MAGAZI N FÜ R BEWEGU NG I N DER ARCH ITEKTU R Office puls 03 | 2013 Ein einzigartiger Platz. Für zwei. Büro aus Holz und Glas von Shigeru Ban Architects Die USB-Steckdose. Einfach genial. Die Kombination aus bewährter Steckdose und USB-Netzteil. Der feste Platz zum Laden. Für Smartphones, Tablets, Digitalkameras oder MP3-Player. Erleben Sie Komfort neu auf www.BUSCH-JAEGER.de Interview mit Prof. Dörte Gatermann Ungleiche Türme – die Federation Tower von Moskau Räume für den Wissensarbeiter www.BUSCH-JAEGER.de Die Zukunft ist da. 03 | 2013 » Editorial Seit der Ausgabe 1/2012 ist puls auch als kostenlose App-Version für iPhone, iPad oder iPod touch erhältlich. Dieses Mal bietet die App unter anderem zusätzliche Bildergalerien zu Shigeru Bans spektakulärer Holzkonstruktion für Kirsten Bucher den Züricher Verlag Tamedia. Die Architekten Till Schneider und Michael Schumacher operieren von Frankfurt aus, unterhalten aber auch Büos in Wien und im chinesischen Tianjin. Zur Sache: komplexe Arbeitswelten puls im Gespräch mit schneider+schumacher Großraum- oder Einzelbüro – bloß eine Gute Arbeitsräume bieten dem Einzelnen die Eine glaubwürdige, schöne, freundliche Geschmacksfrage? Gibt es handfeste Argu- Möglichkeit, sich für konzentriertes Arbeiten Arbeitsatmosphäre, einen guten Kaffee und mente für eine der beiden Varianten? zurückzuziehen, und gleichzeitig Flächen, in eine Arbeit, die insgesamt sinnvoll ist. Es geht für uns nicht mehr um ein Entweder denen miteinander kommuniziert werden oder, sondern um ein Sowohl als auch. Um der kann. Wir haben es heute weniger mit Bespre- Welche Rolle spielt Statusdenken auf Unterneh- heutigen Arbeitswelt gerecht zu werden, chungsräumen zu tun, in denen sich das meis- mensseite? Geht es für viele immer noch kommt es auch auf ein Zusammenspiel mit te hinter verschlossenen Türen abspielt, son- darum, möglichst hoch zu bauen, oder werden weiteren Raumorganisationsprinzipien an. dern mit komplexen Räumen, die architekto- aktuell auch andere Schwerpunkte gesetzt – nisch äußerst anspruchsvoll sind. etwa bei den geplanten Firmenzentralen von Apple und Facebook im Silicon Valley? Verändert die im Wandel begriffene Arbeitswelt (Stichworte Digitalisierung und Mobilität) 2008 machten Fotos aus dem Innenleben der Die Unternehmen suchen in unseren Augen zwangsläufig auch die Büroarchitektur? Google-Büros Furore. Sind Spiel- und Erholungs- nach dem für sie passenden Ausdruck, der Ja, sicherlich. Die Medien, die wir bei der flächen in Bürogebäuden bloß eine Mode oder ihrer Identität entspricht. Die Art zu bauen Arbeit benutzen, die Zunahme an Komple- ein handfester Trend? hängt natürlich auch stark vom Ort ab. Die xität und die daraus erwachsende Notwen- Die Trennung zwischen Arbeiten und Freizeit genannten neuen Firmenzentralen in den USA digkeit zur Zusammenarbeit schaffen neue ist eindeutig fließender geworden. Eigentlich werden nicht für einen verdichteten städti- räumliche Notwendigkeiten. arbeiten wir immer und auch wieder nicht. schen Raum geplant. Wir meinen, dass sich Das spiegelt sich wider in solchen Trends, wie Unternehmen insgesamt bewusster geworden Das Thema Kommunikation erscheint in sie bei Google zu sehen sind. Teilweise wirkt sind, dass ihre Gebäude etwas aussagen sol- Bezug auf Büroarchitektur heute von zentraler das auf mich affektiert und kurzlebig. len – gegenüber ihren Kunden und ihren Mit- Bedeutung. Wie kann der Architekt sich hier Was braucht der Büroangestellte von heute am arbeitern. Der Schwerpunkt liegt auf der Kom- ins Spiel bringen? meisten? munikation und deren Intention. 02 puls 03 | 2013 Räume für den modernen Wissensarbeiter > S. 4 Ein Zuhause für Businessnomaden > S. 10 Holzkonstruktion von Shigeru Ban > S. 14 Russische Antwort auf die Skyline von Manhattan > S. 20 Landesarchiv im Speicher > S. 26 Bürovisionen für das Silicon Valley > S. 30 Ultrahochfester Beton > S. 38 Ein einzigartiger Platz – für zwei > S. 40 04 10 14 20 Titelbild: Boy de la Tour Bildbearbeitung: Raphael Pohland / Minister von Hammerstein 26 Macro Räume für Wissensarbeiter von Angelika Fitz Micro Heimat auf Zeit für Businessnomaden von Michael O. Schmutzer Praxis I Offene Konstruktion – das neue Tamedia Verlagsgebäude von Shigeru Ban Praxis II Ungleiche Türme – der Moskauer Federation Complex Praxis III Das Landesarchiv NRW in Duisburg 30 34 38 40 42 43 Visionen Bürolandschaften von morgen Zu Besuch Interview mit Prof. Dörte Gatermann Material Rudy Ricciotti Architects über utrahochfesten Beton Einblicke Two in one – die Schuko-/USB-Steckdose von Busch-Jaeger Denkanstoß Die Preisfrage zum aktuellen Thema Impressum 03 Werner Huthmacher » Macro Das adidas Laces bildet im World of Sports Campus in Herzogenaurach das kreative Zentrum. Im Atrium kreuzen sich filigrane Stege, die zum einen querungsfreie Bewegungen zwischen den Abteilungen ermöglichen und zum anderen Begegnungen fördern (links). Räume für Wissensarbeiter In der Wissensgesellschaft erscheint Arbeit zunehmend immateriell. Kommunikation wird zum Medium und zur Währung der Büroarbeit. Was für Bauten braucht eine solche Arbeit? Sie sollen die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern anregen, die Kreativität beflügeln und müssen gleichzeitig den ökonomischen Kriterien von Flexibilität und Effizienz genügen. Von Angelika Fitz „Nur wenige Fragen scheinen in unserer Gesellschaft so ziert, weshalb die Fensterbänder erst in zwei Metern abwegig und bleiben doch zugleich so sehr ohne Antwort Höhe begannen. wie die Frage danach, was wir tun, wenn wir arbeiten“, diagnostiziert der Soziologe Dirk Baecker. Das gilt umso In den 1950er Jahren wurde die Rationalität kommerzieller mehr für die Büroarbeit, die ja im Kern eine immaterielle Bürotürme zum Aushängeschild der US-amerikanischen und über weite Strecken unsichtbare Arbeit ist. Fakt ist, Architektur. Fein modulierte Raster betonten die Flexibi- dass die meisten Menschen einen großen Teil ihrer Wach- lität der Bauten, von der Fassade bis zum Innenraum. Beim zeit mit Arbeit und somit an Arbeitsplätzen verbringen. In Inland-Steel-Gebäude (1958) in Chicago brachte Skidmore der Wissensgesellschaft sind das zunehmend nicht mehr Owings and Merrill (SOM) den Servicekern nach außen, um Werkstätten und Produktionshallen, sondern Büros. Wel- durchgehende offene Büroetagen zu ermöglichen. Die bis che Anforderungen stellen sich an diese Arbeitsplätze, und dahin unerreichte Spannweite der Stahlträger diente der welche Lösungen bietet die Architektur? Flächenmaximierung und war zugleich Eigenwerbung für den Bauherren Inland-Steel. Für viele Jahre wurde Flexibi- Rational und flexibel lität zum Hauptziel der Büroarchitektur. Bürogebäude galten lange als prosaische architektonische Bürobauten auf funktionale Parameter zu reduzieren greift Aufgabe. In der Architektur der klassischen Moderne wur- aber zu kurz. Schon früh haben Bauherren und Architekten de das Bürohaus neben der Fabrik zur rationalen Aufgabe erkannt, dass Bürobauten viel zur Identität von Unterneh- schlechthin. Die Ökonomie der Fabriksarbeit fand Eingang men und Angestellten beitragen können. Im Wirtschafts- in die Organisation der neuen Typologie des Bürobaus. In wunder der 1960er Jahre wurden Bürotürme zu neuen einer Studie von 1922 arbeitete Ludwig Mies van der Rohe Wahrzeichen, unübersehbar durch ihre ikonische Gestalt an einer Lösung, welche die größte Effektivität mit gering- und ihre Dimension, wie in Düsseldorf das Dreischeiben- stem Aufwand an Mitteln garantieren sollte. Aus der haus oder in New York das PanAm-Gebäude. Letzteres fes- zweckmäßigsten Einteilung der Arbeitsplätze ergab sich tigte seinen Starstatus als Sujet in Filmen und Computer- für ihn eine Raumtiefe von 16 Metern. Der besseren Über- spielen. Selbst nachdem die Nutzer gewechselt hatten, sicht wegen wurden die Regale an den Außenwänden plat- blieb der ursprüngliche Name im Volksmund präsent. 05 Trilux GmbH / Christoph Meinschäfer Siegeszug des Großraumbüros In einem ähnlichen Ansatz kombinierte Herman Hertzber- Im Inneren der Bürobauten freilich ging die Suche nach der ger im Verwaltungsgebäude Centraal Beheer (1972) im effizientesten Flächennutzung weiter und führte zum Sie- niederländischen Apeldoorn standardisierte Module zu geszug des Großraumbüros. Bis heute ist es bei vielen Con- einer abwechslungsreichen Landschaft. Der Innenraum trollern beliebter als bei den Angestellten. Nicht nur der wird zum städtischen Gefüge, das die Mitarbeiter mit ihren Arbeitsalltag, auch zahlreiche Filme prägten das Bild des persönlichen Lieblingsstücken besiedeln können. Die Men- Büroangestellten, der seine Karriereleiter mit einem Einzel- schen als größte Ressource des Unternehmens sollten sich büro krönen will. Der Umzug von einem Zellenbüro in eine willkommen fühlen. Während in vielen Firmen immer Großraumsituation wird von vielen Angestellten noch noch darüber diskutiert wird, ob und wie viele private immer als Degradierung empfunden: „Ich habe noch nie im Utensilien der Arbeitsatmosphäre zuträglich sind, wurden Großraumbüro gearbeitet. Das ist neu und in vielen Punk- die Angestellten im Centraal Beheer aufgefordert, sich in ten auch nicht ganz einfach. Also Pro natürlich, man „ihren“ Räumen wohnlich einzurichten. Arbeitswelten von morgen: Im von UNStudio entworfenen „Zentrum für Virtuelles Engineering ZVE“ in Stuttgart fördern großzügige Loungebereiche den informellen Austausch (oben). Areale, die allein der Kommunikation vorbehalten sind, sahen schneider+schumacher für das Ende 2013 fertiggestellte Hamburger Bürogebäude Plan B vor (rechts). bekommt viel mit, aber man bekommt in manchen Situationen auch zu viel mit“, so ein Mitarbeiter der Patrizia AG Nomaden der Arbeit in Augsburg. Offene Arbeitsplätze fördern erwiesenerma- Neben die Frage, wie wohnlich ein Büro sein soll, ist längst ßen die Kommunikation im Unternehmen. Um diesen eine andere getreten: Wie sehr durchdringt die Büroarbeit positiven Effekt tatsächlich erlebbar zu machen, bedarf es alle Lebensbereiche? Die Verschränkung von Arbeit und aber intelligenter architektonischer Maßnahmen von der Leben ist für Wissensarbeiter Alltag geworden. Durch Akustik bis zu individuellen Rückzugsnischen. Bei der Smartphone und Laptop werden Cafés, Hotels und Wohn- Patrizia AG übernehmen Wintergärten diese Funktion, die zimmer zu Arbeitsorten. Werden Bürobauten also bald kadawittfeldarchitektur jedem Großraumbüro vorlagern. überflüssig? Fakt ist, dass oft Schreibtische leer stehen, weil Bereits in den 1960er Jahren wollte das Quickborner-Team Angestellte im oder außer Haus unterwegs sind. In Desk- mit seinem Konzept der „Bürolandschaft“ das Großraum- Sharing-Konzepten wird die Zahl der Arbeitsplätze redu- büro besser den menschlichen Bedürfnissen anpassen. ziert. Neben dem Effekt der Flächenoptimierung soll auch Abwechslungsreiche Raumsituationen sollten die Möglich- die Arbeitsweise effizienter und flexibler werden, indem keiten zur Vernetzung steigern und Monotonie verhindern. genau das Sich-gemütlich-Einrichten verhindert wird. 06 puls 03 | 2013 Jörg Hempel Aber selbst die neue digitale Bohème ist auf Dauer unzu- wachs des „World of Sports“-Campus von adidas in Herzo- frieden mit improvisierten Heim- und Kaffeehausbüros genaurach. Dieses Setting dient keineswegs nur der Fitness, und organisiert sich in Co-Working-Arealen. Nicht selten sondern vor allem der informellen Kommunikation. Für das werden diese Orte mit ihrer Mischung aus Wohnzimmerat- adidas Laces (2011) überbrücken kadawittfeldarchitektur ein mosphäre und professioneller Infrastruktur zu Plattformen riesiges zentrales Atrium mit einem piranesisch anmuten- für neue Ideen. Besonders innovative Firmen aus dem digi- den Geflecht aus Stegen. Diese Erschließungsvariante talen Bereich haben erkannt, dass Mobilität und Flexibili- ermöglicht eine querungsfreie Bewegung zwischen den sierung besser funktionieren, wenn gleichzeitig die räumli- Abteilungen, stärkt aber gleichzeitig den Sichtkontakt zwi- che Qualität und Signifikanz der Andockstellen in der Zen- schen den Teams und bildet an den Andockstellen vielfälti- trale steigt. Je mehr mobiles Arbeiten und Desk Sharing ge Gemeinschaftszonen. Dass sich das Klima des Atriums den fixen Arbeitsplatz ersetzen, je prekärer die Vertragsver- aus der Restwärme bzw. -kühle der Büros speist, erleichtert hältnisse werden, desto größeren Stellenwert kommt den die Argumentation der luxuriösen Raumerweiterung. gemeinschaftlich genutzten Flächen zu. Ein Atrium als Kommunikationszentrum etablieren auch So werden in den weltweiten Google-Filialen die Bespre- Caramel Architekten bei Science Park (2012) im oberöster- chungszonen und Rückzugsräume atmosphärisch aufgela- reichischen Linz. Durch den Bau des „Science Parks“ in den. In Zürich realisierte das Büro Camenzind Evolution für unmittelbarer Nähe zum Campus der Johannes Kepler Uni- Google 2008 spielerische Themenlandschaften, die an einen versität möchte man Wirtschaft und Forschung näher Vergnügungspark erinnern. Sie ersetzen den verlustig zusammenrücken und Forschungskapazitäten nach Linz gegangenen persönlichen Bereich und sollen das Denken ziehen. Im Sinne eines zeitgemäßen wissenschaftlichen beweglich halten. Inzwischen folgen sogar Banken diesem Arbeitsklimas wurde daher besonders darauf geachtet, Trend. Das neue Headquarter der ANZ-Bank in Melbourne offene Bereiche zu schaffen, die den Austausch fördern. Die (2010) gestaltete das Büro Hassell als riesige Spielfläche. großzügigen verglasten Atrien verbinden die Geschosse miteinander, lassen Licht bis in die unteren Ebenen fallen Wege der Kommunikation und schaffen kommunikative Flächen. „Man läuft und läuft und läuft“, beschreibt eine Mitarbeite- Noch radikaler wird die Kommunikation bei der neuen rin ihren Arbeitsalltag im adidas Laces, dem neuesten Zu- Zentrale der AachenMünchener Versicherung (2010) von 07 kadawittfeldarchitektur gebündelt. Ein großzügiger Boulevard tritt an die Stelle von geschossweise organisierten Verbindungsgängen zwischen den vier Bauteilen. Als zentrale interne „Straße“ erhöht er signifikant die Wahrscheinlichkeit eines zufälligen Aufeinandertreffens von Mitarbeitern aus unterschiedlichen Abteilungen. In seinen Nischen und Plätzen bietet er „We-Spaces“ in allen Variationen, von Das Campus-Konzept in die Bank gebracht: Das neue Headquarter der ANZ-Bank in Melbourne gestalteten die Architekten von Hassell als abwechslungsreiche, farbenfrohe Bürolandschaft und interpretierten das Großraumkonzept neu (rechts). Lounges im Klubstil bis zu Besprechungsräumen, die sich mit ihrer Transparenz mitten ins Geschehen setzen. Die Peter Würmli zentrale Erschließung wird zur Stadt und zum Wohnzimmer: „Ich komme morgens über den Boulevard. Ich komme aus der Tiefgarage hoch, schaue in die Cafeteria und staune, wie viele Leute Zu Hause gar nicht frühstücken. Da gibt es den Witz, wenn hier noch Duschen wären, dann würden die Leute auch noch duschen hier“, so ein Mitarbeiter. Die Stadt im Büro Bei der Aachen Münchener sind nicht nur die internen Kommunikationsflächen urban gedacht, auch die Stadt selbst soll mit dem Gebäude interagieren. Durch die Verteilung des Volumens auf mehrere Bauteile hält die Versicherungszentrale die Verbindung mit der Stadt. Es ergeben sich vielgestaltige Durchwegungen, Überquerungen und Blickbezüge. Auch die Architektur der neuen Zentrale der Rothschild-Bank (2011) in London öffnet sich für Passanten. Das Konzept von OMA gibt den Blick frei auf ein seit dem Jan Bitter 18. Jahrhundert verstecktes architektonisches Juwel von Christopher Wren. Es ist unübersehbar: Die Flexibilisierung der Arbeitswelt geht einher mit neuen Bedürfnissen der Identitätsstiftung. Weniger denn je lässt sich das Büro auf rein funktionale Parameter reduzieren. Wenn in der Wissensgesellschaft Die spielerischen Themenlandschaften, die Camenzind Evolution 2008 für Google in Zürich erfanden, setzen bis heute Maßstäbe (oben). Pünktlich zur IBA 2013 in Hamburg wurde der Neubau für die Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt fertiggestellt. Die Architekten Sauerbruch Hutton entwickelten auch hier ein außergewöhnliches Farbkonzept, das die Adressbildung der einzelnen Gebäudeteile unterstützt und gleichzeitig den Nutzern Orientierung bietet (Mitte und unten). Kreativität und Selbstmanagement an die Stelle von rein hierarchischen Befehlsketten treten, wenn Vertrauen Kontrolle ersetzen soll, müssen auch die Räume eine neue Verbindlichkeit erzeugen. Wenn die Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit verschwimmen, muss der Büroalltag diese Vereinbarkeit unterstützen. Wenn Arbeitsprozesse sich immer schneller verändern, müssen die Arbeitsorte mit dieser Dynamik mithalten und zugleich Halt geben. Es gilt auf diese Anforderungen an Flexibilität und Identität nicht nur in Management und Büroausstattung, sondern auch mit architektonischen Strategien zu reagieren. Die Beispiele machen aber auch deutlich, dass die Architektur nicht nur auf den Wandel des Büros reagiert, sondern diese Verände- Jan Bitter rungen selbst mitprägt. Angelika Fitz arbeitet als Kuratorin und Autorin in Wien. Gemeinsam mit kadawittfeldarchitektur hat sie 2012 die Publikation „Arbeitende Orte. Bürobauten mit Wert und Mehrwert“ (Springer Wien New York) herausgegeben. Dort kommen unter anderem die Nutzer der Bürobauten ausführlich zu Wort. puls 03 | 2013 Earl Carter » Micro Heimat auf Zeit für moderne Businessnomaden Mit dem Ziel, modernen Wanderarbeitern ein temporäres Büro und Unternehmen attraktive Tagungsräume zu bieten, gründete der Immobilienspezialist Michael O. Schmutzer das Konzept der Design Offices. Die flexiblen Bürolandschaften gibt es derzeit in drei deutschen Großstädten, im nächsten Jahr eröffnen drei neue Standorte. Für puls beschreibt Schmutzer seinen Ansatz und zeigt auf, wie Design den Unternehmenserfolg befeuern kann. Text Michael O. Schmutzer Fotos Design Offices Smartphone, Tablet, Notebook. Büro irgendwo. Arbeiten ist, Die Vision war im Grund ganz einfach: Orte zu bieten, an wenn wir online sind. Unser Arbeitsalltag ist ein stetiger denen Menschen in einer durchdachten Arbeitswelt wieder Fluss aus E-Mails, Telefonaten und Telefonkonferenzen, die real zusammentreffen können. Immer getrieben von der wir mit dem Take-Away-Kaffee in der einen und einem Ambition, dass eine Bürowelt für anspruchsvolle mobile Hightech-Kommunikationsmittel in der anderen Hand Wanderarbeiter selbstverständlich das Prädikat „Design“ durch Flughäfen und Bahnhöfe manövrierend bewältigen. tragen muss. Ein Ort, der zu gleichen Teilen real und flexibel gestaltet ist – Bürolösung „Meet and Move“ von Design Offices im Münchner „Arnulfpark“ (re.). Als Immobilienfachmann und Marketingspezialist wusste 2008, wahrscheinlich irgendwann morgens auf einem Flie- ich selbst aus eigenem Erleben, was die Businesskollegen ger zwischen Nürnberg und Berlin oder Frankfurt und tatsächlich brauchten: maßgeschneiderte Arbeitsumge- Zürich muss es wohl gewesen sein, dass ich mich fragte, ob bungen mit flexibler Büroinfrastruktur, die am besten tem- es denn trotz all der Vorzüge des flexiblen Arbeitens nicht porär stunden-, tage-, wochen- oder monatsweise gemietet auch einen Ort oder am besten mehrere Orte geben könnte, werden konnten. Perfekte Büros für den modernen Arbeits- die Businessnomaden wie mir zumindest zeitweise eine alltag einerseits, intelligente Meeting- und Workshop-Räu- Heimat bieten würden. Noch im Flieger formte sich eine me für produktives Teamwork und inspirierende Umge- erste Idee von einem Ort, der gleichermaßen real wie flexi- bungen für Events und Konferenzen andererseits. Dazu Ser- bel sein sollte, der die Bedürfnisse mobilen, flexiblen Arbei- vice on demand und selbstverständlich alles buchbar über tens erfüllt und dennoch eine Premiumadresse für ein neu Smartphone, Tablet und Notebook. definiertes Bürokonzept werden würde. Aus der Idee, moderne Büroräume mit höchstem (Design-) Maßgeschneiderte, flexible Arbeitsumgebungen Anspruch zu kombinieren, entstand der Unternehmensna- „Schöner arbeiten und besser tagen“ wurde zur Leitlinie me Design Offices, der gleichzeitig Programm ist für jeden eines architektonischen und kommunikativen Konzepts. einzelnen Standort der neuen Büro- und Tagungswelten. 10 puls 03 | 2013 Denn: Trotz aller Freude über die Flexibilität der schönen langfristigen Partnern. Ob Akustik-Paneele, geräusch- neuen Arbeitswelt hält diese eben auch ein paar Schatten- dämpfende Teppiche, eine an der Tageszeit orientierte seiten bereit, die jedem Wanderarbeiter wohl bewusst sind. Beleuchtung oder die allen Jahreszeiten gerecht werdende Die Anforderungen, die heute an modernes Arbeiten Klimatisierung bilden ein ausgeklügeltes System an Wohl- gestellt werden, fordern vom Einzelnen und auch von fühlumgebung. Gemeinschaftsflächen wie Dachterrassen, Unternehmen Flexibilität und Anpassungsbereitschaft. offene Meetingbereiche, Küchen oder Rückzugsräume zum Arbeiten an wechselnden Orten, zu unterschiedlichen Zei- ungestörten Telefonieren oder für das vertrauliche ten bei permanenter Erreichbarkeit – gerade von Wissen- Gespräch gehören ebenfalls zur ausgeglichenen Work- schaftlern und Arbeitspsychologen wird das neue Arbeiten Life-Balance. Egal, ob gemeinsam gekocht wird oder man nicht nur gelobt. Pendeln und viele berufliche Reisen oder sich beim After-Work-Event kennenlernt, die Design Offi- die Verlegung des Bürositzes an den Standort des Kunden ces stehen für gelebte Netzwerkökonomie. für die Dauer eines Projekts bringen Nachteile mit sich, die Die Funktionalität steht dabei klar im Vordergrund. Durch der Mensch an Körper und Psyche spüren kann. Nur mit die Möblierung mit führenden Designmarken, durch aus- verbesserter Effizienz von Kommunikation bis Arbeits- geklügelte Akustik- und Lichtkonzepte und modernste IT- platzgestaltung lassen sich diese gesteigerten Anforderun- Infrastruktur schaffen die Design Offices mit dem Mantra gen meistern. „gestaltete Funktion für bessere Ergebnisse“ mehr Produk- Möblierung mit führenden Designmarken, ausgeklügelte Akustik- und Lichtkonzepte: „Living Kitchen“ (oben) und die „Fireside Lounge“ (rechts). tivität und Spaß an der Arbeit. Bessere Ergebnisse durch Gestaltung Von Anfang an ging es bei Design Offices darum, in den Das Konzept der Arbeitswelten lässt sich dabei grundsätz- eigenen Bürowelten maximale innenarchitektonische, lich in zwei Bereiche unterteilen: arbeiten und tagen. bauliche und kommunikative Elemente zu installieren, die Unter den Bereich „arbeiten“ fallen die beiden „Produkte“ Leistung und Wohlbefinden fördern. Licht, Luft, Akustik – Daily Desk/Co-working Space und Flexible Office. Hier die besten Hersteller für Büroausstattungen wurden zu haben Unternehmen aus Industrie und Mittelstand, Frei- 12 puls 03 | 2013 berufler und Dienstleister die Möglichkeit, sich flexibel einen Mittlerweile ist das junge Unternehmen in Düsseldorf Arbeitsplatz oder Büroräume – auf Wunsch/bei Bedarf kom- (Bürohaus „Kaiserteich“), München („Arnulfpark“ und plett mit Design-Möbeln und nach den modernsten Erkennt- „Highlight Towers“) sowie in Nürnberg („Am Schoppers- nissen für die Arbeitswelten der Zukunft eingerichtet – anzu- hof“) mit eigenen Räumlichkeiten präsent. Aktuell verbin- mieten. In diesen Bereich fällt zudem noch das Angebot „Vir- det Design Offices eine Platin-Partnerschaft mit der Xing- tual Office“. Hier kann auch nur eine Geschäftsadresse ange- Week: Digital vernetzt über Xing – getroffen im „Real Life“ mietet werden. Das Angebot „tagen“ bietet mit den „Produk- bei Design Offices. In einer Welt, in der moderne Informa- ten“ Fireside Lounge, Meet and Move, Project Space, Training tions- und Kommunikationstechnologien Büroarbeit unab- Room, Board Meeting und Living Kitchen ebenfalls den per- hängig von Ort und Zeit machen, bekommt der Ort Büro fekten Rahmen für produktive Meetings, Workshops, Schu- einen neuen strategischen Stellenwert: als Homebase, als lungen und Business-Events. emotionaler Kristallisationspunkt für den modernen Wissensarbeiter und Unternehmen. Unsere Räume sind mehr Das Büro als emotionaler Kristallisationspunkt als Standardbüros und Konferenzräume. Wir wollen die Wie werden die Arbeitswelten der Zukunft aussehen? Wie kreativen Köpfe zusammenbringen und für einen informa- werden wir zusammenarbeiten? In ihrer Gestaltung sollen die tiven Austausch interdisziplinär über alle Businessbereiche Design Offices als Vorreiter Antworten auf Fragen wie diese hinweg sorgen, z.B. über Networking-Veranstaltungen und liefern. Dies alles natürlich nicht nur zum Selbstzweck, als After-Work-Events. In diesem Sinne fällt der Blick in die Maxime soll natürlich der optimale wirtschaftliche Nutzen Zukunft ausgesprochen positiv aus: 2014 steht die Eröff- gelten. Unternehmen und Mitarbeiter können sich auf ihre nung von Standorten in Frankfurt, Berlin und Hamburg an. Kernkompetenzen konzentrieren, und Design Offices bietet die notwendige Infrastruktur, neue Arbeitsplatzkonzepte und Arbeitsraumformen sowie die entsprechende Vernetzung, um Kreativität zu fördern und Innovationen hervorzubringen. Michael O. Schmutzer ist Gründer, Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der Design Offices GmbH. Gleichzeitig ist er geschäftsführender Gesellschafter der Centacon Markenimmobilien GmbH, einem bundesweit agierenden Dienstleistungsunternehmen für die Immobilienwirtschaft. 13 » Praxis Das ansprechende Wechselspiel zwischen Glasflächen und den hölzernen Stütz- und Trägerelementen prägt auch die vertikalen Erschließungen in den Freiräumen zwischen Außen- und Innenfassade (links). Offene Konstruktion Fichtenholz und Glas sind die dominierenden Materialien im von Shigeru Ban entworfenen neuen Tamedia-Verlagshaus in Zürich. Dabei hat der japanische Architekt für sein erstes Projekt in der Schweiz auf eine tragende Holzkonstruktion gesetzt, die den Räumen ihren unverwechselbaren Charakter schenkt. Der Verlag präsentiert sich in zentraler Lage mit einer selbstbewussten Geste und öffnet sich mit großflächigen Glasfronten der Stadt. Text Lasse Ole Hempel Fotos Boy de la Tour (3), Reto Oeschger und Shigeru Ban Architects Das Schweizer Medienhaus Tamedia ist seit über 100 Jah- Shigeru Ban mit den Holzbauexperten Blumer-Lehmann, ren auf dem Züricher Werdareal zu Hause. Bereits 1902 die in der Ostschweiz zu Hause sind und gemeinsam mit befanden sich hier die Redaktion und die Druckerei des Ban bereits in Südkorea ein kühnes Golfclubhaus gebaut Tages-Anzeigers. Bis heute sind viele Zeitungen und Zeit- haben. Ban, der bekanntermaßen ein großer Anhänger des schriften dazugekommen, und selbstverständlich enga- Materials Holz ist, schließt mit seinem ersten in der giert sich der Verlag mittlerweile ausgiebig in den digita- Schweiz verwirklichten Projekt an sein 2010 vollendetes len Medien. In den 1960er und 1980er Jahren und zur Jahr- Centre Pompidou in Metz an, dem er durch eine hölzerne tausendwende hat man an- und umgebaut, sodass nahe Dachkonstruktion zu einem Alleinstellungsmerkmal ver- dem Stauffacherquais ein Medienareal entstand, in dem holfen hat. Digitale Entwurfstechniken eröffnen dem Holz- vor dem Umbau 1.200 Menschen arbeiteten. Gleichwohl bau bis dato ungeahnte Möglichkeiten, da jede Schnittstel- fanden hier nicht alle Mitarbeiter Platz, sodass Shigeru le auch in dreidimensionalen Raum exakt ausgerechnet Ban 2008 damit beauftragt wurde, einen Neubau zu ent- werden kann. Als hundertprozentige Holzkonstruktion, die werfen, der jene Mitarbeiter aufnimmt, die bislang an in den Knoten der Stützen ohne ein einziges Metallteil aus- anderen Standorten verstreut gearbeitet hatten, und das kommt, kann der Tamedia Verlagsneubau als Beweis gel- gleichsam dem Ensemble aus verschiedenen Gebäuden zu ten, dass Holz in puncto Lastverhalten mit Stahl und Beton einem homogeneren Gesamtbild verhilft. voll und ganz mithalten kann und das Zeug zum HighTech-Material besitzt. Selbst die strengen Schweizer Brand- Holz als High-Tech-Material schutzrichtlinien konnte Bans Entwurf einhalten: Vor Bau- Der siebengeschossige, im Juli 2013 eröffnete Bau leistet all beginn wurden in Zürich mehrere Tests durchgeführt und dies – darüber hinaus bildet er das edle Entrée ins Werdare- dezente Brandschutzelemente entwickelt. Die ungewöhnli- al und bietet fortan 500 Verlagsmitarbeitern eine inspirie- che Materialwahl leisten einen erheblichen Beitrag zur rende, helle und kommunikative Arbeitsumgebung. Die nachhaltigen Gesamtbilanz, da es sich bei Holz um einen offen sichtbare, tragende Holzkonstruktion verwirklichte nachwachsenden Rohstoff handelt. 15 Den Blick ins Innenleben möglich gemacht sardendach und einem überhöhten Erdgeschoss die archi- In Zürich ging es für die Architekten darum, nach dem tektonischen Eigenheiten des Züricher Stadtteils Außersihl. Abriss eines bestehenden Gebäudes das knapp 1.000 Quadratmeter große Grundstück in Ecklage zu überbauen. Der Der Reiz des Konstruktiven Neubau schließt den spitz zulaufen Block in Richtung Die Haupterschließung des Tamedia-Komplexes erfolgt Osten ab. Durch die zweigeschossige Aufstockung auf über den Neubau. Schon beim Betreten fallen die mächti- dem benachbarten Gebäude aus den 1960er Jahren ent- gen hölzernen Balken und Träger der Holzkonstruktion ins steht eine lineare Gebäudeformation von fast 50 Metern Auge, die bereits den Empfangsbereich einrahmen. Länge. Vom Ufer der Sihl trennt das Verlagsensemble ledig- Besonders die Verbindungen zwischen Trägern und Stüt- lich eine viel befahrene innerstädtische Verbindungsstra- zen beeindrucken in ihrer handwerklichen Perfektion und ße. Wer aus der nahe gelegenen Züricher City das Gebäude Materialität. Einmal mehr beweist der Bau, dass rein kon- ansteuert, kann durch die vollverglaste Front ins Innenle- struktive Elemente unbedingt auch ihren ästhetischen Reiz ben des Medienhauses schauen. Der Verlag präsentiert sich ausstrahlen können. offen gegenüber der Stadt und liefert gerade in Zeiten, in denen die Printbranche weltweit von einer Krise betroffen Besprechungseinheiten als „Balkone“ ist, mit dem neuen Gebäude ein selbstbewusstes State- Neben der Redaktion des Tages-Anzeigers und der kosten- ment, ohne übertrieben Aufmerksamkeit erhaschen zu losen Schweizer Pendlerzeitung „20 Minuten“ sind die wollen. Die Holzkonstruktion ist eindeutig als Alleinstel- Online-Redaktionen der beiden populären Medien in das lungsmerkmal erkennbar, dabei entspricht das Gebäude in Gebäude eingezogen. Aufgrund des tagesaktuellen Arbei- seinem Volumen der im Quartier üblichen Blockrandbe- tens und der Produktion unter zum Teil hohem Zeitdruck bauung in Regelbauhöhe und respektiert mit seinem Man- entschied man sich für eine Open-Space-Lösung. Die dem 16 puls 03 | 2013 Mit dem Neubau entsteht am Stauffacherquai ein homogenes Medienareal (links). Im Foyer glänzen Stühle aus Shigeru Bans eigener Kollektion und ein Terazzoboden mit Steinen aus dem Tessin (oben). Fluss zugewandte östliche Gebäudeseite prägt im Inneren schen Sitzmöbel vertragen sich nicht nur aufs Beste mit eine Doppelfassade, die das räumliche Konzept entschei- den wirkungsmächtigen Holzbalken der tragenden Kon- dend erweitert. Denn die äußerst großzügigen Freiräume struktion, sondern kommunizieren zudem wirkungsvoll zwischen äußerer und innerer Fassade dienen nicht nur mit dem hier verlegten hellen Terrazzoboden, auf dem als thermischer Puffer innerhalb des Energiekonzepts: Die 100.000 Tessiner Flusssteine einzeln platziert wurden. Wie teilweise mehrere Geschosse hohen Räume dienen der die Fassadenzwischenräume werden auch die großen Teile vertikalen Verbindung zwischen den verschiedenen der öffentlichen Räume im Erdgeschoss über einen Wär- Büroebenen und beherbergen Loungeräume für informel- metauscher temperiert, der sich aus der Abluft der Bürobe- le Besprechungen und Sitzungszimmer. Ein besonderer reiche und dem Grundwasser speist. Durch den Baustoff Reiz geht von den versenkbaren Fensterfronten aus, Holz wurden die Emissionen bereits in der Bauphase mittels derer sich die Besprechungseinheiten in luftige gering gehalten. Das Gebäude wird zudem CO2-neutral „Balkone“ verwandeln lassen, die dazu einladen, den Blick betrieben und entspricht den neusten und äußerst stren- über den Flusslauf der Sihl schweifen zu lassen. gen Schweizer Energieeinsparverordnungen. Terrazzoboden mit Tessiner Flusssteinen Gefährliche Glaswand Am Innenausbau war das Büro von Shigeru Ban nicht Kurz nachdem die neuen Räume bezogen waren, kursier- beteiligt. Gleichwohl konnte der Architekt im hauseigenen ten in der Züricher Presselandschaft Nachrichten über Ver- Café und im Empfangsbereich in Form von kleinen Sitz- letzungen, die durch eine offenbar schwer auszumachende gruppen seine Spuren hinterlassen. Die hölzernen, an Sitz- Glaswand hervorgerufen wurden. Die unsanften Zusam- fläche und Lehne mit Kartonröllchen überzogenen Stühle menstöße hatten eine Gehirnerschütterung und einen stammen aus Shigeru Bans eigener Kollektion. Die puristi- Nasenbeinbruch zur Folge. Mittlerweile wurde die ent- 17 » Praxis Schnitt In den Fassadenzwischenräumen unterbrechen die informellen Besprechungseinheiten das Großraummuster, die sich durch das Herunterlassen der Scheiben in luftige „Balkone“ umwandeln lassen (links). Grundrisse Erdgeschoss sprechende Glaswand mit dezenten, aber gut sichtbaren dunklen Punkten beklebt. „Wir haben während der Planungsphase ausgiebig darüber diskutiert, dass die umfassende Verwendung von Glas durchaus auch für Gefahren- Projektbeteiligte momente sorgen kann", so Christoph Zimmer, der als Leiter der Tamedia-Unternehmenskommunikation und als Projektleiter den Neubau auf Schritt und Tritt begleitet hat. „Leider ist es uns offensichtlich nicht gelungen, im Vorfeld alle heiklen Stellen zu identifizieren.“ Dafür habe Bauherr das Gebäude im heißen August erfolgreich seinen Hitze- Tamedia AG, Zürich test absolviert. Architekten Insgesamt zieht Zimmer nach circa zwei Monaten Betrieb Shigeru Ban Architects ein durchweg positives Resümee: „Hinter der Zusammenarbeit mit Shigeru Ban steckte auch der Wunsch nach Haustechnik einem Haus, das nicht durch besonders teure Materialien 3-Plan Haustechnik Violka + Raimann AG überzeugt, sondern durch den kreativen Umgang mit Kreuzlingen Thurgau, Schweiz Standardmaterialien. Am Ende haben wir glücklicherweise ein Gebäude erhalten, das eine kreative, helle und Integrierte Produkte von ABB freundliche Arbeitsumgebung bietet und Offenheit gegen- KNX-Regler inklusive Konstantlichtregelung über der Stadt ausstrahlt – alles Eigenschaften, die gut zu Niederspannungshauptverteilungen einem Medienhaus passen." 19 » Praxis Ungleiche Türme Die russische Antwort auf die New Yorker Skyline steht im Herzen Moskaus und wurde von den deutschen Architekturbüros ASP Schweger Assoziierte und nps tchoban voss entworfen. 2014 feiern die Zwillingstürme des imposanten Federation Complex Eröffnung, der dann als Europas höchstes Gebäude gelten soll. Text Christian Brensing Fotos Alexey Naroditsky und Patricia Parinejad Zu allen Zeiten sorgten Hochhäuser für spektakuläre Architektur, aber auch für Schlagzeilen. Der Traum vom Wolkenkratzer beflügelt Bauherren, inspiriert Architekten wie Ingenieure. Nicht zuletzt sind es die Bewohner, die sich für die unübersehbaren Zeichen in ihrer Stadt begeistern. Hochhäuser nähren Mythen: So steht das Empire State Building in New York für einen zeitlosen Hochhauskult, dem King Kong ein unvergessliches Denkmal setzte. In den letzten Jahrzehnten machten spektakuläre Türme wie das Burj al Arab (Dubai, 1999), die Zwillingstürme der Petronas Towers (Kuala Lumpur, 1999), das CCTV Building (Peking 2009) oder das höchste Gebäude der Welt, der Burj Khalifa (Dubai, 2010) von sich reden. Immer liest sich auch ihre Baugeschichte so spannend wie die Ersteigung eines Achttausenders im Himalaja: Technische Herausforderungen, architektonische Vision, organisatorisches Geschick, bestechende Ästhetik und Zeichen menschlicher Hybris sind nur einige Facetten, die Wolkenkratzer zu Medienstars machen. „Unser Bauherr wollte ein Gebäude der Superlative errichten, sowohl was die Größe als auch was die Qualität betrifft“, erzählt der mit den Planungen des Federation 20 Complex beauftragte Architekt Sergei Tchoban. „Schon der len bebaut werden, mehr als 2,5 Millionen Quadratmeter Entwurf folgte verschiedensten Ansprüchen, beginnend an Büro-, Wohn-, Hotel-, Handels- und Erholungsflächen mit der Höhe und den damit verbundenen Anforderungen werden in den kommenden Jahren in dem neuen Stadt- an Baulogistik, Sicherheit und Wartung über die verschie- viertel am Ufer der Moskwa entstehen. Die Hochhäuser denen Nutzungsmöglichkeiten, den Einsatz von High-End- gruppieren sich um ein zentrales Einkaufszentrum. Eine Materialien und nachhaltigen Technologien bis zur bloßen neue U-Bahnlinie bindet das Geschäftszentrum seit 2006 Zahl der Menschen, die den Komplex erreichen, betreten an das Moskauer Metronetz an, und die oberirdischen und nutzen sollen. Dies alles galt es, in Einklang mit einem Linien einer neuen Hochgeschwindigkeitsbahn werden ästhetischen Anspruch zu bringen, der unter diesen Rah- Moskau-City mit zwei internationalen Flughäfen verbin- menbedingungen nahezu beispiellos ist." den. Im Gegensatz zu manch anderem Moskauer Bauvorhaben wird Moskau-City weitgehend frei von historischer Sti- Ein neues Stadtviertel am Ufer der Moskwa lisierung und Traditionalismus sein und stattdessen moder- Unweit der Moskwa im Geschäftszentrum Moskau-City ne westliche Architektur zur Geltung bringen. Konsequent wurde 2005 der Grundstein für die unterschiedlich hohen gehen viele Aufträge an internationale Planer – im Jahr Zwillingstürme des Federation Complex gelegt. Das 2007 waren bereits sieben Projekte realisiert, vier davon Geschäftszentrum Moskau-City ist eines der größten und stammen aus der Feder von ausländischen Architekten. ambitioniertesten Projekte der russischen Hauptstadt. Vier Kilometer vom Kreml entfernt entstehen auf einer Fläche Der Entwurf des Federation Complex geht auf den 1. Preis von 100 Hektar 15 Wolkenkratzer. Insgesamt 60 Hektar sol- eines internationalen Architekturwettbewerbs zurück, den 22 puls 03 | 2013 Manhattan an der Moskwa: Die beiden Türme des Federation Complex prägen die Moskauer Skyline und bieten Platz für Büros, Luxuswohnungen und Einzelhandel. Im sechsstöckigen Sockel geben Glaskuppeln den Blick auf die Türme frei (rechts). die Architektengemeinschaft Professor Peter Schweger neuen Landmarken der Moskauer Skyline. Beide Türme (ASP Schweger Assoziierte Gesamtplanung GmbH, Ham- haben annähernd gleich große Grundrisse mit nach burg) und Sergei Tchoban (nps tchoban voss Architekten außen geschwungenen Seiten, die sich nach oben sanft BDA, Berlin) gewann. Ihr Entwurf lehnt sich an jenes russi- verjüngen, sodass eine leicht geschwungene Außenkontur sche Prinzip an, zwei in ihren Konturen nahezu identische entsteht. Mit ihrer Silhouette, die ein Stück weit an ein auf- Elemente in verschiedener Größe nebeneinander zu stellen ragendes Messer erinnert, setzen die Türme aus unter- – wie zum Beispiel die Zwiebeltürme orthodoxer Kirchen. schiedlichen Perspektiven markante Akzente – ein Bau- Aus einem Cluster von 15 weiteren Hochhäusern um eine werk, das selbstbewusst Moskaus Anspruch als Megame- Zentralachse gruppiert ragt der Federation Complex wie tropole unterstreicht. ein Leuchtturm hervor. Denn anders als die Bauten in der Eine Blockrandbebauung aus einem oberirdischen sechs- unmittelbaren Nachbarschaft mit ihren historischen und stöckigen Sockel mit mehreren Einschnitten dient dem traditionalistischen Anspielungen, zeichnet die beiden Tür- Hochhausduo als Podium. Die Zäsur zwischen Sockel und me des Federation Complex ihre schlanke, unprätentiöse Türmen wird durch eine viergeschossige Taille betont, auf Ästhetik der Moderne aus. der die beiden Turmbauten in Form zweier sphärischer, gleichseitiger Dreiecke aufbauen und sich mit zunehmen- Silhouette, die an ein Messer erinnert der Höhe nach oben verjüngen. Die Geschosse über dem Der kleinere der beiden, Turm West/B mit 63 oberirdischen Podium bilden im Grundriss eine um 45° gedrehte Linse Geschossen, und der größere, Turm Ost/A mit 95 oberirdi- und springen gegenüber den höher gelegenen Geschossen schen Geschossen wurden schon während des Rohbaus zu der beiden Türmen zurück. 23 Mit dem Panoramaaufzug in die Aussichtsplattform Einzigartige Gestaltungsmöglichkeiten Die dynamische Komposition der zwei Türme von 242 Die Türme sind, mit Ausnahme von Lamellenelementen in Meter und 373,50 Metern Höhe wird von einer dazwischen den Technikgeschossen, voll verglast. An den Außenkan- angeordneten Turmnadel einschließlich ihrer Panorama- ten der Stahlbetondecken sind hinter mit Wolken bedruck- aufzüge und Antenne bis auf eine Höhe von 448 Meter als ten Paneelen die geschosshohen Bauteile der Vorhangfas- Ausdruck der Zentralachse fixiert. Der solide, mit bedruck- sade fixiert. Da die Technikgeschosse nicht an die Enden tem und sphärisch gekrümmtem Glas verkleidete Sockel der Türme positioniert wurden, ergeben sich dort einzigar- sorgt für das optische Gleichgewicht. Im vierzehngeschos- tige Gestaltungsmöglichkeiten: Im höheren Turm gelan- sigen Atrium des Sockelbereichs starten die Panoramaauf- gen die Besucher zunächst per Expressaufzug in die Bar züge zu ihrer Fahrt durch eine gläserne Röhre. Über die und das Restaurant „Skylobby“ direkt unter der Glaskup- oberste Verbindungsbrücke (Ebene +89) erfolgt der Zugang pel im 92. und 93. Geschoss. Wer will, kann auch den Über- zur öffentlichen Aussichtsplattform in der Spitze von Turm gang zum westlich gelegenen Turm wählen, wo unter der Ost/A. Die Verbindungsbrücken sind auch im Decken- und gläsernen Spitze Schwimmbad und Spa-Bereich auf den Bodenbereich verglast und ermöglichen den Besuchern Besucher warten. In unmittelbarer Nähe befinden sich einen 360° Rundblick. Speziell für den Federation Complex außerdem Luxusapartments und Bürogeschosse. Die Moskauer Niederlassung von Sergei Tchoban war für den Innenausbau der 35 Stockwerke verantwortlich, in die die VTB-Bank einzog (oben). Die markante Formgebung der Türme prägte auch Details wie die Türdrücker (rechts). schuf Sergei Tchoban in Anlehnung an die Geometrie des Gebäudes verschiedene Elemente wie Türdrücker oder Im gesamten Podiumsbereich und in beiden Türmen Leuchten. So wird der besonderen Bedeutung der Architek- bestimmt eine Funktions- und Nutzungsdurchmischung tur bis ins Detail Rechnung getragen . das Bild. Im Podiumsbereich befinden sich über vier 24 puls 03 | 2013 » Praxis Grundriss 6. Obergeschoss Schnitt Geschosse neben einem Konferenzzentrum Unterhaltungsund Einkaufsmöglichkeiten sowie Gastronomie der unterschiedlichsten Art. Jede einzelne Etage kann von einer gemein- Projektbeteiligte samen Aufzugslobby aus individuell ausgebaut werden. KNX-Steuerung von Klima und Beleuchtung Auftraggeber Den Innenausbau für die 35 Stockwerke, in die die VTB- ZAO „Bashnja Federazija“, Moskau Bank einzieht, übernahm Sergei Tchobans Moskauer Büro SPEECH Tchoban & Kuznetsov. Klima, Beleuchtung und Architekten Jalousien steuert in nahezu allen Bereichen der Bank ein Prof. Peter Schweger, ASP Schweger Assoziierte KNX-System. Dieses verbindet Komfort mit extremer Ener- Gesamtplanung GmbH, Hamburg gieeffizienz und überzeugte auch die Jury des KNX Award und Sergei Tchoban, Architekt BDA, 2010. Ein Punkt mehr, der beweist, dass Superlative im nps tchoban voss GmbH & Co KG, Berlin Federation Complex im großen wie im kleinen Maßstab erfolgreich umgesetzt sind. Neben moderner, energiespa- Integrierte Produkte von Busch-Jaeger render Technologie waren auch flexible Strukturen KNX-System zur Steuerung von Klima, gewünscht – um den Federation Complex in Zukunft den Beleuchtung und Jalousien sich wandelnden individuellen Mieter- und Nutzerwün- Busch-priOn und Busch Triton schen optimal anzupassen. 25 » Praxis Neues Wahrzeichen am Duisburger Innenhafen: Für das Landesarchiv NRW schufen O&O Baukunst den zentralen neuen Archivturm (links) und den angrenzenden mäandernden Neubau. Im Speicher Im Oktober 2013 begann das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen seinen Umzug in die neuen Räumlichkeiten am Duisburger Innenhafen. Die Architekten von O&O Baukunst haben hier ein altes Speichergebäude eindrucksvoll um einen neuen zentralen Archivturm mit Reliefstruktur und ein mäanderndes, direkt an den Altbau anschließendes Bürogebäude erweitert. Die Stadt Duisburg erhielt ein neues Wahrzeichen, das bereits vor seiner Eröffnung reichlich Wirbel auslöste. Text Ralf Johnen Fotos O&O Baukunst Rund sechs Jahre ist es her, dass die Landesregierung Wassers und die rötliche Farbe des Backsteinsilos aufgreift, beschlossen hatte, einen ausgemusterten Getreidespeicher sind Foyer, Leseraum für die Archivnutzer und die Büros am Duisburger Innenhafen in das Gedächtnis Nordrhein- der Mitarbeiter untergebracht. Der Platz zum Schwanentor Westfalens zu verwandeln. Das bis dato in Düsseldorf wird zum Straßenraum durch eine Kante hervorgehoben. beheimatete Landesarchiv sollte mit den Beständen der Im Zusammenspiel mit den an der Wasserkante positio- Außenstelle in Brühl bei Köln vereinigt werden. Ende Okt- nierten Lastkränen strahlt das Areal eine Portion Industrie- ober 2013 konnten die ersten der rund 100 Mitarbeiter in romantik aus. Das Projekt kann in einer Reihe mit weiteren ihre Büros einziehen. Am meisten Aufmerksamkeit zieht umfangreich modernisierten Bestandsgebäuden wie der das umgebaute und erweiterte ehemalige Speichergebäu- Zeche Zollverein in Essen oder dem Kulturzentrum „Dort- de auf sich – eine neue Landmarke für die arg gebeutelte munder U“ betrachtet werden. Stadt Duisburg, die durch eine hohe Arbeitslosigkeit und Bevölkerungsschwund Negativschlagzeilen macht. Über 100 Kilometer Archivregale Die Archivalien selbst werden auf 13 Stockwerken in dem Den Auftrag für den Bau hat das Büro O&O Baukunst von neu gebauten Siloturm untergebracht. Um auch das Licht als Manfred und Laurids Ortner erhalten. Die österreichischen potentielle Gefahrenquelle fernzuhalten, haben die Archi- Brüder sind bereits seit 1987 in Düsseldorf aktiv, sie betrei- tekten im Altbau alle Fenster zumauern lassen. Nur in jenem ben Zweigstellen in Wien, Berlin und Köln. In ihrem Ent- Teil der Fassade, die in den Neubau übergeht, befinden sich wurf wird das vorhandene Speichergebäude aus den 30er Aussparungen in Form von Bullaugen. In den Magazinen des Jahren durch einen zentralen Archivturm ergänzt, der sich Speicherbaus sind über 100 Regalkilometer untergebracht. mit seiner feinen Reliefierung von der Klinkerstruktur des alten Speichergebäudes absetzt. Im fünfgeschossigen Das Landesarchiv, das den Bau dauerhaft vom Bau- und Lie- Anbau „Die Welle“, der sich mäandernd entlang des Duis- genschaftsbetrieb des Landes (BLB) mietet, hat bezüglich burger Innenhafens erstreckt und das Motiv des nahen der Bürosituationen eher konventionelle Wünsche ange- 27 meldet. Für die meisten Mitarbeiter sind funktional gestal- sowohl hier als auch im neu errichteten, 13-stöckigen und tete Einzelbüros vorgesehen. Unkonventionell erscheint 77 Meter hohen Archivturm nötig, um eine Durchbiegung der Schnitt der Büroräume – bedingt durch den wellenför- der Schienen der Rollregalanlage zu verhindern. migen Grundriss. Da die Fenster erst knapp oberhalb des Anspruchsvoll gestaltete sich auch die Sicherstellung des Fußbodens enden, ist die Versorgung mit Tageslicht üppig. Raumklimas der Archive: Zusätzlich zu den permanent auf Großzügig ist auch das Eingangsportal, das die Besucher 16 Grad gehaltenen Räumen für Printmaterialien sind im von der Wasserseite aus betreten und das sich über die Keller Räume für Foto- und Videodokumente eingerichtet gesamte Höhe des Neubaus erstreckt. Hier auch haben sie worden, wo die Archivalien bei 1 Grad vor der Vergänglich- Gelegenheit, durch die Bullaugen einen Blick auf die Maga- keit geschützt werden. Die ursprünglich geplante passive zine zu werfen, wo bis zur offiziellen Eröffnung am 5. Mai Klimatisierung wurde in der weiteren Planung durch eine 2014 unter anderem die staatlichen Überlieferungen aus aufwendige Klimatechnik ersetzt. Damit die Lüftungstech- NRW und seiner Vorgängerterritorien, Überlieferungen aus nik nicht den Gesamteindruck stört, wurde sie unter die Klöstern, Amtsbücher aus der frühen Neuzeit sowie das Dachhülle verbannt. Eine Baguette-Konstruktion aus kera- Aktenschriftgut von Landes- und Bezirksregierungen ein- mischen Elementen, Aluschienen und Stahlträgern ver- sortiert werden. steckt die Lüftungstechnik in dem Ziegelgebäude. Der Zugang zu den Magazinen bleibt den Besuchern ver- Nachträgliche Planungsänderungen schlossen – angefragte Archivalien werden über ein ausge- Nicht nur die markante Form von Speicherturm und „Wel- klügeltes Transportsystem in den großzügigen Lesesaal le“ ließen das Landesarchiv bereits vor Eröffnung zu einem gebracht. Eine statische Herausforderung stellte die Lastab- Medienthema werden: Schnell wurde klar, dass die der tragung der Rollregale insbesondere für das alte Öffentlichkeit kommunizierten 35 Millionen Euro nicht alle Speichergebäude dar: Dieses war für Schüttgut, also für gewünschten Planungsänderungen, Flächenmehrungen, eine hohe Lastenverteilung gebaut, die 2,23 Meter hohen Honorare, GU-Zuschläge, Mehrwertsteuer und Grund- Rollregale sorgen für lineare Lasten. Ein Trägersystem war stückspreise berücksichtigten. 28 Die Reliefstruktur des zentralen Turms setzt sich vom Klinker des Altbaus ab (rechts). In den 2,23 Meter hohen Archivschränken befindet sich das „Gedächtnis“ des Landes. Das neue angrenzende Bürogebäude haben die Architekten „Die Welle“ getauft (links). puls 03 | 2013 » Praxis Grundriss Erdgeschoss Grundriss Regelgeschoss Speichergebäude Viele Faktoren spielten eine Rolle – angefangen mit der Gebäudefläche, die auf Bauherrenwunsch verdoppelt wurde: Nicht nur dass die Archivfläche größer wurde – zusätzlich sollten neben den Mitarbeiterräumen des Landesarchives noch zusätzliche Büroflächen entstehen, die zum Projektbeteiligte Verkauf oder zur Vermietung freigegeben werden. Christian Heuchel, geschäftsführender Gesellschafter O&O Baukunst, weist darauf hin, dass die Architekten ursprünglich eine Betonkonstruktion für die Aufstockung Bauherr des Turms vorgesehen hatten, zumal in der Auslobung Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW des Wettbewerbs das Speichergebäude als solide und tragfähig beschrieben wurde. Die Bauherren votierten aller- Architekten dings für eine weitaus teurere Stahlkonstruktion, um den O&O Baukunst, Wien hohen Anforderungen, der Rollregalanlage Rechnung zu tragen. „Allen Beteiligten war von Beginn an klar, dass Generalunternehmer dies statisch eine Herausforderung darstellen würde“, so Hochtief Solutions AG, Niederlassung NRW Heuchel. „Doch bei der Ausgangslage und der Anforderung 134 Kilometer Regalanlagen (dies entspricht der Stre- Bruttogrundfläche cke Köln – Frankfurt) aufzunehmen, scheint uns auch heu- 48.000 Quadratmeter te der Archivturm auf dem vorhandenen Grundstück als die beste aller möglichen Lösungen. Man braucht sich nur Integrierte Produkte von Busch-Jaeger vor Augen zu führen, dass eine ebenerdige Anordnung der Schalterprogramm future linear®, weiß benötigten Regalkilometer auf der grünen Wiese ein KNX-Sensoren Gebäude von 600 auf 600 Metern gefüllt hätte.“ 29 » Visionen Neutelings Riedijk Architects Von Türmen und Landschaften Ein hoher Büroturm kann nach wie vor einem Unternehmen zu viel Aufmerksamkeit verhelfen – besonders wenn ein außergewöhnlicher architektonischer Ansatz gewählt wurde. Dass Macht und Einfluss nicht an der Gebäudehöhe ablesbar sein müssen, beweisen die Pläne für neue Konzernzentralen im Silicon Valley. Neutelings Riedijk Architects: Le Cinq, Paris, Frankreich Die niederländischen Architekten verfolgen mit dem Projekt „Le Cinq“ eine neue Typologie des Büroturms, indem sie die Vorteile eines Hochhauses – kleine Grundstücksfläche, kurze Transportwege, ein atemberaubender Ausblick und ein gebündeltes Serviceangebot – mit den Dimension eines überschaubaren Stadtteils verbinden, der seinen Einwohnern Orientierung und Identifikation bietet. „Le Cinq“ besteht aus fünf autonomen Einheiten mit sechs Etagen, die jeweils um einen zentralen begrünten Platz angeordnet sind. Jeder dieser Orte entwickelt eine eigene Thematik, die durch die landschaftliche Gestaltung und künstlerische Elemente zum Ausdruck kommt. Dem Hochhauskonzept soll durch das besondere Ambiente Seele eingehaucht werden. Die Süd- und Nordfassade mit ihren massiven und offenen Teilen bieten dem Betrachter die Möglichkeit, den Blick abwechselnd über die Gebäudefront und in weite Ferne schweifen zu lassen, während sich der Himmel in den Lücken zwischen den horizontalen Einheiten zeigt. Der Büroturm „Le Cinq“ ist keine hermetische Wand. Er wurde auch nicht als ehrgeiziges Einzelobjekt konzipiert: Er soll nicht nur als Bindeglied zwischen Paris und seiner Peripherie funktionieren, sondern auch eine neue städtebauliche Verbindung zum Eiffelturm schaffen. Dazu wollen die Architekten Maßstäbe im Bereich der Nachhaltigkeit setzen. Sie planen, die für den Betrieb des Gebäudes notwendige Energie mit Hilfe eines geothermischen Systems und einer Sonnenwärmepumpe vor Ort zu erzeugen, die Außenluftvorkühlung sowie die Grauwassernutzung sollen in Übereinstimmung mit dem Klimaplan der Stadt Paris gewährleistet werden. 30 puls 03 | 2013 MVRDV: Guosen Tower, Guosen, China Das neue Hauptquartier der Guosen Securities Corporation soll im chinesischen Shenzhen als Symbol des dynamischen, rasant wachsenden Unternehmens entstehen. Eine angenehme Arbeitsatmosphäre für die Mitarbeiter ist den Bauherren dabei genauso wichtig wie die Energieeffizienz des Gebäudes. In Anlehnung an eine chinesische Laterne entwickelten die Rotterdamer Architekten MVRDV eine Außenhülle, die nicht nur regionale Bezüge aufweist, sondern auch ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist. Der Entwurf sieht einen kompakten quadratischen Grundriss des 204 Meter hohen Büroturms vor. Mit direktem Blick auf die Bucht von Hong Kong erstreckt sich jedes der Stockwerke auf einer Fläche von nur 1.849 Quadratmetern. Alle Arbeitsplätze können so in direkter Nähe mit einem maximalen Abstand von elf Metern zur Fassade positioniert werden. Den besten Ausblick genießt die Geschäftsleitung in der Lounge im doppelgeschossigen obersten Stockwerk. Auch die im Erdgeschoss untergebrachten Geschäfte und ein Restaurant profitieren von der hohen Transparenz der großen Fensterfronten, die sich ebenfalls über zwei Geschosse erstrecken. Um den Verbrauch des Gebäudes möglichst gering zu halten, werden die Kanten jedes Stockwerkes an der Außenseite in einem Winkel von 35 bis 55 Grad nach unten gezogen, um die darunterliegenden Etagen vor zu starker Sonneneinstrahlung zu schützen. Zusätzlich angebrachte Solarzellen gewinnen 33 Prozent des Energiebedarfs des gesamten Gebäudes, und das über die Fassade mischt. So sollen möglichst viele energie- und ressourcensparende Maßnahmen genutzt werden. MVRDV aufgefangene Regenwasser wird dem Brauchwasser beige- 31 Foster + Partners Raumschiff oder der Ring einer uneinnehmbaren Festung: Der von Foster + Partners entworfene Apple Campus 2 ist in jedem Fall ein Projekt der Superlative. Apple, Facebook, Google und Samsung: Neue Bürogebäude für das Silicon Valley? selbst zu recyceln und ein eigenes, umweltfreundliches Kraft- „Corporate Kindergarten“ schrieb die Frankfurter Allgemeine angesichts der im Som- werk zu bauen. Mehr als ein Drittel der Mitarbeiter sollen mit mer 2013 publik gewordenen Pläne für einen neuen Apple Campus im kalifornischen einem hauseigenen Bussystem zum Verzicht aufs Auto angeregt Cupertino und das neue Firmenhauptquartier von Facebook im Menlo Park. Bemer- werden. Apple will das neue Gebäude am liebsten 2016 bezie- kenswert ist an den beiden neuen Entwürfen, dass die Architekten – anders als viele hen, das mit einer Bürofläche von fast 318.000 Quadratmetern Kollegen, die für Megakonzerne bauen – nicht um jeden Preis hoch hinaus wollen. selbst dem Pentagon (344.000 Quadratmeter) Konkurrenz Das bekannte Statusdenken je höher, je mächtiger, scheint hier keine Rolle zu spielen. machen würde. Doch die schiere Größe des Projekts und die Denn sowohl Norman Fosters Entwurf für Apple als auch Frank Gehrys Modelle für damit verbundenen Umbauarbeiten haben in Cupertino Diskus- die neue Facebook-Zentrale scheinen sich sorgsam in die Landschaft zu ducken. So als sionen ausgelöst. In mehren Anhörungen des örtlichen Stadtrats wollten sie sich unsichtbar machen. Immerhin soll der eingeschossige Büroriegel, an wurden unter anderem das Entfernen eines Straßenabschnitts dem Frank Gehry arbeitet, auf fast 40.000 Quadratmeter Grundfläche eines Tages das und das erhöhte Verkaufsabkommen besprochen. Mitte Oktober größte Großraumbüro der Welt beherbergen. Durch fast vollständige Begrünung soll gab das Gremium dann doch grünes Licht für das Projekt. Apple das Dach mit der Landschaft verschmelzen. Auch in Norman Fosters Entwurf für darf bauen. Apple spielt die Natur eine bedeutende Rolle: Sein viergeschossiger ringförmiger Bau (der Entwurf wurde noch von Steve Jobs in Auftrag gegeben) soll in seiner Mitte einen Nur eine halbe Autostunde entfernt vom geplanten neuen Apple künstlichen Dschungel umschließen. Da der Bau in einem großen Park liegt, soll der Campus 2 soll das neue facebook Gebäude Formen annehmen. visionäre Bau von der Straße kaum zu sehen sein. In der Vogelperspektive fühlt man Beide Projekten könnten neue Kapitel in der Büroarchitektur sich zumindest beim Betrachten der Renderings an die zuweilen geniale Perfektion aufschlagen, und es scheint, als lieferten sich die internationalen und Geschlossenheit der Apple-Produkte erinnert. Campus 2, so die interne Bezeich- Konzerne aus Kalifornien ein Wettrennen um das schönste und nung für die künftige Konzernzentrale, wird eine Meile östlich des bisherigen Haupt- originellste Gebäude. Dem Silicon Valley, das für die hier behei- quartiers liegen. Beobachter vergleichen den ringförmigen Bau mit einem Raumschiff mateten Unternehmen weltberühmt ist, aber bis dato nicht oder auch mit einem Burgwall – eine Zuschreibung, die sich an Apples Firmenkultur gerade als Hort innovativer Architektur bekannt, stehen also der Geheimhaltung anlehnt: Über Innovationen sickert normalerweise nur sehr interessante Monate bevor. „Im Silicon Valley ist der Wettbe- wenig nach draußen, dafür wird die Präsentation einer Neuerung zum weltweit werb um Arbeitskräfte und Ideen derzeit besonders hart, weil beachteten Ritual. Den 12.000 Mitarbeitern, die im Campus 2 Platz finden sollen, wird der Konjunkturzyklus dort einen Höhepunkt erreicht hat“, es an nichts mangeln: Zur Rundumversorgung gehört neben einem erstklassigen Res- betonte NBBJ-Architekt Scott Wyatt in der deutschen Wochenzei- taurant ein „Corporate Fitness Center“ in den Abmessungen eines Flugzeughangars tung „Die Zeit“. Die hochtrabenden architektonischen Pläne der und eine Parklandschaft mit exakt 7.034 Bäumen. Dazu plant Apple, sein Trinkwasser Software-Konzerne seien kein Beleg für Größenwahn, sondern 32 puls 03 | 2013 zeugten vielmehr davon, dass die Unternehmen verstanden hätten, dass es einen Zusammenhang zwischen Leistungsvermögen und dem Arbeitsumfeld gibt. Sein Büro ist derweil selbst damit beschäftigt, drei anderen Größen der Branche zu einem veritablen architektonischen Auftritt zu verhelfen: NBBJ arbeitet neben einem neuen Google-Hauptquartier in Mountain View am Aufsehen erregenden Amazon-Firmengebäude in Seattle und dem neuen amerikanischen Samsung Headquarter. Der südkoreanische Erzrivale von Apple plant in San José, ungefähr 10 Meilen vom Apple-Hauptsitz entfernt, einen neuen Firmencampus der Superlative. Auf über 100.000 Quadratmetern soll eine neue großzügig begrünte Arbeitsumgebung entstehen. Bei der Entwurfsfindung ließen sich die Architekten von Samsungs erfolgreichsten Produkten inspirieren, den Halbleitern. Wie in einem Schaltkreis sollen in San Jose verschiedene Ebene zusammengeschlossen werden, um auch zwischen den Mitarbeitern „High-Speed Communication“ zu ermöglichen. Im Entwurf werden mehrere zweistöckige Gebäudeteile so übereinandergestapelt, dass in der Mitte ein großzügiger, begrünter Innenhof Platz findet. Da auch zwischen den Elementen schlitzförmige, als Terrassen nutzbare Freiräume belassen sind, soll zukünftig jeder Samsung-Mitarbeiter im Silicon Valley möglichst vom eigenen Stockwerk ohne große Umwege ins Freie einem Pavillon und einem Parkhaus, 2015 soll das Gebäude von den circa 2.000 Mitarbeitern aus den Bereichen Forschung & Entwicklung und Vertrieb bezogen werden.“ NBBJ gelangen. Das Areal besteht aus einem zehnstöckigen Komplex, Gebäudeelemente, die wie im Schaltkreis verbunden sind und so Synergien zwischen den Mitarbeitern fördern, erdachten NBBJ architects für das neue Samsung Headquarter im kalifornischen San Jose. 33 » Zu Besuch Austausch statt Closed-Shop-Denken Seit 1984 stehen GATERMANN+SCHOSSIG aus Köln für hohe architektonische Qualität im Büro- und Verwaltungsbau. Mit einem integralen Ansatz, der den intensiven Dialog mit Fachplanern und Künstlern beinhaltet, entwickelt das Büro ästhetische und wirtschaftliche Gebäude. Im Gespräch mit puls legt Dörte Gatermann anhand vieler Beispiele dar, worauf es ihr bei der Gestaltung moderner Arbeitsumgebungen ankommt. Interview Katrin Förster und Lasse Ole Hempel Material- und energieeffizientes Bauen prägen die Arbeits- Sie haben mit Ihren Projekten im Rheinauhafen den Wan- ethik von GATERMANN+SCHOSSIG. Seitdem Elmar Schossig del vom stillgelegten Industrieareal zum modernen 2009 verstorben ist, steht Professor Dörte Gatermann als Wohn- und Büroareal begleitet … geschäftsführende Gesellschafterin dem Büro vor und wahrt Bei Köln denke ich immer, dass viele die unglaubliche Lage den hohen ästhetischen und nachhaltigen Anspruch. Katrin der Stadt und somit das immense Entwicklungspotenzial Förster, International Key Account Manager bei Busch-Jaeger, übersehen. Auch weil ich der Stadt eine moderne Landmarke und puls Redakteur Lasse Ole Hempel trafen Dörte Gater- geben wollte, habe ich so vehement für das Hochhaus mann zu einem Gespräch im Kölner Rheinauhafen. „Köln Triangle“ gekämpft. Ein Projekt, für das ich auch lange Große verglaste Atrien, signalrote Glaspanele und die mäandernde Gebäudeform prägen das siebengeschossige Capricornhaus, das den südlichen Abschluss des Düsseldorfer Medienhafens bildet (rechts). Zeit kritisiert wurde, heute aber viel Zustimmung finde. Hier am Rheinauhafen reihen sich vier Projekte von GATERMANN+SCHOSSIG wie an der Perlenschnur aneinan- Die beiden von Ihnen im Rheinauhafen konzipierten Büro- der: der FrauenMediaTurm von 1994, das Hafenamt von gebäude Kontor 19 und Im Zollhafen 22 liegen nur circa 2000, das Bürogebäude Kontor 19 und schließlich das 300 Meter Luftlinie auseinander. Was haben sie gemeinsam Gebäude, in dem wir uns heute verabredet haben: der Büro- und wie unterscheiden sie sich in ihrer Herangehensweise? bau im Zollhafen 22. Beide Gebäude sind nicht für einen spezifischen Nutzer Der FrauenMediaTurm war mein erstes Projekt im Rheinau- geplant. Beim Kontor 19 Gebäude haben wir einen sehr hafen – ein mittelalterlicher Wehrturm aus dem 12. Jahrhun- kompakten wirtschaftlichen Block vorgeschlagen und dert. Alice Schwarzer, die als Bauherrin fungierte, überredete konnten uns mit einem skulpturalen Ansatz durchsetzen: mich, in den Wiederaufbau des größtenteils kriegszerstörten Das Staffelgeschoss wurde versetzt, das Gebäude wirkt, als Gebäudes für die Umnutzung als Archiv einzusteigen. Da ich wäre partiell etwas weggeschnitten worden. Der Bau ist auch für den Innenausbau zuständig war, durfte ich den zudem vom Energiekonzept her besonders. Wir haben Turm aber vollkommen umkrempeln. Das zweite Projekt nicht nur eine Bauteilaktivierung durchgesetzt, sondern folgte quasi auf dem Fuße: eine moderne Erweiterung für nutzen über Wärmetauscher auch das Rheinwasser. Hier, das Hafenamt, das im 19. Jahrhundert erbaut wurde. beim Projekt im Zollhafen 22, haben wir uns bewusst für 34 puls 03 | 2013 Rainer Rehfeld Jens Willebrand eine Erschließung entschieden, die von oben nach unten Abhängigkeit vom Licht einen ganz unterschiedlichen Glanz verläuft. Die Anmeldung und die Konferenzbereiche sind an. Sie korrespondiert so mit den Steinen des benachbarten in den oberen Etagen untergebracht, Besucher und Mitar- Turms und erzeugt das Gefühl von Tiefe und Veränderung. beiter beginnen ihren Arbeitstag oben und genießen zum Das Farbspektrum reicht von einem goldenen Ton zu schwe- Beispiel zunächst die beeindruckende Aussicht über Köln. rem Kupfer. Die Wartung entfällt, ein großer Vorteil gegenü- Der Einzelne muss sich so nicht als kleines Rädchen fühlen, ber der Putzfassade. Landmarke für Köln: Mit dem Bürohochhaus Köln Triangle setzten Gatermann+Schossig 2007 ein modernes Zeichen und werteten das rechtsrheinische Stadtgebiet auf (oben). sondern kann sich das Gebäude förmlich aneignen. Eine Sonderrolle innerhalb Ihrer Büroprojekte dürfte das Auffällig ist, dass Sie zu fast jedem Bürogebäude auch Capricornhaus in Düsseldorf einnehmen, wo Sie auch für einen eigenen, spezifischen Fassadentyp entwickelt haben. den Innenausbau zuständig waren und gemeinsam mit Im Kontor 19 haben wir uns für eine Integralfassade ent- Ihrem Team sogar eigene Büromöbel entwickelt haben. schieden – eine hochtechnische Lösung mit Nachtausküh- Das Capricornhaus ist ein sehr umfassendes Projekt, das von lung, die äußerlich einfach aussieht. Das System verläuft der integralen Planung über die vollständige Vorfertigung innerhalb des Deckenbereiches. Wir haben eine Haut über der Fassade bis zum Ausbau viele Besonderheiten aufweist. das Ganze gespannt, und an Stellen, an denen man gar nicht Der Grundriss wurde als flächenoptimierte Form entwickelt, damit rechnet, öffnen sich dann Lüftungsklappen. So war es die dem internationalen Unternehmen E.ON energy trading, möglich, auf außenliegenden Sonnenschutz zu verzichten. das die Räume bezog, große Freiheiten für jede Art von Arbeitsplätzen schafft. So haben wir neben Einzel-, Gruppen-, Ins Auge fällt hier auch die Materialität der Außenwand ... Open-Space und non-territorialen Arbeitsplätzen großzügige Ich wollte ein Material, das alle unsere technischen Anforde- Recreation Areas, Fitness-, Konferenz-, Cafeteria- und Restau- rungen erfüllt und nicht nur wartungsarm, sondern war- rantbereiche angelegt. Zusätzlich ist die Energiebörse mit tungsfrei ist. Fündig wurden wir schließlich über das Inter- den hochspezialisierten Trader-Arbeitsplätzen im obersten net bei einem neuseeländischen Anbieter: eine dünne Alu- Geschoss untergebracht. Für alle Bereiche konnten wir spe- miniumhaut, die zudem nach einem speziellen Verfahren zielle Möbel, Leuchten, Workstations, Communication Floats gefertigt ist. Für unsere Zwecke haben wir es von einem und das technische und gestalterische System der Trader- Künstler „scratschen“ lassen. So nimmt die Außenhaut in plätze entwickeln. 36 puls 03 | 2013 » Zu Besuch Kommunikation scheint uns ein Schlüsselbegriff zu sein, wenn man heute über Office-Architektur spricht. Welchen Ansatz verfolgen Sie hier? Mittels Architektur kommunikative Situationen zu schaffen, ist seit Langem unser Ziel. Betrachten Sie etwa den Innenhof des Hafenamts, der zunächst unter den Angestellten umstritten war. Einigen behagte es nicht, dass vom Innenhof aus sichtbar ist, wenn jemand sein Büro verlässt. Heute lassen sie dort auch die Türen offen, und es wird goudie Bevölkerung nutzen kann. Hier gab es bereits Ausstellungen und sogar eine Aufführung. Beim Triangle-Hochhaus habe ich diesen Gedanken noch weiter verfolgt. Dort Markus Boeker tiert, dass mit dem Innenhof ein Raum entstanden ist, den haben wir ein siebengeschossiges Atrium konzipiert, das ebenfalls für Veranstaltungen genutzt werden kann. Die oberste Etage des Hochhauses ist öffentliche Aussichtsplattform. Dazu gibt es erhöhte Geschosse, die zum Beispiel für Bilanzpressekonferenzen, Hochzeitsfeiern und Geburtstage angemietet werden. Mir war es immer wichtig, dass der Austausch ein Closed-Shop-Denken ersetzt. Sie gelten gemeinsam mit Ihrem 2009 verstorbenen Mann Elmar Schossig als Pionierin für nachhaltiges Bauen. Was halten Sie von dem mittlerweile inflationär benutzen Das Thema Nachhaltigkeit ist sehr umfassend und wird leider heute viel zu oft auf den Begriff Energie verkürzt. Ent- H.G. Esch Begriff nachhaltig? scheidend ist der gesamte Kreislauf, der auch die sozio-kulIm Düsseldorfer Capricornhaus waren Gatermann+Schossig auch für den Innenausbau verantwortlich und entwickelten u. a. Communication Floats, Workstations und die besonders flexibel den Gegebenheiten anpassbaren Trader-Arbeitsplätze (oben). Für das puls-Interview lud Dörte Gatermann in das von ihr entworfene und 2011 eröffnete Kölner Bürogebäude im Zollhafen 22, das zwischen den beiden von Hadi Teherani entworfenen Kranhäusern am Rheinufer liegt (Mitte). Im Gespräch mit Busch-Jaeger Key Account Managerin Katrin Förster (unten, links im Bild) blickt Dörte Gatermann auf fast 30 Jahre Projektarbeit im eigenen Architekturbüro zurück. turellen Umstände einschließt. Deshalb meine ich, dass wir Bauten auch ein Stück weit der Gesellschaft zurückgeben sollten. Das muss nicht als altruistische Geste verstanden werden, sondern kann auch wirtschaftlich Sinn machen. Nachhaltig ist auch Qualität, die dafür sorgt, dass ein Gebäude lange Bestand hat und nicht wieder kurzfristig entfernt wird. Wie stehen Sie zum Thema Gebäudeautomation? Wir brauchen heute hochgesteuerte Gebäude, die sinnvoll konzipiert sind und uns in puncto Energie und Wohlfühlfaktor voll und ganz zufriedenstellen. Technik sollte einfach und selbsterklärend sein, auch wenn das, was dahinter steckt, hoch komplex ist. Die Technik muss so intelligent sein, dass sie dann, wenn der Mensch eingreift und sie außer Kraft setzt, sofort reagiert. Zum Beispiel wollen Büroangestellte manchmal unbedingt selbst lüften, auch wenn die Gebäudetechnik energetisch betrachtet den viel besseren Luftwechsel bietet. Aus dem Grund habe ich beim Triangle10 cm weit öffnen kann. Das macht das Energiesystem nicht kaputt, es geht aber auf das Bedürfnis der Menschen ein. Die Fassade hat übrigens auch einen Preis gewonnen. Oliver Schmauch Projekt dafür gesorgt, dass man die Fenster in Teilen manuell 37 Ultrahochfester Beton Die Entwicklung des ultrahochfesten Betons (UHPC) eröffnet dem klassischen Baustoff Beton ungeahnte neue Möglichkeiten. Ein eindrucksvolles aktuelles Beispiel ist das Museum MUCEM in Marseille. Antworten von Rudy Ricciotti Architects, Bandol, Frankreich Beim Museum der Zivilisationen Europas und des Mittelmeerraums, kurz MUCEM, in Marseille setzten Sie unter anderem bei der arabesken Verschattungshaut ultrachochfesten Beton (UHPC) ein. Wo liegen die Vorteile dieses neuen Baumaterials? UHPC ist in puncto Druckfestigkeit und Korrosionswiderstand allen andern Baustoffen überlegen. Seine Oberfläche ist haptisch zart. Es lassen sich extrem feine Bauteile zu sinnigen Strukturen entwickeln. Uns interessiert es, Materialen so effizient wie möglich zu verwenden, damit erfahrbare Räume aus Tragwerk und Licht entstehen. Haben Sie das Material seitdem bei anderen Projekten eingesetzt? Im letzten Jahr haben wir das Bürogebäude von ITER mit einer Außenverschalung aus UHPC und das Stade Jean Bouin in Paris mit einer wasserdichten UHPC-Eindeckung fertiggestellt, beide Projekte sind durch UHPC erst denkbar geworden. Das MUCEM ist das erste Gebäude, dessen Architektur und Tragwerk vollständig in UHPC vom Entwurf bis zur Fertigstellung entwickelt wurde. Alle drei Realisierungen haben auch den ökonomischen Sinn des Werkstoffes bestätigt, das MUCEM kostete zum Beispiel von der Planung bis zur Fertigstellung nur knapp 4.000 Euro pro Quadratmeter. Erscheint das Baumaterial Beton für Sie in einem neuen Licht? Beton war für uns als Material schon immer interessant. Am ultrahochfesten Beton beeindruckt uns am meisten die Fertigungspräzision, das dahinter stehenden Ingenieurswissen und das Können der Handwerker. Hier werden tradierte Bautechniken mit gegenwärtigen Materialien und Techniken verbunden. Das schafft lokales Savoir-faire und nicht delokalisierbare Arbeitsplätze. Zurzeit bauen wir in Montpellier eine Autobahnbrücke aus weißem UHPC, die sollte es ermöglichen, die Materialzulassungsverfahren ein gutes Stück voranzubringen. Lisa Ricciotti Musée des Civilisations de L’Europe et la Méditerranée » Material Aufladen und Vernetzen – Komfort und Erreichbarkeit an jedem Ort Zwei in einem – mit der Kombination aus bewährter USB-Ladestation-Einsatz können moderne Mobiltelefone, SCHUKO®-Steckdose und modernem USB-Netzteil stellte Digitalkameras und ähnliche Geräte, die mit Akku und Busch-Jaeger bei der Light+Building 2012 erstmals eine Mikro-USB-Anschluss ausgestattet sind, schnell und kom- neue patentierte Lösung vor, die das Aufladen noch kom- fortabel mit dem integrierten Ladekabel an die Stromver- fortabler macht. Die SCHUKO®-/USB-Steckdose bietet einen sorgung angeschlossen werden. Die Kennzeichnung ist festen Platz zum Aufladen für Smartphone, Tablet, Foto- selbsterklärend, zusätzliches Netzteil oder Kabel sind nicht apparat oder MP3-Player und macht der Suche nach USB- notwendig. Sowohl der USB-Ladestation-Einsatz als auch Ladestationen mit ihren jeweils eigenen Netzteilen und die SCHUKO®-/USB-Steckdose ermöglichen einheitliches Elektrokabeln ein Ende. Beim Austausch bleibt der Steck- Design im Lebensraum. Denn sie sind in allen aktuellen platz der Steckdose erhalten. Farben für zahlreiche Busch-Jaeger Schalterprogramme erhältlich – wie carat®, pur edelstahl, solo®, Busch-axcent®, Damit die oftmals fieberhafte Suche nach Ladekabeln der future® linear, Reflex SI und Reflex SI Linear, Busch-Duro Vergangenheit angehört, hat Busch-Jaeger einen weiteren 2000® SI Linear und Busch-Duro 2000® SI. Der USB-Lade- festen Ort für Komfort entwickelt. Mit dem neuen station-Einsatz für die Installation Unterputz bietet sich im 40 puls 03 | 2013 » Einblicke Zwei in einem: Die SCHUKO®-/USB-Steckdose erleichtert das Aufladen, da sie die Suche nach USB-Ladestationen mit ihren jeweils eigenen Netzteilen und Elektrokabeln beendet. Die patentierte Lösung, die Busch-Jaeger erstmals bei der Light+Building 2012 vorstellte, ist für fast alle Busch-Jaeger Schalterprogramme erhältlich (linke Seite). Drahtlos ins Internet: Der UP-WLAN Accesspoint von Busch-Jaeger bietet sich für Geräte wie das Busch-Comfort-Panel®, das Busch-Radio iNet, Tablets, Smartphones und Computer an (oben). An jedem Platz komfortabel vernetzt: Die neuen Busch-Jaeger UP-WLAN Accesspoints sind in einheitlichem Design für fast alle Busch-Jaeger Schalterprogramme erhältlich – oben: UP-WLAN Accesspoints für die Schalterserien solo®, Busch-axcent® und future® linear (von links nach rechts). Komfortables Aufladen: USB-Ladestation-Einsatz mit integriertem Ladekabel, Schalterserie future® linear und USB-Netzteil-Einsatz future® linear für größere Geräte (ganz oben). Neubau, bei der Renovierung oder Nachrüstung an. Zum mit dem Internet verbinden. Einheitliches Design ist in Aufladen von größeren Geräten dient der USB-Netzteil-Ein- jedem Ambiente zu verwirklichen, denn die UP-WLAN satz. Mit ihm können bis zu zwei Mobiltelefone, Digitalka- Accesspoints sind für alle Busch-Jaeger Schalterprogram- meras oder ähnliche Geräte mit Akku geladen werden. me (außer für Decento®) verfügbar – in allen aktuellen Farben der jeweiligen Programme. Die Installation ist Ob mit Computer, Smartphone oder Tablet – der bequeme denkbar einfach und schnell. Der UP-WLAN Accesspoint Zugang zum Internet via WLAN schafft Freiräume, die aus kann beispielsweise gegen eine bereits vorhandene Netz- unserem modernen Alltag nicht mehr wegzudenken sind. werkdose ausgetauscht werden. Es wird lediglich ein Busch-Jaeger bietet mit dem UP-WLAN Accesspoint eine 230-V-Anschluss benötigt. eigene, auf die Schalterprogramme abgestimmte Lösung Die Inbetriebnahme beziehungsweise Parametrierung des an, die es dem Nutzer erlaubt, beim digitalen, vernetzten UP-WLAN Accesspoint erfolgt über einen Webbrowser. Arbeiten den Platz im eigenen Haus oder im Hotel frei zu Dabei können die Webbrowser eines Computers oder wählen. Dabei lassen sich über dieses Produkt auch das mobiler Endgeräte – wie Smartphones oder Tablets – Busch-Comfort-Panel® und das Busch-Radio iNet drahtlos genutzt werden. 41 » Denkanstoß Aus wie viel Tessiner Flusssteinen setzt sich der Terrazzoboden im Tamedia-Verlagshaus zusammen ? Shigeru Ban architects puls stellt in jeder neuen Ausgabe eine Preisfrage. Die Gewinner können sich über einen Buchpreis freuen. Ihre Antwort schicken Sie bitte per E-Mail an [email protected] Für Busch-Jaeger weltweit unterwegs Vorschau puls 1/2014: Hybridbauten Flexible Gebäude, die verschiedene Bauaufgaben Die großzügige Dachterrasse wie Wohnen, Büro oder Retail in sich vereinen, des Clubs „The Lantern“ in Sin- stellt die puls Ausgabe 1/2014 vor. gapur lohnt den Besuch – an einem der warmen Abende, die hier die Regel sind, lockt die phänomenale Aussicht. Mein Blick fiel immer wieder auf die unnachahmliche Silhouette des Marina Bay Hotels, das der israelische Architekt Moshe Safdie entworfen hat und in dem in diesem Jahr das World Architecture Festival zu Hause war. Für drei Tage im Oktober verwandelten krischerfotografie Tausende Fachbesucher den asiatischen Stadtstaat in ein Architekturmekka. ABB und Busch-Jaeger haben sich genau dieses Ereignis ausgesucht, um die neue Schalterkollektion Millenium erstmals dem internationalen Fachpublikum zu präsentieren. Zur Kollektion gehören auch KNX-Bedieneinheiten mit zwei bis sechs Reglern, ein Bewegungsmelder mit einem 180°-Empfangsradius sowie ein KNX-Raumtemperaturregelinstrument. Ins Auge fällt das ultraschlanke, streng quadratische Design. Die nur vier Millimeter hohen Schalter bieten sich sowohl für den Wohnbereich, Hotels als auch Bürogebäude an. Entworfen hat die Kollektion der mit dem spanischen Designpreis ausgezeichnete katalani- Impressum sche Gestalter Josep Lluscá. Die Lichtschalter der Millenium Kollektion sind aus Edelstahl gefertigt und in vier Farben erhältlich. Die Schalterkollektion wird im britischen Standard produziert und kann über ABB London, Dubai, Singapur, Shanghau und viele weitere ABB Niederlassungen weltweit bezogen werden. Katrin Förster, die internationale Ansprechpartnerin für Architekten und Designer bei ABB/Busch-Jaeger, freut sich über E-Mails an [email protected] Zu gewinnen: Unter allen richtigen Einsendungen zur Preisfrage (links) verlost Busch-Jaeger je ein Exemplar der Bücher Work Scape. New Spaces for New Work, erschienen im gestalten Verlag, sowie Offices, puls Zeitschrift für Bewegung in der Architektur Herausgeber: Busch-Jaeger Elektro GmbH Freisenbergstr. 2 58513 Lüdenscheid www.busch-jaeger.de Verlag: Gesellschaft für Knowhow-Transfer in Architektur und Bauwesen mbH 70771 Leinfelden-Echterdingen www.gkt-publishing.de Redaktionsteam Busch-Jaeger: Katrin Förster, Dieter Lautz, Wolfgang Schallenberg, Tobias Schlitzer, Christiane Schulte, Mirko Simon Redaktion Gesellschaft für Knowhow-Transfer: Lasse Ole Hempel, Marina Schiemenz Printed in Germany – Imprimé en Allemagne von Braun Publishing. Einsendeschluss: 31. Januar 2014. Gewinner des letzten Preisrätsels: Andreas Drexler aus 13088 Berlin und Willi Eder aus 65779 Kelkheim. © by Busch-Jaeger Alle Rechte vorbehalten. Insbesondere das Recht auf Verbreitung, Nachdruck von Text und Bild, Übersetzung in Fremdsprachen sowie Vervielfältigung jeder Art durch Fotokopien, Mikrofilm, Funk- und Fernsehsendung für alle veröffentlichten Beiträge einschließlich aller Abbildungen. Änderungen und Irrtümer vorbehalten. MAGAZI N FÜ R BEWEGU NG I N DER ARCH ITEKTU R Office puls 03 | 2013 Ein einzigartiger Platz. Für zwei. Büro aus Holz und Glas von Shigeru Ban Architects Die USB-Steckdose. Einfach genial. Die Kombination aus bewährter Steckdose und USB-Netzteil. Der feste Platz zum Laden. Für Smartphones, Tablets, Digitalkameras oder MP3-Player. Erleben Sie Komfort neu auf www.BUSCH-JAEGER.de Interview mit Prof. Dörte Gatermann Ungleiche Türme – die Federation Tower von Moskau Räume für den Wissensarbeiter www.BUSCH-JAEGER.de Die Zukunft ist da. 03 | 2013