Inklusive Gesellschaft − Teilhabe in Deutschland Soziale Teilhabe von Menschen in prekären Lebenslagen Evelyn Sthamer . • Jan Brülle • Lena Opitz Das Papier wurde im Rahmen der AWO-ISS-Kooperation „Soziale Inklusion“ im Auftrag des AWO Bundesverbandes und durch Förderung der Glücksspirale erstellt. Impressum Herausgeber Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. Zeilweg 42 60439 Frankfurt am Main Autor/innen: Evelyn Sthamer Jan Brülle Lena Opitz ISS-aktuell 19/2013 Frankfurt am Main 2013 Bildnachweis: fotolia, ISS Inhalt 1 Einleitung und Problemstellung 4 1.1 Problemstellung 4 1.2 Gliederung des Berichts 6 2 Die theoretischen Eckpunkte 7 2.1 Das Gesamtprojekt „Inklusive Gesellschaft – Teilhabe in Deutschland“ 7 2.2 Theoretische Überlegungen 8 2.3 Aufbereitung der Forschungsstands 10 2.3.1 Einkommensarmut und ihre Wirkungen 10 2.3.2 Arbeitslosigkeit und ihre Wirkungen 11 2.3.3 Mindestsicherungsbezug und seine Wirkungen 15 2.3.4 Wirkung verschiedener Formen prekärer Lebenslagen auf soziale Teilhabe 16 2.4 Zwischenfazit 16 3 Prekäre Lebenslagen – Trends und Erklärungsmodelle 18 3.1 Die allgemeine Entwicklung in Deutschland 18 3.2 Zur Situation von Menschen unter 25 Jahren mit SGB-II-Bezug 20 3.3 Einkommensarmut und SGB-II-Bezug – Zwei verschiedene Armutskonzepte 22 4 Soziale Teilhabe von Menschen in prekären Lebenslagen – Konzept und Umsetzung der Untersuchung 24 4.1 Die Datenbasis – Das Panel „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ – PASS 24 4.2 Zur Operationalisierung der Variablen 25 4.2.1 Die drei zentralen unabhängigen Variablen 25 4.2.2 Die abhängigen Variablen 26 4.3 Die Stichprobe 28 4.3.1 Gruppe 1: Arbeitslose im SGB-II-Bezug 29 4.3.2 Gruppe 2: Nicht Arbeitslose im SGB-II-Bezug: „Aufstocker“ 30 4.3.3 Gruppe 3: Einkommensarme ohne SGB-II-Bezug 30 4.3.4 Gruppe 4: Gesichertes Einkommen 31 1 5 Soziale Teilhabe von Menschen in prekären Lebenslagen – Ergebnisse der Deskriptionen 32 5.1 Materielle Situation in prekären Lebenslagen 32 5.2 Dauer von Leistungsbezug, Arbeitslosigkeit und soziale Teilhabe 34 6 Typische Verläufe im SGB-II-Bezug – Ergebnisse der Sequenzanalyse 37 6.1 Darstellung der Verläufe 37 6.2 Gruppen ähnlicher Verlaufstypen 39 6.3 Soziodemografische Eigenschaften der Verlaufstypen 41 7 Unterschiede sozialer Teilhabe nach prekären Lebenslagen – Bivariate Ergebnisse 44 7.1 Bivariate Ergebnisse im Querschnitt 44 7.1.1 Unterschiede sozialer Teilhabe nach prekären Lebenslagen 44 7.1.2 Unterschiede eines Index sozialer Teilhabe nach prekären Lebenslagen 50 7.2 Bivariate Ergebnisse im Längsschnitt 52 8 Komplexe Zusammenhänge und Wirkungen prekärer Lebenslagen auf soziale Teilhabe – Multivariate Ergebnisse 55 8.1 Die Zusammenhänge – Regressionen im Querschnitt 56 8.1.1 Subjektives Teilhabeempfinden 56 8.1.2 Lebenszufriedenheit 59 8.1.3 Engagement in Organisationen oder Vereinen 60 8.1.4 Enge Freunde/Familienmitglieder außerhalb des Haushaltes 62 8.2 Die Wirkungen – Regressionen im Längsschnitt 65 8.2.1 Subjektives Teilhabeempfinden 65 8.2.2 Lebenszufriedenheit 66 8.2.3 Engagement in Organisationen oder Vereinen 67 8.2.4 Enge Freunde/Familienmitglieder außerhalb des Haushalts 68 8.2.5 Die Wirkungen in der Gesamtschau 68 9 Leben im SGB-II-Bezug – Faktoren der Ermöglichung sozialer Teilhabe 71 2 Sicherung sozialer Teilhabe – Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen 74 10.1 Konzept und Umsetzung der Analysen 74 10.2 Zusammenfassung der Ergebnisse 75 10.3 Handlungsempfehlungen zur Förderung sozialer Teilhabe 77 11 Literatur 80 12 Anhang 84 10 3 1 Einleitung und Problemstellung 1.1 Problemstellung Soziale Teilhabe gehört zum Grundrecht eines menschenwürdigen Lebens. Dass diese daher zwingend auch durch die Leistungen der Grundsicherung abgedeckt sein muss, wurde zuletzt im Jahr 2010 durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Höhe der Regelleistungen im Sozialgesetzbuch II deutlich gemacht (vgl. Lenze 2010). So lautet der erste Leitsatz des Urteils: „Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.“ In diesem Zusammenhang zeigen Studien zur materiellen Lage von Menschen im SGB-II1 Bezug , dass der Arbeitslosengeld-II-Regelsatz für die Ausstattung mit elementaren Gütern ausreicht (vgl. Christoph 2008). Allerdings sind Aktivitäten im sozialen oder kulturellen Bereich, die über die Sicherung der physischen Existenz hinaus gehen, nur sehr eingeschränkt möglich. Noch deutlicher werden diese Einschränkungen, wenn der Leistungsbezug über einen längeren Zeitraum andauert (vgl. Christoph/Lietzmann 2013). Dabei ist ein Mindestmaß an Teilhabe und subjektivem Wohlbefinden nicht nur aus sozialstaatlicher Perspektive relevant. Gleichzeitig geht es um ein gesamtgesellschaftliches Interesse: Um die psychische Gesundheit der Menschen, ihre persönliche Autonomie und damit auch um ihre Beschäftigungsfähigkeit (vgl. Veenhoven 2012). Die Abwesenheit von sozialer Inklusion und Teilhabe ist aus folgenden Gründen problematisch: „Denn alle, insbesondere jedoch demokratische, an den Menschenrechten orientierte Gesellschaften erfordern ein Mindestmaß an sozialer Inklusion, um politisch und sozial stabil zu sein. Wo dies nicht gelang oder gelingt, drohen auch heute Desintegration, Anomie, Kriminalität und politische Spannungen“ (Promberger 2008: 14). Im Zuge der sozialen Inklusions- bzw. Exklusionsdebatte wird die Gefahr einer gesellschaftlichen Desintegration aufgrund des Gefühls des Ausgeschlossenseins einer wachsenden Gruppe, insbesondere ökonomisch Benachteiligter, betont (vgl. Bude 2008). Neben den ökonomischen Einbußen stellt in der Erwerbsgesellschaft der Statusverlust und die damit verbundene Vorenthaltung von Anerkennung durch den Ausschluss aus der Erwerbsarbeit und damit aus der gesellschaftlichen Arbeitsteilung einen zentralen Grund für fehlende soziale Teilhabe dar (vgl. Kronauer 2010a). Langzeitarbeitslosigkeit und Armut haben sich in der empirischen Forschung als zentrale Risikofaktoren für soziale Teilhabechancen herauskristallisiert: 1 4 In dieser Studie steht die Gruppe der Arbeitslosengeld-II-Bezieher/innen (ALG II) im Fokus. Das Arbeitslosengeld II ist dem Rechtskreis des Sozialgesetzbuches II (SGB II) zugeordnet. Im folgenden Text wird für Leistungsempfänger des ALG II nach dem SGB II durchgängig der weiter gefasste Begriff „SGB-II-Bezug“ verwendet, weil die Zugehörigkeit zum Rechtskreis als ausschlaggebend für die theoretischen Überlegungen (vgl. Kapitel 2) gewertet wird. „Es ist also nicht nur die materielle Unterversorgung, die zu Erfahrungen der Marginalisierung führt, sondern es sind alle Lebenssituationen, die mit mangelnder Wertschätzung als Gesellschaftsmitglied einhergehen“ (Böhnke 2005: 34). Die Einbindung in soziale Netzwerke kann dabei als Puffer wirken, ist jedoch ihrerseits häufig durch prekäre Einkommenssituationen und einen gesellschaftlich nicht anerkannten Status gefährdet. Ergebnisse der qualitativen Armutsforschung weisen zum Teil auf einen deutlichen Zusammenhang zwischen Armut und sozialer Isolation hin, der nicht allein durch finanzielle Restriktionen, sondern vor allem durch die mit dem Statusverlust verbundene Scham auf Seite der Betroffenen sowie Stigmatisierungen von Außenstehenden verbunden ist. Rückzug aus sozialen Beziehungen sowie Ausgrenzungen können die Folge sein (vgl. Salentin 2002; Kern 2002; Neckel 2008; Becker/Gulyas 2012). Neben der damit verbundenen Beeinträchtigung der Lebensqualität der Betroffenen ist besonders die dadurch fehlende Unterstützungsleistung von sozialen Netzwerken und die Beeinträchtigungen des Selbstwertgefühls problematisch, so dass die Bewältigung von prekären Lebenslagen schwieriger wird und sich zu verfestigen droht (vgl. Salentin 2002). Die Rolle des zum aktivierenden Sozialstaat umgestaltenden deutschen Sozialmodells bei der Produktion von sozialer Ausgrenzung und geringeren sozialen Teilhabechancen wird in der wissenschaftlichen und politischen Diskussion zwar häufig thematisiert, allerdings liegen bislang kaum empirische Studien zur Wirkung des SGB-II-Bezugs auf soziale Teilhabechancen – gerade in Abgrenzung zu anderen Benachteiligungsmerkmalen – vor (vgl. Becker 2011). Wenngleich ein Mindestmaß an sozialer Teilhabe also gesetztes Ziel sozialpolitischer Überlegungen ist, steht die Beantwortung der Frage, durch welche Faktoren sich diese im Mindestsicherungsbezug konstruiert, noch aus. So können einerseits finanzielle Einschränkungen und Arbeitslosigkeit die soziale Teilhabe im Mindestsicherungsbezug begrenzen, andererseits kann der Mindestsicherungsbezug auch einen eigenen Einfluss auf das soziale Teilhabeempfinden haben, wenn der Status des „Hartz-IV-Empfängers“ mit Scham und Stigmatisierung einhergeht. Aus diesem Grund wird in der folgenden Forschungsarbeit eine differenzierte Betrachtung der drei Faktoren Arbeitslosigkeit, Einkommensarmut und SGB-II-Bezug vorgenommen und deren Einflüsse auf die soziale Teilhabe untersucht. Soziale Teilhabe wird über Aspekte der sozialen Einbindung („soziale Nahbeziehungen“), der Lebensqualität und dem subjektivem Zugehörigkeitsgefühl definiert. Ziel dieses Teilprojektes der AWO-ISS-Kooperation „Inklusive Gesellschaft – Teilhabe in Deutschland“ ist die empirische Offenlegung von sozialen Teilhaberisiken, die sich aus der Zugehörigkeit zum Rechtskreis SGB II sowie aus prekären Erwerbs- und Einkommenssituationen ergeben. Weiterhin sollen Ansatzpunkte für soziale Inklusion dieser Gruppe geliefert werden. Das Teilprojekt bezieht sich auf alle drei Ebenen der AWO-ISS-Kooperation: öffentliches Leistungsangebot (Wirkung von SGB-II-Bezug auf individuelle soziale Teilhabe), Ansatzpunkte für Unterstützung sowie die Rolle der AWO als sozialpolitischer Akteur in der 5 Verwertung der Ergebnisse. Folgende Fragen werden im Rahmen der vorliegenden Forschungsarbeit untersucht: Inwieweit haben Menschen im SGB-II-Bezug und in prekären Lebenslagen noch das Gefühl, dazuzugehören? Wie wirkt sich die Zugehörigkeit zum SGB-II-Rechtskreis auf ihre Teilhabe- und Beteiligungschancen aus? Welche Faktoren verbessern das soziale Teilhabeempfinden von Menschen im SGB-II-Bezug? 1.2 Gliederung des Berichts Der Bericht gliedert sich wie folgt: Zunächst wird diese Studie in den Gesamtkontext des Projektes eingeordnet, um dann auf die theoretischen und empirischen Grundlagen zu den Einflüssen von SGB-II-Bezug, Einkommensarmut und Arbeitslosigkeit auf die soziale Teilhabe einzugehen (Kapitel 2). Danach wird die Situation in Deutschland beschrieben und aufgezeigt, welche Unterschiede zwischen den beiden Konzepten „Einkommensarmut“ und „SGBII-Bezug“ bestehen (Kapitel 3). Den zweiten Teil des Berichtes bildet die empirisch quantitative Untersuchung über soziale Teilhabe in prekären Lebenslagen. Dabei werden einleitend die zugrunde liegenden Daten, das Panels „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS) und die Operationalisierung der Daten beschrieben, um anschließend auf die Stichprobenbeschreibung einzugehen (Kapitel 4). Es folgt die Darstellung der empirischen Datenauswertung im Quer- und Längsschnitt. Die Analyse beginnt dabei mit Beschreibungen von Zusammenhängen und Verläufen (Kapitel 5). Schließlich folgt eine Sequenzanalyse, um verschiedene Verlaufstypen in prekären Lebenslagen zu identifizieren und zu beschreiben (Kapitel 6). Den bivariaten Analysen im Quer- und Längsschnitt (Kapitel 7) schließen sich komplexe multivariate Analysen an (Kapitel 8). In Kapitel 9 wird die Gruppe der SGB-IILeistungsbezieher/innen näher in den Blick genommen und die Frage untersucht, welche Faktoren sich auf ihr subjektives Teilhabeempfinden auswirken. Abschließend werden zentrale Ergebnisse der Untersuchung zusammenfassend erläutert sowie Handlungsempfehlungen für Sozialpolitik und für die Praxis abgeleitet (Kapitel 10). 6 2 Die theoretischen Eckpunkte 2.1 Das Gesamtprojekt „Inklusive Gesellschaft – Teilhabe in Deutschland“ Das Teilprojekt „Soziale Teilhabe von Menschen in prekären Lebenslagen“ ist Teil der AWOISS-Kooperation „Inklusive Gesellschaft – Teilhabe in Deutschland“. Ziel des Gesamtvorhabens ist es, vor dem Hintergrund der Grundwerte der Arbeiterwohlfahrt – Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit – einen Beitrag zur stärkeren gesellschaftlichen Verankerung des Themas „Soziale Inklusion“ in Deutschland zu leisten. Das Konstrukt „Soziale Inklusion“ ist auf der Makroebene verortet und als Zieldimension der Gesellschaft zu interpretieren, d.h. es ist als ein Prozess zu verstehen, „[…] der die Mehrheit ebenso fordert wie die Minderheiten“ (vgl. Dortmunder Erklärung des AWOBundesverbandes e.V. 2013: 2). Soziale Inklusion bedeutet: Wertschätzung gesellschaftlicher Vielfalt, Abbau von Barrieren und Diskriminierung, Schaffung der notwendigen strukturellen Rahmenbedingungen und ihrer praktischen Umsetzung auf allen Ebenen, 2 mit dem Ziel eine gleichberechtigte Teilhabe aller Teile der Bevölkerung an allen gesellschaftlichen Bereichen zu realisieren und damit vor allem Gruppen, die erhöhten Ausgrenzungsrisiken unterliegen, einzubinden (vgl. Alicke/Linz-Dinchel 2012). Teilhabe kann als Gegenbegriff zu Prekarität, Verwundbarkeit und Ausgrenzung verstanden werden und führt die beiden Perspektiven „Ungleichheit“ und „gesellschaftliche Zugehörigkeit“ zusammen (vgl. Bartelheimer 2011). Sie ist auf individueller Ebene verortet, es geht um aktiv handelnde Subjekte, ihre Erfahrung und die Bewältigung ihrer Lebenslagen. Der Teilhabebegriff geht über die Möglichkeiten der Erfüllung physischer und materieller Grundbedürfnisse und rechtlicher Gleichstellung hinaus und definiert ein Mindestmaß an Zugehörigkeit am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (Kronauer 2010b: 25). Das Konzept umfasst einerseits Möglichkeiten der Teilnahme und Nutzung gesellschaftlicher, politischer, kultureller und sozialer Ressourcen und Systeme, andererseits Möglichkeiten der Partizipation und damit Möglichkeiten der aktiven Mitgestaltung des gesellschaftlichen und individuellen Umfelds (vgl. u.a. Nullmeier 2010: 32). Als Bedingungen und Möglichkeiten, die gesellschaftliche Teilhabe vermitteln können, definiert Bartelheimer (2011) vier Teilhabeformen: Teilhabe am Beschäftigungssystem durch Erwerbsarbeit, Teilhabe in sozialen Nahbeziehungen, Teilhabe durch bürgerliche, politische und soziale Rechte, Teilhabe an Bildung und Kultur. 2 Das heißt, es sind alle Menschen und nicht nur Menschen mit Behinderungen gemeint. 7 Dabei bestehen Unterschiede in der Ausprägung der Teilhabechancen und -ergebnisse, die sich im Verlauf der Biografie fortlaufend ändern können. Beispiele für diese graduellen Unterschiede sind prekäre Beschäftigung (z.B. befristete Beschäftigung, Mini-Jobs), aber auch die Qualität sozialer Nahbeziehungen. Die verschiedenen Teilhabeformen bedingen sich gegenseitig oder bilden den Kontext anderer Teilhabeformen, zum Beispiel erhöht die Teilhabe an Bildung und Kultur die Möglichkeiten der Teilhabe am Beschäftigungssystem (vgl. Bartelheimer 2007). In den verschiedenen Teilprojekten im Rahmen des AWO-ISS-Kooperationsprojekts werden Teilhabechancen in unterschiedlichen Lebensphasen analysiert sowie konkrete Handlungsempfehlungen auf sozialpolitischer Ebene und auf Ebene der Praxis Sozialer Arbeit vor Ort generiert. Das folgende Projekt beschäftigt sich mit der biografischen Phase des Erwerbslebens. Dabei werden bewusst nicht Einflussfaktoren auf die Erwerbsteilhabe (z.B. Aus- und Einstiege in Erwerbslosigkeit) untersucht. Die Erwerbsteilhabe bildet stattdessen, neben dem Mindestsicherungsbezug und der Einkommensarmut einen Faktor, deren Wirkung auf die soziale Teilhabe untersucht wird. Interessenschwerpunkt bildet das subjektive Teilhabeempfinden. Ergänzend wird das subjektive Wohlbefinden betrachtet. Als vorgelagerte Faktoren des subjektiven Teilhabeempfindens wird der Einfluss von formalen sowie informellen soziale Netzwerke untersucht. 2.2 Theoretische Überlegungen Prekäre Lebenslagen basieren zumeist auf drei Risikofaktoren, die jedoch keineswegs immer gleichzeitig gegeben sein müssen: Einkommensarmut, Mindestsicherungsbezug (ALG II nach dem SGB II) und Arbeitslosigkeit. Fehlende materielle Ressourcen (d.h. relative Einkommensarmut) können soziale Teilhabe einschränken, wenn die Möglichkeiten zum Erwerb sozial geschätzter Güter abnehmen oder wenn die Teilnahme an gesellschaftlichen Ereignissen aufgrund fehlender Mittel unmöglich wird. Der Bezug von Mindestsicherung steht in direktem Zusammenhang mit Einkommensarmut, schreibt aber darüber hinaus den Status der Armut in deutlicher Weise für die Betroffenen und ihr Umfeld fest (vgl. Simmel 1992 [1908]). Vor allem der Bezug von SGB-II-Leistungen kann deshalb Auslöser für Prozesse der Stigmatisierung und Diskriminierung sein. Arbeitslosigkeit ist zum einen ein zentraler Risikofaktor für Einkommensarmut und Leistungsbezug, zum anderen beinhaltet sie Risiken erhöhter psychischer Belastung und sozialer Isolation. Die Risiken gehen jedoch über die Bedeutung von Einkommenseinbußen hinaus (vgl. Jahoda 1982). Die differenzierte Betrachtung dieser drei Faktoren soll helfen, die Auswirkungen des Bezugs von Mindestsicherungsleistungen besser zu verstehen und Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. In dieser Studie wird überprüft, wie diese drei Einflussfaktoren auf die soziale Teil- 8 habe wirken. Gleichzeitig wird die Frage nach Mechanismen gestellt, die hinter den Ausgrenzungsrisiken prekärer Lebenslagen liegen. Die zentrale Hypothese ist, dass sich die drei Risikofaktoren jeweils in unterschiedlichem Ausmaß auf die Faktoren „materielle Einschränkungen“, „Scham und Stigmatisierung“ sowie „psychische Bedürfnisse“ auswirken (vgl. Abbildung 1). Intuitiv ist Einkommensarmut stärker mit materiellen Einschränkungen verbunden, während von dem SGB-II-Bezug ein stärkerer Einfluss auf Scham und Stigmatisierung erwartet wird. Ausgangspunkt für den erwarteten Einfluss der Arbeitslosigkeit ist die Annahme, dass „[…] die Inklusionskraft oder integrierende Wirkung der Erwerbsarbeit in Arbeitsgesellschaften weit über die Erzielung von Geldeinkommen hinausgeht“ (vgl. Promberger 2008: 7). Über den Arbeitsmarkt werden also nicht nur ökonomische, sondern auch soziale Chancen verteilt. Diese „latenten Funktionen“ der Arbeit umfassen nach Jahoda (1982): Zeitstruktur, soziale Kontakte, übergeordnete Ziele, persönlicher Status und Identität. Es wird davon ausgegangen, dass die soziale Teilhabe durch die beschriebenen Faktoren beeinflusst wird – zum Beispiel wenn soziale Kontakte nicht mehr gepflegt werden können, weil Unternehmungen mit Freunden aus finanziellen Gründen nicht möglich sind oder Verabredungen wegen Angst vor Stigmatisierung nicht mehr wahrgenommen werden. Abbildung 1: Kausaldiagramm zum Zusammenhang prekärer Lebenslagen und sozialer Teilhabe Quelle: Eigene Darstellung. In dieser Studie werden als Indikatoren sozialer Teilhabe sowohl objektive Kriterien, wie Partizipation (formelle Netzwerke) und Unterstützungsnetzwerke (informelle Netzwerke) betrachtet, als auch subjektive Kriterien, wie die Lebenszufriedenheit und das subjektive Teilhabeempfinden. Dabei wird zunächst nicht von einer Hierarchie prekärer Lebenslagen im 9 Sinne eines Zonenmodells ausgegangen (vgl. Castel 2008; Wulfgramm 2011a), sondern es wird angenommen, dass Dimensionen prekärer Lebenslagen in unterschiedlichen Kombinationen auftreten können und jeweils über unterschiedliche Mechanismen die soziale Teilhabe der Betroffenen beeinflussen. Insgesamt werden in der Studie die drei Merkmale SGB-II-Bezug, Arbeitslosigkeit und Einkommensarmut betrachtet (vgl. Tabelle 1), wobei einige Merkmalskombinationen stärker fokussiert werden sollen als andere. Diese sind in der Tabelle farbig hinterlegt und lassen sich zu folgenden vier Gruppen zusammenfassen: Arbeitslose SGB-II-Bezieher/innen (rot) Nicht arbeitslose SGB-II-Bezieher/innen „Aufstocker“ (gelb) Einkommensarme Menschen ohne SGB-II-Bezug (orange) Menschen in gesicherten Einkommensverhältnissen (grün) 3 4 Tabelle 1: Betrachtete Untersuchungsgruppen SGB-II-Bezug Arbeitslos Kein SGB-II-Bezug Nicht Arbeitslos Arbeitslos Arm Arm Nicht arm Nicht arm Nicht Arbeitslos Quelle: Eigene Darstellung. 2.3 Aufbereitung der Forschungsstands Nachfolgend werden die theoretischen Überlegungen mit Bezug auf die drei untersuchten Dimensionen prekärer Lebenslagen unter Rückgriff auf die bestehende Forschungsliteratur vertieft. Dabei wird das Forschungswissen zu den verschiedenen Dimensionen sozialer Teilhabe aufgegriffen, vor allem zu formellen und informellen sozialen Netzwerken sowie zu subjektivem Teilhabeempfinden. Da zu letzterem nur wenig Literatur vorliegt, wird ebenfalls Bezug auf Wissen über die Auswirkungen prekärer Lebenslagen auf die Lebenszufriedenheit genommen. Lebenszufriedenheit im Sinne einer Bewertung der Qualität des eigenen Lebens (vgl. Veenhoven 1991: 2) stellt dabei einen der gebräuchlichsten Indikatoren des subjektiven Wohlbefindens dar. 2.3.1 Einkommensarmut und ihre Wirkungen Viele Forschungsarbeiten beziehen sich auf den Zusammenhang zwischen Einkommen und Wohlbefinden. Dabei zeigt sich, dass der Zusammenhang nicht eindeutig und nicht für alle 3 Unterhalb der Armutsrisikoschwelle von 60% des äquivalenzgewichteten Medianeinkommens. 4 D.h. weder einkommensarm noch Mindestsicherungsbezug nach dem SGB II. 10 Personen gleich ist (vgl. Diener und Biswas-Diener 2002), aber die Vermeidung von Armut im Sinne von materieller Not einen besonders starken Effekt für das Wohlbefinden hat. Über die Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse hinaus spielt vor allem das Verhältnis der eigenen Mittel zu den persönlichen Bedürfnissen eine Rolle, die durch soziale Prozesse definiert und durch den Wohlstand der Gesellschaft, in der man lebt, mit bestimmt werden. Easterlin schreibt in einem grundlegenden Aufsatz dazu: „The satisfaction one gets from his material situation depends not on the absolute amount of goods he has, but on how this amount compares with what he thinks he needs“ (Easterlin 1973: 8). In einer aktuellen Studie ist dies für Deutschland empirisch belegt (vgl. Keuschnigg/Wolbring 2012): Der Einfluss des Einkommens auf die Lebenszufriedenheit ist in Deutschland für Personen mit einem monatlichen Einkommen unter 800 Euro besonders stark, über dieser Grenze jedoch deutlich geringer. Gleichzeitig bestätigt diese Studie die Relevanz von Vergleichsprozessen zwischen verschiedenen Personen einer Gesellschaft. Auch für den Indikator der relativen Einkommensarmut zeigen Studien einen negativen Effekt auf die Lebenszufriedenheit sowohl im Querschnitt als auch im Längsschnitt (vgl. Böhnke/Delhey 2001; Böhnke 2010a, 2010b). Wie aber wirkt sich Armut auf die soziale Einbindung aus? Neben negativen Einflüssen auf die soziale Einbindung wäre auch ein Kompensationseffekt theoretisch plausibel: Personen mit fehlenden materiellen Ressourcen könnten sich stärker in sozialen Netzwerken und Organisationen engagieren, um diesen Nachteil auszugleichen (vgl. Böhnke 2008). Tatsächlich variiert aber der Effekt von Armut auf die soziale Integration, d.h. soziale Kontakte, emotionale Unterstützung und wahrgenommene soziale Einbindung, zwischen verschiedenen Ländern (ebd.). Während in südeuropäischen Ländern auch in Armutslagen eine gute soziale Einbindung besteht, ist dies in wohlhabenden Ländern mit besseren sozialen Sicherungssystemen weniger der Fall. Deutschland zählt zu den Ländern mit einem vergleichsweise ausgeprägten sozialen Sicherungssystem. Petra Böhnke führt das Ergebnis darauf zurück, dass Menschen in Ländern, in denen weniger Menschen von Einkommensarmut betroffen sind, stärker Stigmatisierung, Scham und individuellen Schuldzuweisungen ausgesetzt sind. Sowohl die Kultur, zum Beispiel Familiarität, Religiosität, als auch der Wohlstand und sozialpolitische Rahmenbedingungen haben einen deutlichen Einfluss auf den Zusammenhang von Armut und sozialer Integration. Indem sie Prozesse der Stigmatisierung und Scham hervorhebt, zeigt sie deutlich die Notwendigkeit, verschiedene Dimensionen prekärer Lebenssituationen zu unterscheiden, um verschiedene Ausgrenzungsmechanismen identifizieren zu können. In dieser Studie wird argumentiert, dass diese Prozesse weniger mit dem Konzept der Einkommensarmut als mit der Abhängigkeit staatlicher Transferleistungen zusammenhängen. 2.3.2 Arbeitslosigkeit und ihre Wirkungen Die Forschung zu den psychologischen Folgen der Arbeitslosigkeit gehört zu den klassischen Fragestellungen verschiedener Disziplinen. In der Soziologie ist vor allem die Studie 11 der „Arbeitslosen von Marienthal“ hervorzuheben, die verschiedene negative Wirkungen des Arbeitsplatzverlusts auf das psychische Wohlbefinden der Betroffenen zeigt (Jahoda et al. 1975). In der Psychologie bestätigen mehrere Meta-Analysen die starke Wirkung von Arbeitslosigkeit und Job-Verlust auf verschiedene Maße psychischer Gesundheit und auch auf die Lebenszufriedenheit (vgl. Murphy/Athanasou 1999; McKee-Ryan et al. 2005). Im Längsschnitt konnte zudem gezeigt werden, dass die individuellen Folgen der Arbeitslosigkeit nicht allein auf den Einkommensverlust zurückzuführen sind (vgl. Winkelmann/Winkelmann 1998). Arbeit beinhaltet positive Funktionen für das Wohlbefinden der Menschen, die über die Entlohnung hinausgehen. Diese Funktionen können teilweise durch alternative Rollenbilder (Hausfrau/mann, Rentner/in etc.) oder politische Interventionen kompensiert werden. So bescheinigt eine Studie den Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigungen (AGH) eine positive Wirkung auf das Wohlbefinden, die jedoch schwächer ist, als die Wirkung von Erwerbstätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt (vgl. Wulfgramm 2011a, 2011b). Ähnliche Befunde konnten in verschiedenen Ländern für andere Aktivierungsmaßnahmen gezeigt werden (vgl. Korpi 1997; Strandh 2001; Andersen 2008; Reine et al. 2011). Ebenfalls untersuchte Petra Böhnke (2001) den Zusammenhang zwischen prekären Lebenslagen und sozialer Teilhabe – allerdings bleibt auch hier der unabhängige Effekt des SGB-IILeistungsbezugs im Vergleich zu Arbeitslosigkeit unberücksichtigt. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Arbeitslosigkeit – vor allem Langzeitarbeitslosigkeit – sowohl die materielle Unterversorgung beeinflusst als auch Partizipationsmöglichkeiten schwächt. Anomiesymptome, Ängste und Sorgen, soziale Isolation, gesundheitliche Probleme und politische Entfremdung werden als Folgen prekärer Lebenslagen identifiziert. Ebenso trifft dies in Bezug auf subjektive Ausgrenzungserfahrungen zu. Gallie, Paugam und Jacobs (2003) untersuchten den kausalen Zusammenhang zwischen sozialer Exklusion bzw. sozialer Isolation, Einkommensarmut und Arbeitslosigkeit anhand von Daten des europäischen Haushaltspanels. Die These, dass Arbeitslosigkeit zu sozialer Isolation führt, konnte durch die Datenanalyse allerdings nicht bestätigt werden (vgl. hierzu auch Gallie und Paugam 2000). Besonders in südeuropäischen Ländern trifft dies nicht zu. In einigen Ländern wird die soziale Einbindung sogar stärker, wenn Arbeitslosigkeit eintritt. Für Deutschland zeigte sich, dass der Kontakt zu Nachbarn bei durchgängig Erwerbstätigen am geringsten ist, er steigt mit Eintritt in Arbeitslosigkeit und ist bei Arbeitslosen am höchsten. Ähnlich ist der Zusammenhang in Bezug auf die Häufigkeit Freunde zu treffen. Bei der Mitgliedschaft in Organisationen oder Vereinen ist es umgekehrt: Erwerbstätige sind häufiger Vereinsmitglieder als nicht Erwerbstätige. Jedoch ist die Gruppe derjenigen, die arbeitslos wurde, ähnlich selten in Vereinen eingebunden wie durchgängig Erwerbslose. Die schlechtere Einbindung von Arbeitslosen in Vereinen und Organisationen wird folgendermaßen erklärt: Bei dieser Gruppe handelt es sich um Menschen, die dort auch vor der Erwerbslosigkeit weniger eingebunden war. So ist Arbeitslosigkeit nicht der Auslöser des geringeren Engagements, sondern eine Folge von Prozessen, die beides bedingen. Wolfgang Ludwig-Mayerhofer (2008) macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass Arbeitslosigkeit Tendenzen des Rückzugs aus dem öffentlichen sozialen Raum in private – vor allem familiäre – Netzwerke bewirken kann. Teilweise zeigt sich eine Konzentration sozialer 12 Beziehungen mit Menschen in ähnlicher Lebenslage, d.h. zu ebenfalls Arbeitslosen (vgl. Ludwig-Mayerhofer 2008: 226). Zu der Entwicklung sozialer Beziehungen bei Arbeitslosigkeit und dem vermuteten Zusam5 menhang zu sozialer Isolation kommt eine aktuelle qualitative Untersuchung zu folgendem Schluss: „Die empirischen Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung sprechen jedoch eine andere Sprache. So hat zwar in der Mehrzahl der Fälle mit der Erwerbslosigkeit ein Rückzug aus sozialen Beziehungen stattgefunden. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit: Wie in diesem Kapitel gezeigt werden soll, gehen zwar durchaus Kontakte zu verschiedenen Zeitpunkten der Erwerbslosigkeit verloren. Allerdings kommt es auch zur Intensivierung vorhandener Beziehungen und zur Entstehung neuer“ (Marquardsen 2012: 107). Thematisiert wird einerseits, dass die Menschen ihre Lage als stigmatisierend erleben und sich „fallen gelassen“ fühlen, andererseits dass sie sich vornehmlich deswegen sowie infolge fehlenden Selbstbewusstseins und fehlender wahrgenommener Gemeinsamkeiten selbst aus dem ehemaligen (erwerbstätigen) Freundeskreis zurückziehen. Parallel zum Rückzug aus ehemaligen Beziehungen werden jedoch genauso neue Kontakte geknüpft, und zwar vor allem zu Personen in der gleichen Situation der Erwerbslosigkeit – anstatt eines vollkommenen Rückzugs und sozialer Isolation findet also oftmals eine Homogenisierung der Netzwerke statt (vgl. hierzu auch Dörre et al. 2013): „Die Homogenisierung des Netzwerks ermöglicht also eine hohe Erwartungssicherheit, bewirkt aber zugleich oft die Wahrnehmung einer gemeinsamen ‚Ohnmacht‘ gegenüber der Situation […]. Diese Wahrnehmung kann wiederum mit der negativen Selbstzuschreibung verbunden sein, nicht dazuzugehören. Auf diese Weise kann in solchen homogenen Netzwerken ein negativer Verstärkereffekt von Ausgrenzungserfahrungen wirksam werden. Zugleich besteht wegen des fehlenden potentiellen Zugriffs auf alternative Quellen der Unterstützung eine erhöhte Abhängigkeit gegenüber den Personen im Netzwerk“ (Marquardsen 2012: 116f.). Dabei agieren die Betroffenen meist als „aktive Gestalter ihrer Sozialbeziehungen“, indem sie versuchen, ihre Lage zu bewältigen und Anerkennung und Zugehörigkeit zu erlangen (vgl. Marquardsen 2012: 314). Ansatzweise wird der Einfluss gesetzlicher Regelungen, d.h. dem SGB-II-Leistungsbezug, durch die qualitative Studie von Kai Marquardsen (2012) deutlich. Dort heißt es, dass innerhalb von Bedarfsgemeinschaften, in denen sich Personen im Falle der Bedürftigkeit eines Mitglieds gegenseitig finanziell unterstützen müssen, ein erhöhter Druck des sozialen Umfelds auf den/die Erwerbslose entstehen kann. Dies kann wiederum zu Konflikten führen. Ebenfalls kann die Erwerbslosigkeit mit SGB-II-Bezug bewirken, dass die Befragten gezwungen sind, in eine günstigere Wohnung in einem anderen Stadtteil zu ziehen. Dies bedeutet nicht nur, dass bestehende Nachbarschaftsnetzwerke aufgebrochen werden, sondern auch, dass die günstigeren Wohnlagen eine Homogenisierung des Netzwerkes befördern (vgl. Marquardsen 2012: 308 f.). Problematisch ist dabei, dass homogene Netzwerke über 5 Im Rahmen dieser Untersuchung wurden 27 problemzentrierte Interviews mit ALG-II-Beziehenden und Personen aus deren Netzwerken geführt. 13 weniger Unterstützungsressourcen verfügen, die wiederum zum Beispiel zu besseren Chancen der Arbeitsmarktintegration führen könnten. Deutlich wird, dass nicht zwangsläufig der Effekt „Verkleinerung“ von sozialen Netzwerken entsteht. Vielmehr ist von einem stärkeren Effekt auf die Netzwerkqualität auszugehen: Homogene Netzwerke mit anderen Erwerbslosen und eine Intensivierung bestehender Vertrauensnetzwerke. Der Einfluss von Erwerbsarbeit auf soziale Teilhabe Dass Arbeit einen positiven Einfluss auf das soziale Teilhabeempfinden von Menschen hat und Erwerbslosigkeit mit eingeschränkter Teilhabe einhergeht, wurde in erster Linie durch Forschungsarbeiten des IAB gezeigt (vgl. Wulfgramm 2011a; Gundert/Hohendanner 2011; Hirseland/Ramos Lobato/Ritter 2012). In diesem Zusammenhang sei hervorzuheben, dass in Bezug auf die Erwerbsteilhabe eine breite Zone zwischen „Drinnen“ (lebenslange Erwerbstätigkeit) und „Draußen“ (dauerhafte Arbeitslosigkeit) besteht, die sogenannte Zone der Prekarität (vgl. Promberger 2008: 11). Die Studien belegen zudem deutliche Unterschiede im Teilhabeempfinden, je nachdem welche Art der Arbeit betrachtet wird. Das stärkste Teilhabeempfinden haben Erwerbstätige in Normalarbeitsverhältnissen, d.h. mit einer unbefristeten Vollzeitbeschäftigung, und Selbständige (vgl. Gundert/Hohendanner 2011). Sowohl befristete Beschäftigung und (in noch stärkerem Maße) Leiharbeitsverhältnisse gehen mit einem geringeren Teilhabeempfinden einher. Dieses ist jedoch immer noch höher als bei Arbeitslosigkeit. Interessant ist das Ergebnis des Teilhabeempfindens nach unterschiedlichen Beschäftigungsformen innerhalb verschiedener Einkommensgruppen: Temporär Beschäftigte nehmen unabhängig von der finanziellen Situation geringere Teilhabe wahr als unbefristet Beschäftigte. Personen in Leiharbeit bilden das Schlusslicht (Arbeitslose sind hier nicht dargestellt). Die Ergebnisse einer Längsschnittanalyse zeigen, dass die Aufnahme von Arbeit jeweils einen signifikant positiven Effekt auf das Teilhabeempfinden hat. Wieder bestehen Unterschiede je nach Art der aufgenommenen Beschäftigung: Unbefristete Beschäftigung erhöht im Vergleich zu Leiharbeit und befristeter Beschäftigung das Teilhabeempfinden am deutlichsten. Die Studie stellt eine Momentaufnahme dar, wie sich der langfristige Verbleib in einem prekären Beschäftigungsverhältnis auf die wahrgenommenen Teilhabechancen auswirkt, wird hier leider nicht betrachtet. Wie sich arbeitsmarktpolitische Aktivierungsmaßnahmen im Rahmen des SGB II auf die erlebte Teilhabe auswirken, zeigt die Studie von Melike Wulfgramm (2011a) mit Daten des Panels „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS): Ein-Euro-Jobs bewirken ein stärkeres Teilhabeempfinden bei SGB-II-Empfängern als Arbeitslosigkeit und „Aufstocker“ in ungeförderter Beschäftigung haben ein stärkeres Teilhabeempfinden als Ein-Euro-Jobber. Interessant ist hier der Befund, dass der subjektiv wahrgenommene soziale Status durch die Maßnahme nicht höher empfunden wird, sondern lediglich positive Effekt des „Aufstockens“ und der Erwerbstätigkeit ohne Leistungsbezug gefunden werden. Zu der sozialen Integrationsfunktion von Ein-Euro-Jobs belegt die Studie von Bernhard Christoph und Katrin Hohmeier (2012), dass diese deutlich höher ist, wenn der Job freiwillig 14 und nicht unter Sanktionsandrohungen ausgeübt wird. Dabei ist auffällig, dass die Faktoren der subjektiven sozialen Einbindung (d.h. soziale Kontakte und etwas Sinnvolles zu tun) bei Unfreiwilligkeit der Maßnahmeteilnahme deutlich geringer sind. Auch wird dann die Teilnahme eher als entwürdigend gesehen und die Chancen auf einen späteren Übergang in Beschäftigung als weniger Wahrscheinlich betrachtet. Sogar eine Verbesserung der finanziellen Situation durch die Maßnahme wird sehr viel negativer wahrgenommen als bei einer freiwilligen Teilnahme. In diesem Zusammenhang sind Studien über die Wirkung des im Jahr 2007 eingeführten und inzwischen wieder zurückgestellten Beschäftigungszuschusses nach § 16e SGB II interessant. Dabei handelte es sich um eine Maßnahme für schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose (d.h. mit besonderen Vermittlungshemmnissen wie fehlender Berufsabschluss oder gesundheitliche Einschränkungen), die vor allem das Ziel der Überwindung von Ausgrenzungsrisiken und Stärkung von Teilhabechancen verfolgte. Zudem wurde in erster Linie nicht – wie bei anderen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen – das Ziel der Integration in den ersten Arbeitsmarkt verfolgt. Andreas Hirseland und Kollegen führten zur Wirkung des Beschäftigungszuschusses eine qualitative Studie (N=20) durch, die zeigte, dass durch den Zuschuss sowohl materielle Deprivation überwunden werden konnte als auch die Statuswahrnehmung erhöht wurde. Letztere gilt als eine wichtige Schlüsselfunktion für ein gesteigertes Teilhabeempfinden (vgl. Hirseland/Ramos Lobato/Ritter 2012: 98). Vor allem wurde eine höhere soziale Freiheit wahrgenommen als vor Eintritt in die Maßnahme. Betont wurde, dass die geförderte Beschäftigung das Gefühl vermittelte nicht überflüssig zu sein, sondern anerkannt und gebraucht zu werden. Zusammengefasst zeigt sich, dass die Kombination von Arbeitslosigkeit und Mindestsicherungsbezug mit Exklusionsrisiken verbunden ist. Die genannten Studien führen aber nicht auf, ob der SGB-II-Bezug eigene Exklusionsrisiken birgt, die auf den Status des SGB-IIBeziehers bzw. „Hartz-IV-Empfängers“ zurückzuführen sind. 2.3.3 Mindestsicherungsbezug und seine Wirkungen Im Fokus der nachfolgenden Ausführungen steht der Einfluss von Sozialleistungsbezügen auf Exklusionsrisiken, die durch Scham und Stigmatisierung hervorgerufen werden. Die Wirkung von Armut auf Scham kann durch den Empfang von Sozialleistungsbezügen erklärt werden (vgl. Becker/Gulyas 2012; Neckel 2008; Neckel 1991): „Die prototypische Situation einer derart sozial verursachten Scham ist die staatliche Bedürftigkeitsprüfung, die jeder Zuweisung von Sozialhilfe vorausgeht. In ihr ist der Klient gewissermaßen gezwungen, seine materiellen Interessen gegen seinen Anspruch auf persönliche Selbstachtung auszuspielen“ (Neckel 2008: 24). Am stärksten wirken sich Prozesse der Scham und Stigmatisierung dann aus, wenn Armut als Status sozial sichtbar und festgeschrieben ist. Nach Simmel ist das vor allem der Fall, wenn eine Person auf öffentliche Unterstützung angewiesen ist (vgl. Simmel 1992). In mo- 15 dernen Gesellschaften stehen als Risikogruppen sozialer Abwertung vor allem Empfänger/innen von Mindestsicherungsleistungen im Mittelpunkt, da sie sich im Gegensatz zu Bezieher/innen von Versicherungsleistungen ihre Einkünfte vermeintlich nicht „erarbeitet“ haben. Es fehlt damit ein Element der Reziprozität (vgl. Coser 1992). Trotz der besonderen sozialen Konstruktion der Mindestsicherungsleistungen gibt es kaum Studien, die den Zusammenhang zwischen Leistungsbezug und Lebenszufriedenheit bzw. sozialer Teilhabe in den Fokus ihrer Analyse stellen. Dabei existieren auch empirisch starke Zusammenhänge zwischen den beiden Konzepten Leistungsbezug und Lebenszufriedenheit (vgl. Kapitel 2.2.4 und die Ausführungen von Wulfgramm 2011a). 2.3.4 Wirkung verschiedener Formen prekärer Lebenslagen auf soziale Teilhabe In der Studie von Melike Wulfgramm (2011a) werden mit dem Panel „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS), d.h. auf der gleichen Datengrundlage wie bei dieser Studie, subjektive Auswirkungen der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik am Beispiel von Ein-Euro-Jobs untersucht. Es werden gleichzeitig Effekte der Arbeitslosigkeit, des Leistungsbezugs und des Einkommens betrachtet (jedoch nicht der Einkommensarmut). Als abhängige Variablen werden die Lebenszufriedenheit, die soziale Teilhabe und der wahrgenommene soziale Status berücksichtigt. Die Ergebnisse machen deutlich, dass arbeitslose ALG-II-Empfänger/innen überproportional häufig von unterdurchschnittlicher Lebenszufriedenheit, sozialer Ausgrenzung und niedrigem sozialen Status berichten (vgl. Wulfgramm 2011a). In den multivariaten Analysen zeigen sich eigenständige Effekte aller drei Einflussfaktoren, sowohl auf die Lebenszufriedenheit als auch auf die soziale Teilhabe und auf den sozialen Status. Der deutlichste Effekt auf die Lebenszufriedenheit und die soziale Teilhabe geht von der Erwerbstätigkeit aus, der soziale Status wird am deutlichsten durch den Bezug von ALG-II-Leistungen beeinflusst (vgl. Wulfgramm 2011a: 191). Interessant ist aber, dass Langzeitarbeitslosigkeit im Längsschnittmodell keinen signifikanten Einfluss auf den sozialen Status aufweist. Da die Studie lediglich zwei Wellen des genannten Panels berücksichtigt, lohnt es sich, die Effekte auf der Grundlage aller bisher vorliegenden fünf Wellen zu betrachten sowie noch einmal genauer auf andere „harte“ Faktoren sozialer Teilhabe zu schauen, wie tatsächliche Netzwerkeigenschaften und dem freiwilligen Engagement. 2.4 Zwischenfazit Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, dass die Betrachtung verschiedener Formen prekärer Lebenslagen gewinnbringend für die Differenzierung von Mechanismen sozialen Ausschlusses ist. Folgende Schlüsse lassen sich daraus ziehen: Einkommensarmut wirkt 16 sich auf die soziale Teilhabe primär durch den Verlust materieller Ressourcen aus. Mit dem Verlust von Einkommen nehmen nicht nur die Möglichkeiten ab, grundlegende Bedürfnisse zu befriedigen sondern auch sich Wünsche zu erfüllen, die sich aus einem Vergleich des eigenen Lebensstandards mit dem in der Gesellschaft üblichen ergeben. Auch das Aufrechterhalten von sozialen Netzwerken und die Partizipation in Vereinen und am kulturellen Leben nehmen in dem Maße ab, in dem sie auf der Verfügbarkeit von Geld basieren. Scham und Stigmatisierung hängen jedoch stärker mit dem sozial sichtbareren Zustand des Bezugs von Mindestsicherungsleistungen zusammen. Die Kombination dieser Dimension mit Arbeitslosigkeit erscheint besonders problematisch. Arbeitslose Leistungsempfänger entsprechen am ehesten dem Bild der „undeserving poor“ (vgl. Katz 1990), die dem Vorwurf der Selbstverschuldung der eigenen Lage ausgesetzt sind. Interessant sind in diesem Zusammenhang die divergierenden Argumentationen in der Literatur zu den Folgen einer stärkeren Aktivierung von Arbeitslosen im Mindestsicherungsbezug. Während einige Autoren die stigmatisierende Wirkung von Sanktionspraxis und Arbeitsverpflichtungen betonen, sehen andere Autoren die Möglichkeit, den negativen psychosozialen Folgen durch bestimmte Maßnahmen entgegenzuwirken. Im Anschluss an Simmel kann Aktivierung als Etablierung einer Reziprozitätsnorm für diejenigen betrachtet werden, die auf gesellschaftliche Hilfe angewiesen sind: „Armut kann daher nicht aufgehoben werden, es sei denn, man würde es den Armen ermöglichen, ebenso zu geben wie zu empfangen. In vollem Umfang können sie gesellschaftlich nur integriert werden, wenn sie auch die Möglichkeit des Gebens haben“ (Coser 1992:43). Offensichtlich ist, dass die Art, wie der Wohlfahrtsstaat Hilfe für arme Menschen organisiert, zentral für die Armutserfahrung der Betroffenen ist. 17 Prekäre Lebenslagen – Trends und Erklärungsmodelle 3 Zur Verdeutlichung gesamtgesellschaftlicher Zusammenhänge, wird im Folgenden gezeigt, wie sich Arbeitslosigkeit, Einkommensarmut und der Bezug von Mindestsicherungsleistungen in den letzten Jahren entwickelt hat. Neben der Darstellung der allgemeinen Entwicklung in Deutschland und der Situation junger Erwachsener im SGB-II-Bezug wird eine Abgrenzung der Armutskonzepte „Einkommensarmut“ und „SGB-II-Bezug“ vorgenommen. 3.1 Die allgemeine Entwicklung in Deutschland Abbildung 2 zeigt das allgemeine Ausmaß und die Entwicklung der Betroffenheit. Einkom6 mensarmut ist von den drei Merkmalen am verbreitetesten. Bis 2006 stieg diese an und ist anschließend bis 2010 relativ stabil geblieben. 2010 waren 13,9 % der Menschen in Deutschland von Einkommensarmut betroffen. Die Arbeitslosenquote ist zwischen 2006 und 2010 stark gesunken, von 12 % auf 8,6 %. 34,9 % der Arbeitslosen waren im Jahr 2010 langzeitarbeitslos, d.h., sie sind bereits länger als zwölf Monate in Arbeitslosigkeit. Dieser Wert ist gegenüber 2006 um 6,7 Prozentpunkte gesunken (Bundesagentur für Arbeit 2013). Abbildung 2: Entwicklung von Arbeitslosigkeit, Armutsquote und Mindestsicherungsbezug 16 13,9 13,5 14 12 12 10,1 10 9,2 8 8,6 6 4 2 0 2000 2001 2002 2003 Arbeitslosenquote 2004 2005 2006 2007 Armutsquote 60%-Schwelle 2008 2009 2010 2011 2012 Mindestsicherungsempfänger Eigene Darstellung. Quellen: Arbeitslosenquote (Bundesagentur für Arbeit 2013: Tabelle 8.1); Armutsquote (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2013: Indikator A.1); Mindestsicherungsempfänger (Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2012: Tabelle A3). 64 % der Arbeitslosen haben 2010 ALG II erhalten. 2006 waren es noch 59,8 % (Bundesagentur für Arbeit 2013). Arbeitslosigkeit erhöht zudem drastisch das Risiko der Einkommensarmut: 56,4 % der Arbeitslosen waren 2010 gleichzeitig einkommensarm, gegenüber 8,2 % der Erwerbstätigen (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2013). 6 18 Definiert als Haushaltsnettoäquivalenzeinkommen unterhalb der Grenze von 60% des Medians der Bevölkerung. Die Quote der Mindestsicherungsbezieher/innen, d.h., Personen die Leistungen der Existenzsicherung vom Staat erhalten, ist im Zeitverlauf ebenfalls gesunken, allerdings lediglich um knapp einen Prozentpunkt, von 10,1 % auf 9,2 % im Jahr 2010. Dabei handelt es sich um insgesamt 7.536.721 Personen. Etwas weniger als zwei Drittel dieser Gruppe beziehen Leistungen für erwerbsfähige Leistungsberechtigte bzw. ALG II (vgl. Abbildung 3). 23 % beziehen als Angehörige oder Haushaltsmitglieder von ALG-II-Empfängern Sozialgeld. Die restlichen Personen beziehen Leistungen anderer Rechtskreise. Abbildung 3: Anzahl der Empfänger/innen von Leistungen der Mindestsicherung in Deutschland (Dezember 2010) Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistun gsgesetz; 130.297; 2% Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung; 796.646; 11% Leistungen der Kriegsopferfürsorge; 42.001; 1% Laufende Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen; 98.354; 1% Leistungen nach dem SGB II: Sozialgeld; 1.768.043; 23% Leistungen nach dem SGB II: Arbeitslosengeld II; 4.701.380; 62% Eigene Darstellung. Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2012. Im Fokus der vorliegenden Analyse stehen erwerbsfähige Leistungsberechtigte (ALG-II7 Bezieher) nach dem Rechtskreis des SGB II . Abbildung 4 zeigt die Zusammensetzung die8 ser Gruppe nach ihrer Tätigkeit für das Jahr 2010 . 42 % der Personengruppe sind arbeitslos und stehen dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung. 13 % beziehen Leistungen zusätzlich zu einer ungeförderten Erwerbstätigkeit („Aufstocker“) und 7 % befinden sich in 7 Erwerbsfähige Leistungsberechtigte (eLb) sind definiert als Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht haben, mind. drei Stunden täglich erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und den gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Auch aktuell Arbeitsunfähige zählen dazu, sofern sie auf absehbare Zeit (länger als 6 Monate) für mindestens drei Stunden täglich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Zwar handelt es sich bei der betrachteten Gruppe der Studie um ALG-II-Empfänger/innen im engeren Sinne. Im Sprachgebrauch des Berichts wird dennoch die weiter gefasste Definition „SGB II“ verwendet. 8 Dieser Zeitraum wurde verwendet, da die aktuellsten Analysedaten des vorliegenden Berichts sich ebenfalls auf diesen Zeitraum beziehen und somit eine bessere Einordnung der Daten gewährleistet ist. 19 einer Ausbildung. 14 % der Leistungsberechtigten befinden sich in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Die größte Bedeutung haben Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (AGH, sog. „Ein-Euro-Jobs) und Qualifizierungsmaßnahmen. Besonders die zuerst genannten Maßnahmen wurden seit 2010 jedoch stark reduziert, so dass der Bestand an Personen in Ein-Euro-Jobs um mehr als die Hälfte zurückgegangen ist (Bundesagentur für Arbeit 2013: Tabelle 10.1). 7 % der ALG-II-Bezieher/innen sind in Aufgaben der Erziehung oder Pflege eingebunden. Jeweils 6 % sind als arbeitsunfähig eingestuft oder befinden sich in vorruhestandsähnlichen Regelungen. Bei 5 % ist der Status unbekannt. Abbildung 4: Tätigkeiten der erwerbsfähigen ALG-II-Berechtigten (Dezember 2010) in vorruhestands- unbekannt; 249.561; 5% ähnlichen Regelungen; 272.938; 6% Arbeitsunfähigkeit; 253.793; 6% Erziehung, Haushalt, Pflege; 329.594; 7% arbeitslos; 1.970.131; 42% Schule, Studium, ungeförderte Ausbildung; 325.200; 7% ungeförderte Erwerbstätigkeit; 610.561; 13% arbeitsmarktpolitisch e Maßnahmen; 634.941; 14% Eigene Darstellung. Quelle: Bundesagentur für Arbeit 2011. 3.2 Zur Situation von Menschen unter 25 Jahren mit SGB-II-Bezug Eine besondere Gruppe im SGB II sind junge Menschen unter 25 Jahren. Für sie gelten vor dem Hintergrund des „Förderns und Forderns“ andere Regelungen als bei Menschen ab 25 Jahren. Junge arbeitslose Empfänger/innen von Leistungen nach dem SGB II unter 25 Jahren erfahren etwa seit 2007 wesentlich stärkere Sanktionsmaßnahmen (§ 31 Abs. 5 SGB II) als Personen über 25 Jahren. So finden strenge Sanktionen bei dieser Gruppe im Vergleich zu 25- 20 bis 49-Jährigen auch wesentlich häufiger statt (vgl. Dietz/Kupka/Ramos Lobato 2013). Darüber hinaus sind sie deutlich häufiger von den Sofortangeboten (§ 15a SGB II) betroffen, da vor dem ersten Leistungsbezug meist keine Ansprüche auf SGB-III- und SGB-II-Leistungen hatten. Hinzu kommt das sogenannte „Umzugsverbot“, wonach jungen Menschen kein Recht auf Kosten der Unterkunft haben, wenn keine schwerwiegenden Gründe des Auszugs aus dem Elternhaus vorliegen (vgl. Wagner 2008). Bei einer Pflichtverletzung kann die Zahlung des Regelsatzes für bis zu drei Monate komplett gestoppt werden, eine weitere Pflichtverletzung innerhalb desselben Jahres kann zum vollständigen Verlust der Leistungen führen. In der Folge können sich Teilhabechancen verringern, das soziale Netzwerk der jungen Menschen wird belastet und Heranwachsenden mit eigener Wohnung drohen Energiesperren sowie letztendlich der Verlust der Wohnung. Des Weiteren führt die teilweise und die komplette Streichung von Sozialleistungen schnell zur Anhäufung von Schulden, deren Tilgung über den Sanktionszeitraum hinaus geht (vgl. Schreyer et al. 2012: 219). Ziel dieser Maßnahmen ist es, die jungen Menschen stärker zu fordern als die älteren Leistungsbezieher/innen. Es existieren jedoch weder empirischen Belege darüber, ob diese härtere Sanktionierungspraxis tatsächlich dazu führt, dass die Zeitspanne der Hilfebedürftigkeit sich verkürzt, noch ist wenig dazu bekannt, wie die Sanktionen von den jugendlichen SGB-IIEmpfänger/innen bewältigt werden (ebd.: 214). Eine Studie des ISG unterstreicht allerdings, dass vor allem Totalsanktionen mit deutlichen Ausgrenzungstendenzen sowie seelischen und gesundheitlichen Problemen der jungen Heranwachsenden in Zusammenhang stehen (vgl. ISG 2013). Untersuchungen zeigen, dass ein großer Teil der jungen Heranwachsenden im SGB-IIBezug multiplen Problemlagen ausgesetzt ist (vgl. Popp/Schels, 2008: 184). Diese können der angestrebten Aktivierung entgegenstehen (vgl. Schreyer et al. 2012: 219). Je umfangreicher die Problemlagen sind, desto mehr steigt auch das subjektive Empfinden, sozial ausgegrenzt zu sein (vgl. Popp/Schels, 2008: 184). Dieses Gefühl führt wiederum zu einer geringeren Bereitschaft, sich weiterzubilden oder an einem Integrationsprozess teilzunehmen – es sind also nicht nur der finanzielle Status und die Erwerbstätigkeit Indikatoren für soziale Teilhabe von Heranwachsenden, sondern auch die sozialen Netzwerke (ebd.: 185). Dies ist ein wichtiger Ansatzpunkt für sozialpolitische Strategien der Förderung von jungen Arbeitslosen. Über das Ausmaß ihrer sozialen Teilhabe liegen aber bisher noch kaum wissenschaftliche Erkenntnisse vor (vgl. Schreyer: 216). Eine aktuelle Studie (vgl. Damelang/Kloß 2013) zeigt bezüglich der Teilhabe von unter 25Jährigen interessante Befunde: So sind Freizeitaktivitäten von Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen sehr stark von der finanziellen Situation geprägt – einkommensarme Jugendliche gehen seltener kostenpflichtigen Aktivitäten nach als nicht arme Gleichartige. Bei Aktivitäten, die kein Geld kosten, bestehen allerdings keine signifikanten Unterschiede zwischen armen und nicht armen Jugendlichen. Die Forscher betrachten neben der Gruppe der armen und nicht armen auch die Gruppe der armen Jugendlichen im SGB-II-Bezug. Letztere nehmen an nicht kostenpflichtigen Aktivitäten seltener Teil als arme Jugendliche ohne SGB-IIBezug. Die Autoren gehen nicht weiter auf den Befund ein, schlussfolgern aber, dass soziale 21 Deprivation sich erst bei verstetigter Armut niederschlage. Die Ergebnisse zeigen gleichwohl, dass es sich lohnt, immer auch differenziert auf die unterschiedlichen Wirkungen von Einkommensarmut und Leistungsbezug zu schauen. Auch wenn in Deutschland im Vergleich zu den südeuropäischen Ländern mit Quoten von teilweise über 50 % eine relativ geringere Jugendarbeitslosigkeit herrscht, muss diese Gruppe separat betrachtet werden, denn Jugendarbeitslosigkeit schadet nachhaltig: Berufsanfänger, die zeitweilig keine Arbeit haben, haben auch später überproportional häufig mit Phasen der Arbeitslosigkeit zu rechnen (vgl. Schmillen/Umkehrer 2013; Dietz/Kupka/Ramos Lobato 2013). 3.3 Einkommensarmut und SGB-II-Bezug – Zwei verschiedene Armutskonzepte Ebenso wie Einkommensarmut weist der Empfang von Mindestsicherungsleistungen einen direkten Bezug zum Einkommen auf. Das Einkommen eines Haushalts vor Sozialleistungen entscheidet über die Bedürftigkeit und damit über Rechtsansprüche. Falls der Haushalt Sozialleistungen erhält, werden diese dem Haushaltsnettoeinkommen zugerechnet, welches die Referenzgröße für die Einkommensarmut ist. Schon Abbildung 2 macht deutlich, dass Leistungsbezug und Einkommensarmut nicht identisch sind, denn der Anteil der Einkommensarmen ist deutlich höher als der Anteil der Mindestsicherungsbezieher. Das Auseinanderfallen von Leistungsbezug und Einkommensarmut kann mehrere Gründe haben: Die Höhe von existenzsichernden Leistungen wird politisch definiert, während die 60-%-Schwelle eine statistische Grenze für Sozialberichterstattung und wissenschaftliche Forschung darstellt (so variieren die Ergebnisse auch, wenn man statt dem 60-%-Kriterium beispielsweise eine 50-%-Schwelle verwendet). Die Armutsschwelle ist typischerweise großzügiger bemessen als die politische definierte Höhe der Sozialleistungen, so dass viele Personen einkommensarm sind, jedoch keine existenzsichernden Leistungen erhalten. Zusätzlich gibt es viele Menschen, die keine Sozialleistungen beziehen, obwohl sie dazu berechtigt wären, weil ihnen ihre Ansprüche nicht bekannt sind oder weil sie, zum Beispiel aus Scham und Angst vor Stigmatisierung, bewusst auf Leistungen des Staates verzichten (vgl. Hauser 2008). Darüber hinaus unterscheidet sich das Verhältnis von Einkommensarmut und Sozialleistungen aus zwei Gründen auch zwischen Haushalten. Beiden Konzepten liegen Annahmen über die Verteilung von Einkommen im Haushalt zugrunde. Für die Berechnung des Haushaltsnettoäquivalenzeinkommens, welches der Einkommensarmut zugrunde liegt, wird eine Äquivalenzskala verwendet, die der Annahme Rechnung trägt, dass der Bedarf weiterer Personen im Haushalt nicht identisch ist mit dem Bedarf der ersten Person, weil Güter und Dienstleistungen gemeinsam genutzt werden können. Die neue OECD-Skale weist der ersten Person den Wert 1 zu, während weitere erwachsene Personen den Wert 0,5 und Kinder den Wert 0,3 erhalten. Das Haushaltsnettoeinkommen eines Haushalts mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern wird beispielsweise nicht durch die Anzahl der Personen (4) dividiert, sondern durch den durch die Äquivalenzskala definierten Wert von 2,1 (1+0,5+0,3+0,3). 22 Auch im SGB II erhalten die weiteren Haushaltsmitglieder nicht denselben Betrag wie die erste Person, allerdings sinken die angenommenen Bedarfe für die einzelnen Haushaltsmitglieder weniger stark als bei der OECD-Skala. Seit dem 1. Januar 2014 erhalten alleinstehende Erwachsene einen Regelsatz von 391 Euro. Zwei Erwachsene im Haushalt erhalten jeweils nur 353 Euro. Daneben gelten weitere Sätze für Kinder, unterteilt in drei verschiedene Altersstufen. Zusätzlich zu den Regelsätzen werden der Bedarfsgemeinschaft Wohnkosten in der tatsächlichen Höhe erstattet. Hier variieren die Beträge nach der Region: Wohnkosten in Städten sind generell höher als auf dem Land. In einer Publikation des IAB wurde die Summe aus mittleren Wohnkosten und Regelbedarfen mit der Armutsgrenze für verschiedene Haushaltskonstellationen verglichen (Lietzmann et al. 2011): Für Alleinstehende liegen die Leistungen aus dem SGB II typischerweise deutlich unter der 60-%-Schwelle. Paare ohne Kinder erhalten ebenfalls weniger als den Betrag der Armutsschwelle, mit steigender Kinderzahl nähern sich beide Werte sukzessive an. Leistungen für Alleinerziehende liegen dagegen aufgrund besonderer Mehrbedarfe im Durchschnitt über dem Betrag der Armutsschwelle. Zudem können erwerbstätige Personen mit geringem Einkommen Leistungen des SGB II in Anspruch nehmen und dadurch „aufstocken“. Da das Einkommen aus Erwerbstätigkeit nicht vollständig auf die Leistungen angerechnet wird, haben diese Haushalte insgesamt ein höheres Einkommen als SGB-II-Haushalte ohne Erwerbstätige. Es zeigt sich also, dass Personen als einkommensarm klassifiziert werden können, ohne Mindestsicherungsleistungen zu erhalten, aber auch Personen im Leistungsbezug nicht von relativer Einkommensarmut betroffen sein müssen. Das verdeutlicht den konzeptionellen Unterschied beider Merkmale: Einkommensarmut bezieht sich ausschließlich auf die Verfügbarkeit monetärer Ressourcen im Haushalt, während Leistungsbezug sowohl von politischen Entscheidungen über Bedürftigkeit und der normativen Definition eines Existenzminimums abhängt, als auch von der Fähigkeit oder Bereitschaft der Betroffenen, diese Leistungen in Anspruch zu nehmen. Da Erwerbsarbeit für die meisten Menschen der wichtigste Weg ist, Einkommen zu generieren, ist Arbeitslosigkeit der zentrale Risikofaktor für Einkommensarmut und Leistungsbezug. Allerdings zeigen die bisherigen Ausführungen, dass nicht alle Menschen in prekären Lebenslagen auch von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Zudem fallen nicht alle Arbeitslosen in Armut oder Leistungsbezug, da sie zum Teil auf Ressourcen anderer Haushaltsmitglieder zurückgreifen können oder durch andere Systeme der sozialen Sicherung abgesichert sind (vor allem durch die Arbeitslosenversicherung). Umgekehrt sind unter den Leistungsempfänger/innen immer mehr Menschen, die ihr Einkommen durch SGB-II-Leistungen aufstocken müssen. So zeigt eine Studie des IAQ der Universität Duisburg-Essen, dass sich diese Gruppe unterschiedlich zusammensetzt. Während 44 % sozialversichert beschäftigt sind, haben 36 % einen Mini-Job und 10 % arbeiten selbständig. Von den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten wiederum mehr als die Hälfte (57,7 %) in Vollzeit (vgl. IAQ 2013). 23 4 Soziale Teilhabe von Menschen in prekären Lebenslagen – Konzept und Umsetzung der Untersuchung Im Zentrum der empirischen Analysen dieser Studie steht die Beschäftigung mit den folgenden drei Fragen: Inwieweit haben Menschen im SGB-II-Bezug und in prekären Lebenslagen noch das Gefühl dazuzugehören? Wie wirkt sich die Zugehörigkeit zum SGB-II-Rechtskreis auf ihre Teilhabe- und Beteiligungschancen aus? Welche Faktoren verbessern die soziale Teilhabe von Menschen im SGB-II-Bezug? Es handelt sich bei dieser Studie um eine quantitative Analyse, in der zunächst einfache Beschreibungen und Zusammenhänge und schließlich komplexe Analysen durchgeführt werden, um die oben genannten Fragen beantworten zu können. 4.1 Die Datenbasis – Das Panel „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ – PASS Zur Beantwortung der Fragestellungen wurden die Wellen 1 bis 5 des Panels „Arbeitsmarkt 9 und soziale Sicherung“ (PASS) ausgewertet (vgl. Trappmann et al. 2010). Beim PASS handelt es sich um eine seit dem Jahr 2006/07 jährlich durchgeführte Befragung auf Ebene von Haushalten und Personen, d.h., in allen ausgewählten Haushalten werden Interviews mit allen darin lebenden Personen ab 15 Jahren geführt sowie von einer Zielperson des Haushaltes Fragen über den Gesamthaushalt beantwortet (vgl. Berg et al. 2012). Jedes Jahr werden etwa 10.000 Haushalte befragt. Etwa die Hälfte dieser Haushalte stellt eine Stichprobe der Haushalte in Deutschland dar, die an einem Stichtag im Jahr 2006 ALG II bezogen haben. Die andere Hälfte ist eine repräsentative Stichprobe der deutschen Bevölkerung. Um die Verläufe dieser Personen über einen längeren Zeitraum verfolgen zu können, werden nach Möglichkeit in jedem Jahr dieselben Personen befragt. Die disproportionale Zusammensetzung des Samples und Verzerrungen durch selektive Teilnahmebereitschaft und Ausfälle werden durch eine unterschiedliche Gewichtung der Fälle korrigiert. Dabei werden die im Datensatz zur Verfügung gestellten Gewichtungsvariablen verwendet. Bei Aussagen über die statistische Bedeutsamkeit der Ergebnisse werden zudem weitere Informationen zum Stichprobendesign berücksichtigt, um die Schätzung der Stichprobenvarianz zu verbessern (vgl. Trappmann 2011). Bei den multivariaten Analysen in Kapitel 8 und 9 wird keine Gewichtung vorgenommen, da hier die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Variablen im Vordergrund stehen. Zudem werden viele der in der Gewichtung berücksichtigten Eigenschaften der Haushalte und Personen durch die Kontrollvariablen ohnehin berücksichtigt. 9 24 Die Datengrundlage dieses Beitrags bilden die faktisch anonymisierte Daten des Panels „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS). Der Datenzugang erfolgte über einen Scientific Use File, der über das Forschungsdatenzentrum der Bundesagentur für Arbeit im Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung zu beziehen ist. Die Panelstruktur des Datensatzes sowie der dort überproportional vertretene Anteil von Menschen im Mindestsicherungsbezug bieten ein besonderes Potential: Es können nicht nur Aussagen über eine in anderen Datensätzen oftmals unterrepräsentierte Personengruppe getroffen, sondern auch zeitliche Verläufe für diese Personengruppen beobachtet werden, so dass sich zum Beispiel Unterschiede im generellen Antwortverhalten kontrollieren und tatsächliche kausale Zusammenhänge schätzen lassen. Weiterhin ist es möglich, sich die Gruppe der Menschen im SGB-II-Bezug genauer anzuschauen und Faktoren zu ermitteln, die deren subjektives Teilhabeempfinden beeinflussen. Da die Zielgruppe dieser Studie die erwerbsfähige Bevölkerung in Deutschland darstellt, wurde die Stichprobe auf Menschen zwischen 16 und 65 Jahren beschränkt. Weiterhin wurden Rentner/innen, kranke/erwerbsunfähige Personen sowie (noch) Schüler/innen in allgemeinbildenden Schulen (nicht Berufsschule) aus der Untersuchungsstichprobe ausgeschlossen. 4.2 Zur Operationalisierung der Variablen Im Folgenden wird die Operationalisierung der Untersuchungsgruppen (unabhängige Variablen) und der sozialen Teilhabevariablen (abhängige Variablen) beschrieben. Dabei wird nicht auf alle gebildeten Variablen im Detail eingegangen, sondern nur auf die, die eine zentrale Rolle für die geplanten Analysen spielen. Weitere verwendete Variablen sowie ihre Operationalisierung sind im Anhang dargestellt (vgl. Operationalisierungstabelle). 4.2.1 Die drei zentralen unabhängigen Variablen Diese sind Einkommensarmut, SGB-II-Bezug und Arbeitslosigkeit. Die Einkommensarmut wurde entsprechend der neuen OECD-Definition anhand der 60-%Grenze des Medians des äquivalenzgewichteten monatlichen Haushaltseinkommens gebildet. Dabei werden die Befragten gebeten, das Einkommen des Haushalts aus dem letzten Monat unter Berücksichtigung sämtlicher Transfers sowie nach Abzug von Steuern und Abgaben anzugeben. Es werden sowohl offene, als auch kategorisierte Angaben zum Einkommen berücksichtigt. Der Betrag wird für jeden Haushalt durch das Äquivalenzgewicht des Haushalts dividiert, dass sich aus der Summe folgender Beträge ergibt: Die erste Person im Haushalt wird mit dem Wert 1 berücksichtigt, jede weitere Person ab 15 Jahren erhält den Wert 0,5 und Kinder bis 14 Jahren den Wert 0,3. (Am Beispiel eines Haushalts mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 15 ergibt dies: 1+0,5+0,3+0,3 = 2,1). Eine entsprechend generierte Variable steht bereits im Datensatz zur Verfügung. Aus dem gewichteten Haushaltseinkommen wird für jede Welle der Median der Verteilung berechnet, wobei alle Haushaltsmitglieder (auch kleine Kinder) berück- 25 sichtigt werden. Personen in Haushalten, die weniger als 60 % des Medians zur Verfügung haben, werden als Einkommensarm bezeichnet. Der SGB-II-Bezug bezieht sich darauf, ob ein Haushalt aktuell ALG II nach dem SGB II bezieht. Die Haushalte werden befragt, ob und in welchen Zeiträumen Mitglieder des Haushalts ALG II erhalten haben. Aus diesen Informationen zu Episoden des Leistungsbezugs kann dann der Bezug zum Befragungszeitpunkt generiert werden. Die Variable steht ebenfalls bereits im Datensatz zur Verfügung. Die Arbeitslosigkeit ergibt sich aus der differenzierten Erfassung des aktuellen individuellen Erwerbsstatus. Als arbeitslos gelten dabei ausschließlich Personen, die arbeitslos gemeldet sind oder sich selbst als arbeitslos bezeichnen und keinem anderen Status zugeordnet werden können. Nicht arbeitslos sind alle Personen, die in irgendeiner Form erwerbstätig sind (auch Mini-Jobs und Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigungen) sowie Personen in Aus- und Weiterbildung, Hausfrauen und -männer sowie Personen in Mutterschutz, Erziehungsurlaub oder Elternzeit. Deutlich wird, dass es sich bei der Arbeitslosigkeit um eine individuelle Eigenschaft handelt, während sowohl Einkommensarmut als auch der SGB-II-Bezug jeweils auf Haushaltsebene erhoben wurden. 4.2.2 Die abhängigen Variablen Im diesem Forschungsprojekt wurden verschiedene Indikatoren betrachtet, um die soziale Teilhabe zu erfassen. Diese sind im Einzelnen: 1. Subjektives Teilhabeempfinden 2. Lebenszufriedenheit 3. Aktivität bzw. Engagement in Organisationen oder Vereinen 4. Vorhandensein enger Freunde/Familienmitglieder außerhalb des Haushaltes 5. Mindestens eine Person in Arbeitslosigkeit oder auf Arbeitssuche unter den drei engsten Freunden/Familienmitgliedern außerhalb des Haushalts 6. Jemanden kennen, der einem 1.000 Euro leihen würde Das subjektive Teilhabeempfinden stellt den Fokus der Analysen dar, da über subjektive Auswirkungen des Mindestsicherungsbezugs bisher wenig bekannt ist. Interessenschwerpunkt dieser Arbeit ist, wie sich prekäre Lebenslagen auf die subjektive Wahrnehmung der eigenen Lebenssituation, auf die Zugehörigkeit oder den Ausschluss aus der Gesellschaft bemerkbar machen. Um auch Aspekte zu berücksichtigen, die auf einen Ausschluss aus sozialen Netzwerken hinweisen, werden ergänzend harte Fakten wie das Engagement in Organisationen oder Vereinen (d.h. formale soziale Netzwerke) sowie soziale 26 Unterstützungsnetzwerke (d.h. informelle soziale Netzwerke) betrachtet. Von den so generierten Erkenntnissen lassen sich vor allem sozialpolitische Handlungsstrategien für „Inklusion“ ableiten, aber auch neue Fragen aufwerfen, die in Zukunft einer detaillierteren Betrachtung durch Forschung und Praxis bedürfen. Die Frage nach dem sozialen Teilhabeempfinden wurde im Fragebogen des PASS seit 2006 folgendermaßen gestellt: „Man kann das Gefühl haben, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und dazuzugehören oder sich eher ausgeschlossen fühlen. Wie ist das bei Ihnen? Inwieweit fühlen Sie sich eher dazugehörig oder eher ausgeschlossen? Verwenden Sie zur Einstufung bitte die Zahlen von 1 bis 10. 1 bedeutet, dass Sie sich vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen fühlen, 10 bedeutet, dass Sie sich dazugehörig fühlen. Mit den Zahlen von 2 bis 9 können Sie Ihre Einschätzung abstufen.“ Die Variable wurde in dieser Studie zu Analysezwecken umcodiert, so dass die Skala von 0 bis 9 reicht. Für bestimmte Analysen wurde die Variable dichotomisiert. Werte zwischen 0 und 4 wurden damit als „ausgeschlossen“ kategorisiert und Werte zwischen 5 und 9 als „dazugehörig“. Die Lebenszufriedenheit wurde wie folgt abgefragt: „Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig, alles in allem, mit Ihrem Leben? „0“ bedeutet, dass Sie „Ganz und gar unzufrieden“ sind, „10“ bedeutet, Sie sind „Ganz und gar zufrieden“. Mit den Zahlen von „1“ bis „9“ können Sie Ihr Urteil abstufen.“ Die Variable weist die Stufen von 0 bis 10 auf und wird für die Analyse so belassen, wie sie im Datensatz enthalten ist. Die übrigen vier abhängigen Variablen wurden jeweils dichotomisiert, d.h., dem Wert 1 zugewiesen, falls die Angabe zutrifft („ja“) und dem Wert 0, wenn die Angabe nicht zutrifft („nein“). Das „Engagement“ (d.h. formelle soziale Netzwerke), das an dieser Stelle die generelle Aktivität im öffentlichen Leben umfasst (d.h. auch die Aktivität im Fußballverein), wird im PASS in folgender Weise abgefragt: „Sind Sie in einer der folgenden Organisationen oder in einem Verein aktiv?“ Wenn berichtet wurde, in einer der angegebenen oder einer anderen Organisation aktiv zu sein, wurde die Variable als „1“ („ja“) kodiert. Weiterhin wurde die Einbindung in informelle soziale Netzwerke anhand der Verfügbarkeit enger sozialer Beziehungen operationalisiert. Die Frage dazu lautete: „Haben Sie außerhalb Ihres Haushalts wirklich enge Freunde oder Familienmitglieder, zu denen eine enge Beziehung besteht?“ 10 Auch hier wurde der Variable der Wert 1 zugewiesen, wenn die Frage bejaht wurde . Die letzten beiden Variablen dienen dazu, mehr über die sozialen Unterstützungsnetzwerke der Zielgruppen zu erfahren. Dabei geht es um die Netzwerkqualität – es wurde die über 10 Ursprünglich war angedacht die Anzahl enger Beziehungen zu berücksichtigen. Dies wurde aber aufgrund einer hohen Zahl unplausibler Angaben verworfen. 27 Eigenschaften der drei engsten Beziehungen eine Variable gebildet, die anzeigt, ob unter diesen mindestens eine Person arbeitslos gemeldet oder arbeitssuchend ist. Andererseits wurde die Variable berücksichtigt, ob der Befragte jemanden kennt, der ihm oder ihr 1.000 Euro leihen würde, wenn er oder sie Unterstützung bräuchte. Die beiden Indikatoren der Netzwerkqualität wurden im Rahmen von Zusatzmodulen lediglich bei Personen erhoben, die in Welle 3 beteiligt waren. Die Fragen wurden in Welle 5 noch einmal gestellt, allerdings auch nur an die bereits Befragten von Welle 3. Deshalb werden lediglich an ausgewählten Stellen Analysen zu diesen Fragen durchgeführt. Sowohl die beschriebenen als auch weitere Variablen, die im Rahmen der Analyse verwendet wurden, sind im Anhang (Tabelle 4 – Variablenübersicht) dargestellt. 4.3 Die Stichprobe Da eine Reihe der folgenden Analysen entlang einer Typologie prekärer Lebenslagen vorgenommen wird, erfolgt die nachfolgende Stichprobenbeschreibung neben der allgemeinen Darstellung der gesamten Untersuchungsgruppe anhand vier verschiedener Typen. In Tabelle 2 ist die Anzahl an einkommensarmen, arbeitslosen und SGB-II-leistungsabhängigen Personen der Gesamtstichprobe dargestellt, d.h. alle, die in den Wellen 1 bis 5 des PASS teilgenommen haben. Tabelle 2: Anzahl an Personen in den Untersuchungsgruppen SGB-II-Bezug Arm Nicht arm Kein SGB-II-Bezug Arbeitslos Nicht arbeitslos 10.279 (2.234) 6.441 (1.443) 2.665 (553) 3.708 (867) Arm Nicht arm Arbeitslos Nicht arbeitslos 1.061 (576) 4.364 (4,882) 1.178 (1.274) 25.546 (43.413) Eigene Darstellung. Quelle: Panel „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS), Welle 1-5; N=55.242; Arbeitslose im SGB II (rot): 23 %; „Aufstocker“ (orange): 18 %; Einkommensarme ohne SGB-II-Bezug (gelb): 10 %; Gesichertes Einkommen (grün): 49 %. Ungewichtete Ergebnisse (gewichtete Ergebnisse in Klammern, Hochrechnungsfaktoren). Unbalanciertes Panel. Die größte Untersuchungsgruppe lebt in gesicherter Einkommenssituation, d.h. nicht einkommensarm und ohne SGB-II-Bezug (49 %). Die Gruppe der Einkommensarmen ohne Leistungsbezug stellt mit 10 % der Stichprobe die kleinste Gruppe dar, ist aber mit einer Anzahl von 5.425 Personen (Summe der beiden rechten Spalten, Zeile arm) groß genug, um umfassende Analysen durchzuführen. Es handelt sich in der dargestellten Tabelle um die tatsächlichen Fallzahlen im PASS-Datensatz und nicht um ein bevölkerungsrepräsentatives Abbild. Um repräsentative Aussagen über die dargestellten Gruppen machen zu können, werden die Fälle für die folgenden Analysen gewichtet, d.h., anhand der Randverteilung der 28 Bevölkerung in Deutschland angepasst. Eine entsprechende Variable ist im PASS-Datensatz enthalten. Die Fallzahlen nach der Gewichtung sind in Tabelle 2 in Klammern dargestellt. Durch Zusammenfassung der Gruppen nach Lebenslagen lassen sich die hier interessierenden vier Gruppen „Arbeitslose im SGB II“, „Nicht arbeitslose im SGB-II-Bezug: Aufstocker“, „Einkommensarme ohne SGB-II-Bezug“ und „Gesichertes Einkommen“ bilden und anschließend nach Ihren Merkmalen betrachten (vgl. Tabellen 5 und 6 im Anhang). Um nachzuvollziehen, durch welche zentralen Charakteristika sich die vier Gruppen auszeichnen, werden diese nachfolgend beschrieben. Dies ist auch von großer Bedeutung für die Interpretation der bivariaten empirischen Ergebnisse im Querschnitt (Welle 5). 4.3.1 Gruppe 1: Arbeitslose im SGB-II-Bezug Bei dieser Gruppe handelt es sich mit 46 % überwiegend um Ein-Personen-Haushalte, 24 % sind Paar-Haushalte mit Kindern und nur 11 % Paar-Haushalte ohne Kinder. Bei 13 % handelt es sich um Ein-Eltern-Haushalte, zusätzliche 2 % leben als Kinder in EinEltern-Haushalten. Die Gruppe zeichnet sich per Definition durch Arbeitslosigkeit und SGB-II-Bezug aus: 86 % sind bereits länger als ein Jahr arbeitslos und 83 % beziehen seit über einem Jahr SGB-II-Leistungen. Weiterhin zeichnet sich die Gruppe mehrheitlich durch einen eher niedrigen Bildungsstatus aus: Die Mehrheit von 62 % hat entweder keinen oder nur einen Hauptschulabschluss. Allerdings haben 6 % (Fach)Hochschulreife und weitere 6 % einen (Fach)Hochschulabschluss. Das zeigt, dass diese Lebenslage zwar überwiegend Menschen mit prekären Bildungsbiografien betrifft, hohe Bildung allerdings auch nicht gänzlich davor schützt, in dieser Lebenslage zu sein. 45 % der Personen in dieser Gruppe ist weiblich. Das Durchschnittseinkommen der Gruppe beträgt ca. 650 Euro im Monat und liegt damit zum Beispiel mehr als 60 Euro über dem der Einkommensarmen ohne SGB-II-Bezug („Gruppe 3“). Bei den unter 25-Jährigen dieser Gruppe handelt es sich mit 34 % ebenfalls hauptsächlich um Ein-Personen-Haushalte. 25 % sind Paar-Haushalte mit Kindern und 15 % leben noch im Elternhaushalt, 7 % als Kinder im Ein-Eltern-Haushalt. 13 % befinden sich in der Rolle des Elternteils in einem Ein-Eltern-Haushalt. Wenngleich etwas weniger als in Gruppe 1 insgesamt, sind immerhin 79 % bereits seit über einem Jahr arbeitslos und 73 % beziehen schon mehr als ein Jahr SGB-II-Leistungen. Mit 71 % ohne Abschluss oder nur mit Hauptschulabschluss ist die durchschnittliche Bildung bei den unter 25-Jährigen geringer als bei den über 25-Jährigen. Auch hat ein geringerer Anteil ein (Fach)Hochschulreife oder gar einen (Fach)Hochschulabschluss (zusammen 6 %), wobei die Ausbildung bei einem gewissen Anteil dieser Gruppe als noch nicht abgeschlossen interpretiert werden kann. 52 % sind Frauen. 29 4.3.2 Gruppe 2: Nicht Arbeitslose im SGB-II-Bezug: „Aufstocker“ In dieser Studie wird die Bezeichnung nicht nur für Personen verwendet, die im klassischen Sinn „Aufstocker“ (also erwerbstätige ALG-II-Bezieher/innen) sind, sondern für alle, die nicht arbeitslos gemeldet sind und SGB-II-Leistungen erhalten. Neben den klassischen „Aufstockern“ (25 % selbständig oder erwerbstätig, 32 % im Mini-Job) werden in der vorliegenden Arbeit auch Menschen in Maßnahmen des Job-Centers (8 % im Ein-Euro-Job), in Aus- und Weiterbildung (15 %) sowie Hausfrauen/männer (13 %) und Menschen in Mutterschutz/Erziehungsurlaub oder Elternzeit (7 %) hinzugezählt. Aufgrund der verfügbaren Informationen bleibt unklar, inwiefern es sich bei den angegebenen Weiterbildungen ebenfalls um Maßnahmen des Job-Centers handelt. 36 % dieser Gruppe sind überwiegend Paar-Haushalte mit Kindern, 26 % sind Ein-PersonenHaushalte. Ein-Eltern-Haushalte kommen in dieser Gruppe mit 15 % vergleichsweise häufig vor, wobei der Anteil ähnlich hoch ist wie bei den Arbeitslosen im SGB II (d.h. Gruppe 1). Das durchschnittliche Bildungsniveau ist etwas höher als in der vorher beschrieben Gruppe, allerdings haben mit 56 % auch hier mehr als die Hälfte entweder keinen oder einen Hauptschulabschluss. 59 % der Personen sind dauerhaft im SGB-IIBezug. Im Vergleich zu den anderen Gruppen befinden sich besonders viele Frauen in dieser Gruppe (59 %). In der Gruppe 2 ist das Einkommen mit ca. 736 Euro höher als bei den Arbeitslosen im SGB II (d.h. Gruppe 1) sowie den Einkommensarmen ohne SGB-II-Bezug (d.h. Gruppe 3). Bei den unter 25-Jährigen der Gruppe 2 bestehen einige Unterschiede zur Gesamtgruppe. So zeichnet sie sich insgesamt durch eine größere Heterogenität aus. Mit 29 % sind es meistens Paar-Haushalte mit Kindern, 20 % leben in Ein-PersonenHaushalten. Auffällig ist der relativ hohe Anteil von 20 % an Kindern in Ein-ElternHaushalten, 6 % sind Eltern in einem Ein-Eltern-Haushalt. Zusammengenommen finden sich also recht häufig Ein-Eltern-Haushalte, wobei bei den unter 25-Jährigen häufiger die Rolle des Kindes und bei über 25-Jährigen die Elternrolle eingenommen wird. Ebenfalls bestehen Unterschiede im Erwerbsstatus. So befinden sich bei den unter 25Jährigen die Meisten in Aus- oder Weiterbildung (45 %), mit nur 10 % sind weniger als die Hälfte selbständig oder erwerbstätig, 15 % haben einen Mini-Job und 6 % einen Ein-Euro-Job. Das Bildungsniveau ist allerdings ähnlich wie in der Gesamtgruppe. Ebenfalls besteht diese Gruppe zu einem höheren Anteil aus Frauen als aus Männern (57 % vs. 43 %). 4.3.3 30 Gruppe 3: Einkommensarme ohne SGB-II-Bezug Eine zentrale Besonderheit der Gruppe 3 ist der vergleichsweise hohe Anteil von Personen in Aus- oder Weiterbildung (28 %) und in Erwerbstätigkeit bzw. Selbständigkeit (39 %). Auch haben sie zu 23 % die (Fach)Hochschulreife erworben. 9 % haben einen (Fach)Hochschulabschluss. Bei dieser Gruppe handelt es sich demnach zu einem nicht zu vernachlässigenden Anteil um Menschen, deren Armutssituation eher von kurzfristiger Natur ist und nicht ohne Weiteres als verfestigte Armutslage interpretiert werden kann. Nur 9 % sind in dieser Gruppe arbeitslos, und nur 2 % dauerhaft arbeitslos (d.h. länger als 23 Monate in Arbeitslosigkeit). Es handelt sich überwiegend um Paar-Haushalte mit Kindern (36 %). 16 % sind Paar-Haushalte ohne Kinder und 28 % Ein-Personen-Haushalte. Frauen sind mit 52 % in dieser Gruppe etwa gleich häufig vertreten wie Männer. Das Durchschnittseinkommen der Armen ohne Leistungsbezug ist mit 586,33 Euro im Vergleich zu den Gruppen 1, 2 und 4 am geringsten. 4.3.4 Auch bestehen gravierende Unterschiede zwischen den unter und über 25-Jährigen. Bei den unter 25-Jährigen handelt es sich vor allem um Studierende: 72 % sind in Ausoder Weiterbildung, 45 % haben die (Fach)Hochschulreife erworben und 47 % leben in Ein-Personen-Haushalten. Gruppe 4: Gesichertes Einkommen Gruppe 4 ist definiert durch fehlenden Leistungsbezug nach dem SGB II und einem Einkommen oberhalb der Armutsgrenze. Entsprechend sind 74 % erwerbstätig oder selbständig, die restlichen 26 % teilen sich auf Mini-Jobs, Aus- und Weiterbildung und Hausfrauen/männer auf. 1 % dieser Gruppe ist seit weniger als 12 Monaten arbeitslos und bezieht daher wahrscheinlich Leistungen nach dem SGB III. Mit 44 % handelt es sich überwiegend um Paar-Haushalte mit Kindern, 29 % bilden Paar-Haushalte ohne Kinder und 15 % leben in einem Ein-Personen-Haushalt. Die durchschnittliche Bildung ist in dieser Gruppe hoch. 22 % haben einen (Fach)Hochschulabschluss, 14 % die (Fach)Hochschulreife. 33 % haben keinen oder nur einen Hauptschulabschluss erworben, wobei der Anteil von 2 % ohne Abschluss deutlich geringer ist als in den Gruppen in „prekären Lebenslagen“. Mit 49 % Frauen sind die Geschlechter auch hier relativ gleich verteilt. Das Durchschnittseinkommen liegt mit 1.737,23 Euro deutlich über dem der Gruppen 1, 2 und 3. Die unter 25-Jährigen in dieser Gruppe leben auffällig häufig als Kinder in PaarHaushalten (47 %). Weiterhin befinden sie sich häufig noch in Aus- oder Weiterbildung (51 %) oder sind bereits erwerbstätig oder selbständig (38 %). Das Bildungsniveau ist auch in dieser Gruppe recht hoch: 33 % haben die (Fach-)Hochschulreife und 4 % bereits einen (Fach-)Hochschulabschluss erworben. Das Einkommen liegt weniger überraschend mit durchschnittlich 1.448,50 Euro unter dem der Gesamtgruppe. 31 5 5.1 Soziale Teilhabe von Menschen in prekären Lebenslagen – Ergebnisse der Deskriptionen Materielle Situation in prekären Lebenslagen Wie unterscheiden sich die Gruppen in ihrer materiellen Situation? Abbildung 5 zeigt die Entwicklung der Armutsschwelle (60 % des Medianeinkommens) im Verhältnis zu dem durchschnittlichen äquivalenzgewichteten Haushaltsnettoeinkommen der drei Untersuchungsgruppen, die von prekären Lebenslagen betroffen sind. Der monatliche Betrag der aus den PASS-Daten berechneten Armutsschwelle steigt im Untersuchungszeitraum von 727 Euro auf 833 Euro und bewegt sich in etwa auf dem Niveau der Armutsschwelle auf Basis des Mikrozensus (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2013: 461). Alle drei dargestellten Gruppen in prekären Lebenslagen haben im Durchschnitt ein Einkommen unterhalb der Armutsschwelle, am niedrigsten sind die Einkommen der armen Personen ohne Leistungsbezug (d.h. Gruppe 3). Zum Vergleich: Personen in gesicherten Einkommensverhältnissen haben im Durchschnitt über alle Jahre ein Haushaltsnettoäquivalenzeinkommen von 1.731 Euro. Abbildung 5: Entwicklung der Armutsschwelle und der Haushaltsnettoäquivalenzeinkommen in prekären Lebenslagen 900 850 800 750 700 650 600 550 500 2007 2008 Armutsschwelle Aufstocker 2009 2010 2011 Arbeitslose im SGB II Einkommensarm ohne Leistungsbezug Quelle: Daten des Panels „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS). Welle 1-5. Gewichtete Ergebnisse, N=55.242. Weiteren Aufschluss über die materielle Lebenssituation der Befragten gibt der so genannte Deprivationsindex (siehe nachfolgender Kasten). 32 Deprivationsindex: Im PASS geben die Befragten an, ob ihr Haushalt über bestimmte Ressourcen, Einrichtungen oder Möglichkeiten verfügt und wenn dies nicht der Fall ist, ob sie aus finanziellen Gründen auf diese Dinge verzichten müssen. Die entsprechenden Fragen beziehen sich auf die Wohnsituation (z.B. „Haben Sie eine Wohnung, die mindestens so viele Zimmer hat, wie dort Personen wohnen?“), oder Gebrauchsgegenstände (z.B. „Haben Sie ausreichend Winterkleidung (für jedes Haushaltsmitglied)?“), aber auch verschiedene Aktivitäten (z.B. „Mindestens einmal im Monat Freunde zum Essen nach Hause einladen?“). Insgesamt werden für den in dieser Studie verwendeten Index 23 Items des PASS herangezogen. Bevor die Anzahl der aus finanziellen Gründen fehlenden Merkmale zu einem Index der materiellen Deprivation addiert werden, werden sie zudem danach gewichtet, wie viele Befragte diese Merkmale als notwendig erachten (zur Berechnung des Index im PASS vgl. Berg et al. 2012 und zur grundlegenden Methodik der Deprivationsmessung vgl. Andreß/Lipsmeier 1995; Lipsmeier 1999). Abbildung 6 stellt das durchschnittliche Maß an materieller Deprivation für die vier Untersuchungsgruppen dar. Die Zahlen lassen sich dabei als Anzahl der von allen Befragten als essentiell erachteten Items interpretieren, die einem Befragten aufgrund von finanziellen Restriktionen fehlen. Abbildung 6: Entwicklung der materiellen Deprivation in prekären Lebenslagen 2.5 2 1.5 1 .5 0 2007 2008 2009 Arbeitslose im SGB II Einkommensarm o. Leistungsbezug 2010 2011 Aufstocker Gesicherte Einkommenssituation Quelle: Daten des Panels „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS). Welle 1-5. Gewichtete Ergebnisse, N=55.242. Während Personen in gesicherten Einkommensverhältnissen kaum von Deprivation betroffen sind, zeigen sich erhebliche Einschränkungen in der materiellen Lebenssituation von 33 SGB-II-Bezieher/innen. Auffällig sind die geringeren Werte für Arme ohne Leistungsbezug. Sie sind zwar wesentlich stärker materiell depriviert als Personen in gesicherten Einkommensverhältnissen, aber nicht so stark, wie man auf Basis ihres sehr geringen Einkommens erwarten könnte (vgl. Abbildung 5). Dies kann möglicherweise dadurch erklärt werden, dass diese Personen auf Ressourcen zurückgreifen können, die nicht durch die Frage nach dem Einkommen abgeklärt werden oder die aufgrund ihrer Lebenssituation einen geringeren Bedarf haben als Haushalte im SGB-II-Bezug. In der Gruppe 3 – Einkommensarme ohne Leistungsbezug – finden sich beispielsweise besonders viele Personen in Ausbildung und Selbstständige, die eventuell ein unregelmäßiges Einkommen haben, welches durch Befragungen wie das PASS schwerer zu erfassen sind. 5.2 Dauer von Leistungsbezug, Arbeitslosigkeit und soziale Teilhabe Tabelle 3 zeigt, wie viele Monate die Arbeitslosigkeit bzw. der SGB-II-Bezug von Personen, die im Jahr 2011 arbeitslos oder im Leistungsbezug waren, bereits andauert. Mehr als ein Drittel der Personen in Arbeitslosigkeit waren zu diesem Zeitpunkt höchsten ein Jahr lang in dieser Situation, jeweils über 10 % waren zwischen einem und zwei Jahren bzw. zwei und drei Jahren arbeitslos. Auffällig ist, dass mehr als ein Fünftel der Arbeitslosen bereits länger als sechs Jahre von Arbeitslosigkeit betroffen ist. Tabelle 3: Durchschnittliche Dauer von Arbeitslosigkeit und SGB-II-Bezug in % Dauer (in Monaten) Arbeitslosigkeit SGB-II-Bezug 1-12 35,40 18,27 13-24 11,25 14,28 25-36 13,75 16,51 37-48 7,18 7,55 49-60 2,65 9,09 61-72 6,79 7,26 mehr als 72 22,97 27,03 N 2.736 4.423 Quelle: Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS). Welle 5. Gewichtete Ergebnisse. Eigene Berechnung. Bei den SGB-II-Bezieher/innen ist der Anteil der Kurzzeitbezieher/innen deutlich geringer, dagegen befinden sich auch über ein Viertel der Befragten sehr lange im Leistungsbezug (länger als sechs Jahre). Während der Anteil von dauerhaft Betroffenen also für beide Gruppen keineswegs zu vernachlässigen ist, verbleiben SGB-II-Bezieher/innen häufiger sehr lan11 ge in dieser Lebenslage. Wie unterscheidet sich das subjektive Teilhabeempfinden für Personen, die unterschiedlich lang in prekären Lebenslagen verweilen? Dazu geben Abbildung 7 und 8 Antwort: Hier sind 11 Dabei ist zu beachten, dass es sich nicht um abgeschlossene Episoden handelt und dass bei der Betrachtung von Verweildauern zu einem Stichtag (wie hier der Interviewtermin) lange Verweildauern immer überrepräsentiert sind. 34 die Durchschnittswerte für die subjektive Teilhabe nach der Dauer der Arbeitslosigkeit bzw. des SGB-II-Bezugs dargestellt. Abbildung 7: Dauer der Arbeitslosigkeit und subjektives Teilhabeempfinden 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 0 1-12 13-24 25-36 37-48 49-60 61-72 mehr als 72 Dauer der Arbeitlosigkeit in Monaten Quelle: Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS). Welle 5. N=2.722. Gewichtete Ergebnisse. Eigene Berechnung. Abbildung 8: Dauer des SGB-II-Bezugs und subjektives Teilhabeempfinden 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 0 1-12 13-24 25-36 37-48 49-60 61-72 mehr als 72 Dauer des Leistungsbezug in Monaten Quelle: Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS). Welle 5. N=4.405. Gewichtete Ergebnisse. Eigene Berechnung. 35 Personen mit unterschiedlich lang andauernden prekären Lebenslagen unterscheiden sich durchaus in ihrem subjektiven Empfinden zur Gesellschaft dazuzugehören: Der Unterschied zwischen Personen, die erst seit kurzem von Arbeitslosigkeit betroffen sind, und denen, die seit längerer Zeit arbeitslos sind, beträgt zwischen einem halben und einem Punkt auf der Skala der subjektiven Teilhabe (vgl. Abbildung 7). Ähnlich, aber etwas weniger deutlich, unterscheiden sich die Werte für unterschiedliche Verweildauern im SGB II (vgl. Abbildung 8). Es gilt aber jeweils, dass der Unterschied zu Personen, die nicht betroffen sind, deutlich schwerer wiegt als zwischen Betroffenen mit unterschiedlichen Verweildauern. 36 6 Typische Verläufe im SGB-II-Bezug – Ergebnisse der Sequenzanalyse Nachfolgende gilt es die Frage zu klären, welche typischen Verläufe für SGB-IIBezieher/innen über den Untersuchungszeitraum 2006-2011 festgestellt werden können: Gibt es typische Aufstiegsverläufe, oder pendeln Personen zwischen verschiedenen Formen prekärer Lebenslagen? Und unterscheiden sich Gruppen mit unterschiedlichen Verlaufsmustern in ihren Eigenschaften? Für die Bearbeitung solcher Fragestellungen steht mit der Methode der Sequenzmusteranalyse ein leistungsfähiger Werkzeugkasten zur Verfügung. Dabei werden folgende Schritte durchgeführt: 1. Allgemeine Darstellung der Verläufe von SGB-II-Bezieher/innen unter Berücksichtigung der vier Zustände „Arbeitslosigkeit und SGB-II-Bezug“, „Aufstocken“, „Armut ohne SGB-II-Bezug“ und „gesicherte Einkommensposition“. 2. Identifizierung von Gruppen ähnlicher Verlaufsmuster und ihre Darstellung. 3. Charakterisierung dieser Gruppen anhand von soziodemographischen Variablen. Für diese Analyse werden nur die Daten von Befragten des PASS verwendet, die alle fünf Jahre an der Befragung teilgenommen haben und zu der BA-Stichprobe gehören, d.h. alle Personen lebten im Juli 2006 in ALG-II-Bedarfsgemeinschaften. Es handelt sich dabei um 1.324 Personen. 6.1 Darstellung der Verläufe Abbildung 9 zeigt die 15 häufigsten individuellen Verläufe der PASS-Befragten. Die Breite der Streifen zeigt die Häufigkeit eines spezifischen Verlaufs. Mit 13,4 % ist der häufigste Verlauf unter den Befragten in dieser Analyse der durchgängige SGB-II-Bezug bei gleichzeitiger Arbeitslosigkeit, gefolgt von dem durchgängigen Verbleib in gesicherter Einkommensposition (5,9 %) und dem durchgängigen Status als „Aufstocker“ (5,4 %). Darauf folgen Verläufe, die entweder einen relativ dauerhaften Ausstieg aus dem Leistungsbezug oder eine oder mehrere Wechsel zwischen Arbeitslosigkeit und nicht Arbeitslosigkeit innerhalb des SGB II, zeigen. Insgesamt machen die 15 dargestellten Sequenzen jedoch weniger als die Hälfte aller möglichen Verlaufsmuster aus. Dies verdeutlicht die Komplexität der Verläufe und die Notwendigkeit, die verschiedenen Verläufe zu ähnlichen Typen zusammenzufassen. 37 Die 15 häufigsten Verläufe Abbildung 9: Die 15 häufigsten Verläufe Cum. % freq. (n=1324) 46% 0% Welle 1 Welle 2 Arbeitslose SGB-II-Empfänger Aufstocker Welle 3 Welle 4 Welle 5 Einkommensarm ohne Leistungbezug Gesicherte Einkommenssituation Quelle: Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS). Eigene Berechnung. N=1324. Abbildung 10 zeigt die Verteilung der Personen auf die verschiedenen Zustände und ihre Veränderung über die Zeit. Da nur Personen betrachtet werden, die sich im Juli 2006 im SGB-II-Bezug befanden, dominieren zu Beginn des Beobachtungszeitraums die Zustände „Arbeitslose im SGB II“ und „Aufstocker“. Dass der Zustand der gesicherten Einkommenssituation im Zeitverlauf wichtiger wird, zeigt, dass einige Personen den Ausstieg aus dem SGB II zumindest vorübergehend schaffen. Jedoch sind auch in Welle 5 mehr als 50 % der Personen im SGB-II-Bezug. Der Status „Einkommensarm ohne Leistungsbezug“ ist für dieses Sample dagegen offenbar von geringerer Bedeutung. 38 Verteilung derVerteilung Zustände der Zustände 0.6 0.4 0.0 0.2 Freq. (n=1324) 0.8 1.0 Abbildung 10: Welle 1 Welle 2 Welle 3 Arbeitslose SGB-II-Empfänger Aufstocker Welle 4 Welle 5 Einkommensarm ohne Leistungbezug Gesicherte Einkommenssituation Quelle: Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS). Eigene Berechnung. N=1.324. 6.2 Gruppen ähnlicher Verlaufstypen 12 Um typische Verlaufsmuster zu unterscheiden, wurde eine Clusteranalyse durchgeführt. Dabei werden ähnliche Verläufe anhand eines statistischen Verfahrens identifiziert und zu sogenannten Clustern zusammengefasst. Das zentrale Kriterium für eine stabile Clusterlösung ist, dass die Verläufe innerhalb eines Clusters ähnlicher sind als Verläufe zwischen den Clustern. Aufgrund theoretischer Plausibilität und empirischer Kennzahlen wurde in dieser Studie eine Lösung mit drei Clustern gewählt. 12 Dabei wurde die Methode des Optimal Matching verwendet um die Distanzmatrix zu bestimmen. Die Substitutionskosten zwischen den verschiedenen Zuständen wurden aus den Übergangsquoten zwischen den verschiedenen Zuständen berechnet. Auf dieser Basis wurde eine hierarchische Clusteranalyse mit der Ward-Methode durchgeführt (vgl. Scherer/ Brüderl 2010). Die Ergebnisse in diesem Abschnitt sind ungewichtet. 39 Abbildung 11: Verlaufstypen Welle 1 Welle 3 Welle 5 1 59 136 223 310 397 Verläufe - Arbeitslose 474 seq. (n=474), sorted 1 59 136 223 310 397 474 seq. (n=474), sorted Verläufe - Aufsteiger Welle 1 Welle 3 Welle 5 1 47 108 177 246 315 376 seq. (n=376), sorted Verläufe - Aufstocker Arbeitslose SGB-II-Empfänger Aufstocker Einkommensarm ohne Leistungbezug Gesicherte Einkommenssituation Welle 1 Welle 3 Welle 5 Quelle: Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS). Eigene Berechnung. N=1.324. Lesehilfe: Bei Aufsteigern (Cluster 1) dominiert im Zeitverlauf der Zustand „Gesicherte Einkommensposition“ (gelb), Bei den Arbeitslosen (Cluster 2) der Zustand „Arbeitslos im SGB II“(grün) und bei den Aufstockern (Cluster 3) der Zustand „Aufstocker“ (lila). Abbildung 11 lässt erkennen, dass die Typen jeweils durch einen der drei Zustände „Arbeitslos im SGB II“, „Aufstocken“ oder „Gesicherte Einkommenssituation“ dominiert werden. Dies deutet auf eine relativ hohe Stabilität der verschiedenen Zustände hin. Cluster 1 umfasst vor allem Personen, die den Ausstieg aus dem SGB II dauerhaft geschafft haben, auch wenn in den späteren Wellen noch Wechsel in einen der anderen Zustände vorkommen. In Cluster 2 und 3 finden sich dagegen neben den stabilen Verläufen vor allem Pendler/innen zwischen Arbeit und Arbeitslosigkeit, ohne dass sie jedoch den Leistungsbezug dauerhaft verlassen. Bei der Gruppe von Verläufen die durch den Zustand „Aufstocken“ dominiert werden (Cluster 3) scheint dabei mehr Fluktuation zu herrschen als bei den arbeitslosen SGB-IIBezieher/innen. Während Cluster 1 und 2 jeweils etwa 474 Verläufe umfassen, werden dem dritten Cluster 376 der beobachteten Sequenzen zugeordnet. 40 6.3 Soziodemografische Eigenschaften der Verlaufstypen Die Abbildungen 12, 13 und 14 zeigen die Zusammensetzung der Personen in den drei genannten Verlaufstypen „Aufsteiger“, „Arbeitslose“ und „Aufstocker“ nach verschiedenen Merkmalen. Es wird damit die Frage beantwortet, ob bestimmte Eigenschaften von Personen die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, dauerhaft in prekären Lebenslagen (z.B. „Arbeitslos im SGB-II-Bezug“) zu verharren oder es einfacher machen aus dem SGB-II-Bezug in eine gesicherte Einkommenssituation auszusteigen („Aufsteiger“). Es werden jeweils die Merkmale der Personen in der ersten Welle des PASS betrachtet (2006). Abbildung 12: Zusammensetzung der drei Cluster nach sozialstrukturellen Merkmalen in % .8 Anteil .6 .4 Weiblich U-25 Migrationshintergrund Guter Gesundheitszustand mind. drei Kinder .2 0 Aufsteiger Arbeitslose Aufstocker Quelle: Panel „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS). Eigene Berechnungen. N=1278. 41 Abbildung 13: Zusammensetzung der drei Cluster nach Bildungsabschlüssen in % .4 Anteil .3 .2 kein Abschluss Hauptschulabschluss Realschulabschluss (Fach)Hochschulreife (Fach)Hochschulabschluss .1 0 Aufsteiger Arbeitslose Aufstocker Quelle: Panel „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS). Eigene Berechnungen. N=1321. Abbildung 14: Zusammensetzung der drei Cluster nach Haushaltstypen in % .4 Anteil .3 .2 Ein-Personen-HH Paar ohne Kinder Ein-Eltern-HH Paar mit Kindern Sonstiger HH-Typ .1 0 Aufsteiger Arbeitslose Aufstocker Quelle: Panel „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS). Eigene Berechnungen. N=1314. 42 Anhand Abbildungen 12 bis 14 zeigt sich Folgendes: Die Gruppe der „Aufsteiger“ ist im Durchschnitt besser ausgebildet ist, als die anderen beiden Cluster: Personen ohne Abschluss oder mit Hauptschulabschluss sind hier seltener, die höheren Abschlüsse dagegen häufiger. Für die Gruppe, deren Verläufe durch Arbeitslosigkeit und SGB-II-Bezug dominiert wurden („Arbeitslose“, Cluster 2), ist zu erkennen, dass hier Personen ohne Schulabschluss und mit gesundheitlichen Problemen häufiger sind. Dagegen sind hier seltener junge Menschen unter 25 Jahren vertreten. Diese Gruppe besteht zudem zu einem größeren Teil aus Single-Haushalten. Haushalte mit Kindern sind dagegen häufiger in den Typen „Aufstocker“ und „Aufsteiger“ zu finden, wobei Ein-Eltern-Haushalte mit der höchsten Häufigkeit im Typus „Aufstocker“ vorkommen und Paare mit Kindern in der Gruppe der „Aufsteiger“. Der zweite Cluster („Arbeitslose“) umfasst somit überdurchschnittlich viele Personen, die aufgrund fehlender Qualifikationen oder gesundheitlicher Schwierigkeit dauerhaft Probleme haben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Dies gelingt den Personen im ersten Cluster („Aufsteiger“) besser: Sie haben im Durchschnitt einen besseren Ausbildungsabschluss und befinden sich eher in Haushalten mit einem Partner, der eventuelle Probleme durch ein weiteres Einkommen ausgleichen kann. In Cluster 3 („Aufstocker“) sind dagegen überdurchschnittlich viele Personen mit vielen Kindern und Alleinerziehende. Diese Haushalte erreichen auch bei Erwerbstätigkeit häufig kein Einkommensniveau, welches über dem Mindestsicherungsniveau liegt. 43 7 7.1 Unterschiede sozialer Teilhabe nach prekären Lebenslagen – Bivariate Ergebnisse Bivariate Ergebnisse im Querschnitt Die folgenden Ergebnisse zeigen eine Momentaufnahme der Situation von Menschen in prekären Lebenslagen im Jahr 2011 (Welle 5). Die Analysen wurden dabei jeweils für „alle“ sowie getrennt für über und unter 25-Jährige vorgenommen, um altersspezifische Unterschiede 13 zu identifizieren . Anhand der bivariaten Ergebnisse im Querschnitt lässt sich die Frage beantworten, wie sich Personengruppen, die unterschiedlich von prekären Lebenslagen betroffen sind, in ihrer sozialen Teilhabe unterscheiden. 7.1.1 Unterschiede sozialer Teilhabe nach prekären Lebenslagen Subjektives Teilhabeempfinden Abbildung 15 zeigt, wie viel Prozent der Menschen sich in Abhängigkeit ihrer Lebenslage aus 14 der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen . In den Grafiken sind jeweils die Anteile der Personen in den vier Untersuchungsgruppen „Arbeitslose im SGB-II-Bezug“, „Nicht Arbeitslose im SGB-II-Bezug („Aufstocker“)“, „Einkommensarme ohne SGB-II-Bezug“ und „Personen in gesicherter Einkommenssituation“ (vgl. Kapitel 4.3) dargestellt, die dies in der Befragung im 15 Jahr 2011 abgegeben haben . Zentrale Erkenntnisse sind folgende: Mit 51 % ca. fühlt sich ca. die Hälfte der arbeitslosen Menschen im SGB-II-Bezug nicht zu der Gesellschaft dazugehörig. Nicht Arbeitslose im SGB-II-Bezug („Aufstocker“) fühlen sich zu 31 % ausgeschlossen. Zur Erinnerung: In dieser Gruppe befinden sich nicht nur erwerbstätige Menschen im Leistungsbezug, sondern zum Beispiel auch Hausfrauen/männer, Menschen in Ausund Weiterbildung sowie in Maßnahmen (z.B. AGH). Arme ohne Leistungsbezug fühlen sich mit ca. 21 % deutlicher seltener ausgeschlossen als die Gruppe der Arbeitslosen im SGB-II-Bezug. Dieses Ergebnis mag überraschen, da dieser Gruppe durchschnittlich das geringste Einkommen aller Untersuchungsgruppen zur Verfügung steht. Zu beachten ist dabei, dass die Menschen in dieser Gruppe im Durchschnitt ein höheres Bildungsniveau haben und sich zu großen Teilen in Aus- oder Weiterbildung befinden. 13 Zu den verschiedenen Analysen dieser Studie liegen jeweils eine Reihe von Ergebnistabellen vor. Aus Platzgründen sind diese im folgenden Bericht nicht aufgenommen, können aber bei Bedarf von den Autor/innen angefragt werden. 14 Dafür wurde die Teilhabe-Variable in der Mitte getrennt, so dass dieser der Wert 1 zugeordnet wurde, wenn auf der Skala ein Wert zwischen 1 und 5 angegeben wurde, und der Wert 0, wenn ein Wert zwischen 6 und 10 lag. Der Wert 1 bedeutet demnach, dass der/die Befragte sich „exkludiert“ bzw. „ausgeschlossen“ fühlt. 15 Zusätzlich sind die Konfidenzintervalle, d.h. die „Vertrauensbereiche“, abgebildet. Diese zeigen an, dass der „wahre Wert“ in 95 % aller Stichproben von diesem Bereich überdeckt wird. Zusätzlich lassen sich dadurch signifikante Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen identifizieren, wenn ein Intervall den Mittelwert der anderen Gruppe überschneiden. 44 In der Gruppe der Menschen in gesicherter Einkommenssituation, d.h. weder Einkommensarm noch in ALG-II-Leistungsbezug, ist der Anteil des Exklusionsempfindens mit 7 % erwartungsgemäß am geringsten. Bei den unter 25-Jährigen grenzt sich die Gruppe der Arbeitslosen im SGB II noch deutlicher von den anderen Gruppen ab: 56 % fühlen sich aus der Gesellschaft ausgeschlossen, d.h. ähnlich viele wie bei den Menschen über 25 Jahren. Gleichzeitig hat die Gruppe der jungen „Aufstocker“, d.h. der nicht Arbeitslosen im SGB-II-Bezug, mit einem Anteil von 16 % deutlich seltener ein Exklusionsempfinden. Die Ergebnisse der über 25-Jährigen sind mit den Ergebnissen für die Gesamtstichprobe vergleichbar. Abbildung 15: Exklusionsempfinden nach Lebenslagen Quelle: Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS). Welle 5. N=11.890. Eigene Berechnung. Lebenszufriedenheit Abbildung 16 zeigt die Verteilung der Lebenszufriedenheit für die vier Untersuchungsgruppen. Dabei fällt folgendes auf: Die Lebenszufriedenheit steigt an, je weniger prekär die Lebenslage ist. So beträgt der Mittelwert für „Arbeitslose im SGB II“ 5,22, für „Aufstocker“ 6,43, für „Einkommensarme ohne Leistungsbezug“ 7,08 und für „Menschen in gesicherten Einkommensverhältnissen“ 7,66. Arbeitslose im SGB II fühlen sich demnach nicht nur deutlich häufiger aus der Gesellschaft ausgeschlossen, sie sind auch im Durchschnitt wesentlich weniger zufrieden mit ihrem Leben. 45 Wieder bestehen bei den unter 25-Jährigen größere Abstände zwischen den Arbeitslosen im SGB II und den anderen Gruppen. Das liegt vor allem daran, dass „Aufstocker“ in dieser Gruppe zufriedener sind. Abbildung 16: Lebenszufriedenheit nach Lebenslagen Quelle: Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS). Welle 5. N=11.905. Gewichtete Ergebnisse. Eigene Berechnung. Engagement in Organisationen oder Vereinen 16 Bezüglich des formalen Engagements in Organisationen oder Vereinen des Bild: zeigt sich folgen- Während Menschen in gesicherter Einkommenssituation zu 55 % in Vereinen oder Organisationen aktiv sind, sind es lediglich 18 % der Arbeitslosen im SGB II (vgl. Abbildung 17). Auch zwischen „Aufstockern“ und von Einkommensarmut betroffene Menschen ohne ALG-II-Leistungsbezug bestehen noch beträchtliche Unterschiede (41 % vs. 22 %). Noch deutlicher sind diese Ergebnisse bei den unter 25-Jährigen. Hier sind nur 4 % der Arbeitslosen im SGB II in Organisationen oder Vereinen aktiv. Der Abstand zwischen „Aufstockern“ und Einkommensarmen ohne Leistungsbezug ist mit 16 % zu 47 % noch größer. Mit dem ALG-II-Bezug erfolgt demnach zugleich ein Rückzug aus dem öffentlichen Leben. Ein detaillierteres Bild über vorhandene Prozesse des Rückzugs kann 16 Nur institutionelles Engagement ist hier gemeint, d.h.: aktiv in Gewerkschaft, Partei, Kirchengemeinde, Verein, andere Organisation. 46 aber erst durch eine multivariate längsschnittliche Betrachtung gezeichnet werden (vgl. Kapitel 8.2). Abbildung 17: Engagement in Organisationen oder Vereinen nach Lebenslage Quelle: Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS). Welle 5. N= 11914. Gewichtete Ergebnisse. Eigene Berechnung. Vorhandensein enger Freunde oder Familienmitglieder außerhalb des Haushalts Neben der Präsenz von Menschen in prekären Lebenslagen im öffentlichen Leben, ist die Einbindung in enge Netzwerke von großer Relevanz für ihre gesellschaftliche Teilhabe. Analog zu den Ergebnissen vorliegenden Forschungsarbeiten (vgl. Kapitel 2.3) belegt auch diese Studie, dass hinsichtlich des engen Beziehungsnetzwerkes keine grundlegenden Unterschiede zwischen den Lebenslagen bestehen. Allerdings wurde hier aufgrund einer hohen Anzahl unrealistischer Angaben zu der Anzahl enger Beziehungen im PASS lediglich die Information genutzt, ob überhaupt solche Netzwerke bestehen. Von einer vollkommenen sozialen Isolation kann bei keiner der betrachteten Gruppen die Rede sein. Allerdings haben immerhin ca. 15 % der arbeitslosen Menschen im Leistungsbezug keine engen Beziehungen außerhalb des Haushaltes (vgl. Abbildung 18). Die Ergebnisse zwischen über und unter 25-Jährigen unterscheiden sich vor allem in Bezug auf die Gruppe der von Einkommensarmut betroffenen Personen ohne Leistungsbezug, mit einem Anteil von 99 % mit engen Beziehungen bei den unter 25Jährigen und von 89 % bei den über 25-Jährigen. Der Unterschied zwischen den Ein- 47 kommensarmen ohne SGB-II-Leistungen und denjenigen in gesicherten Einkommensverhältnissen ist bei dieser Gruppe nicht statistisch signifikant. Abbildung 18: Vorhandensein mindestens eines engen Freundes oder Familienmitgliedes außerhalb des Haushaltes nach Lebenslagen Quelle: Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS). Welle 5. N= 11909. Gewichtete Ergebnisse. Eigene Berechnung. Arbeitslose unter den drei engsten Beziehungen außerhalb des Haushalts Bei Betrachtung der Teilstichprobe derjenigen, die sowohl in Welle 3 (2009) als auch in Welle 5 (2011) nach den Netzwerkeigenschaften befragt wurden, ist besonders die Frage nach der Netzwerkqualität interessant. Vor dem Hintergrund sozialer Vergleichsprozesse kann die individuelle Einbindung in ebenfalls benachteiligte Netzwerke durchaus positiv auf das subjektive Wohlbefinden wirken, anderseits können Freunde oder Bekannte mit sozialen Kontakten auf dem Arbeitsmarkt auch die eigenen Arbeitsmarktchancen erhöhen. Anhand Abbildung 19 können folgende Ergebnisse festgehalten werden: Arbeitslose im SGB II haben mit 45 % deutlich häufiger mindestens einen Arbeitslosen unter ihren drei engsten Beziehungen als die anderen Gruppen. Aber auch „Aufstocker“ haben zu einem Drittel Arbeitslose in ihrem engen Beziehungsnetzwerk. Die Netzwerkstruktur zwischen Einkommensarmen ohne SGB-II-Bezug und Menschen in gesicherter Einkommenssituation ist vergleichbar. In beiden Gruppen haben unter 15 % mind. eine/n Arbeitslose/n in ihrem engsten Beziehungsnetzwerk. Hier ist das Bild bei den unter 25-Jährigen anders: 94 % der Arbeitslosen im SGB II geben an, dass mindestens einer der drei engsten Beziehungen arbeitslos ist. Die an- 48 deren Gruppen bewegen sich zwischen 14 % (gesicherte Einkommenssituation) und 19 % (Arme ohne Leistungen), d.h. vergleichbar mit den Anteilen in der Gesamtstichprobe. Der gleichzeitige Bezug von SGB-II-Leistungen und Arbeitslosigkeit führt demnach besonders bei jungen Menschen zu deutlichen Ausgrenzungstendenzen. Es findet insgesamt häufiger eine Homogenisierung ihrer Netzwerke statt. Allerdings befinden sich unter den engsten Freunden meistens auch Freunde, die nicht arbeitslos sind. So haben lediglich 7,4 % der unter 25-Jährigen arbeitslosen im Leistungsbezug ausschließlich Arbeitslose in ihrem engsten Freundeskreis (über 25-Jährige: 6 %). Abbildung 19: Arbeitslosigkeit von mindestens einem der drei engsten Beziehungen nach Lebenslagen Quelle: Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS). Welle 5. N= 5696. Gewichtete Ergebnisse. Eigene Berechnung. Unterstützungsressourcen: Möglichkeit sich 1.000 Euro zu leihen Ebenfalls gravierende Unterschiede finden sich je nach Lebenslage in Bezug auf relevante Unterstützungsressourcen (vgl. Abbildung 20). Im PASS wurden unterschiedliche Arten der Unterstützungsressourcen abgefragt. Da die meisten Merkmale in allen Gruppen in einem sehr hohen Ausmaß vorhanden waren, wurde in dieser Studie das Item ausgewählt, bei dem die größte Varianz in den Antworten der Befragten zu beobachten war. Dabei handelt es sich um folgende Frage: „Kennen Sie jemanden, der Ihnen 1.000 Euro leihen würde?“ Wieder zeigt sich das bekannte Bild: Arbeitslose im SGB II haben die geringsten Ressourcen zur Verfügung. Die Möglichkeit sich 1.000 Euro zu leihen steigt für die anderen betrachteten Gruppen sukzessive an (Arbeitslose im SGB II: 56 %; „Aufstocker: 62 %; Arme ohne SGB-II-Bezug: 75 %; Gesichertes Einkommen: 91 %). 49 Wieder haben Einkommensarme ohne Leistungen mehr Möglichkeiten als „Aufstocker“, sich Geld zu leihen und Menschen mit ohnehin ausreichendem Einkommen verfügen über die größten Möglichkeiten. Der sogenannte Matthäus-Effekt „Wer hat, dem wird gegeben“ bewahrheitet sich also auch in dieser Untersuchung. Erneut stechen bei den unter 25-Jährigen die Arbeitslosen im SGB-II-Bezug heraus. Während die Werte bei den anderen drei Gruppen vergleichbar mit den Ergebnissen der Gesamtstichprobe sind, kennen lediglich 19 % dieser jungen Menschen jemanden, bei dem sie sich 1.000 Euro leihen können. Sie können demnach deutlich weniger als andere auf Unterstützungsnetzwerke zurückgreifen, was nicht nur im Prozess der beruflichen Orientierung und eventuellen Ausbildungskosten problematisch sein könnte. Abbildung 20: Jemanden kennen, der 1.000 Euro leiht, nach Lebenslagen Quelle: Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS). Welle 5. N= 6048. Gewichtete Ergebnisse. Eigene Berechnung. 7.1.2 Unterschiede eines Index sozialer Teilhabe nach prekären Lebenslagen Im vorangegangenen Kapitel konnte gezeigt werden, dass prekäre Lebenslagen, je nach Indikator, jeweils in unterschiedlichem Ausmaß mit einer Einschränkung in der sozialen Teilhabe einhergehen, gleichwohl arbeitslose Menschen im SGB-II-Bezug besonders von Ausgrenzungsrisiken betroffen sind. Unterschiede zwischen über und unter 25-Jährigen wurden deutlich, jedoch vor allem im Hinblick auf besondere Ausgrenzungstendenzen der Gruppe der Arbeitslosen im SGB-II-Bezug. 50 Interessant ist nun, wie die verschiedenen Teilhabeindikatoren zusammenhängen und wie ausgeprägt die soziale Teilhabe für die verschiedenen Gruppen für die Summe aller Teilha17 beindikatoren ist. Der deutlichste Zusammenhang der verschiedenen Indikatoren besteht zwischen dem subjektiven Teilhabeempfinden und der Lebenszufriedenheit (Spearman’s Rho=0,53; p<0,001). Geringere Zusammenhänge finden sich zwischen dem Teilhabeempfinden und dem Engagement (0,22), engen Freunden (0,19), arbeitslosen Freunden (0,12) 18 und sozialen Unterstützungsmöglichkeiten, wie Geld leihen (0,25). Um ein umfassenderes Bild über das Ausmaß an Ressourcen sozialer Teilhabe zu erhalten, wurde ein Summenindex aus den vier zentralen Indikatoren sozialer Teilhabe gebildet, die in 19 allen Befragungswellen verfügbar sind. Dieser besteht aus folgenden Indikatoren: 20 Subjektives Teilhabeempfinden , Vorhandensein enger Beziehungen außerhalb des 21 Haushalts, Engagement in Organisationen oder Vereinen und Lebenszufriedenheit (Skala 0-4) Es bestehen jeweils deutliche Unterschiede in der Anzahl vorhandener Dimensionen sozialer Teilhabe zwischen den Gruppen. Dabei sind vor allem unter 25-jährige Arbeitslose im SGB II von gravierenden Einschränkungen in der sozialen Teilhabe betroffen. Bei dem genannten Summenindex haben unter 25-Jährige als Arbeitslose im SGB II mit durchschnittlich 1,95 von vier möglichen Teilhabeindikatoren Ressourcen; leben sie in gesicherter Einkommenssituation sind es 3,36 Indikatoren. Auch anhand der Häufigkeitsverteilungen wird sichtbar, dass Arbeitslose im SGB II in allen Dimensionen geringe Ressourcen sozialer Teilhabe aufweisen (vgl. Tabelle 4). Während 8 % der Arbeitslosen im SGB II in keinem der vier Indikatoren Ressourcen aufweist, betrifft das keinen Befragten in gesicherter Einkommenssituation. In der Gruppe der „Aufstocker“ und der Einkommensarmen ohne SGB-II-Bezug sind es jeweils 2 %. Das Bild dreht sich bei Betrachtung derjenigen, die in allen vier Indikatoren Ressourcen aufweisen. Hier sind es nur 5 % der Arbeitslosen im SGB II, aber 50 % der Personen mit gesichertem Einkommen. Bei den „Aufstockern“ sind es immerhin 11 %, bei den von Einkommensarmut betroffenen ohne SGB-II-Bezug 34 %. Während sich diese Ergebnisse so bei den über 25-Jährigen wiederfinden, ist die Bandbreite bei den unter 25-Jährigen größer: Nur 2 % der arbeitslosen jungen Menschen haben in allen vier Dimensionen Ressourcen, aber 52 % mit gesichertem Einkommen (in keiner Dimension Ressourcen: 14 % vs. 0 %). Bei den „Aufstockern“ liegen bei der überwiegenden Mehrheit (70 %) drei Ressourcen vor (keine: 1 %, alle 4: 8 %). Die Armen ohne SGB-II-Bezug stechen wieder durch besonders viele Ressourcen sozialer Teilha17 Auch hier basieren die Analysen auf den Daten der Welle 5 aus dem Jahr 2011. Eine Gewichtung ist bei Spearman’s Rho nicht möglich. 18 Die Zusammenhänge sind jeweils auf dem 0,1-%-Niveau signifikant. 19 Neben dem dargestellten Index wurden zwei weitere Indices mit den anderen beiden Indikatoren sozialer Teilhabe und einmal ohne die Lebenszufriedenheit gebildet. Die Ergebnisse spiegelten die hier dargestellten Zusammenhänge zwischen sozialer Teilhabe und prekären Lebenslagen wieder. 20 Zu diesem Zweck wurde die Variable „Exklusion“ umgedreht, so dass sie den Wert 1 zugewiesen bekommt, wenn auf der Skala von 0-9 ein Wert von mindestens 5 angekreuzt wurde. 21 Es wurde eine Dummy-Variable gebildet, die den Wert „1“ annimmt, wenn der Wert geringer als 7 bei einer Skala von 0-10 ist. Festgelegt wurde dieser Wert anhand des untersten Quintils (20%-Grenze) der Verteilung auf der Variable. 51 be hervor: Während in dieser Gruppe kein unter 25-Jähriger keine Ressourcen aufweist, sind es 41 % mit Ressourcen in allen vier Dimensionen. Tabelle 4: Anzahl Ressourcen sozialer Teilhabe nach Lebenslagen in % Anzahl Ressourcen Arbeitslos im SGB II “Aufstocker” Arm ohne SGB-IIBezug Gesichertes Einkommen Alle 0 8 2 2 0 1 28 16 10 2 2 29 24 18 8 3 29 47 37 40 4 5 11 34 50 n 2.450 2.013 1.208 6.190 Unter 25-Jährige 0 14 1 0 0 1 33 7 7 1 2 17 13 8 5 3 33 70 44 42 4 2 8 41 52 n 178 318 274 710 Über 25-Jährige 0 7 2 3 0 1 28 18 11 2 2 31 27 23 9 3 29 41 33 40 4 6 11 30 49 n 2.272 1.695 934 5.480 Quelle: Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS). Welle 5. Gewichtete Ergebnisse. Eigene Berechnung. 7.2 Bivariate Ergebnisse im Längsschnitt Ein Vorteil bei der Verwendung von Längsschnittdaten ist, dass man nicht nur Personen mit unterschiedlichen Eigenschaften vergleichen, sondern auch die Auswirkungen von Veränderungen in der Lebenslage von Personen auf ihre gesellschaftliche Teilhabe betrachten kann. Im folgenden Abschnitt werden jeweils zwei Jahre betrachtet und dabei zwischen Personen unterschieden, die in beiden Jahren von Arbeitslosigkeit, SGB-II-Bezug oder Einkommensarmut betroffen waren (Durchgängiger Bezug), die nur im zweiten Jahr betroffen waren, jedoch nicht im ersten Jahr (Einstiege in prekäre Lebenslagen), 52 die nur im ersten Jahr betroffen waren, jedoch nicht im zweiten Jahr (Ausstiege aus prekären Lebenslagen), die in beiden Jahren nicht betroffen waren. Für diese vier Gruppen wurde jeweils die Veränderung der sozialen Teilhabedimensionen für den SGB-II-Bezug, die Arbeitslosigkeit und die Einkommensarmut analysiert. Für den SGBII-Bezug zeigt Abbildung 21 exemplarisch, wie die genannten vier Gruppen sich in der subjektive Teilhabe zwischen zwei Befragungswellen unterscheiden. Abbildung 21: Einfluss des SGB-II-Bezugs auf das subjektive Teilhabeempfinden Quelle: Panel „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS). Eigene Berechnungen. Längsschnittgewichtet, Wellen 1-5, N=28.916. Abbildung 21 macht insbesondere zweierlei deutlich: Erstens haben Veränderungen der Lebenslage einen Einfluss auf die Entwicklung der subjektiven Teilhabe. Vor allem Personen, die innerhalb zweier Jahre den Ausstieg aus dem SGB II schaffen, verbessern sich bei der subjektiven Teilhabe um mehr als einen halben Skalenpunkt. Zweitens gibt es deutliche Niveauunterschiede: Personen, die im zweiten Jahr im SGB-II-Bezug sind, zeichnen sich schon im Jahr davor durch eine deutlich geringere subjektive Teilhabe aus, als Menschen, die durchgängig kein SGB II erhielten. Immerhin verbessert sich die subjektive Teilhabe der „Aussteiger“: Sie erreichen aber längst nicht das Niveau der Personen ohne Leistungsbezug. Erst die Längsschnittergebnisse offenbaren, dass Personen, die einem höheren Risiko ausgesetzt sind, in prekären Lebenslagen zu sein, sich auch in weiteren Eigenschaften von anderen unterscheiden. 53 Die auffälligsten Ergebnisse für Lebenslagedimensionen und Teilhabeindikatoren sind fol22 gende : Der Einstieg in den SGB-II-Bezug wirkt sich vor allem für unter 25-Jährige auf die Eigenschaften des persönlichen Netzwerks aus. Für Jugendliche, die im zweiten Jahr in SGB-IIBezug fallen, steigert sich die Wahrscheinlichkeit um 70 %, dass sie mindestens einen arbeitslosen Freund haben. Der Ausstieg aus SGB II wirkt sich auf fast alle Teilhabedimensionen positiv aus, außer auf das Vorhandensein einer engen Beziehung außerhalb des Haushalts und das Engagement in Vereinen oder Organisationen. Der positive Effekt eines Ausstiegs auf die subjektiven Merkmale der sozialen Teilhabe und der Lebenszufriedenheit ist besonders stark bei den Befragten, die über 25 Jahre alt sind. Auch für die Arbeitslosigkeit zeigen sich deutlichere Effekte beim Ausstieg aus Arbeitslosigkeit als beim Einstieg. Allerdings verringern sich für unter 25-Jährige, die im zweiten Jahr arbeitslos werden, folgende Einflüsse: die Lebenszufriedenheit, die Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins eines engen Freundes und die Wahrscheinlichkeit des Engagements in Organisationen und Vereinen. Ein Ausstieg aus Arbeitslosigkeit verbessert die soziale Teilhabe wiederum vor allem für die älteren Befragten für die Bereiche der subjektiven Teilhabe und der Lebenszufriedenheit. Die Effekte für die Einkommensarmut sind im Allgemeinen schwächer als für die anderen Dimensionen prekärer Lebenslagen. Insgesamt wirken sich anscheinend der Mindestsicherungsbezug und die Arbeitslosigkeit vor allem für die jüngeren Befragten negativ auf die Qualität der sozialen Netzwerke aus. Ältere Befragte erleiden vor allem bei den subjektiven Indikatoren Einbußen, wenn sie in prekäre Lebenslagen geraten bzw. erleben sie eine Verbesserung, wenn sie prekäre Zustände überwinden. Damit liegen erste Hinweise darauf vor, dass Effekte der Stigmatisierung und der Scham besonders für die über 25-Jährigen relevant sind. 22 Zu den verschiedenen Analysen dieser Studie liegen jeweils eine Reihe von Ergebnistabellen vor. Aus Platzgründen sind diese im folgenden Bericht nicht aufgenommen, können aber bei Bedarf von den Autor/innen angefragt werden. 54 8 Komplexe Zusammenhänge und Wirkungen prekärer Lebenslagen auf soziale Teilhabe – Multivariate Ergebnisse Anhand multivariater Analysen können komplexe Zusammenhänge betrachtet werden, d.h. es kann erklärt werden, welche von mehreren Faktoren für Unterschiede in der sozialen Teilhabe verantwortlich sind. So ist es zum Beispiel möglich zu zeigen, welchen eigenständigen Einfluss der SGB-II-Bezug auf die Dimensionen sozialer Teilhabe hat, wenn andere Eigenschaften gleich bleiben würden. Während also durch die dargestellten bivariaten Analysen lediglich tendenzielle Schlussfolgerungen für die Leitfragen der Untersuchung gezogen werden können, ist eine zuverlässige Aussage über tatsächliche Wirkungen des Leistungsbezugs erst durch die multivariaten Analysen, vor allem in der längsschnittlichen Betrachtung, möglich. Anhand der Regressionen im Querschnitt kann die Frage beantwortet werden, in welchem Zusammenhang die soziale Teilhabe mit verschiedenen Eigenschaften und Merkmalen steht. Anhand der Längsschnittanalysen wiederum kann die Frage beantwortet werden, wie sich prekäre Lebenslagen (z.B. der SGB-II-Bezug) auf die soziale Teilhabe auswirken. Die Querschnittanalysen beziehen sich jeweils auf Welle 5, während die Längsschnittanalysen sich auf alle verfügbaren fünf Wellen beziehen. Es werden jeweils die Einflüsse auf die vier Dimensionen sozialer Teilhabe betrachtet: „Subjektives Teilhabeempfinden“, „Lebenszufriedenheit“, „Engagement“ und „Enge Beziehungen außerhalb des Haushaltes“. Da die beiden Dimensionen „Arbeitslose Freunde“ und „Unterstützungsnetzwerke“ lediglich in den Wellen 3 und 5 enthalten sind, sind diese beiden Variablen nicht Teil der multivariaten Analysen. Für die genannten vier Dimensionen sozialer Teilhabe werden jeweils Regressionen durchgeführt. Folgende Variablen wurden dabei schrittweise in das Modell eingeführt: Modell 1: Modell 2: + Erwerbsstatus und Einkommensarmut Modell 3: + Haushaltstyp, Bildung, Alter, Alter², subjektive Gesundheit, deutsche Staatsangehörigkeit, neue Bundesländer, ALG I Modell 4: + Materielle Deprivation Modell 5: + Enge Beziehungen außerhalb des Haushaltes, Engagement (nur bei subjektiven Teilhabedimensionen) SGB-II-Bezug Weiterhin wurden die Modelle jeweils einmal für die Gesamtstichprobe und dann für Gruppe der unter 25-Jährigen geschätzt. Im Querschnitt können Effekte für alle oben nannten Variablen geschätzt werden. Dies ist im Längsschnitt nicht möglich, da durch gewählte Methode keine sogenannten „zeitkonstanten“ Variablen, wie Geschlecht und dungsabschluss, berücksichtigt werden können. die gedie Bil- 55 8.1 Die Zusammenhänge – Regressionen im Querschnitt Im Querschnitt kann vor allem die Frage nach den Zusammenhängen zwischen den Dimensionen sozialer Teilhabe und den prekären Lebenslagen beantwortet werden. Zusätzlich können neben den prekären Lebenslagen weitere Einflussfaktoren der sozialen Teilhabe identifiziert werden. Folgende Leitfrage der Untersuchung ist vor dem Hintergrund der Querschnittregressionen relevant: Inwieweit haben Menschen im SGB-II-Bezug und in prekären Lebenslagen noch das Gefühl, dazuzugehören? Zur Erinnerung: Die folgenden Ergebnisse beziehen sich nur auf Daten der Welle 5 im Jahr 2011. 8.1.1 Subjektives Teilhabeempfinden Die Ergebnisse der stufenweisen OLS-Regression 24 macht deutlich : 23 zum subjektiven Teilhabeempfinden Auch unter Kontrolle aller anderen berücksichtigten Variablen unterscheidet sich das subjektive Teilhabeempfinden von Menschen mit und ohne SGB-II-Bezug signifikant voneinander (p<0,05). Das heißt, dass das Teilhabeempfinden auch dann im SGB-IIBezug geringer ist als ohne SGB-II-Bezug, wenn keine Arbeitslosigkeit besteht und das Einkommen über der Armutsschwelle liegt. In anderen Worten: Menschen im SGB-IIBezug haben weniger das Gefühl dazuzugehören als Menschen ohne SGB-IIBezug. Ebenfalls gehen alle Formen des Erwerbsstatus im Vergleich zur Arbeitslosigkeit mit einem signifikant stärkeren Teilhabeempfinden einher (p<0,001). Insbesondere die Erwerbstätigkeit/Selbständigkeit behält über alle fünf Modelle hinweg einen recht starken signifikanten Effekt: Im Vergleich zur Arbeitslosigkeit erhöht die Erwerbstätigkeit das Teilhabeempfinden im Durchschnitt um 0,93 Punkte auf der zehnstelligen Skala. Die Einkommensarmut hat im Vergleich zu den anderen beiden interessierenden Faktoren (SGB II und Erwerbsstatus) den geringsten Einfluss auf das Teilhabeempfinden, jedoch ist auch diese unter Kontrolle aller anderen Variablen auf dem 5-%-Niveau signifikant. Einkommensarme haben danach ein um 0,12 Punkte auf der Skala geringeres Teilhabeempfinden als Menschen, die nicht von Einkommensarmut betroffen sind. In dem Gesamtmodell zeigt sich für die Kontrollvariablen, dass Ein-Eltern-Haushalte, Paar-Haushalte mit Kindern und andere Haushalte (z.B. Mehrgenerationenhaushalte) ebenfalls ein stärkeres Teilhabeempfinden haben als Ein-Personen-Haushalte. 23 Da es sich bei der Teilhabevariable nicht eindeutig um eine intervallskalierte Variable handelt, wäre eine ordinale Regression die korrektere Methode gewesen. Forschungsarbeiten (vgl. Wulfgramm 2011a) zeigen dazu, dass keine relevanten Unterschiede bestehen, wenn dennoch eine lineare Regression durchgeführt wird. Die Interpretierbarkeit linearere Regressionen ist grundsätzlich intuitiver als bei ordinalen Regressionen. 24 Ergebnistabellen können bei den Autor/innen angefragt werden. 56 Weiterhin trägt eine gute bis sehr gute subjektive Gesundheit deutlich positiv zum subjektiven Teilhabeempfinden bei. Weitere Faktoren mit einem signifikanten Einfluss auf das Teilhabeempfinden sind: weiblich zu sein (+), eine deutsche Staatsbürgerschaft (+), das Wohnen in Ostdeutschland (-), die materielle Deprivation (-), das Vorhandensein enger Beziehungen außerhalb des Haushaltes (+) und das Engagement in Organisationen oder Vereinen (+). Unter Kontrolle der materiellen Deprivation geben Menschen mit mittlerer Reife im Vergleich zu Personen ohne allgemeinbildenden Schulabschluss ein geringeres subjektives Teilhabeempfinden an. Die Erklärungskraft der Variablen nimmt von der ersten zur fünften Stufe deutlich zu. Alleine der SGB-II-Bezug erklärt die Varianz des subjektiven Teilhabeempfindens zu 13 %. Alle Variablen zusammen können 27,5 % der Varianz des subjektiven Teilhabeempfindens erklären. Bei den unter 25-Jährigen bestehen deutliche Unterschiede zu der Gesamtstichprobe: Während ein signifikanter Einfluss von der Erwerbstätigkeit, Ein-Euro- oder Mini-Jobs sowie der Aus- und Weiterbildung ausgeht, reduziert sich der Einfluss des SGB-IIBezugs deutlich unter Kontrolle der Haushalts- und Bildungsvariablen und verschwindet gänzlich, wenn die materielle Deprivation kontrolliert wird. Das heißt, dass der Bezug von Mindestsicherungsleistungen sich bei dieser Gruppe vor allem über die damit verbundene materielle Deprivation negativ auf das Teilhabeempfinden auswirkt – ein „eigener“ stigmatisierender Effekt ist dagegen nicht zu beobachten. Die Erklärungskraft der berücksichtigten Variablen ist bei unter 25-Jährigen geringer als bei der Gesamtstichprobe: Der SGB-II-Bezug erklärt zirka 5 % der Varianz im Teilhabeempfinden; alle Variablen zusammen erklären die Varianz zu 17,6 %. In Anlehnung an die im deskriptiven und bivariaten Teil verwendeten Typen prekärer Lebenslagen (vgl. Kapitel 4.3 und Kapitel 7.1) werden in Abbildung 22 die geschätzten Werte des subjektiven Teilhabeempfindens für vier Kombinationen der Merkmale SGBII-Bezug, Erwerbsstatus und Einkommensarmut dargestellt. Im Unterschied zu den in Kapitel 7 gezeigten Ergebnissen sind diese Werte um Einflüsse von Merkmalen wie Bildung und Haushaltsstatus bereinigt und gelten unter Kontrolle dieser und weiterer Eigenschaften der Personen. Die gezeigten Werte basieren auf Modell 3. Die Merkmale der objektiven Teilhabe und die materielle Deprivation, welche in Modell 4 und 5 berücksichtigt werden, gelten in erster Linie als vermittelnde Faktoren. Das Konstanthalten dieser Eigenschaften würde deshalb die Bedeutung der Lebenslage unterschätzen. 57 Abbildung 22: Geschätzte Werte für das subjektive Teilhabeempfinden unter Kontrolle persönlicher und Haushaltsmerkmale Alle U-25 8 8 7 7 6 6 5 5 AL im SGB II Arm ohne SGB II Aufstocker AL im SGB II Ges. Eink. Arm ohne SGB II Aufstocker Typ N=11272 Ges. Eink. Typ N=1408 Geschätzter Wert 95%-Konfidenzintervall Quelle: Panel „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS). Eigene Berechnung. Lesehilfe: Alle: Die Abbildung zeigt aus dem Regressionsmodell (Modell 3) geschätzte Werte für eine fiktive weibliche Person im Alter von 40 Jahren in einem Paarhaushalt mit Kindern, mit einem guten Gesundheitszustand, Hauptschulabschluss, deutscher Staatsangehörigkeit in den alten Bundesländern. Der Typ „AL im SGB II“ beinhaltet zudem die Annahmen, dass die Person in einem SGB-II-Haushalt wohnt, arbeitslos ist und von Einkommensarmut betroffen ist. Der Typ „Aufstocker“ unterscheidet sich im Vergleich dazu dadurch, dass die Variable Erwerbstätigkeit den Wert „erwerbstätig/selbstständig aufweist“, während der Typ „Arm ohne SGB II“ zusätzlich nicht in einem SGB-II-Haushalt wohnt. Der Typ „Gesichertes Einkommen“ ist zusätzlich nicht von Armut betroffen. U-25: Wie oben, aber im Alter von 20 Jahren und mit Realschulabschluss, als Kind in einem Paarhaushalt. Statt „erwerbstätig/ selbstständig“ wurde die Ausprägung „In Aus-/Weiterbildung“ ersetzt, da dies der häufigste Status in dieser Gruppe ist. 58 Die Auswertungen verdeutlichen, dass es für die Gesamtstichprobe eine klare Hierarchie der Lebenslagentypen in Bezug auf ihre Bedeutung für das Teilhabeempfinden gibt. Der größte Unterschied in der subjektiven Teilhabe besteht aber zwischen Arbeitslosen im ALG-II-Bezug und den „Aufstockern“. Für die unter 25-Jährigen ist lediglich dieser Unterschied statistisch bedeutsam (Abbildung 22, rechts). 8.1.2 Lebenszufriedenheit Ebenso wie für das Teilhabeempfinden, wurde auch für die Lebenszufriedenheit eine OLS25 Regression durchgeführt . Grundsätzlich finden sich ähnliche Ergebnisse wie bei dem Teilhabeempfinden. Der SGB-II-Bezug hat auch unter Kontrolle aller anderen Faktoren einen bedeutenden Einfluss auf die Lebenszufriedenheit. Er reduziert sich aber deutlich, wenn andere Faktoren berücksichtigt werden. Besonders die Erwerbstätigkeit/Selbständigkeit hat einen stabilen positiven Einfluss auf die Lebenszufriedenheit. Allerdings verschwindet der signifikante Effekt der Einkommensarmut unter Kontrolle der beiden objektiven Teilhabevariablen (enge Beziehungen, Engagement). Bei Betrachtung des Gesamtmodells wird sichtbar, dass Menschen in fast allen anderen Haushaltstypen zufriedener mit ihrem Leben sind als Menschen, die in EinPersonen-Haushalten leben. Allerdings bestehen keine Unterschiede zwischen EinPersonen-Haushalten und Personen, die als Kinder in Paar-Haushalten leben. Im Vergleich zu dem Ergebnis für das Teilhabeempfinden hat der Bildungsabschluss keinen signifikanten Effekt auf die Lebenszufriedenheit. Ein bedeutender Einfluss geht allerdings auch hier von der subjektiven Gesundheit und dem Geschlecht (Frau) aus. Interessant ist das Ergebnis, dass eine deutsche Staatsbürgerschaft unter Kontrolle anderer Merkmale mit einer geringeren Lebenszufriedenheit einhergeht als keine deutsche Staatsbürgerschaft. Die Erklärungskraft der berücksichtigten Variablen ist bei der Lebenszufriedenheit größer als beim Teilhabeempfinden: Der SGB-II-Bezug alleine erklärt 14,2 % der Varianz, alle Variablen zusammen 32,7 %. Einen besonderen Sprung in der Erklärungskraft des Modells wird durch die Hinzunahme der materiellen Deprivation erzielt. Dabei steigt die Erklärungskraft von 26,6 auf 31,8 %. Wieder zeigt sich bei den unter 25-Jährigen ein anderes Bild: Der SGB-II-Bezug ist bei Hinzunahme der materiellen Deprivation (Modell 4) nicht mehr auf dem 5-%-Niveau signifikant. Auch der Koeffizient der Einkommensarmut verliert seine Signifikanz mit Berücksichtigung der materiellen Deprivation. Erneut ist die Erklärungskraft des Modells bei unter 25-Jährigen deutlich geringer als bei der Gesamtstichprobe. Während der SGB-II-Bezug alleine 5,6 der Varianz erklärt, ist es bei dem Gesamtmodell 20,6 %. Abbildung 23 zeigt ein ähnliches Muster wie beim subjektiven Teilhabeempfinden. Allerdings sind die Unterschiede zwischen „Aufstockern“ (hier Jugendliche in Ausbildung in ALG-II-Haushalten) und den beiden Typen, die nicht in ALG-II-Haushalten wohnen, deutlicher ausgeprägt und statistisch bedeutsam. 25 Siehe zur Begründung vorherige Fußnote. 59 Abbildung 23: Geschätzte Werte für die Lebenszufriedenheit unter Kontrolle von persönlichen und Haushaltsmerkmalen Alle U-25 9 9 8 8 7 7 6 6 AL im SGB II Arm ohne SGB II Aufstocker AL im SGB II Ges. Eink. Arm ohne SGB II Aufstocker Typ N=11286 Ges. Eink. Typ N=1408 Geschätzter Wert 95%-Konfidenzintervall Siehe Abbildung 22. 8.1.3 Engagement in Organisationen oder Vereinen Das Engagement differenziert lediglich danach, ob Aktivitäten in Organisationen oder Vereinen vorliegen oder nicht, es handelt sich also um eine dichotome Variable. Aus diesem Grund wird eine stufenweise logistische Regression durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen: Alle drei Hauptvariablen, d.h. Einkommensarmut, Arbeitslosigkeit und SGB-II-Bezug, haben einen bedeutenden Einfluss auf das Engagement. Im Vergleich zu Arbeitslosigkeit erhöht sich die relative Chance sich zu engagagieren sowohl bei Erwerbstätigkeit/Selbständigkeit, Aus- oder Weiterbildung, aber nicht des Status Hausfrau/mann oder Mutterschutz/Elternzeit/Erziehungsurlaub. Paare ohne Kinder und Erwachsene in Ein-Eltern-Haushalten haben eine geringere Wahrscheinlichkeit als Ein-Personen-Haushalte aktiv zu sein, alle anderen Haushaltstypen eine höhere Wahrscheinlichkeit. Die Ausnahme sind Kinder in Ein-ElternHaushalten, die die gleiche Wahrscheinlichkeit haben aktiv zu sein wie die Referenzgruppe (Ein-Personen-Haushalte). Einen bedeutenden Einfluss auf das Engagement hat das Bildungsniveau. Im Vergleich zu keinem Schulabschluss zeigen alle höheren Schulabschlüsse positive Einflüsse auf das Engagement. Ebenfalls wirkt sich die deutsche Staatsbürgerschaft (+), das Leben in Ostdeutschland (-), die subjektive Gesund- 60 heit (+) und die materielle Deprivation (-) auf die Wahrscheinlichkeit eines Engagements aus. Die Erklärungskraft des Modells ist vergleichsweise schwach. So beträgt Pseudo-R² für den SGB-II-Bezug 0,05, für alle Variablen 0,10. Bei unter 25-Jährigen ist der SGB-II-Bezug unter Berücksichtigung aller anderen Variablen nicht mehr signifikant. Im Vergleich dazu zeigen die Erwerbstätigkeit sowie die Einkommensarmut einen gleichbleibenden Effekt. Ein weiterer deutlicher Einfluss geht von der Aus- oder Weiterbildung aus. Auch bestehen geringere Unterschiede nach der Bildung. Lediglich die (Fach)Hochschulreife zeigt einen positiven Einfluss, im Vergleich zu keinem Abschluss. Auch nach Haushaltstypen bestehen kaum bedeutende Unterschiede, außer einem negativen Einfluss bei Paaren mit Kindern. Im Vergleich zu der Gesamtstichprobe ist hier die deutsche Staatsbürgerschaft (+) und die materielle Deprivation (-) nicht relevant. Allerdings besteht ein negativer Effekt für das Leben in den neuen Bundesländern. Kein bedeutender Einfluss geht von der subjektiven Gesundheit aus. Interessanterweise ist hier trotz der vergleichsweise wenigen signifikanten Einflüsse die Erklärungskraft des Modells durch die Variablen eher gegeben als bei der Gesamtstichprobe. Pseudo R² bei Modell 1 beträgt 0,05, bei Modell 4 0,14. In Abbildung 24 sind im Gegensatz zu den vorherigen Abbildungen die geschätzten Wahrscheinlichkeiten für ein Engagement nach den vier Lebenslagentypen dargestellt. Auch sie gelten unter Kontrolle wichtiger Merkmale in Modell 3. Die Werte verdeutlichen die praktische Relevanz der Ergebnisse: Während sich nach diesen Ergebnissen unter Kontrolle wichtiger Merkmale wie Bildung, Haushaltsstatus, Alter etc. nur knapp 20 % der Arbeitslosen in SGB-II-Haushalten engagieren, ist dies bei über 35 % der Einkommensarmen außerhalb des SGB-II-Bezugs und über 45 % der Personen in gesicherten Einkommenspositionen der Fall. Noch deutlicher sind die Unterschiede bei den unter 25-Jährigen: Allerdings spielt hier, wie bereits oben erwähnt, der SGB-IIBezug eine geringere Rolle. Dies wird bei einem Vergleich der Typen „Aufstocker“ und einkommensarm ohne SGB-II-Bezug erkennbar. 61 Abbildung 24: Geschätzte Wahrscheinlichkeiten für das Engagement unter Kontrolle von persönlichen und Haushaltsmerkmalen (%) Alle U-25 .7 .7 .6 .6 .5 .5 .4 .4 .3 .3 .2 .2 .1 .1 0 0 AL im SGB II Arm ohne SGB II Aufstocker AL im SGB II Ges. Eink. Arm ohne SGB II Aufstocker Typ N=11303 Ges. Eink. Typ N=1409 Geschätzter Wert 95%-Konfidenzintervall Siehe Abbildung 22. 8.1.4 Enge Freunde/Familienmitglieder außerhalb des Haushaltes Ebenso wie beim Engagement wurde auch hier eine stufenweise logistische Regression durchgeführt. Folgendes zeigen die Ergebnisse: Der SGB-II-Bezug alleine hat einen bedeutenden Einfluss, verschwindet jedoch bereits bei Hinzunahme des Erwerbsstatus und der Einkommensarmut. Ein über alle Modelle stabiler Einfluss findet sich für die Einkommensarmut sowie die Erwerbstätigkeit/Selbständigkeit. In Bezug auf die Haushaltstypen wird deutlich, dass Erwachsene in Ein-ElternHaushalten häufiger, Kinder in Ein-Eltern-Haushalten seltener als Ein-PersonenHaushalte enge Beziehungen außerhalb des Haushalts haben. Besonders deutlich wird, dass das Bildungsniveau sich auf die Wahrscheinlichkeit auswirkt, enge Beziehungen außerhalb des Haushalts zu haben. Im Vergleich zu keinem Abschluss bestehen signifikante Effekte von allen höheren Abschlüssen. Weitere Effekte bestehen durch die deutsche Staatsbürgerschaft (+) und die materielle Deprivation (-). Regional bestehen keine Unterschiede. Die Erklärungskraft des Modells ist insgesamt sehr gering und reicht von 0,03 im ersten Modell bis zu 0,09 im letzten Modell. 62 Bei unter 25-Jährigen zeigen nur die deutsche Staatsbürgerschaft und die Aus- und Weiterbildung signifikante Effekte, wenn alle Variablen gemeinsam betrachtet werden (vgl. Tabelle 22 im Anhang). Dabei ist der SGB-II-Bezug, wenn er alleine in das Modell genommen wird, hochsignifikant. Er halbiert sich jedoch bereits bei der Hinzunahme der Einkommensarmut und des Erwerbsstatus. Die Einkommensarmut zeigt dann signifikante Effekte, beim Erwerbsstatus ist nur die Aus- bzw. Weiterbildung im Vergleich zur Arbeitslosigkeit signifikant. Kommen die anderen Einflussfaktoren hinzu, verschwindet auch der Effekt der Einkommensarmut, wobei die Aus- bzw. Weiterbildung unter Kontrolle der Bildung und anderen strukturellen Merkmale bedeutend bleibt. Jedoch verliert auch diese unter Hinzunahme der materiellen Deprivation ihre Signifikanz. Die Erklärungskraft des Modells beträgt hier 0,04 im ersten und 0,13 im letzten Modell. Abbildung 25 verdeutlich besonders für die Gruppe der jüngeren Personen, dass soziale Exklusion im Sinne der Abwesenheit enger Freunde außerhalb des Haushalts sehr selten ist und die Unterschiede zwischen den Lebenslagentypen nicht so deutlich sind, als dass sie mit ausreichender statistischer Sicherheit verallgemeinert werden können. Dies gilt jedoch für die Gesamtstichprobe nicht im gleichen Maße. Es finden sich sehr wohl auch unter Kontrolle von sozioökonomischen Eigenschaften der Haushalte und Personen, bedeutsame Unterschiede zwischen Arbeitslosen und Erwerbstätigen sowie zwischen einkommensarmen und nicht armen Personen. Die Gruppen unterschieden sich in der geschätzten Wahrscheinlichkeit, einen engen Freund zu haben um bis zu fünf Prozentpunkte. 63 Abbildung 25: Geschätzte Wahrscheinlichkeiten für die Existenz eines engen Freundes unter Kontrolle persönlicher und Haushaltseigenschaften Alle U-25 1 1 .95 .95 .9 .9 .85 .85 AL im SGB II Arm ohne SGB II Aufstocker AL im SGB II Ges. Eink. Arm ohne SGB II Aufstocker Typ N=11300 Ges. Eink. Typ N=1377 Geschätzter Wert 95%-Konfidenzintervall Siehe Abbildung 22. Zusammengefasst belegen die multivariaten Querschnittanalysen, dass alle drei Dimensionen prekärer Lebenslagen, d.h. SGB-II-Bezug, Arbeitslosigkeit und Einkommensarmut, unabhängig voneinander relevant für die soziale Teilhabe sind. Menschen im SGB-II-Bezug weisen insgesamt gravierende Einschränkungen in ihrer sozialen Teilhabe auf. Insbesondere gilt das bei den subjektiven Dimensionen, also dem Teilhabeempfinden und der Lebenszufriedenheit. Bei den objektiven Dimensionen sozialer Teilhabe, Engagement und enge Beziehungen außerhalb des Haushaltes, sind die eigenständigen Effekte des SGB-II-Bezugs etwas weniger eindeutig. Für alle Modelle hat die Erwerbstätigkeit im Vergleich zur Arbeitslosigkeit den stabilsten Einfluss. Während die Lebenszufriedenheit weniger stark durch die Einkommensarmut beeinflusst wird, führt letztere für alle anderen drei Faktoren sozialer Teilhabe zu deutlichen Einschränkungen. Bei unter 25-Jährigen zeigen sich in verschiedener Hinsicht Unterschiede zu der Gesamtgruppe: Deutlich wird vor allem die große Relevanz materieller Einschränkungen für die soziale Teilhabe der jungen Heranwachsenden. Dafür ist bei ihnen der vermutlich stigmatisierende Einfluss des SGB-II-Bezugs weniger eindeutig. Die Einkommensarmut spielt auch unter Kontrolle aller anderen Faktoren für das subjektive Teilhabeempfinden und das Engagement für unter 25-Jährige eine negative Rolle. Der Erwerbsstatus ist jeweils relevant für alle Dimensionen sozialer Teilhabe, wobei enge Freunde zu haben vor allen Dingen durch die Aus- und Weiterbildung gefördert wird. 64 8.2 Die Wirkungen – Regressionen im Längsschnitt Nunmehr der Blick auf eine weitere zentrale Frage der Studie: Wie wirkt sich die Zugehörigkeit zum SGB-II-Rechtskreis auf ihre Teilhabe- und Beteiligungschancen aus? Diese Frage kann nur anhand von Längsschnittdaten beantwortet werden, da sie nach Veränderungen auf individueller Ebene fragt. Anhand von Querschnittdaten kann nicht mit ausreichender Sicherheit geschlussfolgert werden, dass ein Faktor einem anderen kausal vorgelagert ist. Ein weiterer Vorteil von Längsschnittanalysen ist die Kontrolle unbeobachteter Eigenschaften von Menschen: Diese können sowohl die Wahrscheinlichkeit, sich in einer prekären Lebenssituation zu befinden und die soziale Teilhabe beeinflussen. In dieser Studie werden mit Fixed-Effects-Regression Veränderungen innerhalb von Personen betrachtet, d.h. es geht um die Frage welche Veränderungen in der sozialen Teilhabe durch Einstiege oder Ausstiege in/aus prekären Lebenslagen bewirkt werden. Alle zeitkonstanten Eigenschaften von Personen scheiden als alternative Erklärungen der beobachteten Zusammenhänge aus. Die Längsschnittbetrachtung ist damit sehr gut geeignet zu identifizieren, welche Merkmale mangelnde gesellschaftliche Teilhabe verursachen. Dieses Wissen ist gerade für sozialpolitische Interventionen von zentraler Bedeutung. 8.2.1 Subjektives Teilhabeempfinden Es wurden die Wirkungen zeitveränderlicher Eigenschaften auf das subjektive Teilhabeempfinden geschätzt. Die Längsschnittanalyse macht deutlich: Alle drei Dimensionen prekärer Lebenslagen haben unabhängig voneinander einen signifikanten Einfluss auf das subjektive Teilhabeempfinden. Das bedeutet: Das Teilhabeempfinden von Menschen verschlechtert sich deutlich durch den SGB-II-Bezug, und das unabhängig von ihrer Ausgangslage, d.h. ihrem Geschlecht, ihrem Bildungshintergrund, ihren Persönlichkeitseigenschaften und generellen Antworttendenzen. Auch die Aus- oder Weiterbildung hat im Vergleich zur Arbeitslosigkeit einen positiven Einfluss auf das Teilhabeempfinden. Weitere signifikante Effekte gehen von der subjektiven Gesundheit, der materiellen Deprivation und den beiden objektiven Teilhabedimensionen (Engagement und enge Beziehungen) aus. Bei den unter 25-Jährigen zeigen sich grundsätzlich ähnliche Einflussfaktoren wie bei der Gesamtstichprobe. Allerdings wirkt sich der „Wechsel“ in Einkommensarmut bei unter 25-Jährigen nicht auf ihr Teilhabeempfinden aus. Abbildung 26 zeigt den Effekt des SGB-II-Bezugs auf die subjektive Teilhabe für alle und für unter 25-Jährige in den verschiedenen Modellen. Deutlich wird, dass dieser bei der Gesamtgruppe zunächst höher ist und durch den Einbezug von Einkommensarmut und Erwerbsstatus an Bedeutung verliert. Ein Teil des Einflusses des SGB-II-Bezugs 65 wird demnach durch den Erwerbsstatus und die Einkommensarmut erklärt. Durch die Berücksichtigung von Haushalts- und Individualmerkmalen verliert er weiterhin an Bedeutung. Bei den über 25-Jährigen besteht grundsätzlich ein geringerer Effekt des SGB-II-Bezugs, der jedoch durch die Hinzunahme der anderen Variablen weniger an Relevanz verliert. Abbildung 26: Effekte des SGB-II-Bezugs auf das subjektive Teilhabeempfinden Alle U-25 0 0 -.1 -.1 -.2 -.2 -.3 -.3 -.4 -.4 -.5 -.5 -.6 -.6 -.7 -.7 -.8 -.8 -.9 -.9 -1 -1 1 2 3 4 5 1 Modell 2 3 4 5 Modell N=52607 N=6790 Effekt Konfidenzintervall (95%) Quelle: Panel „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS). Eigene Berechnung. Alle dargestellten Effekte sind unter Kontrolle der zeitkonstanten Eigenschaften der Befragten (Fixed Effects). Modell 1: Nur SGB-II-Bezug; Modell 2: Kontrolle von Erwerbsstatus und Einkommensarmut; Modell 3: Zusätzliche Kontrolle verschiedener Individual- und Haushaltsmerkmale; Modell 4: Zusätzliche Kontrolle der materiellen Deprivation des Haushalts; Modell 5: Kontrolle objektiver Teilhabeindikatoren. 8.2.2 Lebenszufriedenheit Die Auswertungen führten zu folgenden Ergebnissen: Wieder sind die Einflüsse ähnlich des subjektiven Teilhabeempfindens: SGB II, Einkommensarmut und die Faktoren der Erwerbstätigkeit (Erwerbstätig/Selbständig, Ausbzw. Weiterbildung) wirken sich grundlegend auf die Lebenszufriedenheit aus. Sonstige signifikante Einflüsse sind: Paar-Haushalte mit und ohne Kinder und „andere“ Haushaltstypen im Vergleich zu Ein-Personen-Haushalten, die materielle Deprivation sowie die objektiven Teilhabedimensionen. 66 Der SGB-II-Bezug verliert bei den unter 25-Jährigen bei Hinzunahme der materiellen Deprivation seinen Einfluss – eine geringere Lebenszufriedenheit im SGB-II-Bezug ist demnach deutlich auf eingeschränkte materielle Ressourcen zurückzuführen. Ähnlich wie beim Teilhabeempfinden bestehen keine signifikanten Effekte der Einkommensarmut. Im Vergleich zur Arbeitslosigkeit wird die Lebenszufriedenheit durch alle anderen Erwerbsstatus grundlegend erhöht. In Abbildung 27 sind wieder Effekte des SGB-II-Bezugs über verschiedene Modelle bei unter 25-Jährigen und der Gesamtstichprobe dargestellt. Auffällig ist, dass der Einfluss des SGB-II-Bezugs bei den unter 25-Jährigen deutlich schwächer ist als bei der Gesamtstichprobe. Abbildung 27: Effekte des SGB-II-Bezugs auf die Lebenszufriedenheit Alle U-25 0 0 -.1 -.1 -.2 -.2 -.3 -.3 -.4 -.4 -.5 -.5 -.6 -.6 -.7 -.7 -.8 -.8 -.9 -.9 -1 -1 1 2 3 4 5 1 Modell 2 3 4 5 Modell N=52765 N=6807 Effekt Konfidenzintervall (95%) Alle dargestellten Effekte sind unter Kontrolle der zeitkonstanten Eigenschaften der Befragten (Fixed Effects). Modell 1: Nur SGB-II-Bezug; Modell 2: Kontrolle von Erwerbsstatus und Einkommensarmut; Modell 3: Zusätzliche Kontrolle verschiedener Individual- und Haushaltsmerkmale; Modell 4: Zusätzliche Kontrolle der materiellen Deprivation des Haushalts; Modell 5: Kontrolle objektiver Teilhabeindikatoren. 8.2.3 Engagement in Organisationen oder Vereinen Zentrale Ergebnisse der Auswertungen sind: Im Vergleich zu beiden abhängigen Variablen bestehen im Längsschnitt kaum Einflüsse zeitveränderlicher Faktoren auf das formale Engagement. So wirken sich weder Veränderungen im Status SGB-II-Bezug, noch in der Einkommensarmut auf das Engagement aus. Allerdings verschwindet der SGB-II-Effekt erst bei Hinzunahme der Haus- 67 halts- und Individualmerkmale. Er hat unter Berücksichtigung von Einkommensarmut und Erwerbsstatus noch einen bedeutenden Einfluss. Auch Erwerbstätigkeit zeigt keinen signifikanten Effekt. Es zeigt sich lediglich ein positiver Einfluss des Hausfrauen-/mann-Daseins. Wechselt also jemand aus der Arbeitslosigkeit in den Status „Hausfrau/mann“ scheint das eine positiven Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit zu haben, in Organisationen oder Vereinen aktiv zu werden. Bei den unter 25-Jährigen ist lediglich eine Veränderung in der subjektiven Gesundheit Auslöser für Veränderungen des Engagements. Alle anderen Einflussfaktoren zeigen in keinem der Modelle signifikante Effekte. 8.2.4 Enge Freunde/Familienmitglieder außerhalb des Haushalts Die wichtigsten Ergebnisse der Analysen sind hier: Bei den engen Beziehungen findet sich ein ähnliches Bild wie beim Engagement. Auch hier ist der SGB-II-Bezug nicht signifikant, ebenso wenig die Einkommensarmut. Der SGB-II-Bezug ist aber auch nicht bedeutsam, wenn dieser alleine in das Modell genommen wird. Allerdings zeigt sich ein signifikanter Effekt der Erwerbstätigkeit/Selbständigkeit. Von den Kontrollvariablen ist lediglich die materielle Deprivation unter Kontrolle aller anderen Variablen signifikant. Bei den unter 25-Jährigen bestehen im Längsschnitt keinerlei signifikante Unterschiede. Das deutet darauf hin, dass eher längerfristige Eigenschaften determinieren, ob enge Freundschaftsnetzwerke bestehen oder nicht. 8.2.5 Die Wirkungen in der Gesamtschau In Abbildung 28 ist eine Übersicht der Regressionsergebnisse für die drei interessierenden Variablen (SGB-II-Bezug, Erwerbsstatus und Einkommensarmut) im Längsschnitt dargestellt. In Abbildung 29 bezieht sich diese nur auf junge Menschen unter 25 Jahren. 68 Abbildung 28: Regressionsergebnisse im Längsschnitt – Alle Teilhabe Modell SGB-II-Bezug 2 Lebenszufriedenheit 3 4 2 3 Engagement 4 2 --- --- --- --- --- --- --- Erwerbstätig +++ +++ +++ +++ +++ +++ + Aus- oder Weiterbildung +++ +++ +++ +++ +++ +++ Hausfrau/mann ++ + +++ +++ +++ Mutterschutz/ Erziehungsurlaub ++ + +++ +++ +++ --- --- --- --- --- 3 Enge Freunde 4 2 3 4 Erwerbstätigkeit (Referenz: Arbeitslosigkeit) +++ +++ ++ ++ ++ ++ + + 6178 6178 +++ Einkommensarmut --- N 52607 52607 52607 52765 52765 52765 13851 13851 13851 6178 +/-: Positiver/negative Effekt auf dem 10-%-Signifikanzniveau; ++/--: Positiver/negative Effekt auf dem 5-%-Signifikanzniveau; +++/---: Positiver/negative Effekt auf dem 1-%-Signifikanzniveau; Leere Zellen: Kein signifikanter Effekt. Modell 2: Nur die dargestellten Variablen; Modell 3: Kontrolle von persönlichen Eigenschaften und Haushaltsmerkmalen; Modell 4: Kontrolle der materiellen Deprivation des Haushalts. Abbildung 29: Regressionsergebnisse im Längsschnitt – U-25 Teilhabe Modell SGB-II-Bezug 2 Lebenszufriedenheit 3 4 2 3 4 --- --- --- -- -- Erwerbstätig +++ +++ +++ +++ +++ +++ Aus- oder Weiterbildung +++ +++ +++ +++ +++ +++ Hausfrau/mann ++ ++ + Mutterschutz/ Erziehungsurlaub ++ ++ ++ Einkommensarmut - Engagement 2 3 Enge Freunde 4 2 3 4 389 389 Erwerbstätigkeit (Referenz: Arbeitslosigkeit) N 6790 6790 6790 6807 6807 6807 1249 1249 1249 389 +/-: Positiver/negative Effekt auf dem 10-%-Signifikanzniveau; ++/--: Positiver/negative Effekt auf dem 5-%-Signifikanzniveau; +++/---: Positiver/negative Effekt auf dem 1-%-Signifikanzniveau; Leere Zellen: Kein signifikanter Effekt. Modell 2: Nur die dargestellten Variablen; Modell 3: Kontrolle von persönlichen Eigenschaften und Haushaltsmerkmalen; Modell 4: Kontrolle der materiellen Deprivation des Haushalts. Besonders deutlich wird dabei, dass die drei Hauptvariablen (d.h. SGB-II-Bezug, Einkommensarmut und Erwerbstätigkeit) sich vor allem auf die subjektiven Dimensionen sozialer Teilhabe auswirken. Das Engagement und das Vorhandensein enger Freunde außerhalb des Haushaltes bleiben dagegen eher stabil, wenn sich Veränderungen bzw. Ein- oder Ausstiege aus prekären Lebenslagen ergeben. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass es sich bei diesen beiden Einflussfaktoren um dichotome Variablen handelt. Wie sich das Ausmaß an Engagement oder die Qualität und Quantität der Freundesnetzwerke verändert, kann durch die dargestellten Analysen nicht abgebildet werden. Die Ergebnisse der Längsschnittanalysen unterstreichen in weiten Teilen die Ergebnisse der Querschnittanalysen (vgl. Kapitel 8.1): Menschen in prekären Lebenslagen haben nicht nur eine geringere soziale Teilhabe als Menschen, die nicht von prekären Lebenslagen betroffen 69 sind. Auch ein „Wechsel“ in prekäre Lebenslagen, d.h. in Einkommensarmut, in SGB-IIBezug und in Arbeitslosigkeit, führt für die Betroffenen zu einer geringeren sozialen Teilhabe als zuvor. Diese Wirkung wird vor allem für die subjektiven Teilhabedimensionen deutlich: Das Teilhabeempfinden und die Lebenszufriedenheit. Dagegen bewirkt ein „individueller Wechsel“ in prekäre Lebenslagen nicht automatisch eine Verschlechterung der beiden objektiven Teilhabedimensionen (Engagement und enge Beziehungen). Während die subjektiven Teilhabedimensionen also grundlegend durch prekäre Lebenslagen beeinflusst werden, ist dieser Effekt bei den objektiven Dimensionen weit weniger eindeutig. Das bedeutet nicht, dass Menschen in prekären Lebenslagen das gleiche Niveau sozialer Teilhabe haben – das dem nicht so ist, wurde sowohl bei den deskriptiven Ergebnissen als auch bei den Querschnittanalysen deutlich. Allerdings wirkt sich eine Veränderung beim SGB II, der Einkommensarmut und dem Erwerbsstatus innerhalb von Personen weitaus weniger auf die objektiven Teilhabedimensionen aus als vermutet. Interessant sind die Unterschiede zwischen der Gesamtstichprobe und den unter 25Jährigen: Während der SGB-II-Bezug einen direkten Einfluss auf die subjektiven Teilhabedimensionen hat, wirkt sich diese bei den unter 25-Jährigen zum Teil über materielle Einschränkungen aus. Das heißt, die materiellen Einschränkungen im SGB-II-Bezug sind verantwortlich für ihre geringere soziale Teilhabe. Das ist insofern plausibel, weil das Leben im SGB-II-Bezug sich in der Jugend häufiger als ein Zustand bemerkbar macht, der zu Einschränkungen im Alltag führt, die wiederum Ausgrenzungserfahrungen mit sich bringen. Bei den Menschen über 25 Jahren im SGB-II-Bezug ist es nicht nur die materielle Situation, sondern der Status des SGB-II-Beziehers/der SGB-II-Bezieher/in hat eigenständige negative Wirkungen auf das Gefühl dazuzugehören. Im Lebensverlauf führt der SGB-II-Bezug demnach vermutlich auch eher zum Abbau des Gefühls sozialer Sicherheit und birgt das Risiko einer verfestigten Lebenslage. Stigmatisierung und Scham (SGB-II-Bezug) erweisen sich für über 25-Jährige demnach als wesentlich bedeutenderer Faktor als bei unter 25-Jährigen. 70 9 Leben im SGB-II-Bezug – Faktoren der Ermöglichung sozialer Teilhabe Nachfolgend wird auf die letzte der drei zentralen Untersuchungsfragen eingegangen: Welche Faktoren verbessern das soziale Teilhabeempfinden von Menschen im SGB-II-Leistungsbezug? Wenngleich diese Frage ergänzend durch qualitative Designs beantwortet werden sollte, kann anhand des PASS betrachtet werden, welchen Einfluss zum Beispiel Aktivierungsmaßnahmen oder Unterstützungsnetzwerke auf das Teilhabeempfinden von SGB-IIBezieher/innen haben. Dazu wurde der Einfluss verschiedener Merkmale auf ihr subjektives 26 Teilhabeempfinden durch Längsschnittanalysen untersucht. Es wurden zunächst die gleichen Merkmale wie bei den vorhergegangenen Analysen einbezogen, nur dass nun der Erwerbsstatus differenzierter berücksichtigt ist, wodurch sich getrennte Effekte von Ein-Euro- und Mini-Jobs beobachten lassen. Die Ergebnisse zeigen bei allen SGB-II-Bezieher/innen positive Wirkungen auf das subjektive Teilhabeempfinden durch die Faktoren: Erwerbstätigkeit/Selbständigkeit Ein-Euro-Job Mini-Job Aus- und Weiterbildung Gute oder sehr gute subjektive Gesundheit Enge Beziehungen Engagement Ein-Eltern-Haushalt im Vergleich zu Ein-Personen-Haushalten Negative Wirkungen gehen von der Einkommensarmut und der materiellen Deprivation aus. Im Vergleich zu der Gesamtstichprobe können bei der Gruppe der unter 25-Jährigen keine signifikant positiven Wirkungen durch Ein-Euro-Jobs beobachteten werden. Ebenfalls haben hier Mini-Jobs keinen signifikanten Einfluss. Im Vergleich zu Ein-Personen-Haushalten hat die Haushaltskonstellation „Paare ohne Kinder“ bei unter 25-Jährigen einen positiven Effekt auf das Teilhabeempfinden. Eine Partnerschaft bewirkt demnach durchaus ein stärkeres Gefühl zugehörig zu sein als das Leben in einem Singlehaushalt. Es wurde weiterhin der Aspekt „Erfahrungen der Befragten mit dem Job-Center“ betrachtet. Dabei wurden nur Personen berücksichtigt, die angaben, bereits ein Beratungsgespräch beim Job-Center wahrgenommen zu haben, wodurch sich die Fallzahlen deutlich verringern. 26 D.h. Fixed-Effects-Regressionen. 71 Da zudem einige der Fragen in Welle 3 nicht gestellt wurden, fallen zusätzlich eine Reihe von Beobachtungen für diese Analysen weg. Folgende Fragen wurden nun zusätzlich zu den oben beschriebenen Längsschnittanalysen berücksichtigt: Ob eine Eingliederungsvereinbarung getroffen wurde. Ob eine Beratung zu persönlichen Problemen (z.B. Schulden oder Alkoholproblemen) veranlasst wurde. Ob der Befragte einen festen Ansprechpartner bei der ARGE hat. Die Anzahl der Kontakte zur ARGE. Ob positive Erfahrungen gemacht wurden. Dafür wurde ein Index aus folgenden Zustimmungsitems gebildet: a) Die Mitarbeiter dort machen mir zu viele Vorschriften. b) Man will mir dort wirklich helfen. c) Ich erwarte, dass sich durch die Beratung meine Situation verbessert. d) Man unterstützt mich, wieder eine Arbeit zu bekommen. e) Dort werden nur Forderungen an mich gestellt, aber ich bekomme keine Unterstützung. f) Ich vertraue den Mitarbeitern. g) In der Beratung werden meine Vorstellungen berücksichtigt. h) Ich werde von den Mitarbeitern freundlich und hilfsbereit behandelt. Die beiden negativen Items (a und e) wurden zu Zwecken der Indexbildung umgedreht. Erwerbstätigkeit und die Aus- bzw. Weiterbildung haben wieder einen positiven signifikanten Einfluss auf das subjektive Teilhabeempfinden. Zudem konnte, trotz reduzierter Fallzahl, eine große Bedeutung einer guten oder sehr guten subjektiven Gesundheit und ein negativer Einfluss der materiellen Deprivation gefunden werden. Formale und informelle Netzwerke erweisen sich auch in dieser Analyse als zentrale Faktoren der Teilhabeermöglichung. Von den zusätzlich berücksichtigten Faktoren zeigt nur die Variable „Positive Erfahrungen mit der ARGE“ einen signifikant positiven Effekt. Eine Verweildauer zwischen 12 und 23 Monaten im SGB-II-Bezug verringert die Teilhabe der Befragten tendenziell im Vergleich zu einer kürzeren Bezugsdauer. Dieser Effekt erreicht im Gesamtmodell jedoch nicht mehr das 5-%-Signifikanzniveau. Die Einkommensarmut zeigte 27 in keinem der Modelle mit dem reduzierten Sample einen signifikanten Einfluss. Die Analysen wurden auch hier wieder getrennt für die unter 25-Jährigen durchgeführt. Überraschenderweise zeigen sich im Gesamtmodell bei diesen keinerlei signifikante Effekte, bis auf die subjektive Gesundheit und das Vorhandensein enger Freunde. Bei der alleinigen 27 Deshalb wurden die Analysen auch mit dem logarithmierten Einkommen anstatt der Einkommensarmut durchgeführt. Es zeigten sich auch dann keine signifikanten Effekte. 72 Betrachtung des Erwerbsstatus und der Betrachtung mit den Haushaltstypen, der Gesundheit und der materiellen Deprivation wurde lediglich ein Einfluss der Erwerbstätig28 keit/Selbständigkeit gegenüber der Arbeitslosigkeit deutlich . Zusammenfassend zeigen die Analysen über Wirkungsfaktoren der Teilhabe im SGB-IIBezug, dass „echte“ Erwerbstätigkeit positive Wirkungen auf das subjektive Teilhabeempfinden hat, selbst wenn aktuell aufstockende Leistungen nach dem SGB II beantragt werden müssen. Auch die materielle Deprivation wirkt sich grundlegend auf das Teilhabeempfinden aus. Ebenfalls bestehen eindeutig positive Einflüsse der Einbindung in enge Beziehungsnetzwerke auf das Gefühl, zur Gesellschaft zu gehören. Das gilt sowohl für die Gesamtgruppe als auch für junge Menschen im SGB-II-Bezug. Einflüsse von Maßnahmen durch das Job-Center müssen differenziert betrachtet werden. So haben Ein-Euro-Jobs allgemein zwar eine positive Wirkung auf das Teilhabeempfinden, dies gilt aber nicht für junge Menschen unter 25 Jahren. Weiterhin wirken sich positive Erfahrungen mit dem Job-Center bei über 25-Jährigen positiv auf das Teilhabeempfinden aus. Bei Menschen unter 25 Jahren ist dies nicht der Fall. Zu beachten ist dabei aber, dass es sich bei Längsschnittanalysen um Wirkungsanalysen handelt – prinzipiell heißt das, dass es durchaus Unterschiede geben kann, je nachdem welche Erfahrungen mit dem Job-Center gemacht wurden. Werden aber „bessere“ Erfahrungen im Vergleich zum letzten Befragungszeitpunkt gemacht, so hat dies, zumindest bei unter 25Jährigen keinen positiven Einfluss auf das Teilhabeempfinden. 28 Im letzten Modell zeigte sich ein noch auf dem 10-%-Niveau signifikanter Effekt der Erwerbstätigkeit. Aufgrund der weitaus geringeren Fallzahlen bei den unter 25-Jährigen ist eine größere Toleranz bei den Signifikanzniveaus durchaus vertretbar. 73 10 Sicherung sozialer Teilhabe – Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen 10.1 Konzept und Umsetzung der Analysen Wenngleich weitreichende Forschungsarbeiten zu Einflüssen von Armut und Arbeitslosigkeit auf Prozesse sozialer Ausgrenzung vorliegen, ist zu dem eigenständigen Einfluss des SGBII-Leistungsbezugs bisher wenig bekannt. Zudem liegt bis dato keine Analyse vor, die alle drei Faktoren (Einkommensarmut, Arbeitslosigkeit, Mindestsicherungsbezug) gleichzeitig berücksichtigt. Dabei ist davon auszugehen, dass soziale Teilhabe in prekären Lebenslagen über divergierende Mechanismen beeinflusst wird, je nachdem welcher der drei Einflussfaktoren dominiert. Diese Studie liefert folglich neue Erkenntnisse und erweitert so vorhandenes Wissen. So wurde zu Beginn des Berichtes die Hypothese aufgestellt, dass sich die Einkommensarmut vor allem über materielle Einschränkungen, der SGB-II-Bezug über Stigmatisierungsprozesse und Schamgefühle und Arbeitslosigkeit über eine unzureichende Befriedigung psychischer Bedürfnisse, wie Anerkennung und zeitliche Struktur, auf soziale Teilhabechancen auswirkt. Die soziale Teilhabe wurde dabei einerseits über subjektive Dimensionen, nämlich das Teilhabeempfinden und die Lebenszufriedenheit gemessen, andererseits über die beiden objektiven Dimensionen Verfügbarkeit enger Freunde bzw. Familienmitglieder außerhalb des Haushalts und Engagement in Organisationen oder Vereinen. Zwei weitere Indikatoren, welche die Netzwerke der Befragten differenzierter abbilden, konnten nur in ausgewählten Analysen berücksichtigt werden: Die Möglichkeit der finanziellen Unterstützung in Notlagen durch das soziale Netzwerk sowie die Zusammensetzung der drei engsten Beziehungen in Bezug auf Arbeitslosigkeitserfahrungen. Durch die umfassende Analyse im Quer- und Längsschnitt mit Hilfe des Panels „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ konnte bevölkerungsrepräsentativ gezeigt werden, dass eine differenzierte Betrachtung prekärer Lebenslagen notwendig ist, um Ausgrenzungsmechanismen zu verstehen und Ansatzpunkte für die Verbesserung sozialer Teilhabechancen zu identifizieren. Weiterhin wurde deutlich, dass eine eigenständige Betrachtung der Gruppe der unter 25-Jährigen sinnvoll ist, da diese anderen rechtlichen Rahmensetzungen unterliegt und prekäre Lebenslagen sich daher unterschiedlich auf deren Teilhabechancen auswirken. Zugrunde liegende Fragestellungen des Projektberichtes waren: Inwieweit haben Menschen im SGB-II-Bezug und in prekären Lebenslagen noch das Gefühl, dazuzugehören? Wie wirkt sich die Zugehörigkeit zum SGB-II-Rechtskreis auf ihre Teilhabeund Beteiligungschancen aus? Welche Faktoren verbessern das soziale Teilhabeempfinden von Menschen im SGB-II-Bezug? Neben Analysen, die unmittelbar auf die Beantwortung dieser Fragestellungen zielen, wurden weiterführende Untersuchungen durchgeführt, um sowohl Eigenschaften verschiedener 74 Gruppen in prekären Lebenslagen als auch typische Verlaufsmuster zu identifizieren. Dafür wurden aus den drei Merkmalen „Arbeitslosigkeit“, „Einkommensarmut“ und „SGB-IILeistungsbezug“ vier verschiedene Gruppen gebildet, die in ausgewählten Analysen näher betrachtet wurden: Gruppe 1: Arbeitslose im SGB-II-Bezug, Gruppe 2: Nicht Arbeitslose im SGB-II-Bezug (genannt: „Aufstocker“), Gruppe 3: Einkommensarme ohne SGB-II-Bezug, Gruppe 4: Personen in gesicherter Einkommenssituation (ohne SGB-II-Bezug und nicht Einkommensarm nach der Armutsrisikoschwelle von 60 % des äquivalenzgewichteten Medianeinkommens). 10.2 Zusammenfassung der Ergebnisse Durch die bivariaten Analysen konnten folgende Ergebnisse herausgearbeitet werden: Von Einkommensarmut Betroffene ohne SGB-II-Bezug haben im Vergleich zu Arbeitslosen im SGB-II-Bezug und „Aufstockern“ das geringste Durchschnittseinkommen (vgl. Kapitel 5). Dennoch ist das Ausmaß der materiellen Deprivation bei dieser Gruppe am geringsten und bei Arbeitslosen im SGB-II-Bezug am stärksten. So besteht die Gruppe der „nur“ von Einkommensarmut Betroffenen aus Personen mit vergleichsweise höherer Bildung und einem hohen Anteil an Erwerbstätigen und Selbständigen sowie Personen in Aus- und Weiterbildung (vgl. Kapitel 4). Menschen in prekären Lebenslagen bilden drei grundlegende Gruppen mit jeweils typischen Verlaufsmustern über die Zeit (vgl. Kapitel 6): Menschen, die dauerhaft den Ausstieg aus dem SGB II schaffen (Cluster 1), Gruppen, deren Verlauf von Arbeitslosigkeit im SGB II dominiert werden (Cluster 2), und Gruppen, deren Verlauf vom „Aufstocken“ dominiert wird (Cluster 3). Bei der ersten Gruppe handelt es sich vor allem um Personen mit höherer Bildung und in Partnerschaft, die zweite Gruppe zeichnet sich vor allem durch eine niedrige Bildung und gesundheitliche Probleme aus und besteht häufig aus Singlehaushalten. Bei der dritten Gruppe finden sich überdurchschnittlich viele Personen mit vielen Kindern und Alleinerziehende. Arbeitslosigkeit und gleichzeitiger SGB-II-Bezug bergen gravierende Ausgrenzungsrisiken (vgl. Kapitel 7.1). Dies gilt insbesondere für junge Erwachsene unter 25 Jahren und dort vor allem in Bezug auf Eigenschaften der Netzwerkqualität – nur wenige sind in der Lage sich im Notfall 1.000 Euro zu leihen und sie haben häufig mindestens einen engen Freund, der arbeitslos oder arbeitssuchend ist. Diese Ergebnisse machen deutlich, dass besonders junge Menschen in Arbeitslosigkeit sozialen Ausgrenzungsrisiken ausgesetzt sind, die mit einer Gefahr der Verfestigung prekärer Lebenslagen einhergehen. 75 Ein- und Ausstiege aus prekären Lebenslagen bedingen jeweils vor allem Veränderungen der subjektiven Dimensionen sozialer Teilhabe, d.h. des Teilhabeempfindens und der Lebenszufriedenheit (vgl. Kapitel 7.2). Gleichzeitig bestehen aber für alle Dimensionen sozialer Teilhabe deutliche Unterschiede in den Ausgangsniveaus von Personen, die ihren Status wechseln und die dauerhaft in prekären Lebenslagen verweilen. Es wird gezeigt, dass die Indikatoren der Netzwerkqualität, die nur in Wellen 3 und 5 erhoben wurden, durch Ein- und Ausstiege in das SGB II beeinflusst werden. Der Vorteil von multivariaten Analysen im Querschnitt (vgl. Kapitel 8.1) ist, dass Einflüsse prekärer Lebenslagen unter Kontrolle anderer Eigenschaften betrachtet werden können. Verschiedene Eigenschaften erhöhen die Wahrscheinlichkeit in prekären Lebenslagen zu sein stärker als andere und können damit die eigentliche Ursache für Unterschiede in der sozialen Teilhabe sein. Dieser Unsicherheit wird begegnet, indem Einflüsse verschiedener Eigenschaften, wie der Bildungsabschluss, konstant gehalten werden. Alle drei Dimensionen prekärer Lebenslagen, d.h. SGB-II-Bezug, Arbeitslosigkeit und Einkommensarmut sind unabhängig voneinander relevant für die soziale Teilhabe. Insbesondere zeigt sich das bei den subjektiven Dimensionen, also dem Teilhabeempfinden und der Lebenszufriedenheit. Bei den objektiven Dimensionen sozialer Teilhabe, Engagement und enge Freunde außerhalb des Haushaltes, sind die eigenständigen Effekte des SGB-II-Bezugs etwas weniger eindeutig. Generell zeigt die Erwerbstätigkeit im Vergleich zur Arbeitslosigkeit den stabilsten Einfluss. Während die Lebenszufriedenheit weniger stark durch die Einkommensarmut beeinflusst wird, führt letztere für alle anderen drei Faktoren sozialer Teilhabe zu deutlichen Einschränkungen. Bei unter 25-Jährigen finden sich in verschiedener Hinsicht Unterschiede zu der Gesamtgruppe: Herausragend ist die Relevanz materieller Einschränkungen und Arbeitslosigkeit für die soziale Teilhabe. Dafür ist der vermutlich stigmatisierende Einfluss des SGB-II-Bezugs weniger eindeutig. Die Wirkungen verschiedener Merkmale auf die Dimensionen sozialer Teilhabe wurden anhand multivariater Analysen im Längsschnitt (vgl. Kapitel 8.2) untersucht. Diese Analyse erhöht die Sicherheit darüber, dass die gefundenen Effekte tatsächlich auf die Wirkung prekärer Lebenslagen zurückzuführen sind. Weiterhin wurde analysiert, welche Faktoren das subjektive Teilhabeempfinden im SGB-II-Bezug erhöhen können. Die subjektiven Teilhabedimensionen werden grundlegend durch den SGB-II-Bezug, die Einkommensarmut und Arbeitslosigkeit beeinflusst. Bei den objektiven Dimensionen können lediglich Einflüsse des Erwerbsstatus beobachtet werden. Der Einfluss des SGB-II-Bezugs auf die subjektiven Teilhabedimensionen wird bei unter 25-Jährigen vor allem über materielle Einschränkungen vermittelt. Die Analysen über Wirkungsfaktoren der Teilhabe im SGB-II-Bezug machten deutlich, dass „echte“ Erwerbstätigkeit positive Wirkungen auf das subjektive Teilhabeempfinden hat. Weiter ist die Einbindung in enge Freundschaftsnetzwerke wichtig, um auch 76 im SGB II das Gefühl zu haben, zur Gesellschaft zu gehören. Das gilt sowohl für die Gesamtgruppe als auch für junge Menschen im SGB-II-Bezug. 10.3 Einflüsse von Maßnahmen durch das Job-Center müssen differenziert betrachtet werden. Ein-Euro-Jobs zeigen für die Gesamtgruppe zwar tendenziell eine positive Wirkung auf das Teilhabeempfinden, aber nicht für junge Menschen unter 25 Jahren. Auch positive Erfahrungen mit dem Job-Center zeigen vor allem bei über 25-Jährigen positive Wirkungen. Handlungsempfehlungen zur Förderung sozialer Teilhabe Es ergeben sich Handlungsempfehlungen auf verschiedenen Ebenen, wobei sich durch das gewählte Forschungsdesign vor allem strukturelle und kulturelle Teilhabehindernisse herauskristallisiert haben. Grundsätzlich muss gelten, dass prekäre Lebenslagen differenziert betrachtet werden sollten. Je nach Ausgangslage kann es sich um einen eher kurzfristigen Zustand handeln, Kombinationen bestimmter Merkmale können dazu führen, dass ein Ausstieg schwierig ist und prekäre Lebenslagen sich so zu verfestigen drohen. Im Folgenden sind auf Basis zentraler Analyseergebnisse fachliche Empfehlungen für Praxis und Politik zusammengestellt. Strukturelle Ebene Bildung schützt sowohl vor einem dauerhaften Verbleib in prekären Lebenslagen, mindert aber auch negative Konsequenzen auf die soziale Teilhabe in prekären Lebenslagen ab. Personen mit höherer Bildung haben mehr Ressourcen, um prekäre Lebenslagen zu bewältigen. Sie haben eher stabile informelle Netzwerke, sind aber auch häufiger in Vereinen oder Organisationen aktiv. Diese Eigenschaften wirken sich wiederum positiv auf das soziale Teilhabeempfinden aus. Bildungsinvestitionen, gerade für belastete Gruppen wie SGB-IIBezieher/innen, sind demnach in vielerlei Hinsicht lohnenswert. Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass mehr als zwei Kinder und der Status „Alleinerziehend“ einen Ausstieg aus prekären Lebenslagen schwierig machen. Hier sind familienpolitische Initiativen gefragt, die zum Beispiel auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie eine eigenständige Grundsicherung von Kindern abzielen. Ein wichtiger Aspekt, der einen Ausstieg aus Arbeitslosigkeit und SGB-II-Bezug verhindert, ist ein schlechter Gesundheitszustand. Da Gesundheit und Arbeitslosigkeit sich gegenseitig bedingen, stellt die gesundheitliche Vorsorge und die Förderung von Erwerbstätigkeit trotz gewisser gesundheitlicher Einschränkungen eine besondere Herausforderung dar, die in Zukunft stärker fokussiert werden sollte. Hier ist insbesondere die Gesundheitspolitik mit dem Ausbau des Präventionsansatzes (z.B. Präventionsgesetz), aber auch einer engeren Verzahnung von Arbeitsmarkt und Gesundheitsförderung, Förderung betrieblicher Gesundheitsmaßnahmen usw. gefordert. 77 Soziale Ausgrenzung im SGB-II-Bezug vollzieht sich anhand verschiedener Mechanismen. So haben die Ergebnisse sichtbar gemacht, dass Ansatzpunkte sowohl in Bezug auf eine Verbesserung der materiellen Situation, aber auch in Bezug auf die Arbeitsmarktpolitik und den öffentlichen Umgang mit Menschen im SGB II bestehen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass durch eine Erhöhung der Regelsätze im SGB II durchaus eine Verbesserung ihrer sozialen Teilhabe zu erwarten ist. Besonders für die jungen Menschen konnte gezeigt werden, dass materielle Einschränkungen oft verantwortlich dafür sind, dass die soziale Teilhabe sich verschlechtert. Dies birgt Risiken für die Motivation sich im gesellschaftlichen Leben einzubringen und befördert den Rückzug in homogene Netzwerke. Beide Faktoren stellen wichtige Grundlagen zur Integration in den Arbeitsmarkt dar. So zeigte sich auch wie wichtig die materielle Teilhabe innerhalb des SGB-II-Bezugs ist, um das soziale Teilhabeempfinden zu erhöhen. Es ist intensiv zu diskutieren, was zielführender für eine (langfristige) Integration ist: Sanktionen oder materielle und immaterielle Angebote des Förderns. Die Erwerbstätigkeit wurde insgesamt als stabilster und grundlegender Faktor für soziale Teilhabe identifiziert. So wird als inklusions- und präventionsstärkster Faktor aber genauso auch die Förderung der Erwerbstätigkeit über die Etablierung sozialer Arbeitsmärkte gestützt. Gleichwohl hat sich vor allem in Kapitel 9 gezeigt, dass „echte“ Erwerbstätigkeit einen stärkeren Einfluss hat als andere Formen des Erwerbsstatus, wie zum Beispiel Mini-Jobs oder Ein-Euro-Jobs. Bei unter 25-Jährigen zeigte sich, dass Aus- und Weiterbildung eine wesentliche größere Rolle für das subjektive Teilhabeempfinden spielt. Dies weist auf die Bedeutung des Übergangs zwischen Ausbildung und Beruf hin. Gerade Jugendliche, die nicht mehr in Ausbildung sind und denen der Einstieg in den Arbeitsmarkt nicht nachhaltig gelungen ist, stellen eine besondere Risikogruppe dar. Kulturelle Ebene Das Leben im SGB II geht unabhängig von materiellen Einschränkungen und dem Erwerbsstatus mit negativen Folgen für die soziale Teilhabe einher. Dies gilt vor allem für die Gruppe der über 25-Jährigen. Es ist davon auszugehen, dass der Leistungsbezug stigmatisierend wirkt oder zumindest mit einem negativen Selbstkonzept einhergeht. Scham und Beschämung scheinen bei der Annahme öffentlicher Unterstützung aufgrund der besonderen sozialen Konstruktion dieses Verhältnisses zu einem gewissen Grad unvermeidlich, allerdings können solche Prozesse durch die Ausgestaltung und öffentliche Vermittlung dieser Leistungen gemildert oder aber verschärft werden. Auch wenn diese Prozesse anhand des Forschungsdesigns nicht im Detail nachvollzogen werden können, ist zu vermuten, dass sowohl auf Ebene der medialen Berichterstattung, Politikeraussagen („spätrömische Dekadenz“) und der Betreuung durch das Job-Center oder entsprechende Maßnahmeträger Isolationsprozesse in Gang gesetzt werden können. Dies gilt es konsequent zu verhindern. Es ist ein differenzierter und vorurteilsbewusster Diskurs in Politik und (Fach)Öffentlichkeit zu führen, der grundsätzlich auf Wertschätzung, Respekt und das Selbstwertgefühl stärkender Haltung gegenüber Menschen in prekären Lebenslagen aufbaut. 78 Es ist also eine große Sensibilität gefragt, besonders wenn es darum geht, die Menschen über Verwaltungshandeln auf den vermeintlich „rechten Weg“ zu bringen. Hinter den Menschen stehen jeweils sehr unterschiedliche Biografien und Bedürfnisse. Entsprechend differenziert sind die Angebote für diese Menschen auszugestalten. Durch die Analysen wurde deutlich, dass positive Erfahrungen mit dem Job-Center das Teilhabeempfinden im SGB II erhöhen, zumindest bei über 25-Jährigen. Es ist also auch an der Beratungsqualität anzusetzen. Dafür brauchen die verantwortlichen Mitarbeiter/innen entsprechende Rahmenbedingungen. Zu diesen zählen neben ihrer eigenen sozialen Sicherheit sowohl zeitliche Ressourcen als auch entsprechende Qualifikationen. Fazit Prekäre Lebenslagen sind vor dem Hintergrund einer steigenden Armutsquote und einer wachsenden Gruppe erwerbstätiger Mindestsicherungsbezieher/innen in Deutschland nicht als Randphänomen zu verstehen. So ist eine große Gruppe erwerbsfähiger Menschen in ihrem Lebenslauf von Einkommensarmut, Arbeitslosigkeit und/oder Mindestsicherungsbezug betroffen. Auch wenn es sich dabei häufig um temporäre Zustände handelt, birgt das Leben in prekären Lebenslagen Risiken für die soziale Teilhabe und damit auch Risiken in eine dauerhaft prekäre Situation zu geraten. Die Vision einer inklusiven Gesellschaft ist mit dem Ziel verbunden, allen Menschen Teilhabe zu ermöglichen. Es ist noch ein langer Weg zu gehen, um dieses Ziel zu erreichen. Die vorliegende Studie zeigte vor allem für erwerbsfähige Bezieher/innen von Mindestsicherungsleistungen nach dem SGB II auf, dass neben Aktivitäten zur Förderung der Erwerbsteilhabe auch die Förderung der sozialen Teilhabe durch eine Kultur der Anerkennung unerlässlich ist, um soziale Inklusion in Deutschland umzusetzen. 79 11 Literatur Alicke, Tina/Linz-Dinchel, Kathrin (2012): Inklusive Gesellschaft – Teilhabe in Deutschland. Grundlagen und theoretischer Hintergrund. Frankfurt. Andersen, Signe Hald (2008) The Short- and Long-Term Effects of Government Training on Subjective Well-being. European Sociological Review 24: 451–462. Andreß, Hans-Jürgen/ Lipsmeier, Gero (1995): Was gehört zum notwendigen Lebensstandard in Deutschland und wer kann sich diese Dinge leisten? 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Wulfgramm, Melike (2011a): Subjektive Auswirkungen aktivierender Arbeitsmarktpolitik: Ein-EuroJobs als sozialintegrative Maßnahme? Zeitschrift für Sozialreform 57: 175–197. Wulfgramm, Melike (2011b): Can activating labour market policy offset the detrimental life satisfaction effect of unemployment? Socio-Economic Review 9: 477–501. 83 12 Anhang Tabelle 5: Variablenübersicht Variable Werte Skalenniveau Lebenszufriedenheit 0-10 stetig Soziales Teilhabeempfinden 0-9 stetig Anmerkungen Soziale Ausgrenzung; Wert gerin0 - nein, 1 - ja ger als 5 auf der Teilhabe-Variable nominal (Dummy) Soziale Zugehörigkeit; Wert größer 0 - nein, 1 - ja als 4 auf der Teilhabe-Variable nominal (Dummy) Enge Freunde außerhalb des Haushaltes: Enge Beziehungen (Freunde, Familienmitglieder) außerhalb des Haushalts 0 - nein, 1 - ja nominal (Dummy) Engagement: Aktiv in Organisation/Verein 0 - nein, 1 - ja nominal (Dummy) nur Welle 3 und 5 Geld leihen können: Jemanden kennen, der 1000 Euro leihen würde 0 - nein, 1 - ja nominal (Dummy) nur Welle 3 und 5 Arbeitslose Freunde: Mind. einer der drei wichtigsten Personen ist arbeitslos 0 - nein, 1 - ja nominal (Dummy) nur Welle 3 und 5; missing, wenn keine engen Freunde vorhanden Teilhabe-Index aus 4 Items (Soziale Zugehörigkeit, überdurchschnittl. Lebenszufriedenheit, Engagement, Enge Beziehungen) 0-4 ordinal Einkommensarmut: Wenn das monatliche Haushaltseinkommen geringer als 60 % des 0 - nein, 1 - ja äquivalenzgewichteten Medianeinkommens des relevanten Jahres ist nominal (Dummy) Logarithmiertes Haushaltsnettoäquivalenzeinkommen 0-X stetig Aktueller ALG-II-Bezug des Haushalts 0 - nein, 1 - ja nominal (Dummy) 0=0 "Kein SGB II-Bezug" 1/11=1 Aus Spelldaten; Dauer des SGB-II- "Kurzeitbezug" 12/23=2 "LangzeitBezuges bezug" 24/max=3 "Dauerhafter Langzeitbezug" Kategorial (Dummies) Arbeitslosigkeit (heißt: arbeitslos gemeldet, arbeitslos) nominal (Dummy) 84 0 - nein, 1 - ja frühester Beginn= Januar 2005; Episoden die direkt aneinander anschließen werden zusammengefasst; Bei parallelen Episoden wird immer die längste beibehalten Variable Werte (0=0 "Nicht Arbeitslos")(1/11=1 Aus Spelldaten; Dauer der Arbeits- "Kurzeitarbeitslos")(12/23=2 losigkeit "Langzeitarbeitslos")(24/max=3 "Dauerhaft Arbeitslos") Skalenniveau Anmerkungen Kategorial (Dummies) frühester Beginn= Januar 2005; Episoden die direkt aneinander anschließen werden zusammengefasst; Bei parallelen Episoden wird immer die längste beibehalten Missing für Rentner/innen/Erwerbsunfähige Variable mit den vier Lebenslagetypen 1 "Arbeitslose ALG-II-Empfänger" 2 "Aufstocker" 3 "Einkommensarm ohne Leistungsbezug" 4 "Gesicherte Einkommenssituation" Kategorial (Dummies) Erwerbsstatus ohne Berücksichtigung der AL-Dauer 7: "arbeitslos"; 1: "Erwerbstätig/Selbständig"; 2: "Ein-Euro-Job"; 3: "Mini-Job"; 4: "Aus/Weiterbildung"; 5: "Hausfrau/mann"; 6: "Mutterschutz/Elternzeit/Erziehungsurlaub " Kategorial Missing für Rent(Dummies: ner/innen/Erwerbsd_erwerbsstat2 unfähige (1-7) Erwerbsstatus: Mini-Jobs und EinEuro-Jobs zusammengefasst (Problem der Multikollinearität von Ein-Euro-Job und SGB-II-Bezug) 6: "arbeitslos"; 1: "Erwerbstätig/Selbständig"; 2: "Ein-EuroJob/Mini-Job"; 3: Kategorial "Aus/Weiterbildung"; 4: "Haus(Dummies) frau/mann"; 5: "Mutterschutz/Elternzeit/Erziehungsurlaub " Aktueller Bezug von ALG I 0 - nein, 1 - ja Missing für Rentner/innen/Erwerbsunfähige Kategorial (Dummy) Alter 16-65 stetig Unter 25 Jahre (ja/nein) 0 - nein, 1 - ja Nominal (Dummy) Frau 0 - nein, 1 - ja Nominal (Dummy) Guter Gesundheitszustand (wenn gute oder sehr gute subj. Gesundheit (1 oder 2) bei einer Skala von 1-5) 0 - nein, 1 - ja Nominal (Dummy) Haushaltstyp unter Berücksichtigung der Kinder 1: Ein-Personen HH; 2: Paar ohne Kinder; 3: Ein-Eltern-HH; 4: Paar Kategorial mit Kindern; 5: Anderer HH-Typ; 6: (Dummies) Kind im Ein-Eltern-HH; 7: Kind im Paarhaushalt Mindestens drei Kinder im HH 0 - nein, 1 - ja Nominal (Dummy) Deutsche Staatsangehörigkeit 0 - nein, 1 - ja Nominal (Dummy) Bildungsabschluss: CasminKodierung reduziert auf 5 Abschlüsse (kein Abschluss bis Hochschule) 1 "kein Abschluss" 2 "Hauptschulabschluss" 3"Realschulabschluss" 4 "(Fach)Hochschulreife" 5 "(Fach)Hochschulabschluss" Kategorial (Dummies) Materielle Deprivation, gewichtet 0-10 stetig Das Alter wurde zusätzlich quadriert, um nicht-lineare Effekte zu identifizieren 85 Variable Neue Bundesländer Veranlassung einer Beratung bei persönlichen Problemen durch ARGE Werte 0 - nein, 1 - ja 0 - nein, 1 - ja Eingliederungsvereinbarung wurde 0 - nein, 1 - ja abgeschlossen Skalenniveau Anmerkungen Nominal (Dummy) Nominal (Dummy) Nur Menschen im SGB-II-Bezug, die Kontakte zu ARGE haben, nicht in Welle 3 erhoben Nominal (Dummy) Nur Menschen im SGB-II-Bezug, die Kontakte zu ARGE haben, nicht in Welle 3 erhoben Fester Ansprechpartner bei ARGE 0 - nein, 1 - ja Nominal (Dummy) Nur Menschen im SGB-II-Bezug, die Kontakte zu ARGE haben, nicht in Welle 3 erhoben Anzahl persönlicher Kontakte bei ARGE 0-X stetig Nur Menschen im SGB-II-Bezug Positive Erfahrungen mit ARGE Index 0-8 aus dichotomisierten Variablen (0-4): zu viele Vorschriften, man will dort wirklich helfen, Erwartung, dass sich Situation verbessert, Unterstützung Arbeit zu bekommen, werden nur Forderungen gestellt, vertraue den Mitarbeitern, Vorstellungen werden berücksichtigt, von den Mitarbeitern freundlich und hilfsbereit behandelt stetig Nur Menschen im SGB-II-Bezug, die Kontakte zu ARGE haben (nicht in Welle 3 erhoben) 86 Tabelle 6: Stichprobenbeschreibung alle Wellen – Gesamt Alle Arbeitslos im SGB II "Aufstocker" Arm ohne SGB II Gesichertes Einkommen 1508.82 650.50 736.72 586.33 1737.23 Kein SGB-II-Bezug 92 % 0% 0% 100 % 100 % Kurzzeit-SGB-II-Bezug (<12 Monate) 2% 17 % 24 % 0% 0% Langzeit-SGB-II-Bezugsdauer (12-23 Monate) 1% 16 % 17 % 0% 0% Dauerhafter SGB-II-Bezug (>23 Monate) 5% 67 % 59 % 0% 0% Einkommensarm 17 % 80 % 62 % 100 % 0% Erwerbstätig/Selbständig 66 % 0% 25 % 39 % 74 % Ein-Euro-Job 0% 0% 8% 0% 0% Mini-Job 6% 0% 32 % 6% 5% Aus-/Weiterbildung 9% 0% 15 % 28 % 7% Hausfrau/mann 10 % 0% 13 % 16 % 9% Mutterschutz/Elternzeit/Erz.urlaub 2% 0% 7% 2% 2% Arbeitslos <12 Monate 2% 14 % 0% 5% 1% Arbeitslos 12-23 Monate 1% 14 % 0% 1% 0% Arbeitslos >23 Monate 4% 72 % 0% 2% 0% Alter 42.05 40.01 36.10 36.31 41.25 Frau 50 % 45 % 59 % 52 % 49 % Kein Abschluss 3% 11 % 10 % 7% 2% Hauptschulabschluss 35 % 51 % 46 % 38 % 31 % Mittlere Reife 29 % 25 % 30 % 23 % 31 % (Fach)Hochschulreife 14 % 6% 9% 24 % 14 % (Fach)Hochschulabschluss 19 % 6% 6% 9% 22 % Ein-Personen-Haushalt 18 % 46 % 26 % 28 % 15 % Paar ohne Kinder 29 % 11 % 12 % 16 % 29 % Ein-Eltern-Haushalt 4% 13 % 15 % 5% 3% Paar mit Kindern 39 % 24 % 36 % 36 % 44 % Anderer Haushaltstyp 3% 2% 3% 4% 2% Kind im Ein-Eltern-Haushalt 2% 2% 5% 3% 2% Kind im Paarhaushalt 5% 1% 3% 7% 6% Mind. drei Kinder im HH 6% 8% 11 % 13 % 5% Deutsche Staatsangehörigkeit 89 % 79 % 80 % 83 % 91 % Durchschnittseinkommen Quelle: Daten des Panels „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS); N=58747 (Einige Variablen weisen fehlende Werte auf). Gewichtete Ergebnisse. 87 Tabelle 7: Stichprobenbeschreibung – Alle Wellen – Unter 25-Jährige Alle Arbeitslose im SGB II "Aufstocker" Arme ohne SGB II Gesichertes Einkommen 1162.56 657.61 716.35 562.89 1448.50 Kein SGB-II-Bezug 89 % 0% 0% 100 % 100 % Kurzzeit-SGB-II-Bezug (<12 Monate) 3% 27 % 33 % 0% 0% Langzeit-SGB-II-Bezugsdauer (12-23 Monate) 2% 25 % 21 % 0% 0% Dauerhafter SGB-II-Bezug (>23 Monate) 5% 48 % 46 % 0% 0% Einkommensarm 30 % 78 % 63 % 100 % 0% Erwerbstätig/Selbständig 29 % 0% 10 % 14 % 38 % Ein-Euro-Job 0% 0% 6% 0% 0% Mini-Job 4% 0% 15 % 3% 4% Aus-/Weiterbildung 54 % 0% 45 % 72 % 51 % Hausfrau/mann 2% 0% 10 % 3% 2% Mutterschutz/Elternzeit/Erz.urlaub 2% 0% 14 % 1% 2% Arbeitslos <12 Monate 3% 21 % 0% 5% 2% Arbeitslos 12-23 Monate 2% 26 % 0% 1% 1% Arbeitslos >23 Monate 2% 53 % 0% 1% 0% Alter 21,1 22.15 20.93 21.13 21,5 Frau 48 % 52 % 57 % 48 % 46 % Kein Abschluss 4% 16 % 11 % 5% 2% Hauptschulabschluss 28 % 55 % 50 % 27 % 24 % Mittlere Reife 32 % 24 % 29 % 21 % 37 % (Fach)Hochschulreife 33 % 5% 10 % 45 % 33 % (Fach)Hochschulabschluss 3% 1% 1% 2% 4% Ein-Personen-Haushalt 25 % 34 % 20 % 47 % 19 % Paar ohne Kinder 12 % 8% 8% 7% 14 % Ein-Eltern-Haushalt 1% 13 % 6% 1% 0% Paar mit Kindern 7% 25 % 29 % 8% 4% Anderer Haushaltstyp 5% 6% 4% 6% 4% Kind im Ein-Eltern-Haushalt 11 % 7% 20 % 9% 11 % Kind im Paarhaushalt 38 % 8% 13 % 22 % 47 % Mind. drei Kinder im HH 0% 3% 3% 1% 0% Deutsche Staatsangehörigkeit 92 % 82 % 81 % 91 % 95 % Durchschnittseinkommen Quelle: Daten des Panels „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS); N=7620 (Einige Variablen weisen fehlende Werte auf). Gewichtete Ergebnisse. 88 Kurzprofil Das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. (ISS-Frankfurt a. M.) wurde im Jahr 1974 vom Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt e.V. (AWO) gegründet und ist seit 1991 als rechtlich selbständiger gemeinnütziger Verein organisiert. Der Hauptsitz liegt in Frankfurt am Main. In Berlin unterhält das ISS ein Projektbüro. Das ISS-Frankfurt a. M. beobachtet, analysiert, begleitet und gestaltet Entwicklungsprozesse der Sozialen Arbeit und erbringt wissenschaftliche Dienstleistungen für öffentliche Einrichtungen, Wohlfahrtsverbände und private Träger. Gefördert wird das Institut durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). • Das Leistungsprofil des ISS-Frankfurt a. M. steht als wissenschaftsbasiertes Fachinstitut für Praxisberatung, Praxisbegleitung und Praxisentwicklung an der Schnittstelle von Praxis, Politik und Wissenschaft der Sozialen Arbeit und gewährleistet damit einen optimalen Transfer. • Zum Aufgabenspektrum gehören wissenschaftsbasierte Dienstleistungen und Beratung auf den Ebenen von Kommunen, Ländern, Bund und der Europäischen Union sowie der Transfer von Wissen in die Praxis der Sozialen Arbeit und in die Fachöffentlichkeit. • Die Arbeitsstruktur ist geprägt von praxiserfahrenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, häufig mit Doppelqualifikationen, die ein breites Spektrum von Themenfeldern in interdisziplinären Teams bearbeiten. Dadurch ist das Institut in der Lage, flexibel auf Veränderungen in Gesellschaft und Sozialer Arbeit sowie die daraus abgeleiteten Handlungsanforderungen für Dienstleister, Verwaltung und Politik einzugehen. • Auf unserer Website www.iss-ffm.de finden Sie weitere Informationen zum ISS-Frankfurt a. M. und zu dessen Kooperationen sowie Arbeitsberichte, Gutachten und Expertisen zum Download oder Bestellen. Gemeinnütziger e. V. Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. Zeilweg 42 60439 Frankfurt am Main Telefon +49 (0) 69 / 95789-0 Telefax +49 (0) 69 / 95789-190 E-Mail [email protected] Internetwww.iss-ffm.de