Zum Konzert des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg Freitag, 1. März 2013 Freiburg, Konzerthaus, 20 Uhr Samstag, 2. März 2013 Karlsruhe, Konzerthaus, 19.30 Uhr Anton Bruckner Sinfonie Nr. 6 A-Dur von Wolfhard Bickel CD-Empfehlung des SWR: Anton Bruckner - Sinfonie Nr. 6 A-Dur SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg Sylvain Cambreling, Dirigent Glor Classics GC09241 Veröffentlichung 2009 Anton Bruckner, 6. Sinfonie Musik • Hören mit Verstand Einleitung Musik • Hören mit Verstand: Anton Bruckner, Sinfonie No. 6 Eine dreistündige Unterrichtssequenz zur Einführung in die 6. Sinfonie von Wolfhard Bickel Vorüberlegungen: Bei der Einführung im Musikunterricht in ein derart umfangreiches Musikstück wie eine Bruckner-Sinfonie gilt es einen Spagat zu vollziehen. Auf der einen Seite steht die begrenzte Unterrichtszeit - in den meisten Klassenstufen wird das Fach Musik nur einstündig unterrichtet - mit Schülern die kaum in der Lage sind mehrere Minuten konzentriert zuzuhören, geschweige denn die Zeitspanne einer Bruckner-Sinfonie auszuhalten. Dem gegenüber steht mit der 6. Sinfonie ein Werk, das wie alle Sinfonien des Meisters, kompositorisch komplex gefügt und sehr dicht gearbeitet ist und damit an jeden Hörer höchste Anforderungen stellt. Man hat sich nun als Unterrichtender zu fragen, wie man sinnvoll in das Werk einführen und gleichzeitig in den Schülern eine Spannung aufbauen kann, welche den Konzertbesuch als Konsequenz des Unterrichtens erscheinen lässt. Dazu wird man wohl kaum das ganze Werk mit etwa 60 Minuten Umfang hören und sich damit auseinandersetzen können. Dem stehen die oben genannten Probleme entgegen. Man wird sich, und derart ist die vorgestellte Unterrichtseinheit angelegt, auf charakteristische und packende Ausschnitte beschränken müssen, hier auf solche des 1. Satzes. Die Ausschnitte sollten mehrfach gehört werden, um bei den Schülern einen nachhaltigen und nachwirkenden Erinnerungseffekt auszulösen. Die Hörbeispiele sollten vom Unterrichtenden taktgenau vorbereitet sein. Dies wird am einfachsten am Computer mit einem entsprechenden Schnittprogramm erledigt. Arbeitsweise: Den Schülerinnen und Schülern werden Arbeitspapiere vorgelegt, welche in Stillarbeit zuerst schriftlich beantwortet werden sollten. Als zwingend notwendig erscheint es, die angegebenen Hörbeispiele vor der Bearbeitung der jeweiligen Aufgabe mehrfach zu hören. Die Arbeitspapiere sollten jeweils einzeln und nicht im Gesamten ausgeteilt werden. Das Arbeitspapier 3 muss jedoch zur Bearbeitung der Aufgabe 6 vorliegen. Nach jeder Aufgabe empfiehlt es sich, die Ergebnisse jeweils mit der ganzen Klasse zu diskutieren. Die Aufgaben sind so angelegt, dass sie sich nahezu voraussetzungslos erledigen lassen. Der Erwartungshorizont ist für die Hand des Lehrers gedacht und enthält in Kurzform mögliche Antworten zu den Aufgaben. Empfohlen wir eine CD - Aufnahme mit Sergiu Celibidache und den Münchner Philharmonikern (EMI). Ebenfalls empfehlenswert und als Filmerlebnis bestechend ist die DVD mit Günter Wand und dem NDR Sinfonieorchester (TDK). Der Notensatz (Partiturauszug) stammt vom Autor und wurde mit Finale 2007 erstellt. Anton Bruckner, 6. Sinfonie Musik • Hören mit Verstand AP 1 Hörbeispiel 1: 1. Satz, Takt 195 - 228 Aufgabe 1: Der Ausschnitt stellt den Höhepunkt des Satzes dar. Welcher Charakter ist ihm zuzuordnen? Wann genau ist der „wirkliche“ Höhepunkt anzusetzen? Hörbeispiel 2: 1. Satz, Takt 195 - 228 Aufgabe 2: Weshalb ist der wirkliche Höhepunkt erst ab Takt 209 und nicht schon zuvor ab Takt 195? Hinweis: Beachten Sie auch die Tonart des Satzes (A-Dur). Information: Bruckner hat für die 1. Sätze und 4. Sätze seiner Sinfonien das Sonatensatzmodell abgewandelt. Die Großabschnitte, Exposition, Durchführung, Reprise und Coda sind deutlich voneinander getrennt, in der Partitur ersichtlich an den Doppelstrichen. Bruckner nennt diese Großabschnitte „Abteilungen“. Die Exposition wird nicht wiederholt und enthält 3 Themen, welche sehr umfangreich angelegt und weiträumig gestaltet sind. Sie präsentieren sich gleichsam als Themenblöcke. Zwischen diesen Blöcken vermitteln keine Überleitungen. Die Themenblöcke folgen meist schroff geschnitten aufeinander. Hörbeispiel 3: 1. Satz, Takt 195 - 228 Aufgabe 3: Im „wirklichen“ Höhepunkt in Takt 209 setzt die Reprise ein. Welche Bedeutung hat unter dieser Voraussetzung der Abschnitt Takt 195 - 208? Anton Bruckner, 6. Sinfonie Musik • Hören mit Verstand AP 2 Hörbeispiel 4: 1. Satz, Takt 1 - 6 Aufgabe 4: Grundlage der bislang gehörten Takte 195 - 228 bildet das 1. Thema. Sie hören dessen Beginn, die 1. Phrase. Welche Eigenschaften zeichnen diese Phrase aus? Hörbeispiel 5: 1. Satz, Takt 1 - 24 Aufgabe 5: Was ereignet sich im weiteren Verlauf des 1. Themas? Endet das Thema offen oder geschlossen. Anmerkung: „Geschlossen“ meint in der Musik, wenn ein Abschnitt mit einer Kadenz, auch einem Halbschluss, endet. Ein Abschnittsende wird dann als „offen“ bezeichnet, wenn eine Weiterentwicklung zwingend erforderlich ist. Hörbeispiel 6: 1. Satz, Takt 1 - 24 Aufgabe 6: Markieren Sie im Notenbild auf Arbeitspapier 3 das Auftreten der ersten Phrase, ob als Ganzes oder als Teilphrase mit einer roten Klammer über dem entsprechenden Notenbild. Hörbeispiel 7: 1. Satz, Takt 1 - 24 Aufgabe 7: Notenbild. Markieren Sie im Notenbild auf Arbeitspapier 3 das Auftreten der zweiten Phrase ob als Ganzes oder als Teilphrase mit einer blauen Klammer über dem entsprechenden Hörbeispiel 8: 1. Satz, Takt 1 - 24 Aufgabe 8: Welcher musikalische Charakter tritt uns mit Phrase II entgegen? Wodurch ist dieser bedingt? Anton Bruckner, 6. Sinfonie Notenbeispiel zu Aufgabe 6: 1. Satz, Takt 1 - 24 Musik • Hören mit Verstand AP 3 Anton Bruckner, 6. Sinfonie Musik • Hören mit Verstand AP 4 Information: Die Themenabschnitte innerhalb von Exposition und Durchführung sind in den Sinfonien Bruckners sehr umfangreich, vielschichtig und beinhalten mehrere Gedanken. Deshalb reicht der Begriff „Thema“ allein nicht aus. Es ist sinnvoll von „Themengruppe“ zu sprechen. Hörbeispiel 9: 1. Satz, Takt 1 - 52 Aufgabe 9: Nach der uns nun bekannten 1. Themengruppe (T 1 - 24) wird dieses vom ganzen Orchester, vom Tutti, wiederholt (ab T 25). Mit welchem kompositorischen Mittel gelingt Bruckner ein schlüssiger Übergang zur 2. Themengruppe, welche in Takt 49 beginnt? Hörbeispiel 10: 1. Satz, Takt 49 - 54 Aufgabe 10: Die 2. Themengruppe exponiert in dichtem zeitlichem Abstand zwei Gedanken. Welche melodischen, jedoch vor allem rhythmischen Besonderheiten zeichnen die beiden Gedanken aus, welche wirken verbindend, welche trennend? Hörbeispiel 11: 1. Satz, Takt 49 - 100 (2. Themengruppe) Aufgabe 11: Welche Bedeutung besitzt der triolische Rhythmus der Unterstimmen (aus Takt 49 - 54) für die gesamte 2. Themengruppe? Anton Bruckner, 6. Sinfonie Musik • Hören mit Verstand AP 5 Hörbeispiel 12: 1. Satz, Takt 101 - 110 (Beginn der 3. Themengruppe) Aufgabe 12: Welche Wirkung übt der Beginn der 3. Themengruppe auf die Zuhörer aus? Information: Die Durchführung eines Sonatensatzes ist gemeinhin der Abschnitt, in welchem Material der Exposition verarbeitet wird. Hörbeispiel 13: 1. Satz, Takt 159 - 182 (2. Abschnitt der Durchführung) Aufgabe 13: Bestimmen Sie die Herkunft des Materials im 2. Abschnitt der Durchführung. Hinweis: Beachten Sie nur die führende Melodiestimme, die 1. Violine mit Flöten. Welcher Veränderung ist dieses Material gegenüber seiner ursprünglichen Gestalt unterworfen? Hörbeispiel 14: 1. Satz, ganz Anton Bruckner, 6. Sinfonie Musik • Hören mit Verstand Erwartungshorizont zu den Aufgaben: Aufgabe 1: Der Charakter ist majestätisch und erhaben. Der „wirkliche“ Höhepunkt findet sich etwa in der Mitte des Hörbeispiels. Aufgabe 2: Der Höhepunkt ab Takt 209 steht in der Grundtonart des Satzes (A-Dur) und ist im dreifachen forte gestaltet.. Aufgabe 3: Der Abschnitt ab Takt 195 markiert den Höhepunkt der Durchführung und stellt eine Scheinreprise dar. Der Hörer vermeint, den Beginn der Reprise zu hören. Aufgabe 4: Die Phrase ist zweischichtig. Einem unruhigen Rhythmusmotiv der hohen Streicher, welches als Ostinato angelegt ist, steht eine ernste bedeutungsschwere Phrase der tiefen Streicher gegenüber. Aufgabe 5: Es kommt zu einem Art Zwiegespräch, einem Dialog zwischen den tiefen Streichern und dem Horn, welches dann von Holzblasinstrumenten abgelöst wird. Im zweiten Teil des Abschnittes tritt eine neue Phrase auf. Das Thema endet offen und verlangt nach Fortsetzung. Aufgabe 6: Die 1. Phase wird ab Takt 9 transponiert wiederholt. Das Horn (T 7/8 und 13/14) „antwortet“ auf die Phrase der tiefen Streicher mit dem Schlussabschnitt der Phrase (Abspaltung). Aufgabe 7: Die zweite Phrase wird ebenfalls zwei Mal vorgestellt (T 15/16 und 17/18). Ihr „antworten“ in Takt 16 und 18 Flöte I und Oboe I, ab Takt 19 ff Klarinette I und zu Beginn Trompete I. Aufgabe 8: Die zweite Phrase wirkt durch den punktierten Rhythmus und die Staccato-Phrasierung drängend und bewegt. Aufgabe 9: Bruckner zitiert, zuerst als Dialog zwischen 1. Horn und 1. Oboe, dann zwischen 1. Oboe und 1. Klarinette das Anfangsmotiv der zweiten Phrase. Schließlich bildet dieses ein Ostinato, welches zuerst von der 1. Klarinette, dann von der 1. Flöte als Hinleitung zum 2. Thema dient. Aufgabe 10: Der 1. Gedanke der 2. Themengruppe beschreibt einen auf- und absteigenden Melodiebogen. Der Aufstieg erfolgt in zwei „Anläufen“. Der „Abstieg“ ist nicht nur melodisch, sondern auch rhythmisch gegensätzlich. Er verläuft in ruhigen Notenwerten. Der 2. Gedanke der 2. Themengruppe besteht aus zwei ähnlichen Takten. Auffallend sind der Nonsprung und das Seufzermotiv am Ende. Beide Gedanken sind rhythmisch zweischichtig, vereinen gegensätzliche Rhythmusstrukturen, sind polyrhythmisch. Der Hintergrund verläuft in Triolen. Dazu steht der duolische Rhythmus der Oberstimme im Gegensatz. Aufgabe 11: Der Triolenrhythmus in Viertelnoten läuft durch die gesamte 2. Themengruppe. Aufgabe 12: Der Beginn der 3. Themengruppe wirkt mächtig, fast bedrängend und ist als dynamische Steigerung angelegt. Aufgabe 13: Der 2. Abschnitt der Durchführung arbeitet mit der 1. Phrase der 1. Themengruppe (Takt 3 - 6) welche jedoch in Umkehrung erscheint. Erwartungshorizont