – seien sie im Einzelnen oder in ihrer Abhängigkeit im Ganzen – bedarf erheblicher Anstrengung, eröffnet jedoch die Chance
für langfristige strategische Veränderungen.
Bisher hat es die HafenCity geschafft, ihre Transformationskraft für die Hamburger
Metropolregion und ihre Menschen zu entfalten. Wenn Unternehmens- und Wohnvielfalt gleichzeitig blühen, wenn Nachbarn, Förderer und Stifter sich gemeinnützig
engagieren, wenn herausragende Lebenswelten gestaltet werden und gleichzeitig
Flüchtlinge Platz finden, entsteht eine lebendige zukunftsfähige Stadt. Wir sollten sie
im Sinne Voscheraus weiterhin unerschrocken gestalten.
Auf 5,5o Metern Höhe wird der Innenhof des neuen Wohngebäudes einen Treffpunkt für viele bilden. Der blaue Bauzaun zum benachbarten Grasbrookapark wird heute bereits kommunikativ genutzt
AM SANDTORPARK/GRASBROOK Harte kör­
perliche Arbeit und ausgelassenes Toben liegen am Grasbrookpark zurzeit eng beieinander. Während Kinder und
Erwachsene die Spiel- und Sportmöglichkeiten des Parks
genießen, wird direkt nebenan gehämmert, gesägt, Beton
gegossen. Bauarbeiter und Handwerker lassen die Mauern
und Etagen eines neuen Gebäudes aus dem Boden wachsen. Die untersten Geschosse haben sie bereits fertiggestellt.
Das letzte unbebaute Grundstück im Quartier Am Sandtorpark/Grasbrook stellt dabei mit seinem ungewöhnlichen Zuschnitt – 135 Meter lang, aber nur 33 Meter tief – besondere
Herausforderungen an Architekten, Bauherren und das ausführende Unternehmen. „Auf der einen Seite haben wir den
Park, ringsum die Nachbarbebauung samt Heizwerk – das
macht besonders die Baulogistik zu einem regelrechten kleinen Abenteuer“, sagt Christian Roggenbuck, der für das Bauherren-Konsortium die Arbeiten überwacht und koordiniert.
Auf eine „Baustelleneinrichtungsfläche“, auf der Material
angeliefert und vorgehalten werden kann, musste man verzichten. Stattdessen müssen Bedarfe und LKW-Transporte
zeitlich genau getaktet werden. Drei Kräne heben das Material in jede Ecke der Baustelle.
Doch die Mühe ist es dem Konsortium aus der HANSA Baugenossenschaft, Grundstücksgesellschaft Roggenbuck GbR und
Baugemeinschaft am Grasbrookpark wert, denn mit dem Gebäude realisieren sie eine besonders bunte Wohnvielfalt und
Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen
Ihr Jürgen Bruns-Berentelg,
Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH
I NTE RVI EW
„Wir wollen in 100 Jahren noch hier sein“
Mit einem Gruppenumsatz von 3,6 Milliarden Euro in 2015 gehört Gebr. Heinemann zu den weltweit größten Betreibern von Duty-free-Shops und anderen besonderen Einkaufsmöglichkeiten, etwa auf Kreuzfahrtschiffen. 1879 im Hamburger Freihafen gegründet, beschäftigt die Firma weltweit 6500 Mitarbeiter, davon rund 800 in der Hamburger Zentrale
HafenCity News: Rund 350 Mitarbeiter
beziehen in diesem Herbst neue Büros am
Magdeburger Hafen. Wie spiegelt sich die
Entwicklung des Unternehmens darin
­wider?
Gunnar Heinemann: Die Firma wächst,
die Marke Heinemann Duty Free entwickelt sich und das neue Gebäude zeugt
davon. Wir hatten die Situation, dass wir
im Wachstum eine ganze Abteilung ausgliedern mussten, zwar hier in der Nähe,
aber wir wollten das trotzdem ändern. Wir
glauben, dass es trotz aller modernen
2
Kommunikationstechnik gut ist, wenn alle
unter einem Dach sind. Im Erdgeschoss
zieht außerdem ein langjähriger Partner
von uns, ein Reisebüro, ein. Für die Nachbarfläche von 180 Quadratmetern suchen
wir einen Mieter.
Claus Heinemann: Wir haben sehr stark
auf gute persönliche Kommunikation gesetzt. Und dazu gehört, dass man sich
trifft ...
Gunnar Heinemann: ... dass man nicht mal
so eben über den Bildschirm spricht. Deshalb haben wir uns viel Mühe bei der Ein-
­ aritimen Museums, ist einfach fantasM
tisch und er ist ja genauso so alt wie unsere Firma. Unser Firmengebäude von 1978
haben wir komplett umgebaut und modernisiert, dabei haben wir bewusst an
den Backstein-Stil des alten Speichers angeknüpft. Wenn Sie so wollen, repräsentiert der Kaispeicher das 19. Jahrhundert,
unser Hauptgebäude das 20. und der Neubau das 21. Jahrhundert. Dabei ist es hervorragend gelungen, einen so ähnlichen
roten Backstein für das neue Gebäude zu
finden, dass es optimal zu unser Bestandsgebäude passt und beide sehr gut miteinander harmonieren.
HafenCity News: Ist es wichtig, andere
Unternehmen als Nachbarn zu haben?
Gunnar Heinemann: Im Wesentlichen
müssen wir uns schon auf uns selbst verlassen. Aber man kennt sich natürlich.
Claus Heinemann: Es ist reizvoll, dass es
sich doch insgesamt um Unternehmen
handelt, die langfristig an diesem Standort bleiben wollen. Dass es keine Firmen
sind, die ständig kommen und gehen. Wir
haben hier jedenfalls viel Geld investiert,
um in 50 oder 100 Jahren auch noch hier
zu sein.
OKTOBER 2016 Ateliers. Sie sind ein Angebot beispielsweise für Selbstständige, Künstler und Musiker. In gewisser Weise ist der Bauzaun
bereits ein Symbol für den angestrebten kreativen Charme:
Der 135 Meter lange, leuchtend blaue Bretterzaun dient als
Open-Air-Galerie. Als Erste bestückten Kita-Kinder aus ganz
Hamburg den Zaun mit ihren Bildern. Weitere Ausstellungen
sollen folgen, bis das Gebäude Anfang 2018 fertig ist.
Eine Fassade aus sehr dunklem Backstein wird dafür sorgen,
dass die „Wohnvielfalt am Grasbrookpark“ architektonisch
markant und doch nicht äußerlich zu bunt wird. „Das Gebäude wird sich selbstbewusst präsentieren und in Anlehnung
an die Kühne Logistics University einen werthaltigen, markanten Charakter haben“, sagt Roggenbuck. Der Innenhof
heißt Bewohner und Nutzer mit helleren Farben willkommen. Die Realisierungskosten werden sich voraussichtlich
auf rund 44 Millionen Euro belaufen.
„Dank Projekten wie diesem wird die HafenCity ein Zuhause für jedermann“, sagt Sven Theuerkauff von der HANSA
Baugenossenschaft, die 55 Wohnungen in dem neuen Gebäude verantwortet. Wo heute ein Wimmelbild von aufwachsenden Mauern, Gerüsten und Stahlbewehrungen zu
sehen ist, sieht er künftig einen „Schmelztiegel: ein Ort, an
dem man sich trifft, gute Gespräche führt und das Prinzip
lebt, sich gegenseitig zu helfen“, so Theuerkauff.
Am Gebäude wird es nicht scheitern. Es erfüllt alle Voraussetzungen.
Kreuzfahrtstandort auf dem Sprung in die Zukunft
Für den Bau eines leistungsfähigen innovativen Terminals im Überseequartier weicht zunächst eins der beiden temporären Terminalgebäude
Fotos: Bina Engel (2), Thomas Hampel/ELBE & FLUT (3); Visualisierung: BKK-3 (1)
Claus und Gunnar Heinemann sind Inhaber des Familienunternehmens in vierter Generation
richtung von Küchen, eher im Stil einer
Pantry, gegeben, aber auch mit den beiden Dachterrassen. Es sollen Orte sein, an
denen man im Gespräch vielleicht wirklich
ein Problem löst, weil sie offen und atmosphärisch und gastlich sind.
Claus Heinemann: Wenn wir immer den
gleichen geistigen Ausblick hätten wie
den visuellen Ausblick von hier aus, würde
es der Firma langfristig gut gehen.
HafenCity News: Sie sind eigentlich kein
Unternehmen, das für seinen Erfolg notwendig die Stadt braucht. Ihr Geschäft hat
mit Logistik und Einzelhandel fernab von
Hamburg zu tun.
Gunnar Heinemann: Das stimmt, aber uns
war schnell bewusst, wie großartig dieser
Ort für einen Firmensitz ist. Mitten in der
HafenCity, im Zentrum Hamburgs. Eine
Viertelstunde vom Rathaus entfernt.
Claus Heinemann: Unsere Mitarbeiter lieben es, wie viele Möglichkeiten sich ihnen
auftun, wenn sie aus dem Büro kommen.
Die HafenCity bietet eine große Vielfalt
und alles auf kurze Distanz.
HafenCity News: Was bedeutet der architektonische Auftritt für Unternehmen?
Claus Heinemann: Der Kaispeicher B nebenan, heute Sitz des Internationalen
intensive Mischnutzung. Insgesamt werden 136 kleinere und
größere Wohnungen geschaffen, barrierefrei zugänglich und
errichtet nach dem Umweltzeichen HafenCity in Gold. „Wir
streben eine ausgewogene Bewohnerstruktur an und schaffen
besonders auch Wohnraum für Familien, Studenten und Senio­
ren“, so Roggenbuck. Der Anteil der geförderten Wohnungen
(6,10 Euro/m2 oder 8,20 Euro/m2) und der mietpreisgedämpften Wohnungen (11,10 Euro/m2) liegt bei rund 40 Prozent der
gesamten Wohnfläche. Das Erdgeschoss ist vornehmlich für
den Einzelhandel vorgesehen, im Westen zieht ein bilingualer
Kindergarten mit 85 Plätzen von Kinderwelt Hamburg e. V. ein.
All das ist nur durch einen Fußweg und eine Straße vom Grasbrookpark getrennt. „Wir wollen eine Vielzahl von Angeboten
für unterschiedliche ­Bedürfnisse schaffen“, so Roggenbuck.
Doch wie stiftet man Gemeinschaft in der Vielfalt? Eine
wichtige Rolle dafür spielt der große halb öffentliche Innenhof des Gebäudes (Entwurf: BKK-3 aus Wien). Auf 5,50 Meter
Höhe über zwei Treppen zugänglich soll diese „Kommunikationsebene“ Begegnungen ermöglichen. Der große Gemeinschaftsraum, der sich im Westen an den Hof anschließt,
ist im Rohbau bereits begehbar. Hier kann man verweilen,
miteinander reden und Aktivitäten gestalten. Als private
Rückzugsorte entstehen unterdessen Gärten, die den Wohnungen vorgelagert sind, und für die oberen Etagen Dachterrassen. Einen wichtigen Baustein, um das Gebäude mit
der erweiterten Nachbarschaft zu vernetzen, bilden zwölf
ÜBERSEEQUARTER Als die „Queen
Mary 2“ im Juli 2005 zum zweiten Mal in
der HafenCity anlegte, verfolgten rund
400.000 Menschen das Spektakel. Seitdem
haben sich Kreuzfahrtschiffe zu einem wichtigen Bestandteil des maritimen Flairs, aber
auch der Stadtkulisse Hamburgs entwickelt.
Bis heute ist dies nirgendwo besser zu spüren
als in der ­HafenCity, wo Hafen und Stadt eine moderne Symbiose eingehen. Passagiere
an Bord wie „Sehleute“ an Land erleben den
Einlauf der Schiffe in direkter Nähe von Landungsbrücken und Elbphilharmonie.
2006 wurde das Cruise Center HafenCity
um Terminal 2 ergänzt – eine weitere Halle
für Gepäckabfertigung und Doppelanläufe.
Bis Ende 2015 passierten in den beiden Terminals bei 826 Schiffsanläufen rund 1,6 Millionen Passagiere. Für eine Übergangszeit wird
der Betrieb nun eingeschränkt: Terminal 2
wird ab Oktober zurückgebaut, um den BauOKTOBER 2016 beginn im Südlichen Überseequartier 2017 zu
ermöglichen. Terminal 1 bleibt in allen Funktionen bis 2021 erhalten. Im Überseequartier
entsteht, angebunden an zwei Liegeplätze,
ein über vier Geschosse vertikal integriertes
Terminal. In direkter Erreichbarkeit der City
können hier bis zu 3.600 Passagiere gleichzeitig abgefertigt werden. Es besteht eine
Erweiterungsoption für Großschiffe. Von
Beginn war geplant, die temporären Terminals wieder abzubauen. Terminal 2 wurde in
Leichtbauweise mit einer Stahlkonstruktion
binnen acht Wochen errichtet.
Unterstützt von einem zusätzlichen Liegeplatz nach Bedarf am Baakenhöft bleibt
Terminal 1 vorerst die zentrale innerstädtische Anlaufstelle für Kreuzfahrtschiffe in
Hamburg. Zugleich nimmt der Kreuzfahrt­
standort Hamburg mit dem neuen HafenCity Terminal Kurs auf eine leistungsfähige
innovative Zukunft.
An Kreuzfahrtschiffe kommt man in der HafenCity auch künftig mitten in der Stadt ganz nah heran. Im neuen
vertikalen Terminal im Überseequartier werden sie künftig noch besser integriert
3
IN M EMORIAM BÜRGERM EISTER VOSCHERAU
20 Jahre Lernen und kein Ende
„Muster neuer Lebendigkeit“
Die HafenCity ist den Zielen treu geblieben, die ihre Väter seit 1989 formuliert haben: Renaissance der Stadt am Wasser, Mischnutzung, Bewahren und Erneuern
des maritimen Erbes. In der Frage, wie man am besten dorthin gelangt, beschreitet sie hingegen immer neue Wege
HafenCity über städtebauliche Fragen weit hinausgehen würde, war allen Eingeweihten und ab Mai 1997 auch der Stadtöffentlichkeit bewusst. Die
weite Perspektive und die frischen Farben lassen in Margs „Prinzipskizze“ den Aufbruchsgeist wehen
HAFENCITY Vor 20 Jahren prüfte Volkwin Marg, wie
­ ine Erweiterung der Hamburger Innenstadt an der Elbe
e
aussehen könnte. Unterstützt von Studenten an der RWTH
Aachen legte der Architekt im Dezember 1996 im Auftrag
der Freien und Hansestadt eine Studie vor. Die darin enthaltene „Prinzipskizze“ hat es zu einem der bekanntesten Bilder der künftigen HafenCity gebracht: Von der Kehrwiederspitze mit Hanseatic Trade Center und Kallmorgen-Speicher
(dem heutigen Standort der Elbphilharmonie) bis zu den
Elbbrücken setzt sie eine neue Stadtkulisse in Szene. Der
weich verlaufende Aquarell-Stil, das klare Blau des Wassers
und das warme Braun der Gebäude lassen das Bild trotz seine mächtigen Perspektive frisch und sympathisch, lebendig
und dynamisch wirken.
Wer sich die – recht uniformen – Gebäude und die städtebauliche Struktur näher ansieht, wird allerdings rasch bemer-
ken, dass sie deutlich von dem abweichen, was im Laufe der
letzten beiden Jahrzehnte tatsächlich entstanden ist. Ähnlich
wird es dem ergehen, der sich mit anderen grundlegenden
Dokumenten befasst. Vom Masterplan 2000 bis zu seiner
Überarbeitung 2010, von den Ergebnissen der städtebaulichen Wettbewerbe bis zu Workshops zu einzelnen Quartieren lässt sich ein stetiger Veränderungsprozess ablesen.
Kein starres Korsett
Ihren Zielen ist die HafenCity treu geblieben: Rückkehr
der Innenstadt an das Wasser, Belebung der City durch eine
intensive Mischnutzung, Bewahren und Erneuern der maritimen Atmosphäre. Bei der Frage allerdings, wie man am
besten dorthin gelangt, beschreitet sie immer neue Wege.
Ein starres Korsett aus festgelegten Regeln und Normen
sucht man in der Umsetzung vergeblich. Vielmehr werden
innerhalb der strategischen Perspektiven Identität, Urbanität und Nachhaltigkeit die verschiedensten Ansätze und
Handlungsebenen stetig weiterentwickelt. Der Dialog und
die Kooperation mit vielen Akteuren ist ein zentraler Faktor.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Entwicklung des Wohnens.
In der HafenCity wird nicht nur deutlich mehr Wohnraum
geschaffen als ursprünglich geplant – statt 5500 nun gut
7000 Wohnungen – sondern auch eine viel größere Vielfalt der Wohnformen. In der Straße Am Kaiserkai wurden
die ersten Baugenossenschaften und Bauherrengemeinschaften eingebunden. Auf die Bedürfnisse von Familien,
Studenten und Senioren abgestimmte Angebote kamen
schrittweise hinzu – ab 2010 auch als geförderte Wohnungen. Inzwischen gibt es auch für Gruppen wie Behinderte
und Kranke, die noch weitergehende räumliche Bedürfnisse
mitbringen und es am Wohnungsmarkt besonders schwer
haben, in der HafenCity besondere Konzepte.
Ein anderes Beispiel bietet die Mobilität. 2003 beschloss
der Hamburger Senat, die HafenCity mit einer eigenen
U-Bahnlinie anzubinden. Die unterirdische Lage und die
Baukosten sorgten für eine Kontroverse. Doch mit der
Entscheidung für das leistungsfähigste aller öffentlichen
Verkehrsmittel ging das Signal einher, neue Potenziale in
den Quartieren zu entdecken und die Stadt verträglich und
intensiv zu verdichten. Nicht zuletzt dank der Entscheidung
für die U4 entstehen heute in der HafenCity oberirdisch
2,4 Millionen Quadratmeter (m2) Bruttogeschossfläche
statt 1,5 Millionen m2, statt 20.000 Arbeitsplätzen voraus­
sichtlich über 45.000. Auch dass es drei Schulen statt einer geben wird und sich verschiedene Universitäten mit
5000 Studenten angesiedelt haben, hängt mit ihrer Bündelungskraft zusammen, ebenso wie die sich bereits abzeichnende Einkaufs- und Kulturlandschaft.
Neben der U-Bahn und einem engmaschigen Fuß- und Radwegenetz hat nachhaltige Mobilität nach und nach immer
mehr Bausteine bekommen: Leihradstationen, Fahrradstellplätze, unterirdische Parkgaragen zur Reduzierung des „ruhenden Verkehrs“ in den Straßen, erste Infrastrukturen für
Elektrofahrzeuge. Im Quartier Baakenhafen wird es künftig
pro Wohnung nur die reduzierte Anzahl von 0,4 Stellplätzen
geben. Die Bauherren verpflichten sich, in allen Tiefgaragen
mindestens 30 Prozent der Stellplätze mit Infrastruktur für
Elektromobile auszustatten und sich an der Entwicklung eines quartiersübergreifenden Carsharings zu beteiligen.
Die Geschichte der HafenCity ist damit in vieler Hinsicht
auch die Geschichte eines erfolgreichen Möglichkeits- und
Lernprozesses. Mit einer allzu festgelegten „Planung vom
Reißbrett“ hat sie dagegen so gut wie nichts zu tun.
von ­Wegen und Plätzen spannungsvoller gestaltet. Auf dieser Grundlage entsteht der Überseeboulevard als zentrale Laufachse für Fußgänger. Entscheidend für das Überseequartier als urbanes offenes Einkaufsviertel wird die
­Anbindung durch die U4 (2010). Durch den Bauherren Unibail-Rodamco erhält das Südliche Überseequartier ein neues städtebauliches Gefüge mit elf Einzelgebäuden und einem wettergeschützten überdachten Bereich (2016)
4
2003
HAFENCITY Als „Geburtstag“ der
Hafen­City gilt der 7. Mai 1997. An diesem
Tag stellte der damalige Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg,
Dr. Henning Voscherau, im Übersee-Club
ein „großes, ganz konkretes Projekt des
Stadtumbaus“ erstmals öffentlich vor.
Diese Rede, vor allem aber kluges politisches Handeln, stellte entscheidende
Weichen für Hamburg: Hier ging es um
„Stadtumbau“ als umfassende Transformation im strukturellen, wirtschaftlichen
und sozialen Sinne. Die Stadt sollte nichts
weniger, als sich am Wasser neu erfinden,
die Mischung von Arbeiten, Wohnen und
2010
2016
OKTOBER 2016 Freizeit zurück in die City holen und sich
als Wirtschaftsstandort im wiedervereinigten Deutschland wettbewerbsfähig
und innovativ aufstellen – mit der HafenCity als „Muster der neuen Lebendigkeit
Hamburgs“.
Es gehört zu Voscheraus entscheidenden
Leistungen, dass er es jenseits einer Vision
und Initialzündung der HafenCity verstand,
zwischen den Entwicklungsinteressen des
Hafens und der Stadt zu vermitteln. Diskret
arbeiteten er und einige Eingeweihte über
Jahre an der Umwandlung des sogenannten „innerstädtischen Hafenrands“, nachdem sich der damalige Oberbaudirektor
Egbert Kossak († 10. 08. 2016) schon ab 1989
öffentlichkeitswirksam dafür eingesetzt
hatte, das Gebiet neu zu entwickeln und
eine „gemischte Nutzungsstruktur“ zu etablieren. Die Hafenunternehmen erhielten
unterdessen die Aussicht, den Hafen wirtschaftlich und infrastrukturell zu stärken:
durch die Finanzierung und Entwicklung
des für die moderne Containerschifffahrt
dringend benötigten Standorts Altenwerder durch Grundstückserlöse.
Von finanzpolitischer Weitsicht zeugte
die Einrichtung eines „Sondervermögens
Stadt und Hafen“, in das die städtischen
Grundstücke im Gebiet der künftigen
­HafenCity übertragen wurden, um die
sukzessive Entwicklung ihrer Infrastruktur
zu finanzieren. Als vorausschauend erwies
sich auch der frühzeitige Erwerb von Firmen und Gebäuden, während der Ankauf
von Grundstücken – etwa von der Deutschen Bahn – einige Jahre später folgte.
Um in dem komplexen Gefüge verschiedener Interessen und Fähigkeiten „ganz
konkret“ handlungsfähig zu werden,
initiierte Bürgermeister Voscherau die
Gesellschaft für Hafen- und Standortentwicklung (GHS). Im engen Zusammenspiel
mit der Hamburger Hafen und Logistik AG
(HHLA) und ihrem damaligen Chef Peter
Dietrich entwickelte sie sich zunächst als
„Ordner“ der Grundstücksverhältnisse.
2004 in HafenCity Hamburg GmbH (HCH)
umbenannt, steuert die Gesellschaft als
100-prozentige Tochter der Freien und
Hansestadt bis heute die Entwicklung der
HafenCity und anderer Vorhaben wie den
Billebogen. Sie integriert die verschiedenen komplexen Aufgaben vor dem Hintergrund der Entwicklungsziele des Masterplans 2000 und seiner Fortschreibung
2010. Sie verantwortet das „Sondervermögen Stadt und Hafen“ und tätigt aus
dem Grundstücksverkauf den Großteil der
öffentlichen Investitionen. Öffentliche
und private Aufgaben der Stadtentwicklung werden durch die HCH effizient miteinander verknüpft. So hat Bürgermeister
Voscherau nicht nur ein Transformationsmodell, sondern auch eine innovative
Governance-Struktur vorgedacht.
Gute Resultate in der Stadtentwicklung benötigen ihre Zeit. Bürgermeister
Vosche­rau hatte für die HafenCity realistisch „zwei, drei Jahrzehnte“ angesetzt.
Bis zu seinem Tod erlebte er, und gelegentlich durchaus kritisch, wie Hamburg
seine „Jahrhundertchance“ ergriff und
so viel mehr entstand, als 1997 denkbar
gewesen war. Die Geschichte ermutigt,
„Stadtumbau“ im Sinne Dr. Voscheraus
als umfassende, langfristig ausgerichtete
Transformationschance über Jahrzehnte
hinweg zu begreifen und in Hamburg auch
jenseits der HafenCity weiterhin künftig
anzugehen.
I NTE RVI EW
„Es steht kein Stein, wo wir ihn einst geplant haben ...
... und doch gleicht das Gesamtbild verblüffend dem Masterplan“: Hamburgs Oberbaudirektor Prof. Jörn Walter über die Wachstumsdynamik der HafenCity
Lesetipp:
Bruns-Berentelg/Meyhöfer/Walter (Hg.):
HafenCity Hamburg. Das erste Jahrzehnt. Hamburg 2012,
www.junius-verlag.de
Zentrale HafenCity mit Übersee- und Elbtorquartier: Der Masterplan (2000) sieht „vielfältige Durchwegungen und Blickbeziehungen zur Elbe“ vor, doch erst mit einem städtebaulichen Wettbewerb (2003) wird die Abfolge
2000
Bürgermeister Voscherau stellt am 7. 05. 1997 seine Pläne vor, die Zuhörer im Übersee-Club schauen skeptisch
Fotos: Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (1); Illustration: gmp Architekten (1); Grafiken: HafenCity Hamburg GmbH (4)
Im Dezember 1996 legte der Architekt Volkwin Marg eine erste Studie zur Entwicklung des „innerstädtischen Hafenrands“ vor. Dass die Vision der
Henning Voscherau († 24. 08. 2016) öffnete mit seiner Vision der HafenCity die Tür für Hamburgs Zukunft – Von Prof. Jürgen Bruns-Berentelg
HafenCity News: „Städtebauliche Konzepte stehen in engem Zusammenhang mit gesellschaftspolitischen Zielen“,
haben Sie einmal gesagt. Wie spiegeln sich die Ziele, die
Hamburg mit der HafenCity verknüpft, im Städtebau?
Prof. Jörn Walter: Aus jedem inhaltlichen Ziel ergeben sich
unterschiedliche Konsequenzen. Die verschiedenen Funktionen der HafenCity, also zum Beispiel Wohnen oder Arbeiten, brauchen unterschiedliche Lagequalitäten oder
Größenordnungen. Es spielt aber auch mit hinein, dass
es immer sehr differenzierte Teilmilieus innerhalb bestimmter Nutzungsfunktionen gibt. Etwa beim Wohnen
verschiedene Einkommensklassen, Altersgruppen und
Haushaltsgrößen, im Bürobereich große eigenständige
Nutzer und kleine, die stärker auf Synergien setzen; im
Einzelhandel unterschiedliche Geschäftstypen oder in der
Kultur etablierte Akteure und Newcomer. Man kann daher nicht einen städtebaulichen Typ realisieren, sondern
muss die Gebäudetypen breiter fächern. In der ­HafenCity
hat man dafür zunächst Quartiere definiert, die nicht
gleich sind. Man kann das jetzt schon gut sehen. Am Magdeburger Hafen ließe sich sagen: Ein Block, ein Haus. Am
Kaiserkai ist es viel kleinteiliger. Wir haben unterschiedliche Materialien und Farben in den Quartieren zugelassen,
helle Fassaden, solche in rotem Backstein und anderes
mehr. Die städtebauliche Kunst besteht allerdings darin,
trotz allem ein einheitliches Gesamtbild zu schaffen. Es
darf nicht passieren, dass man Quartiere und Häuser hat,
die überhaupt nicht miteinander sprechen.
HafenCity News: Ob die HafenCity „zu bunt“ oder im Gegenteil zu einförmig sei, wird gerne diskutiert ...
Prof. Jörn Walter: Die HafenCity ist nicht so homogen wie
die Speicherstadt. Sie ist viel differenzierter, um den sehr
unterschiedlichen Nutzungen verschiedene Angebote zu
machen. Aber das darf man nicht dem Zufall überlassen.
OKTOBER 2016 Nehmen Sie die Standorte für herausgehobene Gebäude:
Sie wurden definiert, damit diese als Solitäre wirken können. Das Ergebnis kann man heute bereits an der Elbphilharmonie und dem SPIEGEL-Gebäude überprüfen, aber
auch an der HafenCity-Universität. Ich glaube, die Vielfalt im Einzelnen wie auch die Einheitlichkeit der großen
Strukturen wird langsam sichtbar – und in den nächsten
Jahren noch viel deutlicher. Vieles ist in Bau und Planung.
HafenCity News: Sind die Ziele der HafenCity konstant
geblieben oder gibt es spätere Ideen, die sich dann auch
auf den Städtebau ausgewirkt haben?
Prof. Jörn Walter: Unbedingt. Das muss so sein in einem
Prozess, der 25 Jahre währt. Deswegen war es so wichtig,
den städtebaulichen Wettbewerb nicht eins zu eins festzuschreiben, sondern auf zehn Leitthemen zu reduzieren,
die man über einen langen Zeitraum konsequent verfolgen muss. Wir denken heute zum Beispiel ganz anderes
über das Thema Nachhaltigkeit. Diesen Aspekt haben wir
nach und nach intensiviert, auch mit der Einführung und
Weiterentwicklung des HafenCity Umweltzeichens. Ein
anderes Beispiel ist das Thema Mobilität: Man darf nicht
vergessen, dass man damals zunächst vor der Frage stand,
eine U-Bahn oder Stadtbahn zu bauen. Der Masterplan
musste sich für beides offenhalten. Eine Komponente wie
das Kreuzfahrtterminal im Überseequartier war überhaupt nicht absehbar.
HafenCity News: Stadtentwicklung ist kein linearer Prozess von der Idee zur Realisierung?
Prof. Jörn Walter: Nehmen Sie das Wohnen: In der Anfangsphase der HafenCity stagnierte die Bevölkerungszahl von Hamburg. Geförderte Wohnungen standen teilweise sogar leer. Das damalige Ziel des Senats war, der
massiven Abwanderung ins Umland entgegenzutreten
und ein Angebot für den Mittelstand und für Familien zu
Prof. Jörn Walter, Oberbaudirektor von Hamburg
schaffen. Letzteres war übrigens sehr erfolgreich, denn
heute leben sogar für Hamburg überdurchschnittlich viele Familien in der HafenCity. Aber der Wohnungsmarkt
hat sich deutlich gewandelt, Hamburg wächst dynamisch
und die Preisschraube dreht sich rasant. Der Senat hat
umgesteuert, nicht nur zu einer Wohnungsbauoffensive,
sondern vor allem zum Neubau im preisgünstigen Segment. In der HafenCity entstehen daher, neben Wohnungen von Baugenossenschaften und Baugemeinschaften,
inzwischen auch geförderte Wohnungen. Indem also Pläne nicht ein für alle mal festgeschrieben wurden, hat man
sich eine gewisse Flexibilität erhalten. Trotzdem finde ich,
man erkennt eine große Verwandtschaft, wenn man auf
frühe Dokumente wie den Masterplan schaut. Dabei weiß
ich persönlich: Es haben sich Tausende Details verändert
und es steht kein Stein, keine Linie mehr da, wo wir sie
ursprünglich gesehen haben.
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HINTERGRUND
Gemeinsam für die gute Sache
P O RTRÄT
Wo das Schweinchen rollt
In der HafenCity werden viele Projekte von engagierten Bewohnern, Unternhemen und Institutionen getragen
HAFENCITY „Der Sieger des Turniers ist: Mittwoch 1!“
Die Stimme der Moderatorin hallt über den Bolzplatz am
Nordostrand der HafenCity. Auf dem Rasen klatschen sich die
vier siegreichen Spieler mit dem unterlegenen Team („Mittwoch 2“) ab, dann streben alle dem Getränkestand zu. Es ist
drückend heiß an diesem letzten Augustsonntag, über die
Türme der nahegelegenen Altstadt ziehen Gewitterwolken
heran. Baton Morina gönnt sich ein Bier. Jeden Mittwoch um
18.30 Uhr kickt er hier. „Wir sind Freunde und Arbeitskollegen.
Wir kommen von der Burgstraße, vom Berliner Tor, aus Eppendorf und von der Reeperbahn“, erzählt er. Der 29-jährige
gebürtige Kroate und seine Truppe sind nicht die Einzigen,
für die der Bolzplatz zu einer festen Adresse geworden ist.
Boule gehörte schon früh zur HafenCity. Der Präzisionssport ist für Alt und Jung, Nachbarn und Kollegen gleichermaßen geeignet. Seit Jahren fliegen
freitagnachmittags an den Marco-Polo-Terrassen die Kugeln. Im neu eröffneten Lohsepark finden jetzt sogar Turniere statt
Jeden Freitag um 15 Uhr treffen sich Nachbarn zum Boule an den Marco-Polo-Terrassen
Als der Regen abklingt, bietet sich der herauskommenden Sonne ein ungewöhnliches Bild im Lohsepark: Entlang des Hauptwegs durch die größte Grünanlage der
HafenCity stehen an diesem Samstag Anfang September in regelmäßigen Abständen kleine Gruppen. Männer,
Frauen und Jugendliche, meist in Turnschuhen, kurzen
Hosen und mit Baseballkappen. Vorsichtig treten sie in
einen roten Kreis am Anfang der abgesteckten Sandbahn,
visieren hochkonzentriert eine kleine rote oder gelbe Kugel etwa zehn Meter vor ihnen an und werfen schließlich
mit einem geübten Armschwung eine handtellergroße
silberne Kugel. Trotz der vielen Menschen hört man kaum
ein Geräusch – hin und wieder Kugelgeklacker, knirschende Schritte, eine gemurmelte Absprache unter Spielpartnern, ein anerkennendes Bravo.
„Beim Boule ist es immer so leise, es handelt sich um eine Präzisionssportart“, erklärt Rüdiger Strey, einer der Organisatoren des Boule-Turniers. Insgesamt 128 Spieler aus
den beiden höchsten norddeutschen Ligen treten heute
in der HafenCity an, es geht dabei auch um die Qualifikation für einen Aufstieg in die Bundesliga. Keinesfalls
reduziere es sich darauf, die Kugeln möglichst nah an das
Schweinchen – also die kleine farbige Kugel – zu werfen,
betont Strey. „Hinter jedem Spielzug stehen Taktik und
Kalkül, fast wie beim Schach“, erklärt der 72-Jährige. Liegt
zum Beispiel eine Kugel sehr nah am Schweinchen, versucht ein Spieler der gegnerischen Mannschaft, sie von
dort wegzuschießen. Gelingt ihm das, ertönt beim Aufeinandertreffen der Stahlkugeln das typische Klack-klack.
Der Sieg ist wieder offen.
Im Hamburger Boule Club gehört Strey zu den Experten seines Sports, genauer gesagt, für jene Form namens
Pétanque, die sich zum französischen Nationalsport entwickelt hat. Strey rief bereits vor etwa acht Jahren, noch
bevor er selbst in die HafenCity zog, an der eigens dafür
angelegten Bahn auf den Marco-Polo-Terrassen eine Freizeitgruppe ins Leben, die bis heute existiert. Zu Beginn
des Jahres hat nun auch der Hamburger Boule Club sein
Training vom Lohmühlenpark in St. Georg in den Lohsepark verlegt. „Mitmachen kann jeder, egal ob er acht oder
80 Jahre alt ist“, sagt Frank Johannson, der beim Hamburger Boule Club die Öffentlichkeitsarbeit macht. Auch als
Betriebssport sei Pétanque sehr gut geeignet. (In Frankreich ist dies eine wesentliche Basis für den Erfolgssport).
Johannson: „Es fördert Konzentration und Teamgeist und
lässt sich ohne großen Aufwand in der Mittagspause betreiben. Daher möchten wir auch den Firmen, die in der
HafenCity ansässig sind, das Spiel nahe bringen.“ Zum
Training jeden Donnerstag um 16 Uhr auf der „Bastion 1“,
direkt am Ausgang der U-Bahnstation „HafenCity Universität“, ist jeder willkommen – auch ohne Vorkenntnisse
und ohne Kugeln.
Auf den Marco-Polo-Terrassen fliegen die Boule-Kugeln jeden Freitag ab 15 Uhr. Für die insgesamt zwölf bis
16 Nachbarn vom Kaiserkai ist die freitägliche Partie eine
wichtige Basis für Freundschaft und Austausch geworden. Doch sobald das Schweinchen rollt, geht es auch hier
zuerst um den Sport. „Natürlich wollen wir gewinnen“,
erklärt Jürgen Bock, dessen Mannschaft gerade ein Spiel
für sich entschieden hat. Jutta Kiupel bestätigt: „Wir haben viel Spaß, aber wir kämpfen auch um jeden Punkt.“
In dieser Variante des Spiels treten zwei Mannschaften
gegeneinander an, pro Durchgang sind 13 Punkte zu vergeben: Wer die meisten sammelt, ist Sieger. So wird auch
hier eifrig geworfen, gemessen und gefachsimpelt – und
neue Mitspieler sind ebenfalls gerne willkommen. Ob also
an den Marco-Polo-Terrassen oder im Lohsepark – Boule
gehört schon jetzt zum Savoir-vivre der HafenCity.
Hamburger Boule Club: [email protected]
Da sind Bewohner der HafenCity, Erwachsene wie Kinder. Da
sind Firmen, von denen so viele für den Betriebssport anfragen, dass der Betreiber Spielhaus e. V. den meisten von ihnen
absagen muss. Schließlich sind da jene Feuerwehrmänner,
die man an manchen Vormittagen beobachten kann, wie
sie mit ihren Löschzügen auf dem Parkplatz halten und eine
Runde kicken.
Es geht nicht ohne Fußball. Als 2015 die erste temporäre
Spielfläche im Überseequartier für Bauarbeiten weichen
musste, waren sich Privatleute ebenso wie Firmen und In­
stitutionen darin einig. Mehr als 80 Spender beteiligten sich
finanziell an dem neuen Platz, Kunstrasen und Tore inklusive.
Die HafenCity Hamburg GmbH stellte das Grundstück temporär zur Verfügung und half bei der Realisierung, Baufirmen
steuerten Sachverstand und Material bei. Mit der Eröffnung
am 21. September 2015 ist hier zwischen Lohsepark und Eisenbahntrasse vor dem Oberhafen jedoch weit mehr als ein
Bolzplatz entstanden – vielseitige Sportfläche und urbanes
Gartenprojekt, Dorfplatz und Symbol guter Nachbarschaft
in einem. „Das Projekt war einfach authentisch. Viele wollten
dabei sein“, erinnert sich Markus Riemann, der zusammen
mit Pastor Frank Engelbrecht von der Kirche St. Katharinen
zu den Initiatoren gehörte. Bis heute können die Nachbarn,
die sich im Spielhaus e. V. organisiert haben, für den Betrieb
auf breite Unterstützung zählen – sei es, dass ein Konzern die
Sonnenschirme sponsert oder dass man mit einem anderen
Akteur zusammen Equipment anschafft.
Der Hamburger Boule Club veranstaltete das erste Turnier im Lohsepark. Rüdiger Strey und Frank Johannson (v. l.) gehören zu den Organisatoren
Ab Oktober ziehen 720 Flüchtlinge schrittweise an den Baakenhafen. Nachbarn engagieren sich und suchen weitere Unterstützer
6
01. 09. 2016 die „Flüchtlingshilfe HafenCity“
sollen künftig auch die Ideen und Bedürfnisse der Flüchtlinge ermittelt werden.
„Wir wollen die Flüchtlinge dabei unterstützen, in Deutschland ein eigenes Leben
aufzubauen“, sagt der zweite Vorstandsvorsitzende Frank Mehlin. „Es geht uns darum, die Menschen zu erreichen und etwas
Gemeinsames zu schaffen: eine gute Nachbarschaft“, ergänzt Tanja Heine, die auch
als Vorsitzende des Nachbarschaftsvereins
Netzwerk HafenCity engagiert ist.
Gute Nachbarschaft wollen die ehrenamtlichen Helfer zunächst durch Alltagshilfe
und Willkommenskultur stiften: Praktische
Hinweise auf öffentliche Verkehrsmittel
und Versorgungsmöglichkeiten, Einladungen und Gespräche. In einem weiteren
Schritt ist eine Begegnungsstätte in direk-
ter Nachbarschaft zur Unterkunft geplant.
Die Begegnungsstätte bildet ein zentrales
Projekt der Flüchtlingshilfe HafenCity e. V. –
ein Ort zur Umsetzung der verschiedenen
Angebote ebenso wie ein zwangloser gastlicher Treffpunkt. Es wurden bereits mehrere Zelte eingeworben, die auf der vorgesehenen Fläche gegenüber der Unterkunft
aufgestellt werden. „Weitere Unterstützungsangebote und Spenden sind natürlich
herzlich willkommen“, so Mehlin.
Für den symbolischen Betrag von einem
Euro kann jeder Interessierte Mitglied bei
der Flüchtlingshilfe HafenCity werden und
sich engagieren.
[email protected]
www. fluechtlingshilfe-hafencity.de
OKTOBER 2016 „Geschichten sind das A und O“
Fotos: Thomas Hampel/ELBE & FLUT (1), Bina Engel (2), Miguel Ferraz (4)
Einstimmiges Ja: Rund 30 Ehrenamtliche gründen am
sicher ist das ein Weg, die Identifikation mit dem Arbeitsplatz zu erhöhen.“ Doch selbst dieser Gegenwert, der legitim
auf die Marke und das Unternehmen einzahlt, reicht nicht
aus, um das Engagement mancher Firmen für bestimmte
Lieblingsprojekte zu erklären – im Falle von Otto Wulff etwa
die langjährige umfassende Förderung des von der Hafen­
City weit weg liegenden Kulturpalasts Billstedt. „Es macht
einfach Spaß, weil so viel Positives entsteht“, sagt Stephan
Wulff über den Ort für Jugendkultur („Hip Hop Academy“)
und viele andere Kulturformate, der sich nur wenige hundert
Meter vom Firmensitz entfernt im Osten Hamburgs befindet, inzwischen aber weit über die Stadt hinaus bekannt ist.
Eine Mischung aus Imagepflege und genuinem Enthusias­
mus für die Nachbarschaft findet man auch bei den Betreibern des ersten Frischemarktes der HafenCity. „Generell
orien­tieren sich viele Edeka-Märkte an ihrer Umgebung. Wir
Fußballturnier auf dem Bolzplatz, „Bautraum“ für Kinder
Flüchtlingshilfe HafenCity e. V.
HAFENCITY Am 1. September wurde
im HafenCity Informationszentrum Kesselhaus der „Flüchtlingshilfe HafenCity e. V.“
gegründet. Das nachbarschaftliche Engagement für 720 Geflüchtete, die ab Oktober
schrittweise in eine temporäre Containersiedlung am Kirchenpauerkai ziehen, erhält
damit eine feste Struktur. Bereits im Februar
formierte sich ein breiter Unterstützerkreis,
als bekannt wurde, dass die Unterkunft für
drei bis vier Jahre am Kirchenpauerkai nahe
den Elbbrücken eingerichtet und von dem
sozialen Dienstleister f & w fördern und
wohnen betrieben würde. Verschiedene
Arbeitsgemeinschaften begannen, sich der
Kinderbetreuung, Arbeitssuche und Hilfe
bei Behördengängen, dem Deutschlernen
und anderen Themen zu widmen. Im Dialog
wichtige Rolle“, weiß Andrea Wagener, die in der Gemeinde
St. Katharinen für das Fundraising zuständig ist. Die HafenCity steckt ihrerseits voller Geschichten: Metaerzählungen
wie die Renaissance der Stadt und die Wiederentdeckung der
Elbe, Lebensgeschichten von Umzug und Neubeginn, Gründungsmythen, Nachbarschaftsanekdoten. Noch in den Gebäuden, Brücken und Straßen, selbst in den Straßennamen
stecken interessante Narrative. „Das schafft Identifikation
und sogar einen gewissen, hanseatisch zurückhaltenden
Pa­triotismus“, hat Wagener beobachtet. Nicht zuletzt kann
man darauf vertrauen, dass man mit dem eigenen Engagement nicht allein bleibt – ein Einsatz wird oftmals durch andere aufgegriffen und intensiviert.
Der Bolzplatz ist vermutlich die größte gemeinnützige Erfolgsstory in der HafenCity bisher, aber bei Weitem nicht
die einzige. Man nehme den „Bautraum“ für Kinder und alle
anderen Veranstaltungen im Rahmen des „Sommer in der
HafenCity“: Im Laufe der elf Jahre, die das Gratisangebot an
den Wochenenden vom Juni bis August in den öffentlichen
Räumen der HafenCity existiert, haben sich 27 Programmpartner und 25 Sponsoren daran beteiligt. Man nehme Nachbarschaftsfeste und Kulturveranstaltungen, Gemüsebeete
für Kitas und Tannenbäume in der Schule und vieles mehr.
Die neuen Quartiere, so scheint es, sind ein gutes Pflaster
für soziales Engagement – und das nicht zufällig. „Geschichten sind das A und O, um Förderer zu erreichen. Man muss
Sympathie und Gefühle wecken. Das Persönliche spielt eine
OKTOBER 2016 Kaufmänner zum Greifen: Christian Barg und Markus Böcker
Engagiert in Billstedt und in der HafenCity: Stefan Wulff
Viele Firmen sind bewährte Partner in diesem Prozess, zum
Beispiel Gebr. Heinemann und Otto Wulff Bauunternehmung. Für Stefan Wulff, der das 1932 gegründete Familienunternehmen in dritter Generation führt, gehören Verwurzelung und soziale Verantwortung eng zusammen. „Wir sind
ein Hamburger Unternehmen, wir sind hier groß geworden“,
antwortet er auf die Frage, weshalb man sich engagiere. Mit
Blick auf die Rolle, welche die Förderung für die unterstützten Projekte spiele, wiegelt er ab: „Man kann mit einem kleinen Beitrag für gemeinnützige Initiativen für einen großen
gesellschaftlichen Ertrag sorgen.“
Bereicherung der Marke
Für den Unternehmer Stephan Wulff zählt natürlich auch,
dass es sich für den Ruf auszahlt, wenn man „nicht nur ein
Haus baut, sondern darüber hinaus soziale Verantwortung
zeigt. Das macht uns zu einem verlässlichen Partner und das
wiederum reichert die Marke an“, sagt er. Auch mit Blick auf
die eigenen Mitarbeiter lohnt es sich, wie er festgestellt hat:
„Unsere Leute sind stolz auf unsere Engagements. Sie stecken auch nach Feierabend viel Zeit in diese Projekte. Ganz
sind der Kaufmann, der zu greifen ist“, erklärt Markus Böcker.
Dieses Ideal füllen Böcker und sein Partner Christian Barg
seit fünf Jahren auf dem Überseeboulevard mit besonderer
Verve aus: Trikots für den Lokalverein Störtebeker SV, Unterstützung für die Bolzplätze und die Krebshilfe-Aktion einer
Anwohnerin, Gemüsebeete für die Kitas – die Liste ist lang.
Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 organisierten sie Lebensmittelspenden, die in die Hilfsaktionen
des Ökumenischen Forums in der Shanghaiallee einflossen.
„Wenn jemand mit einem Förderanliegen zu uns kommt,
fragen wir uns: Kommt der mit dem Herzen, mit dem Bauch
oder ist es eher abgeklärt? Wir suchen das Menschliche“, so
Böcker. „Es geht natürlich auch um das Image, aber vor allem
geht es um die Gemeinschaft“, bestätigt Barg. Wichtig sei,
dass es in der HafenCity inzwischen ein großes Netzwerk von
engagierten Akteuren gebe. „Das ist ein Zusammenspiel, das
riesigen Spaß macht“, so Böcker.
Ein Wunsch eint alle, die für diese Geschichte befragt wurden: dass die Effekte des sozialen Engagements über Quartiersgrenzen hinweg integrierend wirken. Stephan Wulff
formuliert es so: „In der HafenCity gibt es sicherlich oft
besondere Bedingungen und Chancen. Deshalb ist es umso
wichtiger, dass sie abstrahlt.“ Und mit dem Bau einer Flüchtlingsunterkunft im Osten ist ein großes neues Motiv der Gemeinnützigkeit entstanden. Für eine Begegnungsstätte und
weitere Angebote an die künftig über 700 Bewohner haben
Dutzende Ehrenamtliche bereits die Arbeit aufgenommen.
Weitere Mitstreiter und Förderer sind bei der neu gegründeten „Flüchtlingshilfe HafenCity“ herzlich willkommen.
7
KULTUR
TE R M I N E
HafenCity goes Expo Real
Die HafenCity präsentiert sich auch
dieses Jahr auf der Immobilienmesse Expo Real. Am Hamburger Gemeinschaftsstand gibt es Information und Austausch, Vorträge und
Diskussionsrunden zu einem breiten Themenspektrum – und natürlich wie immer
viele Einzelgespräche.
04. 10. 14.00 Uhr: Innerstädtische Verdichtung – Höhe statt Breite? Mit Dr. C.
Schumacher, Union Investment und ZentraIer Immobilien Ausschuß (ZIA) Nord;
Prof. J. Bruns-­Berentelg, ­HafenCity Hamburg GmbH; Prof. J. Walter, Oberbaudirektor Hamburg; A. Wende, ZIA Vorsitz
Ausschuss Büro
18.00 Uhr Party „Heimathafen Hamburg“
05. 10. 14.00 Uhr Hamburg/HafenCity
Empfang mit Dr. Dorothee Stapelfeldt,
Senatorin für Stadtentwicklung und
Wohnen, Prof. Jürgen Bruns-Berentelg
16.00 Uhr Norddeutscher Empfang auf
dem Schleswig-Holstein-Stand mit Senatorin Stapelfeldt und Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (Schleswig-Holstein)
04.–06. 2016 Halle B2, Stand 430
Eisvergnügen
Unter dem Motto „Eisvergnügen für Engel und Bengel“ schaffte es der Weihnachtsmarkt auf dem Überseeboulevard
2015 in die Topliste des „Focus“. In diesem
Jahr gibt es erneut viele Extras – darunter
eine Eisbahn, gratis bis 18 Jahre, mit Eisstockschießen, Theaterproduktionen und
betreutes Kinderprogramm.
21. 11.–30. 12., Eröffnung 24. 11. 18.00 Uhr
auf dem Überseeboulevard; Anmeldung
Eisbahn und Eisstockschießen für Schulklassen:
[email protected]
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IM PRESSUM
Verlag: HafenCity Hamburg GmbH,
Osakaallee 11, 20457 Hamburg, www.hafencity.com
V. i. S. d. P.: Susanne Bühler
Redaktion: Henrike Thomsen
Texte und Mitarbeit: Andrea Bittelmeyer,
Gunnar Herbst, David Kappenberg, Henrike Thomsen
Design: lab3 mediendesign, Hamburg
Korrektorat: Gustav Mechlenburg
Druckerei: Langebartels & Jürgens, Hamburg
Die Veröffentlichung von Texten oder Textauszügen
darf nur nach Genehmigung der HafenCity
Hamburg GmbH erfolgen. Die in dieser Publikation
enthaltenen Informationen sind für die Allgemeinheit bestimmt; sie erheben weder Anspruch auf
Vollständigkeit noch auf Richtigkeit.
44. Ausgabe, Hamburg,
Oktober 2016
© 2016 All rights reserved
Fotos: Bina Engel (3)
Diese Publikation wurde
auf umweltfreundlichem
FSC-zertifiziertem Papier
gedruckt.
8
„Wir setzen uns mit unserer Stiftung gezielt ein“
In der HafenCity wächst eine vielfältige und lebendige Stiftungsszene heran und gibt der deutschen Stiftungshauptstadt Hamburg neue Impulse. Medizinforschung, Patientenwohl und Dutzende andere Zwecke werden bedacht
Harbour Front Literaturfestival: Kinderveranstaltung in der Katharinenkirche
HAFENCITY Weist Stammzellenforschung den Weg in ein unendliches Leben?
Der niederländische Biologe und Mediziner
Prof. Dr. Hans Clevers wiegelt ab. 90 gesunde Jahre leben und dann der nächsten Generation Platz machen, dass sei eher seine
Vorstellung, erklärte er Anfang September
im Hamburger Rathaus. Das Publikum im
voll besetzten Saal folgte dem Gespräch
anlässlich des Körber-Preises für Europäische Wissenschaft voller Spannung. Wer
noch tiefer in den Zusammenhang von
Stammzellenforschung und medizinischem Fortschritt einsteigen wollte, war
bei einer Vorlesung Clevers in der Medizinischen Fakultät der Universität richtig.
Der Körber-Preis 2016 zeigt, was die Arbeit von Stiftungen gesellschaftlich bewirken kann. Es geht nicht allein um finanzielle Unterstützung, nicht einmal bei einem
mit 750.000 Euro so hoch dotierten Preis
wie diesem. Ebenso wichtig ist die Anregung von gesellschaftlichen Diskursen,
der Einblick in komplexe Themen und neue
Wege. In Hamburg profitiert man besonders davon: Mehr als 1300 registrierte Stiftungen machen die Freie und Hansestadt
zur deutschen Stiftungshauptstadt.
Zwecke spiegeln Lebensgeschichte
In der HafenCity und in direkter Nachbarschaft sind laut Datenbank der Hamburger
Justizbehörde 38 Stiftungen gemeldet –
mit Blick auf den Bevölkerungsdurchschnitt ein hoher Wert. In Größe und
Zweck sind sie vielfältig: Da gibt es Klassiker wie die Körber-Stiftung (seit 1959) mit
repräsentativen Gebäuden und weithin
bekannten Projekten. Die Klaus-MichaelKühne-Stiftung etwa ist der Hauptförde-
rer des Harbour Front Literaturfestivals,
das seit 2009 mehr als 120.000 Besucher
begeistert hat – die aktuelle achte Ausgabe nicht eingerechnet. Da gibt es aktive Institutionen wie das Ökumenische Forum,
die als Stiftung eingetragen sind. Schließlich gibt es mittlere und kleiner Stiftungen, die sich für Völkerverständigung,
Tierschutz, Tradi­tionsschiffe und vieles
mehr einsetzen.
Dass die Mehrzahl um das Millenium herum gegründet wurden und damit etwa so
alt ist wie die HafenCity sind, hat allerdings
ganz eigene Gründe: „Um 2000 herum gab
es eine Stiftungsrechtsreform, danach sind
viele kleinere Stiftungen entstanden“, erklärt Tom Kemcke von der Sozietät Esche
Schümann Commichau. Kemcke befasst
sich aus rechtlicher und steuerlicher Sicht
mit Stiftungen, ebenso wie zwei weitere
Partner der fast 200-jährigen Traditionskanzlei mit Sitz am Sandtorkai. „Wenn jemand zu uns kommt, um mit seinem Geld
Gutes zu tun, beraten wir ihn ausführlich.
Lohnt sich eine eigene Stiftung? Oder eher
eine Zustiftung oder Treuhandstiftung?
Gerade bei kleineren Kapitalbeträgen
sollte man darüber nachdenken“, erzählt
­Kemcke. Oft seien Stifter Individualisten
mit einem ganz persönlichen Anliegen. Das
spiegele sich zunehmend auch in den Stiftungszwecken. „Früher waren es allgemeine Themen wie Alten- und Krankenpflege,
Vorsorge und Bildung. Heute gibt es mehr
Zwecke, die aus einer ganz eigenen Lebensgeschichte und Betrachtung resultieren.“
Zum Beispiel die Lohfert Stiftung: Die
Zwillinge Dr. Christoph und Dr. Dr. Peter
Lohfert haben 50 Jahre lang Krankenhäuser geplant, gebaut und organisiert. Inzwischen sind sie zusammen „fast 160 Jahre“
alt, wie Dr. Christoph Lohfert lachend erzählt. Alt genug jedenfalls, um dem Gemeinwohl etwas zurückzugeben, fanden
sie. „Es ist ein Kreislauf. Wir haben viel
über den kranken Menschen gelernt, jetzt
setzen wir uns mit unserer Stiftung gezielt
für ihn ein“, so Dr. Lohfert. „Wir passen auf
Patienten auf“, lautet das Motto. Seit 2013
gibt es den Lohfert-Preis für Projekte, die
das Wohl stationärer Patienten und die
Kommunikation in Kliniken verbessern. Der
diesjährige Preis (dotiert mit 20.000 Euro)
ging an das Projekt „Therapiebegrenzung:
Verbesserung der gemeinsamen Entscheidungsfindung mit onkologischen Patienten“ des Klinikums der Universität München-Großhadern sowie des Nationalen
Centrums für Tumorerkrankungen (NTC)
Heidelberg.
Dr. Dr. Peter Lohfert und Dr. Christoph Lohfert
Der Preis bewirke in den Köpfen von Ärzten und anderen Entscheidungsträgern etwas, sind sich die Stifter sicher: „Es werden
immer mehr und immer bessere Konzepte
eingereicht.“ Unter diesem Eindruck haben
die Lohferts ihre Stiftung jüngst kräftig
ausgebaut. Künftig soll es auch eine Lohfert-Akademie und einen Forschungsbereich geben.
Dass er sich egal wo und wann für das
Patientenwohl eingesetzt hätte, steht außer Frage, wenn man sich mit Dr. Christoph Lohfert unterhält. Dennoch hält er es
nicht für einen Zufall, dass das Projekt ausgerechnet am Kaiserkai Form angenommen hat. „Die Stiftung ist auf die Zukunft
ausgerichtet, sie ist offen und immer auf
der Suche nach Inspiration. In dieser Form
gehört sie genau hierher in die Hafen­
City“, sagt er.
Kühlschiff mit Kultur und Zukunft
Mit einem Horizont bis 2026 kann die MS Stubnitz in der HafenCity langfristig planen
Seit drei Jahren liegt die MS Stubnitz nahe
dem Baakenhöft im Osten der Hafen­City
und das wird mindestens noch zehn Jahre so bleiben: Die Stadt Hamburg hat ihre
Genehmigung für den Standort bis 2026
verlängert. „Mit diesem Zeithorizont können wir nun langfristige Partnerschaften
aufbauen und ausbauen, wie zum Beispiel
mit Elbjazz, Arabesques oder dem Harbour Front Literaturfestival“, freut sich Urs
Blaser, Manager des Kulturschiffs. Rund
30.000 Gäste kommen jährlich für Konzerte, Lesungen und Clubevents an Bord. Hinzu kommen vermehrt auch Betriebsfeiern,
denn die MS Stubnitz kann für bis zu 700
Personen gemietet werden. „Wir wollen
eine breite Vielfalt kulturellen Lebens bei
uns an Bord abbilden“, so Urs Blaser.
Das knapp 80 Meter lange Kühlschiff,
1964 in Stralsund gebaut, war bis 1990
im Fischfang eingesetzt. „Es ist selbst ein
Stück maritime Historie“, so Blaser. „Die
entstehende Elbpromenade hier am Kirchenpauerkai soll ja auch perspektivisch
den maritimen Charme erhalten. Deshalb
passt die MS Stubnitz auch künftig hervorragend hierher.“
ms.stubnitz.com
Literaturlesung auf der MS Stubnitz
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