Italienisches – 2. Sinfoniekonzert des Schleswig

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Italienisches – 2. Sinfoniekonzert des Schleswig-Holsteinischen
Sinfonieorchesters
Dirigent: Francesco Angelico
04.11.2014, Schleswig, 19.30 Uhr, A.P. MøllerSkolen
05.11.2014, Flensburg, 19.30 Uhr, Deutsches Haus
07.11.2014, Rendsburg, 19.30 Uhr, Stadttheater
13.11.2014, Husum, 20.00 Uhr, NordseeCongressCentrum
Gioacchino Rossini: Ouvertüre zu „Die diebische Elster“
Gioacchino Rossini zählt – neben Donizetti und Bellini – in der Musikgeschichte Italiens nicht nur zu den großen Wegbereitern Verdis und
Puccinis, sondern gehört mit seinen 39 Opern auch zu den einflussreichsten und stilprägendsten Komponisten seines musikalischen
Vaterlandes. 1792 als einziger Sohn eines Hornisten und einer
Sängerin geboren, lernte er schon früh Violine und Cembalo zu spielen und entwickelte eine gute Gesangsstimme. 1806 erhielt er am
Konservatorium in Bologna Kompositionsunterricht und schrieb seine ersten Opern. Einen durchschlagenden Erfolg sollte er jedoch erst
1813 mit Tancredi und L’Italiana in Algeri feiern. Bis zu seinem frühen
Rückzug aus der Opernwelt im Alter von 37 Jahren sollten Rossini
noch so erfolgreiche Werke wie La Cenerentola, Il barbiere di Siviglia
oder Guillaume Tell aus der Feder fließen.
Die 1817 an der Mailänder Scala uraufgeführte Oper La gazza ladra stammt aus Rossinis produktivster
Schaffenszeit. Die Handlung der zweiaktigen opera semiseria, die auf einer wahren Begebenheit aus der
Zeit der napoleonischen Kriege beruht, ist heute weitgehend vergessen. Das Dienstmädchen Ninetta
wird darin wegen des angeblichen Diebstahls eines wertvollen Silberlöffels zum Tode verurteilt. Doch
kurz bevor das Urteil vollsteckt wird, findet sich der wahre Übeltäter: eine diebische Elster. Und obwohl
Rossinis Oper nur noch selten auf den Spielplänen der Opernhäuser steht, konnte sich die Ouvertüre
zu La gazza ladra bis heute im Konzertrepertoire halten. Spannungsgeladen eröffnet sie die Oper mit
drei Trommelwirbeln, dem Signal des Tribunals. Es folgt ein militärischer Marsch zum Richtplatz, ernste
Posaunen bestätigen das Todesurteil Ninettas. Mit ihrer großartigen Finalwirkung gilt die Ouvertüre
geradezu als Paradebeispiel des Rossinischen Orchestercrescendos – ein Effekt, der schon das Publikum
der Uraufführung zu minutenlangen Beifallsstürmen hinriss. Dabei entstand die Ouvertüre in letzter
Minute, wie Rossini in unnachahmlicher Weise selbst schildert: „Das Vorspiel zur Diebischen Elster habe
ich am Tag der Uraufführung unter dem Dach der Scala geschrieben, wo mich der Direktor gefangen
gesetzt hatte. Ich wurde von vier Maschinisten bewacht, die die Anweisung hatten, meinen Originaltext
Blatt für Blatt den Kopisten aus dem Fenster zuzuwerfen, die ihn unten zur Abschrift erwarteten. Falls
das Notenpapier ausbleiben sollte, hatten sie die Anweisung, mich selbst aus dem Fenster zu werfen.“
Hörbeispiel (Wiener Philharmoniker / Gustavo Dudamel): http://youtu.be/3MIbDR1QRHs
Weiterführende Informationen: http://www.rossinigesellschaft.de/
Bohuslav Martinů: Les Fresques de Piero della Francesca
Andante un poco moderato
Adagio
Poco Allgegro
Auch der tschechische Komponist Bohuslav Martinů konnte sich
dem Reiz Italiens nicht entziehen. Nach seinem Violinstudium
am Prager Konservatorium war Martinů zunächst einige Jahre als
Musiklehrer und Geiger an der Tschechischen Philharmonie Prag
tätig, bis er 1923 nach Paris übersiedelte. Dort erhielt er Kompositionsunterricht bei Albert Roussel und entdeckte für sich Claude
Debussy und den französischen Impressionismus – seine „größte
Offenbarung“. Als sich 1940 der Einmarsch der deutschen Truppen
in Paris ankündigte, emigrierte Martinů in die USA, wo er als
Kompositionsprofessor in Massachusetts, Princeton und New York
lehrte. Nach seiner Rückkehr nach Europa bereiste Martinů
zunächst Italien – später sollte er sich später für einige Jahre
in Nizza und Rom niederlassen.
Anlässlich dieser Italienreise besuchte Martinů auch das toskanische Städtchen Arezzo. Dort kam
es 1954 in der Kirche San Francesco auch zu jener prägenden Begegnung mit den farbenprächtigen
Fresken des italienischen Malers Piero della Francesca, die Martinů zu seinem schwelgerischen Tongemälde Les Fresques de Piero della Francesca inspirierten. Der zwölfteiligen Bilderzyklus, den Piero
della Francesca wahrscheinlich in den Jahren 1453-64 schuf, behandelt thematisch die Legende des
Wahren Kreuzes und gilt in seiner lebendigen Darstellungskraft als einer der Höhepunkte der Renaissance-Malerei. Insbesondere das berühmte Bildnis der Königin von Saba, die auf ihrem Weg zu König
Salomon das Heilige Kreuz anbetet, und der Traum Konstantins, in dem dem Kaiser das Kreuz mit
den Worten „in hoc signo vinces“ erscheint, inspirierten Martinů zu den ersten beiden Sätzen seines
Orchesterwerks. Der dritte Teil ist dem Gesamteindruck der Fresken gewidmet. „Natürlich ist es weit
entfernt von jeglicher Deskription“, erklärt Martinů in einem Brief, „es drückt vielmehr die Gefühle
aus, welche die Fresken in der Kirche in Arezzo in mir erweckt haben.“ Kompositorisch kehrte Martinů
damit in die Welt des Impressionismus zurück, in die er sich bereits Anfang der 20er Jahre in Paris
begeben hatte. In teils flirrenden Pastellfarben, teils satten Erdtönen kündet der geheimnisvolle
Orchesterklang von der erhabenen Mystik der Quattrocento-Malerei: „Ich habe versucht, mit meiner
Musik diese Art feierlicher, erstarrter Ruhe und das Zwielicht, die eine ungeahnte, friedliche und
ergreifende Poesie ausatmende Farbatmosphäre auszudrücken.“
Hörbeispiel (Prager Rundfunk-Symphonieorchester / Sir Charles Mackerras):
http://youtu.be/a7xGhYVLiiU
Weiterführende Informationen:
http://www.martinu.ch/de/leben-und-werk
http://www.welt.de/kultur/article897152/Das-Geheimnis-des-Piero-della-Francesca.html
Piero della Francesca: Fresken in der Chorkappello von San Francesco in Arezzo
Die Königin von Saba kniet vor der Brücke über den Fluss Siloe und die Begegnung mit Salomon
Der Traum Konstantins
Peter I. Tschaikowsky: Francesca da Rimini
Der wohl berühmtesten Dichtung Italiens huldigt Tschaikowsky in seiner 1876 entstandenen Sinfonischen
Dichtung Francesca da Rimini: Dante Alighieris Göttlicher Komödie. In drei Büchern erzählt Dante darin von
seiner Reise durch die drei Reiche des Jenseits: „Inferno“, „Purgatorio“ und „Paradiso“.
Morte di Francesca da Rimini e di Paolo Malatesta, Alexandre Cabanel, 1870
Im fünften Gesang des „Infernos“ findet sich die Geschichte von Francesca da Rimini, einer Zeitgenossin
Dantes. Gegen ihren Willen musste die Patriziertochter Gianciotto Malatesta heiraten, obwohl sie
dessen Bruder Paolo liebte. Als sich das heimliche Paar beim gemeinsamen Lesen des Artusromans von
Lanzelot und seiner (ebenfalls verheirateten) Geliebten Ginevra im Kuss die Liebe gestand, wurde es
vom eifersüchtigen Ehemann überrascht und ermordet. Nach ihrem Tod finden sich die beiden Liebenden
im zweiten Kreis der Hölle wieder, der den Wollüstigen vorbehalten ist. Dort erzählt Francesca ihr
trauriges Schicksal dem Höllenbesucher Dante, der davon zutiefst erschüttert zusammenbricht.
Musikalisch beginnt Tschaikowsky sein Werk mit dem Abstieg Dantes in die Hölle: Abfallende melodische
Linien prägen die mit Andante lugubre überschriebene düstere Einleitung. In den unentwegten Motivwiederholungen spiegeln sich die endlosen Qualen der Verdammten, denen Dante begegnet. Es folgt
ein höchst bewegtes Andante vivo: Wild auf- und absteigende chromatische Läufe und die Präsenz des
Tritonus-Intervalls – dem „diabolus in musica“ – beschwören einen gewaltigen Höllensturm herauf.
Ließen sich die Liebenden im Leben von den Stürmen der Leidenschaft treiben, so werden sie nun zur
Strafe von quälenden Höllenwilden gepeitscht. Der lyrische Mittelteil schildert in einem zartem Andante
cantabile die nicht enden wollende Liebe Francescas und Paolos. In zwei kontrastierenden Gedanken
– einer Klarinettenmelodie in Moll und einer Streicherkantilene in Dur – verbindet Tschaikowsky die
beiden Liebenden schließlich zu einer musikalischen Einheit. Francescas Erzählung gipfelt schließlich
im verheerenden Ruf der Hörner, die die Katastrophe ankündigen: Gianciottos Erscheinen und den
grausamen Doppelmord. Im dritten Teil der Sinfonischen Dichtung kehren schließlich die Höllenwilde
zurück, die in straff rhythmisierten Dissonanzketten die ewige Verdammnis besiegeln.
Hörbeispiel (Royal Concertgebouw Orchestra / Bernard Haitink):
http://youtu.be/8Tiov8RZE7g
Weiterführende Informationen (20-minütige Werkeinführung der BBC):
http://www.bbc.co.uk/programmes/b01nwns1
Piero della Francesca: Fresken in der Chorkappello von San Francesco in Arezzo
Bald hört ich Töne tiefsten Schmerzes rollen
Und grollen – bald war ich hinabgestiegen,
Wo herzerschütternd Klagelaute schollen,
Und stand am Ort, wo alle Lichter schwiegen,
Wo’s brüllte gleich dem Meer, vom Sturm umwittert,
Wenn’s Wirbelstöße peitschend überfliegen.
So packt der höllische Orkan erbittert
Die Geister, reißt sie jähen Schwunges fort,
Dreht, schleudert sie, dass Glied für Glied erzittert.
Und nahen sie des Abgrunds Klippenort,
Vernimmt man endlos Wehruf, Ächzen, Klagen,
Dann lästern sie des Himmels höchsten Hort. –
Ich hörte, dass verdammt zu solchen Plagen
Die werden, die – verlockt vom Sinnentruge –
In Wollust frönend der Vernunft entsagen.
Wie Stare, wenn sie streben – dicht im Zuge
Gedrängt – dass sie dem rauen Frost entrönnen,
So treibt der Wind die Sünder hier zum Fluge
Und ohne ihnen Ruhe zu vergönnen;
Auch keine Hoffnung winkt, dass je versöhnen
Ihr Leid sich ließ, noch dass sie Rast gewönnen! […]
„Weh!“ sprach ich, „welch ein Sehnen ängstlich-bange,
Wie mancher stille Liebeswunsch verschrieb
Die beiden hier zum schmerzensreichen Gange!“
Und als, sie anzusehn, mich’s wieder trieb,
Begann ich: „Sieh, Franzeska, wie dein Leiden
Mich schmerzt, dass nicht mein Auge trocken blieb.
Doch sprich: als liebeskrank geseufzt ihr beiden,
Wie und wodurch saht ihr in solchen Stunden
Des Herzens bangen Zweifel sich entscheiden?“
Und sie zu mir: „Kein Schmerz kann mehr verwunden,
Als der: im Elend freudenreicher Tage
Zu denken – auch dein Lehrer kann’s bekunden!
Doch weil so voller Sehnsucht deine Frage:
Was uns zuerst zur Liebe mocht erregen,
So dulde, dass ich’s unter Weinen sage:
Wir lasen eines Tags der Kurzweil wegen,
Welch Liebesnetz den Lanzelot gebunden;
Allein wir zwei und ohne Arg zu hegen.
Oft hatten unsere Augen sich gefunden
Beim Lesen schon, und oft er blassten wir;
Doch nur ein Punkt war’s, der uns überwunden:
Als wir gelesen, wie vom Munde ihr
Ersehntes Lächeln küsst solch hoher Streiter,
Da küsste bebend mich auch dieser hier,
Der nun fortan mein ewiger Begleiter.
Galeotto war das B u c h und der’s gedichtet!
An diesem Tage lasen wir nicht weiter ...
Indem der eine Schatten dies berichtet,
Löste der andre so in Tränen sich,
Dass ich vor Mitleid hinschwand wie vernichtet;
Und wie ein Toter hinfällt, fiel auch ich!
Or incomincian le dolenti note
a farmisi sentire; or son venuto
là dove molto pianto mi percuote.
Io venni in loco d‘ogne luce muto,
che mugghia come fa mar per tempesta,
se da contrari venti è combattuto.
La bufera infernal, che mai non resta,
mena li spirti con la sua rapina;
voltando e percotendo li molesta.
Quando giungon davanti a la ruina,
quivi le strida, il compianto, il lamento;
bestemmian quivi la virtù divina.
Intesi ch‘a così fatto tormento
enno dannati i peccator carnali,
che la ragion sommettono al talento.
E come li stornei ne portan l‘ali
nel freddo tempo, a schiera larga e piena,
così quel fiato li spiriti mali
di qua, di là, di giù, di sù li mena;
nulla speranza li conforta mai,
non che di posa, ma di minor pena. […]
Quando rispuosi, cominciai: «Oh lasso,
quanti dolci pensier, quanto disio
menò costoro al doloroso passo!».
Poi mi rivolsi a loro e parla‘ io,
e cominciai: «Francesca, i tuoi martìri
a lagrimar mi fanno tristo e pio.
Ma dimmi: al tempo d‘i dolci sospiri,
a che e come concedette amore
che conosceste i dubbiosi disiri?».
E quella a me: «Nessun maggior dolore
che ricordarsi del tempo felice
ne la miseria; e ciò sa ‚l tuo dottore.
Ma s‘a conoscer la prima radice
del nostro amor tu hai cotanto affetto,
dirò come colui che piange e dice.
Noi leggiavamo un giorno per diletto
di Lancialotto come amor lo strinse;
soli eravamo e sanza alcun sospetto.
Per più fïate li occhi ci sospinse
quella lettura, e scolorocci il viso;
ma solo un punto fu quel che ci vinse.
Quando leggemmo il disïato riso
esser basciato da cotanto amante,
questi, che mai da me non fia diviso,
la bocca mi basciò tutto tremante.
Galeotto fu ‚l libro e chi lo scrisse:
quel giorno più non vi leggemmo avante».
Mentre che l‘uno spirto questo disse,
l‘altro piangëa; sì che di pietade
io venni men così com‘ io morisse.
E caddi come corpo morto cade.
Francesco Angelico verkörpert wie kaum ein zweiter die junge
italienische Dirigentengeneration und erobert derzeit die
internationale Konzert- und Opernwelt.
Nachdem Angelico 2001 sein Studium im Fach Violoncello am
Konservatorium in Modena absolviert hatte, begann er 2003
sein Dirigierstudium bei Giorgio Bernasconi an der Musikhochschule Lugano, das er 2006 abschloss. In dieser Zeit war er
als Assistent von Bernasconi im Rahmen der Konzertreihe für
zeitgenössische Musik „900 Passato e presente“ des Schweizer
Rundfunks in Lugano tätig. Nach wie vor nimmt die Pflege der
zeitgenössischen Musik in Francesco Angelicos vielseitigem
symphonischen Repertoire einen besonderen Stellenwert ein.
Meisterkurse bei Carlo Maria Giulini und Herbert Blomstedt,
außerdem bei Jorma Panula in Moskau, Amsterdam und Kuopio, sowie bei Zoltán Peskó im Rahmen
des „Bartok Festivals“ in Szombathely ergänzten Angelicos Ausbildung. Mit dem Gewinn des
2. Preises beim Malko Wettbewerb machte er 2009 erstmals international von sich reden. 2011
gewann er den Deutschen Dirigentenpreis. Im Mai 2013 gab Francesco Angelico sein gefeiertes Debüt
an der Bayerischen Staatsoper mit Hans Werner Henzes „Elegie für junge Liebende“. Er ist regelmäßiger
Gast der Mailänder Accademia Teatro Alla Scala, zuletzt mit Rossinis „Barbier von Sevilla“. Nach
Debüts u.a. beim Gewandhausorchester Leipzig, den Bochumer Symphonikern oder dem Stavanger
Symphony Orchestra wird Francesco Angelico in der Spielzeit 2014/15 erstmals am Pult des WDR
Sinfonieorchester Köln und BBC National Orchestra of Wales stehen und folgt Wiedereinladungen
zum Trondheim Symphony Orchestra, National Symphony Orchestra Taiwan und den Stuttgarter
Philharmonikern.
Seit letzter Saison ist Francesco Angelico Chefdirigent des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck
und wird den Klangkörper in der Spielzeit 2014/15 sowohl in Sinfoniekonzerten wie auch in zwei
Opernproduktionen, Tschaikowskys „Pique Dame“ und Cileas „Adriana Lecouvreur“, leiten.
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