Naturkundlicher Stadtrundgang durch Nördlingen

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Naturkundlicher Stadtrundgang
durch Nördlingen
unter geologischen und geografischen Aspekten
von Joachim Stoller unter Mitwirkung von Dr. Michael Schieber
© MPZ 2012 Joachim Stoller
Einleitung
Fast in der Mitte des Meteoritenkraters „Nördlinger Ries“ liegt die Stadt Nördlingen.
Jedes Jahr finden sich zahlreiche Besucher ein, um z.B. den mittelalterlich geprägten
Stadtkern mit seinen Sehenswürdigkeiten oder das überregional bedeutsame
Rieskratermuseum kennenzulernen.
Betrachtet man aufmerksam die Bauwerke und die Grundstruktur der Altstadt, lassen
sich viele geologisch und geographisch hochinteressante Anknüpfungspunkte
entdecken.
Bei der Erstellung dieses Leitfadens stand die Absicht im Vordergrund, eben solche
Anknüpfungspunkte näher auszuführen. Als Gesteinsarten seien beispielhaft Suevit,
Malmkalk und Riesseekalk genannt. Ihnen begegnet man auf dem Rundgang immer
wieder in verschiedenen Formen.
So ist diese Anregung für einen eigenen, individuellen Rundgang für alle
entstanden. Für Lehrkräfte ist es ein Leitfaden, der als Hilfestellung für die
Vorbereitung einer Exkursion mit Schülern dienen soll. Erzieherinnen und
Erziehern kann der Leitfaden als Orientierung für einen Gang durch die Nördlinger
Altstadt dienen.
Im Mittelpunkt steht die Begegnung mit Objekten vor Ort. Bauwerke, an denen man
sonst ohne weiteres Nachdenken vorübergeht, erhalten durch das unmittelbare
Begreifen und Erleben einen neuen Stellenwert.
Sinnvoll ist in jedem Fall zuerst ein Besuch im Rieskratermuseum, um die
notwendigen Sachinformationen zu bekommen. Die in der Stadt anzutreffenden
Gesteine lassen sich so besser in Beziehung setzen zur Entstehungsgeschichte des
Nördlinger Rieses als Meteoritenkrater.
Neben den konkreten Informationen zu den einzelnen Bauwerken werden
Hintergrundinformationen in „Kästen“ verpackt.
In Verbindung mit dem Angebot des Museumspädagogischen Zentrums (MPZ) und
des Rieskratermuseums für verschiedene Schularten und Jahrgangsstufen sowie den
Exkursionsleitfäden zu den Standorten Wennenberg, Rollenberg und Glaubenberg (zu
finden unter:
http://www.mpz.bayern.de/cms/upload/pdf_materialien/mpz_exkursionsleitfaden_noerdlingen.pdf)
konnte mit diesem Stadtrundgang das Programm zur Riesthematik erweitert werden.
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Der Rundgang
Ausgehend vom Rieskratermuseum beschreibt dieser Leitfaden einen Rundgang
durch die Altstadt von Nördlingen mit folgenden Stationen:
1
2
3
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5
6
7
8
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11
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Geologischer Lehrgarten hinter dem Rieskratermuseum
Baldinger Tor (inklusive Stadtmauer)
Egerbrücke (auf Höhe des Spitals)
Klösterle
Hafenmarkt
Rathaus mit Rathaustreppe
Daniel mit St.-Georgs-Kirche
Sonne als Station des Planetenweges am Daniel
Kornschranne
Löpsinger Tor
Eger an der Neumühle
Gerberhäuser an der Eger
Geopark Ries Infozentrum
Als Zeitrahmen für den Rundgang sind je nach Verweildauer bei den einzelnen
Stationen 1,5 bis 2 Stunden geplant. Start- und Zielpunkt ist das
Rieskratermuseum.
Der Rundgang ist jedoch auch vom Baldinger Tor ausgehend möglich. Es empfiehlt
sich, dann zum Klösterle weiterzugehen. Nach dem Geoparkcenter kann zur
Abrundung der geologische Lehrgarten hinter dem Rieskratermuseum ergänzend
besucht werden.
Verkürzen lässt sich die Runde, indem man z. B. am Löpsinger Tor auf der
Stadtmauer bis zum Baldinger Tor geht.
Vor dem Baldinger Tor befindet sich ein Parkplatz („Kaiserwiese“), den man ohne
Zeitbegrenzung und kostenfrei benutzen kann (vgl. Karte auf S. 5 oder
http://www.noerdlingen.de/Karte).
Zur besseren Orientierung sind die einzelnen Stationen durch Fotos, meist in
verschiedenen Ansichten, veranschaulicht.
Fachbegriffe werden im Text durch * gekennzeichnet (Bsp.: Suevit*).
Die Erläuterungen sind auf S. 43/44 zu finden.
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Lehrplanbezug
Grundschule
GS Jahrgangsstufe 3: Heimat- und Sachunterricht:
3.6.1 Ortsgeschichte
3.6.2 Orientierung im heimatlichen Raum
GS Jahrgangsstufe 4: Heimat- und Sachunterricht:
4.6.1 Regionalgeschichte
4.6.2 Orientierung mit der Karte
Hauptschule
HS Jahrgangsstufe 5: GSE
5.2.1 Entstehen und Werden der Erde: Kugelgestalt der Erde und ihre Stellung im
Sonnensystem;
Veränderungen durch äußere Kräfte
Realschule
RS Jahrgangsstufe 5: Erdkunde
5.2 Der Planet Erde: Sonnensystem, Vergleich mit anderen Planeten
5.3 Veränderungen der Erdoberfläche in Heimat und Welt: Gesteine aus dem
Heimatraum
5.5 Orientierung in Deutschland und Bayern: Heimatraum: regional bedeutsame
Landschaften
RS Jahrgangsstufe 9: Erdkunde
9.2 Der Nahraum
Gymnasium
GYM Jahrgangsstufe 5: Geografie
5.1 Planet Erde: Grundstruktur unseres Sonnensystems sowie Grundlagen des
Lebens auf der Erde
5.5 Regionaler Bezug und globale Erweiterung: ... z.B. Landschaftsgenese im
Heimatraum
GYM Jahrgangsstufe 11: Geografie
11.4 Umweltrisiken und menschliches Verhalten
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Abb 1: Altstadt von Nördlingen mit eingezeichnetem Rundgang und Parkmöglichkeit (links oben);
DOK © Bayer. Vermessungsverwaltung, 2011
Die Karte ist auch online verfügbar (BayernViewer):
http://www.geodaten.bayern.de/BayernViewer2.0/index.cgi?rw=4389170&hw=5413
790&layer=TK&step=1
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Abb. 2: Altstadt von Nördlingen ohne Ergänzungen; DOK © Bayer. Vermessungsverwaltung, 2011
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Geologische Zeittafel zur Einordnung der Gesteine
Zeitangabe
(in Millionen Jahren)
Geologisches
Zeitalter
Bezeichnung des
Zeitalters
(grob)
bzw. der Gesteinsformation
0
2,588
2,588
Quartär
Lösseinwehung in den Rieskrater
Tertiär
Einschlag des Meteoriten (vor 15
Millionen Jahren) mit Bildung von
Impaktgesteinen (z.B. Suevit);
danach Riessee mit Bildung von
Riesseekalken
Erdneuzeit =
Känozoikum
65,5
65,5
145,5
145,5
Kreide
145,5
161,2
161,2
175,6
175,6
199,6
Malm =
Weißjura
Jura Dogger =
Braunjura
Lias =
Schwarzjura
Erdmittelalter =
Mesozoikum
199,6
199,6
251
251
299
299
359,2
359,2
416
416
443,7
443,7
488,3
488,3
542
542
4600
Bezug zum
Nördlinger Ries
Jurameer mit tropischem Klima;
Malmkalke der Schwäbischen
und Fränkischen Alb entstehen
Trias
Perm
Karbon
Erdaltertum =
Paläozoikum
Devon
Silur
Ordovizium
Kambrium
Präkambrium
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Start: Station 1
Geologischer Lehrgarten
Auf der Rückseite des Rieskratermuseums befindet sich seit 2003 ein geologischer
Lehrgarten mit wichtigen Gesteinen rund um das Nördlinger Ries.
Die im Rieskratermuseum erworbenen Kenntnisse lassen sich hier anschaulich unter
freiem Himmel aufgreifen.
Folgende Gesteine sind zu sehen:
Gestein
Herkunft
Suevit*
Aumühle, bei Hainsfarth
Bunte Breccie*
Aumühle, bei Hainsfarth
Grundgebirgsbreccie*
Unterwilflingen
Malmgries = breccierter Kalkstein
Bräulesberg, Harburg
Riesseekalk*
Wallersteiner Felsen
Massenkalk* mit Schlifffläche
Gundelsheim
Foto 1: Malmkalk mit Schliffspuren,
Gundelsheim
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Foto 2: Riesseekalk, Wallersteiner Felsen
8
Foto 3: Malmgries = breccierter Malmkalk,
Bräulesberg, Harburg
Foto 4: Grundgebirgsbreccie, Unterwilflingen
Foto 5: Bunte Breccie, Aumühle bei Hainsfarth
Foto 6: Suevit, Aumühle bei Hainsfarth
Bereits an dieser Stelle kann beim Thema Suevit der Versuch mit Salzsäure und
Kalkstein von Seite 23 durchgeführt werden, da man hier ungestörter
experimentieren kann als vor der St.-Georgs-Kirche in der Stadtmitte.
Um die Herkunft der verschiedenen Gesteinsarten zu veranschaulichen, eignet sich
die folgende Abbildung. An dieser Stelle lohnt sich ein Blick auf die geologische
Zeittafel (siehe Seite 7).
Abb. 3
Deckgebirge* (obere Schichten) und
Grundgebirge* (unterste Schicht, besteht aus Granit und Gneis,
siehe Begriffsklärung auf Seite 43)
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Über den Eugene-Shoemaker-Platz (Eugene Shoemaker: geb. 28.4.1928, gest.
18.7.1997,) führt der Weg zur Egerbrücke am Stadtmuseum.
Als Impaktforscher hat Eugene Shoemaker,
der auch Planetologe und Astronom war, das
Nördlinger Ries besucht. Er war maßgeblich an
der Lösung des Riesrätsels beteiligt.
Zusammen mit seinem Landsmann Chao
konnte er 1960 in einer Suevitprobe aus dem
Ottinger Steinbruch das Mineral Coesit
nachweisen. Dieses Mineral ist eine
Hochdruckmodifikation des Quarzes und kann
nur unter extremen Druck- und
Temperaturverhältnissen, wie sie z. B. beim
Einschlag eines Meteoriten herrschen,
entstehen.
Abb 4: Eugene Shoemaker, Quelle: WikiCommons
Für Shoemaker entstanden die Planeten unseres Sonnensystems durch den Vorgang
der „Akkretion“. Am Anfang unseres Sonnensystems verschmolzen die
Gesteinspartikel, die um die junge Sonne kreisten. Sie bildeten kleine Klumpen.
Aufgrund der Schwerkraft kreisten diese Klumpen um die Sonne. Durch weitere
Akkretion formten sich größere Körper, sogenannte Planetesimale, mit mehreren
Kilometern Durchmesser. Diese Himmelskörper kollidierten wiederum und bildeten
weitere, größere Körper. Dabei erhöhte sich die Schwerkraft der einzelnen,
wachsenden Körper. Heftigere Kollisionen waren die Folge. Somit entstanden durch
diesen Vereinigungsprozess die Planeten, die Monde und die Asteroiden unseres
Sonnensystems.1
Über die Egerbrücke kommt man zur Vorderen Gerbergasse, hält sich dort rechts
und biegt dann wieder rechts in die Baldinger Straße ein.
1
Vgl. Pösges u. Schieber: Museumsführer, 2000, S. 11f.
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10
Stationen 2, 3
Baldinger Tor
Foto 7: Baldinger Tor
Foto 8: Baldinger Tor, Außenseite
Die Straße, die durch das Baldinger Tor
das Stadtgebiet von Nördlingen verließ,
führte auf der Nord-Süd-Handelsstraße
Richtung Rothenburg o. d. T und weiter
nach Würzburg.
1376 wurde der Torturm und 1406 das
Vorwerk errichtet. Zu dieser Zeit ähnelte
das Bauwerk wohl stark dem Berger Tor in
dessen heutigem Zustand. Im Kriegsjahr
1634 wurde die Anlage jedoch so stark
beschädigt, dass der Turm 1703
einstürzte. Anschließend veränderte man
das Bauwerk in die noch heute zu sehende
turmlose Form. Um dem zunehmenden
Verkehrsaufkommen gerecht zu werden,
schuf man 1938 südwestlich vom Tor eine
neue, rundbogige Durchfahrt. Die
Freilegung des mittelalterlichen
Einlasspförtchens („Mannloch“) erfolgte
1966. Das reichsstädtische Wappen ist
außen am Vorwerk angebracht.
Abb 5: Ansicht der Baldinger Tors mit Turm
(mit freundlicher Genehmigung der Stadt
Nördlingen, Stadtarchiv)
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11
Foto 9: Baldinger Tor von innen
Foto 10: Stadtmauer
Südwestlich dieses Stadttors erreicht man über eine Treppe den Wehrgang der fast
durchgängig begehbaren Nördlinger Stadtmauer. Wie an unverputzten Abschnitten
erkennbar, wurden zum Bau dieser Mauer verschiedenste Materialien verwendet. Das
Spektrum reicht vom Suevit* über Malmkalk*, Riesseekalk* und Ziegeln bis zu
diversem Fremdmaterial.
An dieser Stelle bietet sich ein Vergleich zwischen dem Durchmesser des
Stadtmauerrings (950 m) und dem Durchmesser des Riesmeteoriten* (ca. 1 km) an.
Foto 11: Suevit an der Nordostseite des
Baldinger Tors, mit großem Flädle (Pfeil!)
Foto 12: Flädle im Suevit, Baldinger Tor
Beim Baldinger Tor wurde, wie bei vielen weiteren Nördlinger Bauwerken, Suevit* als
Baustoff verwendet. An der Ostseite des Bauwerkes ist dieses Gestein gut
zugänglich. Hier lassen sich Zusammensetzung und Eigenschaften des Suevits
erklären:
Der Suevit (von „suevia“ lat. = Schwaben), auch Schwabenstein genannt, ist ein
Impaktgestein. Er entstand beim Einschlag des Riesmeteoriten aus Gesteinsmaterial
einer heißen „Glutwolke“ aus Gesteinsdampf, Schmelzfetzen (sog. Flädle) und
Gesteinsbruchstücken. Dieses Gemisch fiel entweder direkt in den Krater zurück
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(Beckensuevit) oder wurde als Auswurfsuevit in der Kraterrandzone und auf den
Riesrandhöhen abgelagert.
Suevit besteht hauptsächlich aus kristallinem Gestein* des Grundgebirges*. Es kann
auch Gestein des Deckgebirges* (z.B. Jurakalk*) beigemischt sein. Sämtliche
Gesteinsanteile des Suevits waren hoher Beanspruchung durch Stoßwellen
ausgesetzt.
Als dunkle Bestandteile sind im Suevit die sogenannten „Flädle“ enthalten. Dabei
handelt es sich um Gläser, d.h. ehemals flüssige Gesteinsfetzen, die relativ schnell
erkaltet sind und dabei fest wurden. Sie werden deshalb auch als amorphe*
Bestandteile bezeichnet. Im Auswurfsuevit weisen diese „Flädle“ häufig
aerodynamische Formen auf, die durch ihre Flugbahn bedingt sind.
In der feinkörnigen, olivfarbenen Grundsubstanz des Suevits treten unterschiedlich
große Gesteinseinschlüsse von Gneis* und Granit* auf und dunkle, blasenreiche
Schmelzfetzen (Flädle) in schwankenden Anteilen.
Als Lockerprodukt entstanden wurde der Suevit erst mit der Zeit verfestigt. Man
bezeichnet diesen Vorgang als Diagenese.
Der Suevit weist durch seinen Gehalt an Hohlräumen (Poren) eine vergleichsweise
geringe Dichte auf. Auf engstem Raum können stabil erscheinende mit stark
gelockerten Partien abwechseln.
Der Suevit wird auch Traß genannt.2
Folgende Gründe sprechen für die Verwendung von Suevit, insbesondere in
Nördlingen:
x
x
x
x
Aufgrund seiner zahlreichen Hohlräume besitzt er als Baustein hervorragende
Dämmeigenschaften.
Er ist leicht zu bearbeiten.
Durch seine Zusammensetzung aus dunklen Flädle und amorpher, heller
Grundsubstanz erhält er ein lebendiges Muster.
In Steinbrüchen in der unmittelbaren Umgebung (z.B. Alte Bürg) ist er relativ
leicht zugänglich und aus diesen anzutransportieren.
Als Nachteil muss die leichte Verwitterbarkeit genannt werden, die an Gebäuden z. T.
zu großen Problemen führt (siehe Seite 23f.).
An der Mauer des Baldinger Tors kann man Suevit in unterschiedlichen Farbtönen
sehen.
2
Vgl. Pösges u. Schieber: Museumsführer, 2000, S. 62
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Je nach Entnahmestelle gibt es verschiedene Suevitformen:
Otting: bläulich-grau mit schwarzen Glasbomben
Aumühle: dunkelgrau mit dunkelfarbenen Glasbomben
Polsingen: Impaktschmelzbreccie, rötlich, mit großen Kristallinklasten
Alte Bürg: sehr verwittert, dunkelgrau
Seelbronn: hellgrau mit großen Kristallinfragmenten
Abb 6: Rieskarte mit Suevitaufschlüssen, © Bayer. Vermessungsverwaltung, 2011
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14
Foto 13: Mauer und Bank aus Riesseekalken an
der Egerbrücke, Baldinger Straße
Foto 14: Eger im Bereich des Spitals,
südliche Seite der Baldinger Straße
Auf dem Weg Richtung Stadtmitte treffen wir auf der westlichen Straßenseite auf die
Egerbrücke. Mauer und Steinbank bestehen aus Riesseekalken. Auf der
gegenüberliegenden Straßenseite befinden sich Teile des Spitals.
Bereits weit vor den Toren der Stadt wird der Fluss Eger geteilt: Die Kornlach fließt
außerhalb der Altstadt weiter, während die Eger unter der Stadtmauer hindurch am
oberen Wasserturm (zwischen Berger Tor und Baldinger Tor) die Altstadt betritt.
Bei der Neumühle verlässt der Fluss die Altstadt wieder.
Die Altstadt von Nördlingen konnte meist vor Hochwasser bewahrt werden, indem
der Hauptteil des Hochwassers durch die Kornlach an der Altstadt vorbeigeleitet
wurde.
Foto 15: Eingang zur Spitalkirche, Baldinger Straße
Das Spital stammt bereits aus der
Stauferzeit. Das Spital zählt zu den ältesten
sozialen Einrichtungen dieser Art in
Deutschland. Die Baldinger Straße teilt das
ehemalige Spitalgelände in zwei Hälften. Zum
westlichen Teil gehörten die wirtschaftlichen
Einrichtungen und das Spitalpfarrhaus, im
östlichen Bereich waren u. a. Kirche, Altenheim, Krankenhaus und Holzhofstadel
(heute: Rieskratermuseum) untergebracht. Gut sichtbar ist davon heute noch die
Spitalkirche auf Höhe der Egerbrücke. Der Chor der Spitalkirche ist vom EugeneShoemaker-Platz aus zu sehen.
Von der Innenseite dieses Stadttors geht es auf der Baldinger Straße weiter
stadteinwärts Richtung Marktplatz. An der Stelle, an der sich die Straße verengt,
biegen wir nach links zum Löwenberg ab.
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15
Station 4
Klösterle
Foto 17: Sonnenuhr am Klösterle, Ostecke
Foto 16: Klösterle Nordfassade mit Ostecke
Das Klösterle ist ursprünglich der Kirchenbau eines 1233 erbauten Franziskanerklosters. Die Mönche kümmerten sich hauptsächlich um die Versorgung der Armen
und Kranken.
Nach dem Niedergang des Ordens während der Reformationszeit (Nördlingen wurde
evangelisch) ging am 8. Mai 1536 das Gebäude für 50 Gulden Leibgedinggeld der
letzten drei Mönche in den Besitz der Stadt über. 1584 - 1587 erfolgte der Umbau zu
einem Kornspeicher durch C. Walberger und L. Straubinger. Der zwischenzeitlich
auch als Feuerwehrdomizil und Speicher genutzte Bau wurde durch einen Umbau
(1975) schließlich in einen Stadtsaal und ein Restaurant umgewandelt. 3
An der Ostecke des Gebäudes befindet sich eine Sonnenuhr.
In südöstlicher Richtung kommt man vom Klösterle nach wenigen Metern zum
Hafenmarkt.
3
http://www.noerdlingen.de/Noerdlingen-entdecken/Historie-Baukunst/Kornspeicher-Barfuesserkloster
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16
Sonnenuhr und Zeit
Allgemein wird die Sonnenuhr als ein Gerät definiert, das mithilfe des Schattens eines
Objektes, z. B. eines Metallstabes, durch die Sonne die Uhrzeit erkennbar macht.
Sowohl die Länge des Schattens als auch die Richtung des Schattens verändern sich im
Tagesverlauf.
Bei einer Vertikalsonnenuhr ist das Ziffernblatt vertikal angebracht. Der Schattenwerfer,
meist aus Metall, ist parallel zur Erdachse ausgerichtet.
Eine Sonnenuhr zeigt in der Regel die wahre Ortzeit oder Sonnenzeit an.
Sie ist so gebaut, dass der Schatten am Mittag genau den Zeitpunkt angibt, an dem die
Sonne den höchsten Punkt im Süden ihres Tagesbogens am Himmel erreicht. Ist die Uhr auf
die wahre Sonnenzeit geeicht, dann zeigt sie jetzt 12 Uhr an.
Die wahre Ortzeit (WOZ) ist keine gleichmäßig ablaufende Zeit und damit in modernen
Kulturen nicht benutzbar. Man weicht auf die aus der wahren Sonnenzeit gemittelte
gleichmäßige mittlere Sonnenzeit aus.
Mittlere Sonnenzeit (mittlere Ortszeit = MOZ)
Gegen diese Zeit geht die wahre Sonne regelmäßig vor oder nach. Dies lässt sich mit der
sogenannten Zeitgleichung in Abhängigkeit vom Jahresdatum errechnen: maximales
Vorgehen etwa 16 Minuten Anfang November, maximales Nachgehen etwa 14 Minuten Mitte
Februar. Erklären lässt sich dies durch die im Jahresverlauf ungleichmäßige Geschwindigkeit
der Erde um die Sonne (in Sonnennähe schneller, in Sonnenferne langsamer) und die
Neigung der Ekliptik (jährliche scheinbare Sonnenbahn) gegenüber dem Himmelsäquator.
Zonenzeit
Die Zonenzeit ist die mittlere Sonnenzeit desjenigen Längengrads, auf den sie bezogen ist.
Bei der Mitteleuropäischen Zeit (MEZ) ist das die mittlere Sonnenzeit auf dem
15. (östlichen) Längengrad, zum Beispiel in Görlitz. Diese Uhrzeit wird (normalerweise) auf
unseren Armbanduhren angezeigt.
Unsere Zonenzeit ist je nach Jahreszeit entweder die Mitteleuropäische Zeit (MEZ) oder
Mitteleuropäische Sommerzeit (MESZ).
Da die Umskalierung einer Sonnenuhr von der wahren Ortszeit auf die MEZ oder die MESZ
aufwändig ist und eine Doppelanzeige das Ablesen komplexer macht, zeigen Sonnenuhren in
der Regel die wahre Ortszeit an.
Die Entwicklung der mechanischen Räderuhr geht wohl auf das Mittelalter zurück. Im Jahr
1335 wurde eine Räderuhr erstmals urkundlich erwähnt. 1344 war es mit der Erfindung der
Schlaguhr erstmals möglich, äquinoktiale Stunden* abzulesen und damit die mittlere
Ortszeit zu bestimmen. Derartige Uhren wurden in Türmen verwendet. Mit der Zeit war es
dann möglich, auch kleinere Uhren aus Metall zu fertigen, die man bei sich tragen konnte.
Als Zonenzeit wurde in Deutschland 1893 die Mitteleuropäische Zeit (MEZ) eingeführt.
In Bayern galt beispielsweise davor die Münchner Ortszeit, die gegenüber der in ganz
Preußen geltenden Berliner Zeit einen Versatz von sieben Minuten hatte. Diese Differenz
entspricht in etwas zwei Längengraden. Das sich weiter verbreitende Eisenbahnwesen
machte die Einführung einer einheitlichen mitteleuropäischen Zonenzeit erforderlich.
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Station 5
Hafenmarkt
Foto 18: Hausecke an der Nordseite des
Hafenmarkts
An der nordwestlichen Ecke des
Hafenmarkts (auch Paradiesberg genannt)
befindet sich eine Hausecke aus
Kalkstein*, davor Pflastersteine aus
Riesseekalken* und Granit*.
Geologisch interessant ist auch der
Hauseingang auf der Westseite des
Platzes: Die Treppe besteht aus
Riesseekalken* und der Türbogen aus
Suevit*.An dieser Stelle lässt sich wieder
Bezug zu Gesteinen in Deck*- und
Grundgebirge* (siehe Seite 11) nehmen.
Seit 1425 stand auf dem heute freien
Platz mit dem Hafenhaus eines der
ältesten Messehäuser Deutschlands. Darin
wurden von einheimischen und
auswärtigen Hafnern* Töpferwaren
verkauft. Außerdem fand hier der Federnund Salzmarkt statt. Am 3.5.1955 brannte
mit diesem Gebäude einer der
bedeutendsten Fachwerkbauten
Süddeutschlands bis auf die Grundmauern
nieder. Die Feuerwehr konnte damals
gerade noch verhindern, dass
angrenzende Häuser der Altstadt in
Mitleidenschaft gezogen wurden. Der freie
Platz am Hafenmarkt wird umrahmt von
stattlichen Fachwerkhäusern. Im Norden
schließt sich der Tändelmarkt* an, an
dessen Nordwestecke das Klösterle
steht.
Über das Salzgässchen geht es südwärts
weiter Richtung Rathaus.
© MPZ 2012 Joachim Stoller
Foto 19: Hauseingang an der Westseite des
Hafenmarkts
Foto 20: Hafenmarkt, Blick nach Norden
Foto 21: Ansicht des Hafenhauses von
Nordwesten
18
Station 6
Rathaus und Rathaustreppe
Foto 22: Erker an der Nordostecke des
Rathauses
Foto 23: Rathaustreppe
Foto 24: Rathaustreppe Ostseite
Foto 25: Unterste Stufen der Rathaustreppe
Das Rathaus ist das älteste Steinhaus in Nördlingen. Von 1313, nach dem Erwerb
durch das Kloster Heilsbronn von den Grafen von Oettingen, wird es bis 1382 als
Messekaufhaus genutzt. Seit 1382 dient es als Rathaus der Stadt.
1410 erfolgte der Einbau der ersten Uhr und der ersten Glocke, 1499/1500 wurde
das zweite Obergeschoss und der südliche Erker aufgesetzt. Ein Schatzturm und ein
weiterer Erker wurden 1509 angebaut. 1563 schuf man den Turmaufbau an der
Ostseite.
© MPZ 2012 Joachim Stoller
19
Im Jahr 1618 baute Wolfgang Walberger die Freitreppe. Mitte des 19. Jahrhunderts
und von 1982 bis 1986 wurde das Gebäude renoviert.
Neben dem Amtssitz des Oberbürgermeisters ist im Rathaus heute auch ein großer
Teil der Stadtverwaltung untergebracht.
Der Erker an der Nordostecke besteht aus Suevit.
Geologisch äußerst interessant ist die
Rathaustreppe:
Die unteren Stufen bestehen aus Malmkalk*.
Die Säulen auf der östlichen Seite sind
dreigeteilt: Riesseekalke* finden sich an der
Basis, dann folgt Suevit* und oben schließlich
Malmkalk*.
Der Erker auf der Südseite besteht ebenfalls
aus Suevit.
Foto 28: Rathaus und Tanzhaus im Hintergrund
Auf der Bekrönung des Portals halten zwei Löwen das Stadtwappen. Ein weiterer
Löwe hält auf der Säule daneben das Wappen der Familie Welsch. Am oberen Ende
der Treppe hat Friedrich Herlin d. J. ein Wandbild mit Justitia, der Göttin der
Gerechtigkeit, geschaffen.
Foto 26: Rathaustreppe,
Säulenaufsatz
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Foto 27: Bogen über dem Eingang zur Rathaustreppe
20
Bestandsentwicklung des Weißstorches
im Ries und in Nördlingen
Der älteste Nachweis für die Existenz von Störchen im Ries stammt aus dem 16.
Jahrhundert. Im Jahr 1651 wurden die ersten zwei Storchennester nahe der St.Georgs-Kirche auf dem Rädlerhaus entdeckt – in der Nähe des heutigen Brutplatzes,
des Tanzhauses, – wie sich auf einem Bild im Stadtarchiv von Nördlingen erkennen
lässt. In den weiteren drei Jahrhunderten wurde dieser Standort regelmäßig von
Störchen als Nistplatz aufgesucht. Anfang des 20 Jahrhunderts gab es sogar vier
Horste in Nördlingen. Ab 1960 begann jedoch die Zahl der Störche durch die
deutliche Verschlechterung des Lebensraums rapide zu sinken. Von 1970 bis 1974
brütete kein einziges Paar der beliebten Vögel im Nördlinger Ries. Erst ab 1975
kehrte die Vogelart, zunächst nach Oettingen, ab 2006 nach Nördlingen, wieder
zurück. Sowohl 2006 als auch 2007 konnten die Storcheneltern in Nördlingen zwei
gesunde Jungvögel großziehen. 2007 wurden wieder insgesamt beachtliche 26
Storchenpaare im Ries gezählt.4
Man kann mithilfe einer auf dem Daniel angebrachten Webcam sogar in den Horst
schauen (http://www.noerdlingen.biz/cms/front_content.php?idcat=24).
Foto 29: Storchenpaar auf dem Tanzhaus
4
Vgl. Zink: Der Weißstorch in Nördlingen, 2009, S. 5f.
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21
Station 7a
Daniel am Turmeingang (überdacht)
Foto 31: Suevit am Eingang zum Daniel
Foto 30: Blick auf den Daniel von Norden,
unten am Turm der Turmeingang, links daneben
der Eingang zu St. Georg
Von der Südseite des Rathauses gehen wir Richtung Süden über Pflastersteine aus
Granit* auf dem Marktplatz direkt auf den Daniel zu, den Turm der St.-GeorgsKirche.
An der Westseite des gewaltigen Turmes führt die Windgasse vorbei. Diese Gasse
trägt zu Recht ihren Namen: Tatsächlich herrscht an dieser Stelle fast immer ein
Luftzug, was wohl mit der Engstelle der Gasse in unmittelbarer Turmnähe zu tun hat.
Hier befindet sich der Aufgang zum Daniel, dem Turm der St.-Georgs-Kirche.
Im Daniel und dem Kirchenschiff der St.-Georgs-Kirche sind gewaltige Mengen
Suevit* verbaut (zum Suevit siehe auch „Baldinger Tor“).
An diesem Bauwerk findet man viele Stellen, an denen der Suevit bereits stark
verwittert ist, insbesondere im Bereich des Turmeingangs. Deshalb ein paar Aspekte
zur Verwitterung des Suevits:
© MPZ 2012 Joachim Stoller
22
Chemische Verwitterung:
Regenwasser löst in Verbindung mit Kohlenstoffdioxid der Luft das im Suevit
enthaltene Calciumcarbonat (Kalk/Calzit) auf:
CaCO3 (s) + CO2 (aq) + H2O o Ca2+ (aq) + 2 HCO3- (aq);
Calciumcarbonat Kohlenstoffdioxid Wasser
Calciumion
Hydrogencarbonation
Dadurch geht nach und nach das mineralogische Bindemittel Calciumcarbonat
verloren. Nach dem Prinzip des schwächsten Kettenglieds wird so die feste Struktur
des Suevits zerstört. Das Gestein, insbesondere die Gesteinsmatrix wird gelockert
und kann zerbröseln. Die härteren, verwitterungsbeständigeren Flädle* werden kaum
angegriffen und ragen aus der Oberfläche hervor.
Eine weitere Möglichkeit zur Zersetzung des Calciumcarbonats ist die Reaktion mit
dem leicht sauren Regen (pH-Wert < 7), der verdünnte Säure (H3O+) enthält:
CaCO3 (s) + 2 H3O+ (aq) o Ca2+ (aq) + CO2 (g) + 3 H2O;
Calciumcarbonat
Oxoniumion
Calciumion
Kohlenstoffdioxid Wasser
Dies lässt sich leicht in einem Modellversuch demonstrieren:
Dazu braucht man
- ein Stück Kalkstein und
- verdünnte Salzsäure in einem Fläschchen.
Ein Stück Kalkstein (besteht größtenteils aus Calciumcarbonat) wird mit verdünnter
Salzsäure (entscheidend H3O+) beträufelt: Es kommt zur Entwicklung von Gasblasen
(CO2!), d. h., ein Schäumen ist zu beobachten.
Dieser Versuch darf auf keinen Fall am Gebäude durchgeführt werden!
Physikalische Verwitterung:
Frostsprengung
In die zahlreichen natürlich vorhandenen Risse oder die bereits durch chemische
Verwitterung (siehe oben) gebildeten Kleinspalten dringt Regenwasser ein. Gefriert
dieses, dehnt es sich aus. Dabei entwickelt sich ein Druck, der zum Aufsprengen
dieser Spalten im Suevit führen kann. Man bezeichnet diesen Vorgang als
Frostsprengung.
Als eine weitere Art der physikalische Verwitterung ist hier auch die thermische
Verwitterung zu nennen. Diese Verwitterungsform wird in festen Materialien durch
Temperaturunterschiede hervorgerufen, die ihre Ursache z. B. in starker
Sonnenstrahlung haben können.
© MPZ 2012 Joachim Stoller
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Foto 32: Flädle im Suevit, Daniel
Foto 33: Höhenbolzen am Daniel,
Windgasse
Am Fuß des Daniels, gegenüber dem Café Altreuter, ist ein Höhenbolzen zu
sehen. Er wurde eingemessen und eingemauert vom Bayerischen
Landesvermessungsamt und liegt genau 432,9 Meter über dem Meeresspiegel (für
uns ist das der Pegel von Amsterdam). Die Spitze des Daniels erreicht so die stolze
Höhe von fast 523 m über dem Meeresspiegel.
Nicht im Rundgang vorgesehen, aber auf jeden Fall empfehlenswert ist ein Besuch
auf dem Daniel. Je nach Interesse und Fitness (350 Stufen!) sind dafür etwa 30 45 Minuten einzuplanen.
Foto 35: Südseite der St.-Georgs-Kirche
Foto 34: Daniel von der Südseite
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Öffnungszeiten:
je nach Jahreszeit variierend; Informationen im Internet (www.noerdlingen.de) oder
Telefon (Turmwache): 09081/271813
„1454 begonnen, wurde der Turm 1539 endgültig fertiggestellt. Seinen Namen
erhielt er aus dem Volksmund wohl nach einem Bibelvers (Daniel 2,48): "Und der
König erhöhte Daniel und ... machte ihn zum Fürsten über das ganze Land".
In der Turmstube wohnt seit jeher der Türmer, der über die Stadt zu wachen hatte.
Traditionsgemäß ruft er auch heute noch sein "So Gsell so" halbstündlich zwischen
zehn und zwölf Uhr nachts. Mit diesem Ruf sollte die Verbindung zu den Wächtern an
den Stadttoren aufrecht erhalten werden, um ihre Wachsamkeit wechselseitig zu
kontrollieren.“ 5
Der Blick vom Daniel zeigt den Innenstadtbereich umgeben von der
spätmittelalterlichen Stadtmauer. Ihr Durchmesser von ca. 1 Kilometer entspricht in
etwa die Größe des Riesmeteoriten*. Von diesem lassen sich jedoch keine Spuren
mehr finden, da er beim Einschlag vollständig verdampft ist. An dieser Stelle lässt
sich auch Bezug nehmen zum Planetenweg im Nördlinger Ries. Mit etwas Glück
reicht die Sicht bis auf den Bockberg bei Harburg im Südosten, der letzten Station
des Rieser Planetenweges. Unter den Einheimischen erzählt man sich, dass vom
Daniel aus bei schönem Wetter 99 Ortschaften zu zählen sind.
Suevit* als Baustein – von den Römern bis heute
Für den Bau der St.-Georgs-Kirche und des Daniels diente Suevit wohl hauptsächlich
aus dem Steinbruch Alte Bürg, der etwa 6 Kilometer Luftlinie in südöstlicher
Richtung vom Stadtkern liegt, als Baumaterial. An Verladerampen, die z. T. bis heute
erhalten sind, lud man die Steine auf Ochsengespanne und nahm den
beschwerlichen Weg durch den hügeligen Riesrand in Richtung Nördlingen.
Der Steinbruch Alte Bürg ist derzeit eingezäunt und nicht ohne Weiteres zugänglich.
Um eine zu starke Verbuschung zu vermeiden, wird er zeitweise mit Ziegen
beweidet. Der Name „Alte Bürg“ wird schon 1274 erwähnt. Bereits damals muss es
sich wohl, wie der Name sagt, um eine aufgelassene Burgstelle gehandelt haben.6
Als Baustein hat der Suevit eine lange Tradition. Er wird bereits seit der Römerzeit
verwendet. Vermutlich wurde dazu Suevit zuerst auf der Wörnitz (vom Steinbruch
Aumühle) und auf der Donau getreidelt, um ihn dann flussabwärts zu verbauen (z.B.
im Kastell Eining).
5
6
http://www.noerdlingen.de/ISY/index.php?get=97 (Abruf August 2011)
vgl. Sponsel, Steger: Vergangene Burgen und Herrensitze, 2004, S. 80
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Römer in Nördlingen
Das Nördlinger Ries zählt mit seinem außerordentlich engmaschigen Fundstellennetz zu den
am dichtesten besiedelten Kleinlandschaften im süddeutschen Raum während der Römerzeit.
Zum einen gab es Kastelle, umgeben von dorfähnlichen Ansiedlungen (Vici) mit Handel und
Gewerbe, andererseits zahlreiche Gutshöfe (Villae rusticae), da das Ries bereits zu dieser
Zeit als „Kornkammer“ diente.
Verschiedene Gründe sprechen dafür, dass im Bereich des heutigen Altstadtgebiets von
Nördlingen ein römisches Kastell (Septimiacum) lag. Es sollen sich jeweils sieben römische
Meilen (daher der Name) zwischen den Kastellen Oberdorf bei Bopfingen (Opie) und
Munningen (Losodica) befunden haben. Jedoch wurde das Nördlinger Kastell – wie auch die
beiden anderen – nur kurz benutzt. Diese Stellungen wurden schon kurze Zeit nach der
Errichtung weiter nach Norden verlegt. Begründen lassen sich diese Verlegungen durch die
Errichtung des Limes, des Grenzwalls des Römischen Reiches, einige Kilometer nördlich.
Auf dem Nördlinger Altstadtgebiet befand sich ein Vicus (dorfähnliche Ansiedlung) in der
Nähe des Kastells. Leider ist über die Lage, Größe und Ausdehnung dieses Vicus so gut wie
nichts bekannt. In den Jahren zwischen 1920 und 1935 wurde bei Arbeiten an der Stromund Gasversorgung ein dichtes Netz von Fundpunkten erschlossen. Dieses erstreckt sich im
südlichen Teil der Stadt auf einem ca. 350 Meter langen und etwas 150 Meter breiten
Streifen mit einer Fläche von etwa fünf Hektar. Danach breitete sich die römische Siedlung
beiderseits der heutigen Berger Straße von der heutigen St.-Georgs-Kirche bis hin zum
Berger Tor aus. Im Bereich des Geländes der C.H. Beck‘schen Druckerei (Berger Straße,
Lange Gasse, Hallgasse) lag vermutlich der Schwerpunkt des Kastells und der nachfolgenden
zivilen Siedlung. Wie bei Bauarbeiten in der Augsburger Straße beobachtet wurde, lief auf
diese Siedlung aus dem Harburger Raum kommend eine Römerstraße zu. Vermutlich zweigte
auf Höhe der St. Georgkirche eine Straße in Richtung Berger Straße nach dem Kastell in
Oberdorf bei Bopfingen ab. Richtung Lucken- und Ankergasse verließ die Römerstraße von
Harburg kommend das heutige Altstadtgebiet.7
Die folgende Karte (Abb. 7) zeigt
die Verteilung von römischen
Kastellen, Gutshöfen und Straßen
im Bereich des Nördlinger Rieses. 8
Abb. 7: Verteilung von römischen
Straßen, Kastellen und Gutshöfen im
Bereich des Nördlinger Ries (mit
freundlicher Genehmigung von Herrn
Martin Vogel und der Stadt Harburg)
Die St.-Georgs-Bauhütte
7
8
Vgl. Czysz: Die Römer im Ries. 1979, S. 75
http://www.stadt-harburg-schwaben.de/geschichte/04roemer.htm
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Als Experte rund um die Renovierung des Bauwerks stellte sich Herr Michael
Maximilian Scherbaum (St.-Georgs-Bauhütte, Nördlingen) für ein Interview
zur Verfügung. Herr Scherbaum leitet auch jenseits des normalen Pensionsalters mit
deutlich über 70 Jahren die St.-Georgs-Bauhütte. Nach wie vor bildet er intensive
aus, macht Führungen und hält Vorträge vor Studenten und Vertretern von
Universitäten.
Hier das Interview:
Seit wann gibt es die St.-Georgs-Bauhütte?
Die Planung und Konzeptentwicklung begann im Jahr 1960. Der eigentliche
Baustellenbeginn fällt auf das Jahr 1967 mit der Errichtung eines großen Gerüsts am
Daniel, nachdem ein Jahr zuvor mit Mustern begonnen wurde.
Wie viele Mitarbeiter haben Sie dort?
Je nach Anforderungen arbeiten vier bis neun hoch qualifizierte Steinmetze auf der
Baustelle.
Wie ersetzen Sie zu stark angegriffene Bausteine aus Suevit?
Aufgrund des hohen Quarzitgehalts und der damit verbundenen Stabilität als
Baustein, insbesondere gegenüber säurehaltigem Regen, wird Mainsandstein aus den
Hassbergen verwendet. Dieser Stein bietet zwei Vorteile: Zum einen weist er
ähnliche Kennwerte als Baustein auf wie der Suevit. Andererseits wurde mit diesem
Material bereits in den Jahren 1870 bis 1880 an diesem Bauwerk restauriert. So lässt
sich die Arbeit mit gleichem Material fortsetzen.
Wird das ganze Jahr hindurch im Freien gearbeitet?
Die Arbeiten erfolgen mit Unterbrechungen je nach Witterung das ganze Jahr über.
Seit wann ist der Daniel bzw. die St.Georgs-Kirche eingerüstet?
Von 1966 bis 1985 war der Daniel eingerüstet. Am Chor der St.Georgs-Kirche wird
mit Gerüst seit 1982 gearbeitet.
Wann wird die Restaurierung der Kirche (mit Turm) beendet sein?
Natürlich hängt das Ende derartiger Arbeiten von der Mittelbereitstellung ab.
Jederzeit ist mit weiteren Maßnahmen zu rechnen, wie derzeit mit Reparaturen am
Dachstuhl des Kirchenschiffs. Letztendlich werden die Arbeiten am Langhaus noch
etwa 15 bis 20 Jahre andauern. Dabei sind die Portale, insbesondere das Turmportal,
noch nicht berücksichtigt. Wie an anderen großen Kirchenbauten in Ulm oder
Regensburg wird wohl auf Dauer mit einer Wartungsbaustelle zu rechnen sein.
Hat es Unfälle im Zuge der Restaurierungsarbeiten gegeben?
Es gab einen sehr tragischen Unfall. Dabei fiel ein Arbeiter aus großer Höhe und fand
den Tod.
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Abb. 8: Michael Scherbaum bei der Arbeit (mit freundlicher Genehmigung von Michael Scherbaum)
Welche Sicherheitsmaßnahmen sind beim Arbeiten in großer Höhe
erforderlich?
Zum einen gelten die Vorschriften der Bayerischen Bau-Berufsgenossenschaft. Aber
ganz wichtig ist auch die eigenverantwortliche Arbeitsweise der Mitarbeiter.
Wer ist Ihr Auftraggeber bei der St.-Georgs-Kirche?
Uns beauftragt die Stadt Nördlingen. Zur Finanzierung greift sie dabei auf
Förderungen verschiedener Mitteltöpfe (z. B. der Kirche, des Landkreises, der
Städtebauförderung und des Landesamtes für Denkmalpflege) zurück.
Restauriert die St.-Georgs-Bauhütte auch an anderen Orten bzw.
Bauwerken?
Wir arbeiten auch am Dom in Augsburg und Eichstätt, an den Stadtkirchen in
Neumarkt (Opf.) und Traunstein und an der Hofkirche in Neuburg.
Meine Arbeit gefällt mir, weil …
… an mich jeden Tag neue Herausforderungen gestellt werden.
Das Kurioseste bei der Restaurierung war, dass …
… im Zuge der Bauarbeiten zur Errichtung des Bauwerks insgesamt sieben
aufeinanderfolgende Baumeister von der Planung bis zur Einweihung beschäftigt
waren. Seit ich als Baumeister für die Renovierung verantwortlich bin, habe ich im
zeitlichen Wechsel auch sieben Referenten am Bayerischen Landesamt für
Denkmalpflege erlebt.
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Foto 36: Eingangsportal zur St.-Georgs-Kirche
Foto 37: Nordseite der St.-Georgs-Kirche:
restaurierter Bereich mit Suevit und Sandstein
Diamanten in Turm und Kirche
Würde man die St.-Georgs-Kirche mit Kirchturm, genannt Daniel, abtragen, könnte
man zusammengenommen ca. 500 Gramm Diamanten erhalten. Als Schmucksteine
ließen sich diese Diamanten jedoch nicht verwenden. Sie setzen sich aus sehr kleinen
Einzelkristallen zusammen und erreichen eine maximale Größe von 0,3 mm. Im
Rieskratermuseum lassen sich derartige Kristalle unter einem Mikroskop beobachten.
Entstanden sind sie beim Einschlag des Meteoriten durch den gewaltigen Druck und
die große Hitze. Das Element Kohlenstoff tritt in zwei kristallisierten Modifikationen*
auf. Zum einen als Graphit, der aus übereinander gelagerten ebenen Schichten von
Kohlenstoffatomen aufgebaut ist, sodass sich die einzelnen Schichten leicht
gegeneinander verschieben lassen. Die Kristallstruktur des Diamanten ist wesentlich
stabiler, da die Ebenen aus Kohlenstoffatomen hier durch Atombindungen fixiert
sind. Diamant ist deshalb außerordentlich fest und hart. Bei 3000 °C und 130 000 bar
lässt sich Graphit in Diamant umwandeln. Derartig extreme Bedingungen finden sich
auch beim Einschlag eines Meteoriten, sodass aus den in den Gesteinen vorhandenen
Graphistpuren ein Diamant entstehen kann.
Die Diamanten kommen bevorzugt in geschockten graphithaltigen Granit-GneisEinschlüssen des Suevits vor, beispielsweise im Suevit von Otting, der Altenbürg und
von Seelbronn.
Dass sich tatsächlich Diamanten aus dem Suevit herauslösen lassen, zeigte der
tschechische Geowissenschaftler Rost an Suevitstücken aus dem Steinbruch von
Otting 1978.
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Station 7b
Kirche St. Georg – Portal zum Marktplatz
Foto 38: Blick in den Chor, St. Georg
Foto 39: Blick in den Chor, St. Georg
Mit dem Daniel stellt die St.-Georgs-Kirche das größte Gebäude aus Suevit dar.
Die Bauzeit dauerte 63 Jahre (1427 - 1490 Vollendung des Turms, 1505 des
Gewölbes).Sie ist eine der größten spätgotischen Hallenkirchen.
Ein kurzer Gang in das Kirchenschiff lohnt sich allemal. Es sollte jedoch darauf
geachtet werden, dass Gespräche im Gotteshaus leise geführt werden.
Die gewaltigen Säulen sind aus Suevit gebaut.
Im Fußboden aus Solnhofer Plattenkalken (Malmkalke*) sind eine Menge Fossilien,
z.B. Ammoniten*, Belemniten* (Donnerkeile*) und Schwämme, enthalten. Besonders
gut sind sie auf den hellen Platten zu erkennen, da sie durch Eisenlösungen rötlich
gefärbt sind. Daneben lassen sich Dendriten finden. Darunter versteht man
strauchartige Kristallstrukturen, die zwar ehemaligen Pflanzen ähneln, jedoch rein
anorganischer Natur sind. Es handelt sich hier um auskristallisierte Eisen- bzw.
Mangansalze.
Im Chor befindet sich ein Taufstein aus dem Jahr 1492. Auch er wurde aus Suevit
gefertigt.
Öffnungszeiten (Stand Mai 2012):
Sommer (Beginn: letzter Sonntag im März; Ende: letzter Sonntag im Oktober)
Täglich: 9.30 Uhr – 12.30 Uhr, 14.00 Uhr – 17.00 Uhr
Samstag/Sonntag: 9.30 Uhr – 17.00 Uhr (am So. erst nach dem Gottesdienst
Winter
Montag: geschlossen; Dienstag-Samstag: 10.30 Uhr-12.30 Uhr (So nach Gottesd.)
Weitere Informationen unter http://www.noerdlingen.de/Noerdlingenentdecken/Historie-Baukunst/St.-Georg-Georgskirche-Daniel
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30
Foto 40: Säulenfuß in St. Georg
Foto 41: Seitenaltar auf Suevitblöcken, St. Georg
Foto 42: Blick auf die Hauptorgel von St. Georg
Foto 43: Ammonit im Fußboden von St. Georg
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Foto 44: Taufstein im Chor von St. Georg
31
Abb. 9: Grundriss der St.-Georgs-Kirche (mit freundlicher Genehmigung von Michael Scherbaum)
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32
Station 8
Planetenweg in der Altstadt von Nördlingen - Sonne
Im Meteoritenkrater Nördlinger Ries mit seinem direkten Bezug zum Kosmos bietet
sich die Einrichtung eines Planetenweges an. Der Nördlinger Heinz Singelmann (gest.
1999) nahm dies zum Anlass, einen Planetenweg mit Sonne, neun Planeten und
Vertreter der Asteroiden im Maßstab 1:400 Millionen zu entwerfen.
Direkt auf der Nordseite von St. Georg steht die Sonne als erste Station. Weitere
Stationen folgen noch im Stadtgebiet. Die Nördlinger Stadtmauer entspricht dann im
Prinzip der mittleren Erdumlaufbahn um die Sonne.
Der äußerste Himmelskörper des Planetenwegs ist Pluto auf dem Hühnerberg bei
Harburg (Luftlinie ca. 15 km).
Eine Broschüre zum Planetenweg ist erhältlich beim „Ferienland Donau-Ries“
(Pflegstraße 2, 86609 Donauwörth; Tel. 0906/74-211; E-Mail:
[email protected]; Internet: www.ferienland.donau-ries.de).
Foto 45: Planetenweg, Station Sonne
Auf dem Weg über den Marktplatz zur
Kornschranne trifft man in Verlängerung
des Chors der St.-Georgs-Kirche auf dem
Rübenmarkt mit dem 1902 errichteten
Kriegerbrunnen. Er erinnert an die
Gefallenen des Krieges von 1870/71.
Dieser Brunnen enthält
Jugendstilelemente und stammt aus der
Werkstatt des Münchner Bildhauers
Georg Wrba.
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Foto 46: Kriegerbrunnen, Chor der St.Georgs-Kirche, Kirchenschiff mit Gerüst der
St.-Georgs-Bauhütte, Daniel
33
Station 9
Kornschranne
Foto 47: Alte Schranne, Südgiebel
Nördlingen war seit dem Mittelalter der zentrale Markt- und Umschlagsplatz für die
im Ries erwirtschafteten Getreideüberschüsse, sodass der Rat der Stadt stets darum
bemüht war, mittels großflächiger Schüttböden, Getreidekästen sowie einer
Kornschranne einerseits die Bevorratung der eigenen, reichsstädtischen Bürgerschaft
zu gewährleisten und andererseits für den nahen, aber auch weiträumigen
Getreidehandel ausreichend Lagerflächen bereitzuhalten.
In den Jahren 1601/1602 wurde die sogenannte „Alte Schranne“ als Neubau einer
bereits bestehenden Kornschranne errichtet.
Schon am 3. Juli 1602 wurde Getreide in die neu errichtete Kornschranne geführt.
Laut Inschrift wurde 1607 an ihrer Südostecke eine Sonnenuhr angebracht.
Foto 48: Sonnenuhr (von 1607) an der Alten
Schranne
© MPZ 2012 Joachim Stoller
Foto 49: modernere Sonnenuhr an der Alten
Schranne
34
Seit Anfang des 19. Jahrhunderts ist die Alte Kornschranne der Namensgeber für die
Schrannenstraße, die vorher Innere Deininger Gasse hieß.
Abb. 10: Johannes Müller: Kornschranne in Nördlingen, Aquarell, Nördlingen 1821, mit freundlicher
Genehmigung der Stadt Nördlingen, Stadtarchiv
Der Maurermeister Johannes Monninger begann 1828 mit der Renovierung der
Sonnenuhr an der Kornschranne.
Da die Schüttböden und Lagerflächen der Alten Kornschranne nicht mehr
ausreichten, wurde in Verlängerung des Gebäudes die Neue Schranne errichtet.
Durch großräumige Veränderungen im Getreidehandel verlor die Alte Kornschranne
seit dem frühen 20. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung. Im Frühjahr 1937 wurde
der Kornhandel in der Alten Schranne endgültig eingestellt. Es folgten andere
Nutzungen, wie z. B. als Jugendherberge, Möbelverkaufslager, Polsterei, außerdem
als Räumlichkeit für das Rote Kreuz, die Volkshochschule, den Kreisjugendring, den
Verein Alt Nördlingen, die Tischtennis- und Fechtabteilung, den Modell- und
Segelflugsport und Weiteres.
Nach langjährigen Beratungen ist die Alte Kornschranne von Oktober 1996 bis
September 1998 grundlegend saniert und umfangreich renoviert und zu einer
Markthalle ausgebaut worden. Das erste Obergeschoss dient heute als
Ausstellungsraum. 9
Der Südgiebel der Alten Schranne trägt sogar zwei Sonnenuhren. Am Südosteck
sieht man, wie oben erwähnt, die Sonnenuhr aus dem Jahr 1607, links davon auf der
anderen Giebelhälfte eine Sonnenuhr jüngeren Datums.
9
vgl. Voges: Festschrift, 1998, Seite 6ff
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35
Foto 51: Grundriss der Altstadt; die blaue Fläche direkt von der ehemaligen staufischen Stadtmauer
umgeben
An dieser Stelle des Rundgang steht man im Bereich der ehemaligen, heute nicht
mehr vorhandenen staufischen Stadtmauer, von der keine Überreste erhalten
sind. Sie umschloss bis zur Stadterweiterung von 1327 – 1390 den heutigen
zentralen Altstadtteil. Mit einem Blick auf die Stadtkarte (Foto 51) lässt sich ihr
Verlauf im Bereich folgender Straßen aufzeigen: Bei den Kornschrannen –
Bauhofgasse – Vordere Gerbergasse – Herrengasse – Neubaugasse – Drehergasse.
Die Stadtmauer, wie sie heute die Altstadt umgibt, wurde gebaut, um dem Strom
Ansiedlungswilliger im 14. Jahrhundert gerecht zu werden.
Marktbrunnen vor der Alten Schranne
„Der Marktbrunnen am Viehmarkt vor der Alten Schranne ist ein neuzeitlicher
Brunnen mit zwei Bauern, diversem Vieh und Gemüse und symbolisiert die
Geschäfte, die hier getätigt wurden.“ 10
Westlich der Alten Schranne geht es weiter vorbei an der Neuen Schranne. Diese
war ursprünglich als Verlängerung der Alten Schranne geplant, wurde jedoch
getrennt von dieser errichtet. In eine Halle in ihrem Erdgeschoss wurde das Getreide
angefahren. 11
Von dort gelangt man zur Löpsinger Straße. Stadtauswärts erreicht man auf dieser
das Löpsinger Tor.
10
11
http://www.noerdlingen.de/ISY/index.php?get=166 (Abruf: Augsut 2011)
http://www.noerdlingen.de/ISY/index.php?get=178 (Abruf: August 2011)
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36
Das Klima im Ries
Neben einer Reihe anderer Faktoren wird das Klima einer Region durch die
geographische Breitenlage und ihre klimazonale Zugehörigkeit beeinflusst. Die Lage
Nördlingens und des Rieses zwischen etwa 48° 40´und 49° nördlicher Breite weist
die Region in die hohen Mittelbreiten ein, die im Wesentlichen innerhalb der
sogenannten nordhemisphärischen* außertropischen Westwinddrift liegen.
Damit verbunden sind v.a. sommerliche maritime* Einflüsse (Westwetterlagen) und
die winterliche kontinentale* Einflussnahme von Osten (Ostwetterlagen).
Das Lokalklima wird beeinflusst durch Parameter wie Niederschlag, Lufttemperatur,
Sonnenscheindauer, dem Auftreten von Nebel und andere mehr. Diese Klimagrößen
wiederum hängen ab von den sie modifizierenden Einflüssen der Höhenlage, der
Geländeform und der Beschaffenheit der Erdoberfläche (Bewuchs, Bebauung). Bei
einem Vergleich von Klimadaten zwischen den Stationen Nördlingen (Beckenlage,
436 m NN) und Kaisheim (Fränkische Alb, 537 m NN) wird dies deutlich:
Nördlingen Kaisheim
_____________________________________________________________
mittlerer jährlicher Niederschlag (mm)
durchschnittliche jährliche Temperatur (°C)
mittlere Anzahl der Nebeltage
623
7,9
51
774
7,4
58
Aus dem Vergleich dieser Werte ergibt sich, dass das Riesbecken im Mittel wärmer
und auch niederschlagsärmer ist als die Kraterrandzone im Bereich der westlichen
Frankenalb.
Weitere Informationen in: Haas, Adolf: Das Klima im Ries, aus „Das Ries – Gestalt
und Wesen einer Landschaft – ein Heimatbuch“, Lieferung 1, herausgegeben vom
Fränkisch-Schwäbischen Heimatverlag August Lutzeyer, Oettingen 1966
© MPZ 2012 Joachim Stoller
37
Station 10
Löpsinger Tor
Foto 51: Löpsinger Straße und Löpsinger Tor
Foto 52: Löpsinger Tor, Innenseite
„Der Turm wurde vor 1388 erbaut, im Jahre 1592 aber abgetragen und im Stil des
Deininger Tores in den Folgejahren neu errichtet. Grundsteinlegung ist am 6. März
1593. Im Jahre 1837 erfolgte die Anbringung einer Sonnenuhr. Heute ist im
Löpsinger Tor das „Stadtmauermuseum“ untergebracht.“ 12
Insgesamt besitzt die Altstadt von Nördlingen fünf Stadttore. Das Deininger, das
Reimlinger und das Berger Tor wurden nicht in den Rundgang integriert.
Auch im Löpsinger Tor wurden verschiedene Gesteine verbaut: Am Turmfuß findet
man Riesseekalke*, der Torbogen besteht aus Suevit* und darüber findet man
Sandstein*.
12
http://www.noerdlingen.de/ISY/index.php?get=101 (Abruf: August 2011)
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38
Das Löpsinger Tor und die „So G‘sell so“-Geschichte
„Auf dieses Tor bezieht sich die bekannteste Sage Nördlingens: Graf Hans von
Oettingen wollte die Reichsstadt überfallen und plündern. Er bestach Türmer und
Wächter des Löpsinger Tors, die zusagten, drei Nächte lang die Brücke und das Tor
unverriegelt zu lassen. In der dritten Nacht war der Graf mit seinen Kriegsmannen
bereits in der Nähe der Stadt. Gleichzeitig arbeitete ein Lodenweber, der beim Tor
wohnte, noch am späten Abend. Er schickte seine Frau, ihm einen Krug Bier zu
besorgen. Diese beobachtete, wie sich eine herumlaufende Sau an den Türflügeln
der Einfahrt rieb und diese dadurch öffnete. Sie vertrieb das Tier mit dem Wächterruf
„So, G´sell, so“ und machte ihren Mann auf die Gefahr aufmerksam. Dieser
alarmierte den Bürgermeister und der wiederum die ganze Stadt. Die ungetreuen
Torwächter wurden gefangen gesetzt und später gevierteilt, ihre Frauen, die beteiligt
waren, ertränkt. So verdankten, der Sage nach, die Nördlinger einer Sau die Rettung
ihrer Stadt.“ 13
Foto 53: Löpsinger Tor, Innenseite aus der Nähe
Foto 54: Sonnenuhr am Löpsinger Tor
In westlicher Richtung geht es an der „Löpsinger Mauer“ weiter bis zur Neumühle.
Dort trifft man wieder auf den Fluss Eger.
13
Kootz: Stadtführer, 1999, Seite 41ff
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39
Station 11
Brücke über die Eger an der Neumühle
Foto 55: Die Eger verlässt die Altstadt unter
dem unteren Wasserturm
Foto 56: Eger bei der Neumühle,
Gerberviertel
Für die Wassersorgung Nördlingens war im Mittelalter die Eger sehr wichtig.
Bereits vor den Toren der Stadt, oberhalb der Bergmühle, wurde der Fluss geteilt.
Ein Flussarm, genannt Eger, fließt durch den oberen Wasserturm in die Altstadt und
verlässt diese wieder durch den unteren Wasserturm. Der andere Flussarm (die
Kornlach) strömt außerhalb der Stadtmauer vorbei, um sich bei den Kaiserwiesen
wieder mit der Eger zu vereinen (Flusslauf siehe Karte Seite 5f.). Bei Hochwasser ist
es möglich, den Hauptwasserstrom über die Kornlach abzuleiten, sodass die Altstadt
weitgehend verschont bleibt.
Neben den zahlreichen Brunnen diente die Eger der Stadtbevölkerung zur
Trinkwasserversorgung, zum Betreiben von Mühlen, zum Löschen bei Bränden, aber
auch zum Waschen der Wäsche. Andererseits wurde der Fluss jedoch vor der
Einrichtung einer Kanalisation auch als Kloake für Fäkalien missbraucht.
Flussaufwärts sieht man von der Egerbrücke aus die Neumühle mit ihrem
unterschlächtigen Wasserrad. Auf der anderen Seite fließt die Eger auf die
Stadtmauer zu. Naturgemäß war eine Maueröffnung, die der Eger das Verlassen der
Altstadt ermöglicht, eine Schwachstelle für die Stadtverteidigung. Zum Schutz der
Stadt wurde deshalb der untere Wasserturm (1469/71) erbaut.
Über das Bauhofgässchen kommt man in die Vordere Gerbergasse.
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40
Station 12
Gerberviertel
Foto 57: Gerberhaus, Vordere Gerbergasse Nr.
25
Foto 58: Trockenboden Gerberhaus
Entlang der Eger reihen sich viele Gerberhäuser (Gerberviertel!). Die Gerber*
benötigten große Mengen an Wasser, um mit der Gerberlohe aus Holz und Rinde
einen Sud, die sogenannte Brühe, zu bereiten. In einem langwierigen Gerbprozess,
der Monate dauern kann, sorgten die Gerbstoffe dieser Brühe in Gerbgruben im
Erdgeschoss der Gerberhäuser für eine Stabilisierung des Fasergefüges der zu
verarbeitenden Tierhäute. Nach weiteren Schritten erfolgte schließlich die Trocknung
der Häute. Dazu hängten die Gerber die Häute auf den luftigen, mehrstöckigen
Dachböden ihrer Häuser auf, bis der Wassergehalt so weit gesunken war, dass das
Rohleder fertig war.
Auch Färber und Müller nutzten das Wasser der Eger für ihre Zwecke.
Aus der Vorderen Gerbergasse biegen wir gleich wieder rechts ab in die
Scheckengasse und nach Überqueren der Eger nach links in die mittlere
Gerbergasse.
Foto 59: Haus im Gerberviertel, in der Nähe des
Rieskratermuseums, Mittlere Gerbergasse
Foto 60: Gerberhaus in Egernähe
Am Stadtmuseum halten wir uns rechts und kommen so schließlich zurück zum
Eugene-Shoemaker-Platz und von dort zum Geopark Ries Infozentrum.
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41
Ziel: Station 13
Geopark Ries I nfozentrum
Foto 61: Eingang Geopark Ries Infozentrum
Zum Abschluss des Rundgang ist ein Besuch im Geopark Ries I nfozentrum
möglich. Dort erhält man Informationen rund um den Geopark Ries, insbesondere
zur Entstehung des Rieskraters, seiner Geologie, Natur und Landschaft,
Besiedlungsgeschichte, etc.
Öffnungszeiten
Montag geschlossen; Mai bis Oktober: Dienstag - Sonntag 10.00 - 16.30 Uhr,
November bis April: Dienstag - Sonntag 10.00 – 12.00 Uhr und 13.30 - 16.30 Uhr
Überblick über den Geopark Ries und die vielfältigen Angebote:
http:/ / www.geopark-ries.de/ index.php/ de/ geopark_ries.
Zusatzprogramm:
Nach Rückfrage im Rieskratermuseum kann im ZERI N (Zentrum für Rieskrater- und
I mpaktforschung Nördlingen) eine Führung vereinbart werden. Dort sind die
Bohrkerne der Bohrung bei Nördlingen von 1973 zu sehen, die Aufschlüsse zum
Untergrund im Nördlinger Ries liefern.
Weitere I nfomationen zum ZERI N unter: http:/ /projects.naturkundemuseumberlin.de/ rapa/ zerin/ index.html.
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42
Begriffsklärung
Begriffe, die mit * versehen sind,
und wichtige Grundbegriffe
Äquinoktiale Stunde
amorph
Belemnit
Bunte Breccie
Deckgebirge
Donnerkeile
Gerber
Gneis
Granit
Darunter versteht man den 24. Teil des ganzen Tages
(lichter Tag + Nacht). I hre Länge ist im Gegensatz zur
temporalen Stunde nicht mit der Jahreszeit variabel.
ohne kristalline Struktur, glasartig
fossiler, lang gestreckter Kopffüßer
Trümmergestein, zusammengesetzt aus verschiedenen
Gesteinsarten, vor allem aus Material des Deckgebirges
Gesteinsschichten, die über dem Grundgebirge liegen. Dazu
gehören Sedimentgesteine wie z. B. die Jurakalke.
Andere Bezeichnung für Fossilien von Belemniten. Diese
lang gestreckte Kopffüßerform ist bereits im Erdmittelalter
ausgestorben.
Berufsbezeichnung; gerbten Tierhäute zu Leder
im Zuge der Regionalmetamorphose entstandenes Gestein
mit Lagen parallel orientierter Mineralien
grobkörniges, magmatisches Tiefengestein (Plutonit),
bestehend aus Quarz (Siliciumoxid), Kaliumfeldspat
(Aluminiumsilikat mit Kaliumionenanteil) und Glimmer
(„Feldspat, Quarz und Glimmer, die drei vergess ich
nimmer!“) ; häufig als Bord- oder Pflasterstein verwendet.
Grundgebirge
Grundgebirgsbreccie
Hafner
Jurakalk
kontinental
Kristallines Gestein
Malmkalk
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Gesteinsschichten, die normalerweise unter den jüngeren
Sedimentschichten liegen. Im Schwarzwald und
Bayerischen Wald steht das Grundgebirge an der
Oberfläche an. Dort besteht es z. T. aus Graniten und
Gneisen.
Zertrümmerte Gesteine des Grundgebirges
Alte Berufsbezeichnung für Töpfer oder Ofenbauer
Sedimentgestein, das in der Jurazeit (siehe Zeitskala Seite 7)
entstanden ist
vom Landesinneren, dem Kontinent geprägt
Bezeichnung für geologische Komplexe, die aus Plutoniten
(Tiefengesteine, die durch die Kristallisation von Magma
entstanden sind) und metamorphen Gesteinen (entstehen
aus Gesteinen beliebigen Typs durch die Anpassung an eine
veränderte Druck- und Temperaturumgebung innerhalb der
Erdkruste) bestehen. Es sind dies erdgeschichtlich relativ
alte Gesteine, die bei Gebirgsbildungsprozessen tief
versenkt wurden und durch Erosion heute wieder an die
Erdoberfläche gelangt sind. I n Mitteleuropa zählt das
sogenannte Grundgebirge dazu (z. B. Schwarzwald,
Bayerischer Wald).
Kalkstein, der aus der Zeit der Weißjura (siehe Zeitskala
Seite 8) stammt
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Malmkalkbreccie
maritim
Massenkalk
Meteorit
Modifikation
nordhemisphärisch
pH-Wert
Riesseekalke
Sandstein
Suevit
Tändelmarkt
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Weißjurakalkstein, der beim Impakt mittlerer
Stoßwellenbeanspruchung ausgesetzt war
vom Meer geprägt
kompakter, massiver Kalkstein aus dem Jura (Malm)
außerirdischer, fester Körper, der die Atmosphäre
(Luftgürtel) durchquert hat und auf der Erdoberfläche
eingeschlagen ist
Zustandsform
zur nördlichen Halbkugel der Erde gehörig
Maßzahl für den Säuregehalt
Sedimentgestein, das in der Zeit des Riessees (siehe
Zeitskala Seite 7) entstanden ist
Sedimentgestein, das aus miteinander verkitteten
Sandkörnern (vorwiegend aus Quarz) in der Korngröße
zwischen 0,063 und 2 mm besteht. Im angrenzenden
Mittelfranken findet man Sandstein aus dem Mitteljura
(Dogger, siehe Zeitskala Seite 7).
Schwabenstein (vom lat. Suevia für Schwaben);
Impaktgestein, das durch den Aufschlag eines Meteoriten
entstanden ist; enthält neben zermahlenem Kristallin einige
Minerale, die nur bei extrem hohen Drucken und
Temperaturen entstehen; heute sind Suevite auch aus
zahlreichen anderen Impaktkratern bekannt.
Markt, an dem Eisenhändler ihre Waren verkauften.
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Quellenverzeichnis
Bücher
Kessler, H.: Nördlingen, Tore – Türme – Traditionen. Verlag F. Steinmeier,
Nördlingen 1996
Kootz, W.: Nördlingen im Ries an der Romantischen Straße. Stadtführer mit 90
Bildern. Kraichgau Verlag, Dielheim 1999
Pösges G. u. Schieber M.: Das Rieskrater-Museum Nördlingen. Museumsführer und
Empfehlung zur Gestaltung eines Aufenthalts im Ries. Pfeil-Verlag, München 2000
Sponsel W. u. Steger H.: Vergangene Burgen und Herrensitze – eine Spurensuche im
Blickfeld des Rieses. Satz und Grafik Partner GmbH, Augsburg 2004
Artikel
Czysz, W.: Die Römer im Ries. In: Archäologische Wanderungen im Ries. Konrad
Theiss Verlag, Stuttgart 1979, S. 75
Haas, Adolf: Das Klima im Ries. In: „Das Ries – Gestalt und Wesen einer Landschaft
– ein Heimatbuch, Lieferung 1, herausgegeben vom Fränkisch-Schwäbischen
Heimatverlag August Lutzeyer, Oettingen 1966
Voges, D.: Ausgewählte Daten und Fakten zu ihrer Geschichte in Festschrift zur
Eröffnung der Markthalle in der „Alten Schranne“ am 15.9.1998, herausgegeben von
der Stadt Nördlingen. Nördlingen 1998 (Seite 6-10)
Zink, M.: Der Weißstorch in Nördlingen. Facharbeit im Kollegstufenjahrgang
2007/ 2009 im Leistungskursfach Biologie bei Kursleiter J. Stoller am Theodor-HeussGymnasium Nördlingen
I nternet
http:/ / www.noerdlingen.de/ Noerdlingen-entdecken/ Historie-Baukunst
http:/ / www.noerdlingen.biz/ cms/ front_content.php?idcat= 24
http:/ / www.stadt-harburg-schwaben.de/ geschichte/ 04roemer.htm
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