Pressemitteilung

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Medizin/Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie
Medizin im „vierten Aggregatzustand“:
Kaltes Plasma zur Selbstzerstörung von Krebszellen
und für makellose Haut
Hofheim/Hamburg, Juni 2016. Während heißes physikalisches Plasma bereits seit vielen
Jahren in der Medizin verwendet wird, ist kaltes physikalisches Plasma1 aktuell ein weltweites Forschungsgebiet mit großem Potential und enormen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Perspektiven. Deutschland nimmt hier im Wettbewerb mit Japan und den USA
eine Spitzenstellung ein. Für die MKG-Chirurgie in Klinik und Praxis ist die innovative Anwendung von kaltem Plasma bei Wundheilungsstörungen sowie als Bakterien- und Keimkiller bereits etabliert. Erstmals fand jetzt ein Forschungsteam heraus, dass das neue
Hightech-Verfahren auch für die Krebstherapie erstaunliche Perspektiven eröffnet. Im Nationalen Zentrum für Plasmamedizin beschäftigen sich Wissenschaftlicher wie einer der
Referenten der diesjährigen Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG), Prof. Dr. Dr. Hans-Robert Metelmann, MKG-Chirurg
und Vorstandsvorsitzender des Zentrums, interdisziplinär mit der genauen Wirkung auf
maligne Tumorzellen. Vor einem regelmäßigen klinischen Einsatz beispielsweise gegen
Mundhöhlenkrebs bleibt noch viel Forschungsarbeit zu leisten. Wie in der Krebstherapie
könnte kaltes Plasma aber auch in der ästhetischen Medizin über seine bloße Rolle als unterstützende Technologie hinauswachsen. Hautgewebe, das sich wie von selbst glättet,
strafft und reinigt? Zu diesem zukunftsweisenden Ergebnis führten erste Untersuchungen
unter Laborbedingungen. Die Details wurden am 2. Juni auf der Jahres-Pressekonferenz
der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG) anlässlich
des großen 66. Kongresses in Hamburg vorgestellt.
Was ist Plasmamedizin?
Wer dabei an „Blutplasma“ denkt, liegt völlig falsch. Dieser seit etwa 15 Jahren im Aufbau begriffene medizinische Bereich im Forschungsförderungsschwerpunkt Photonik 2020 der Bundesregierung arbeitet mit physikalischem Plasma. Das ist ein Gemisch aus meist ionisierten, das heißt
1
= Niedertemperatur-Plasma – der sogenannte vierte Aggregatzustand; er entsteht, wenn einem Gas Energie zugeführt
wird
geladenen Atomen, Molekülen und Elektronen, das sich üblicherweise wie ein Gas verhält. Physiker bezeichnen es oft als „vierten Aggregatzustand“. Er entsteht, wenn Gasen über starke
elektrische Felder Energie zugeführt wird. Plasmen enthalten somit viele reaktionsfreudige –
elektrisch geladene und neutrale - Teilchen und senden selbst elektromagnetische Strahlung
aus, vor allem UV- und sichtbares Licht. Daneben können Hochtemperatur-Plasmen Oberflächen
verändern und Energie umwandeln – etwa in experimentellen Kernfusionsanlagen. Erst seit Mitte
der 1995er Jahre ist es gelungen, so genannte kalte Atmosphärendruckplasmen (cold atmospheric plasmas, CAP) zu erzeugen. Das sind Teilchengemische mit Drücken, die denen an unserer Erdoberfläche entsprechen, und mit biologisch verträglichen Temperaturen unterhalb von
40 Grad Celsius. Das eröffnete völlig neue Anwendungsfelder in der Medizin und für den deutschen Wissenschaftsrat eine Sprunginnovation.
Kaltes Plasma: Bisherige Anwendungsbereiche
Physikalisches Plasma hat sich im Einsatz gegen Krankheitserreger auf entzündeter Haut oder in
oberflächlichen Geschwüren bereits bestens in der MKG-Chirurgie etabliert.
Infizierte Hautwunde
links: ohne Plasmabehandlung (CAP)
rechts: Befund nach mehrmaliger Behandlung mit CAP
Dafür wurden im Jahr 2013 die ersten Plasmaquellen in Deutschland als Medizingeräte zugelassen. So einfach ist die Handhabung: Der Arzt führt das Handstück und richtet den kalten, bläulich
schimmernden Plasmastrahl von rund 14 Millimeter Länge auf die keimbelastete Wundoberfläche.
Damit werden die dort vorhandenen Bakterien, Pilze, Viren und Parasiten deaktiviert, und das oft
blitzschnell innerhalb weniger Sekunden. Aufgrund der physikalisch-chemischen Mechanismen
funktioniert das sogar bestens gegen Erreger, die Mehrfachresistenzen gegenüber Antibiotika
aufweisen!
Berührungslose präoperative Desinfektion der Tumoroberfläche mit kaltem physikalischem Plasma (CAP) vor Operation
eines Tumors, der mit multiresistenten Keimen besiedelt ist
Die antimikrobakteriellen Eigenschaften von Plasmen werden überdies beispielsweise in der
Zahnmedizin zur Desinfektion von Prothesen, kieferorthopädischen Geräten und Implantaten genutzt.
Erfolgreicher Einsatz in der MKG-Chirurgie
Besonderen Wert hat die neue Therapie im mkg-chirurgischen Bereich bei infizierten Wunden.
Hier zerstört das physikalische Plasma nicht nur die Krankheitserreger, sondern der Ionenmix regt
gleichzeitig und unabhängig davon die Wundheilung an. Selbst in tiefe Defekte wächst wieder
Gewebe ein, frisch entstehende Hautdecken verschließen Verletzungen, die bisher nicht heilen
wollten. Auch beispielsweise für Patienten mit Mundhöhlenkrebs, die unter infizierten Geschwüren
leiden, ist CAP indiziert. Geringerer Mikrobenbefall bedeutet weniger Schmerzen, verminderter
Schmerzmittelbedarf, schwächere Geruchsentwicklung und damit weniger soziale Isolation.
Bakterienkulturen
links: natürliches Wachstum
rechts: nach Einwirkung von CAP
für 3 Minuten
Bahnbrechende erste Forschungsergebnisse:
Plasma kann Krebszellen zur Selbsttötung bringen
Aktuell versuchen Forscher herzufinden und nachzuweisen, ob und wie genau kaltes Plasma gegen Krebszellen wirkt. Denn bei Patienten mit bösartigen Tumoren im Mund-Kieferbereich ist aufgefallen, dass die CAP-Behandlung nicht nur die Besiedlung der Geschwüre durch Bakterien beeinflusst, sondern oft auch die Tumoroberfläche. Kann physikalisches Plasma das Wachstum
von Tumorzellen hemmen? Fakt ist, dass physikalisches Plasma Tumorzellen nicht so sehr zerstört (Nekrose). Und das ist auch gut so, denn dies könnte zu gefährlichen Defekten, insbesondere in der Nähe großer Blutgefäße, führen. Vielmehr scheint es ein beschleunigtes natürliches Abschalten der Tumorzellen und den entsprechenden Niedergang des entarteten Gewebes einzuleiten (Apoptose), wobei die benachbarten gesunden Zellen, wiederum angeregt durch Plasma, als
Narbengewebe in die entstehende Lücke einwachsen. So entsteht nicht einmal ein Gewebedefekt. Schöne heile Welt? Hier zeichnen sich in der Tat faszinierende Anwendungen ab, für die allerdings derzeit noch keine kontrollierten klinischen Studien vorliegen. Diese Befunde legen jedoch die Möglichkeit nahe, chirurgische Eingriffe an Krebspatienten mit Plasmabehandlungen zu
unterstützen – besonders wenn sich der Tumor nicht vollständig entfernen lässt. Ob und wie man
damit Geschwulste verkleinern oder sogar beseitigen kann, bedarf weiterer intensiver Grundlagenforschung. Ein Thema ist derzeit vor allem auch, wie eine Tiefenwirkung des Plasmas zu erzielen wäre.
In einer Gewebeprobe, die mit Plasma behandelt worden
ist, leuchten unter allen Tumorzellen (blaue Fluoreszenz)
die durch Apoptose abgeschalteten Tumorzellen, die im
Absterben befindlich sind, grün auf
Heilt und macht auch noch schön: Besseres Hautbild durch Plasmen
Mit physikalischem Plasma lässt sich das Erscheinungsbild von erschlafftem und faltigem Hautgewebe sichtbar verbessern, wie Untersuchungen zeigen: Dafür wurden Gewebebiopsien von
zwei unmittelbar benachbarten Hautarealen verglichen. Eine davon wurde über längere Zeit physikalischem Plasma ausgesetzt, die andere diente als Kontrolle. Ergebnis: Das behandelte Gewebe erscheint gestrafft und mit einer dünneren Oberhaut, während das zweite faltig und mit vielen Zelltrümmern belegt ist. „Das spiegelt den Gesamteindruck wider, wonach entsprechend
behandelte Biopsien insgesamt fester, rosiger und frischer wirken“, sagt Prof. Metelmann. Aber er
dämpft allzu forschen Optimismus: „ Klinische Studien fehlen allerdings auch hierzu noch.“
Zukunftsmusik: Plasma gegen Zahnkaries
Weiter entwickelt, aber immer noch im vorklinischen Stadium ist die Anwendung von Plasma gegen Zahnkaries. Diese Erkrankung wird ebenfalls durch Keime ausgelöst, die sich mit physikalischem Plasma deaktivieren beziehungsweise abtöten lassen. Es bleibt zu klären, ob die Methode auf mineralreichem Zahnschmelz ebenso gut wirkt wie auf Hautoberflächen und ob sie hilft,
Zahnkaries vorzubeugen oder vielleicht sogar kariöse Höhlen zu sanieren. Das lässt hoffen!
Science, fiction oder bald Klinikalltag? Verantwortungsvolle Forschung unerlässlich
Die großen Fortschritte in der Plasmamedizin wecken bei Patienten und Ärzten die Hoffnung,
damit klinische Probleme in den Griff zu bekommen, die bisher nicht oder nur unbefriedigend gelöst sind. Schon jetzt ist abzusehen, dass das Gebiet wirtschaftlich sehr interessant werden dürfte. Daher haben Forscher und Geräteentwickler eine große Verantwortung, einerseits auf solider
wissenschaftlicher Basis die klinischen Anwendungen möglichst zügig voranzubringen, andererseits aber nicht voreilige, unerfüllbare Erwartungen an die Methode zu schüren und damit die
Plasmamedizin in Misskredit zu bringen.
Weitere Infos zur modernen MKG-Chirurgie: www.patienteninfo-mkg.de (Patienten-Portal)
oder www.dgmkg.de (für Fachmediziner).
(Text- und Bildmaterial auf Anfrage; Bildnachweis: Universität Greifswald)
Herausgeber:
Pressekontakt/Ansprechpartner:
Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kieferund Gesichtschirurgie (DGMKG)
Geschäftstelle:
Schoppastr. 4
65719 Hofheim
[email protected]
med.manufaktur GmbH
Sabine Sarrach
Friedrich-Ebert-Str. 9
42781 Haan
Tel.: 0 21 29.3 47 57 60
[email protected]
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