Moderne Arbeitswelt: Das Unilever-Gebäude am Strandkai ist Pionier für offene, informelle Kommunikation HAFENCIT Y HAMBURG NEWS OKTOBER 2016 Offenheit und Inspiration: Neue Arbeitswelten Die Anzahl der Firmen in der HafenCity hat sich innerhalb von sechs Jahren verdreifacht. In innovativen Neubauten gehen Großunternehmen ungewohnte Wege in der Arbeitsorganisation und Kommunikation. Auch im Quartier Elbbrücken ganz im Osten gibt es erste Ansiedlungspläne Yoga auf der Firmenterrasse Fotos: Bert Brüggemann (1), Bina Engel (2) Bei Gebr. Heinemann freut sich der Leiter der Architekturabteilung, Kai Böckler, über die neuen Büroräume. Nebenan die frisch eröffnete Zentrale von Marquard & Bahls HAFENCITY Noch ist es ein Modell, an dem Christian Völkers die künftige Firmenzentrale von Engel & Völkers erklärt. Ganz in Weiß ist es gehalten. Die Signetfarbe des Architekten Richard Meier entspricht dem puristischen Markenauftritt des Hamburger Maklerunternehmens. Dem Firmengründer und Vorstandsvorsitzenden Christian Völkers geht es bei seiner Präsentation Anfang September allerdings nicht nur um den Look des neuen Gebäudes, das bis Frühjahr 2018 neben dem Unilever-Gebäude im Quartier Strandkai fertiggestellt wird. Der neue Hauptsitz von Engel & Völkers ist Teil eines Ensembles, das zusammen mit der Quantum Immobilen AG entwickelt wird, und das – unter dem Namen STRANDHAUS by Richard Meier – auch hochwertige Eigentumswohnungen und Mietwohnungen enthält. Völkers ist stolz auf diese Nutzungsmischung und er freut sich auf die Transformation, die sich für sein Unternehmen ankündigt: Das neue „Markenhaus“ soll auf 6800 Quadratmetern Fläche viel mehr bieten als Büros: Es soll Engel & Völkers erlebbar machen, Mitarbeiter inspirieren und offen für Gäste sein. Mit 8000 Mitarbeitern, die in 32 Ländern unter der Marke Engel & Völkers agieren – WWW.HAFENCITY.COM der Markencourtageumsatz betrug 2015 rund 410 Millionen Euro –, hat sich hier ein weiteres Großunternehmen für die HafenCity entschieden. Bereits 2009 verlegte der Konsumgüterproduzent Unilever seine Zentrale für die deutschsprachigen Länder aus der City an die Elbe. Es folgten unter anderem die DNV GL-Gruppe (früher Germanischer Lloyd) und die SPIEGEL-Gruppe. Insgesamt hat sich die Zahl der Firmen in der HafenCity von 2010 bis 2016 nach einer neuen Zählung auf mehr als 730 Unternehmen fast verdreifacht. Darunter finden sich auch viele kleine und mittlere Unternehmen: Die Bandbreite reicht von Start-ups bis zu den Großen der Hamburger Wirtschaft mit internationalem Business und Ansehen. Repräsentation ist nicht alles Zum Beispiel auch Marquard & Bahls, eines der weltweit führenden unabhängigen Unternehmen im Bereich Energieversorgung, -handel und -logistik. Die Hamburger Familienfirma betreibt unter anderem die Tankstellenkette OIL! und wird mit einem Umsatz von 12,5 Milliarden Euro unter den hundert deutschen Top-Unternehmen aufgelistet. Seit September gehen die rund 700 Mitarbeiter der Hamburger Firmenzentrale in einem Neubau in der zentralen HafenCity ein und aus. Das Gebäude drückt mit seinem großzügigen „Stadtbalkon“ über dem Brooktorhafen zugleich Offenheit und Klarheit aus. Gegenüber erhebt sich ein weiterer eleganter Neubau aus Klinker, mit dem die Firma Gebr. Heinemann den 2009 eröffneten Hauptsitz vergrößert hat (siehe Seite 2). Natürlich sollen die neuen Unternehmenssitze repräsentativ sein und mit dem Umzug in der Regel auch eine einhergehende Erfolgsgeschichte widerspiegeln. Doch oft können sie sogar weit mehr. Man nehme die zweigeschossige, etwa 1000 Quadratmeter große künftige Eingangshalle in dem künftigen Gebäude von Engel & Völkers: „Sie ist einer Hotel-Lobby nachempfunden, um ein Ort zu werden, in dem man sich wohlfühlt und in produktiven Austausch geht“, sagt Christian Völkers. In der Lobby werden künftig Meetings, Kundengespräche und Veranstaltungen stattfinden. Zugleich steht sie offen für jeden Interessierten. Auch die Büroräume in den oberen Stockwerken mit 350 bis 400 Arbeitsplätzen werden laut Völkers „offen gestaltet. Alles wird sehr kommunikativ“. In der Architektur spiegelt sich so eine neue Haltung zu Arbeit und Unternehmertum, auf Innovation, Vernetzung und das konstruktive Miteinander über Abteilungs- und eventuell sogar Firmengrenzen hinweg bedacht. Mit der Unilever-Zentrale für Deutschland, Öster­ reich und die Schweiz wurde diese moderne Arbeitswelt vor sieben Jahren in der HafenCity erstmals realisiert. „Früher ging man ins Büro, weil dort die Kollegen, die Bürotechnik und die Arbeitsunterlagen waren. Heute ist die Infrastruktur in Form von Smartphones, Laptops und Daten überall verfügbar. Das Büro wird immer mehr zu einem Ort, um Menschen zu treffen und direkt zu kommunizieren“, sagt der Sprecher Konstantin Bark. Die Arbeitsumgebung solle Offenheit und Transparenz fördern, den Teamgeist stärken und vor allem Spaß am Arbeiten vermitteln, so Bark weiter. In dem von Behnisch Architekten gestalteten Gebäude am Strandkai ist die Eingangshalle zugleich öffentliche Passage und Veranstaltungsort. In den oberen Etagen spannen sich Brücken und Treppen einladend kreuz und quer. Kaffee-Lounges, Terrassen und der Dachgarten sind wichtige Treffpunkte Fortsetzung auf Seite 2 3 IN DIESER AUSGABE: Ein Haus für viele Seite 3 Wie Wohnungen, Kita, Ateliers und Geschäfte am Grasbrookpark entstehen In memoriam Bürger­‑ meister Voscherau Seite 4–5 Gemeinsam für die gute Sache Seite 7–8 Wie die HafenCity „geschaffen“ wurde Wie ehrenamtliches Engagement und Stiftungen die HafenCity prägen 1 REPORTAGE Ein Umfeld mit Schulen (hier die Katharinenschule) und Kindergärten ist auch für Unternehmen attraktiv 3 Fortsetzung von Seite 1 sowohl für Meetings als auch für informelle Kommunikation. Auf der Dachterrasse der UnileverZentrale finden – mit grandiosem Blick auf die Elbe – zudem Yogakurse statt, denn das Thema Gesundheit und Wohlbefinden werde großgeschrieben, so Bark, ebenso wie die Integration von Familie und Beruf. Umso mehr „weiche Faktoren“ wie gute Kommunikation, Fitness und Work-Life-Balance in die Selbstbilder und die Strukturen großer Unternehmen Eingang finden, desto besser passt der Standort HafenCity. Diese bildet als zukunftsfähige Erweiterung der bestehenden City nicht einfach deren Strukturen ab, die seit dem 20. Jahrhundert überwiegend durch großflächige Büro- und Handelsnutzungen geprägt sind. Als „New Downtown“ fügt die HafenCity der Hamburger Innenstadt künftig insgesamt über 45.000 Arbeitsplätze hinzu – dicht gemischt mit Wohnen, Einkaufen sowie Freizeit- und Kulturangeboten. Es entsteht eine starke soziale Infrastruktur mit Kindergärten und Schulen und eine Stadt der kurzen Wege. „Erst die Mischung macht einen Stadtteil lebenswert. Davon profitieren auch die Unternehmen“, sagt Margit Werner von PME-Familienservice. Die bundesweit aufgestellte Gruppe mit Sitz und einer eigenen Kita am Lohsepark erhebt das Sichern einer guten Work-Life-Balance zum Geschäftszweck. Werner weiß aus Erfahrung, wie wichtig das Umfeld dafür ist. „Dazu gehören, wie in der HafenCity, eine zentrale und attraktive Lage, eine Kinderbetreuung, die auch Notfallsituationen und Ferienzeiten abdeckt, aber auch Parks, Geschäfte, Restaurants und Sportangebote“, sagt sie. Im Wettbewerb um gute Mitarbeiter könne man mit einem stützenden und attraktiven Standort besonders punkten. Mit dem Einzug von Großunternehmen erhöht sich schlagartig die Zahl der Arbeitnehmer in der HafenCity – mit Marquard & Bahls sind es ca. 12.000. Dies wiederum stimuliert das Angebot im Umfeld und die attraktiven besucherfreundlichen LobbyKonzepte sorgen für zusätzliche Belebung. Im Quartier Elbbrücken wird ein neues Vorhaben die Publikumswirkung von Anfang an hoch ansetzen: Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und die Verwaltungs-Berufs­ genossenschaft (VBG) planen gemeinsam ein großes Präventionszentrum. Auf 28.500 Quadratmeter Bruttogeschossfläche wird es neben 180 Beschäftigten rund 30.000 Nutzer pro Jahr an die – verkehrlich hervorragend abgebundene – Ostspitze der HafenCity bringen. Seminare, Ausstellungen und Veranstaltungen machen das Thema Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit anschaulich und in Praxiswelten erlebbar. Dabei werden ein dichtes Konzept der Kommunikation und eine zukunftsweisende Lernumgebung etabliert. Wie sich das in der Architektur niederschlägt, wird das Ergebnis des Architekturwettbewerbs im Frühjahr 2017 zeigen. Ein Haus und Treffpunkt für viele E D ITO R IAL Der Geist der HafenCity ergibt sich aus ihrer Zukunftsfähigkeit. Niemand wusste das vermutlich besser als Dr. Henning Voscherau. Als er 1997 seine Vision vorstellte, wie aus einem „innerstädtischen Hafenrand“ die HafenCity werden sollte, berief sich Hamburgs damaliger Erster Bürgermeister ausdrücklich auf „ein blühendes Hamburg im neuen Jahrhundert“. Nicht immer ist dieser Zukunftsgeist allerdings willkommen. Er kann sogar Ängste auslösen. Transformationsprozesse dieser Größenordnung und Direkt neben dem Grasbrookpark entsteht ein Wohngebäude mit außergewöhnlicher Nutzungsvielfalt: rund 140 Wohnungen in den verschiedensten Formen, dazu eine Kita, Ateliers und Gewerbeflächen. Anfang 2018 soll eines der letzten verfügbaren Grundstücke der westlichen HafenCity fertig bebaut sein Komplexität rufen Fragen der Wirtschaft und der Arbeit, des Konsums, des sozialen Zusammenhalts, der Kultur oder der Nachhaltigkeit im verdichteten innerstädtischen Kontext auf. Solche Fragen zu durchdenken – seien sie im Einzelnen oder in ihrer Abhängigkeit im Ganzen – bedarf erheblicher Anstrengung, eröffnet jedoch die Chance für langfristige strategische Veränderungen. Bisher hat es die HafenCity geschafft, ihre Transformationskraft für die Hamburger Metropolregion und ihre Menschen zu entfalten. Wenn Unternehmens- und Wohnvielfalt gleichzeitig blühen, wenn Nachbarn, Förderer und Stifter sich gemeinnützig engagieren, wenn herausragende Lebenswelten gestaltet werden und gleichzeitig Flüchtlinge Platz finden, entsteht eine lebendige zukunftsfähige Stadt. Wir sollten sie im Sinne Voscheraus weiterhin unerschrocken gestalten. Auf 5,5o Metern Höhe wird der Innenhof des neuen Wohngebäudes einen Treffpunkt für viele bilden. Der blaue Bauzaun zum benachbarten Grasbrookapark wird heute bereits kommunikativ genutzt AM SANDTORPARK/GRASBROOK Harte kör­ perliche Arbeit und ausgelassenes Toben liegen am Grasbrookpark zurzeit eng beieinander. Während Kinder und Erwachsene die Spiel- und Sportmöglichkeiten des Parks genießen, wird direkt nebenan gehämmert, gesägt, Beton gegossen. Bauarbeiter und Handwerker lassen die Mauern und Etagen eines neuen Gebäudes aus dem Boden wachsen. Die untersten Geschosse haben sie bereits fertiggestellt. Das letzte unbebaute Grundstück im Quartier Am Sandtorpark/Grasbrook stellt dabei mit seinem ungewöhnlichen Zuschnitt – 135 Meter lang, aber nur 33 Meter tief – besondere Herausforderungen an Architekten, Bauherren und das ausführende Unternehmen. „Auf der einen Seite haben wir den Park, ringsum die Nachbarbebauung samt Heizwerk – das macht besonders die Baulogistik zu einem regelrechten kleinen Abenteuer“, sagt Christian Roggenbuck, der für das Bauherren-Konsortium die Arbeiten überwacht und koordiniert. Auf eine „Baustelleneinrichtungsfläche“, auf der Material angeliefert und vorgehalten werden kann, musste man verzichten. Stattdessen müssen Bedarfe und LKW-Transporte zeitlich genau getaktet werden. Drei Kräne heben das Material in jede Ecke der Baustelle. Doch die Mühe ist es dem Konsortium aus der HANSA Baugenossenschaft, Grundstücksgesellschaft Roggenbuck GbR und Baugemeinschaft am Grasbrookpark wert, denn mit dem Gebäude realisieren sie eine besonders bunte Wohnvielfalt und Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen Ihr Jürgen Bruns-Berentelg, Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH I NTE RVI EW „Wir wollen in 100 Jahren noch hier sein“ Mit einem Gruppenumsatz von 3,6 Milliarden Euro in 2015 gehört Gebr. Heinemann zu den weltweit größten Betreibern von Duty-free-Shops und anderen besonderen Einkaufsmöglichkeiten, etwa auf Kreuzfahrtschiffen. 1879 im Hamburger Freihafen gegründet, beschäftigt die Firma weltweit 6500 Mitarbeiter, davon rund 800 in der Hamburger Zentrale HafenCity News: Rund 350 Mitarbeiter beziehen in diesem Herbst neue Büros am Magdeburger Hafen. Wie spiegelt sich die Entwicklung des Unternehmens darin ­wider? Gunnar Heinemann: Die Firma wächst, die Marke Heinemann Duty Free entwickelt sich und das neue Gebäude zeugt davon. Wir hatten die Situation, dass wir im Wachstum eine ganze Abteilung ausgliedern mussten, zwar hier in der Nähe, aber wir wollten das trotzdem ändern. Wir glauben, dass es trotz aller modernen 2 Kommunikationstechnik gut ist, wenn alle unter einem Dach sind. Im Erdgeschoss zieht außerdem ein langjähriger Partner von uns, ein Reisebüro, ein. Für die Nachbarfläche von 180 Quadratmetern suchen wir einen Mieter. Claus Heinemann: Wir haben sehr stark auf gute persönliche Kommunikation gesetzt. Und dazu gehört, dass man sich trifft ... Gunnar Heinemann: ... dass man nicht mal so eben über den Bildschirm spricht. Deshalb haben wir uns viel Mühe bei der Ein- ­ aritimen Museums, ist einfach fantasM tisch und er ist ja genauso so alt wie unsere Firma. Unser Firmengebäude von 1978 haben wir komplett umgebaut und modernisiert, dabei haben wir bewusst an den Backstein-Stil des alten Speichers angeknüpft. Wenn Sie so wollen, repräsentiert der Kaispeicher das 19. Jahrhundert, unser Hauptgebäude das 20. und der Neubau das 21. Jahrhundert. Dabei ist es hervorragend gelungen, einen so ähnlichen roten Backstein für das neue Gebäude zu finden, dass es optimal zu unser Bestandsgebäude passt und beide sehr gut miteinander harmonieren. HafenCity News: Ist es wichtig, andere Unternehmen als Nachbarn zu haben? Gunnar Heinemann: Im Wesentlichen müssen wir uns schon auf uns selbst verlassen. Aber man kennt sich natürlich. Claus Heinemann: Es ist reizvoll, dass es sich doch insgesamt um Unternehmen handelt, die langfristig an diesem Standort bleiben wollen. Dass es keine Firmen sind, die ständig kommen und gehen. Wir haben hier jedenfalls viel Geld investiert, um in 50 oder 100 Jahren auch noch hier zu sein. OKTOBER 2016 Ateliers. Sie sind ein Angebot beispielsweise für Selbstständige, Künstler und Musiker. In gewisser Weise ist der Bauzaun bereits ein Symbol für den angestrebten kreativen Charme: Der 135 Meter lange, leuchtend blaue Bretterzaun dient als Open-Air-Galerie. Als Erste bestückten Kita-Kinder aus ganz Hamburg den Zaun mit ihren Bildern. Weitere Ausstellungen sollen folgen, bis das Gebäude Anfang 2018 fertig ist. Eine Fassade aus sehr dunklem Backstein wird dafür sorgen, dass die „Wohnvielfalt am Grasbrookpark“ architektonisch markant und doch nicht äußerlich zu bunt wird. „Das Gebäude wird sich selbstbewusst präsentieren und in Anlehnung an die Kühne Logistics University einen werthaltigen, markanten Charakter haben“, sagt Roggenbuck. Der Innenhof heißt Bewohner und Nutzer mit helleren Farben willkommen. Die Realisierungskosten werden sich voraussichtlich auf rund 44 Millionen Euro belaufen. „Dank Projekten wie diesem wird die HafenCity ein Zuhause für jedermann“, sagt Sven Theuerkauff von der HANSA Baugenossenschaft, die 55 Wohnungen in dem neuen Gebäude verantwortet. Wo heute ein Wimmelbild von aufwachsenden Mauern, Gerüsten und Stahlbewehrungen zu sehen ist, sieht er künftig einen „Schmelztiegel: ein Ort, an dem man sich trifft, gute Gespräche führt und das Prinzip lebt, sich gegenseitig zu helfen“, so Theuerkauff. Am Gebäude wird es nicht scheitern. Es erfüllt alle Voraussetzungen. Kreuzfahrtstandort auf dem Sprung in die Zukunft Für den Bau eines leistungsfähigen innovativen Terminals im Überseequartier weicht zunächst eins der beiden temporären Terminalgebäude Fotos: Bina Engel (2), Thomas Hampel/ELBE & FLUT (3); Visualisierung: BKK-3 (1) Claus und Gunnar Heinemann sind Inhaber des Familienunternehmens in vierter Generation richtung von Küchen, eher im Stil einer Pantry, gegeben, aber auch mit den beiden Dachterrassen. Es sollen Orte sein, an denen man im Gespräch vielleicht wirklich ein Problem löst, weil sie offen und atmosphärisch und gastlich sind. Claus Heinemann: Wenn wir immer den gleichen geistigen Ausblick hätten wie den visuellen Ausblick von hier aus, würde es der Firma langfristig gut gehen. HafenCity News: Sie sind eigentlich kein Unternehmen, das für seinen Erfolg notwendig die Stadt braucht. Ihr Geschäft hat mit Logistik und Einzelhandel fernab von Hamburg zu tun. Gunnar Heinemann: Das stimmt, aber uns war schnell bewusst, wie großartig dieser Ort für einen Firmensitz ist. Mitten in der HafenCity, im Zentrum Hamburgs. Eine Viertelstunde vom Rathaus entfernt. Claus Heinemann: Unsere Mitarbeiter lieben es, wie viele Möglichkeiten sich ihnen auftun, wenn sie aus dem Büro kommen. Die HafenCity bietet eine große Vielfalt und alles auf kurze Distanz. HafenCity News: Was bedeutet der architektonische Auftritt für Unternehmen? Claus Heinemann: Der Kaispeicher B nebenan, heute Sitz des Internationalen intensive Mischnutzung. Insgesamt werden 136 kleinere und größere Wohnungen geschaffen, barrierefrei zugänglich und errichtet nach dem Umweltzeichen HafenCity in Gold. „Wir streben eine ausgewogene Bewohnerstruktur an und schaffen besonders auch Wohnraum für Familien, Studenten und Senio­ ren“, so Roggenbuck. Der Anteil der geförderten Wohnungen (6,10 Euro/m2 oder 8,20 Euro/m2) und der mietpreisgedämpften Wohnungen (11,10 Euro/m2) liegt bei rund 40 Prozent der gesamten Wohnfläche. Das Erdgeschoss ist vornehmlich für den Einzelhandel vorgesehen, im Westen zieht ein bilingualer Kindergarten mit 85 Plätzen von Kinderwelt Hamburg e. V. ein. All das ist nur durch einen Fußweg und eine Straße vom Grasbrookpark getrennt. „Wir wollen eine Vielzahl von Angeboten für unterschiedliche ­Bedürfnisse schaffen“, so Roggenbuck. Doch wie stiftet man Gemeinschaft in der Vielfalt? Eine wichtige Rolle dafür spielt der große halb öffentliche Innenhof des Gebäudes (Entwurf: BKK-3 aus Wien). Auf 5,50 Meter Höhe über zwei Treppen zugänglich soll diese „Kommunikationsebene“ Begegnungen ermöglichen. Der große Gemeinschaftsraum, der sich im Westen an den Hof anschließt, ist im Rohbau bereits begehbar. Hier kann man verweilen, miteinander reden und Aktivitäten gestalten. Als private Rückzugsorte entstehen unterdessen Gärten, die den Wohnungen vorgelagert sind, und für die oberen Etagen Dachterrassen. Einen wichtigen Baustein, um das Gebäude mit der erweiterten Nachbarschaft zu vernetzen, bilden zwölf ÜBERSEEQUARTER Als die „Queen Mary 2“ im Juli 2005 zum zweiten Mal in der HafenCity anlegte, verfolgten rund 400.000 Menschen das Spektakel. Seitdem haben sich Kreuzfahrtschiffe zu einem wichtigen Bestandteil des maritimen Flairs, aber auch der Stadtkulisse Hamburgs entwickelt. Bis heute ist dies nirgendwo besser zu spüren als in der ­HafenCity, wo Hafen und Stadt eine moderne Symbiose eingehen. Passagiere an Bord wie „Sehleute“ an Land erleben den Einlauf der Schiffe in direkter Nähe von Landungsbrücken und Elbphilharmonie. 2006 wurde das Cruise Center HafenCity um Terminal 2 ergänzt – eine weitere Halle für Gepäckabfertigung und Doppelanläufe. Bis Ende 2015 passierten in den beiden Terminals bei 826 Schiffsanläufen rund 1,6 Millionen Passagiere. Für eine Übergangszeit wird der Betrieb nun eingeschränkt: Terminal 2 wird ab Oktober zurückgebaut, um den BauOKTOBER 2016 beginn im Südlichen Überseequartier 2017 zu ermöglichen. Terminal 1 bleibt in allen Funktionen bis 2021 erhalten. Im Überseequartier entsteht, angebunden an zwei Liegeplätze, ein über vier Geschosse vertikal integriertes Terminal. In direkter Erreichbarkeit der City können hier bis zu 3.600 Passagiere gleichzeitig abgefertigt werden. Es besteht eine Erweiterungsoption für Großschiffe. Von Beginn war geplant, die temporären Terminals wieder abzubauen. Terminal 2 wurde in Leichtbauweise mit einer Stahlkonstruktion binnen acht Wochen errichtet. Unterstützt von einem zusätzlichen Liegeplatz nach Bedarf am Baakenhöft bleibt Terminal 1 vorerst die zentrale innerstädtische Anlaufstelle für Kreuzfahrtschiffe in Hamburg. Zugleich nimmt der Kreuzfahrt­ standort Hamburg mit dem neuen HafenCity Terminal Kurs auf eine leistungsfähige innovative Zukunft. An Kreuzfahrtschiffe kommt man in der HafenCity auch künftig mitten in der Stadt ganz nah heran. Im neuen vertikalen Terminal im Überseequartier werden sie künftig noch besser integriert 3 IN M EMORIAM BÜRGERM EISTER VOSCHERAU 20 Jahre Lernen und kein Ende „Muster neuer Lebendigkeit“ Die HafenCity ist den Zielen treu geblieben, die ihre Väter seit 1989 formuliert haben: Renaissance der Stadt am Wasser, Mischnutzung, Bewahren und Erneuern des maritimen Erbes. In der Frage, wie man am besten dorthin gelangt, beschreitet sie hingegen immer neue Wege HafenCity über städtebauliche Fragen weit hinausgehen würde, war allen Eingeweihten und ab Mai 1997 auch der Stadtöffentlichkeit bewusst. Die weite Perspektive und die frischen Farben lassen in Margs „Prinzipskizze“ den Aufbruchsgeist wehen HAFENCITY Vor 20 Jahren prüfte Volkwin Marg, wie ­ ine Erweiterung der Hamburger Innenstadt an der Elbe e aussehen könnte. Unterstützt von Studenten an der RWTH Aachen legte der Architekt im Dezember 1996 im Auftrag der Freien und Hansestadt eine Studie vor. Die darin enthaltene „Prinzipskizze“ hat es zu einem der bekanntesten Bilder der künftigen HafenCity gebracht: Von der Kehrwiederspitze mit Hanseatic Trade Center und Kallmorgen-Speicher (dem heutigen Standort der Elbphilharmonie) bis zu den Elbbrücken setzt sie eine neue Stadtkulisse in Szene. Der weich verlaufende Aquarell-Stil, das klare Blau des Wassers und das warme Braun der Gebäude lassen das Bild trotz seine mächtigen Perspektive frisch und sympathisch, lebendig und dynamisch wirken. Wer sich die – recht uniformen – Gebäude und die städtebauliche Struktur näher ansieht, wird allerdings rasch bemer- ken, dass sie deutlich von dem abweichen, was im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte tatsächlich entstanden ist. Ähnlich wird es dem ergehen, der sich mit anderen grundlegenden Dokumenten befasst. Vom Masterplan 2000 bis zu seiner Überarbeitung 2010, von den Ergebnissen der städtebaulichen Wettbewerbe bis zu Workshops zu einzelnen Quartieren lässt sich ein stetiger Veränderungsprozess ablesen. Kein starres Korsett Ihren Zielen ist die HafenCity treu geblieben: Rückkehr der Innenstadt an das Wasser, Belebung der City durch eine intensive Mischnutzung, Bewahren und Erneuern der maritimen Atmosphäre. Bei der Frage allerdings, wie man am besten dorthin gelangt, beschreitet sie immer neue Wege. Ein starres Korsett aus festgelegten Regeln und Normen sucht man in der Umsetzung vergeblich. Vielmehr werden innerhalb der strategischen Perspektiven Identität, Urbanität und Nachhaltigkeit die verschiedensten Ansätze und Handlungsebenen stetig weiterentwickelt. Der Dialog und die Kooperation mit vielen Akteuren ist ein zentraler Faktor. Ein gutes Beispiel dafür ist die Entwicklung des Wohnens. In der HafenCity wird nicht nur deutlich mehr Wohnraum geschaffen als ursprünglich geplant – statt 5500 nun gut 7000 Wohnungen – sondern auch eine viel größere Vielfalt der Wohnformen. In der Straße Am Kaiserkai wurden die ersten Baugenossenschaften und Bauherrengemeinschaften eingebunden. Auf die Bedürfnisse von Familien, Studenten und Senioren abgestimmte Angebote kamen schrittweise hinzu – ab 2010 auch als geförderte Wohnungen. Inzwischen gibt es auch für Gruppen wie Behinderte und Kranke, die noch weitergehende räumliche Bedürfnisse mitbringen und es am Wohnungsmarkt besonders schwer haben, in der HafenCity besondere Konzepte. Ein anderes Beispiel bietet die Mobilität. 2003 beschloss der Hamburger Senat, die HafenCity mit einer eigenen U-Bahnlinie anzubinden. Die unterirdische Lage und die Baukosten sorgten für eine Kontroverse. Doch mit der Entscheidung für das leistungsfähigste aller öffentlichen Verkehrsmittel ging das Signal einher, neue Potenziale in den Quartieren zu entdecken und die Stadt verträglich und intensiv zu verdichten. Nicht zuletzt dank der Entscheidung für die U4 entstehen heute in der HafenCity oberirdisch 2,4 Millionen Quadratmeter (m2) Bruttogeschossfläche statt 1,5 Millionen m2, statt 20.000 Arbeitsplätzen voraus­ sichtlich über 45.000. Auch dass es drei Schulen statt einer geben wird und sich verschiedene Universitäten mit 5000 Studenten angesiedelt haben, hängt mit ihrer Bündelungskraft zusammen, ebenso wie die sich bereits abzeichnende Einkaufs- und Kulturlandschaft. Neben der U-Bahn und einem engmaschigen Fuß- und Radwegenetz hat nachhaltige Mobilität nach und nach immer mehr Bausteine bekommen: Leihradstationen, Fahrradstellplätze, unterirdische Parkgaragen zur Reduzierung des „ruhenden Verkehrs“ in den Straßen, erste Infrastrukturen für Elektrofahrzeuge. Im Quartier Baakenhafen wird es künftig pro Wohnung nur die reduzierte Anzahl von 0,4 Stellplätzen geben. Die Bauherren verpflichten sich, in allen Tiefgaragen mindestens 30 Prozent der Stellplätze mit Infrastruktur für Elektromobile auszustatten und sich an der Entwicklung eines quartiersübergreifenden Carsharings zu beteiligen. Die Geschichte der HafenCity ist damit in vieler Hinsicht auch die Geschichte eines erfolgreichen Möglichkeits- und Lernprozesses. Mit einer allzu festgelegten „Planung vom Reißbrett“ hat sie dagegen so gut wie nichts zu tun. von ­Wegen und Plätzen spannungsvoller gestaltet. Auf dieser Grundlage entsteht der Überseeboulevard als zentrale Laufachse für Fußgänger. Entscheidend für das Überseequartier als urbanes offenes Einkaufsviertel wird die ­Anbindung durch die U4 (2010). Durch den Bauherren Unibail-Rodamco erhält das Südliche Überseequartier ein neues städtebauliches Gefüge mit elf Einzelgebäuden und einem wettergeschützten überdachten Bereich (2016) 4 2003 HAFENCITY Als „Geburtstag“ der Hafen­City gilt der 7. Mai 1997. An diesem Tag stellte der damalige Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Dr. Henning Voscherau, im Übersee-Club ein „großes, ganz konkretes Projekt des Stadtumbaus“ erstmals öffentlich vor. Diese Rede, vor allem aber kluges politisches Handeln, stellte entscheidende Weichen für Hamburg: Hier ging es um „Stadtumbau“ als umfassende Transformation im strukturellen, wirtschaftlichen und sozialen Sinne. Die Stadt sollte nichts weniger, als sich am Wasser neu erfinden, die Mischung von Arbeiten, Wohnen und 2010 2016 OKTOBER 2016 Freizeit zurück in die City holen und sich als Wirtschaftsstandort im wiedervereinigten Deutschland wettbewerbsfähig und innovativ aufstellen – mit der HafenCity als „Muster der neuen Lebendigkeit Hamburgs“. Es gehört zu Voscheraus entscheidenden Leistungen, dass er es jenseits einer Vision und Initialzündung der HafenCity verstand, zwischen den Entwicklungsinteressen des Hafens und der Stadt zu vermitteln. Diskret arbeiteten er und einige Eingeweihte über Jahre an der Umwandlung des sogenannten „innerstädtischen Hafenrands“, nachdem sich der damalige Oberbaudirektor Egbert Kossak († 10. 08. 2016) schon ab 1989 öffentlichkeitswirksam dafür eingesetzt hatte, das Gebiet neu zu entwickeln und eine „gemischte Nutzungsstruktur“ zu etablieren. Die Hafenunternehmen erhielten unterdessen die Aussicht, den Hafen wirtschaftlich und infrastrukturell zu stärken: durch die Finanzierung und Entwicklung des für die moderne Containerschifffahrt dringend benötigten Standorts Altenwerder durch Grundstückserlöse. Von finanzpolitischer Weitsicht zeugte die Einrichtung eines „Sondervermögens Stadt und Hafen“, in das die städtischen Grundstücke im Gebiet der künftigen ­HafenCity übertragen wurden, um die sukzessive Entwicklung ihrer Infrastruktur zu finanzieren. Als vorausschauend erwies sich auch der frühzeitige Erwerb von Firmen und Gebäuden, während der Ankauf von Grundstücken – etwa von der Deutschen Bahn – einige Jahre später folgte. Um in dem komplexen Gefüge verschiedener Interessen und Fähigkeiten „ganz konkret“ handlungsfähig zu werden, initiierte Bürgermeister Voscherau die Gesellschaft für Hafen- und Standortentwicklung (GHS). Im engen Zusammenspiel mit der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und ihrem damaligen Chef Peter Dietrich entwickelte sie sich zunächst als „Ordner“ der Grundstücksverhältnisse. 2004 in HafenCity Hamburg GmbH (HCH) umbenannt, steuert die Gesellschaft als 100-prozentige Tochter der Freien und Hansestadt bis heute die Entwicklung der HafenCity und anderer Vorhaben wie den Billebogen. Sie integriert die verschiedenen komplexen Aufgaben vor dem Hintergrund der Entwicklungsziele des Masterplans 2000 und seiner Fortschreibung 2010. Sie verantwortet das „Sondervermögen Stadt und Hafen“ und tätigt aus dem Grundstücksverkauf den Großteil der öffentlichen Investitionen. Öffentliche und private Aufgaben der Stadtentwicklung werden durch die HCH effizient miteinander verknüpft. So hat Bürgermeister Voscherau nicht nur ein Transformationsmodell, sondern auch eine innovative Governance-Struktur vorgedacht. Gute Resultate in der Stadtentwicklung benötigen ihre Zeit. Bürgermeister Vosche­rau hatte für die HafenCity realistisch „zwei, drei Jahrzehnte“ angesetzt. Bis zu seinem Tod erlebte er, und gelegentlich durchaus kritisch, wie Hamburg seine „Jahrhundertchance“ ergriff und so viel mehr entstand, als 1997 denkbar gewesen war. Die Geschichte ermutigt, „Stadtumbau“ im Sinne Dr. Voscheraus als umfassende, langfristig ausgerichtete Transformationschance über Jahrzehnte hinweg zu begreifen und in Hamburg auch jenseits der HafenCity weiterhin künftig anzugehen. I NTE RVI EW „Es steht kein Stein, wo wir ihn einst geplant haben ... ... und doch gleicht das Gesamtbild verblüffend dem Masterplan“: Hamburgs Oberbaudirektor Prof. Jörn Walter über die Wachstumsdynamik der HafenCity Lesetipp: Bruns-Berentelg/Meyhöfer/Walter (Hg.): HafenCity Hamburg. Das erste Jahrzehnt. Hamburg 2012, www.junius-verlag.de Zentrale HafenCity mit Übersee- und Elbtorquartier: Der Masterplan (2000) sieht „vielfältige Durchwegungen und Blickbeziehungen zur Elbe“ vor, doch erst mit einem städtebaulichen Wettbewerb (2003) wird die Abfolge 2000 Bürgermeister Voscherau stellt am 7. 05. 1997 seine Pläne vor, die Zuhörer im Übersee-Club schauen skeptisch Fotos: Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (1); Illustration: gmp Architekten (1); Grafiken: HafenCity Hamburg GmbH (4) Im Dezember 1996 legte der Architekt Volkwin Marg eine erste Studie zur Entwicklung des „innerstädtischen Hafenrands“ vor. Dass die Vision der Henning Voscherau († 24. 08. 2016) öffnete mit seiner Vision der HafenCity die Tür für Hamburgs Zukunft – Von Prof. Jürgen Bruns-Berentelg HafenCity News: „Städtebauliche Konzepte stehen in engem Zusammenhang mit gesellschaftspolitischen Zielen“, haben Sie einmal gesagt. Wie spiegeln sich die Ziele, die Hamburg mit der HafenCity verknüpft, im Städtebau? Prof. Jörn Walter: Aus jedem inhaltlichen Ziel ergeben sich unterschiedliche Konsequenzen. Die verschiedenen Funktionen der HafenCity, also zum Beispiel Wohnen oder Arbeiten, brauchen unterschiedliche Lagequalitäten oder Größenordnungen. Es spielt aber auch mit hinein, dass es immer sehr differenzierte Teilmilieus innerhalb bestimmter Nutzungsfunktionen gibt. Etwa beim Wohnen verschiedene Einkommensklassen, Altersgruppen und Haushaltsgrößen, im Bürobereich große eigenständige Nutzer und kleine, die stärker auf Synergien setzen; im Einzelhandel unterschiedliche Geschäftstypen oder in der Kultur etablierte Akteure und Newcomer. Man kann daher nicht einen städtebaulichen Typ realisieren, sondern muss die Gebäudetypen breiter fächern. In der ­HafenCity hat man dafür zunächst Quartiere definiert, die nicht gleich sind. Man kann das jetzt schon gut sehen. Am Magdeburger Hafen ließe sich sagen: Ein Block, ein Haus. Am Kaiserkai ist es viel kleinteiliger. Wir haben unterschiedliche Materialien und Farben in den Quartieren zugelassen, helle Fassaden, solche in rotem Backstein und anderes mehr. Die städtebauliche Kunst besteht allerdings darin, trotz allem ein einheitliches Gesamtbild zu schaffen. Es darf nicht passieren, dass man Quartiere und Häuser hat, die überhaupt nicht miteinander sprechen. HafenCity News: Ob die HafenCity „zu bunt“ oder im Gegenteil zu einförmig sei, wird gerne diskutiert ... Prof. Jörn Walter: Die HafenCity ist nicht so homogen wie die Speicherstadt. Sie ist viel differenzierter, um den sehr unterschiedlichen Nutzungen verschiedene Angebote zu machen. Aber das darf man nicht dem Zufall überlassen. OKTOBER 2016 Nehmen Sie die Standorte für herausgehobene Gebäude: Sie wurden definiert, damit diese als Solitäre wirken können. Das Ergebnis kann man heute bereits an der Elbphilharmonie und dem SPIEGEL-Gebäude überprüfen, aber auch an der HafenCity-Universität. Ich glaube, die Vielfalt im Einzelnen wie auch die Einheitlichkeit der großen Strukturen wird langsam sichtbar – und in den nächsten Jahren noch viel deutlicher. Vieles ist in Bau und Planung. HafenCity News: Sind die Ziele der HafenCity konstant geblieben oder gibt es spätere Ideen, die sich dann auch auf den Städtebau ausgewirkt haben? Prof. Jörn Walter: Unbedingt. Das muss so sein in einem Prozess, der 25 Jahre währt. Deswegen war es so wichtig, den städtebaulichen Wettbewerb nicht eins zu eins festzuschreiben, sondern auf zehn Leitthemen zu reduzieren, die man über einen langen Zeitraum konsequent verfolgen muss. Wir denken heute zum Beispiel ganz anderes über das Thema Nachhaltigkeit. Diesen Aspekt haben wir nach und nach intensiviert, auch mit der Einführung und Weiterentwicklung des HafenCity Umweltzeichens. Ein anderes Beispiel ist das Thema Mobilität: Man darf nicht vergessen, dass man damals zunächst vor der Frage stand, eine U-Bahn oder Stadtbahn zu bauen. Der Masterplan musste sich für beides offenhalten. Eine Komponente wie das Kreuzfahrtterminal im Überseequartier war überhaupt nicht absehbar. HafenCity News: Stadtentwicklung ist kein linearer Prozess von der Idee zur Realisierung? Prof. Jörn Walter: Nehmen Sie das Wohnen: In der Anfangsphase der HafenCity stagnierte die Bevölkerungszahl von Hamburg. Geförderte Wohnungen standen teilweise sogar leer. Das damalige Ziel des Senats war, der massiven Abwanderung ins Umland entgegenzutreten und ein Angebot für den Mittelstand und für Familien zu Prof. Jörn Walter, Oberbaudirektor von Hamburg schaffen. Letzteres war übrigens sehr erfolgreich, denn heute leben sogar für Hamburg überdurchschnittlich viele Familien in der HafenCity. Aber der Wohnungsmarkt hat sich deutlich gewandelt, Hamburg wächst dynamisch und die Preisschraube dreht sich rasant. Der Senat hat umgesteuert, nicht nur zu einer Wohnungsbauoffensive, sondern vor allem zum Neubau im preisgünstigen Segment. In der HafenCity entstehen daher, neben Wohnungen von Baugenossenschaften und Baugemeinschaften, inzwischen auch geförderte Wohnungen. Indem also Pläne nicht ein für alle mal festgeschrieben wurden, hat man sich eine gewisse Flexibilität erhalten. Trotzdem finde ich, man erkennt eine große Verwandtschaft, wenn man auf frühe Dokumente wie den Masterplan schaut. Dabei weiß ich persönlich: Es haben sich Tausende Details verändert und es steht kein Stein, keine Linie mehr da, wo wir sie ursprünglich gesehen haben. 5 HINTERGRUND Gemeinsam für die gute Sache P O RTRÄT Wo das Schweinchen rollt In der HafenCity werden viele Projekte von engagierten Bewohnern, Unternhemen und Institutionen getragen HAFENCITY „Der Sieger des Turniers ist: Mittwoch 1!“ Die Stimme der Moderatorin hallt über den Bolzplatz am Nordostrand der HafenCity. Auf dem Rasen klatschen sich die vier siegreichen Spieler mit dem unterlegenen Team („Mittwoch 2“) ab, dann streben alle dem Getränkestand zu. Es ist drückend heiß an diesem letzten Augustsonntag, über die Türme der nahegelegenen Altstadt ziehen Gewitterwolken heran. Baton Morina gönnt sich ein Bier. Jeden Mittwoch um 18.30 Uhr kickt er hier. „Wir sind Freunde und Arbeitskollegen. Wir kommen von der Burgstraße, vom Berliner Tor, aus Eppendorf und von der Reeperbahn“, erzählt er. Der 29-jährige gebürtige Kroate und seine Truppe sind nicht die Einzigen, für die der Bolzplatz zu einer festen Adresse geworden ist. Boule gehörte schon früh zur HafenCity. Der Präzisionssport ist für Alt und Jung, Nachbarn und Kollegen gleichermaßen geeignet. Seit Jahren fliegen freitagnachmittags an den Marco-Polo-Terrassen die Kugeln. Im neu eröffneten Lohsepark finden jetzt sogar Turniere statt Jeden Freitag um 15 Uhr treffen sich Nachbarn zum Boule an den Marco-Polo-Terrassen Als der Regen abklingt, bietet sich der herauskommenden Sonne ein ungewöhnliches Bild im Lohsepark: Entlang des Hauptwegs durch die größte Grünanlage der HafenCity stehen an diesem Samstag Anfang September in regelmäßigen Abständen kleine Gruppen. Männer, Frauen und Jugendliche, meist in Turnschuhen, kurzen Hosen und mit Baseballkappen. Vorsichtig treten sie in einen roten Kreis am Anfang der abgesteckten Sandbahn, visieren hochkonzentriert eine kleine rote oder gelbe Kugel etwa zehn Meter vor ihnen an und werfen schließlich mit einem geübten Armschwung eine handtellergroße silberne Kugel. Trotz der vielen Menschen hört man kaum ein Geräusch – hin und wieder Kugelgeklacker, knirschende Schritte, eine gemurmelte Absprache unter Spielpartnern, ein anerkennendes Bravo. „Beim Boule ist es immer so leise, es handelt sich um eine Präzisionssportart“, erklärt Rüdiger Strey, einer der Organisatoren des Boule-Turniers. Insgesamt 128 Spieler aus den beiden höchsten norddeutschen Ligen treten heute in der HafenCity an, es geht dabei auch um die Qualifikation für einen Aufstieg in die Bundesliga. Keinesfalls reduziere es sich darauf, die Kugeln möglichst nah an das Schweinchen – also die kleine farbige Kugel – zu werfen, betont Strey. „Hinter jedem Spielzug stehen Taktik und Kalkül, fast wie beim Schach“, erklärt der 72-Jährige. Liegt zum Beispiel eine Kugel sehr nah am Schweinchen, versucht ein Spieler der gegnerischen Mannschaft, sie von dort wegzuschießen. Gelingt ihm das, ertönt beim Aufeinandertreffen der Stahlkugeln das typische Klack-klack. Der Sieg ist wieder offen. Im Hamburger Boule Club gehört Strey zu den Experten seines Sports, genauer gesagt, für jene Form namens Pétanque, die sich zum französischen Nationalsport entwickelt hat. Strey rief bereits vor etwa acht Jahren, noch bevor er selbst in die HafenCity zog, an der eigens dafür angelegten Bahn auf den Marco-Polo-Terrassen eine Freizeitgruppe ins Leben, die bis heute existiert. Zu Beginn des Jahres hat nun auch der Hamburger Boule Club sein Training vom Lohmühlenpark in St. Georg in den Lohsepark verlegt. „Mitmachen kann jeder, egal ob er acht oder 80 Jahre alt ist“, sagt Frank Johannson, der beim Hamburger Boule Club die Öffentlichkeitsarbeit macht. Auch als Betriebssport sei Pétanque sehr gut geeignet. (In Frankreich ist dies eine wesentliche Basis für den Erfolgssport). Johannson: „Es fördert Konzentration und Teamgeist und lässt sich ohne großen Aufwand in der Mittagspause betreiben. Daher möchten wir auch den Firmen, die in der HafenCity ansässig sind, das Spiel nahe bringen.“ Zum Training jeden Donnerstag um 16 Uhr auf der „Bastion 1“, direkt am Ausgang der U-Bahnstation „HafenCity Universität“, ist jeder willkommen – auch ohne Vorkenntnisse und ohne Kugeln. Auf den Marco-Polo-Terrassen fliegen die Boule-Kugeln jeden Freitag ab 15 Uhr. Für die insgesamt zwölf bis 16 Nachbarn vom Kaiserkai ist die freitägliche Partie eine wichtige Basis für Freundschaft und Austausch geworden. Doch sobald das Schweinchen rollt, geht es auch hier zuerst um den Sport. „Natürlich wollen wir gewinnen“, erklärt Jürgen Bock, dessen Mannschaft gerade ein Spiel für sich entschieden hat. Jutta Kiupel bestätigt: „Wir haben viel Spaß, aber wir kämpfen auch um jeden Punkt.“ In dieser Variante des Spiels treten zwei Mannschaften gegeneinander an, pro Durchgang sind 13 Punkte zu vergeben: Wer die meisten sammelt, ist Sieger. So wird auch hier eifrig geworfen, gemessen und gefachsimpelt – und neue Mitspieler sind ebenfalls gerne willkommen. Ob also an den Marco-Polo-Terrassen oder im Lohsepark – Boule gehört schon jetzt zum Savoir-vivre der HafenCity. Hamburger Boule Club: [email protected] Da sind Bewohner der HafenCity, Erwachsene wie Kinder. Da sind Firmen, von denen so viele für den Betriebssport anfragen, dass der Betreiber Spielhaus e. V. den meisten von ihnen absagen muss. Schließlich sind da jene Feuerwehrmänner, die man an manchen Vormittagen beobachten kann, wie sie mit ihren Löschzügen auf dem Parkplatz halten und eine Runde kicken. Es geht nicht ohne Fußball. Als 2015 die erste temporäre Spielfläche im Überseequartier für Bauarbeiten weichen musste, waren sich Privatleute ebenso wie Firmen und In­ stitutionen darin einig. Mehr als 80 Spender beteiligten sich finanziell an dem neuen Platz, Kunstrasen und Tore inklusive. Die HafenCity Hamburg GmbH stellte das Grundstück temporär zur Verfügung und half bei der Realisierung, Baufirmen steuerten Sachverstand und Material bei. Mit der Eröffnung am 21. September 2015 ist hier zwischen Lohsepark und Eisenbahntrasse vor dem Oberhafen jedoch weit mehr als ein Bolzplatz entstanden – vielseitige Sportfläche und urbanes Gartenprojekt, Dorfplatz und Symbol guter Nachbarschaft in einem. „Das Projekt war einfach authentisch. Viele wollten dabei sein“, erinnert sich Markus Riemann, der zusammen mit Pastor Frank Engelbrecht von der Kirche St. Katharinen zu den Initiatoren gehörte. Bis heute können die Nachbarn, die sich im Spielhaus e. V. organisiert haben, für den Betrieb auf breite Unterstützung zählen – sei es, dass ein Konzern die Sonnenschirme sponsert oder dass man mit einem anderen Akteur zusammen Equipment anschafft. Der Hamburger Boule Club veranstaltete das erste Turnier im Lohsepark. Rüdiger Strey und Frank Johannson (v. l.) gehören zu den Organisatoren Ab Oktober ziehen 720 Flüchtlinge schrittweise an den Baakenhafen. Nachbarn engagieren sich und suchen weitere Unterstützer 6 01. 09. 2016 die „Flüchtlingshilfe HafenCity“ sollen künftig auch die Ideen und Bedürfnisse der Flüchtlinge ermittelt werden. „Wir wollen die Flüchtlinge dabei unterstützen, in Deutschland ein eigenes Leben aufzubauen“, sagt der zweite Vorstandsvorsitzende Frank Mehlin. „Es geht uns darum, die Menschen zu erreichen und etwas Gemeinsames zu schaffen: eine gute Nachbarschaft“, ergänzt Tanja Heine, die auch als Vorsitzende des Nachbarschaftsvereins Netzwerk HafenCity engagiert ist. Gute Nachbarschaft wollen die ehrenamtlichen Helfer zunächst durch Alltagshilfe und Willkommenskultur stiften: Praktische Hinweise auf öffentliche Verkehrsmittel und Versorgungsmöglichkeiten, Einladungen und Gespräche. In einem weiteren Schritt ist eine Begegnungsstätte in direk- ter Nachbarschaft zur Unterkunft geplant. Die Begegnungsstätte bildet ein zentrales Projekt der Flüchtlingshilfe HafenCity e. V. – ein Ort zur Umsetzung der verschiedenen Angebote ebenso wie ein zwangloser gastlicher Treffpunkt. Es wurden bereits mehrere Zelte eingeworben, die auf der vorgesehenen Fläche gegenüber der Unterkunft aufgestellt werden. „Weitere Unterstützungsangebote und Spenden sind natürlich herzlich willkommen“, so Mehlin. Für den symbolischen Betrag von einem Euro kann jeder Interessierte Mitglied bei der Flüchtlingshilfe HafenCity werden und sich engagieren. [email protected] www. fluechtlingshilfe-hafencity.de OKTOBER 2016 „Geschichten sind das A und O“ Fotos: Thomas Hampel/ELBE & FLUT (1), Bina Engel (2), Miguel Ferraz (4) Einstimmiges Ja: Rund 30 Ehrenamtliche gründen am sicher ist das ein Weg, die Identifikation mit dem Arbeitsplatz zu erhöhen.“ Doch selbst dieser Gegenwert, der legitim auf die Marke und das Unternehmen einzahlt, reicht nicht aus, um das Engagement mancher Firmen für bestimmte Lieblingsprojekte zu erklären – im Falle von Otto Wulff etwa die langjährige umfassende Förderung des von der Hafen­ City weit weg liegenden Kulturpalasts Billstedt. „Es macht einfach Spaß, weil so viel Positives entsteht“, sagt Stephan Wulff über den Ort für Jugendkultur („Hip Hop Academy“) und viele andere Kulturformate, der sich nur wenige hundert Meter vom Firmensitz entfernt im Osten Hamburgs befindet, inzwischen aber weit über die Stadt hinaus bekannt ist. Eine Mischung aus Imagepflege und genuinem Enthusias­ mus für die Nachbarschaft findet man auch bei den Betreibern des ersten Frischemarktes der HafenCity. „Generell orien­tieren sich viele Edeka-Märkte an ihrer Umgebung. Wir Fußballturnier auf dem Bolzplatz, „Bautraum“ für Kinder Flüchtlingshilfe HafenCity e. V. HAFENCITY Am 1. September wurde im HafenCity Informationszentrum Kesselhaus der „Flüchtlingshilfe HafenCity e. V.“ gegründet. Das nachbarschaftliche Engagement für 720 Geflüchtete, die ab Oktober schrittweise in eine temporäre Containersiedlung am Kirchenpauerkai ziehen, erhält damit eine feste Struktur. Bereits im Februar formierte sich ein breiter Unterstützerkreis, als bekannt wurde, dass die Unterkunft für drei bis vier Jahre am Kirchenpauerkai nahe den Elbbrücken eingerichtet und von dem sozialen Dienstleister f & w fördern und wohnen betrieben würde. Verschiedene Arbeitsgemeinschaften begannen, sich der Kinderbetreuung, Arbeitssuche und Hilfe bei Behördengängen, dem Deutschlernen und anderen Themen zu widmen. Im Dialog wichtige Rolle“, weiß Andrea Wagener, die in der Gemeinde St. Katharinen für das Fundraising zuständig ist. Die HafenCity steckt ihrerseits voller Geschichten: Metaerzählungen wie die Renaissance der Stadt und die Wiederentdeckung der Elbe, Lebensgeschichten von Umzug und Neubeginn, Gründungsmythen, Nachbarschaftsanekdoten. Noch in den Gebäuden, Brücken und Straßen, selbst in den Straßennamen stecken interessante Narrative. „Das schafft Identifikation und sogar einen gewissen, hanseatisch zurückhaltenden Pa­triotismus“, hat Wagener beobachtet. Nicht zuletzt kann man darauf vertrauen, dass man mit dem eigenen Engagement nicht allein bleibt – ein Einsatz wird oftmals durch andere aufgegriffen und intensiviert. Der Bolzplatz ist vermutlich die größte gemeinnützige Erfolgsstory in der HafenCity bisher, aber bei Weitem nicht die einzige. Man nehme den „Bautraum“ für Kinder und alle anderen Veranstaltungen im Rahmen des „Sommer in der HafenCity“: Im Laufe der elf Jahre, die das Gratisangebot an den Wochenenden vom Juni bis August in den öffentlichen Räumen der HafenCity existiert, haben sich 27 Programmpartner und 25 Sponsoren daran beteiligt. Man nehme Nachbarschaftsfeste und Kulturveranstaltungen, Gemüsebeete für Kitas und Tannenbäume in der Schule und vieles mehr. Die neuen Quartiere, so scheint es, sind ein gutes Pflaster für soziales Engagement – und das nicht zufällig. „Geschichten sind das A und O, um Förderer zu erreichen. Man muss Sympathie und Gefühle wecken. Das Persönliche spielt eine OKTOBER 2016 Kaufmänner zum Greifen: Christian Barg und Markus Böcker Engagiert in Billstedt und in der HafenCity: Stefan Wulff Viele Firmen sind bewährte Partner in diesem Prozess, zum Beispiel Gebr. Heinemann und Otto Wulff Bauunternehmung. Für Stefan Wulff, der das 1932 gegründete Familienunternehmen in dritter Generation führt, gehören Verwurzelung und soziale Verantwortung eng zusammen. „Wir sind ein Hamburger Unternehmen, wir sind hier groß geworden“, antwortet er auf die Frage, weshalb man sich engagiere. Mit Blick auf die Rolle, welche die Förderung für die unterstützten Projekte spiele, wiegelt er ab: „Man kann mit einem kleinen Beitrag für gemeinnützige Initiativen für einen großen gesellschaftlichen Ertrag sorgen.“ Bereicherung der Marke Für den Unternehmer Stephan Wulff zählt natürlich auch, dass es sich für den Ruf auszahlt, wenn man „nicht nur ein Haus baut, sondern darüber hinaus soziale Verantwortung zeigt. Das macht uns zu einem verlässlichen Partner und das wiederum reichert die Marke an“, sagt er. Auch mit Blick auf die eigenen Mitarbeiter lohnt es sich, wie er festgestellt hat: „Unsere Leute sind stolz auf unsere Engagements. Sie stecken auch nach Feierabend viel Zeit in diese Projekte. Ganz sind der Kaufmann, der zu greifen ist“, erklärt Markus Böcker. Dieses Ideal füllen Böcker und sein Partner Christian Barg seit fünf Jahren auf dem Überseeboulevard mit besonderer Verve aus: Trikots für den Lokalverein Störtebeker SV, Unterstützung für die Bolzplätze und die Krebshilfe-Aktion einer Anwohnerin, Gemüsebeete für die Kitas – die Liste ist lang. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 organisierten sie Lebensmittelspenden, die in die Hilfsaktionen des Ökumenischen Forums in der Shanghaiallee einflossen. „Wenn jemand mit einem Förderanliegen zu uns kommt, fragen wir uns: Kommt der mit dem Herzen, mit dem Bauch oder ist es eher abgeklärt? Wir suchen das Menschliche“, so Böcker. „Es geht natürlich auch um das Image, aber vor allem geht es um die Gemeinschaft“, bestätigt Barg. Wichtig sei, dass es in der HafenCity inzwischen ein großes Netzwerk von engagierten Akteuren gebe. „Das ist ein Zusammenspiel, das riesigen Spaß macht“, so Böcker. Ein Wunsch eint alle, die für diese Geschichte befragt wurden: dass die Effekte des sozialen Engagements über Quartiersgrenzen hinweg integrierend wirken. Stephan Wulff formuliert es so: „In der HafenCity gibt es sicherlich oft besondere Bedingungen und Chancen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass sie abstrahlt.“ Und mit dem Bau einer Flüchtlingsunterkunft im Osten ist ein großes neues Motiv der Gemeinnützigkeit entstanden. Für eine Begegnungsstätte und weitere Angebote an die künftig über 700 Bewohner haben Dutzende Ehrenamtliche bereits die Arbeit aufgenommen. Weitere Mitstreiter und Förderer sind bei der neu gegründeten „Flüchtlingshilfe HafenCity“ herzlich willkommen. 7 KULTUR TE R M I N E HafenCity goes Expo Real Die HafenCity präsentiert sich auch dieses Jahr auf der Immobilienmesse Expo Real. Am Hamburger Gemeinschaftsstand gibt es Information und Austausch, Vorträge und Diskussionsrunden zu einem breiten Themenspektrum – und natürlich wie immer viele Einzelgespräche. 04. 10. 14.00 Uhr: Innerstädtische Verdichtung – Höhe statt Breite? Mit Dr. C. Schumacher, Union Investment und ZentraIer Immobilien Ausschuß (ZIA) Nord; Prof. J. Bruns-­Berentelg, ­HafenCity Hamburg GmbH; Prof. J. Walter, Oberbaudirektor Hamburg; A. Wende, ZIA Vorsitz Ausschuss Büro 18.00 Uhr Party „Heimathafen Hamburg“ 05. 10. 14.00 Uhr Hamburg/HafenCity Empfang mit Dr. Dorothee Stapelfeldt, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Prof. Jürgen Bruns-Berentelg 16.00 Uhr Norddeutscher Empfang auf dem Schleswig-Holstein-Stand mit Senatorin Stapelfeldt und Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (Schleswig-Holstein) 04.–06. 2016 Halle B2, Stand 430 Eisvergnügen Unter dem Motto „Eisvergnügen für Engel und Bengel“ schaffte es der Weihnachtsmarkt auf dem Überseeboulevard 2015 in die Topliste des „Focus“. In diesem Jahr gibt es erneut viele Extras – darunter eine Eisbahn, gratis bis 18 Jahre, mit Eisstockschießen, Theaterproduktionen und betreutes Kinderprogramm. 21. 11.–30. 12., Eröffnung 24. 11. 18.00 Uhr auf dem Überseeboulevard; Anmeldung Eisbahn und Eisstockschießen für Schulklassen: [email protected] INFO Sie möchten HafenCity News abonnieren und vierteljährlich gratis zugesandt bekommen? Sie haben Fragen oder Kommentare? Schicken Sie uns ein Fax an +49 (0)40 - 37 47 26 - 26 oder schreiben Sie eine E-Mail an [email protected] IM PRESSUM Verlag: HafenCity Hamburg GmbH, Osakaallee 11, 20457 Hamburg, www.hafencity.com V. i. S. d. P.: Susanne Bühler Redaktion: Henrike Thomsen Texte und Mitarbeit: Andrea Bittelmeyer, Gunnar Herbst, David Kappenberg, Henrike Thomsen Design: lab3 mediendesign, Hamburg Korrektorat: Gustav Mechlenburg Druckerei: Langebartels & Jürgens, Hamburg Die Veröffentlichung von Texten oder Textauszügen darf nur nach Genehmigung der HafenCity Hamburg GmbH erfolgen. Die in dieser Publikation enthaltenen Informationen sind für die Allgemeinheit bestimmt; sie erheben weder Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Richtigkeit. 44. Ausgabe, Hamburg, Oktober 2016 © 2016 All rights reserved Fotos: Bina Engel (3) Diese Publikation wurde auf umweltfreundlichem FSC-zertifiziertem Papier gedruckt. 8 „Wir setzen uns mit unserer Stiftung gezielt ein“ In der HafenCity wächst eine vielfältige und lebendige Stiftungsszene heran und gibt der deutschen Stiftungshauptstadt Hamburg neue Impulse. Medizinforschung, Patientenwohl und Dutzende andere Zwecke werden bedacht Harbour Front Literaturfestival: Kinderveranstaltung in der Katharinenkirche HAFENCITY Weist Stammzellenforschung den Weg in ein unendliches Leben? Der niederländische Biologe und Mediziner Prof. Dr. Hans Clevers wiegelt ab. 90 gesunde Jahre leben und dann der nächsten Generation Platz machen, dass sei eher seine Vorstellung, erklärte er Anfang September im Hamburger Rathaus. Das Publikum im voll besetzten Saal folgte dem Gespräch anlässlich des Körber-Preises für Europäische Wissenschaft voller Spannung. Wer noch tiefer in den Zusammenhang von Stammzellenforschung und medizinischem Fortschritt einsteigen wollte, war bei einer Vorlesung Clevers in der Medizinischen Fakultät der Universität richtig. Der Körber-Preis 2016 zeigt, was die Arbeit von Stiftungen gesellschaftlich bewirken kann. Es geht nicht allein um finanzielle Unterstützung, nicht einmal bei einem mit 750.000 Euro so hoch dotierten Preis wie diesem. Ebenso wichtig ist die Anregung von gesellschaftlichen Diskursen, der Einblick in komplexe Themen und neue Wege. In Hamburg profitiert man besonders davon: Mehr als 1300 registrierte Stiftungen machen die Freie und Hansestadt zur deutschen Stiftungshauptstadt. Zwecke spiegeln Lebensgeschichte In der HafenCity und in direkter Nachbarschaft sind laut Datenbank der Hamburger Justizbehörde 38 Stiftungen gemeldet – mit Blick auf den Bevölkerungsdurchschnitt ein hoher Wert. In Größe und Zweck sind sie vielfältig: Da gibt es Klassiker wie die Körber-Stiftung (seit 1959) mit repräsentativen Gebäuden und weithin bekannten Projekten. Die Klaus-MichaelKühne-Stiftung etwa ist der Hauptförde- rer des Harbour Front Literaturfestivals, das seit 2009 mehr als 120.000 Besucher begeistert hat – die aktuelle achte Ausgabe nicht eingerechnet. Da gibt es aktive Institutionen wie das Ökumenische Forum, die als Stiftung eingetragen sind. Schließlich gibt es mittlere und kleiner Stiftungen, die sich für Völkerverständigung, Tierschutz, Tradi­tionsschiffe und vieles mehr einsetzen. Dass die Mehrzahl um das Millenium herum gegründet wurden und damit etwa so alt ist wie die HafenCity sind, hat allerdings ganz eigene Gründe: „Um 2000 herum gab es eine Stiftungsrechtsreform, danach sind viele kleinere Stiftungen entstanden“, erklärt Tom Kemcke von der Sozietät Esche Schümann Commichau. Kemcke befasst sich aus rechtlicher und steuerlicher Sicht mit Stiftungen, ebenso wie zwei weitere Partner der fast 200-jährigen Traditionskanzlei mit Sitz am Sandtorkai. „Wenn jemand zu uns kommt, um mit seinem Geld Gutes zu tun, beraten wir ihn ausführlich. Lohnt sich eine eigene Stiftung? Oder eher eine Zustiftung oder Treuhandstiftung? Gerade bei kleineren Kapitalbeträgen sollte man darüber nachdenken“, erzählt ­Kemcke. Oft seien Stifter Individualisten mit einem ganz persönlichen Anliegen. Das spiegele sich zunehmend auch in den Stiftungszwecken. „Früher waren es allgemeine Themen wie Alten- und Krankenpflege, Vorsorge und Bildung. Heute gibt es mehr Zwecke, die aus einer ganz eigenen Lebensgeschichte und Betrachtung resultieren.“ Zum Beispiel die Lohfert Stiftung: Die Zwillinge Dr. Christoph und Dr. Dr. Peter Lohfert haben 50 Jahre lang Krankenhäuser geplant, gebaut und organisiert. Inzwischen sind sie zusammen „fast 160 Jahre“ alt, wie Dr. Christoph Lohfert lachend erzählt. Alt genug jedenfalls, um dem Gemeinwohl etwas zurückzugeben, fanden sie. „Es ist ein Kreislauf. Wir haben viel über den kranken Menschen gelernt, jetzt setzen wir uns mit unserer Stiftung gezielt für ihn ein“, so Dr. Lohfert. „Wir passen auf Patienten auf“, lautet das Motto. Seit 2013 gibt es den Lohfert-Preis für Projekte, die das Wohl stationärer Patienten und die Kommunikation in Kliniken verbessern. Der diesjährige Preis (dotiert mit 20.000 Euro) ging an das Projekt „Therapiebegrenzung: Verbesserung der gemeinsamen Entscheidungsfindung mit onkologischen Patienten“ des Klinikums der Universität München-Großhadern sowie des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NTC) Heidelberg. Dr. Dr. Peter Lohfert und Dr. Christoph Lohfert Der Preis bewirke in den Köpfen von Ärzten und anderen Entscheidungsträgern etwas, sind sich die Stifter sicher: „Es werden immer mehr und immer bessere Konzepte eingereicht.“ Unter diesem Eindruck haben die Lohferts ihre Stiftung jüngst kräftig ausgebaut. Künftig soll es auch eine Lohfert-Akademie und einen Forschungsbereich geben. Dass er sich egal wo und wann für das Patientenwohl eingesetzt hätte, steht außer Frage, wenn man sich mit Dr. Christoph Lohfert unterhält. Dennoch hält er es nicht für einen Zufall, dass das Projekt ausgerechnet am Kaiserkai Form angenommen hat. „Die Stiftung ist auf die Zukunft ausgerichtet, sie ist offen und immer auf der Suche nach Inspiration. In dieser Form gehört sie genau hierher in die Hafen­ City“, sagt er. Kühlschiff mit Kultur und Zukunft Mit einem Horizont bis 2026 kann die MS Stubnitz in der HafenCity langfristig planen Seit drei Jahren liegt die MS Stubnitz nahe dem Baakenhöft im Osten der Hafen­City und das wird mindestens noch zehn Jahre so bleiben: Die Stadt Hamburg hat ihre Genehmigung für den Standort bis 2026 verlängert. „Mit diesem Zeithorizont können wir nun langfristige Partnerschaften aufbauen und ausbauen, wie zum Beispiel mit Elbjazz, Arabesques oder dem Harbour Front Literaturfestival“, freut sich Urs Blaser, Manager des Kulturschiffs. Rund 30.000 Gäste kommen jährlich für Konzerte, Lesungen und Clubevents an Bord. Hinzu kommen vermehrt auch Betriebsfeiern, denn die MS Stubnitz kann für bis zu 700 Personen gemietet werden. „Wir wollen eine breite Vielfalt kulturellen Lebens bei uns an Bord abbilden“, so Urs Blaser. Das knapp 80 Meter lange Kühlschiff, 1964 in Stralsund gebaut, war bis 1990 im Fischfang eingesetzt. „Es ist selbst ein Stück maritime Historie“, so Blaser. „Die entstehende Elbpromenade hier am Kirchenpauerkai soll ja auch perspektivisch den maritimen Charme erhalten. Deshalb passt die MS Stubnitz auch künftig hervorragend hierher.“ ms.stubnitz.com Literaturlesung auf der MS Stubnitz WWW.HAFENCITY.COM