1-seitig

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4. Orthogonale Funktionensysteme
Wir haben bereits eine Reihe von orthogonalen Funktionensystemen als
Beispiele von Orthogonalsystemen in Hilberträumen kennengelernt (Legendrefunktionen, Hermitefunktionen, Laguerrefunktionen). Wir wollen diese
Funktionensysteme im Folgenden als Lösungen von Differentialgleichungen diskutieren, die in der Quantenmechanik auftauchen, typischerweise
nach Anwendung eines Separationsansatzes auf partiellen Differentialgleichungen. Zur Einordnung dieser und vieler anderer wichtiger gewöhnlicher
Differentialgleichungen der Physik führen wir zunächst die Sturm-LiouvilleGleichungen ein. Weil der Sturm-Liouville-Operator hermitesch ist, sind die
Lösungen der Sturm-Liouville-Gleichung Orthogonalsysteme reeller Funktionen. Damit erschließt sich ein wichtiger Zusammenhang zwischen der
Theorie der linearen Operatoren auf Hilberträumen und den linealen Differentialgleichungen der Quantenmechanik.
4.1 Sturm-Liouville-Gleichungen
Die Sturm-Liouville-Gleichungen haben die allgemeine Form
d2 y
dy
dp(x)
p(x) 2 + r(x)
+ q(x)y + λρ(x)y = 0 mit r(x) =
, (4.1)
dx
dx
dx
wobei p, q und r reelle Funktionen von x sind. (Für den Term λρ(x)y findet
man auch die Vorzeichenkonvention −λρ(x)y). Wir wollen uns jetzt vergewissern, dass die Lösungen der Sturm-Liouville-Gleichungen mit geeigneten Randbedingungnen Eigenfunktionen eines hermiteschen Operators
sind. Gl. (4.1) kann als
d2
d
L(y) = λρ(x)y mit L ≡ − p(x) 2 + r(x)
+ q(x)
(4.2)
dx
dx
geschrieben werden. Unter Verwendung von r(x) = p 0 (x) lässt sich Gl. (4.2)
umschreiben als
(py 0 ) 0 + qy + λρy = 0
(4.3)
54
wobei 0 die Ableitung nach x bedeutet. Damit können wir
Ly = − (py 0 ) 0 − qy = λρy
(4.4)
schreiben und erhalten den Sturm-Liouville-Operator in der Form
d
d
L≡−
p(x)
+ q(x)
dx
dx
(4.5)
Hermitezität des Sturm-Liouville-Operators
Jetzt zeigen wir, dass der lineare Operator L selbstadjungiert ist. Der adjungierte Operator L† zu L ist hier definiert als
Zb
Zb
∗
dx f∗ (x) Lg(x) =
dx L† f(x) g(x) + Randterme
(4.6)
a
a
Der adjungierte Operator kann also durch partielle Integration gefunden
werden. Falls L† = L, wird L selbstadjungiert genannt. Wenn zusätzlich
von den Funktionen, auf die der Operator wirkt, oder vom Operator selbst,
Randbedingungen erfüllt werden, sodass die Randterme in Gl. (4.6) verschwinden, dann ist der Operator hermitesch im Intervall a 6 x 6 b. In
diesem Fall gilt
Zb
Zb
∗
∗
dx f (x) Lg(x) =
dx Lf(x) g(x)
(4.7)
a
a
Falls der Sturm-Liouville-Operator die Randbedingungen
∗ 0
yi pyj x=a = y∗i pyj0 x=b ∀ i, j
bzw.
y∗i pyj0
x=b
x=a
(4.8)
=0
(4.9)
erfüllt, dann ist L im Intervall [a, b] hermitesch. Es gibt viele Möglichkeiten,
wie die Funktionen yi und ihre Ableitungen yi0 diese Randbedingungen
erfüllen können, sodass die Klasse der Probleme, die zu hermiteschen SturmLiouville-Operatoren führen, sehr groß ist. Wir zeigen nun die Hermitezität von L unter diesen Voraussetzungen, indem wir die Gleichung Ly =
−(py 0 ) 0 − qy in die Definitionsgleichung des hermiteschen Operators (4.7)
einsetzen; für die linke Seite finden wir:
Zb
Zb h
Zb
i
− dx y∗i (pyj0 ) 0 + y∗i qyj dx = − dx y∗i (pyj0 ) 0 − dx y∗i qyj dx
a
a
a
(1)
55
Wir integrieren den ersten Term zweimal partiell:
Zb
ib Z b
h
ib
h
0
∗ 0
0
0
∗ 0
∗
+ dx (yi ) pyj = (yi ) pyj − dx (y∗i ) 0 p yj
(1) = yi pyj
a
a
a
=0 (Randbed.)
a
=0 (Randbed.)
und damit
Zb h
Zb h
i
i
∗
∗ 0 0
∗
0 0
∗
− dx yi (pyj ) + yi qyj = − dx yj p(yi ) + yj qyi
a
a
d.h. der Sturm-Liouville-Operator ist in dem Intervall a 6 x 6 b hermitesch.
Transformation von Differentialgleichungen auf Sturm-Liouville-Form
Jede Differentialgleichung zweiter Ordnung der Form
p(x)y 00 + r(x)y 0 + q(x)y + λρ(x)y = 0
(4.10)
kann auf Sturm-Liouville-Form gebracht werden, indem man mit einem
geeigneten integrierenden Faktor multipliziert; dieser ist
Zx
r(u) − p 0 (u)
F(x) = exp
du
(4.11)
p(u)
Damit erhält Gl. (4.10) die Sturm-Liouville-Form
0
F(x)p(x)y 0 + F(x))q(x)y + λF(x)ρ(x)y = 0
(4.12)
mit einer anderen nichtnegativen Gewichtsfunktion F(x)ρ(x) als zuvor. In
Tab. 4.1 sind die Koeffizienten p, q, λ und ρ zur Sturm-Liouville-Gleichung
−(py 0 ) 0 − qy = λρy
(4.13)
für eine Reihe wichtiger Differentialgleichungen der Physik angegeben.
Beispiel:
Die Laguerre-Differentialgleichung
xy 00 + (1 − x)y 0 + ny = 0
(4.14)
ist in Sturm-Liouville-Form zu bringen.
Mit der Identifikation p(x) = x, r(x) = 1 − x, p 0 (x) = 1 finden wir für
den integrierenden Faktor (Gl. (4.11)):
Zx Zx
1−u−1
F(x) = exp
du
= exp − du = e−x
u
56
Gleichung
Laguerre
Assoziierte Laguerre
Legendre
Assoziierte Legendre
Tschebyscheff
p(x)
xe−x
xm+1 e−x
1 − x2
1 − x2
√
1 − x2
2
e−x
1
Funktionen
Ln (x)
Lm
n (x)
Pn (x)
Pnm (x)
Tn (x)
Hermite
Hn (x)
Einfach harmonische
q(x)
0
0
0
2
− 1m
−x2
0
0
0
λ
r
r
l(l + 1)
l(l + 1)
r2
2r
ω2
ρ(x)
e−x
xm e−x
1
1
√ 1
1−x2
−x2
e
1
Tabelle 4.1: Sturm-Liouville-Form für wichtige gewöhnliche Differentialgleichungen der Physik.
Einsetzen in Gl. (4.12) ergibt
0
⇒ e−x xy 0 + ne−x y = 0
Damit lesen wir für die Koeffizienten der Sturm-Liouvillegleichung der
Form (4.13) ab: p(x) = xe−x , q(x) = 0, λ = n, ρ(x) = e−x , wie in
Tabelle 4.1 angegeben.
Lösung der Laguerre-Gleichung
Die Laguerre-Differentialgleichung ist gegeben durch
xy 00 (x) + (1 − x)y 0 (x) + ny(x) = 0 ,
n ∈ N0 ,
x∈R
(4.15)
Lemma 4.1. Zu festem Wert n ∈ N0 existiert ein bis auf einen konstanten Vorfaktor eindeutiges Polynom y vom Grade n mit reellwertigen
Koeffizienten, das diese Gleichung erfüllt.
Beweis:
Wir zeigen zunächst für fest vorgegebenes λ ∈ R, dass die Differentialgleichung
xy 00 (x) + (1 − x)y 0 (x) + λy(x) = 0
(4.16)
eine Potenzreihenlösung
y(x) =
∞
X
cj xj
(4.17)
j=0
57
besitzt. Es gilt:
0
y (x) =
00
y (x) =
∞
X
j=1
∞
X
j−1
jcj x
∞
X
=
(j + 1)cj+1 xj
j=0
j−2
j(j − 1)cj x
j=2
=
∞
X
j(j + 1)cj+1 xj−1
j=1
Einsetzen in Gl. (4.16) und Koeffizientenvergleich ergibt:
∞
X
∞
∞
X
X
j(j + 1)cj+1 xj + (1 − x)
(j + 1)cj+1 xj +λ
cj xj = 0
j=1
⇒
P∞
j=0
P∞
j
j
j=0 (j+1)cj+1 x − j=0 jcj x
∞
X
j=0
j(j + 1)cj+1 + (j + 1)cj+1 − jcj + λcj xj = 0
j=0
⇒ (j + 1)2 cj+1 = (j − λ)cj ∀ j ∈ N0
(4.18)
Für festes λ hat diese Lösung nur eine bis auf einen konstanten Vorfaktor
eindeutige Lösung, die durch Gl. (4.18) festgelegt ist. Falls jetzt λ = n ∈
N0 , dann folgt aus Gl. (4.18), dass die bis auf einen Vorfaktor eindeutige
Potenzreihenlösung ein Polynom vom Grade λ ist (denn für j = λ wird
cj+1 = 0 und damit auch 0 = cj+2 = cj+3 = . . . ). Die so gefundene
Lösung ist genau die polynomiale Lösung y vom Grade n, wie im Lemma
behauptet. Durch die Wahl von c0 kann stets erreicht werden, dass es sich
bei y um ein Polynom vom Grade n mit reellen Koeffizienten handelt.
Aus der Rekursionsformel ergeben sich dann die Laguerre-Polynome zu
2 (n − 1)2
2
n
n
xn−2 ∓ · · · + (−1)n n!
yn (x) = Ln (x) = (−1)n xn − xn−1 +
1!
2!
n
X
n! (−x)k
=
(n − k)! k!
k=0
(4.19)
Die ersten sechs sind in Abb. 4.1 dargestellt.
Es gilt die Orthogonalitätsrelation
Z∞
dx Lm (x)Ln (x)e−x = 0
∀ m, n ∈ N0 , m 6= n
0
58
(4.20)
20
n=0
n=1
n=2
n=3
n=4
n=5
15
Ln(x)
10
5
0
-5
-10
-4
-2
0
2
4
x
6
8
10
12
Abbildung 4.1: Die ersten sechs Laguerre-Polynome.
d.h. im Skalarprodukt der Laguerrepolynome wird die Gewichtsfunktion
w(x) = ρ(x) = e−x verwendet:
Z∞
hLm |Ln iw =
dx e−x Lm (x)Ln (x)
(4.21)
0
Beweis:
Wir beginnen mit den Laguerre-Gleichungen für zwei verschiedene Werte
m, n ∈ N0 , d.h.
00
0
xLm
(x) + (1 − x)Lm
(x) + mLm (x) = 0
00
xLn (x) + (1 − x)Ln0 (x) + nLn (x) = 0
Wir multiplizieren die Gleichungen mit Ln (x) bzw. Lm (x) und ziehen sie
voneinander ab:
00
x Ln (x)Lm
(x) − Lm (x)Ln00 (x)
0
0
+ (1 − x) Ln (x)Lm (x) − Lm (x)Ln (x) = (n − m)Lm (x)Ln (x)
−x
0
0
0
⇔ xe Ln (x)Lm (x) − Lm (x)Ln (x) = (n − m)e−x Lm (x)Ln (x)
Nun integrieren wir die letzte Gleichung von 0 bis ∞; da Lm (x) m ∈ N0
Polynome sind, gibt es wegen der Exponentialfunktion kein Problem an
59
der oberen Grenze:
Z∞
∞
0
(x)−Lm (x)Ln0 (x) 0 = 0
(n−m)
dx e−x Lm (x)Ln (x) = xe−x Ln (x)Lm
0
Für n 6= m gilt also die behauptete Orthogonalitätsrelation.
Anstelle der expliziten Darstellung der Laguerrepolynome (4.19) erweist
sich oft die sogenannte Rodriguesformel als nützlich, insbesondere wenn
über die Polynome integriert werden muss. Die allgemeine Form der Rodriguesformel für polynomiale Lösungen der Sturm-Liouville-Gleichung (4.13)
lautet
n dn 1
w(x) p(x)
(4.22)
Pn (x) =
an w(x) dxn
mit dem Normierungsfaktor an und dem Gewicht w(x) = ρ(x). Im Fall
der Laguerrepolynome erhalten wir die Rodriguesformel
n n −x
d
x
e
1
Ln (x) = ex
(4.23)
n!
dxn
Die erzeugende Funktion A(z) einer Folge von Entwicklungskoeffizienten {cn }n∈N0 ist definiert als
A(z) =
∞
X
cn z n
(4.24)
n=0
Erzeugende sind oft nützlich, wenn es keine explizite Form für die Folgenglieder gibt; sie helfen manchmal, Rekursionsformeln zu finden oder die
Asymptotik der Folge zu untersuchen. Die erzeugende Funktion der Laguerrepolynome lautet
xz
∞
exp − 1−z
X
Ln (x)zn
=
(4.25)
1−z
n!
n=0
Assoziierte Laguerre-Polynome
Die assoziierten Laguerre-Polynome Lm
n (x) ergeben sich als Lösung der
Differentialgleichung
xy 00 + (m + 1 − x)y 0 + nx = 0
60
(4.26)
in herkömmlicher Form bzw.
h
i0
m+1 −x 0
x
e y + nxm e−x y = 0
(4.27)
in Sturm-Liouville-Form. Diese Gleichung tritt bei der Bestimmung des
Radialanteils eines Teilchen in einem Zentralpotential, als z.B. beim Wasserstoffatom auf. Lm
n (x) ist ein Polynom n-ten Grades mit der expliziten
Darstellung
k
n
X
x
n
+
m
(−1)k
Lm
,
n ∈ N0 ; m > −1
(4.28)
n (x) = n!
n − k k!
k=0
mit L0n (x) = Ln (x). Die ersten drei assoziierten Laguerrepolynome sind
2
m
m
Lm
0 (x) = 1 ; L1 (x) = m+ 1 −x ; L2 (x) = (1 +m)(2 +m)− 2(2 +m)x+x
Für Orthogonalität und Normierung gilt
Z∞
m
dx xm e−x Lm
n (x)Ll (x) = n!Γ (n + m + 1)δnl
(4.29)
mit der Gammafunktion
Z∞
Γ (p) :=
dx xp−1 e−x ,
(4.30)
0
0
Re p > 0
Es gilt die Rekursionsformel
Γ (p + 1) = pΓ (p)
(4.31)
Für natürliche Zahlen gilt Γ (n + 1) = n!. Damit ist die Normierung der
Laguerrepolynome
Z∞
dx e−x Ln (x)Ll (x) = (n!)2 δnl
(4.32)
0
Die Formel von Rodrigues ist
dn −x n+m =x e
e x
(4.33)
dxn
Außerdem ergibt die m-te Ableitung der Laguerregleichung die assoziierte Lagurerregleichung, und die assoziierten Laguerrepolynome Lm
n (x) sind
durch
m
m
m d
Ln (x) = (−1)
Ln+m (x)
(4.34)
dxm
Lm
n (x)
−m x
61
mit den Laguerrepolynomen verknüpft.
Beweis von Orthonormalität und Normierung:
0
Für den selbstadjungierten Differentialoperator Ly(x) = xm+1 e−x y 0 (x)
gilt
Z∞
Z∞
m+1 −x d m 0 m
d
0
m+1 −x
m
(x)
x
e
dx Lm
(x)
−
dx
x
e
L
L (x) Ll (x) = 0
n
dx l
dx n
0
0
da die Randterme verschwinden (wegen des Faktors xm+1 , m > −1 bei x =
0 und wegen des Faktors e−x im Unendlichen. Ausnutzen der assoziierten
Laguerreschen Differentialgleichung (4.27) liefert
Z∞
m
(n − l)
dx xm e−x Lm
n (x)Ll (x) = 0
0
woraus die Orthogonalität
Z∞
m
dx xm e−x Lm
n (x)Ll (x) = 0
∀ n 6= l
0
(4.35)
folgt. Zur Berechnung des Normierungsintegrals benutzt man für ein Lm
n (x)
die Formel von Rodrigues und wälzt die Ableitungen mittels partieller Integration auf das andere Lm
n (x) über; die Randterme verschwinden dabei:
Z∞
Z∞
dn −x n+m 2
m −x m
m
dx x e Ln (x) =
dx Ln (x) n e x
dx
0
0
Z∞
n
n
−x n+m d
= (−1)
dx e x
Lm
n (x)
n
dx
0
Aus der expliziten Darstellung (4.28) folgt (man muss wegen der n Ableitungen nur den Summanden mit k = n berücksichtigen)
dn m
Ln (x) = (−1)n n!
n
dx
und somit mit der Definition (4.30) der Gammafunktion
Z∞
2
dx xm e−x Lm
(x)
= n!Γ (n + m + 1) .
n
0
Legendre-Polynome
62
(4.36)
Bei der Lösung der Laplace- oder Schwingungsgleichung in Kugelkoordinate r, ϑ., ϕ geben die Legendrepolynome Pl (cos ϑ) den Winkelanteil in
Kugelkoordinaten einer ϕ-unabhängigen Partikulärlösung 1 an.
Pl (cos ϑ) ist die bei x = ±1 beschränkte Lösung der Differentialgleichung
(1 − x2 )y 00 (x) − 2xy 0 (x) + l(l + 1)y(x) = 0
oder in Sturm-Liouvilleform
0
(1 − x2 )y 0 (x) + l(l + 1)y(x) = 0
− 1 6 x 6 1 (4.37)
−16x61
(4.38)
mit der Normierung Pl (1) = 1, l ∈ N0 .
Eine von Pl (x) linear unabhängige Lösung ist die sogenannte Legendresche
Funktion 2. Art Ql (x)
1
1+x
Ql (x) = Pl (x) ln
+ Polynom (l − 1)-ten Grades
2
1−x
Die explizite Darstellung der Legendrepolynome ist
kmax
1 X
(2l − 2k)!
Pl (x) = l
xl−2k ,
(−1)k
2
(l − 2k)!(l − k)!k!
k=0
l
für l gerade
2
wobei kmax = l−1
für l ungerade
2
(4.39)
l ∈ N0 , −1 6 x 6 1
(4.40)
Man findet dies durch Einsetzen des Potenzreihenansatzes
∞
X
y(x) =
ak xk
k=0
in die Differentialgleichung (4.37), wie wir das bereits für die Laguerregleichung getan haben. Das führt auf die Rekursionsformel
ak+2 = −
(l − k)(l + k + 1)
ak ,
(k + 2)(k + 1)
k ∈ N0 .
(4.41)
Die Legendrepolynome sind orthogonal und folgendermaßen normiert:
Z1
2
,
Pl (1) = 1
(4.42)
dx Pn (x)Pl (x) = δnl
2l + 1
−1
P
(i)
Jede Funktion y(x), die die homogene lineare Differentialgleichung n
i=0 fi (x)y (x) = 0 erfüllt, ist
eine Partikulärlösung der homogenen Differentialgleichung. Wenn y1 und y2 jeweils Partikulärlösungen
einer homogene linearen Differentialgleichung sind, dann ist auch die Linearkombination c1 y1 + c2 y2 eine
Lösung dieser homogenen Differentialgleichung.
1
63
Sie bilden in [−1, 1] ein vollständiges Orthogonalsystem. Die Rodriguesformel lautet
Pl (x) =
(−1)l dl 2 l
(
1
−
x
)
2l l! dxl
(4.43)
Die erzeugende Funktion ist
1
√
=
1 − 2xz + z2
∞
X
Pl (x)zl falls |z2 − 2xz| < 1
(4.44)
l=0
Es gelten die Rekursionsformeln (die erste folgt sofort aus der expliziten
Darstellung)
Pl (x) = (−1)l Pl (−x)
(4.45)
(l + 1)Pl+1 (x) = (2l + 1)xPl (x) − lPl−1 (x)
(4.46)
(1 − x2 )Pl0 (x) = (l + 1) xPl (x) − Pl+1 (x) = l Pl−1 (x) − xPl (x)
(4.47)
In Abb. 4.2 sind die ersten sechs Legendrepolynome gezeigt.
1
n=0
n=1
n=2
n=3
n=4
n=5
Pl(x)
0.5
0
-0.5
-1
-1
-0.5
0
x
0.5
Abbildung 4.2: Die ersten sechs Legendre-Polynome.
64
1
Beweise:
a) Der Beweis der Orthogonalität nutzt wieder die Hermitezität des SturmLiouville-Operators
der Legendre-Differentialgleichung; für diesen Opera
0
2
0
tor L = (1 − x )y (x) gilt
Z1
Z1
0
0
2
0
dx (1 − x2 )Pn0 (x) Pl (x)
0=
dx Pn (x) (1 − x )Pl (x) −
−1
−1
Z1
= n(n + 1) − l(l + 1)
dx Pn (x)Pl (x)
−1
unter Verwendung der Differentialgleichung (4.38). Also gilt
Z1
dx Pn (x)Pl (x) = 0
∀ n 6= l
(4.48)
−1
b) Zur Berechnung des Normierungsintegrals verwenden wir wieder die
Formel von Rodrigues und wälzen die Ableitungen mittels partieller Integration über. Durch Faktoren (1 − x2 ) verschwinden die Randterme:
Z1
Z1
2
l
1
dl 2 l d
2 l
dx Pl (x) = 2l 2
dx l (1 − x )
(
1
−
x
)
2 (l!)
dx
dxl
−1
−1
l+1 R1
l−1
= (−1)
(−1)l
= 2l 2
2 (l!)
Z1
d
−1 dx dxl−1
(1−x2 )l
d
dxl+1
(1−x2 )l
= ...
d 2l
dx (1 − x ) 2l (1 − x2 )l
dx
−1
2 l
Bei dieser 2l-ten Ableitung müssen wir nur die höchste Potenz des Polynoms betrachten:
2l
d 2l
2 l
l d
(1 − x ) = (−1) 2l x2l = (−1)l (2l)!
2
l
dx
dx
und damit
Z1
Z
2
(2l)! 1
dx Pl (x) = 2l 2
dx (1 − x2 )l
x = cos(ϕ), dx = − sin ϕdϕ
2 (l!) −1
−1
Z
(2l)! π
= 2l 2 dϕ (sin ϕ)2l+1
2 (l!) 0
(2l)!
2l · (2l − 2) · · · 4 · 2
2
= 2l 2 2
=
2 (l!) (2l + 1) · (2l − 1) · · · 5 · 3
2l + 1
Da man die Legendrepolynome bereits über Pl (1) = 1 festgelegt hat, lassen
sie sich nicht mehr auf 1 normieren.
65
c) Beweis der Rodriguesformel:
Für die Funktion f : [−1, 1] 7→ R, f(x) = (x2 − 1)l = (−1)l (1 − x2 )l ,
l ∈ N0 gilt
2lx
f 0 (x) = 2lx(x2 − 1)l−1 = 2
f(x) ,
x −1
bzw.
(x2 − 1)f 0 (x) − 2lxf(x) = 0 .
Allgemeiner zeigt man durch Induktion, dass für die (k + 1)-te Ableitung
(k = 0, 1, . . . , 2l − 1) gilt:
(x2 − 1)f(k+1) (x) + 2x(k − l)f(k) (x) + k(k − 1 − 2l)f(k−1) (x) = 0 .
Speziell folgt für k = l + 1
(x2 − 1)f(l+2) (x) + 2xf(l+1) (x) − l(l + 1)f(l) (x) = 0 .
Also erfüllt f(l) (x) die Legendre-Differentialgleichung (4.37). Da f(l) (x) ein
Polynom l-ten Grades ist, muss gelten:
f(l) (x) = cl Pl (x) .
Zur Bestimmung des Proportionalitätsfaktors cl verwenden wir die Stelle
x = 1. Aus
dl dl 2
l
l
l
(l)
(x
−
1
)
=
(x
−
1
)
(x
+
1
)
f (x) =
dxl
dxl
folgt, da alle anderen Terme bei x = 1 verschwinden:
l
d
f(l) (1) = (x + 1)l l (x − 1)l = l!2l .
dx
x=1
Da Pl (1) = 1 ist, folgt cl = l!2l und damit
(−1)l dl 2 l
Pl (x) = l
(
1
−
x
)
2 l! dxl
Assoziierte Legendrefunktionen 1. Art
Löst man die Laplace- oder Schwingungsgleichung in Kugelkoordinaten r,
ϑ, ϕ so gibt Plm (cos ϑ)eimϕ den Winkelanteil einer Partikulärlösung an.
Die assoziierte (zugeordnete) Legendrefunktion 1. Art Plm (x) ist die bei
x = ±1 beschränkte Lösung der Differentialgleichung
2
m
(1 − x2 )y 00 (x) − 2xy 0 (x) + l(l + 1) −
y(x) = 0
−1 6 x 6 1
1 − x2
66
(4.49)
oder in Sturm-Liouvilleform
2
m
0
y(x) = 0
(1 − x2 )y 0 (x) + l(l + 1) −
1 − x2
− 1 6 x 6 1 . (4.50)
Eine von Plm (x) linear unabhängige Lösung ist die assoziierte Legendrefunktion 2. Art Qm
l (x); sie ist bei x = ±1 singulär.
Die assoziierten Legendrefunktionen 1. Art haben die explizite Darstellung
m
m d
Plm (x) = (1 − x2 ) 2 m Pl (x) ,
l ∈ N0 , m = 0, 1, . . . , l
(4.51)
dx
wobei
Pl0 (x) = Pl (x)
(4.52)
bzw. wenn man die Formel von Rodrigues (4.43) für Pl (x) einsetzt:
Plm (x)
1
dm+l 2
2 m
2
= l (1−x )
(x −1)l ,
m+l
2 l!
dx
l ∈ N0 , m = −l, −l+1, . . . , l−1, l
(4.53)
Durch diese Beziehung lässt sich Plm (x) auch für negative m-Werte definieren, wobei gilt:
(l − m)! m
P (x)
m = 0, 1, . . . , l
(l + m)! l
Orthogonalität und Normierung:
Z1
2 (l + m)!
dx Plm (x)Plm0 (x) = δll 0
2l + 1 (l − m)!
−1
Z1
dx
m
m0
P
(x)P
für m 6= m 0
l
l (x) = 0
2
−1 1 − x
Rekursionsformeln, Beziehungen:
Pl−m (x) = (−1)m
(4.54)
(4.55)
(4.56)
Plm (−x) = (−1)l+m Plm (x)
(4.57)
m
m
m
(l − m + 1)Pl+
1 (x) − (2l + 1)xPl (x) + (l + m)Pl−1 (x) = 0 (4.58)
d
m
(1 − x2 ) Plm (x) = (l + 1)xPlm (x) − (l − m + 1)Pl+
1 (x)
dx
m
m
= (l + m)Pl−
(4.59)
1 (x) − lxPl (x)
p
m
xPlm (x) − (l − m + 1) 1 − x2 Plm−1 (x) − Pl−
(4.60)
1 (x) = 0
p
x
m
2 m−1 (x) = 0
Pl+
(4.61)
1 − xPl (x) − (l + m) 1 − x Pl
67
Die erste Beziehung folgt aus der expliziten Darstellung; die Rekursionsformeln folgen aus denen für Pl (x) durch m-malige Differentiation.
Im folgenden beweisen wir die explizite Darstellung. Dazu notieren wir den
allgemeinen (also nicht nur für die assoziierten Legendrefunktionen 1. Art)
geltenden Satz:
Satz 4.1. Ist yl (x) eine Lösung der Legendreschen Differentialgleichung
(1 − x2 )yl00 (x) − 2xyl0 (x) + l(l + 1)yl (x) = 0
− 1 6 x 6 1 (4.62)
so ist
dm
:= (1 − x )
yl (x)
m ∈ N0
(4.63)
dxm
eine Lösung der Differentialgleichung für die assoziierten Legendrefunktionen
2
m
y(x) = 0
−1 6 x 6 1
(1 − x2 )yl00 (x) − 2xyl0 (x) + l(l + 1) −
1 − x2
(4.64)
ym
l (x)
2
m
2
Beweis:
Differenziert man die Gleichung (4.62) m mal, dann folgt durch Induktion:
(m)
(m+1)
(m+2)
(x)+ l(l+ 1)−m(m+ 1) yl (x) = 0
(x)− 2(m+ 1)xyl
(1 −x2 )yl
(4.65)
Macht man andererseits für eine Lösung y der Differentialgleichung (4.64)
für die assoziierten Legendrefunktionen den Ansatz
m
y(x) = (1 − x2 ) 2 ỹ(x)
(4.66)
so folgt für ỹ die Differentialgleichung
(1 − x2 )ỹ 00 (x) − 2(m + 1)xỹ 0 (x) + l(l + 1) − m(m + 1) ỹ(x) = 0 (4.67)
ỹ erfüllt also die m mal differenzierte Legendresche Differentialgleichung.
Gehen wir daher von den beiden linear unabhängigen Lösungen der Legendreschen Differentialgleichung Pl (x), Ql (x), l ∈ N0 aus, so ergeben sich
daraus die beiden linear unabhängigen zugeordneten Legendre-Funktionen
dm
m
2 m
2
Pl (x)
m = 0, 1, . . . , l
Pl (x) = (1 − x )
dxm
(4.68)
dm
m
2 m
Ql (x) = (1 − x ) 2 m Ql (x)
m = 0, 1, . . . , l
dx
68
Beweis von Orthonormalität und Normierung:
Wie bei den Legendrepolynomen folgt
l(l+1)−l 0 (l 0 −1)
Z1
−1
0
dx Plm (x)Plm0 (x) = m2 −m
02
d.h. für l = l 0
Z1
dx
0
m0
m
(x)P
P
l (x) = 0falls m 6= m .
l
2
−1 1 − x
Für m = m 0 folgt
Z1
dx Plm (x)Plm0 (x) = 0
−1
falls l 6= l 0
Z1
dx
m0
m
(x)P
P
0 (x)
l
l
2
1
−
x
−1
(4.69)
(4.70)
(4.71)
2
R1
Das Normierungsintegral −1 dx Plm (x) lässt sich mithilfe einer Rekursionsformel auf das Normierungsintegral für Pl (x) zurückführen.
Kugelflächenfunktionen Ylm (ϑ, ϕ)
Physikalisches Problem:
Ylm (ϑ, ϕ), l ∈ N0 , m = −l, −l + 1, . . . , l − 1, l, 0 6 ϑ 6 π, 0 6 ϕ 6 2π
gibt den Winkelanteil einer Partikulärlösung der Laplace- oder Schwingungsgleichung in Kugelkoordinaten r, ϑ, ϕ an.
*
*
*
Das elektrische Potential φ(r 0 ), r 0 ∈ R3 einer Ladungsverteilung ρ(r),
*
r ∈ V ∈ R3 ,
Z
*
ρ(r)
*0
3
φ(r ) =
d r * *0
(4.72)
|
r
−
r
|
V
*
*
besitzt für r 0 = |r 0 | > r = |r| die Multipolentwicklung
*0 *
Z
X
r
4
π
c
*
*
lm m
3
l ∗m r
d
r
ρ(
r)r
Y l
φ(r 0 ) =
Y
mit
c
=
lm
2l + 1 r 0 l+1 l r 0
r
V
ml
(4.73)
(der Einheitsvektor als Argument von Ylm repräsentiert die beiden Winkel
ϑ und ϕ).
69
In der Quantenmechanik sind die Kugelflächenfunktionen die Eigenfunk*
tionen des Drehimpulsoperators L̂ = hi r × ∇
2
2
∂
∂
∂
L̂2 Ylm (ϑ, ϕ) = − h2 2 + cot ϑ
+ (1 + cot2 ϑ) 2 Ylm (ϑ, ϕ)
∂ϑ
∂ϑ
∂ϕ
(4.74)
= h2 l(l + 1)Ylm (ϑ, ϕ)
h ∂ m
L̂z Ylm (ϑ, ϕ) =
(4.75)
Yl (ϑ, ϕ) = hmYlm (ϑ, ϕ)
i ∂ϕ
Definition der Kugelflächenfunktionen:
s
Ylm (ϑ, ϕ) = (−1)m
2l + 1 (l − m)! m
Pl (cos ϑ)eimϕ
4π (l + m)!
m = − l, −l + 1, . . . , l − 1, l ;
(4.76)
l ∈ N0
d.h. für die ersten drei l-Werte
r
1
r
r 4π
3
3
cos ϑ
Y1±1 (ϑ, ϕ) = ∓
sin ϑ e±iϕ
Y10 (ϑ, ϕ) =
4π
8π r
r
1
5
15
Y20 (ϑ, ϕ) =
3 cos2 ϑ − 1
Y2±1 (ϑ, ϕ) = ∓
cos ϑ sin ϑ e±iϕ
2 r 4π
8π
1 15
Y2±2 (ϑ, ϕ) =
sin2 ϑ e±2iϕ
2 8π
(4.77)
Y00 (ϑ, ϕ) =
Die Beträge der ersten Kugelflächenfunktionen sind in Abb. 4.3 dargestellt.
Durch Bildung von Linearkombinationen lassen sich die Kugelflächenfunktionen auch zu einem vollständigen Orthonormalsystem von reellen Funktionen kombinieren; dabei identifizieren wir die Komponenten des Einheits*
vektors in Kugelkoordinaten er ≡ (x, y, z) = (sin ϑ cos ϕ, sin ϑ sin ϕ, cos ϑ),
70
um die Symmetrie festzustellen:
r
Y00 (ϑ, ϕ) =
1
4π
r
r
3
3
cos ϑ =
z
4π
4
π
r
r
Y11 (ϑ, ϕ) + Y1−1 (ϑ, ϕ)
3
3
√
=
sin ϑ sin ϕ =
y
4π
4π
−i 2
r
r
Y11 (ϑ, ϕ) − Y1−1 (ϑ, ϕ)
3
3
√
=
sin ϑ cos ϕ =
x
4π
4π
− 2r
r
1
5
1
5
Y20 (ϑ, ϕ) =
3 cos2 ϑ − 1 =
( 3z 2 − 1)
2 4π
2 4π
r
r
Y21 (ϑ, ϕ) + Y2−1 (ϑ, ϕ)
1 15
1 15
√
sin ϑ cos ϑ sin ϕ =
yz
=
2 π
2 π
−i 2
r
r
−1
1
Y2 (ϑ, ϕ) − Y2 (ϑ, ϕ)
1 15
1 15
√
=
sin ϑ cos ϑ cos ϕ =
xz
2 π
2 π
− 2
r
r
Y22 (ϑ, ϕ) − Y2−2 (ϑ, ϕ)
1 15
1 15 2
√
sin ϑ sin ϕ cos ϕ =
xy
=
2 π
2 π
i 2
r
Y22 (ϑ, ϕ) + Y2−2 (ϑ, ϕ)
1 15 2
√
sin ϑ(sin2 ϕ − cos2 ϕ)
=
4 π
2
r
1 15 2
(x − y2 )
4 π
(4.78)
Yz (ϑ, ϕ) = Y10 (ϑ, ϕ) =
Yy (ϑ, ϕ) =
Yx (ϑ, ϕ) =
Yz2 (ϑ, ϕ) =
Yyz (ϑ, ϕ) =
Yxz (ϑ, ϕ) =
Yxy (ϑ, ϕ) =
Yx2 −y2 (ϑ, ϕ) =
=
Diese Funktionen sind in Abb. 4.4 dargestellt. In der chemischen Notation
repräsentiert Y00 eine s-Wellenfunktion, Yx , Yy und Yz stehen für px , py und
pz ; Yz2 , Yyz , Yxz , Yxy und Yx2 −y2 stehen für die fünf d-Wellenfunktionen
dz2 , dyz , dxz , dxy und dx2 −y2 .
Orthonormalität der Kugelflächenfunktionen:
Zπ
0
dϑ sin ϑ
Z 2π
0
0
m
dϕY ∗ m
l (ϑ, ϕ)Yl 0 (ϑ, ϕ) = δll 0 δmm 0
(4.79)
Die Kugelflächenfunktionen bilden ein vollständiges Orthonormalsystem
auf der Kugeloberfläche.
71
Abbildung 4.3: Der Betrag der ersten Kugelflächenfunktionen, dargestellt als Radius r = |Ylm (ϑ, ϕ)|. Durch den Betrag gilt |Yl−m (ϑ, ϕ)| =
|Ylm (ϑ, ϕ)|.
Relationen:
r
2l + 1
Pl (cos ϑ)
4π
Yl−m (ϑ, ϕ) = (−1)m Y ∗ m
l (ϑ, ϕ)
Yl0 (ϑ, ϕ) =
(4.80)
(4.81)
Additionstheorem:
l
X
m
0
0
Y ∗m
l (ϑ, ϕ)Yl (ϑ , ϕ ) =
m=−l
2l + 1
Pl (sin Θ)
4π
mit cos Θ = cos ϑ cos ϑ 0 + sin ϑ sin ϑ 0 cos(ϕ − ϕ 0 )
Beweis der Orthonormalität:
72
(4.82)
Abbildung 4.4: Der Betrag der ersten reellen Linearkombinationen von
Kugelflächenfunktionen, dargestellt als Radius r = |Yα (ϑ, ϕ)| wobei α die
Orbitalsymmetrie darstellt.
Wegen der Orthogonalität von eimϕ und Plm (x) mit x = cos ϑ gilt
Zπ
Z 2π
0
m
dϕY ∗ m
l (ϑ, ϕ)Yl 0 (ϑ, ϕ)
0
0s
s
2l + 1 (l − m)! 2l 0 + 1 (l 0 − m 0 )!
0
×
= (−1)m+m
4π (l + m)!
4π (l 0 + m 0 )!
Z 2π
Zπ
0
0
×
dϑ sin ϑPlm (ϑ)Plm0 (ϑ) = δll 0 δmm 0
dϕei(m −m)ϕ
dϑ sin ϑ
(4.83)
0
0
2πδmm 0
2 (l+m)!
0
δll 0 2l+
1 (l−m)! für m6=m
Lösbarkeit des allgemeinen Randwertproblems
Zum Abschluss der Diskussion einiger orthogonaler Funktionensysteme der
Physik, die wir als physikalisch sinnvolle Partikulärlösungen von linearen
Differentialgleichungen 2. Ordnung gefunden haben, wollen wir noch kurz
einen Blick auf die allgemeine Lösung solcher Differentialgleichungen werfen.
Die Lösung einer Differentialgleichung 2. Ordnung wird erst durch Festlegung von zwei Anfangs- oder Randbedingungen festgelegt. Bestehen diese
73
Nebenbedingungen aus Forderungen an die Funktion y(x) und ihre Ableitung an derselben Stelle x0 , so spricht man von einem Anfangswertproblem.
Wenn diese zwei Forderungen an die Funktion oder an ihre Ableitungen an
zwei verschiedenen Stellen gestellt werden, spricht man von einem Randwertproblem.
Wir betrachten die lineare Differentialgleichung 2. Ordnung
y 00 (x) + a1 (x)y 0 (x) + a2 (x)y(x) = h(x)
a6x6b
(4.84)
in einem Intervall [a, b], in dem die Funktionen a1 , a2 und h stetig sind.
Die Randbedingungen seien in der Form
α1 y(a) + β1 y 0 (a) = γ1
α2 y(b) + β2 y 0 (b) = γ2
(4.85)
mit reellen Konstanten αi , βi , γi (i = 1, 2) gegeben, wobei α1 und β1
(genauso wie α2 und β2 ) nicht beide gleichzeitig verschwinden dürfen.
Spezialfälle sind die sogenannte
1. Randwertaufgabe y(a) = γ1 ,
2. Randwertaufgabe y 0 (a) = γ1 ,
y(b) = γ2
y 0 (b) = γ2
Man spricht von einem homogenen Randwertproblem, wenn
h ≡ 0 und γ1 = γ1 = 0 ,
andernfalls von einem inhomogenen Randwertproblem. Ein homogenes Randwertproblem besitzt daher stets die triviale Lösung y ≡ 0. Allgemein ist
jedoch ein Randwertproblem nicht immer lösbar.
Die allgemeine Lösung der Differentialgleichung
Ây(x) = y 00 (x) + a1 (x)y 0 (x) + a2 (x)y(x) = h(x)
(4.86)
lautet
yallg (x) = yspez (x) + c1 y1 (x) + c2 y2 (x)
(4.87)
mit einer spezielle Lösung
Âyspez (x) = h(x) .
(4.88)
(diese entfällt für h ≡ 0) und einem Fundamentalsystem y1 , y2 der
zugehörigen homogenen Gleichung
Ây1,2 = 0 .
(4.89)
74
Wann lassen sich nun die willkürlichen Konstanten c1 , c2 so bestimmen,
dass die Randbedingungen erfüllt sind? Dazu ist erforderlich, dass
0
(a)
c1 α1 y1 (a) + β1 y10 (a) + c2 α1 y2 (a) + β1 y20 (a) = γ1 − α1 yspez (a) + β1 yspez
0
(b)
c1 α2 y1 (b) + β2 y10 (b) + c2 α2 y2 (b) + β2 y20 (b) = γ2 − α2 yspez (b) + β2 yspez
wobei beim homogenen Randwertproblem die rechte Seite verschwindet.
Das Kriterium für die Lösbarkeit dieses linearen Gleichungssystems für c1
und c2 liefert die Determinante
α1 y1 (a) + β1 y 0 (a) α1 y2 (a) + β1 y 0 (a)
2
1
(4.90)
∆ := 0
α2 y1 (b) + β2 y1 (b) α2 y2 (b) + β2 y20 (b)
Es gibt die zwei Fälle:
a) ∆ 6= 0: Dann ist das inhomogene Randwertproblem eindeutig lösbar,
während das homogene Randwertproblem nur die triviale Lösung y ≡ 0
zulässt.
b) ∆ = 0: Jetzt existiert für das homogene Randwertproblem eine nichttriviale Lösung, aber sie ist nicht eindeutig, weil jedes Vielfache einer
Lösung wieder eine Lösung ergibt. Das inhomogene Problem ist dagegen
nur in Spezialfällen lösbar.
Das homogene Randwertproblem besitzt also nur für ∆ = 0 eine nichttriviale Lösung. Nun kommt es in den physikalischen Anwendungen häufig
vor, dass die in die Differentialgleichung eingehenden Funktionen ai einen
Parameter λ enthalten: ai = ai (x, λ).
Damit wird auch die Determinante ∆ λ-abhängig: ∆ = ∆(λ). Verschwindet
nun ∆ für bestimmte λ-Werte,
∆(λn ) = 0
n = 1, 2, . . .
so ist das Problem genau für diese λn nichttrivial lösbar. Man nennt dann
die λ1 , λ2 , . . . Eigenwerte und die zugehörigen Lösungen y(x; λ1 ), y(x; λ2 ), . . .
Eigenfunktionen des Problems.
75
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