Aus der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln Direktor: Universitätsprofessor Dr. med. St. Bender Konzeption und Evaluation eines kognitiv-behavioralen Therapiemanuals zur Behandlung von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektproblemen im Jugendalter Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Würde eines doctor rerum medicinalium der Hohen Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln vorgelegt von Tanja Schreiter aus Köln promoviert am 21. September 2016 1 Dekan: Universitätsprofessor Dr. med. Dr. h. c. Th. Krieg 1. Berichterstatter: Universitätsprofessor Dr. sc. hum. M. Döpfner 2. Berichterstatter: Universitätsprofessor Dr. med. Dr. phil. K. Vogeley Erklärung Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Dissertationsschrift ohne zulässige Hilfe Dritter und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe; die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht. Bei der Auswahl und Auswertung des Materials sowie bei der Herstellung des Manuskriptes habe ich Unterstützungsleistungen von folgenden Personen erhalten: Herrn Universitätsprofessor Dr. sc. hum. Manfred Döpfner Herrn Privatdozent Dr. Daniel Walter Herrn Dr. Dieter Breuer Weitere Personen waren an der geistigen Herstellung der Arbeit nicht beteiligt. Insbesondere habe ich nicht die Hilfe einer Promotionsberaterin / eines Promotionsberaters in Anspruch genommen. Dritte haben von mir weder unmittelbar noch mittelbar geldwerte Leistungen für Arbeiten erhalten, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertationsschrift stehen. Die Dissertationsschrift wurde von mir bisher weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt. Köln, den 6.1.2016 _______________________________ Dipl.-Psych. Tanja Schreiter 2 Die Konzeption des Therapiemanuals sowie die Entwicklung der therapeutischen Materialien dieser Dissertation erfolgte unter Beratung von Herrn Universitätsprofessor Dr. sc. hum. Manfred Döpfner, Herrn Privatdozent Dr. Walter und Frau Dr. Rademacher, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln. Die dieser Arbeit zugrundeliegenden Daten wurden von mir erhoben und mit Unterstützung von Herrn Dr. Breuer ausgewertet. Sechs der insgesamt 12 Probanden der Studie wurden von mir selbst behandelt, davon einer in der Psychotherapieambulanz des Ausbildungsinstituts für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie an der Uniklinik Köln (AKIP) resp. fünf in meiner kinderund jugendpsychotherapeutischen Praxis in Siegburg. Vier Probanden wurden von Frau Janina Otte und zwei Probanden von Frau Jennifer Griewel behandelt (Psychotherapeutinnen in Ausbildung am AKIP-Ausbildungsinstitut für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie der Uniklinik Köln). Alle Therapien, die von Frau Otte und Frau Griewel durchgeführt wurden, fanden unter meiner engmaschigen Betreuung und Anleitung statt. Die Psychotherapeutinnen in Ausbildung erhielten zusätzlich über den gesamten Therapieverlauf Supervision Ausbildungsinstituts. 3 durch Supervisoren des AKIP- Danksagung An erster Stelle möchte ich mich bei Herrn Universitätsprofessor Dr. sc. hum. Manfred Döpfner bedanken für die Möglichkeit, an der Konzeption des Therapiemanuals SELBST mitzuwirken und für die eingeräumten Freiheiten in Bezug auf die Realisierung der therapeutischen Materialien des Therapiemoduls „SELBST Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme.“ Mein Dank gilt zudem der gesamten Arbeitsgruppe SELBST, und hierbei insbesondere Herrn Privatdozent Dr. Daniel Walter und Frau Dr. Christiane Rademacher, für die fundierten konzeptionellen Anregungen, die ich in Hinblick auf die Entwicklung des Therapiemoduls während der gesamten Konzeptionsphase erhalten habe. Mein herzlicher Dank gilt auch Frau Jennifer Griewel und Frau Janina Otte, die im Rahmen der Pilotstudie sechs Patienten hoch motiviert behandelt und das Forschungsprojekt sehr engagiert unterstützt haben. Des Weiteren möchte ich mich bei Herrn Dr. Dieter Breuer für die Unterstützung bei den statistischen Analysen bedanken. Mein größter Dank gilt meiner Familie, die mich während der gesamten Dissertation mental unterstützt hat und mir die nötigen Freiräume ermöglichte, um diese Dissertationsschrift zu realisieren. Danke auch Dir Tara-Anaisa für Deine unendliche Geduld! 4 Für meine Familie. 5 Inhaltsverzeichnis 1 Theoretischer Hintergrund…………………………………………………………..10 1.1 Definition und Operationalisierung von Selbstwert……………………………...10 1.2 Die Entwicklung des Selbstkonzeptes im Kindes- und Jugendalter………….12 1.3 Selbstwert und psychische Gesundheit……………………………………….....15 1.4 Definition von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen…………………….19 1.5 Verlauf von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen….............................20 1.6 Klassifikation von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen nach ICD-10 und DSM-5…………………………………………………………………22 1.7 Multifaktorielles ätiologisches Modell der Entstehung von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen…………………………………………………….28 2 Ansätze zur Prävention und Behandlung von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen im Jugendalter…………………………………………………...35 2.1 Ansätze zur Prävention und Behandlung von Selbstwertstörungen………….35 2.2 Ansätze zur Prävention und Behandlung von Aktivitäts- und Affektstörungen…………………………………………………………………………….39 3 Grundlagen des Therapieprogramms SELBST………………………………….54 3.1 Der transdiagnostische, ressourcenorientierte, multimodale Behandlungsansatz des Therapieprogramms SELBST……………………......56 3.2 Die sieben Behandlungsphasen des Therapieprogramms SELBST………...57 3.2.1 Phase 1: Screening der Eingangsbeschwerden, Beziehungsaufbau, Informationsvermittlung über den Ablauf der Behandlung…………….58 3.2.2 Phase 2: Multimodale Diagnostik: Erfassung individueller Probleme und Kompetenzen sowie Belastungen und Ressourcen des Umfeldes……………………………………………………………….58 3.2.3 Phase 3: Problemanalyse und Erarbeitung eines gemeinsamen Störungskonzeptes…………………………………………………………59 3.2.4 Phase 4: Zielanalyse und Definition von Behandlungszielen, Stärkung der Änderungsmotivation, Interventionsplanung…………….60 3.2.5 Phase 5: Durchführung der Interventionen……………………………...60 6 3.2.6 Phase 6: Zwischenevaluation in Bezug auf das Erreichen der Therapieziele………………………………………………………………..61 3.2.7 Phase 7: Stabilisierung der Behandlungseffekte und Rückfallprävention……………………………………………………….....61 3.3 Die Behandlungsmodule SELBST Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme, SELBST Leistungsprobleme, SELBST Familienprobleme und SELBST Gleichaltrigenprobleme………………………………………………....62 4 Kognitiv-behaviorales Therapiemanual zur Behandlung von Selbstwert-, Leistungs- und Beziehungsproblemen im Jugendalter: Modul SELBST Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme……………………………………..65 4.1 Die sechs Therapiebausteine des Moduls SELBST Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme (Interventionsphase)…………………………..66 4.1.1 Baustein 1: Aufbau von positivem Selbstbild…………………………….66 4.1.2 Baustein 2: Steigerung von Genussfähigkeit, Aktivität und Selbstbelohnung…………………………………………………………….75 4.1.3 Baustein 3: Veränderung dysfunktionaler Kognitionen und verzerrter situativer Bewertungen sowie Verarbeitung belastender Erfahrungen………………………………………………………………….82 4.1.4 Baustein 4: Verbesserung der Impulskontrolle und Affektregulation….91 4.1.5 Baustein 5: Steigerung der Problemlösefähigkeiten…………………….97 4.1.6 Baustein 6: Erweiterung der sozialen Kompetenzen…………………..102 5 Methodik……………………………………………………………………………….110 5.1 Studiendesign……………………………………………………………………..110 5.2 Ein- und Ausschlusskriterien der Studie………………………………………..112 5.3 Forschungsziel und spezifische Forschungshypothesen…………………….113 5.4 Ablauf der Stichprobenrekrutierung…………………………………………….114 5.5 Instrumente der Eingangs-, Verlaufs- und Abschlussdiagnostik sowie der Follow-up Untersuchung…………………………………………………………117 5.5.1 Erfassung der depressiven Symptomatik im Verlauf………………….117 5.5.2 Erhebung des Selbstwertes im Verlauf…………………………………118 5.5.3 Screening komorbider internaler und externaler Symptomatik………120 5.5.4 SELBST Checkliste zur Indikationsbestimmung………………………122 7 5.5.5 Intelligenzdiagnostik………………………………………………………122 5.5.6 Basisdokumentation……………………………………………………...124 5.5.7 Individuelle Problemliste…………………………………………………124 5.5.8 Behandlungs-Compliance…………………………………………...…..124 5.5.9 Behandlungs-Integrität…………………………………………………...125 5.5.10 Behandlungszufriedenheit……………………………………………….125 5.5.11 Übersicht über die Messinstrumente der Messzeitpunkte 1 bis 7…..126 5.6 Statistische Auswertungsmethoden……………………………………………127 6 Kasuistiken…………………………………………………………………………...130 6.1 Behandlungsfall 1………………………………………………………………...130 6.2 Behandlungsfall 2………………………………………………………………...140 6.3 Behandlungsfall 3………………………………………………………………...148 6.4 Behandlungsfall 4………………………………………………………………...157 6.5 Behandlungsfall 5………………………………………………………………...166 6.6 Behandlungsfall 6………………………………………………………………...176 6.7 Behandlungsfall 7………………………………………………………………...186 6.8 Behandlungsfall 8………………………………………………………………...194 6.9 Behandlungsfall 9………………………………………………………………...201 6.10 Behandlungsfall 10……………………………………………………………….210 6.11 Behandlungsfall 11……………………………………………………………….219 6.12 Behandlungsfall 12……………………………………………………………….228 7 Ergebnisse……………………………………………………………………………239 7.1 Stichprobenbeschreibung……………………………………………………..239 7.1.1 Soziodemographische Merkmale der Stichprobe……………………….239 7.1.1.1 Schulische / berufliche Platzierung und kognitiver Leistungsstand………………………………………………...240 7.1.1.2 Familienkonstellation und sozio-ökonomische Merkmale der Familien…………………………………………………....242 7.1.2 Primäre ICD-10-Diagnosen und komorbide Symptomatik zu Behandlungsbeginn……………………………………………………...242 7.1.3 Vor- und Begleitbehandlungen….…………………………….………..243 8 7.2 Primäre Analysen………………………………………………………………….244 7.2.1 Reduktion der depressiven Symptomatik und Steigerung der Kompetenzen im Selbst- und Fremdurteil (SBB-DES, FBB-DES, DIKJ)………………………………………………………………………….245 7.2.2 Steigerung des globalen Selbstwertes (RSES)………………………….254 7.2.3 Verbesserung der spezifischen Selbstwertdimensionen (Subskalen FSKN: FSKU, FSST, FSSW, FSAP)……………………………………...257 7.3 Sekundäre Analysen…………………………………………………………...261 7.3.1 Reduktion internaler und externaler Symptomatik im Selbst- und Fremdurteil (YSR, CBCL)………………………………………………..261 7.3.2 Reduktion der Problemhäufigkeit und Problembelastung (Individuelle Problemliste)……………………………………………….265 7.3.3 Beurteilung des Behandlungserfolges und der Behandlungszufriedenheit (FBB-T, FBB-P, FBB-E)………………………………....270 8 Diskussion…………………………………………………………………………..273 8.1 Interpretation der Ergebnisse…………………………………………………275 8.2 Bewertung des Effektivität des Therapiemoduls SELBST Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme………………………………………………..282 8.3 Einordnung der Ergebnisse in den Forschungsstand………………………286 8.4 Limitationen der Studie und Ausblick………………………………………...290 9 Zusammenfassung………………………………………………………………..296 10 Literaturverzeichnis……………………………………………………………….279 11 Anhang………………………………………………………………………………317 11.1 Studienflyer…………………………………...………………………………317 11.2 Diagnostische Instrumente……………...…………………………………..318 11.3 Therapeutische Materialien…………..….………………………………….342 12 Lebenslauf…………………………………………………………………………..416 9 1 Theoretischer Hintergrund 1.1 Definition und Operationalisierung von Selbstwert Die Erforschung des Selbstwertes und der Implikationen eines hohen vs. niedrigen Selbstwertes für die psychische Gesundheit hat eine lange Tradition (Silverstone & Salsali 2003; Schimmack & Diener 2003; Biro, Striegel-Moore, Franko, Padgett & Bean 2006; van den Berg, Wertheim, Thompson & Paxton 2010). Seit vielen Jahrzehnten, spätestens seit den Publikationen von Rosenberg in der 1960-er Jahren, gehört der „Selbstwert“ zu den intensiv untersuchten Konstrukten der Selbstkonzeptforschung und benachbarter Forschungsdomänen (Bachman, O’Malley, Freedman-Doan, Trzesniewski & Donnellan 2011; Mummendey 2006). Vielfach werden Begriffe wie „Selbstkonzept“, „Selbstrespekt“, „Selbstachtung“ oder „Selbstakzeptanz“ als Synonyme benutzt, obwohl sich diese Begriffe vom eigentlichen Konstrukt „Selbstwert“ unterscheiden. Auch im anglo-amerikanischen Sprachraum werden diverse Begriffe zur Beschreibung des Selbstwertes benutzt, wie self-esteem, self-concept, self-worth, self-evaluation, self-acceptance, self-liking, self-compassion…etc. Melanie Fennell definiert Selbstwert als umfassende Haltung resp. Meinung, die man sich selbst gegenüber hat, in Verbindung mit der Wertigkeit, die man sich zuschreibt. Ihre Definition von Selbstwert lautet: „Self-esteem, then, refers to the overall opinion we have of ourselves, how we judge or evaluate ourselves, and the value we attach to ourselves as people“ (Fennell 2009, S. 7). Lohaus & Vierhaus (2013, S. 169) schlagen eine ähnliche Definition vor und konzeptualisiert den Begriff Selbstwert wie folgt: „Der Selbstwert resultiert als affektive Komponente des Selbst aus den Bewertungen der eigenen Person oder von Aspekten, die die eigene Person ausmachen. Somit können sich die Bewertungen auf Persönlichkeitseigenschaften, Fähigkeiten oder aber auch auf das eigene emotionale Erleben beziehen.“ Unter dem Begriff „Selbstwert“ wird in der vorliegenden Arbeit, entsprechend der oben genannten Definitionen, das Ausmaß der selbstbezogenen Bewertungen, d.h. der Grad der persönlichen positiven oder negativen Selbsteinschätzung verstanden. Der Selbstwert wird im Allgemeinen als die affektiv-evaluative Komponente des Selbst verstanden, wohingegen unter „Selbstkonzept“ in der Regel eine allumfassende kognitive Repräsentation des Selbst verstanden wird, d.h. die aus den Lebenserfahrungen resultierende Gesamtheit selbstbezogener Informationen (DavisKean & Sandler 2001). 10 Der Begriff „Selbstwert“ wird, je nach Forschungskontext, unterschiedlich operationalisiert und vielfach synonym mit dem Begriff „Selbstkonzept“ verwendet. In vielen älteren Studien wurde der Selbstwert als „globaler Selbstwert“ („global selfesteem“, „trait self-esteem“) konzeptualisiert und untersucht. Der globale Selbstwert entspricht einem kontextunabhängigen, zeitlich relativ stabilen Konstrukt – im Sinne eines „Traits“ (Brown & Marshall 2006). Das Forschungsinteresse in neueren Studien gilt hingegen zunehmend Selbstwertdimensionen“ der („domain-specific Erforschung „bereichsspezifischer self-esteem“). Darunter wird die Selbstbewertung spezifischer Fähigkeitsbereiche (z.B. academic self-esteem, athletic self-esteem, social self-esteem) verstanden, die, je nach subjektiver Einschätzung, unterschiedliche Ausprägungen, in den verschiedenen Fähigkeitsdomänen, annehmen kann. So kann ein Jugendlicher in Bezug auf seine sportliche Leistungsfähigkeit einen hohen Selbstwert haben und gleichzeitig einen geringen schulleistungsbezogenen Selbstwert. Die spezifischen Selbstwertdimensionen scheinen jedoch nur in geringem Ausmaß mit dem globalen Selbstwert zu korrelieren, was in der Literatur häufig als Beleg für zwei distinkte Konstrukte gewertet wird (Marsh & Craven 2006). Brown & Marshall (2006) schlagen zur besseren Abgrenzung der verschiedenen Begrifflichkeiten folgende Einteilung vor: Global self-esteem (trait self-esteem) Feelings of self-worth (state self-esteem) Self-evaluations (domain-specific self-esteem) Die Erfassung des Selbstwertes erfolgt üblicherweise über Fragebogenverfahren. Eines der bekanntesten und in internationalen Studien mit am häufigsten eingesetzten Verfahren ist die „Rosenberg Self-Esteem Scale“ (Rosenberg 1965), die den globalen Selbstwert misst. Zur Erfassung bereichsspezifischer Selbstwertdimensionen stehen nur sehr wenige Verfahren im deutschsprachigen Raum zur Verfügung, wie die „Multidimensionale Selbstwertskala“ (Schütz & Sellin 2006), die zwar für das Erwachsenenalter konzipiert wurde, aber bereits ab der späten Adoleszenz gut einsetzbar ist. Im Kindes- und Jugendalter kann beispielsweise die „Aussagen-Liste zum Selbstwertgefühl für Kinder und Jugendliche“ (ALS, Schauder 2011) eingesetzt werden. 11 Da die ALS jedoch primär für den Altersbereich der 8- bis 15-Jährigen konzipiert wurde, eignet sich das diagnostische Verfahren nicht für ältere Jugendliche und junge Erwachsene. Bekannte Verfahren zur Erfassung spezifischer Selbstwert- bzw. Selbstkonzeptdimensionen im deutschsprachigen Raum sind die „Skalen zur Erfassung von schulischen Fähigkeitsselbstkonzepten“ (Schöne, Dickhäuser, Spinath, Stiensmeier-Pelster 2002), die „Frankfurter Selbstkonzeptskalen“ (Deusinger 1986), die „Frankfurter Körperkonzeptskalen“ (Deusinger 1998) oder das „SelbstkonzeptInventar“ (v. Georgi & Beckmann 2004). Im englischsprachigen Raum gelten das „SelfPerception Profile for Adolescents“ (Harter 2012), der „Self Description Questionnaire I, II und III“ (Marsh 1989, 1990, 1992) bzw. die Kurzform des SDQ II – S (Marsh, Ellis, Parada, Richards & Heubeck 2005), als gut evaluierte diagnostische Verfahren zur Erfassung des Selbstwertes im Kindesalter (SDQ I) bzw. in der Adoleszenz (SDQ II, SDQ III). 1.2 Die Entwicklung des Selbstkonzeptes im Kindes- und Jugendalter Die Unterscheidung zwischen sich selbst und anderen Personen gelingt Kindern bereits mit ca. 14 Monaten. Ungefähr ab der zweiten Hälfte des 2. Lebensjahres sind Kinder zur visuellen Selbsterkenntnis und zur verbalen Benennung der eigenen Person in der Lage, was einen Meilenstein in der Entwicklung des Selbst darstellt. Mit ca. vier Jahren entwickelt sich ein zeitlich überdauerndes Konzept des Selbst, im Sinne eines autobiografischen Gedächtnisses (Lohaus & Vierhaus 2013). Ab dem Vorschulalter gelingt es Kindern zunehmend besser, sich aus der Fremdperspektive zu betrachten und bei Bewertungsprozessen die Beurteilungen anderer in Relation zu den subjektiven Einschätzungen zu setzen. Das Selbstkonzept ist in dieser Entwicklungsphase noch wenig kohärent und konstituiert sich primär aus physischen resp. sozialen Eigenschaften, persönlichen Interessen und favorisierten Aktivitäten. Charakteristischerweise neigen Kinder im Vorschulalter zu übermäßig positiven und unrealistischen Selbstzuschreibungen. Im Schulalter treten, u.a. im Kontext der Beurteilung schulischer Leistungen, vermehrt soziale Vergleichsprozesse mit Mitschülern auf, die zur Erweiterung des selbstbezogenen Wissens und daraus resultierend zu einem realistischeren Selbstkonzept beitragen. Schulkinder können, neben positiven Selbstaspekten, auch negative Selbstanteile in ihr subjektives Selbstkonzept integrieren, was zu einer differenzierteren Selbstbetrachtung und Selbstbeurteilung beiträgt. 12 Das Selbstkonzept nimmt im Schulalter nach und nach eine mehrdimensionale, hierarchisch organisierte Struktur an (Marsh et al. 2005). Die Forschungsgruppe von Marsh und Kollegen postuliert ein multidimensionales hierarchisches SelbstkonzeptModell, das neben dem globalen Selbstwert auch spezifische Selbstwertdimensionen integriert, mit einem übergeordneten globalen Selbstwert (von den Autoren gleichgesetzt mit dem Begriff Selbstkonzept) und zunehmend spezifischeren Selbstwertdimensionen auf den darunterliegenden Hierarchie-Ebenen (vgl. Marsh & Craven 2006; Marsh & O’Mara 2008). Marsh und Kollegen gehen demzufolge davon aus, dass der globale Selbstwert und die spezifischen Selbstwertdimensionen Komponenten eines mehrdimensionalen Selbstkonzeptes darstellen. Marsh et al. (2005) konnten zudem zeigen, dass bereits Kinder unter acht Jahren über eine multidimensionale Struktur des Selbstkonzeptes verfügen. Kinder im Schulalter sind außerdem aufgrund kognitiver Reifungsprozesse auch zunehmend besser in der Lage, bereichsspezifische Leistungsbewertungen (z.B. mathematische Leistungen vs. sportliche Leistungen) zu vollziehen und diese miteinander zu vergleichen. Die nachfolgende Phase der Adoleszenz ist, bedingt durch die einsetzende Pubertät und psycho-soziale Reifungsprozesse, unter anderem gekennzeichnet durch körperliche, emotionale und psycho-soziale Veränderungen (Herpertz-Dahlmann, Bühren & Remschmidt 2013). Im Zuge der sozialen Reifung erweitert der Jugendliche in der Regel auch seine sozialen Kontakte zu Gleichaltrigen und geht erste Partnerschaften ein. Die Adoleszenz ist zudem geprägt durch die intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und der sozialen Herkunft. Im Rahmen der fortschreitenden Identitätsentwicklung integrieren Jugendliche neben aktuellen Erfahrungen nach und nach auch biografische Informationen und differenzieren ihr Selbstkonzept immer weiter aus. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich in der Adoleszenz das Selbstkonzept allmählich zu einem konkreten, stabilen und kohärenten Selbstbild zusammensetzt. Eine wesentliche Rolle in der Adoleszenz nimmt die Auseinandersetzung mit den körperlichen Veränderungen während der Pubertät ein und damit einhergehend, die Integration körperlicher Veränderungen in das subjektive Körperselbstkonzept. Neben der Akzeptanz der reifungsbedingten Veränderungen, stellt die Integration der geschlechtsspezifischen Identität in das Selbstkonzept eine weitere wesentliche Entwicklungsaufgabe in der Adoleszenz dar. Die Studienlage weist in diesem Kontext 13 darauf hin, dass Jungen in der Adoleszenz eine positivere Selbstwahrnehmung des eigenen Körpers haben als Mädchen und insgesamt einen höheren Selbstwert im Jugendalter aufweisen als Mädchen – obgleich die Unterschiede in Bezug auf die Ausprägung des Selbstwerts diskret sind (McMullin & Cairney 2004; Robins, Trzesniewski, Tracy, Gosling & Potter 2002; Robins & Trzesniewski 2005). Während Jungen die körperlichen Veränderungen während der Pubertät eher positiv werten, nehmen Mädchen die pubertätsbedingten Veränderungen in der Adoleszenz, wie beispielsweise die Zunahme des Körperfettanteils oder die Vergrößerung des Hüftumfangs, oft als belastend wahr, was zu einer Selbstwertminderung beitragen kann. Eine Reihe von Studien legt nahe, dass die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper einen Prädiktor für niedrigen Selbstwert und depressive Symptomatik darstellten (Paxton, Neumark-Sztainer, Hannan & Eisenberg 2006; van den Berg et al. 2002; Siegel 2002). Auch in der Genese von Essstörungen scheint die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, einhergehend mit Selbstwertproblemen, neben weiteren Faktoren, eine zentrale Rolle einzunehmen (Mäkinen, Puukko-Viertomies, Lindberg, Siimes & Aalberg 2012; Ferreiro, Seoane & Senra 2014). Längsschnittstudien haben gezeigt, dass der Selbstwert – korrespondierend mit dem sich wandelnden Selbstkonzept – im Verlauf vom Kindes- bis ins hohe Erwachsenenalter entwicklungsphasentypischen Schwankungen unterliegt, mit einem charakteristischerweise erhöhten Selbstwert im Kindesalter und einem, in Relation dazu, vergleichsweise gering ausgeprägten Selbstwert in der Adoleszenz. Während Kinder im Grundschulalter, aufgrund ihrer unrealistisch positiven Selbstwahrnehmung und Selbstüberschätzung, einen vergleichsweise hohen Selbstwert aufweisen, zeichnet sich in der Adoleszenz, d.h. in der Altersphase von ca. 13 bis 17 Jahren, ein stetiger Abfall des Selbstwertes ab (Robins & Trzesniewski 2005; Robins et al. 2002). Als Gründe werden – neben den körperlichen Veränderungen während der Pubertät, die zu einem negativen Selbstbild beitragen können – unter anderem die zunehmend realistische Selbstwahrnehmung und die auf sozialen Vergleichsprozessen beruhende Differenzierung des Selbstbildes in Betracht gezogen (Wagner, Lüdke, Jonkmann & Trautwein 2013). Ab dem frühen Erwachsenenalter stabilisiert sich der Selbstwert wieder und steigt bis ins späte Erwachsenenalter kontinuierlich an, mit einem Peak im Altern von ungefähr 50 bis 60 Jahren (Erol & Orth 2011; Robins & Trzesniewski 2005; Orth & Robins 2014). Im hohen Alter hingegen verringert sich der Selbstwert rapide (Orth & Robins 2014). Als potentielle Ursachen für diesen drastischen Abfall des 14 Selbstwertes in der späten Altersphase werden Faktoren wie der Ruhestand, der Tod des Partners oder anderer Bezugspersonen, gesundheitliche Probleme und eine Verschlechterung des sozio-ökonomischen Status diskutiert (Robins & Trzesniewski 2005). Trotz der entwicklungsphasentypischen Variationen des Selbstwerts wird der globale Selbstwert eines Individuums, im Sinne eines Traits, als relativ stabile Entität betrachtet. Ist der globale Selbstwert einer Person beispielsweise in einer Phase des Lebens hoch ausgeprägt, wird er potentiell auch in anderen Lebensphasen relativ hoch ausgeprägt sein. Die spezifischen Selbstwertdimensionen variieren hingegen, in Abhängigkeit vom situativem Kontext und zugrundeliegender Vergleichsprozesse. So können beispielsweise zwei gleich leistungsstarke Schüler zu unterschiedlichen Beurteilungen ihrer schulischen Leistungsfähigkeit gelangen, je nachdem, ob sie sich mit den leistungsstarken oder eher leistungsschwachen Schülern der Klasse vergleichen. Vergleicht sich der leistungsstarke Schüler mit einer leistungsschwachen Bezugsgruppe, beurteilt er seine Leistungsfähigkeit in der Regel höher, als wenn er sich mit leistungsstarken Schülern vergleicht (Dickhäuser 2006). Dieser Effekt ist in der Forschungsliteratur als „Big fish little pond effect“ eingegangen (Marsh 2005). Betrachtet man den Verlauf des Selbstwertes über die Lebensspanne getrennt für beide Geschlechter, fällt auf, dass die oben beschriebenen Verläufe bei Mädchen und Jungen bzw. Frauen und Männern ähnlich verlaufen. Für beide Geschlechter zeichnet sich ein Abfall des Selbstwertes im Jugendalter, gefolgt von einer Stabilisierung im Erwachsenenalter und einem erneuten Abfall im hohen Alter ab. In der Adoleszenz zeigt sich jedoch, wie bereits beschrieben, bei männlichen Jugendlichen, dass sie ihren Selbstwert höher einschätzen als weibliche Jugendliche (Robins et al. 2005). Dieser geschlechtsspezifische Effekt ist auch im Erwachsenenalter zu beobachten (Twenge & Campbell 2001). 1.3 Selbstwert und psychische Gesundheit Eine Vielzahl von Studien befasst sich mit der Untersuchung der Fragestellung, ob die Ausprägung des Selbstwertes in Zusammenhang steht mit Faktoren, wie beispielsweise psychischer Gesundheit resp. der Entwicklung psychischer Störungen. Auch gilt das Forschungsinteresse der Fragestellung, ob ein geringer Selbstwert assoziiert ist mit maladaptiven Verhaltensweisen, wie aggressivem Verhalten, Delinquenz, sexuellem Risikoverhalten, Rauchen, übermäßigem Alkohol- oder 15 Drogenkonsum etc.. Des Weiteren wurde in verschiedenen Studien der potentielle Zusammenhang zwischen Selbstwert und schulischen Leistungen, der beruflichen Karriereentwicklung oder der Zufriedenheit mit der Paarbeziehung untersucht. Die Befunde in diesem Forschungskontext divergieren zum Teil beträchtlich. Während weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass ein hoher Selbstwert u.a. assoziiert ist mit Lebenszufriedenheit, physischer Gesundheit, sozio-ökonomischem Status und Zufriedenheit mit der Paarbeziehung (Zeigler-Hill 2013; Furnham & Cheng 2000; Shackelford 2001; Orth, Robins & Widaman 2012; DeHart, Pena & Tennen 2013), werden mögliche negative Auswirkungen eines geringen Selbstwerts auf verschiedene Lebensbereiche kontrovers diskutiert. Eine zentrale Forschungsfrage ist nach wie vor, ob ein geringer Selbstwert als Ursache oder eher als Auswirkung psychischer Störungen zu werten ist bzw. als Mediator fungiert (Baumeister, Campbell, Krueger & Vohs 2003; Mann, Hosman, Schaalma & de Vries 2004). Analysiert man die Studienlage in Bezug auf mögliche Assoziationen zwischen depressiven Störungen und Selbstwertproblemen, belegen zahlreiche Studien, dass ein geringer Selbstwert sowohl ein früher Indikator depressiver Symptome Jugendlicher ist, als auch einen Risikofaktor für die Entwicklung von Depressionen darstellt (Orth, Robins & Roberts 2008; Orth, Robins, Trzesniewski, Maes & Schmitt 2009; Whitney, Sullivan & Herman 2010; Kuster, Orth & Meier 2012; Steiger, Allemand, Robins & Fend 2014). Dieser prädiktive Effekt eines geringen Selbstwertes auf depressive Störungen zeigt sich vom Jugendalter bis ins hohe Alter, sowohl bei weiblichen Jugendlichen und Frauen als auch bei männlichen Jugendlichen und Männern (Orth et al. 2009). Der prädiktive Einfluss von Selbstwertstörungen auf die Entwicklung von Depressionen zeigt sich zudem robust für verschiedene diagnostische Verfahren zur Erfassung des Selbstwerts und depressiver Symptomatik, wie eine Meta-Analyse von Sowislo & Orth (2013) zeigt. Steiger und Mitarbeiter (2014) konnten in einer prospektiven Längsschnittstudie mit mehr als 1500 Probanden über einen Zeitraum von 23 Jahre zeigen, dass sowohl die Ausprägung, als auch Veränderungen des Selbstwerts im Alter zwischen 12 und 16 Jahren, Depressionen im Erwachsenenalter (d.h. 20 Jahre später) vorhersagten. Kuster und Mitarbeiter (2012) finden in einer prospektiven Studie des Weiteren Anhaltspunkte dafür, dass ein geringer Selbstwert „kognitive Rumination“ vorhersagt, d.h. das intensive, wiederkehrende Grübeln über die eigene Person, persönliche Unzulänglichkeiten und zugrundeliegende Probleme, was wiederum depressive Symptomatik vorhersagt. Der 16 Faktor kognitive Rumination scheint den Einfluss von Selbstwertstörungen auf die Entwicklung depressiver Störungen partiell zu mediieren (Kuster et al. 2012). Dieser Mediationseffekt konnte in der o. g. Studie für beide Geschlechter, sowohl für affektivkognitive, als auch für somatische Symptome der Depression festgestellt werden. Während in Orientierung an die vorliegenden Befunde – im Sinne des Vulnerabilitätsmodells – davon ausgegangen wird, dass ein geringer Selbstwert ein Prädiktor von Depressionen ist (Orth et al. 2012, Sowislo & Orth 2013, Steiger et al. 2014), weisen die Befunde bei Angststörungen eher auf eine reziproke Beziehung zwischen geringem Selbstwert und Angststörungen hin. Sowislo und Orth (2013) fanden moderate, aber signifikante Effekte in beide Richtungen, d.h. der Selbstwert hat eine ähnlich hohe Vorhersagekraft für Angststörung wie umgekehrt. In der Studie von Sowislo & Orth (2013) wurden Längsschnittstudien analysiert, die den Zusammenhang zwischen Selbstwert und Depressionen bzw. Selbstwert und Angststörungen untersuchten. Zusammenfassend lassen die Befunde den Schluss zu, dass die Relation zwischen Selbstwertstörungen und Depressionen am besten durch das Vulnerabilitätsmodell erklärt werden kann. Die Moderator-Analysen der Autoren verdeutlichen, dass der Effekt von niedrigem Selbstwert auf Depressionen weder signifikant durch das Geschlecht oder das Alter, noch durch die eingesetzten diagnostischen Verfahren oder die Zeiträume zwischen den jeweiligen Erhebungen erklärt werden kann. Betrachtet man die Forschungslage in Bezug auf potentielle Zusammenhänge zwischen Essstörungen und Selbstwertstörungen, zeigt sich in konsistenter Weise, dass sowohl der Selbstwert, als auch Faktoren, wie weibliches Geschlecht, Perfektionismus oder negatives Körperbild, relevante Risikofaktoren in der Genese von Essstörungen darstellen (French, Leffert, Story, Neumark-Sztainer, Hannan & Benson 2001; Hartmann, Thomas, Greenberg, Matheny & Wilhelm 2014; Brechan & Kvalem 2015). Brechan und Kvalem (2015) konnten kürzlich in einer Studie zum Zusammenhang zwischen körperlicher Unzufriedenheit und gestörtem Essverhalten zeigen, dass der Einfluss von Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper auf pathologisches Essverhalten signifikant mediiert wird durch geringen Selbstwert und depressive Symptomatik. Die Autoren fanden zudem Hinweise darauf, dass die Ausprägung des Selbstwertes einen direkten Effekt auf restriktives Essverhalten und kompensatorisches Verhalten hat. 17 In Bezug auf externalisierendes Verhalten scheint es einem Großteil der Studien zufolge einen Zusammenhang zwischen aggressiv-antisozialem Verhalten resp. Delinquenz und geringem Selbstwert zu geben. Donnellan, Trzesniewski, Robins, Moffitt & Caspi (2005) konnten beispielsweise in drei zusammenhängenden Studien zeigt, dass der Selbstwert von Jugendlichen konsistent negativ korreliert mit Delinquenz und externalisierendem Verhalten im Eltern- und Lehrerurteil – unabhängig von der Altersgruppe, der Nationalität der Jugendlichen und der eingesetzten diagnostischen Verfahren zur Erfassung des Selbstwerts und externalisierender Verhaltensweisen. Trzesniewski, Donnellan, Moffitt, Robins, Poulton & Caspi (2006) konnten in einer prospektiven Längsschnittstudie, die sich über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren erstreckte, belegen, dass Jugendliche mit geringem Selbstwert ein deutlich höheres Risiko haben, im Erwachsenenalter psychische Störungen (im Sinne von expansiven Verhaltensstörungen) und physische Gesundheitsprobleme zu entwickeln, im Vergleich zu Jugendlichen mit einem hohen Selbstwert. Die Autoren berichten, dass Jugendliche mit geringem Selbstwert prospektiv schlechtere ökonomische Verhältnisse und eine höhere Ausprägung kriminellen Verhaltens im Erwachsenenalter aufweisen, als Jugendliche mit hohem Selbstwert. Die Varianz des expansiven Verhaltens, die sich in Abhängigkeit von der Ausprägung des Selbstwertes zeigte, konnte nicht erklärt werden durch Faktoren wie Geschlecht, sozioökonomischer Status oder depressive Symptomatik im Jugendalter. In einem systematischen Review zu Langzeiteffekten behandelter vs. unbehandelter ADHS-Symptomatik auf den Selbstwert und das soziale Funktionsniveau konnten Harpin, Mazzone, Raynaud, Kahle & Hodgkins (2013) zeigen, dass in der Gruppe unbehandelter ADHS-Patienten der Langzeitverlauf der Symptomatik stärker assoziiert war mit geringerem Selbstwert und niedrigerem sozialen Funktionsniveau, als in der Kontrollgruppe der Probanden ohne ADHS. Die Gruppe behandelter ADHSPatienten zeigte im Langzeitverlauf eine deutliche Verbesserung des Selbstwertes und des sozialen Funktionsniveaus, was darauf hinweist, dass Selbstwertstörungen und Einbußen im Funktionsniveau eher eine Folge und weniger eine Ursache von ADHS sind. Dieser Befund deckt sich mit den Befunden anderer Studien, die den Einfluss von ADHS auf den Selbstwert bzw. die Auswirkungen von ADHS auf die Lebensqualität und das psychosoziale Funktionsniveau untersucht haben (Edbom, Lichtenstein, Granlund & Larsson 2006; Escobar, Soutullo, Hervas, Gastaminza, Polavieja & Gilaberte 2005; Sawyer 2002; Barkley 2002; Schreyer & Hampel 2009). 18 Unter Berücksichtigung der Befunde zum Zusammenhang zwischen Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen und psychischer Gesundheit kann als Fazit gezogen werden, dass ein hoher Selbstwert, in Verbindung mit einer ausgeglichene Affektlage und einem adäquaten Aktivitätsniveau, positiven Einfluss auf das psycho-soziale Funktionsniveau, psychisches Wohlbefinden und psychische Gesundheit nehmen. Diverse Studien zeigen im Umkehrschluss einen Zusammenhang zwischen Selbstwertstörungen und psychischen Erkrankungen, wie beispielsweise affektiven Erkrankungen oder Aktivitätsstörungen, wobei der Selbstwert – je nach Störungsbild – entweder einen Risikofaktor für psychische Erkrankungen, wie bei Depressionen oder Essstörungen, darstellen kann oder als Folge psychischer Erkrankungen resultieren kann, wie beispielsweise bei ADHS. Auch wechselseitige Wirkungen erscheinen plausibel und konnten beispielsweise bei Angststörungen belegt werden. 1.4 Definition von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen Als Selbstwertstörung bezeichnet man eine zeitlich überdauernde, in verschiedenen Kontexten auftretende Tendenz sich selbst, d.h. die eigenen Fähigkeiten, Eigenschaften, Handlungen etc., als besonders negativ zu bewerten. Häufig überwiegt bei Selbstwertstörungen eine negativ gefärbte Selbstbewertungstendenz, die einhergeht mit einer generalisierten, negativen Einstellung zur eigenen Person. Denkbar ist aber auch eine übermäßig positive Selbstbewertung, im Sinne eines pathologisch gesteigerten Selbstwertes, wie sie häufig bei einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur oder bei manischen Erkrankungen beobachtbar ist. Unter Affektstörungen, auch affektive Störungen genannt, fasst man psychische Störungen zusammen, die mit einer Veränderung der Stimmung, d.h. des Affektes, einhergehen. Der Affekt kann dabei beispielsweise dysphorisch resp. depressivverstimmt sein, wie bei einer Depression oder einer Dysthymie. Alternativ kann auch ein deutlich gesteigerter, euphorischer Affekt vorliegen, wie er typischerweise im Rahmen einer Manie auftritt. Unter Umständen besteht die Symptomatik eines pathologisch wechselnden Affekts, wie bei einer Bipolaren Störung oder einer Zyklothymie, die ebenfalls beide den affektiven Störungen zuzuordnen sind. 19 Als Aktivitätsstörung bezeichnet man Störungen, die mit einer Veränderung des psychomotorischen Aktivitätsniveaus einhergehen, entweder im Sinne einer Hyperaktivität oder einer sehr geringen motorischen Aktivierung (Hypoaktivität). Eine affektive Störung, die mit reduziertem Aktivitätsniveau und einer Antriebsminderung einhergeht, stellt beispielsweise die depressive Störung dar. Zu affektiven Störungen, die mit Hyperaktivität assoziiert sind, zählen beispielsweise Manien. 1.5 Verlauf von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen Da die Darstellung der Verläufe sämtlicher Erkrankungen, die mit Störungen des Affekts, der Aktivität und des Selbstwerts einhergehen, zu weitreichend und daraus resultierend zu komplex ist, werden im Folgenden nur die für diese Forschungsarbeit relevanten Verläufe beschrieben. Depressionen, einhergehend mit Selbstwertstörungen, können in allen Altersphasen auftreten. Der Ersterkrankungsgipfel liegt zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr (WHO 2004). Die Prävalenzraten depressiver Störungen im Kindesalter unterscheiden sich deutlich von denen im Jugend- und Erwachsenenalter. Costello, Erkanli und Angold (2006) ermittelten in einer Meta-Analyse für Kinder unter 13 Jahren Prävalenzraten für depressive Störungen zwischen 0,6 % und 5,9 % und für Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren Prävalenzen zwischen 1,3 % bis 18,2 %. Die Autoren schätzen die Prävalenzrate für die Altersklasse der unter 13-Jährigen im Mittel auf 2,8 % und für die 13- bis 18-Jährigen auf ungefähr 5,7 %. Ungefähr ab dem 12. Lebensjahr ist bei Mädchen eine steigende Auftretenshäufigkeit depressiver Störungen zu verzeichnen, während die Auftretenshäufigkeit bei Jungen im Jugendalter (ab dem 13. Lebensjahr) stabil bleibt (Twenge & Nolen-Hoeksema 2002). Die Geschlechtsverteilung ist im Kindesalter weitgehend ausgeglichen, ab dem Jugendalter überwiegt das weibliche Geschlecht im Verhältnis 2:1 (Angold, Erkanli, Silberg, Eaves & Costello 2002). Die depressive Symptomatik verändert sich im Entwicklungsverlauf, wobei sich, abhängig vom Geschlecht, Unterschiede im Verlauf der Symptomatik zeigen (Dekker, Ferdinand, van Lang, Bongers, van der Ende & Verhulst 2007). Im Kleinkindalter zeigen sich charakteristischerweise eine erhöhte Irritierbarkeit, eine ausdrucksarme Mimik, Spielunlust bzw. mangelnde Kreativität beim Spielen sowie ein gestörtes Essverhalten. Im Vorschul- und Schulalter werden emotionale Labilität, Anhedonie, 20 erste verbale Berichte über Traurigkeit und häufig auch Schulleistungsstörungen deutlich. In der vorpubertären Phase finden sich zudem häufig Symptome wie Reizbarkeit, somatische Beschwerden und sozialer Rückzug, während in der Adoleszenz häufig noch ein vermindertes Selbstvertrauen, apathische Zustände, Ängste und Konzentrationsschwierigkeiten hinzukommen (DGKJP 2007). Insgesamt nähert sich die Symptomatik im Jugendalter immer mehr der typischen Symptomatik im Erwachsenenalter an. Eine situationsübergreifende Selbstwert- und Aktivitätsstörung (im Sinne einer Antriebsschwäche) mit Anhedonie - und unter Umständen mit einer begleitenden suizidalen Symptomatik - bilden wesentliche Symptome einer Depression in der Adoleszenz bzw. im Erwachsenenalter. Je ausgeprägter die Selbstwertstörung ist, desto höher ist das Chronifizierungsrisiko – insbesondere dann, wenn die Selbstwertstörung schon seit längerer Zeit besteht. In Bezug auf den Verlauf depressiver Störungen lässt sich eine starke interindividuelle Variabilität konstatieren. Es wird geschätzt, dass etwa die Hälfte bis zwei Drittel der depressiven Patienten eine deutliche Symptomreduktion und ihre prämorbide Leistungsfähigkeit zurückerlangen, wohingegen 10 bis 20 % der unipolaren Depressionen chronifizieren (Hautzinger 2010). Das Suizidrisiko depressiver Patienten beträgt ungefähr 15 % und ist damit deutlich höher als in der nichtdepressiven Bevölkerung (Hautzinger 2010). Die Auftretenshäufigkeit bipolarer affektiver Störungen ist deutlich geringer als die der unipolaren depressiven Störungen, insbesondere vor dem 10. Lebensjahr. Für die Altersgruppe der 14- bis 16-Jährigen beträgt die Prävalenzrate bipolarer affektiver Störungen 0,6 %. Für die 18- bis 24-Jährigen werden Prävalenzraten zwischen 0,6 und 1,0 % angenommen (Herpertz-Dahlmann, Resch, Schulte-Markwort, Warnke 2008). Das Erstmanifestationsalter bipolarer Störungen liegt ca. zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr (Aichhorn, Stuppäck, Kralovec, Yazdi, Aichhorn, Hausmann 2007). Manische Episoden im Kindesalter sind oft gekennzeichnet durch eine emotionale Labilität, Hyperaktivität und erhöhtes Risikoverhalten, während im Jugendalter zusätzlich Symptome, wie eine euphorische oder dysphorisch-gereizte Stimmung, antisoziales Verhalten und Drogenabusus hinzukommen können (Aichhorn et al. 2007). Weitere typische Symptome sind ein erhöhter Rededrang, ein verringertes Schlafbedürfnis, Konzentrationsprobleme und wahnhafte Phänomene, wie z.B. Größenwahn. Im Vergleich zur Symptomatik im Erwachsenenalter treten kaum 21 symptomfreie Phasen auf. Die Hoch- und Tief-Phasen gehen häufig mit einem raschen Wechsel („rapid cycling“) einher. Die Wahrscheinlichkeit, dass nach drei depressiven Episoden (unipolar) eine manische Phase auftritt, beträgt grob geschätzt 10 bis 30 % (Hautzinger 2010). 1.6 Klassifikation von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen nach ICD-10 und DSM-5 Klassifikation von Selbstwertstörungen Die Störung des Selbstwertgefühls, einhergehend mit vermindertem Selbstvertrauen, stellt in keinem Klassifikationssystem psychischer Störungen, d.h. weder in der ICD10 (Dilling, Mombour, Schmidt 2004), noch im DSM-5 (Falkai & Wittchen 2015), eine eigenständige Diagnose dar. Dennoch gehen viele psychische Störungen im Kindesund Jugendalter, wie Depressionen, soziale Phobien, ADHS oder Störungen des Sozialverhaltens, oft mit einem verringerten Selbstwert einher (de Jong, Sportel, de Hullu & Nauta 2014; Dan & Raz 2015; Harpin 2005; Harpin, Mazzone, Raynaud, Kahle & Hodgkins 2013; Alesi, Rappo & Pepi 2014). Verschiedene psychische Störungen können, wie bereits beschrieben, auch mit einem überhöhten Selbstwert einhergehen, wie die Manie oder eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Klassifikation von Aktivitäts- und Affektstörungen Im folgenden Abschnitt wird eine Übersicht über die ICD-10-Klassifikation affektiver Störungen, die mit Störungen der Aktivität einhergehen, gegeben, sowie ein Vergleich zu den DSM-5 Kriterien vorgenommen. Auf andere Störungen der Aktivität, wie beispielsweise ADHS, wird nicht näher eingegangen, da diese Störungen im Kontext der vorliegenden Forschungsarbeit nicht relevant sind. 22 Tabelle 1: Symptome und Schweregradeinteilung der depressiven Episode nach ICD-10 Mindestens zwei Kernsymptome müssen mindestens zwei Wochen lang bestehen: Anhaltende depressive Stimmung Verlust von Interesse und Freude an normalerweise angenehmen Aktivitäten Verminderter Antrieb oder erhöhte Ermüdbarkeit Zusatzsymptome (bei Vorhandensein von zwei Kernsymptomen müssen mindestens zwei weitere Symptome bestehen): Vermindertes Selbstvertrauen und geringes Selbstwertgefühl Selbstvorwürfe / Schuldgefühle Suizidgedanken / suizidale Handlungen Konzentrationsprobleme Schlafstörungen Psychomotorische Unruhe oder Agitiertheit Appetitverlust oder gesteigerter Appetit Kennzeichen des Somatischen Syndroms (mindestens vier Symptome): Interessenverlust, Verlust an Freude Mangelnde emotionale Reagibilität Morgentief Frühmorgendliches Erwachen Psychomotorische Hemmung oder Agitiertheit Deutlicher Appetitverlust Gewichtsverlust (5% des Körpergewichts im letzten Monat) Deutlicher Libidoverlust Schweregradeinteilung der depressiven Episode nach ICD-10: Leichte depressive Episode (F32.0) Mittelgradige depressive Episode (F32.1) Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (F32.2) Schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen (F32.3) Im Kindes- und Jugendalter treten typischerweise auch Symptome auf, die nicht in der ICD-10 aufgeführt sind. So sind depressive Kinder und Jugendliche häufig reizbar oder schlecht gelaunt, berichten oft von somatischen Beschwerden (z.B. Kopf- oder Bauchschmerzen, Übelkeit…), haben nur wenige Kontakte zu Gleichaltrigen und neigen insgesamt zu sozialem Rückzug und Apathie. Auch Schulleistungsstörungen, Schulabsentismus, Irritierbarkeit, dysruptive Affektregulationsstörungen, in Verbindung mit verbalen Impulsausbrüchen, können typische Begleitsymptome einer Depression im Kindes- und Jugendalter darstellen (DGKJP, 2007; Whitney, Sullivan & Herman 2010). 23 Die Schweregradeinteilung der depressiven Episode nach ICD-10 (F32) richtet sich nach der Anzahl der Symptome, die über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen bestehen müssen. Um eine „leichte depressive Episode“ (F32.0) diagnostizieren zu können, müssen zwei Kernkriterien und zwei Zusatzkriterien bestehen. Eine „mittelgradige depressive Episode“ (F32.1) ist erfüllt, wenn mindestens zwei Kernkriterien und mindestens drei Zusatzkriterien erfüllt sind. Ein zusätzliches somatisches Syndrom wird kodiert, wenn mindestens vier Symptome erfüllt sind. Eine „schwere depressive Episode“ (F32.2) wird diagnostiziert, wenn alle Kernkriterien und mindestens vier Zusatzkriterien erfüllt sind. Die „schwere depressive Episode“ kann ohne oder mit psychotischen Symptomen, wie Halluzinationen oder Wahnideen, auftreten. Um eine rezidivierende depressive Störung (F33), entsprechend der ICD10-Kriterien, kodieren zu können, muss neben der aktuellen depressiven Episode mindestens eine weitere depressive Episode in der Vorgeschichte bestanden haben, von mindestens zwei Wochen Dauer. Die gegenwärtige depressive Episode muss von der vorhergehenden Episode durch ein mindestens zweimonatiges, weitgehend symptomfreies Intervall abgrenzbar sein. In der Vorgeschichte darf keine manische oder hypomane Episode vorgelegen haben. Die Dysthymia (F34.1) und die Zyklothymia (F34.0) werden in der ICD-10 den anhaltenden affektiven Störungen zugeordnet. Unter einer Dysthymia wird nach ICD10 eine anhaltende depressive Verstimmung verstanden, die jedoch nicht das Ausmaß einer depressiven Episode erreicht. Die depressiv-verstimmte Stimmungslage sollte bei Kindern und Jugendlichen mindestens ein Jahr lang andauern. Die dazwischen liegenden symptomfreien Perioden dürfen nur wenige Wochen umfassen. Die Zyklothymia ist gekennzeichnet durch eine andauernde Instabilität der Stimmung, mit mehreren Episoden einer leichten depressiven Symptomatik, gefolgt von Phasen leicht gehobener Stimmung, wobei keine Episode den Schweregrad einer depressiven oder manischen Episode erreichen darf. Treten neben depressiven Episoden auch manische Phasen auf, liegt eine bipolare Störung (F31) vor. Depressive Symptome können auch als emotionale Reaktion auf kritische Lebensereignisse (z.B. Scheidung der Eltern, Tod eines nahestehenden Angehörigen, Umzug, schwere Erkrankung), in Kontext einer Anpassungsstörung (F43.2) auftreten. Die depressive Symptomatik erreicht dabei definitionsgemäß allerdings nicht die Ausprägung einer depressiven Episode. 24 In der ICD-10 wird die folgende Einteilung von Anpassungsstörungen vorgenommen: Anpassungsstörung mit kurzer depressiver Reaktion (F43.20) Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion (F43.21) Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion gemischt (F43.22) Anpassungsstörung mit gemischter Störung von Gefühlen u. Sozialverhalten (F43.25) Weitere psychische Störungen, die mit einer depressiven Symptomatik einhergehen, sind die „Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung“ (F92.0), „Angst und depressive Störung, gemischt“ (F41.2), „sonstige emotionale Störung“ (F93.8) sowie die „schizoaffektive Störung“ (F25). Ist die affektive Störung verursacht durch eine pharmakologische Wirkung oder durch eine körperliche resp. zerebrale Erkrankung, wird eine „organische affektive Störung“ (F06.3) kodiert. Vergleicht man die Kodierung depressiver Störungen der ICD-10 mit dem DSM-5, fällt auf, dass sich die Symptomkriterien nur wenig unterscheiden. Im Zuge der Publikation des DSM-5 wurden jedoch zwei neue Diagnosen eingeführt, welche in der ICD-10 nicht vorhanden sind, die dysruptive Affektregulationsstörung sowie die prämenstruelle dysphorische Störung. Mit der Einführung der dysruptiven Affektregulationsstörung im DSM-5 wird den Kindern und Jugendlichen Rechnung getragen, die primär durch Schwierigkeiten in Bezug auf eine angemessene Regulation von Affekten und eine erhöhte emotionale Impulsivität, im Rahmen einer affektiven Störung, auffallen. Diese Symptome wurden bislang häufig als Verhaltensauffälligkeiten im Kontext von expansiven Störungen, wie beispielsweise einer Störung des Sozialverhaltens oder einer ADHS gesehen und nicht als Symptome einer Depression (Shugart & Lopez 2002). 25 Tabelle 2: Klassifikation depressiver Störungen nach DSM-5 und ICD-10 DSM-5 296.x Major Depression, einzelne Episode ICD-10 F32.x .0 leicht .1 mittelgradig .2 schwer ohne psychotische Symptome .3 schwer mit psychotischen Symptomen .8 sonstige depressive Episode (atypische Depression) .21 leichtgradig .22 mittelgradig .23 schwergradig ohne psychotische Merkmale .24 schwergradig mit psychotischen Merkmalen .25 teilremittiert .26 vollremittiert .20 nnb 296.x Major Depression, rezidivierend F33.x Persistierende depressive Störung (Dysthymie) 296.99 Dysruptive Affektregulationsstörung Rezidivierende depressive Störung .0 leicht .1 mittelgradig .2 schwer ohne psychotische Symptome .3 schwer mit psychotischen Symptomen .4 rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert .8 sonstige rezidivierende depressive Störungen .31 leichtgradig .32 mittelgradig .33 schwergradig ohne psychotische Merkmale .34 schwergradig mit psychotischen Merkmalen .35 teilremittiert .36 vollremittiert .30 nnb 300.4 Depressive Episode F34.1 Anhaltende affektive Störungen: Dysthymia kein Äquivalent 625.4 Prämenstruelle dysphorische Störung 311 nnb depressive Störung kein Äquivalent F32.9 nnb depressive Episode F33.9 nnb rezidivierende depressive Störung F38.1 Rezidivierende kurze depressive Episoden nnb = nicht näher bezeichnet Die folgende Tabelle beschreibt im Sinne einer Übersicht, ergänzend zu den depressiven Syndromen, die Klassifikation weiterer affektiver Störungen nach DSM-5 und ICD-10. 26 Tabelle 3: Klassifikation weiterer affektiver Störungen nach DSM-5 und ICD-10 DSM-5 ICD-10 F30.x Manische Episode Kein Äquivalent (s.u.) 296.x Bipolar-I-Störung aktuelle Episode: .40 hypoman manisch .41 leicht .42 mittelschwer .43 schwer ohne psychot. Symptome .44 mit psychotischen Symptomen .45 in Teilremission .46 vollremittiert .0 Hypomanie .1 Manie ohne psychotische Symptome .2 Manie mit psychotischen Symptomen .8 Sonstige manische Episode .9 Manische Episode nnb F31.x Bipolare affektive Störung gegenwärtig: .0 hypomane Episode .1 manische Episode ohne psychotische Symptome .2 manische Episode mit psychotischen Symptomen .3 leichte oder mittelgradige depressive Episode .4 schwere depressive Episode ohne psychot. Symptome .5 schwere depressive Episode mit psychot. Symptomen .6 gemischte Episode depressiv .51 leicht .52 mittelschwer .53 schwer ohne psychot. Symptome .54 mit psychotischen Symptomen .55 in Teilremission .56 vollremittiert .7 remittiert .8 sonstige bipolare affektive Störung .9 Bipolare affektive Störung nnb 296.7 Bipolar-I-Störung letzte Episode nnb 296.89 Bipolar-II-Störung 301.13 Zyklothyme Störung F34.0 Zyklothymia Substanz-/Medikamenteninduzierte depressive Störung: F1x.8 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen 291.89 Alkohol 292.84 Amphetamine, Kokain, Opiate 293.83 DepressiveStörung aufgrund eines anderen medizinischen Krankheitsfaktors F06.3 Organische affektive Störungen nnb = nicht näher bezeichnet 27 1.7 Multifaktorielles ätiologisches Modell der Entstehung von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen In der Genese von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen spielen zweifelsohne diverse, komplex zusammenwirkende biologische und psycho-soziale Faktoren eine Rolle. Einige ätiologische Modelle versuchen diese verschiedenen Einflussfaktoren in einem multifaktoriellen Erklärungsmodell zu integrieren. Die folgende Abbildung stellt die wichtigsten Faktoren, die potentiell in der Genese von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen eine Rolle spielen, in vereinfachter Form dar. Im weiteren Verlauf werden die einzelnen Einflussfaktoren näher erläutert. Kritische Lebensereignisse und negative Erfahrungen Biologische und genetische Einflüsse Dysfunktionale Kognitionen Gestörte Emotionsregulation Ungünstige Lernprozesse Gestörte sozial-kognitive Informationsverarbeitung Ungünstige psychosoziale Faktoren Selbstwert-, Aktivitätsund Affektstörungen Dysfunktionale Bewältigungsmuster Abbildung 1: Multifaktorielles Entstehungsmodell von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen Abbildung 1 stellt ein vereinfachtes multifaktorielles Erklärungsmodell für Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen dar. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass biologische und genetische Einflüsse als prädiponierende Faktoren - im Sinne einer Vulnerabilität - anzusehen sind, während kritische Lebensereignisse, das gehäufte 28 Auftreten negativer Erfahrungen und ungünstiger psychosozialer Faktoren die Entwicklung von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen begünstigen. Die Häufung negativer Erfahrungen trägt u. a. zur Ausbildung dysfunktionaler Kognitionen und negativer Selbstbewertungen bei und wirkt sich, bei entsprechender Diathese, negativ auf die Emotionsregulation und die sozial-kognitive Informationsverarbeitung aus. Verfügt der Jugendliche nicht über adäquate Problem- und Konfliktlösekompetenzen, greift er auf dysfunktionale Copingstrategien zurück. Ungünstige Lernprozesse führen schließlich – in einem komplexen wechselseitigen Zusammenspiel biologischer und psychosozialer Faktoren – zur Manifestation und im weiteren Entwicklungsverlauf zur Aufrechterhaltung der Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen. Biologische und genetische Einflüsse Während im Rahmen der Entwicklung von Selbstwertstörungen genetische Einflüsse bis dato kaum erforscht sind, werden sowohl in der Genese von Aktivitäts- als auch von Affektstörungen bedeutsame biologische und genetische Einflüsse angenommen. So wird beispielsweise bei depressiven Störungen vermutet, dass genetische Faktoren eine große Rolle in der Entstehung der Erkrankung spielen (Lehmkuhl, Walter, Lehmkuhl 2008). In Zwillings- und Familienstudien konnte ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für Personen aus Familien, in denen ein Familienmitglied depressiv ist, nachgewiesen werden. Die Konkordanzraten für monozygotische Zwillinge betragen dabei im Mittel 60 %, während sie bei dizygotischen Zwillingen im Mittel lediglich 14 % betragen (Hautzinger 2010), was u.a. für eine hereditäre Ursache in der Genese depressiver Störungen spricht. Lieb, Isensee, Höfler, Pfister & Wittchen (2002) fanden in einer großen epidemiologischen Stichprobe von annähernd 2500 Adoleszenten und jungen Erwachsenen, dass Kinder depressiver Eltern ein ungefähr dreifach erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Depression haben, im Vergleich zu Kindern gesunder Eltern. Die familiäre Häufung depressiver Störungen kann jedoch nicht ausschließlich durch genetische Faktoren erklärt werden. In der Genese depressiver Erkrankungen spielen auch ungünstige Lernprozesse, das Erziehungsverhalten und individuelle Belastungsfaktoren eine zentrale Rolle (Lehmkuhl et al. 2008). Insgesamt wird der Einfluss genetischer Faktoren in der Entstehung depressiver Störungen auf ca. 41 % geschätzt und der Einfluss von Umweltbedingungen auf ca. 46 % (Hautzinger 2010). 29 Zu den biologischen Faktoren, die in der Entwicklung depressiver Störungen vermutlich eine zentrale Rolle spielen, zählt laut Hautzinger (2010) zum einen die Hypothese der gestörten Neurotransmittersysteme (z.B. gestörtes serotonerges und dopaminerges System, Ungleichgewicht zwischen dem adrenergen und cholinergen Neurotransmittersystem). Zum anderen werden neuroendokrinologische Störungen (z.B. Überaktivität der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse) sowie strukturelle und funktionelle neuroanatomische Veränderungen (z.B. hyperaktive Areale des Hippocampus, hypoaktive Areale des präfrontalen Cortex) angenommen. Psychosoziale Einflussfaktoren In der Genese von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen werden häufig auch prädisponierende psychische Faktoren, wie Persönlichkeitsmerkmale oder das Temperament diskutiert. Es scheint beispielsweise einen Zusammenhang zwischen einer prämorbiden ängstlich-labilen bzw. emotional-impulsiven Persönlichkeitsstruktur und Depressionen zu geben. Außerdem weisen viele Studien darauf hin, dass ein geringer Selbstwert einen frühen Indikator für Depressionen darstellt (Whitney et al. 2010; Sowislo & Orth 2012). Auch introversive Temperamentsmerkmale, wie Schüchternheit, soziale Zurückhaltung und eine pessimistische Grundhaltung, scheinen prädisponierende Faktoren in der Entwicklung sowohl depressiver als auch ängstlicher Störungen zu sein (Hautzinger 2010). Auch soziale und schulbezogene Faktoren, wie Mobbing, schlechte Schulleistungen und anhaltende schulische Misserfolge spielen eine zentrale Rolle in der Entwicklung von Selbstwert- und Affektstörungen. Soziale Faktoren, die sowohl internalisierende als auch externalisierende Störungen begünstigen, sind beispielsweise ein niedriger Sozialstatus, begrenzte finanzielle Verhältnisse, unvollständige Familien (alleinerziehendes Elternteil) oder ausgeprägte familiäre Belastungen (Steinhausen, Döpfner & Steinhausen 2010; Hautzinger 2010). Diverse ungünstige psycho-soziale Lebensumstände bzw. familiäre Bedingungen, wie ein geringer sozio-ökonomischer Status, ein alleinerziehendes Elternteil, beengte Wohnverhältnisse oder psychische Erkrankungen der Eltern, stellen Vulnerabilitätsfaktoren dar, die Depressionen von Kindern und Jugendlichen begünstigen (Purper-Ouakil, Michel, Mouren-Siméoni 2002). In diesem Kontext spielen außerdem auch familiäre Faktoren, wie mangelnde 30 emotionale Zuwendung, Fürsorge und Unterstützung seitens der Eltern, unzureichende oder feindselige intrafamiliäre Kommunikation, Ablehnung oder Vernachlässigung eine wesentliche Rolle (Ihle et al. 2012). Dabei ist bis dato weitgehend unklar, ob diese familiären Faktoren primär Auslöser affektiver Störungen sind oder eher aufrechterhaltend wirken. Vermutlich stellen sie sowohl prädisponierend ungünstige Faktoren in der emotionalen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen dar und wirken sich gleichzeitig auch störungsaufrechterhaltend aus. Eingeschränkte Erziehungskompetenzen und pathologische intrafamiliäre Interaktionsmuster, wie geringe elterliche Kontrolle, fehlende bzw. inkonsistente Grenzsetzung oder mangelnde Responsivität und Wärme in der Eltern-KindBeziehung scheinen die Aufrechterhaltung expansiver Störungen zu begünstigen (Döpfner & Steinhausen 2010). Eine typische Folge sowohl affektiver als auch expansiver Symptomatik von Kindern und Jugendlichen stellt die soziale Ablehnung durch Gleichaltrige dar. Soziale Zurückweisung und Isolation tragen außerdem zur Chronifizierung internalisierender und expansiver Störungen bei. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass psychosoziale Faktoren, in der Mehrzahl der Fälle, das Ausmaß und den Verlauf der internalisierenden und externalisierenden Symptomatik beeinflussen und die Entwicklung komorbider Störungen, bei Personen mit entsprechender neurobiologischer Diathese, begünstigen. Kritische Lebensereignisse und dysfunktionale Bewältigungsmuster Psychosoziale Stressfaktoren und „kritische Lebensereignisse“, wie beispielsweise die Trennung der Eltern oder der Verlust nahestehender Bezugspersonen, chronische Krankheiten innerhalb der Familie, Arbeitslosigkeit etc., können das Familiensystem nachhaltig destabilisieren und psychische Erkrankungen der Eltern sowie der Kinder begünstigen. Chronische intrafamiliäre Belastungen tragen auch häufig zur Schwächung der Erziehungskompetenzen der Eltern bei. Zweifelsohne spielen kritische Lebensereignisse und andere familiäre bzw. soziale Belastungsfaktoren in der Genese von Depressionen eine Rolle (Seiffge-Krenke 2007). Allerdings scheinen die Auswirkungen kritischer Lebensereignisse und psychosozialer Stressoren nicht nur spezifisch im Rahmen der Depressionsgenese nachweisbar zu sein, sondern lassen sich auch bei anderen psychischen Störungen beobachten. Zimmermann, Brückl, Lieb, Nocon, Ising, Beesdo & Wittchen (2008) konnten in einer Studie außerdem Hinweise darauf finden, dass kritische Lebensereignisse nur bei einer gleichzeitig 31 bestehenden Vulnerabilität, z.B. in Form eines erkrankten Elternteils, mit einem erhöhten Risiko für Depressionen einhergehen. In Ergänzung zu Lebensereignissen den oben scheinen beschriebenen auch Stressoren dysfunktionale und Copingstrategien, kritischen wie die Problemleugnung oder die Vermeidung einer aktiven Problembewältigung, assoziiert zu sein mit Depressionen (Seiffge-Krenke 2007). Dysfunktionale Copingstrategien lassen sich jedoch auch im Zusammenhang mit anderen Störungen nachweisen. Winkler-Metzke und Steinhausen (2002) untersuchten beispielsweise in einer Studie mit mehr als 1000 Schülern die Bewältigungsstrategien Jugendlicher. Sie fanden, übereinstimmend mit anderen Forschungsergebnissen heraus, dass aktive Bewältigungsstrategien u.a. assoziiert waren mit positivem Selbstwert, erlebter elterlicher Wärme und Effektivität des sozialen Netzwerks. Problemvermeidende Copingstrategien standen hingegen in Zusammenhang mit Internalisierung, Externalisierung und elterlicher Ablehnung. Dysfunktionale Kognitionen und gestörte sozial-kognitive Informationsverarbeitung Dysfunktionale kognitive Schemata, im Sinne von negativen, rigiden Grundannahmen und Bewertungsmustern, sowie ungünstige globale Kausalattributionen, stellen, neben selektiven negativen Informationsverarbeitungsprozessen, Risikofaktoren für die Entwicklung einer depressiven Störung im Kindes- und Jugendalter dar (Ihle et al. 2012). Negativ-verzerrte Wahrnehmungsmuster und negative Selbst-Schemata tragen maßgeblich zur Ausbildung - und durch negative Feedbackschleifen - auch zur Aufrechterhaltung von depressiven Störungen und Selbstwertstörungen bei (Hautzinger 2010; Evans, Heron, Lewis, Araya, Wolke 2005). Wiederholte negative Selbstbewertungen und Selbstzweifel begünstigen Insuffizienzgefühle und bestätigen die implizit antizipierte unzureichende Selbstwirksamkeit und Kontrolle von Ereignissen. Perseverierende Selbstzweifel wiederum tragen zur Schwächung des Selbstwertes und Verstärkung von Stimmungsproblemen bei. Weitere typische kognitive Verzerrungen stellen Übergeneralisierung, katastrophisierendes Denken, willkürliches Schlussfolgern oder Schwarz-Weiß-Denken dar. Das Denken depressiver Menschen ist allerdings nicht nur charakterisiert durch generalisierte negative Denkmuster, sondern laut Hautzinger (2010) auch gekennzeichnet durch Undifferenziertheit, Inflexibilität und Irreversibilität des Denkens, in Form von perseverierenden (hoch automatisierten) Kognitionen. 32 Eine Störung der sozial-kognitiven Informationsverarbeitung lässt sich jedoch nicht nur im Kontext von Depressionen feststellen. Vor allem in der Genese von impulsivaggressiven Verhaltensstörungen stellt die Fehlwahrnehmung von Situationen, in Verbindung mit situativen Fehlinterpretationen (anderen Personen gegenüber werden beispielsweise feindselige Intentionen unterstellt), einen wesentlichen Prädiktor dar (Lösel, Bliesener, Bender 2007). Vor dem Hintergrund bedeutsamer Defizite im Bereich der Aufmerksamkeits- und Affektregulation können ebenfalls situative Fehlinterpretationen und impulsiv-unüberlegte Reaktionen resultieren, die jedoch in der Regel aus der Nichtbeachtung wichtiger situativer Hinweisreize resultieren. Gestörte Emotionsregulation Eine gestörte Emotionsregulation stellt diagnoseübergreifend, sowohl ein häufiges Symptom verschiedener psychiatrischer Störungsbilder, als auch einen Risikofaktor für die Entwicklung psychischer Erkrankungen dar. So werden beispielsweise affektive Störungen, ADHS, Störungen des Sozialverhaltens, emotional-instabile Persönlichkeitsstörungen oder Essstörungen, neben vielen anderen, in Verbindung gebracht mit einer gestörten Emotionsregulation (Böker & Petermann 2012; Harrison, Sullivan, Tchanturia & Treasure 2009; Shaw, Stringaris, Nigg & Leibenluft 2014; Cavanagh, Quinn, Duncan, Graham & Balbuena 2013; Koglin, Petermann, Jaščenoka, Petermann & Kullik 2013). Aktuell ist das Interesse an der Erforschung emotionaler Fehlregulationen im Kontext verschiedener psychischer Erkrankungen, wie eingangs geschildert, sehr groß. Einige Forschungsgruppen gehen davon aus, dass die gemeinsame Grundlage verschiedener psychischer Störungen u.a. eine gestörte Emotionswahrnehmung und Emotionsregulation bildet und empfehlen daher eine transdiagnostische therapeutische Vorgehensweise anstelle störungsspezifischer Behandlungsansätze (Ehrenreich, Goldstein, Wright & Barlow 2009; Chu 2012; Queen, Barlow, EhrenreichMay 2014). Einen solchen transdiagnostischen Ansatz zur Behandlung emotionaler Störungen in der Adoleszenz haben beispielsweise Ehrenreich et al. (2009) mit dem „Unified Protocol for the Treatment of Emotional Disorders in Adolescence“ vorgeschlagen. 33 Ungünstige Lernprozesse Nahezu alle psychischen Störungen des Kindes- und Jugendalters werden durch ungünstige Verstärkerprozesse mitbedingt, modelliert oder aufrechterhalten. Ungünstige Vorbilder, wie beispielsweise eine antriebsarme, ängstlich-vermeidende Mutter oder ein impulsiv-aggressiver Vater, führen über den Prozess des Modelllernens zur Nachahmung dysfunktionaler Verhaltensweisen oder Übernahme negativ verzerrter Meinungen und Einstellungen. Dies führt auf der Makroebene langfristig zu einer transgenerationalen Weitergabe pathologischer Verhaltens-, Denkund Beziehungsmuster. So können beispielsweise resignative oder angstbesetzte Kognitionen genauso familiär tradiert werden, wie negativ-verzerrte situative Bewertungen oder aggressiv-dominante Konfliktlösestrategien. Die VerstärkerVerlust-Hypothese von Lewinsohn postuliert im Kontext ungünstiger Lernprozesse, dass eine geringe Rate relevanter positiver Verstärker seitens des sozialen Umfelds, wie z.B. Lob, Ankerkennung oder emotionale Zuwendung, zur Begünstigung einer depressiven Symptomatik beiträgt. Das depressive Verhalten resultiert folglich als Reaktion auf die geringe Verstärkerrate. Die depressive Symptomatik kann wiederum zu vermehrter sozialer Ablehnung führen und dadurch depressive Muster und Selbstwertprobleme verstärken. Auch die Theorie der erlernten Hilflosigkeit von Seligman postuliert ungünstige Lernprozesse als mögliche Ursache depressiver Störungen. Werden persönlich relevante Ereignisse wiederholt subjektiv als unkontrollierbar oder nicht veränderbar erlebt, resultiert der Theorie nach eine „erlernte Hilflosigkeit“, die zu Passivität, Verzweiflung und Resignation führt und langfristig zur Generalisierung der Hilflosigkeitserwartung beiträgt. Dies begünstigt wiederum im weiteren Verlauf die Manifestation einer Depression. Maladaptive Lernprozesse spielen, wie eingangs beschrieben, in der Genese diverser psychischer Störungen eine Rolle und stellen häufig einen zentralen störungsaufrechterhaltenden Faktor dar. Ein sozial phobischer Jugendlicher hat beispielsweise durch negative Verstärkung gelernt, sich Anforderungen und angstauslösenden sozialen Situationen durch Vermeidungsverhalten zu entziehen. Ein depressiver Jugendlicher könnte durch ungünstige Kontingenzen gelernt haben, vermehrt Aufmerksamkeit zu erhalten, wenn er weint oder selbstverletzendes Verhalten zeigt. Umgekehrt kann selbstverletzendes Verhalten u.a. auch persistieren, weil der Jugendliche dadurch seine 34 innere Anspannung reduzieren oder unangenehme Gefühle damit regulieren kann. Ungünstige Lernprozesse führen unter Umständen auch zur Verstärkung expansiver Verhaltensauffälligkeiten. Ein Jugendlicher, der beispielsweise gelernt hat, sich durch dominantes Verhalten besser durchzusetzen gegenüber Eltern oder Peers, wird in der Folge – im Sinne positiver Verstärkerprozesse – gehäuft dominant-aggressive Verhaltensweisen einsetzen. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass im Rahmen der Entwicklung dysfunktionaler Verhaltensweisen viele Verstärkerprozesse parallel ablaufen, die häufig komplex ineinander greifen und sich ggf. gegenseitig begünstigen. Deshalb sind im Rahmen der psychotherapeutischen Behandlung eine individuelle Mikro- sowie Makroanalyse dysfunktionaler Verhaltensweisen sowie die Entwicklung eines individuellen Störungsmodells mit der Familie unabdingbar. Die Erarbeitung eines individuellen Störungsmodells, unter Berücksichtigung symptomauslösender und symptomaufrechterhaltender Prozesse, bildet zudem die Basis einer differenzierten Therapieplanung. 2 Ansätze zur Prävention und Behandlung von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen im Jugendalter 2.1 Ansätze zur Prävention und Behandlung von Selbstwertstörungen Die Behandlung von Selbstwertstörungen stellt diagnose- und methodenübergreifend eine wesentliche Komponente in der psychotherapeutischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen dar. verhaltenstherapeutischen Im Rahmen Behandlung von der störungsspezifischen Depressionen werden ab dem Jugendalter beispielsweise gezielt kognitiv-behaviorale Methoden zur Veränderung ungünstiger Selbstbewertungen und zur Förderung einer realistischen, positiven Selbstwahrnehmung eingesetzt. ressourcenaktivierende Zudem Interventionen beinhalten zur einige Förderung Therapiemanuale einer positiven Selbstwahrnehmung und zur Stärkung des Selbstwerts. Auch im Kontext der verhaltenstherapeutischen Behandlung von z.B. sozialen Phobien, Essstörungen, ADHS und anderen psychischen Erkrankungen, werden, eingebettet in ein multimodales Behandlungskonzept, negative Selbstbewertungen korrigiert und ein möglichst differenziertes und realistisches Bild der eigenen Person etabliert. Im Folgenden werden zunächst präventive Ansätze und im weiteren Verlauf spezifische Ansätze zur Behandlung von Selbstwertstörungen vorgestellt. 35 Präventive Ansätze In den letzten Jahren wurden im internationalen Raum einige Selbsthilfeprogramme zur Stärkung des Selbstwerts entwickelt. Die schottischen Gesundheitszentren „National Health Service (NHS) Greater Glasgow & Clyde“ („Boosting your selfesteem“ Gilroy 2004) und „NHS Dumfries & Galloway“ („Self-esteem – A self help guide“) haben Selbsthilfeprogramme entwickelt, die - im Sinne eines präventiven Ansatzes - beispielsweise positives Denken und aktive Selbstfürsorge fördern und ungünstige Vergleichsprozesse verringern sollen (z.B. „fight the inner critic“). Zu diesen NHS-Präventionsprogrammen wurden bis dato keine Evaluationsstudien publiziert, so dass nicht beurteilbar ist, wie effektiv diese Selbsthilfeprogramme sind. In England wurde von Melanie Fennell (2006, 2009, 2011) ebenfalls ein Selbsthilfeprogramm für Erwachsene, auf der Basis kognitiv-behavioraler Techniken, entwickelt. Das Programm besteht insgesamt aus drei Teilen und beinhaltet u.a. psychoedukative Elemente zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Selbstwertstörungen, kognitive Interventionen zur Identifizierung sowie Korrektur selbstkritischer Gedanken und Interventionen zur Förderung der Selbstakzeptanz und positiver Erlebnisse. Obwohl das Programm für Erwachsene mit geringem Selbstwert konzipiert wurde, ist es durchaus auch in der Adoleszenz anwendbar. Ein weiterer präventiver Ansatz zur Stärkung des Selbstwerts und Förderung der Zufriedenheit mit dem eigenen Körper, ist beispielsweise das in Australien entwickelte „Girls on the go!“ Programm (Tirlea, Truby, Haines 2013). Das Gruppenprogramm für bis zu zehn Teilnehmerinnen besteht aus zehn Sitzungen unterschiedlicher Dauer (16 Stunden), die neben Interventionen zur gesunden Lebensführung u.a. auch Strategien zur Förderung der Selbstsicherheit, sportliche Aktivitäten und Maßnahmen zum Stressmanagement (Yoga) beinhalten. Die ersten Pilotstudien weisen auf positive Effekte des Programms hin. Die Ausprägung des globalen Selbstwertes, der Selbstwirksamkeit und der Zufriedenheit mit dem eigenen Körper stieg im Verlauf des Trainings signifikant an (Tirlea et al. 2013). Weitere Evaluationsstudien stehen noch aus. „Youth Empowerment Programme“ verfolgen unter anderem das Ziel, soziale Kompetenzen, kommunikative Fertigkeiten und das soziale Engagement junger Menschen zu fördern und somit zur Steigerung des Erlebens von Selbstwirksamkeit („self-efficacy“) und zur Stärkung des globalen Selbstwerts von Jugendlichen beizutragen. Morton und Montgomery (2011) haben in einer systematischen 36 Übersichtsarbeit die Wirksamkeit von Youth Empowerment Programmen untersucht, die Interventionen zur Stärkung des Selbstwerts und der Selbstwirksamkeit beinhalten. Die Autoren konnten in ihrer Meta-Analyse, in der aufgrund der rigorosen Einschlusskriterien allerdings nur wenige Studien eingeschlossen wurden, keinen signifikanten Interventionseffekt in Bezug auf den globalen Selbstwert oder die Selbstwirksamkeit feststellen. Weitere Studien, auf der Grundlage eines randomisierten Kontrollgruppen-Designs, sind notwendig, um die Wirksamkeit von Youth Empowerment Programmen differenzierter beurteilen zu können. Im anglo-amerikanischen Raum wurden in den letzten Jahrzehnten auch diverse, meist schulbasierte Programme, zur Prävention von affektiven Störungen und Selbstwertproblemen entwickelt. O’Mara, Green und Marsh (2006) untersuchten in einer Meta-Analyse, in die 105 Studien inkludiert wurden, die Wirksamkeit schulbasierter Programme in Bezug auf spezifische Selbstwertdimensionen. Sie ermittelten insgesamt mittlere Effekte (d = 0.51), die auf eine moderate Wirksamkeit schulbasierter Programme, bezogen auf die Verbesserung des Selbstwertes, schließen lassen. Die Autoren schlussfolgern, in Anlehnung an die Befunde, darüber hinaus, dass Interventionen zur Stärkung des Selbstwerts im schulischen Setting effektiver sind, d.h. mit höheren Effektstärken einhergehen, wenn spezifische Selbstwertdomänen Ziel der Interventionen sind. Ansätze zur Behandlung von Selbstwertstörungen Obwohl weitgehend Konsens darüber besteht, dass die Förderung des Selbstwertes von Kindern und Jugendlichen, verhaltenstherapeutischen deutschsprachigen im Kontext Behandlungssettings, Raum bis dato eines sinnvoll kein ist, umfassenden existiert im verhaltenstherapeutisches Behandlungsmanual, das primär das Ziel verfolgt, Selbstwertstörungen von Jugendlichen zu behandeln. Dies liegt mitunter daran, dass ein Großteil der verhaltenstherapeutischen Behandlungsansätze, zum gegenwärtigen Zeitpunkt, störungsspezifischer Art ist. International wurden hingegen einzelne, wenn auch wenige, Therapieprogramme zur spezifischen Behandlung von Selbstwertstörungen entwickelt, wie das „Improving Self-esteem“ Programm (Lim, Saulsman, Nathan 2005). Das Programm besteht aus neun kognitiv-behavioralen Modulen, die neben psychoedukativen Elementen zur Entstehung 37 und Aufrechterhaltung von Selbstwertstörungen u.a. auch Interventionen zur Identifizierung und Korrektur negativer Selbstbewertungen sowie zur Förderung der Selbstakzeptanz enthalten. Das kürzlich publizierte Programm „Discover“ (Sclare, Michelson, Malpass, Coster & Brown 2015) stellt beispielsweise einen innovativen kognitiv-behavioralen Ansatz zur Behandlung von Ängsten, Depressionen und damit einhergehenden Selbstwertproblemen von Jugendlichen im Alter von 16 bis 18 Jahren dar. Die Ergebnisse einer Pilotstudie, an der 31 Jugendliche teilnahmen, zeigen erste Hinweise auf die potentielle Wirksamkeit des Programms. Die Jugendlichen, die im Rahmen des Programms „Discover“ einen eintägigen verhaltenstherapeutischen Intensiv- Workshop absolvierten, berichteten von einer Verringerung der Angst- und der depressiven Symptomatik sowie von einer Steigerung des Selbstwertes. Die Weiterentwicklung des Programms steht noch aus. Im Zuge der „dritten Welle“ der kognitiven Verhaltenstherapie werden in der therapeutischen Arbeit mit Erwachsenen zunehmend auch Verfahren zur Förderung der inneren Achtsamkeit, Selbstfürsorge und Selbstakzeptanz fokussiert. Zu den bekanntesten Ansätzen im Erwachsenenalter zählen die „achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie der Depression“ (Segal, Williams, Teasdale 2008) oder die „Akzeptanz- und Commitment-Therapie“ (Hayes, Strosahl & Wilson 2004; Ciarrochi & Bailey 2010). Achtsamkeitsbasierte Verfahren wurden in den letzten Jahren auch für die Therapie von Jugendlichen adaptiert, wie beispielsweise im Kontext der „dialektisch-behavioralen Therapie für Jugendliche DBT-A“ (Fleischhaker et al. 2011). Die Wirksamkeit kognitiv-behavioraler Interventionen zur Stärkung des Selbstwertes depressiver Jugendlicher im Alter von 13 bis 18 Jahren wurde in einem Review von Taylor & Montgomery (2007) untersucht. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass kognitiv-behaviorale Interventionen potentiell eine effektive Behandlungsmethode zur Steigerung des globalen und schulleistungsbezogenen Selbstwertes darstellen könnten. Unmittelbar nach Abschluss der Therapie konnten zwar keine signifikanten Verbesserungen in Bezug auf den Selbstwert erreicht werden, in der Follow-up-Phase wurde jedoch eine weitere Verbesserung des Selbstwerts festgestellt, die allerdings auch nicht signifikant war. Die Autoren schließen aus den Befunden, dass die Entwicklung eines positiven Selbstwertes Zeit benötigt und eher im Langzeitverlauf zu erwarten ist. 38 Transdiagnostische Ansätze Transdiagnostische (störungsübergreifende) kognitiv-behaviorale Behandlungs- ansätze, wie das „Affect Regulation Training“ (Berking & Lukas 2015), das „Unified Protocol for the Treatment of Emotional Disorders in Youth“ (Ehrenreich, Goldstein, Wright & Barlow 2009) oder das kognitiv-behaviorale Gruppenprogramm „Emotion Detectives“ (Ehrenreich-May & Bilek 2012), gewinnen - im Gegenzug zu störungsspezifischen Ansätzen - in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung. Transdiagnostische Interventionen stellen, der Studienlage zufolge, einen vielversprechenden Ansatz zur Behandlung emotionaler Störungen im Jugendalter dar (Ehrenreich et al. 2009; Sullivan, Keller, Paternostro & Friedberg 2015). Waite, McManus & Shafran (2012) untersuchten in einer Studie mit 22 Patienten erstmals die Effekte transdiagnostischer kognitiver Verhaltenstherapie auf den Selbstwert im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Die Basis der 10-stündigen Therapie bildete das transdiagnostische kognitiv-behaviorale Therapieprogramm von Fennell (2006, 2009) zur Behandlung von Selbstwertstörungen. Die Autoren konnten zeigen, dass die Patienten der kognitiv-behavioralen Interventionsgruppe eine signifikant bessere Beurteilung des Selbstwertes und signifikant weniger psychiatrische Diagnosen aufwiesen, als die Patienten der Wartelisten-Kontrollgruppe. Die Befunde sind bei der kleinen Stichprobengröße nicht sehr aussagefähig und bedürfen weiterer Replikationen an größeren Stichproben, um die Hypothese der potentiellen Effektivität transdiagnostischer Interventionen stärken könnten. Zusammenfassend weisen die Befunde der Effektivitätsstudien auf eine potentielle Wirksamkeit kognitiv-behavioraler Ansätze zur Prävention und Behandlung von Selbstwertstörungen hin. Weitere Studien, an größeren Stichproben, mit längeren Follow-up-Phasen, sind notwendig, um auch die Langzeiteffekte kognitiv-behavioraler Interventionen auf den Selbstwert zu untersuchen. Die Wirksamkeit schulbasierter Programme zur Förderung des Selbstwerts und Stärkung von Jugendlichen konnte bis dato noch nicht hinreichend belegt werden. 2.2 Ansätze zur Prävention und Behandlung von Aktivitäts- und Affektstörungen In diesem Abschnitt werden ausschließlich für den im Kontext dieser Forschungsarbeit relevante Ansätze zur Behandlung von Störungen, die mit verminderter Aktivität resp. 39 gesteigerter Aktivität (Hyperaktivität) im Rahmen von affektiven (Depressionen, Manien) einhergehen, beschrieben. Dabei werden Störungen zunächst präventive Ansätze vorgestellt und daran anschließend Behandlungsansätze, die spezifisch das Jugendalter fokussieren. Präventionsprogramme „Gesundheit und Optimismus GO: Trainingsprogramm für Jugendliche“ (Junge, Neumer, Manz & Margraf 2002) Ein Programm zur primären Prävention von Depressionen und Angst im Jugendalter stellt das Trainingsprogramm „Gesundheit und Optimismus GO: Trainingsprogramm für Jugendliche“ (Junge et al. 2002) dar. Das GO-Programm wurde als Gruppenprogramm, für die Altersgruppe der 14- bis 18-jährigen Jugendlichen, entwickelt. Es richtet sich dabei an Jugendliche und alle Personengruppen, die mit Jugendlichen arbeiten. Ziel des Programms ist die Prävention von depressiven Erkrankungen und Angststörungen in der Adoleszenz. Basis des Programms bildet eine Psychoedukation über Auslöser und aufrechterhaltende Bedingungen von Affektstörungen, ergänzt durch therapeutische Prinzipien zur Bewältigung von depressiven Stimmungen und Phobien (spezifische resp. soziale Phobie). So werden beispielsweise Strategien gegen Denkfallen, Übungen zur Selbstsicherheit oder Methoden zur Stressreduktion vorgestellt, verknüpft mit einem Wissens-Quiz zur Wiederholung des Lernstoffs und Hausaufgaben zur Festigung der erlernten Strategien. Das Programm GO besteht aus acht Gruppensitzungen á 90 Minuten und umfasst die Bausteine: 1. Einführung (Kennenlernen, Vermittlung der vier Komponenten von Stress) 2. Denken, Fühlen, Handeln (Stressexperiment, Erläuterung des Wechselspiels von Gedanken, Gefühlen, Körper und Verhalten) 3. Angst I (Psychoedukation zum Thema Angst) 4. Angst II (Informationsvermittlung über Aufrechterhaltung, Vorbeugung und Bewältigung von Angst, Strategien gegen Denkfallen) 5. Depression (Aufrechterhaltung, Vorbeugung, Bewältigung depressiver Stimmung) 6. Selbstsicherheit (Übungen zur Selbstsicherheit) 7. Stressbewältigung (Strategien der Stressbewältigung und des systematischen Problemlösens, Entspannung) 8. Zusammenfassung und Abschluss (Wiederholung der vermittelten Techniken) 40 Die Wirksamkeit des Präventions-Programms GO wurde an einer Stichprobe von 612 Gymnasialschülern untersucht. Insgesamt konnte ein signifikanter Rückgang der depressiven und ängstlichen Symptomatik festgestellt werden, allerdings sowohl in der Versuchs- als auch in der Kontrollgruppe. Ein systematischer Trainingseffekt in der Behandlungsgruppe konnte somit nicht belegt werden. Die Autoren berichten weiterhin, dass unangemessene Kognitionen, wie dysfunktionale Einstellungen oder Katastrophengedanken, in der Behandlungsgruppe abnahmen, und dass ein messbarer Anstieg sozialer Kompetenzen zu verzeichnen war (Junge, Neumer, Manz, Margraf 2002). „Trainingsprogramm zur Prävention von Depressionen bei Jugendlichen – Lars & Lisa“ (Pössel, Horn, Seemann & Hautzinger 2004) Ein universelles Programm zur Prävention von Depressionen in der Adoleszenz stellt das „Trainingsprogramm zur Prävention von Depressionen bei Jugendlichen – Lars & Lisa“ (Pössel et al. 2004) dar. Das Gruppenprogramm zielt auf die Altersgruppe 12bis 18-jähriger Jugendlicher ab und wird in zehn aufeinanderfolgenden Wochen (eine Schuldoppelstunde à 90 min. pro Woche) im schulischen Setting durchgeführt. Die Bausteine des Präventionsprogramms sind: 1. Erkennen des Zusammenhangs zwischen Kognitionen, Emotionen und Verhalten 2. Exploration und Veränderung dysfunktionaler Kognitionen 3. Formulierung persönlicher Ziele 4. Training sozialer Kompetenzen 5. Selbstsicherheitstraining Die Doppelstunden beginnen mit der Wiederholung bereits vermittelter Informationen, in Form einer Besprechung der Ergebnisse des Wissenstests der vorhergehenden Stunde. Anschließend stellt der Trainer das Thema und die Ziele der aktuellen Stunde vor. Daran anknüpfend finden Szenenspiele, beispielsweise zum Training selbstsicheren Verhaltens, mit den Schülern statt und es wird abschließend ein Bezug zum Alltag der Jugendlichen hergestellt. Das Herstellen des Praxisbezuges ist aus Sicht der Autoren von besonderer Relevanz, um den Transfer der vermittelten Trainingsinhalte in den Alltag des Jugendlichen zu gewährleisten. Ein ebenfalls wiederkehrendes Element der Trainingsstunden ist die Feedbackrunde zum Abschluss 41 der Stunde sowie der schriftliche Wissenstest, bezogen auf die Themeninhalte der aktuellen Doppelstunde. Um die Wirksamkeit des Therapieprogramms zu überprüfen, wurden mehrere Evaluationsstudien im randomisierten Kontrollgruppendesign durchgeführt (Pössel, Horn & Hautzinger 2003; Pössel, Horn, Groen & Hautzinger 2004; Pössel, Baldus, Horn, Groen & Hautzinger 2005). Die Ergebnisse zeigen u.a. eine signifikante Abnahme der Depressionswerte in der Gruppe der Jugendlichen mit subklinischer Symptomatik von der Prämessung zum 6-Monats-Follow-up (Effektstärke 0.42). Eine Zunahme depressiver Symptome der nicht depressiven Jugendlichen in der Trainingsgruppe konnte über einen Zeitraum von sechs Monaten verhindert werden, was laut Autoren auf einen präventiven Effekt des Programms hinweist. Des Weiteren scheinen die Jugendlichen mit niedriger Selbstwirksamkeitserwartung besonders vom Programm profitiert zu haben. Sie profitierten mehr als Jugendliche mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung (Pössel et al. 2005) Im anglo-amerikanischen Raum wurde eine Vielzahl weiterer Programme zur Prävention von Depressionen im Jugendalter entwickelt. Einige der Programme für das Erwachsenenalter wurden in Meta-Analysen systematisch in Hinblick auf ihre Wirksamkeit zur Prävention von Depressionen untersucht (Cuijpers et al. 2008; JanéLlopis et al. 2003). Auch die Wirksamkeit von Programmen zur Prävention von Depressionen im Jugendalter wurde in den letzten Jahren systematisch überprüft (Sheffield, Spence, Rapee, Kowalenko, Wignall, Davis & McLoone 2006; Horowitz & Garber 2006; Merry & Spence 2007; Spence & Shortt 2007; Brunwasser, Gillham & Kim 2009; Carnevale 2013; Calear & Christensen 2010). Sheffield et al. (2006) untersuchten die Wirksamkeit universeller, indizierter und kombinierter universeller und indizierter kognitiv-behavioraler Programme zur Prävention von Depressionen in der Adoleszenz. Dabei konnten sie in Bezug auf die Reduktion der depressiven Symptomatik keine signifikanten Unterschiede zwischen den Interventionsgruppen und der Kontrollgruppe feststellen. Bei allen Probanden mit hoher Symptomausprägung zeigte sich – unabhängig von der Intervention – ein signifikanter Rückgang der Symptomatik. Des Weiteren fanden die Autoren keinen signifikanten Interventionseffekt im Vergleich der universellen Behandlung und der NichtBehandlung (Kontrollgruppe). 42 Die systematischen Reviews von Passon, Gerber & Schröer-Günther (2011) und Calear & Christensen (2010) befasst sich mit der Wirksamkeit schulbasierter Präventions- und Interventionsansätze für depressive Jugendliche. Calear & Christensen (2010) ermittelten in Bezug auf die universellen Programme zur Prävention von Depressionen im Kindes- und Jugendalter nur in neun von 23 Studien eine signifikante Reduktion der depressiven Symptomatik im Post-Test (d = 0.30 – 1.40), während in 14 Studien keine Reduktion der depressiven Symptomatik festgestellt werden konnte (d = -0.54 bis 0.49). Bezogen auf die Wirksamkeit indizierter Programme fanden die Autoren in sechs von zehn einbezogenen Studien einen signifikanten Wirksamkeitsunterschied zwischen der Interventions- und der Kontrollgruppe zum Post-Messzeitpunkt (d = 0.25 – 1.35), während vier Studien keine signifikanten Gruppenunterschiede zum Post-Messzeitpunkt fanden (d = 0.05 – 0.16). Zusammenfassend kann bis dato, aufgrund der sehr heterogenen Studienlage, nicht eindeutig nachgewiesen werden, welche Wirkfaktoren zur Prävention depressiver Störungen in der Adoleszenz beitragen. Viele Programme tragen zu einer Symptomreduktion bzw. zur Verhinderung der Entwicklung einer depressiven Störung bei, wobei die Studienlage insgesamt überwiegend auf eine moderate Wirksamkeit schulbasierter Programme zur Prävention von Depressionen im Jugendalter hinweist. Die wichtigsten Befunde zur Wirksamkeit präventiver Programme von Calear & Christensen (2010), unter Berücksichtigung der Meta-Analyse von Brunwasser, Gillham & Kim (2009), werden zur besseren Veranschaulichung in Tabelle 5 dargestellt. In der folgenden Übersicht wurden nur Programme berücksichtigt, die auf die primäre und sekundäre Prävention depressiver Symptomatik im Jugendalter zielen. 43 Tabelle 5: Programme zur primären und sekundären Prävention von Depressionen im Jugendalter Programm Beschreibung des Evaluation Post-Test Programms Effektstärken Problem Solving for Life (PSFL) Schulbasierte Prävention von Depression im Jugendalter. Methoden u.a.: kognitive Umstrukturierung, Förderung von Problemlösefähigkeiten. Spence, Sheffield & Donovan (2003) 0.04 Spence, Sheffield, Donovan (2005) 0.36 Coping with Stress Course (CWSC) Adaptation des Coping with Depression Course (CWD-A). Fokus auf kognitive Methoden der CBT. Horowitz, Garber, Ciesla, Young & Mufson (2007) 0.40 Resourceful Adolescent Program (RAP) Schulbasiertes Präventionsprogramm für 12- bis 15-Jährige. Prävention von Depression im Jugendalter. Ziele: Förderung von Resilienz, Verbesserung der Copingstrategien and Aktivierung persönlicher Ressourcen. Shochet & Ham (2004) nicht berechenbar aufgrund fehlender Angaben zur Effektstärkeberechnung Interpersonal Psychotherapy Adolescent Skills Training (IPT-AST) Adaptation der Interpersonellen Therapie für Jugendliche (IPT-A). Gruppenbasiertes, selektives Präventionsprogramm für Jugendliche mit erhöhten Depressionswerten. Ziele: Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen und kommunikativer Fertigkeiten. Horowitz, Garber, Ciesla, Young & Mufson (2007) 0.31 Young, Mufson, Davies (2006) 1.35 Penn Resiliency Program (PRP) Schulbasiertes präventives Gruppenprogramm basierend auf kognitiv-behavioralen Techniken. Ziele u.a.: Förderung sozialer Problemlösekompetenzen, Umgang mit schwierigen Emotionen. Brunwasser, Gillham & Kim (2009) Meta-Analyse -0.61 bis 0.59 Penn Optimism Program (POP) Schulbasiertes primär-präventives Gruppenprogramm für Kinder und Jugendliche. Ziele: Vermittlung eines optimistischen Denkstils und adäquater Coping-Skills. Yu & Seligman (2002) 0.25 Adolescent Coping with Emotions (ACE) Indiziertes, schulbasiertes Programm zur Reduktion depressiver Symptomatik und Prävention depressiver Störungen. Ziele: Stärkung von adaptiven CopingStrategien und Resilienz unter Nutzung kognitiv-behavioraler und interpersoneller Techniken. Sheffield, Spence, Rapee, Kowalenko, Wignall, Davis & McLoone (2006) 0.16 Teaching kids to cope (TKC) Psychoedukative, kognitivbehaviorale Gruppen-intervention zur Erweiterung des Copingrepertoires von Jugendlichen mit depressiver Symptomatik/Suizidgedanken Puskar, Sereika & Tusaie-Mumford (2003) 0.48 44 Interventionsansätze „Kognitive Verhaltenstherapie bei Depressionen im Kindes- und Jugendalter“ (Abel & Hautzinger 2013) Das Therapiemanual „Kognitive Verhaltenstherapie bei Depressionen im Kindes- und Jugendalter“ (Abel & Hautzinger 2013) wurde auf der Basis des gut evaluierten „Coping with Depression Course - Adolescents“ (CDW-A) von Clarke, Lewinsohn & Hops (1990) entwickelt. Das Programm stellt eines der wenigen deutschsprachigen Therapiemanuale dar, das spezifisch die Behandlung depressiver Symptomatik im Jugendalter (ca. 13 bis 18 Jahre) fokussiert und welches Eltern, im Sinne eines multimodalen Ansatzes, aktiv in den therapeutischen Prozess integriert. Das Manual kann sowohl im Einzel- als auch im Gruppensetting durchgeführt werden. Die Autoren weisen explizit darauf hin, dass auch der Einsatz im stationären kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlungssetting möglich ist und dass sich die Anwendung im stationären Setting bewährt hat. Konzeptionell besteht das Manual aus 15 Sitzungen mit dem Jugendlichen sowie zwei Sitzungen mit dem Jugendlichen und den Eltern gemeinsam. Ergänzend finden drei psychoedukative Sitzungen zum angemessenen Umgang von Eltern (oder anderen Bezugspersonen) mit depressiven Jugendlichen statt. Die Dauer der einzelnen Sitzungen beträgt zwischen 90 und 120 Minuten. Das Ablaufschema der Sitzungen besteht üblicherweise aus der Wiederholung des Themas der letzten Therapiestunde, der Besprechung der Therapiehausaufgaben, der Bearbeitung des Hauptthemas der Stunde (incl. Psychoedukation) sowie praktischen Übungen. Vertiefend werden regelmäßig Therapiehausaufgaben aufgegeben. Das Therapieprogramm beinhaltet die folgenden sechs Module: 1. Psychoedukation (Sitzung 1 bis 3) 2. Positive Aktivierung (Sitzung 4) 3. Kognitive Therapie (Sitzung 5 bis 10) 4. Soziale Fertigkeiten (Sitzung 11 bis 14) 5. Zukunft und Notfallplan (Abschluss-Sitzung) 6. Psychoedukation der Eltern und ggf. anderer Bezugspersonen (3 Sitzungen) 45 Die Module bauen inhaltlich aufeinander auf und haben sich in dieser Abfolge, aus Sicht der Autoren, als effektiv erwiesen. Es ist jedoch auch möglich, die einzelnen Module in individualisierter Form durchzuführen. Eine Kombination der Übungen mit Elementen der Interpersonellen Therapie (Mufson, Dorta, Moreau & Weissman 2004) kann, laut Empfehlung der Autoren, durchaus sinnvoll sein. Das Therapiemanual wurde an einer Stichprobe von 30 Jugendlichen, die eine depressive Symptomatik aufwiesen, evaluiert. Die depressive Symptomatik wurde zu Beginn und nach Abschluss der Behandlung erhoben. Zudem fand eine Follow-up Messung (sechs Monate nach Behandlungsabschluss) statt. Zusammenfassend weisen die Ergebnisse der Evaluationsstudie auf eine signifikante Reduktion der depressiven Symptomatik im Zeitverlauf hin – sowohl im Eigen- als auch im Fremdurteil. Es konnte auch eine signifikante Reduktion negativer Kognitionen nach Abschluss der Therapie verzeichnet werden. Zudem wurde u. a. eine signifikante Reduktion des sozialen Rückzugs und der sozialen Probleme erzielt. Die Zufriedenheit der Patienten mit der Behandlung kann als hoch eingeschätzt werden. „Kognitive Verhaltenstherapie bei depressiven Kindern und Jugendlichen“ (Harrington 2001) Das Therapieprogramm „Kognitive Verhaltenstherapie bei depressiven Kindern und Jugendlichen“ (Harrington 2001) stellt ebenfalls einen verhaltenstherapeutischen Ansatz zur Behandlung depressiver Störungen im Kindes- und Jugendalter dar. Es besteht aus den folgenden acht (jeweils 40-minütigen) Übungseinheiten: 1. Erkennen von Emotionen 2. Selbstbeobachtung 3. Selbstverstärkung und Aktivitätsaufbau 4. Kommunikation und interpersonale Fertigkeiten 5. Soziales Problemlösen 6. Kognitive Umstrukturierung I 7. Kognitive Umstrukturierung II 8. Rückschauende Bewertung der Behandlung Die Übungseinheiten sind gegliedert in die Besprechung der Hausaufgaben, eine Einführung in das Thema der Sitzung und die Bearbeitung themenspezifischer Aufgaben. Das Programm wurde von Vostanis, Feehan, Grattan und Bickerton 46 (1996a) evaluiert. An der Evaluationsstudie (randomisiertes Kontrollgruppen-Design) nahmen 57 Kinder im Alter von acht bis 17 Jahren teil, die die Diagnose Depression nach DSM-III-R erfüllten. In beiden Behandlungsgruppen zeigten sich einerseits eine deutliche Verringerung der Depressions- und Angstsymptomatik und andererseits eine Verbesserung des Selbstwertgefühls und der Alltagsbewältigung. Signifikante gruppenspezifische Unterschiede konnten hingegen nicht gefunden werden. „Stimmungsprobleme bewältigen“ (Ihle & Herrle 2011a; Ihle & Herrle 2011b) Ein weiteres Programm zur Behandlung und Rückfallprophylaxe depressiver Störungen im Jugend- und jungen Erwachsenenalter stellt das kognitiv- verhaltenstherapeutische Gruppenprogramm „Stimmungsprobleme bewältigen“ (Ihle & Herrle 2011a; Ihle & Herrle 2011b) dar. Bei diesem Gruppenprogramm handelt es sich – wie beim Therapiemanual von Abel & Hautzinger (2013) – um eine deutsche Adaptation des „Adolescent Coping with Depression Course“ (CWD-A) von Clarke, Lewinsohn und Hops (1990a). Die deutsche Kurzversion des CWD-A besteht aus 10 zweistündigen Sitzungen, die zweimal wöchentlich stattfinden. Das Programm richtet sich an depressive und subklinisch depressive Jugendliche und junge Erwachsene. Die Sitzungen sind einheitlich strukturiert. Einleitend findet zu Beginn jeder Sitzung ein Quiz, das sich auf die Inhalte der letzten Sitzung bezieht, statt. Anschließend werden die Therapiehausaufgaben besprochen sowie Schwierigkeiten in der Umsetzung der Hausaufgaben thematisiert. Im weiteren Verlauf der Therapiestunde steht die Vermittlung des spezifischen Themas der jeweiligen Sitzung im Vordergrund. Inhalte des Therapieprogramms sind unter anderem: Psychoedukation zu Depressionen Selbstbeobachtung, Protokollierung angenehmer Aktivitäten Entspannung (Einführung in die Progressive Muskelrelaxation) Erstellen eines Selbstmodifikationsplans Steigerung angenehmer Aktivitäten, Erläuterung des kognitiven Modells Analyse negativer Gedanken, Förderung von konstruktivem Denken Selbstsicheres Auftreten und Kommunikation Konfliktbewältigung Entwicklung eines Präventionsplans 47 Evaluiert wurde das Therapiemanual in einer Pilotstudie mit 24 Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die die Diagnose „Major Depression“ oder „leichte depressive Episode“ aufwiesen (Ihle, Jahnke, Spieß & Herrle 2002). Die Autoren berichten u. a. von einer signifikanten Reduktion der depressiven Symptomatik und des Ausmaßes irrationalen Denkens. Es zeigte sich auch eine Zunahme der optimistischen Lebensorientierung und positiver Aktivitäten. Zusammenfassend kommen die Autoren zu dem Schluss, dass das Gruppenprogramm sowohl zur indizierten Prävention bei subklinisch ausgeprägter depressiver Symptomatik, als auch zur Behandlung resp. Rückfallprophylaxe depressiver Störungen im Jugend- und jungen Erwachsenenalter, geeignet ist. „Therapie-Tools Depression im Kindes- und Jugendalter“ (Groen & Petermann 2015) Die „Therapie-Tools“ beinhalten störungsspezifische Materialien für die Psychotherapie resp. Beratung von traurigen, zurückgezogenen und depressiven Kindern bzw. Jugendlichen, sowie deren Familien. In Ergänzung zu kognitivverhaltenstherapeutisch orientierten Interventionen werden auch hypnotherapeutisch, gestalttherapeutisch und systemisch fokussierte Materialien, mit entsprechenden praktischen Übungen, vorgestellt. Schwerpunkte stellen unter anderem die Förderung der Behandlungsmotivation, die Aktivierung von Ressourcen sowie der adäquate Umgang mit Gefühlen, Stimmungen, Kognitionen und Bewertungen dar. Ergänzend beinhalten die Therapie-Tools auch Materialien zur Aktivitätssteigerung und zur Verbesserung sozialer Beziehungen resp. sozialer Kompetenzen. Es existieren auch Tools zur Behandlung von Suizidalität und Krisen und zur Arbeit mit den primären Bezugspersonen. „Depression im Jugendalter: MICHI - Manual für die Gruppentherapie“ (Spröber, Straub, Fegert & Kölch 2012) „MICHI“ verfolgt einen kognitiv-behavioralen, gruppentherapeutischen Ansatz zur Behandlung von Depressionen im Jugendalter. In insgesamt fünf Sitzungen und einer Auffrischsitzung werden den Jugendlichen u. a. Informationen über Depressionen, Strategien zur Aktivitätssteigerung und Methoden zur kognitiven Umstrukturierung vermittelt. Des Weiteren beinhaltet das Manual ein Problemlösetraining und Informationen im Umgang mit Krisen, Suizidalität und selbstverletzendem Verhalten. Das Manual enthält auch Methoden zur Ressourcen- und Selbstwertstärkung. 48 „Interpersonelle Psychotherapie für Jugendliche“ (Interpersonal Psychotherapy for Adolescents IPT-A) (Mufson & Sills 2006) Die „Interpersonelle Psychotherapie für Jugendliche“ (IPT-A) stellt eine Adaptation der „Interpersonellen Therapie“ (IPT) dar. Die Interventionen wurden – in Anlehnung an die bewährten und gut evaluierten Methoden der IPT – für die Behandlung depressiver Jugendlicher modifiziert. Trainingsprogramm dar. Die Die IPT-A stellt Behandlung ein strukturiertes, erstreckt sich manualisiertes über ca. 12 Behandlungsstunden und kann bei Bedarf auf bis zu 20 Stunden erweitert werden. Im Rahmen der IPT-A nimmt die Psychoedukation des Jugendlichen einen wichtigen Stellenwert ein. Der Jugendliche übernimmt eine aktive Rolle in der Therapie und die Eltern werden, insbesondere in der ersten Therapiephase, relativ intensiv in den therapeutischen Prozess involviert. Die therapeutischen Strategien zielen primär darauf, aktive Problemlösestrategien mit den Jugendlichen zu entwickeln, ihre Autonomiebestrebungen bzw. ihren Individuationsprozess zu unterstützen und eine adäquate zwischenmenschliche Beziehungsgestaltung zu fördern (Mufson & Sills 2006). Weitere Therapieschwerpunkte sind der Umgang mit Verlusten (durch Trennungen, Tod, Scheidung o. ä.) und mit sozialem Gruppendruck, die Klärung von Eltern-Kind-Konflikten oder die Gestaltung von Partnerschaften. Die IPT-A ist in drei Phasen gegliedert. In der ersten Phase findet die Psychoedukation über die Entwicklung von Depressionen und Möglichkeiten der Behandlung statt. In der zweiten Phase stehen die Selbstbeobachtung und Identifikation zugrundeliegender Affekte, sowie die Förderung interpersoneller sozialer Fertigkeiten, im Vordergrund der Therapie. Die dritte Phase bildet die Abschlussphase, in der Methoden der Rückfallprävention implementiert werden. Die Wirksamkeit der IPT-A in Bezug auf die Reduktion depressiver Symptomatik von Jugendlichen konnte in mehreren Studien belegt werden (Mufson, Dorta, Wickramaratne, Nomura, Olfson & Weissman 2004). Entsprechend den GLAD-PC-II Leitlinien (Guidelines for Adolescent Depression in Primary Care) stellt die IPT-A, neben der kognitiv-behavioralen Therapie, die psychotherapeutische Behandlung der Wahl bei leichten bis mittelgradig schweren Depressionen im Jugendalter dar (Cheung et al. 2007). 49 Internet-basierte Programme zur Prävention und Intervention bei depressiven Störungen im Jugendalter Neben der Vielzahl an Präventions- und Interventionsprogrammen gibt es mittlerweile auch eine wachsende Zahl internet-basierter Programme zur Prävention und Intervention bei affektiven Störungen im Jugendalter. Das „Youth Mood Project“ (Calear, Christensen, Mackinnon, Griffiths & O’Kearney 2009) stellt beispielsweise ein solches kognitiv-behaviorales Online-Programm zur Behandlung von Stimmungsproblemen im Jugendalter dar. Calear & Christensen (2010) schließen in einem Review über internet-basierte Programme zur Prävention und Behandlung von Ängsten und Depressionen im Kindes- und Jugendalter darauf, dass es sich um vielversprechende Ansätze zur Reduktion von ängstlichen und depressiven Symptomen handelt, die jedoch weiterer systematischer Untersuchungen in Bezug auf zugrunde liegende Wirkmechanismen bedürfen. Evaluiert wurden von den Autoren drei kognitiv-behaviorale Programme zur Prävention und Reduktion von depressiven Symptomen im Kindes- und Jugendalter: „Project CATCH-IT“ (http://catchit-public.bsd.uchicago.edu) „MoodGym“ (http://www.moodgym.anu.edu.au) „Grip op je dip online“ (Master your mood online) (http://www.gripopjedip.nl) Calear & Christensen (2010) ermittelten sehr geringe bis sehr hohe Effektstärken (0.11 - 1.49) für die o. g. Programme. Weitere Evaluationsstudien sind aus Sicht der Autoren notwendig, um die differentiellen Effekte internet-basierter Behandlungs-Programme besser nachvollziehen zu können. Ein anderes internet-basiertes, kognitiv-behaviorales Programm zur Behandlung von depressiven Störungen im Jugendalter stellt SPARX (Smart, Positive, Active, Realistic, X-factor thoughts) dar (Merry, Stasiak, Shepherd, Framptom, Fleming & Lucassen 2012). SPARX wurde von Merry et al. (2012) in einer randomisierten MulticenterStudie (in Neuseeland) an 187 Jugendlichen, im Alter von 12 – 19 Jahren, evaluiert. Unter anderem berichten die Autoren, dass die Remissionsraten in der SPARXTreatmentgruppe signifikant höher (n=31, 43.7%) als in der Treatment-as-usualGruppe (n=19, 26.4%) (95% Konfidenzintervall: 1.6% - 31.8%; p = .03) waren. Die Autoren schließen, unter Einbeziehung sämtlicher Ergebnisse der Studie, darauf, dass 50 SPARX eine potentielle Alternative zur klassischen kognitiv-behavioralen Behandlung depressiver Jugendlicher darstellen könnte. Fasst man den aktuellen Forschungsstand in Bezug auf effektive Methoden zur Behandlung depressiver Störungen im Jugendalter zusammen, wird deutlich, dass sich, neben der medikamentösen Behandlung mit selektiven Serotonin- wiederaufnahmehemmern (SSRI’S), in erster Linie psychotherapeutische und psychosoziale Interventionen etabliert haben. Die Behandlungseffekte von SSRI’s bei depressiven Kindern und Jugendlichen sind jedoch moderat, im Vergleich zu den Effekten, die beispielsweise bei der Behandlung von Ängsten im Kindes- und Jugendalter erzielt werden. Verschiedene Meta-Analysen weisen insbesondere auf die Effektivität von Fluoxetin im Kindes- und Jugendalter hin (Usala, Clavenna, Zuddas & Bonati 2008; Tsapakis, Soldani, Tondo & Baldessarini 2008). Psychotherapeutische Interventionen haben sich, im Vergleich zur AntidepressivaBehandlung, in einem kürzlich publizierten Review als gleichermaßen wirksam erwiesen (Cox, Callahan, Churchill, Hunot, Merry, Parker & Hetrick 2014). Sowohl für die „Kognitiv-behaviorale Therapie“ als auch für die „Interpersonelle Therapie IPT-A“ (Mufson et al. 2004) konnte die Wirksamkeit, bezogen auf die Reduktion depressiver Symptomatik im Jugendalter, belegt werden, wie verschiedene Studien und MetaAnalysen zeigen (Michael & Crowley 2002; Mufson et al. 2004; Weisz et al. 2006; Klein et al. 2007; Watanabe 2007; David-Ferdon & Kaslow 2008). Die kognitiv-behaviorale Therapie gilt nach heutigem Kenntnisstand als evidenzbasiertes Verfahren zur Behandlung depressiver Störungen im Kindes- und Jugendalter (David-Ferdon & Kaslow 2008). Die Wirksamkeit kognitiv-behavioraler Interventionen konnte auch in der Behandlung diverser anderer internaler und externaler Störungsbilder im Jugendalter in vielen Studien belegt werden (David-Ferdon & Kaslow 2008; Klein et al. 2007; Asarnow et al. 2005; Reynolds et al. 2012; Hofmann et al. 2012, Lau & Pile 2015). Während ältere Meta-Analysen aus den 1990-er Jahren, die die Wirksamkeit kognitiv-behavioraler Interventionen in der Behandlung depressiver Kinder und Jugendlicher untersuchten, hohe Effektstärken um 1.0 ermittelt haben, weisen neuere, methodologisch bessere Studien, eher auf moderate Effekte zwischen 0.30 und 0.50 hin (Weisz et al. 2006; Klein et al. 2007, Watanabe et al. 2007). Weisz et al. (2006) konnten in ihrer Meta-Analyse zudem keine signifikante Überlegenheit kognitiver Interventionen gegenüber nicht-kognitiven Methoden feststellen. 51 Die „Treatment for Adolescents with Depression Study“ (TADS) ist eine bedeutsame Multicenter-Studie aus den USA, die Hinweise darauf liefert, dass die Kombinationsbehandlung von Fluoxetin und kognitiver Verhaltenstherapie signifikant stärker zur Reduktion depressiver Symptomatik und suizidaler Tendenzen von Jugendlichen beigeträgt, als eine verhaltenstherapeutische Monotherapie oder eine Placebobehandlung (TADS Team 2004). Des Weiteren zeigte sich, dass die FluoxetinMonotherapie der verhaltenstherapeutischen Behandlung und dem PlaceboTreatment im Kurzzeitverlauf signifikant überlegen war (TADS Team 2004). Im naturalistischen 12-Monats-Follow-up, welches sich der Behandlung (nach 36 Wochen) anschloss, ließen sich hingegen keine signifikanten Unterschiede der Treatmentgruppen mehr feststellen, d.h. die Überlegenheit der Kombinationsbehandlung und der medikamentösen Therapie gegenüber der verhaltenstherapeutischen Behandlung konnte im Langzeitverlauf nicht mehr nachgewiesen werden (TADS Team 2009). Das TADS-Team (2009) schließt u. a. aus den Ergebnissen, dass unter der Kombinationsbehandlung früher, d.h. bereits nach 18 Behandlungswochen, der maximale Behandlungserfolg erzielt wird, als unter der Fluoxetinbehandlung (maximaler Behandlungserfolg in der 30. Behandlungswoche) oder der verhaltenstherapeutischen Monotherapie (maximaler Behandlungserfolg in der 36. Behandlungswoche). Als Fazit kann gezogen werden, dass die Kombinationsbehandlung vermutlich kurzfristig am schnellsten zur Reduktion depressiver Symptomatik im Jugendalter beiträgt, jedoch im Langzeitverlauf nicht signifikant mehr zur Remission beiträgt als eine kognitiv-behaviorale Therapie. In einer kürzlich publizierten Meta-Analyse, auf der Basis von elf Studien mit insgesamt 1307 Probanden, konnten Cox und Kollegen (2014) allerdings nicht bestätigen, dass eine pharmakologische Behandlung depressiver Störungen im Kindes- und Jugendalter der psychotherapeutischen Behandlung überlegen ist. Auch konnte nicht belegt werden, dass eine Kombinationstherapie (Medikation und Psychotherapie) wirksamer ist als eine medikamentöse Monotherapie bzw. eine psychotherapeutische Behandlung alleine. Weiterführende randomisierte Kontrollgruppen-Studien sind daher notwendig, um diese relevante Forschungsfrage endgültig zu klären. 52 Behandlungsansätze bei manischen und bipolaren Störungen im Jugendalter Neben psychoedukativen Elementen und psychotherapeutischen Methoden zur Stimmungsstabilisierung stellt die pharmakologische Behandlung einen wesentlichen Teil des multimodalen Behandlungskonzeptes manischer resp. bipolarer Störungen dar (Leigh, Smith, Milavic & Stringaris 2012). Für das Kindes- und Jugendalter wurden bis dato keine spezifischen verhaltenstherapeutischen Manuale zur Behandlung manischer oder bipolarer Störungen publiziert. Es existieren bis jetzt auch keine evidenz-basierten Behandlungsempfehlungen für kurze manische Episoden im Kindes- und Jugendalter (Mikita & Stringaris 2013). Die verhaltenstherapeutische Behandlung basiert primär auf kognitiv-behavioralen Methoden zur Unterbrechung repetitiver Gedanken, Methoden der Impulskontrolle und Strategien zur Emotionsregulation. Die therapeutischen Interventionen zielen des Weiteren auf die Etablierung funktionaler Kognitionen und adaptiver Copingstrategien sowie die Wiederherstellung des prämorbiden Funktionsniveaus. Ein wesentlicher Bestandteil der Therapie besteht außerdem in der Prophylaxe von Rückfällen (vgl. Szentagotai & David 2010). Bei der pharmakologischen Therapie werden bevorzugt Lithium, Valproinsäure und Carbamazepin eingesetzt, d.h. Medikamente die, neben der Reduktion manischer Symptome, vor allem der Phasenprophylaxe dienen. Auch Neuroleptika, wie Risperidon oder Olanzapin, finden zum Teil im Kindes- und Jugendalter Anwendung (Aichhorn, Stuppäck, Kralovec, Yazdi, Aichhorn & Hausmann 2007). 53 3 Grundlagen des Therapieprogramms SELBST Während die Mehrzahl der Therapiemanuale störungsspezifische Interventionen für verschiedene psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter nach ICD-10 oder DSM-5 beinhalten, liegt dem Therapieprogramm SELBST (Walter, Rademacher, Schürmann & Döpfner 2007) konzeptionell keine störungsspezifische Sichtweise zugrunde, sondern vielmehr eine diagnoseübergreifende Unterteilung in typische, häufig auftretende Problembereiche von Jugendlichen. Die BehandlungsmanualReihe SELBST trägt damit dem Umstand Rechnung, dass in der Adoleszenz oft klinische und subklinische Symptome aus verschiedenen Störungsbereichen vorliegen, die sich nicht immer eindeutig einer spezifischen kategorialen Diagnose nach den gängigen Klassifikationssystemen von ICD-10 und DSM-5 zuordnen lassen. Das wiederum hat, den klinischen Erfahrungen gemäß, zur Folge, dass sich bestimmte Mischbilder psychischer Störungen nicht immer effektiv durch störungsspezifische Interventionen behandeln lassen. Dieser Missstand hat maßbeglich zur Konzeption des störungsübergreifenden Behandlungsprogramms SELBST beigetragen. Ein anderer wichtiger Grund für die Entwicklung eines neuen Behandlungsmanuals war, dass zwar viele kindzentrierte Interventionen für eine große Bandbreite psychologischer und psychiatrischer Auffälligkeiten existieren, aber nur wenige jugendzentrierte Interventionen in manualisierter Form, die dem spezifischen psychosozialen und fortgeschrittenen kognitiven Entwicklungsstand von Jugendlichen sowie explizit deren alterstypischen Problembereichen Rechnung tragen. SELBST ist ein modular aufgebautes, kognitiv-behaviorales Therapieprogramm für Jugendliche zur Behandlung von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen, resp. Leistungs- und Beziehungsproblemen. Das Therapierational beruht auf der Grundlage des Selbstmanagement-Ansatzes von Kanfer, Reinecker und Schmelzer (2000, 2012). Da Beziehungsprobleme sowohl den familiären Kontext, als auch den Gleichaltrigenbereich betreffen können, wurden zwei separate Module entwickelt, eines zur Behandlung von Familienproblemen und ein weiteres Modul zur Behandlung von Gleichaltrigenproblemen. Das Therapieprogramm SELBST wurde für Jugendliche im Alter von ca. 12 jugendlichenzentrierten, bis auch 18 Jahren eltern- und konzipiert und lehrerzentrierte integriert, neben Interventionen im Einzelsetting. Der Einsatz der Materialien im Gruppensetting ist ebenfalls möglich. Eine erste Evaluationsstudie im Rahmen einer Dissertation weist auf die potentielle Wirksamkeit der Therapiematerialien im Gruppenformat hin (Maiwald 2011). 54 Es zeigten sich Hinweise auf eine signifikante Verbesserung hinsichtlich der sozialen Kompetenzen und der Selbstwirksamkeitserwartungen sowie eine Reduktion der internalen Symptomatik. Den konzeptionellen Überlegungen folgend, lassen sich Schwierigkeiten und Probleme im Jugendalter einem oder mehreren der übergeordneten Problembereiche Familien-, Gleichaltrigen-, Leistungsprobleme oder Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme zuordnen (Walter et al. 2007). Die beschriebenen Probleme können, unabhängig von der Diagnose, bei verschiedenen Störungsbildern auftreten. So kann beispielsweise gleichermaßen ein depressiver Jugendlicher Selbstwert- und Beziehungsprobleme mit Gleichaltrigen aufweisen, als auch ein Jugendlicher mit ADHS oder mit einer manifesten Angststörung. Analog dazu lassen sich Kontaktaufnahmeprobleme zu Gleichaltrigen, in Verbindung mit intrafamiliären Konflikten, beispielsweise gleichermaßen bei einem Jugendlichen mit einer sozialen Phobie finden, wie bei einem Jugendlichen mit einer Störung des Sozialverhaltens. Insbesondere intrafamiliäre Konflikte und soziale Kompetenzdefizite, im Kontext der Kontaktgestaltung, Selbstbehauptung und Konfliktlösung mit Gleichaltrigen, stellen wesentliche Problembereiche in der Adoleszenz dar. SELBST ist dementsprechend ein diagnoseübergreifender Therapieansatz, der sich nicht an den üblichen Diagnosekategorien orientiert, sondern an den individuellen Problembereichen des Jugendlichen. Wie die Abbildung 2 zeigt, handelt es sich hierbei nicht um distinkt voneinander abgrenzbare Problembereiche, vielmehr ist von einer Überlappung verschiedener Problembereiche auszugehen, die einen wechselseitigen Einfluss auf die anderen Bereiche haben können. Abbildung 2: Der transdiagnostische Therapieansatz von SELBST 55 3.1 Der transdiagnostische, ressourcenorientierte, multimodale Behandlungsansatz des Therapieprogramms SELBST Wie bereits einleitend beschrieben, handelt es sich beim Therapieprogramm SELBST um einen multimodalen, transdiagnostischen Ansatz zur Behandlung von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen, resp. Familien-, Gleichaltrigen- und Leistungsproblemen. Die Eltern und ggf. andere wichtige Bezugspersonen, wie beispielsweise Erzieher, Lehrer oder Schulsozialarbeiter, werden – vor dem Hintergrund eines multimodalen Behandlungsansatzes – explizit in den therapeutischen Prozess mit eingebunden. Das Behandlungsprogramm SELBST ist problemfokussiert, d.h. es werden gemeinsam mit dem Jugendlichen und den Eltern konkrete Probleme aus den verschiedenen Problembereichen des Jugendlichen definiert und systematisch therapeutisch bearbeitet. Dabei werden mit dem Jugendlichen lösungsorientierte Bewältigungsstrategien für die zugrundeliegenden Probleme entwickelt, die im weiteren Therapieverlauf, in Form von praktischen Übungen, im Alltag erprobt werden sollen. Das Erproben verschiedener Problemlösestrategien sowie das Anwenden adaptiver Copingstrategien in verschiedenen Lebensbereichen des Jugendlichen ermöglicht die langfristige Verankerung neu erworbener Kompetenzen im realen Lebensumfeld des Jugendlichen. Das Therapiemanual SELBST fokussiert jedoch nicht nur die individuelle Problemlage des Jugendlichen und seiner Familie, sondern stellt primär einen ressourcenorientierten Behandlungsansatz dar. Da die Patienten und deren Familien in der Regel so belastet sind, dass sie potentielle Ressourcen und zugrundeliegende Kompetenzen oft nicht differenziert wahrnehmen resp. sinnvoll nutzen können, konzentriert sich das therapeutische Vorgehen in der ersten Therapiephase insbesondere auf die Fokussierung und (Re-)Aktivierung persönlicher Ressourcen des Jugendlichen. Dabei werden auch Ressourcen innerhalb der Familie bzw. innerhalb des sozialen Umfeldes des Patienten therapeutisch mit einbezogen und ggf. gestärkt. Zu den persönlichen Ressourcen des Jugendlichen und des sozialen Umfeldes zählen beispielsweise spezifische Interessen, Hobbies und Begabungen, eine von emotionalem Zuspruch geprägte Erziehungshaltung, eine vertrauensvolle Beziehungen zu Familienmitgliedern und Peers, stabile Freundschaften oder 56 materielle Ressourcen der Familie. Sofern nur unzureichende Ressourcen vorhanden sind und die Wahrnehmung der Familie sehr defizitorientiert ist, konzentriert sich das therapeutische Vorgehen zunächst auf den sukzessiven Aufbau von Kompetenzen und die Förderung von Selbstwirksamkeitserfahrungen in verschiedenen Lebensbereichen. Die defizitorientierte Wahrnehmung des Jugendlichen bzw. der Eltern wird schon in der Diagnostikphase auf positive Bereiche gelenkt und im weiteren Therapieverlauf, z.B. im Rahmen der kognitiven Umstrukturierung negativer Gedanken, therapeutisch hinterfragt und korrigiert. 3.2 Die sieben Behandlungsphasen des Therapieprogramms SELBST Die Stärkung der Behandlungsmotivation und das Erarbeiten eines multifaktoriellen Störungsmodells einerseits, sowie die gemeinsame Formulierung realistischer Therapieziele, die gezielte Förderung von Kompetenzen und der Transfer von Therapieeffekten in den Alltag des Patienten andererseits, stellen zentrale Aspekte des Behandlungsprogramms SELBST dar. Der Behandlungsablauf des SELBSTProgramms ist gegliedert in zwei Behandlungssegmente, die sogenannte „Problemund Zielanalyse“ mit den Phasen 1 bis 4 und „Intervention und Verlaufskontrolle“ mit den Phasen 5 bis 7. Abbildung 3: Die sieben Behandlungsphasen des Therapieprogramms SELBST (Walter et al. 2007, S. 11) (vertikale Ebene) 57 Die sieben Behandlungsphasen werden üblicherweise in der Reihenfolge, wie in Abbildung 2 dargestellt, durchlaufen. Aufgrund der rekursiven Konzeptualisierung der Behandlungsphasen ist es jedoch auch möglich, bei Bedarf, zu bereits durchlaufenen Phasen zurückzukehren, diese zu vertiefen oder zu wiederholen. Vor allem in der Phase der Zwischenevaluation, d.h. im Rahmen der Überprüfung erreichter Therapieziele (Phase 6), kann es mitunter essentiell sein, auf Informationen vorhergehender Phasen (z.B. Phase 4) zurückzugreifen und diese ggf. zu ergänzen oder zu korrigieren (z.B. durch die Korrektur von Zielen bzw. das Postulieren neuer Ziele). 3.2.1 Phase 1: Screening der Eingangsbeschwerden, Beziehungsaufbau, Informationsvermittlung über den Ablauf der Behandlung Die primären Ziele der ersten Therapiephase sind das Herausarbeiten des Vorstellungsanlasses aus der Perspektive des Jugendlichen und der Eltern, sowie der Aufbau einer vertrauensvollen, tragfähigen Beziehung zum Jugendlichen und den Bezugspersonen. Zentrale Aspekte der Phase 1 stellen zudem die Stärkung der Behandlungsmotivation und die Förderung der Bereitschaft zur Kooperation des Jugendlichen und ggf. relevanter Bezugspersonen dar. Persönliche Erwartungen in Bezug auf die Therapie werden aus der Perspektive aller Beteiligten exploriert und bereits unternommene Lösungsversuche für die zugrundeliegende Problematik erörtert. Des Weiteren werden ausführliche Informationen über den Ablauf der Behandlung vermittelt, eine Prognose über den zu erwartenden therapeutischen Nutzen der Interventionen gegeben und alternative Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt. 3.2.2 Phase 2: Multimodale Diagnostik: Erfassung individueller Probleme und Kompetenzen sowie Belastungen und Ressourcen des Umfeldes In Phase 2 findet eine differenzierte, multimodale, psychologische Eingangsdiagnostik statt. In diesem Zusammenhang werden Informationen über die zugrundeliegende Problematik resp. Symptomentwicklung des Jugendlichen aus der Perspektive des Jugendlichen, der Eltern und ggf. anderer relevanter Personen (z.B. des Lehrers) erhoben. Um einer defizitorientierten Exploration der Problematik entgegenzuwirken, werden, neben der Erfassung der individuellen Probleme und Belastungen des Jugendlichen bzw. der Familie, auch sehr detailliert die persönlichen Kompetenzen 58 und Ressourcen des Jugendlichen sowie potentielle Ressourcen innerhalb des persönlichen Umfeldes herausgearbeitet. Die Exploration erfolgt über ein eigens für das Behandlungsprogramm SELBST entwickeltes Explorationsschema (SELBST-EX), wobei der Jugendliche und die Eltern zu bestimmten Lebensbereichen getrennt befragt werden. Andere Bereiche werden nach Möglichkeit gemeinsam mit dem Jugendlichen und den Eltern exploriert. Die aus der Exploration gewonnenen Informationen des Jugendlichen und der Bezugspersonen werden ergänzt durch eine standardisierte psychologische Diagnostik. Um ein möglichst fundiertes klinisches Urteil bilden zu können, kommen neben Screening-Fragebögen (sogenannten Breitbandverfahren) und störungsspezifischen Checklisten bzw. Fragebögen, die nach Möglichkeit im Selbstund Fremdurteil erhoben werden, auch familiendiagnostische Verfahren, sowie bei Bedarf eine mehrdimensionale, standardisierte, kognitive Leistungsdiagnostik zum Einsatz. Auch die Anwendung hypothesengenerierender, (semi-)projektiver Verfahren (z.B. Satzergänzungstest, Family Relations Test) kann eine sinnvolle Ergänzung zu den standardisierten diagnostischen Verfahren darstellen. 3.2.3 Phase 3: Problemanalyse und Erarbeitung eines gemeinsamen Störungskonzeptes In Phase 3 wird, auf der Grundlage der in Phase 1 und 2 erhobenen Informationen, ein gemeinsames Störungsmodell entwickelt und eine individuelle Problemanalyse durchgeführt. Zunächst werden mit dem Jugendlichen alleine mögliche erklärende Faktoren für die individuelle Problematik erarbeitet. Im nächsten Schritt wird auch mit den Eltern ein subjektives Störungskonzept erarbeitet, das die Entwicklung der Problematik des Jugendlichen, aus Sicht der Eltern, erklärt. Der Therapeut erarbeitet ebenfalls, unter Einbeziehung der eigen- und familienanamnestischen Informationen (Makroanalyse), ein Störungsmodell in Bezug auf die Entstehung der Problematik des Patienten. Auf der Basis des Störungskonzeptes des Jugendlichen, der Eltern und des Therapeuten wird ein gemeinsames Erklärungsmodell generiert, das auslösende und aufrechterhaltende Bedingungen für das Problemverhalten sowie daraus resultierende Konsequenzen – aus der Perspektive aller am Therapieprozess Beteiligten – enthält. Die verhaltenstherapeutische Problemanalyse (Micro-Analyse) dient des Weiteren der Verdeutlichung, dass bestimmte „kritische“ Situationen, typische Reaktionen des 59 Jugendlichen auf emotionaler, physiologischer resp. kognitiver Ebene auslösen und problematische Verhaltensweisen verursachen. Neben dem Herausarbeiten von auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren für das individuelle Problemverhalten ist ein weiterer Schwerpunkt in Phase 3, die kurz- und langfristigen Konsequenzen des problematischen Verhaltens und die jeweiligen Vor- und Nachteile dieses Verhaltens herauszuarbeiten. 3.2.4 Phase 4: Zielanalyse und Definition von Behandlungszielen, Stärkung der Änderungsmotivation, Interventionsplanung In Phase 4 werden die konkreten Therapieziele aus Sicht des Jugendlichen und der Bezugspersonen herausgearbeitet. Dabei wird auch analysiert, welche positiven und negativen Konsequenzen eine Verhaltensänderung nach sich ziehen würde. Der Therapeut sollte darauf achten, dass die Ziele realisierbar sind und dass nicht zu viele Ziele auf einmal formuliert werden. Insbesondere sollte er berücksichtigen, dass keine Ziele postuliert werden, die ausschließlich auf Wunsch der Eltern oder anderer Bezugspersonen bearbeitet werden sollen, vom Jugendlichen aber nicht mit getragen werden. Nachdem - im gegenseitigen Einvernehmen - die Therapieziele definiert worden sind, werden die Ziele in möglichst konkrete, realistisch erreichbare Teilziele untergliedert. Dieses Vorgehen dient der Stärkung der Änderungsmotivation und gleichzeitig der Erhöhung der Behandlungs-Compliance. Im Anschluss an die Definition der Behandlungsziele werden, unter Berücksichtigung der explorierten Problembereiche des Jugendlichen, die Interventionen seitens des Therapeuten geplant und ein detaillierter, individualisierter Behandlungsplan aufgestellt. 3.2.5 Phase 5: Durchführung der Interventionen In der Phase 5 findet die Umsetzung der in Phase 4 geplanten kognitivverhaltenstherapeutischen Interventionen statt. In Orientierung an die Interventionsbereiche von SELBST (Selbstwert-, Aktivitäts- und Affekt-, Leistungs-, Gleichaltrigen- oder Familienprobleme) werden, entsprechend der definierten Therapieziele, indizierte Interventionen aus den einzelnen Modulen ausgewählt und durchgeführt. Um die Auswahl geeigneter Interventionen zu erleichtern, wurde pro Modul eine Checkliste zur Indikationsbestimmung entwickelt, die bei Bedarf eingesetzt werden kann. 60 Zur Stabilisierung der Behandlungseffekte, vor allem aber zum Transfer neu erworbener Kompetenzen in den Alltag des Jugendlichen, werden in der Regel wöchentlich Therapiehausaufgaben („Jobs der Woche“) aufgegeben, die in der folgenden Therapiestunde nachbesprochen und ggf. modifiziert werden. Auf diese Weise werden sukzessive neue Verhaltensweisen eingeübt und langfristig im realen Lebensumfeld des Jugendlichen verankert. 3.2.6 Phase 6: Zwischenevaluation in Bezug auf das Erreichen der Therapieziele Es wird empfohlen, mehrmals im Therapieverlauf eine Zwischenevaluation in Bezug auf die erzielten Therapiefortschritte und potentiell bestehende oder zu erwartende Barrieren während der Behandlung durchzuführen. Mit allen am Therapieprozess beteiligten Personen wird erörtert, inwieweit die definierten Therapieziele erreicht worden sind. Sofern sich die Ziele hinreichend umsetzen ließen, werden bei Bedarf neue Ziele definiert. Können zum Zeitpunkt der Zwischenevaluation keine Verhaltensänderungen verzeichnet werden, sollten im Rahmen einer Misserfolgsanalyse potentielle Gründe dafür herausgearbeitet werden. Ein Grund für das Nichterreichen von Zielen könnte sein, dass die Ziele aufgrund einer chronifizierten Symptomatik zu schwer zu realisieren sind oder dass die Behandlungsmotivation des Jugendlichen zu gering ist. Es ist aber auch denkbar, dass spezifische aufrechterhaltende Faktoren nicht ausreichend vom Therapeuten berücksichtigt worden sind oder dass die Interventionen für den Patienten oder die Familie nicht nachvollziehbar erläutert worden sind und der Jugendliche deshalb mit Widerstand reagiert. Sofern alle vereinbarten Therapieziele realisiert werden konnten, schließt sich mit Phase 7 die Stabilisierungsphase in Bezug auf die Behandlungseffekte an. Konnten die Ziele nicht hinreichend erreicht werden, werden, entsprechend dem Vorgehen in Phase 4, neue Ziele formuliert. 3.2.7 Phase 7: Stabilisierung der Behandlungseffekte und Rückfallprävention Phase 7 bildet die Abschluss-Phase der Therapie. Im Vordergrund der letzten Behandlungsphase steht die weitere Stabilisierung der erreichten Behandlungserfolge. Dies erfolgt durch den Transfer der neu erworbenen Kompetenzen und Verhaltensweisen in den individuellen Lebenskontext des 61 Jugendlichen. Mit dem Jugendlichen und den Bezugspersonen wird im Rahmen der Rückfallprophylaxe erarbeitet, welche potentiellen Risikosituationen zu erwarten sind und wie eine adäquate Reaktion auf ein erneutes Auftreten problematischer Verhaltensweisen aussehen würde. In diesem Kontext sollte insbesondere thematisiert werden, auf welche therapeutischen Strategien der Jugendliche idealerweise zurückgreifen könnte, um einen Rückfall in alte Verhaltensmuster zu verhindern. Auch sollte unbedingt erörtert werden, welche Personen im Falle des erneuten Auftretens der Symptomatik oder Problematik zu Rat gezogen werden könnten. Es wird außerdem möglichst präzise definiert, unter welchen Umständen eine Wiedervorstellung beim Therapeuten sinnvoll ist. Die Therapietermine werden, bei ausreichendem Behandlungserfolg, sukzessive ausgeschlichen, um zu überprüfen, ob die Therapieeffekte auch ohne hochfrequente Therapiesitzungen stabil bleiben. Unter der Prämisse, dass die Verhaltensveränderungen auch bei niederfrequenter psychotherapeutischer Behandlung stabil bleiben, empfiehlt es sich, beispielsweise über einen Zeitraum von einem halben Jahr mehrere Auffrischsitzungen, sogenannte „Booster-Sessions“, einzusetzen, um das in der Therapie erworbene Wissen und die neu erworbenen Kompetenzen aufzufrischen oder ggf. zu reaktivieren. Bleiben die Therapieerfolge über einen Zeitraum von mindestens einem halben Jahr stabil, kann die Therapie, in gegenseitigem Einvernehmen, beendet werden. 3.3 Die Behandlungsmodule SELBST Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme, SELBST Leistungsprobleme, SELBST Familienprobleme und SELBST Gleichaltrigenprobleme Das Therapieprogramm SELBST ist modular zusammengesetzt. Insgesamt wurden in der Arbeitsgruppe SELBST vier Module konzipiert, die im Folgenden kurz dargestellt werden. Die Grundlagen des Selbstmanagement-Ansatzes (Kanfer et al. 2000, 2012) und der Selbstmanagement-Therapie bei Jugendlichen sowie deren praktische Anwendung in der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Arbeit werden ausführlich im Band 1 von SELBST (Walter et al. 2007) dargestellt. In Ergänzung zum GrundlagenModul besteht das Programm, entsprechend der verschiedenen Interventionsbereiche, aus vier Behandlungsmodulen: SELBST Selbstwert-, Aktivitätsund Affektprobleme, SELBST Leistungsprobleme, SELBST Familienprobleme und SELBST Gleichaltrigenprobleme. 62 Das Modul SELBST Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme (Schreiter & Döpfner, in Vorb.) zielt u.a. auf den Aufbau eines positiven Selbstbildes, die Steigerung des Aktivitätsniveaus und der Genussfähigkeit, sowie die Stärkung der sozialen Kompetenzen im Umgang mit Gleichaltrigen. Das Modul wird in Kapitel 4 ausführlich dargestellt und zur Vermeidung von Redundanzen an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt. Das Modul SELBST Leistungsprobleme (Walter & Döpfner 2009) thematisiert die Behandlung von Lern- und Leistungsstörungen im Jugendalter und beinhaltet Interventionen zur Verbesserung des Leistungsvermögens in der Schule oder in der beruflichen Ausbildung. Neben der Vermittlung von effizienten Lernstrategien und Methoden zum gezielten Aufarbeiten versäumter Lerninhalte, mit dem Ziel der Kompensation schulischer Defizite, stehen u.a. die Förderung von Lernmotivation und die Steigerung der mündlichen Mitarbeit im Unterricht im Fokus der therapeutischen Arbeit. Im Modul SELBST Familienprobleme (Rademacher & Döpfner, in Vorb.) werden verschiedene Interventionen zur Verringerung von intrafamiliären Beziehungs- und Interaktionsstörungen zwischen Eltern und Jugendlichen vorgestellt und deren praktische Anwendung im familiären Alltag erläutert. Ziel ist u. a., die pathologischen intrafamiliären Interaktionsmuster und dysfunktionalen Kognitionen (z.B. feindselige Haltung des Jugendlichen gegenüber den Eltern, Katastrophengedanken der Eltern) in Bezug auf einzelne Familienmitglieder oder die gesamte Familie zu korrigieren. Ein weiteres wichtiges Ziel stellt die Verbesserung der familiären Beziehungsgestaltung dar, beispielsweise durch die Förderung einer altersangemessenen, an den Interessen und Bedürfnissen von Jugendlichen orientierten Freizeitgestaltung. Insbesondere bei kontaktausweichenden, sehr rückzügigen Jugendlichen sind die Stärkung der positiven Eltern-Jugendlichen-Beziehung und die Förderung altersangemessener Freizeitaktivitäten von besonderer Bedeutung. Weitere Interventionen stellen beispielsweise das Einüben adäquater, respektvoller Kommunikationsfertigkeiten innerhalb der Familie (Familien-Kommunikationstraining), die Korrektur dysfunktionaler Einstellungen gegenüber der Familie und die Stärkung familiärer Problemlösekompetenzen (Familien-Problemlöse-Training) dar. 63 Das Modul SELBST Gleichaltrigenprobleme (Dresbach & Döpfner, in Vorb.) fokussiert die Behandlung von Beziehungsstörungen zwischen Gleichaltrigen. Die Interventionen zielen u. a. auf die Korrektur negativ-verzerrter sozialer Informations- verarbeitungsprozesse von Jugendlichen. Dysfunktionale Grundannahmen in Bezug auf die eigene Person oder Peers werden verändert und durch realistische, der Situation angemessene Kognitionen ersetzt. Bei mangelnder Impulskontrolle und Schwierigkeiten im Bereich der Affektregulation kann optional ein Affekt- bzw. Impulskontroll-Training durchgeführt werden. Des Weiteren können durch das konkrete Einüben sozialer Fertigkeiten im Umgang mit Gleichaltrigen, in Rollenspielen und konkreten Situationen mit Peers, die sozialen Kompetenzen des Jugendlichen erweitert werden. Primäre Gleichaltrigenprobleme Ziele sind der die Interventionen Vermittlung des Moduls sozial SELBST kompetenter, aggressionsinkompatibler Strategien im Umgang mit Peers und die Förderung einer angemessenen Gestaltung von Freundschaften mit Gleichaltrigen. 64 4 Kognitiv-behaviorales Therapiemanual zur Behandlung von Selbstwert-, Aktivitäts-, Affekt-, Leistungs- und Beziehungsproblemen im Jugendalter: Modul SELBST Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme Das Behandlungs-Modul „SELBST Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme“, das in Phase 5 verankert ist, beinhaltet insgesamt sechs Therapiebausteine, die – je nach Indikation – individuell für jeden Patienten ausgewählt werden können. Entsprechend der Problematik des jeweiligen Jugendlichen können folglich einzelne Bausteine oder alle sechs Bausteine kombiniert werden. Die Auswahl und Reihenfolge der Anwendung der einzelnen Bausteine richtet sich nach der individuellen Symptomatik des Jugendlichen, unter Berücksichtigung der formulierten Therapieziele. Eine Kombination mit den Bausteinen der anderen Therapiemodule von SELBST ist möglich und ist in der Regel sehr sinnvoll. Um die Auswahl geeigneter Interventionen für den jeweiligen Patienten zu erleichtern und die Therapieplanung nach Interventionsschwerpunkten zu systematisieren, wurde ein Entscheidungsbaum entwickelt, der in der Abbildung 4 dargestellt ist. Ergänzend wurde für die Studie eine Checkliste zur Indikationsbestimmung für das Modul „SELBST Selbstwert-, Aktivitätsund Affektprobleme“ konzipiert, die in Kapitel 5 ausführlich beschrieben wird. Abbildung 4: Entscheidungsbaum mit Indikation und Therapiezielen des Moduls SELBST Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme 65 4.1 Die sechs Therapiebausteine des Moduls SELBST Selbstwert-, Aktivitätsund Affektprobleme (Phase 5: Interventionsphase) Der folgende Abschnitt befasst sich mit der Beschreibung der Inhalte der sechs Therapiebausteine und Darstellung der spezifischen Indikationen für die einzelnen Bausteine des Moduls „SELBST Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme.“ Dabei werden dezidiert die Zielsetzungen der verschiedenen Bausteine sowie der Therapieablauf, unter Berücksichtigung der jeweiligen Therapiematerialien und therapeutischen Hausaufgaben, erläutert. Des Weiteren werden exemplarisch potentielle Schwierigkeiten und mögliche Barrieren bei der Durchführung der einzelnen Interventionen erläutert. 4.1.1 Baustein 1: Aufbau von positivem Selbstbild Indikation: Der Therapiebaustein „Aufbau von positivem Selbstbild“ stellt einen zentralen Eckpfeiler des Therapiemoduls dar. Die Interventionen sind stark ressourcenfokussierend resp. ressourcenaktivierend und sind dann indiziert, wenn der Jugendliche nur über unzureichende persönliche, familiäre oder soziale Ressourcen verfügt bzw. seine Fähigkeiten nicht kennt, nicht differenziert wahrnimmt oder nicht hinreichend nutzt. Jugendliche mit Selbstwertproblemen schreiben sich in der Regel wenige positive Eigenschaften und Fähigkeiten zu und stellen ihre negativen Anteile, wie persönliche Schwächen oder negative Eigenschaften, umso deutlicher heraus. Häufig unterschätzen sie dabei eigene Stärken, persönliche Ressourcen und Ressourcen des sozialen Umfeldes. Eine weitere Indikation zur Durchführung der Interventionen des Bausteins 1 besteht daher, wenn der Jugendliche ein negativ verzerrtes Selbstbild hat und positive Eigenschaften sowie persönliche Kompetenzen nur unzureichend wahrnimmt oder leugnet. Inhalt und Ziele des Therapiebausteins: Der Jugendliche lernt in diesem Baustein seine positiven Eigenschaften und Fähigkeiten differenziert wahrzunehmen, diese konkret zu benennen und negative Eigenschaften resp. Kompetenzdefizite weniger zu fokussieren und somit zu relativieren. Durch die Fokussierung auf persönliche Stärken und die gezielte Nutzung persönlicher sowie familiärer Ressourcen wird die positive Wahrnehmung der eigenen Person therapeutisch unterstützt und sukzessive ein positives Selbstbild aufgebaut. Ein 66 wesentliches Ziel der therapeutischen Arbeit ist die Förderung der Akzeptanz der eigenen Person und die Integration persönlicher Stärken und Fähigkeiten in das Selbstbild des Jugendlichen. Positive Beziehungserfahrungen mit Familienmitgliedern, Freunden, Lehrern oder anderen wichtigen Bezugspersonen sollen erkannt und nach Möglichkeit vertieft werden. Auch das Realisieren von persönlichen Erfolgserlebnissen und die Attribuierung von Erfolgen auf persönliche Kompetenzen bzw. eigene Anstrengung sind von zentraler Bedeutung, weshalb sie ein wesentliches Ziel des Therapiebausteins darstellen. Therapiematerialien: S01 Grundüberzeugungen Selbstbild S02 Infoblatt Eltern Selbstbild S03 Stärken- & Schwächenwaage S04 Power-Baum Jugendlichenversion S05 Power-Baum Elternversion S06 Positive Beziehungserfahrungen S07 Lebenslinie positiver Erfahrungen S08 Mister X Spiel S09 Lust auf einen neuen Look S10 Glücksbotschaft-Lotterie Alle Arbeitsblätter dieses Therapiebausteins sowie der im weiteren Verlauf dargestellten Therapiebausteine sind im Anhang aufgeführt. Ablauf der Sitzungen: Jugendlichenzentrierte Interventionen: Jeder Baustein beginnt mit einer ausführlichen schriftlichen und mündlichen Information über die Zielsetzung des Bausteins und einer Psychoedukation des Jugendlichen und ggf. der Eltern, sofern sie im therapeutischen Prozess involviert sind. Der Therapiebaustein „Aufbau von positivem Selbstbild“ beinhaltet verschiedene Interventionen, die - je nach Problemschwerpunkt – individuell ausgewählt und bei Bedarf vertieft werden können. 67 Die Arbeitsblätter S01 und S02 dienen der Psychoedukation des Jugendlichen bzw. der Eltern in Bezug auf die Entstehung und Aufrechterhaltung von Selbstwertproblemen und vermitteln Informationen darüber, wie Jugendliche ein positives Selbstbild entwickeln können bzw. wie Eltern ihre Kinder dabei unterstützen können. Diese beiden Arbeitsblätter sollten grundsätzlich durchgeführt werden, bevor die Arbeitsblätter S03 bis S10 Anwendung finden, da sie die Informationsgrundlage dieses Bausteins bilden. Die Arbeitsblätter S03 bis S05 fokussieren die Stärken und Ressourcen des Jugendlichen und des sozialen Umfeldes. Es werden individuelle Stärken und Schwächen des Jugendlichen herausgearbeitet, z.B. mittels der „Stärken– Schwächen–Waage“. Dabei sollte dem Jugendlichen und den Bezugspersonen verdeutlicht werden, dass die übermäßige Fokussierung auf persönliche Schwächen sich negativ auf das subjektive Selbstbild auswirkt, was wiederum die Entwicklung einer manifesten Selbstwertproblematik oder einer Affektstörung begünstigen kann. Sofern eine übermäßige Betonung von Schwächen und Unzulänglichkeiten im Vordergrund der Symptomatik des Jugendlichen steht, findet im weiteren Therapieverlauf eine Fokussierung auf persönliche Stärken und Ressourcen statt. Der Therapeut sollte dabei die individuellen Ressourcen des Jugendlichen (z.B. Eigenschaften, Fähigkeiten, Aussehen, Überzeugungen, Interessen…) sowie die Ressourcen im persönlichen Umfeld des Jugendlichen aktivieren und positive Beziehungserfahrungen mit Freunden oder mit der Familie nutzen. Die Arbeitsblätter S06 bis S08 zielen darauf, positive Beziehungs- und Lebenserfahrungen herauszuarbeiten und diese in der therapeutischen Arbeit mit der Familie zu nutzen. Wenn der Jugendliche und die Eltern nur wenige Ressourcen benennen können und die Familie sehr defizitorientiert ist, sollten positive Beziehungserfahrungen im sozialen Umfeld des Jugendlichen fokussiert und nach Möglichkeit im weiteren Therapieverlauf aktiviert werden. Das Arbeitsblatt S09 kann optional eingesetzt werden, wenn der Jugendliche seinem Äußeren übermäßig kritisch gegenübersteht und dies die Entwicklung einer positiven Selbstwahrnehmung hemmt. Das Arbeitsblatt S10 enthält sogenannte „Glücksbotschaften“, wie z.B. „Heute achte ich nur auf meine guten Seiten“, „Heute versuche ich mich durchzusetzen“ oder „Heute verabrede ich mich mit einem Freund.“ Der Jugendliche zieht dabei jeden Tag eine positiv-aktivierende Botschaft, die als „Motto des Tages“ fungiert und befolgt werden soll. Da viele Jugendliche, die ein 68 negatives Selbstkonzept haben, häufig auch eine geringe Kompetenz- und Selbstwirksamkeitserwartung entwickeln, sind sowohl das Training des Praktizierens von positiven Selbstverbalisationen, als auch die Förderung von Erfolgserlebnissen elementare Interventionen, die - unabhängig von den gewählten Therapieschwerpunkten - realisiert werden sollten. Elternzentrierte Interventionen: Wie bereits erwähnt, sollten im Zuge des Einführens eines neuen Therapiebausteins auch die Eltern über die Ziele des Bausteins informiert werden und im Rahmen der Psychoedukation darüber aufgeklärt werden, wie sie ihr Kind bei der Umsetzung der therapeutischen Ziele des Bausteins unterstützen können. Den Eltern bzw. ggf. anderen relevanten Bezugspersonen (z.B. Großeltern) wird erläutert, dass die übermäßige Fokussierung auf die Schwächen des Jugendlichen zur Entwicklung eines negativen Selbstbildes beiträgt, was wiederum das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen schwächt und die Erwartung kompetenter Problemlöseansätze schmälert. Die Eltern werden dafür sensibilisiert, sich bewusst zu werden, welche positiven Eigenschaften ihr Kind hat und worauf Sie in Bezug auf ihr Kind stolz sind. Sie werden dabei angeleitet, ihrem Kind regelmäßig positive Rückmeldungen über sein Verhalten, positive Persönlichkeitseigenschaften, gute Leistungen in der Schule o. ä. zu geben. In Form von therapeutischen Hausaufgaben („Jobs der Woche“) üben die Eltern, nicht nur ihr Kind zu loben, sondern auch sich selbst und den Partner zu loben und fungieren dadurch als Lernmodell für den Jugendlichen. Durch das Nutzen verschiedener Arten des Lobes, wie gestisch (z. B. Daumen hoch Zeichen), mimisch (z. B. Lächeln), verbal (z. B. „Ich bin stolz auf Dich“), materiell (z. B. kleines Geschenk) oder sozial (gemeinsame Aktivität), lernen sowohl die Eltern als auch der Jugendliche, Erfolgserlebnisse und Therapiefortschritte nicht als Selbstverständlichkeit hinzunehmen, sondern diese gezielt zu honorieren. Ein weiteres Element der Elternarbeit in diesem Baustein besteht in der Förderung regelmäßiger familiärer Aktivitäten, mit dem Ziel der Stärkung der Eltern-KindBeziehung. Diese Intervention sollte vor allem implementiert werden, wenn der Jugendliche sich übermäßig aus dem Familiengeschehen zurückzieht, nicht am Familienleben teilnimmt oder wenn die intrafamiliären Kommunikationsmuster vorwiegend negativ sind, d.h. von Konflikten und gegenseitigen Schuldzuweisungen geprägt sind. 69 Sofern familiäre Faktoren die Entwicklung eines negativen Selbstbildes des Jugendlichen begünstigen oder das negative Selbstkonzept aufrechterhalten, werden diese Faktoren sensibel mit den Eltern thematisiert. Als mögliche Faktoren, die ein negatives Selbstbild des Jugendlichen begünstigen, kommen - neben unzureichender positiver Rückmeldungen - auch mangelndes Vertrauen in den Jugendlichen, rigides, wenig Freiraum bietendes Erziehungsverhalten oder eine nicht hinreichende Berücksichtigung der Autonomiebestrebungen des Jugendlichen in Frage. Auch invalidierendes und sehr harsches Erziehungsverhalten ist in diesem Zusammenhang als negativer Einflussfaktor in Bezug auf das Selbstbild und den Selbstwert in Erwägung zu ziehen. Wenn ungünstiges Erziehungsverhalten der Eltern die Selbstwertproblematik des Jugendlichen begünstigt oder mitbedingt, sollte im Rahmen der Elternarbeit intensiv an der Verbesserung der erzieherischen Kompetenzen gearbeitet werden. Sind die familiären Ressourcen erschöpft oder sind Veränderungen innerhalb des Familiensystems, im Rahmen des gegebenen Settings, nicht hinreichend realisierbar, sollte der Therapeut zur Stabilisierung des familiären Systems eine flankierende Jugendhilfemaßnahme in Betracht ziehen. Geeignete Maßnahmen der ambulanten Jugendhilfe könnten beispielsweise eine sozialpädagogische Familienhilfe, eine Einzelfallhilfe oder eine Erziehungsbeistandschaft sein. Bei besonders schwer ausgeprägter Symptomatik oder einer krisenhaften Zuspitzung können auch stationäre Jugendhilfemaßnahmen in Erwägung gezogen werden. Anzahl der Sitzungen: In der Regel sind etwa sechs bis acht Sitzungen zur Durchführung des gesamten Bausteins notwendig, je nach Ausprägung der Problematik und nach Gewichtung der Elternarbeit. Therapie-Hausaufgaben – „Jobs der Woche“: Zur Stabilisierung der erzielten Behandlungseffekte und zum Transfer der neu erworbenen Kompetenzen in den Alltag des Jugendlichen bzw. der Familie stellen Therapie-Hausaufgaben, sogenannte „Jobs der Woche“, ein zentrales Instrument des Behandlungsprogramms SELBST dar. Neben regelmäßigen Hausaufgaben für den Jugendlichen, werden im Rahmen der Elternarbeit bei Bedarf auch Hausaufgaben für die Eltern formuliert. 70 Mögliche Jobs der Woche für den Jugendlichen, im Kontext der Ressourcenaktivierung, könnten sein, Gegenstände oder Fotos in die Therapiestunde mitzubringen, die eine persönliche Stärke oder Vorliebe repräsentieren. So könnte der Jugendliche beispielsweise einen Fußball als Symbol für Sportlichkeit oder Interesse an Fußball mitbringen, eine Gitarre als Symbol für musikalisches Talent oder Fotos vom Konzert der Lieblingsband…etc. Es kann auch hilfreich sein, die mitgebrachten Gegenstände, Symbole oder Fotos zur Exploration positiver Beziehungserfahrungen zu nutzen, insbesondere weil persönlich relevante Symbole die emotionale Aktivierung des Patienten unterstützen können. Zur emotionalen Aktivierung bietet sich außerdem an, Fotos bzw. Videos von Familienmitgliedern, Freunden und anderen wichtigen Personen mitbringen zu lassen, mit denen der Jugendliche positive Erlebnisse verbindet. Denkbar ist auch, Gegenstände, die ein schönes Erlebnis mit einer Person repräsentieren (z. B. Kinotickets, Freundschaftsbänder, Muscheln aus dem letzten Urlaub…), mitzubringen. Da sich die Analyse von Stärken und Schwächen des Jugendlichen in der Therapiestunde gelegentlich als schwierig erweist oder langwierig gestaltet, beispielsweise weil die Auseinandersetzung mit persönlichen Unzulänglichkeiten oft schambesetzt ist und Widerstände auslösen kann, bietet sich als TherapieHausaufgabe an, ein Stärkenposter anzufertigen. Alternativ kann eine „Das bin Ich – Collage“ gebastelt werden, mit Fotos oder Bildern aus Zeitschriften, die persönliche Stärken, Fähigkeiten, Hobbies, Vorlieben etc. aus möglichst vielen relevanten Lebensbereichen des Jugendlichen repräsentieren. Zur Unterstützung der Integration positiver Eigenschaften und Fähigkeiten in das Selbstkonzept, könnte eine weitere Hausaufgabe für den Jugendlichen darin bestehen, z. B. positive Eigenschaften oder Fähigkeiten auf einen Zettel zu schreiben, diesen im Zimmer in Sichtweite aufzuhängen und mehrmals täglich zu lesen. Es ist auch denkbar, dass der Jugendliche sich eine positive Eigenschaft in das Handy eintippt, die er mehrmals täglich liest. Neben der verbalen und kreativ-gestalterischen Auseinandersetzung mit dem Selbstbild ist es auch wichtig, das Idealbild des Jugendlichen herauszuarbeiten und überzogene Idealvorstellungen, im Hinblick auf das äußere Erscheinungsbild oder die persönliche Leistungsfähigkeit, zu korrigieren. Hierzu bietet sich an, den Jugendlichen zu bitten, aus Zeitschriften Fotos von Schauspielern, Sängern und anderen relevanten 71 Vorbildern auszuschneiden, die dem „Idealbild“ des Jugendlichen entsprechen und diese zur nächsten Therapiestunde mitzubringen. Ergänzend kann der Patient auch Fotos und Videos von Personen aus dem persönlichen Umfeld mitbringen, die etwas unternehmen, was dem Jugendlichen gefällt (z. B. Foto von Freund beim Surfen oder von der Freundin beim Reiten) oder die so aussehen, wie der Jugendliche idealer Weise gerne aussehen würde (z. B. Foto von einem Freund mit ausgefallener Frisur). Da ein Teil der Jugendlichen Schwierigkeiten hat, positive Beziehungserfahrungen der Vergangenheit zu erinnern bzw. persönliche Erfahrungen mit ihren Mitmenschen als positiv wahrzunehmen, ist es gelegentlich notwendig, die Wahrnehmung mithilfe von Therapie-Hausaufgaben gezielt auf positive Beziehungen im sozialen Umfeld zu lenken. Dies gelingt umso besser, je häufiger positive Erlebnisse im Alltag des Jugendlichen auftreten und je eher diese als angenehm und förderlich wahrgenommen werden. Die Therapie-Hausaufgabe könnte dementsprechend darin bestehen, täglich positive Erfahrungen, die im Laufe des Tages mit anderen Menschen gemacht wurden, zu protokollieren oder Fotos/Videos von positiven Erlebnissen mit dem Handy aufzunehmen und diese zur nächsten Therapiestunde mitzubringen. Eine weitere Hausaufgabe könnte darin bestehen, täglich eine Glücksbotschaft (z.B. „Heute lächele ich jemanden an“) zu ziehen und diese – im Sinne der Aktivierung positiver Erlebnisse – zum Motto des Tages zu machen. Eine mögliche Therapie-Hausaufgabe für die Eltern könnte sein, gemeinsam mit ihrem Kind einen Tagesrückblick zu praktizieren und dabei vor allem positive Ereignisse und Erfolgserlebnisse zu thematisieren. Dies kann beispielsweise nach der Schule erfolgen oder beim Abendessen und sollte nicht den Charakter eines kritischen Hinterfragens von Erlebnissen des Tages annehmen. Sofern keine positiven Ereignisse erinnert werden können oder der Jugendliche eine Tagesreflexion ablehnt, sollten die Eltern nicht auf einen Tagesrückblick insistieren. Alternativ könnten die Eltern versuchen, ihrem Kind regelmäßig positive Rückmeldungen in Bezug auf positive Eigenschaften zu geben. Die Eltern könnten zudem in Form von Therapie-Hausaufgaben üben, sich selbst, den Partner und das Kind regelmäßig zu loben. Eine weitere Therapieaufgabe könnte für die Eltern darin bestehen, gelegentlich gemeinsame positive Familienaktivitäten zu planen und durchzuführen. Zur besseren Akzeptanz der gemeinsamen Freizeitaktivitäten durch den Jugendlichen und ggf. der Geschwister, ist 72 es von besonderer Bedeutung, dass die persönlichen Interessen und Vorlieben des Jugendlichen bei der Auswahl der Aktivitäten berücksichtigt werden. Mögliche Schwierigkeiten bei der Durchführung des Therapiebausteins Trotz sorgfältiger Therapieplanung und Involvierung des Jugendlichen und der Familie in die Planung der einzelnen Therapieschritte können Schwierigkeiten bei der konkreten Umsetzung der Interventionen auftreten. Auf potentielle Schwierigkeiten wird in diesem Abschnitt exemplarisch eingegangen. Ein häufiges Problem stellt beispielsweise dar, dass der Jugendliche überzeugt davon ist, keine persönlichen Stärken zu haben und immer wieder die negativen Eigenschaften hervorhebt, die er glaubt zu haben. Dieses Problem ist in vielen Fällen damit assoziiert, dass Jugendliche, aufgrund kumulierter negativer Beziehungserfahrungen, wie z.B. Mobbing in der Schule, ihre negative Sichtweise in Bezug auf sich und ihr Umfeld nur schwer ausblenden können. Folglich gelingt es ihnen oft nur sehr langsam, und mit intensiver therapeutischer Unterstützung, ihre übermäßige Betonung negativer Selbstbildaspekte zu korrigieren. Daher ist es unter diesen Umständen wichtig, nicht zu voreilig an der Fokussierung positiver Eigenschaften zu arbeiten. In manchen Fällen kann es sogar ratsam sein, zunächst an der biografischen Aufarbeitung negativer Erlebnisse zu arbeiten, bevor man zum Aufbau eines positiven Selbstbildes übergeht. Der Therapeut sollte auch beachten, dass die starke Fokussierung auf persönliche Stärken, Ressourcen und positive Beziehungserfahrungen zu Widerständen und kognitiven Dissonanzen führen kann, was wiederum Complianceprobleme nach sich zieht, weil der Jugendliche die Dissonanz zwischen negativer Selbstwahrnehmung und der therapeutischen Korrektur der Selbstwahrnehmung unter Umständen nicht gut aushalten kann. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich, wenn der Jugendliche nur wenig sozial aktiv ist und es kaum Gelegenheiten gibt, positive Beziehungserfahrungen zu machen und diese in Bildern, Videos oder einem Tagebuch zu dokumentieren. In diesem Fall könnte der Therapeut beispielsweise zunächst therapeutische Strategien des Therapiebausteins 2 „Steigerung von Genussfähigkeit, Aktivität und Selbstbelohnung“, wie beispielsweise Interventionen zur Aktivitätssteigerung, einsetzen und soziale Kontakte zu Gleichaltrigen fördern. Unter Umständen besteht die Barriere darin, dass der Jugendliche aufgrund sozialer Unsicherheit oder sozial phobischer Tendenzen Kontakte meidet. Dann sollte, im Sinne einer graduierten Expositionsbehandlung, 73 zuerst die soziale Phobie hinreichend reduziert werden, bevor man an der Stärkung positiver Beziehungserfahrungen arbeitet. In Bezug auf die Visualisierung positiver Eigenschaften und das Training positiver Selbstverbalisationen steht der Therapeut häufig vor dem Problem, dass der Jugendliche es peinlich findet, positive Eigenschaften aufzuschreiben, aus Sorge, Freunde könnten den Zettel finden. Auch trauen sich einige Jugendliche nicht, positive Selbstverbalisationen einzusetzen, weil sie befürchten, jemand könnte sie hören, wenn sie „Selbstgespräche“ führen. Der Therapeut sollte die Befürchtungen der Jugendlichen ernst nehmen und gemeinsam mit dem Jugendlichen überlegen, welche Alternativen denkbar sind. Der Jugendliche könnte z.B. eine positive Aussage in Bezug auf sich selbst als Sprachnachricht auf sein Handy aufnehmen und sich diese mehrmals täglich mit Kopfhörern anhören. Auch auf Elternebene sollten potentielle Barrieren in der Umsetzung therapeutischer Interventionen frühzeitig vom Therapeuten antizipiert und mit den Eltern offen besprochen werden. Es ist beispielsweise denkbar, dass die Eltern aufgrund persönlicher negativer Erlebnisse selbst ein negatives Selbstbild entwickelt haben und damit ein ungünstiges Lernmodell für ihr Kind darstellen. Dies sollte einfühlsam mit den Eltern thematisiert werden, auch um zu verhindern, dass sich die Eltern schuldig fühlen. Sofern sich das negative Selbstbild der Eltern im Rahmen der Elternarbeit nicht relativieren lässt und die Eltern sich durch generalisierte negative Denkmuster in Bezug auf die eigene Person, die Umwelt oder die Zukunft auszeichnen, empfiehlt es sich, ggf. mit den Eltern über eine separate therapeutische Anbindung zu sprechen. Ein weiteres Problem könnte darstellen, dass die Eltern-Kind-Beziehung so angespannt ist, dass die positiven Eigenschaften des Jugendlichen nicht hinreichend wahrgenommen werden können oder dass es den Eltern nicht gelingt, wohlwollende und validierende Rückmeldungen an ihr Kind zu richten. In diesem Fall ist eine intensive Elternarbeit zur Förderung einer positiven Eltern-Kind-Interaktion sinnvoll. Eine ungünstige Konstellation stellen auch sehr leistungsorientierte Eltern dar, die ihr Kind explizit oder oft auch implizit abwerten, wenn diese ihrem Leistungsanspruch nicht gerecht werden, was wiederum zur Aufrechterhaltung der Selbstwertstörung des Kindes beiträgt. Im Rahmen der Psychoedukation sollte den Eltern daher vermittelt werden, dass überhöhte Leistungsansprüche und verbale Abwertungen, bei 74 Nichterfüllung elterlicher Erwartungen, Selbstwertprobleme von Kindern und Jugendlichen begünstigen und langfristig aufrechterhalten. Des Weiteren sollte mit den Eltern sensibel an der Relativierung zu hoher Ansprüche gearbeitet werden. 4.1.2 Baustein 2: Steigerung von Genussfähigkeit, Aktivität und Selbstbelohnung Indikation: Steht beim Jugendlichen eine dysphorische Stimmungslage, in Kombination mit reduziertem Antrieb, wenig Interesse an außerhäuslichen Aktivitäten und sozialen Rückzugstendenzen im Vordergrund, ist Baustein 2 indiziert. Interventionen aus diesem Baustein sind auch indiziert, wenn Anhedonie, eine eingeschränkte Genussfähigkeit und eine unzureichende Selbstfürsorge im Vordergrund der Symptomatik stehen. Inhalt und Ziele des Therapiebausteins: Ein Schwerpunkt von Baustein 2 besteht in der Antriebs- resp. Aktivitätssteigerung von Jugendlichen mit geringem Antrieb, Lustlosigkeit und eingeschränktem Interessenrepertoire. Der Jugendliche wird motiviert, verschiedene angenehme Aktivitäten auszuprobieren und darin unterstützt, wieder regelmäßig als positiv empfundene Tätigkeiten in den Alltag zu integrieren. Ein weiterer Schwerpunkt dieses Bausteins besteht in der Steigerung der Genussfähigkeit des Jugendlichen sowie in der Förderung der Selbstfürsorge und der inneren Achtsamkeit. Die verschiedenen Übungen zur Sensibilisierung der Sinne und Steigerung der Genussfähigkeit zielen darauf ab, zunächst differenziert wahrzunehmen, welche Genusserlebnisse sich positiv auf die Stimmung des Patienten auswirken. Die als angenehm erlebten Genuss-Erlebnisse sollten im weiteren Therapieverlauf im Alltag des Jugendlichen verankert werden. Des Weiteren übt der Jugendliche, sich für Dinge, die er erfolgreich gemeistert hat oder erreichte Therapieziele, systematisch selbst zu belohnen. Ziel des Bausteins ist, durch die beschriebenen Interventionsschwerpunkte „Aktivitätssteigerung“, „Genusssensibilisierung“ und „Selbstbelohnung“ eine initiale Verbesserung der Stimmungslage und eine Erweiterung des Interessenspektrums zu erreichen. 75 Therapiematerialien: S11 Materialliste Sensibilisierung der Sinne S12 Infoblatt Jugendlicher Genuss und Aktivität S13 Infoblatt Eltern Genussfähigkeit, Aktivität & Selbstbelohnung S14 Genussregeln S15 Lass es Dir mal wieder gut gehen S16 Chillen mal anders S17 Chill-Tagebuch S18 Nutze alle 5 Sinne zum Genießen S19 Aktivitäts- und Stimmungsbarometer S20 Ziele in Teilziele unterteilen S21 Wunschliste Selbstbelohnungen Ablauf der Sitzungen: Jugendlichenzentrierte Interventionen: Zunächst wird dem Jugendlichen im Rahmen der Psychoedukation (S12) verdeutlicht, dass die Fähigkeit zum Genießen einen zentralen Aspekt des Wohlbefindens darstellt und dass die Steigerung des Aktivitätsniveaus zur Verbesserung des Wohlbefindens sowie zur Stabilisierung der Stimmung beiträgt. Als Einstiegsthema bietet sich an, mit dem Genusstraining zu beginnen. Das Arbeitsblatt S11 beinhaltet eine Liste mit verschiedenen Materialien zur Genusssensibilisierung. Als Einführung können dem Patienten verschiedene Materialien in der Therapiestunde präsentiert werden, die sowohl die gustatorischen und olfaktorischen, als auch die visuellen, akustischen und taktilen Sinnesmodalitäten ansprechen sollen. Der Jugendliche könnte beispielsweise ein Stück Obst probieren, an einem Duftöl riechen, ein Bild mit grellen Farben anschauen, Vogelgezwitscher zuhören oder mit geschlossenen Augen einen weichen Stoff berühren. Der Jugendliche soll bei der Übung einschätzen, ob er die Aktivierung der jeweiligen Sinnesmodalität als angenehm empfindet oder nicht. Bei Bedarf kann die Übung in der folgenden Stunde wiederholt werden mit der Variation, dass der Jugendliche möglichst viele Materialien mitbringt und diese gemeinsam mit dem Therapeuten „austestet.“ Ergänzend zur Genusssensibilisierung können Genussregeln (S14) eingeführt und verschiedene Übungen zur Förderung der inneren Achtsamkeit (S16, S17, S18) ausprobiert werden. Im weiteren Verlauf wird der Patient 76 motiviert, unterschiedliche Genusserfahrungen und Achtsamkeitsübungen im Alltag auszutesten und diese hinsichtlich ihrer positiven Wirkung auf die Stimmung einzuschätzen. Steht eine Antriebsminderung und mangelndes Interesse an adoleszententypischen Aktivitäten im Vordergrund, empfiehlt es sich, primär an der Aktivitätssteigerung zu arbeiten. Da viele depressive Jugendliche sehr rückzügig sind und Schwierigkeiten haben, adäquate Aktivitäten zu benennen, die als angenehm und stimmungsstabilisierend empfunden werden, ist es hilfreich, vorab möglichst viele Ideen zur aktiven Freizeitgestaltung mit dem Jugendlichen zu erarbeiten. Als Anregung für die Ideen-Generierung kann das Arbeitsblatt „Lass es Dir mal wieder gut gehen“ (S15) eingesetzt werden, das eine Liste mit diversen jugendtypischen Freizeitaktivitäten enthält. Um die Implementierung regelmäßiger positiver Aktivitäten in den Alltag zu erleichtern, protokolliert der Jugendliche täglich seine Aktivitäten und schätzt die daraus resultierende Stimmung auf einem kombinierten Aktivitäts- und Stimmungsbarometer (S19) ein. Bei Bedarf können auch Entspannungsübungen, wie die Progressive Muskelrelaxation, Phantasiereisen für Jugendliche oder Atemübungen eingesetzt werden. Bei sehr rückzügigen Patienten sollte der Therapieschwerpunkt auf die soziale Reintegration gelegt werden. Der Therapeut exploriert zunächst, welche sozialen Interessen bestehen oder früher bestanden haben und welche Faktoren die soziale Desintegration begünstigt haben. Ist der soziale Rückzug primär auf eine depressive Symptomatik (z.B. Anhedonie, Antriebslosigkeit) zurückzuführen, sollten die Maßnahmen zur Aktivitätssteigerung, wie oben beschrieben, fortgeführt werden. Ist die Ursache für den sozialen Rückzug primär vor dem Hintergrund einer sozialen Phobie oder sozialen Unsicherheit zu sehen, sollten zunächst Expositionsübungen zur Verringerung der Ängstlichkeit resp. soziale Kompetenzübungen zur Verbesserung der sozialen Fertigkeiten und Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung durchgeführt werden. Daran anschließend erarbeitet der Therapeut, gemeinsam mit dem Jugendlichen und ggf. den Eltern, welche Aktivitäten die soziale Integration des Jugendlichen fördern könnten (z. B. Sportverein, Pfadfinder, freiwillige Feuerwehr) und implementiert geeignete Maßnahmen in den Alltag des Jugendlichen. 77 Einen weiteren Schwerpunkt des Bausteins bildet, in Anlehnung an den Selbstmanagementansatz (Kanfer et al. 2012), das systematische Belohnen von erreichten Zielen oder Teilzielen. Der Jugendliche lernt im ersten Schritt, sich selbst realistische Ziele zu setzen und übergeordnete Ziele in leicht erreichbare Teilziele zu unterteilen (S20). Im nächsten Schritt wird der Jugendliche angeleitet, sich regelmäßig selbständig für erreichte Teilziele zu belohnen. Das Arbeitsblatt S21 kann ergänzend eingesetzt werden, um angemessene Belohnungen zu definieren. Elternzentrierte Interventionen: Die Termine mit den Eltern sollten dafür genutzt werden, die Fähigkeit der Eltern zum Genießen und zur Selbstfürsorge zu thematisieren. Dabei können den Eltern optional die Genussregeln (S14) erläutert werden. Exemplarisch kann mit ihnen auch ein Genusstraining durchgeführt werden. Des Weiteren sollte den Eltern, im Rahmen der Psychoedukation, erläutert werden, dass sie, wenn sie sich regelmäßig selbst belohnen, eine wichtige Vorbildfunktion für den Jugendlichen erfüllen. Außerdem sollte den Eltern verdeutlicht werden, dass die Selbstbelohnung, neben der Aktivitätssteigerung und der Förderung der Genussfähigkeit, eine weitere sinnvolle therapeutische Intervention zur Stimmungsverbesserung darstellt (S13). Bei besonders gestressten Eltern, die ihre Freizeit nicht ausreichend zur Entspannung nutzen, sollten explizit Möglichkeiten zur Regeneration erarbeitet werden. Im Kontext der Elternarbeit lernen die Eltern ein angemessenes Zeitmanagement mit ausreichenden Ruhephasen zu praktizieren und dabei regelmäßig angenehme, regenerative Aktivitäten in ihren Alltag zu integrieren. Da sich erfahrungsgemäß ein Großteil der Eltern zu viele berufliche und private Termine aufbürdet und sich nicht ausreichend abgrenzen kann, ist es mit einem Teil der Familien sinnvoll zu erörtern, wie sie sich besser abgrenzen können und ggf. einen Teil der familiären und beruflichen Verpflichtungen delegieren können – ohne deshalb Schuldgefühle zu entwickeln. Anzahl der Sitzungen: In der Regel werden etwa fünf bis sechs Sitzungen benötigt, um diesen Baustein durchzuführen. Bei Vorliegen einer ausgeprägten Antriebsminderung sind mitunter deutlich mehr als sechs Sitzungen zu veranschlagen. 78 Therapie-Hausaufgaben – „Jobs der Woche“: Als Einführung in den Baustein kann der Jugendliche die Hausaufgabe bekommen, verschiedene Genusserfahrungen zu Hause auszuprobieren und zu protokollieren, welche Sinneseindrücke einen positiven Effekt auf die Stimmung und das Wohlbefinden ausüben und welche nicht. Darauf aufbauend könnte eine Hausaufgabe darin bestehen, die erarbeiteten Genussregeln kontinuierlich im Alltag anzuwenden und das Ausmaß des Wohlbefindens zu protokollieren. Bei antriebsgeminderten Jugendlichen bildet eine zentrale Therapiehausaufgabe des Bausteins die Aufforderung, anhand der Liste „Lass es Dir mal wieder richtig gut gehen“ (S15) eine persönliche Liste angenehmer Aktivitäten zu erstellen. Die Hausaufgabe könnte beispielsweise zunächst darin bestehen, täglich verschiedene angenehme Tätigkeiten auszuprobieren. Als vertiefende Hausaufgabe bietet sich an, (unter Nutzung eines Wochenplans) täglich positive Aktivitäten in den Alltag zu implementieren und deren Auswirkung auf die Stimmung im Aktivitäts- und Stimmungsbarometer (S19) zu dokumentieren. Das Ziel der Übung besteht darin, real wahrzunehmen, dass das regelmäßige Praktizieren schöner Freizeitaktivitäten einen positiven Einfluss auf die Stimmung hat. Sofern mit dem Patienten ein Entspannungsverfahren in der Therapiestunde erprobt wurde, wäre eine sinnvolle Hausaufgabe, das erlernte Verfahren (z.B. Progressive Muskelrelaxation, Atementspannung, autogenes Training…) regelmäßig zu Hause anzuwenden. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Entspannungs-Apps mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten, die von Entspannungsmusik über Naturgeräusche (z.B. Meeresrauschen, Vogelgezwitscher oder andere Tiergeräusche) bis hin zu geführten Meditationen reichen, die explizit Jugendliche ansprechen sollen. Es bietet sich folglich an, eine geeignete App herunterzuladen, die der Jugendliche regelmäßig anwenden soll. Da viele Entspannungs-Apps über eine Timerfunktion verfügen, kann eine Uhrzeit programmiert werden, die den Jugendlichen an die Übung erinnert. Die zentrale Therapiehausaufgabe der Eltern besteht darin, sich als Mutter und Vater regelmäßig Auszeiten zu gönnen, angenehme Aktivitäten gezielt in den familiären Alltag zu integrieren und dabei die Genussregeln anzuwenden. Da die Jugendlichen aufgrund ihrer Symptomatik oft nicht interessiert sind an außerhäuslichen, sozialen 79 Aktivitäten, sollten die Eltern ihr Kind dabei unterstützen, wieder aktiver zu werden. Die Eltern könnten sich als „Job der Woche“ gemeinsam mit ihren Kindern (für Jugendliche geeignete) familiäre Aktivitäten überlegen und diese in regelmäßigen Abständen in den familiären Alltag implementieren. Mögliche Schwierigkeiten bei der Durchführung des Therapiebausteins Die größte Herausforderung des Bausteins 2 besteht darin, dass viele Jugendliche keine hinreichende Motivation haben, ihr Aktivitätsniveau zu steigern oder ihren sozialen Aktionsradius zu erweitern. Der Therapeut sollte sich nicht von der Lustlosigkeit und Antriebsminderung des Jugendlichen irritieren lassen, sondern viel Zeit einplanen, dem Jugendlichen die symptomaufrechterhaltenden Zusammenhänge zwischen Antriebsminderung, sozialem Rückzug und depressivem Erleben zu verdeutlichen. Erfahrungsgemäß lässt sich die Motivation zur Antriebssteigerung erhöhen, wenn der Jugendliche zunächst nur verschiedene angenehme Aktivitäten ausprobieren soll und sich nicht voreilig für einen Verein oder eine bestimmte Freizeittätigkeit „verpflichten“ muss. Das Ziel der Aktivitätssteigerung muss folglich nicht zwangsläufig eine Vereinsanbindung sein. Das primäre Teilziel könnte beispielsweise darin bestehen, dass der Jugendliche sich auf zwei bis drei, flexibel aussuchbare (nach Möglichkeit außerhäusliche) Aktivitäten wöchentlich einlässt, wie z.B. einen Freund treffen, in die Kletterhalle fahren oder mit der Familie ins Kino gehen. Um geeignete Aktivitäten und Interessen reaktivieren zu können, ist es sinnvoll, im Vorfeld detailliert zu explorieren, welche Aktivitäten dem Jugendlichen früher Spaß gemacht haben und mit welchen Personen die Freizeit im positiven Sinne gestaltet wurde, um ggf. an früheren Interessen und Vorlieben anzuknüpfen. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich dann, wenn der Jugendliche gemeinsame Familienaktivitäten ablehnt (z. B. aufgrund massiver Eltern-Kind-Konflikte) oder gemeinsame Aktivitäten (z.B. aufgrund mangelnder finanzieller Ressourcen oder zu starker psychischer Belastung der Eltern) nicht regelmäßig realisierbar sind. In diesen Fällen sollte zunächst an einer angemessenen intrafamiliären Kommunikation und Entlastung der Eltern gearbeitet werden. Sukzessive können dann positiv besetzte Aktivitäten – zunächst nur mit einem Elternteil (z.B. Mutter-Tochter-Shoppingtag, Vater-Sohn-Fußballtraining) – und bei gutem Verlauf auch mit beiden Elternteilen und ggf. Geschwistern eingeführt werden. Sind die Eltern aufgrund einer eigenen 80 psychischen Erkrankung so beeinträchtigt oder können ihrer elterlichen Erziehungspflicht, beispielsweise vor dem Hintergrund massiver intrafamiliärer Konflikte, nur eingeschränkt nachkommen, sollten die Eltern über die Optionen einer Erziehungsberatung, Psychotherapie und / oder ambulanten Maßnahme der Jugendhilfe (z.B. sozialpädagogische Familienhilfe, Erziehungsbeistandschaft) informiert werden. Bei der Therapieplanung muss explizit berücksichtigt werden, dass die Steigerung des Aktivitätsniveaus und die Verbesserung der sozialen Integration des Jugendlichen sich aufgrund mangelnder sozialer Kompetenzen, z. B. in Bezug auf die Fähigkeit mit Fremden zu sprechen, Kontakte zu knüpfen oder Freundschaften aufrechtzuerhalten, schwierig gestalten könnte. In diesen Fällen sollte, wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, zunächst am Aufbau sozialer Kompetenzen gearbeitet werden. Ein Teil der Jugendlichen kann sich - trotz ausführlicher Psychoedukation - nicht vorstellen, regelmäßig Entspannungsübungen zu Hause durchzuführen. Die Akzeptanz für sogenannte „Relaxing-Apps“ ist unserer Erfahrung nach höher als für aktive Übungen, die selbständig durchgeführt werden müssen. Es ist auch denkbar, dass der Jugendliche nach dem Genusstraining keine Stimmungsverbesserung feststellt oder es lächerlich findet, die Genusssensibilisierung im Alltag auszuprobieren, was zur Folge hat, dass die Compliance zur Durchführung des Genusstrainings sinkt. In diesem Fall besteht die Möglichkeit andere Interventionen des Bausteins auszuprobieren, die der Jugendliche eher akzeptiert. Ein Problem auf Elternebene könnte darstellen, dass die Durchführung der Entspannungstechniken oder des Genusstrainings auf mangelnde Akzeptanz seitens der Eltern stößt (z. B. Musik hören, anstatt Hausaufgaben zu machen). Eine weitere Barriere auf Elternebene ergibt sich, wenn die Selbstbelohnung des Jugendlichen für erreichte Teilziele oder positive Verhaltensänderungen von den Eltern nicht mitgetragen wird. Einige Eltern reagieren mit Unverständnis, wenn man ihnen die Methode der Selbstverstärkung erläutert. Oft steht dabei implizit die Frage im Raum „Warum muss mein Kind sich für „Selbstverständlichkeiten“ (z.B. regelmäßig Hausaufgaben machen, einen Freund anrufen) auch noch belohnen?“ In diesem Zusammenhang sollte den Eltern anhand von praktischen Beispielen erklärt werden, dass das systematische Belohnen von positiven Verhaltensänderungen eine effektive Methode zur Verhaltensmodifikation darstellt, welche erfolgreich in diversen 81 therapeutischen Settings genutzt wird. Auch kann mit den Eltern in diesem Kontext psychoedukativ wiederholt werden, dass eine aktive Freizeitgestaltung für dysphorische, ängstliche und rückzügige Jugendliche keine „Selbstverständlichkeit“ ist, sondern im Gegenteil ein Ziel der therapeutischen Interventionen darstellt. Es kann unter Umständen auch ratsam sein, gemeinsam mit den Eltern und dem Jugendlichen zu wiederholen, dass angenehme Aktivitäten, Entspannungsübungen und das Genusstraining einen wichtigen Beitrag zur Stimmungsstabilisierung des Jugendlichen leisten. Sollte der Jugendliche in der Tat seine schulischen und familiären Verpflichtungen aufgrund des übermäßigen Praktizierens „angenehmer Aktivitäten“ vernachlässigen, gilt es wieder eine adäquate Relation zwischen angenehmen Tätigkeiten und persönlichen Verpflichtungen herzustellen. So könnte zum Beispiel die Vereinbarung getroffen werden, dass angenehme Aktivitäten bevorzugt nach Abschluss der Hausaufgaben oder nach Erfüllen anderer relevanter Verpflichtungen praktiziert werden sollen. 4.1.3 Baustein 3: Veränderung dysfunktionaler Kognitionen und verzerrter situativer Bewertungen sowie Verarbeitung belastender Erfahrungen Indikation: Der Therapiebaustein 3 wird durchgeführt, wenn dysfunktionale, negativistische Kognitionen in Bezug auf die eigene Person resp. die Umwelt oder die Zukunft im Vordergrund der Symptomatik stehen oder negativ-verzerrte situative Bewertungen einen Teil der Symptomatik des Patienten darstellen. Eine weitere Indikation zur Durchführung des Bausteins stellt dar, wenn belastende negative Erfahrungen bestehen, wie z.B. anhaltende schulische Ausgrenzung oder massive familiäre Konflikte, die nicht hinreichend verarbeitet worden sind und ggf. zur negativ-verzerrten Sicht resp. schuldhaften Verarbeitung von Ereignissen (kognitive Rumination) beitragen. Inhalt und Ziele des Therapieausteins: Mit dem Jugendlichen wird der Zusammenhang zwischen Situationen, die dysfunktionale Kognitionen verursachen, erläutert und die daraus resultierenden negativen Emotionen und ungünstigen Verhaltensweisen erarbeitet. Schrittweise werden negativ verzerrte kognitive Prozesse (z.B. Selbstabwertung, feindselige 82 Interpretationen, selektive Abstraktionen, Katastrophendenken…) und konkrete Denkinhalte identifiziert, die wiederkehrend in belastender oder ängstigender Form auftreten. Die belastenden Kognitionen werden im Folgenden in Hinblick auf ihre Plausibilität und ihren Realitätsgehalt überprüft und verändert, wenn sie zu einseitig, zu unrealistisch oder übermäßig verzerrt sind. So werden beispielsweise unrealistische, negativ verzerrte Kognitionen durch realistischere Kognitionen in Bezug auf die eigene Person, die Umwelt oder Zukunft ersetzt. Ergänzend werden gezielt positive Selbstverbalisationen entwickelt und in den Alltag des Jugendlichen implementiert. Zudem wird die realistische Wahrnehmung und Interpretation von Situationen und sozialen Interaktionsprozessen mit Gleichaltrigen und Erwachsenen trainiert. Viele Jugendliche mit Selbstwertproblemen führen persönliche Misserfolge und negative Erlebnisse auf mangelnde persönliche Kompetenzen zurück. Dysfunktionale, internale, spezifische, zeitlich stabile Attributionsmuster (z.B. „Ich bin immer schuld, wenn etwas schief geht“) als Reaktion auf Misserfolge werden daher durch realistische, möglichst variable Ursachenzuschreibungen ersetzt. Dem Jugendlichen wird verdeutlicht, dass realistische Ursachenzuschreibungen (v. a. die Attribution von Erfolg auf persönliche Anstrengung und Fähigkeiten) sowie eine positive Sicht der eigenen Person, der Umwelt und der Zukunft, die Stimmung und den Selbstwert verbessern. Da dysfunktionale Kognitionen und eine generalisierte, negativ verzerrte Wahrnehmung von Situationen auch vor dem Hintergrund belastender Erfahrungen entstehen können, stellt die Bearbeitung belastender biografischer Erfahrungen unter Umständen einen wesentlichen Teil des Bausteins dar und kann optional durchgeführt werden. 83 Therapie-Materialien: S22 Infoblatt Jugendlicher Gedanken beeinflussen die Stimmung S23 Infoblatt Jugendlicher Die schwarze Brille S24 Infoblatt Jugendlicher Ursachenzuschreibungen S25 Infoblatt Eltern Denkfallen & negativ verzerrte Wahrnehmung S26 Checkliste Stimmungskiller (Jugendlichen- und Elternversion) S27 Checkliste Stimmungspusher (Jugendlichen- und Elternversion) S28 Denkfallen S29 Gedanken-Gefühls-Puzzle S30 Stimmungsbarometer S31 Realitäts-Check Schwarzmalerei S32 Negative Gedanken durch positive Gedanken ersetzen Ablauf der Sitzungen: Jugendlichenzentrierte Interventionen: Auch Therapiebaustein 3 ist gegliedert in einen informativ-psychoedukativen Einleitungsteil und jugendlichen- resp. elternzentrierte, verhaltenstherapeutische Interventionen. Einleitend sollte mit dem Jugendlichen der wechselseitige Einfluss zwischen Gedanken, Gefühlen und Verhalten vermittelt werden (S22, S23, S29), die anhand von Beispielen aus dem konkreten Umfeld des Jugendlichen vertieft werden. Hierbei werden sowohl prototypische, positive Situationen (z.B. gute sportliche Leistung nach regelmäßigem Training) als auch adoleszenten-typische, negative Situationen (z.B. Provokationen eines Mitschülers oder Auseinandersetzung mit einem Elternteil) in Hinblick auf die daraus resultierenden Kognitionen, Emotionen und das gezeigte (Problem-)Verhalten analysiert. Idealerweise können anhand von MikroVerhaltensanalysen sowohl dysfunktionale kognitive Verarbeitungsstile (z.B. einseitige Schuldzuschreibungen, Selbstwahrnehmung als Opfer) resp. dysfunktionale soziale Informationsverarbeitungsprozesse (z.B. feindselige Wahrnehmung der Umwelt) als auch maladaptive Verhaltensmuster (z.B. selbstverletzendes Verhalten, sozialer Rückzug) identifiziert werden. Es ist ratsam, dass der Jugendliche ein Stimmungstagebuch, das sogenannte „Stimmungsbarometer“ (S30) führt, um die Zusammenhänge zwischen der subjektiven Denk-, Gefühls- und Handlungsebene anhand von konkreten, persönlich relevanten Ereignissen besser nachvollziehen zu 84 können. Ergänzend können die Arbeitsblätter S26 und S27 genutzt werden, um Kognitionen zu identifizieren, die einen stimmungsstabilisierenden Einfluss auf den Jugendlichen haben und umgekehrt solche, die destabilisierend wirken. Im nächsten Schritt werden die vorherrschenden negativen Kognitionen dahingehend mit dem Jugendlichen analysiert, ob und wenn ja, welche systematischen „Fehler“ (sog. Denkfallen) den Denkmustern zugrunde liegen (S28). So kann ein Patient eher zu Katastrophendenken neigen, während ein anderer Jugendlicher eher zu „Selbstabwertungen“, „Schwarz-Weiß-Denken“ oder „selektiven Abstraktionen“ neigt. Natürlich können auch verschiedene Denkfallen gleichzeitig vorherrschen und sich ggf. negativ begünstigen. Im weiteren Verlauf werden mit dem Jugendlichen die zuvor identifizierten individuellen Denkfehler hinterfragt und sukzessive korrigiert (S31). Dazu können, neben der Methode der kognitiven Umstrukturierung, auch Verhaltensexperimente oder der sokratische Dialog genutzt werden. Auf der Makro-Ebene werden, in Anlehnung an das verhaltenstherapeutische Störungsmodell, begünstigende lebensgeschichtliche Bedingungen dysfunktionaler Kognitionen erarbeitet und belastende biografische Erfahrungen, die zum Persistieren negativer Denkmuster beigetragen haben könnten, erörtert. Als hilfreich hat sich unserer Erfahrung nach erwiesen, die „Lebenslinie“ (S07) aus dem Baustein 1 auch für die biografische Arbeit in Baustein 3 zu nutzen. Während im Baustein 1 der Fokus auf das Herausarbeiten positiver Beziehungserfahrungen in der Vergangenheit und Gegenwart liegt, kann die Lebenslinie im Rahmen der Biografiearbeit in Baustein 3 dazu genutzt werden, um einerseits die Stimmung im Lebensverlauf abzubilden und andererseits um negative Lebensereignisse des Jugendlichen im Zeitverlauf zu dokumentieren. Hierzu werden zunächst oberhalb der Lebenslinie alle relevanten positiven Ereignisse von der Geburt bis zum heutigen Tag abgetragen, wie z.B. schöne Urlaube, besondere Freizeiterlebnisse, sportliche Erfolge, 18. Geburtstag…etc. Im nächsten Schritt werden alle relevanten negativen Ereignisse, an die sich der Jugendliche erinnert, unterhalb der Lebenslinie im Zeitverlauf dargestellt. Häufig nennen die Patienten in diesem Zusammenhang kritische Lebensereignisse, wie Mobbing durch Mitschüler, problematische Schulwechsel, Trennung der Eltern oder Umzüge. Im letzten Schritt versucht der Patient, unter Berücksichtigung sämtlicher positiver und negativer Lebensereignisse, die Veränderungen der Stimmung und ggf. 85 des Selbstwertes vom Kindesalter bis zur Adoleszenz zu rekonstruieren. Zur Exploration und Aufarbeitung negativer Ereignisse hat sich beispielsweise auch der Einsatz von Bildkarten zur Biografiearbeit (Klingenberger 2012), Inspirationskarten für Jugendliche (Gabriel 2012) oder der Lebenskarten von Barbara Völkner (Bezugsquelle Lebenskarten GmbH, Halle) bewährt. Die Lebenskarten können zusätzlich dazu genutzt werden, persönliche, positive Affirmationen zu verankern. Insbesondere Mädchen haben oft Freude daran, eigene positive Leitsätze zu entwickeln (z.B. „Ich bin gut, so wie ich bin“) und persönliche „Lebenskarten“ zu gestalten. Liegen viele belastende Ereignisse vor, von denen der Jugendliche sich nicht ausreichend emotional und kognitiv (z.B. aufgrund kognitiver Rumination) distanzieren kann, ist mitunter der Einsatz traumatherapeutischer Distanzierungstechniken (vgl. Reddemann 2007) notwendig. Bei Vorliegen einer Traumatisierung resp. einer Traumafolgestörung sollten spezifische traumatherapeutische Interventionen in Erwägung gezogen werden, die jedoch nicht Bestandteil des Behandlungsprogramms SELBST sind. Die Wirksamkeit von EMDR („Eye Movement Desensitization and Reprocessing“) ist mittlerweile nicht nur für das Erwachsenenalter, sondern auch für das Kindes- und Jugendalter, gut belegt (Adler-Tapia & Settle 2009a). Auch für die „trauma-fokussierte kognitiv-behaviorale Therapie“ (TF-KBT) (Cohen, Mannarino, Deblinger 2009) weisen die Befunde mehrerer randomisierter Kontrollstudien auf die Wirksamkeit gegenüber anderen Therapieformen, wie z.B. der supportiven oder klienten-zentrierten Therapie (Cohen, Deblinger, Mannarino & Steer 2004; Cohen, Mannarino & Iyengar 2011) und gegenüber einer Wartelistebedingung hin (Scheeringa, Weems Cohen, Amaya-Jackson & Guthrie 2011). Nachdem typische, dysfunktionale Kognitionen des Jugendlichen herausgearbeitet wurden und der Jugendliche deren negative Wirkung auf die Stimmung besser nachvollziehen kann, besteht der wesentliche Teil der therapeutischen Arbeit in Baustein 3 darin, dysfunktionale Grundannahmen und negativ verzerrte situative Bewertungen zu korrigieren (S32). Der Jugendliche lernt, seine Gedanken auf ihren „Realitätsgehalt“ zu prüfen und durch möglichst realistische, positive Kognitionen zu ersetzen. Der Therapeut sollte sich ausreichend Zeit für die Korrektur dysfunktionaler sozialer Informationsprozesse des Jugendlichen nehmen, vor allem wenn eine situationsübergreifende feindselige Wahrnehmung der Umwelt oder eine übermäßige 86 Selbstwahrnehmung als Opfer das klinische Bild prägen. Besteht die Problematik des Jugendlichen hingegen darin, dass Misserfolge auffallend häufig auf internale, stabile Ursachen zurückgeführt werden (z.B. „Ich bin immer schuld für alles“) und Erfolge umgekehrt meist nicht den eigenen Fähigkeiten zugeschrieben werden (z.B. „Die gute Note in Englisch ist Zufall“), sollte der Jugendliche für diese ungünstigen Kausalattributionen sensibilisiert werden (S24). Therapeutisch werden die als ungünstig identifizierten Attributionsmuster korrigiert, mit dem Ziel, dass der Patient lernt, Erfolge auf persönliche Anstrengungen und individuelle Fähigkeiten zu attribuieren und Misserfolge nicht auf persönliche Inkompetenz zurückzuführen. Elternzentrierte Interventionen: Den Eltern wird in diesem Baustein zunächst erläutert, dass eine negativ verzerrte Interpretation der eigenen Person, der Umwelt und der Zukunft Stimmungsprobleme begünstigt (kognitive Triade sensu Beck) und zur Aufrechterhaltung einer bestehenden affektiven Erkrankung beitragen kann (S25). Dabei sollte den Eltern auch vermittelt werden, dass insbesondere die Abwertung des Jugendlichen durch den Jugendlichen selbst (im Sinne permanenter Selbstkritik) oder durch Andere (z.B. ständige kritische Kommentare seitens der Eltern), zur Entwicklung einer Selbstwertstörung beiträgt bzw. diese aufrechterhält. Mit den Eltern wird erarbeitet, wie sie ihr Kind bei der Korrektur negativer Gedanken unterstützen können, beispielsweise indem sie eine positive, optimistische Grundhaltung vertreten und Misserfolge und Niederschläge angemessen meistern. Mit den Eltern werden auch mögliche dysfunktionale Kognitionen auf Elternebene thematisiert und konkrete Interventionen zur Veränderung dysfunktionaler Kognitionen erarbeitet. Häufig berichten Eltern, dass sie übermäßig besorgt sind um ihr Kind und befürchten, dass es „auf die schiefe Bahn geraten könnte.“ Diese Sorgen werden ausführlich gemeinsam mit den Eltern erörtert. Besteht tatsächlich ein konkreter Anlass für die elterlichen Sorgen, werden diese Faktoren therapeutisch mit dem Jugendlichen bearbeitet. Liegen den Denkmustern der Eltern hingegen eher Denkfehler, wie Katastrophengedanken oder übertriebene Verantwortungsübernahme zugrunde, sollte an der Korrektur der inadäquaten Denkmuster der Eltern gearbeitet werden. In diesem Kontext werden auch die übergeordneten Ängste und Metakognitionen der Eltern (z.B. „Mein Kind schafft nichts ohne meine Unterstützung“) berücksichtigt und nachhaltig therapeutisch bearbeitet. 87 Anzahl der Sitzungen: Es sollten mindestens acht Sitzungen für die Durchführung dieses Bausteins eingeplant werden. Dominieren negative Kognitionen oder neigt der Patient in einer ausgeprägten Weise zu Selbstzweifeln, Selbstkritik, Selbstvorwürfen und Grübeleien, müssen unter Umständen deutlich mehr als acht Sitzungen eingeplant werden. Insbesondere bei Vorliegen vieler biografischer Belastungsfaktoren sollte dem Jugendlichen hinreichend Zeit eingeräumt werden, chronifizierte Denkmuster zu verändern. Therapie-Hausaufgaben – „Jobs der Woche“: Zur Vorbereitung der kognitiven Umstrukturierung sollte der Jugendliche die Arbeitsblätter „Stimmungskiller“ und „Stimmungspusher“ als Hausaufgabe vervollständigen, damit möglichst viele, für den Jugendlichen typische Gedanken gesammelt werden, die aus subjektiver Sicht entweder eine positive oder eine negative Wirkung auf die Stimmung haben. Eine daran anschließende Hausaufgabe in den darauffolgenden Wochen ist, das Auftreten negativer Gedanken täglich zu dokumentieren und diese im nächsten Schritt systematisch als Therapiehausaufgabe zu korrigieren. Wie bereits im Abschnitt zum Ablauf der Therapiesitzungen erläutert worden ist, erscheint es wichtig, zunächst typische Situationen, die Stimmungseinbrüche evozieren, herauszuarbeiten und die damit einhergehenden dysfunktionalen Kognitionen zu erfassen. Als Therapie-Hausaufgabe erhält der Jugendliche den „Job der Woche“, täglich seine Stimmung, mögliche situative Auslöser und damit assoziierte Kognitionen auf dem Arbeitsblatt „Stimmungsbarometer“ zu dokumentieren. Zur Unterstützung der kritischen Auseinandersetzung mit den eigenen negativen Gedanken bietet sich ergänzend als Hausaufgabe an, im häuslichen Umfeld Verhaltensexperimente durchzuführen. So könnte die Überprüfung der Kognition „Immer geht alles schief“ beispielsweise dadurch erfolgen, dass der Jugendliche positive und negative Ereignisse im Wochenverlauf aufschreibt und gemeinsam mit dem Therapeuten den prozentualen Anteil „schief gegangener Situationen“ vs. „nicht schief gegangener Situationen“ ermittelt und in Relation zueinander setzt. Eine alternative Hausaufgabe könnte darin bestehen, für typische, wiederkehrende, negative Kognitionen (z.B. „Niemand mag mich“) einen „Realitäts-Check“, unter Zuhilfenahme des Arbeitsblattes S31, durchzuführen. Der Jugendliche erhält dabei die 88 Aufgabe, zunächst auf einer Skala von 0 bis 100 % einzuschätzen, wie realistisch der Gedanke „Niemand mag mich“ ist. Im zweiten Schritt soll der Jugendliche „Beweise“ für resp. gegen die „Richtigkeit“ des Gedankens suchen. Im letzten Schritt trainiert der Jugendliche, unrealistische Gedanken durch möglichst realistische zu ersetzen. Zur Stabilisierung der Effekte der kognitiven Umstrukturierung kann zusätzlich auch das Arbeitsblatt „Negative Gedanken durch positive Gedanken ersetzen“ (S32) als „Job der Woche“ eingesetzt werden. Da in Baustein 3 auch funktionale und dysfunktionale Kognitionen der Eltern exploriert und ggf. korrigiert werden, besteht eine elterliche Hausaufgabe darin, die Checkliste „Stimmungskiller“ und „Stimmungspusher“ für Eltern auszufüllen. Mit den Eltern kann ebenfalls herausgearbeitet werden, ob ihrem Denken viele Denkfallen zugrunde liegen. Anhand des Arbeitsblattes „Denkfallen“ können die Eltern dabei als Therapiehausaufgabe prüfen, ob, und wenn ja, welche Denkfallen bei ihnen dominieren. In der Therapiestunde könnte dann vertiefend analysiert werden, ob sich die Denkfallen der beiden Elternteile grundsätzlich unterscheiden und welche Unterschiede es zwischen den elterlichen dysfunktionalen Gedanken im Vergleich zu denen des Jugendlichen gibt. Exemplarisch können auch die Eltern zu Hause üben, negativ verzerrte Gedanken durch positive Gedanken zu ersetzen. Mögliche Schwierigkeiten bei der Durchführung des Therapiebausteins Die Bearbeitung dysfunktionaler Kognitionen stellt für eine Vielzahl psychischer Störungen ab der frühen Adoleszenz eine wichtige und zugleich effektive Intervention im Rahmen des kognitiv-behavioralen Behandlungsansatzes dar (Sagar 2015). Einige Jugendliche haben jedoch Schwierigkeiten, auf Anhieb den Zusammenhang zwischen Gedanken, Gefühlen und Verhalten nachzuvollziehen. Manchen Jugendlichen fällt es auch schwer, ihre persönlichen, negativ verzerrten Kognitionen zu identifizieren. In diesem Fall können Gedankenprotokolle oder Stimmungstagebücher hilfreich sein, die der Patient täglich als Therapiehausaufgabe ausfüllt. Neben wichtigen Ereignissen des Tages soll der Jugendliche auch die vorherrschenden Gefühle und nach Möglichkeit einen dominierenden Gedanken des Tages aufschreiben. Sofern der Patient mit dieser Aufgabe überfordert ist, kann der Therapeut anhand der Tagebucheintragungen mit dem Jugendlichen versuchen zu rekonstruieren, welche Gedanken an den einzelnen Tagen hypothetisch dominiert haben könnten. 89 Der Therapeut sollte des Weiteren berücksichtigen, dass es vielen Jugendlichen schwer fällt, ihre negativen Kognitionen durch positive, realistische Alternativgedanken zu ersetzen. Dabei liegt die Herausforderung maßgeblich darin, einen geeigneten Gedanken zu formulieren, der dem Denken und dem Sprachgebrauch des Jugendlichen entspricht. Der Therapeut sollte dem Jugendlichen daher ausreichend Raum dafür geben und ihm dabei helfen, selbständig einen adäquaten Gedanken zu formulieren. Sollte der Jugendliche nicht alleine in der Lage dazu sein, einen positiven, funktionalen Gedanken zu entwickeln, kann der Therapeut exemplarisch einen passenden Gedanken formulieren. Der Therapeut sollte in diesem Kontext beachten, dass sich dysfunktionale Kognitionen auch im Jugendalter nur langsam verändern lassen. Deshalb ist es wichtig, dem Jugendlichen genug Zeit und Raum für Veränderungen der Denkmuster zu lassen. Es ist auch denkbar, dass die Analyse dysfunktionaler Kognitionen des Jugendlichen, aufgrund der biografischen Vorgeschichte, und der evtl. daraus resultierenden Belastungen, starke negative Emotionen auslöst. Das wiederum verringert gelegentlich die Compliance des Jugendlichen, an der Korrektur dysfunktionaler Kognitionen mit dem Therapeuten zu arbeiten. Der Therapeut sollte in diesem Fall in Erwägung ziehen, zunächst die biografischen Auslöser und subjektiven Belastungen des Jugendlichen und ggf. des primären Bezugssystems zu bearbeiten. Die Interventionen, die der Veränderung ungünstiger Kognitionen dienen, können dann zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufgegriffen werden. Auch auf Elternebene ist in Einzelfällen damit zu rechnen, dass es nicht gelingt, elterliche dysfunktionale Kognitionen resp. Denkfallen zu erkennen oder Eltern es nicht schaffen, positive Gedanken in ihren Alltag zu implementieren. Hilfreich ist in solchen Situationen, zunächst zu entpathologisieren, indem man den Eltern beispielsweise vermittelt, dass viele Menschen dysfunktionale Denkmuster haben, und dass insbesondere unrealistische Befürchtungen in Bezug auf die schulische oder soziale Entwicklung des Kindes vielen Eltern Sorge bereitet. Häufig fällt es den Eltern leichter, zunächst ganz allgemein über ihre Befürchtungen zu sprechen und sich erst im nächsten Schritt damit auseinanderzusetzen, ob ihre Befürchtungen realistisch oder unrealistisch sind. 90 4.1.4 Baustein 4: Verbesserung der Impulskontrolle und Affektregulation Indikation: Der Therapiebaustein 4 ist indiziert, wenn der Jugendliche Schwierigkeiten im Bereich der Emotionsdifferenzierung und Affektregulation vorweist, d.h. Defizite in der Wahrnehmung und konkreten Benennung von Gefühlen und der angemessenen Modulation emotionaler Zustände hat. Der Baustein findet zudem Anwendung, wenn eine gestörte Impulskontrolle und eine mangelnde Antizipation möglicher Folgen von Impulsausbrüchen Teil der Symptomatik des Jugendlichen darstellen. Inhalt und Ziele des Therapiebausteins: Da viele Jugendliche Probleme mit dem Erkennen und konkreten Benennen von Emotionen haben, lernen die Jugendlichen zunächst Gefühle präzise zu benennen und voneinander abzugrenzen sowie die dazugehörige Mimik und Gestik zu erkennen. Beispielhaft werden Situationen analysiert, die beim Jugendlichen in der Vergangenheit starke positive oder negative Affekte ausgelöst haben. Ausgehend von einem emotionsaktivierenden Ereignis werden die dazugehörigen Kognitionen, Emotionen und daraus resultierenden Verhaltensweisen und deren Konsequenzen herausgearbeitet. Körperliche Warnsignale, die typischerweise dem impulsiven Verhalten vorausgehen, sollen frühzeitig identifiziert werden und impulsives Verhalten durch situationsangemessene Selbstinstruktionen, die dem Abstoppen des ersten (oft unüberlegten) Handlungsimpulses dienen, reduziert werden. Ergänzend erlernen die Jugendlichen die Methode der kognitiven Neubewertung von Situationen. Therapie-Materialien: S33 Infoblatt Eltern Impulskontrolle und Affektregulation S34 Gefühle unterscheiden lernen S35 Gefühle an der Mimik erkennen S36 Gefühlswelle S37 Räume Dein Gefühlschaos auf S38 Wutprotokoll S39 Wutthermometer S40 Wut: Der Realitäts-Check S41 Stress-Tagebuch 91 Ablauf der Sitzungen: Jugendlichenzentrierte Interventionen: Als Einführung in den Therapiebaustein werden zunächst, in Form eines Brainstormings, möglichst viele Gefühle benannt und eine „Gefühlslandkarte“ erstellt. Der Jugendliche beschreibt zu jedem Gefühl auf der Liste, ob er es kennt, was man unter dem Gefühl versteht und in welchen Situationen dieses Gefühl typischerweise auftreten könnte. Idealerweise beschreibt der Jugendliche auch exemplarisch, in welchen Situationen er das Gefühl schon einmal erlebt hat. Der Jugendliche wird bei Bedarf dabei unterstützt, Emotionen adäquat zu benennen und verschiedene Gefühlsqualitäten zu differenzieren (S34). Im nächsten Schritt lernt der Jugendliche Gefühle an der Mimik oder Gestik zu erkennen. Hierzu können entweder Comicbilder mit verschiedenen Gesichtsausdrücken (z.B. S35), Fotos oder Gesichter aus Zeitschriften herangezogen werden. Denkbar ist auch das pantomimische Darstellen von Emotionen, z.B. in Form eines Ratespiels. Eine für Jugendliche sehr ansprechende Alternative sind sogenannte „Emotionskarten“, die in verschiedenen Formaten für unterschiedliche Altersgruppen, vom Kindergartenalter bis zur Adoleszenz, im Fachhandel erhältlich sind. Für das Jugendalter eignet sich beispielsweise der Einsatz von „Bildimpulse maxi: Emotionen“ (Heragon 2010), „Gemischte Gefühle, die Welt der Gefühle in 42 Karten“ (Follenius 2014) oder auch der Gefühlskarten „Wie geht es Dir?“ von Hanna Hardeland. Zur vertiefendenden Arbeit in Bezug auf das Erkennen von Emotionen und die Regulation von Affekten können die Arbeitsblätter S36 und S37 eingesetzt werden, die sich im Wesentlichen mit der Analyse emotionsaktivierender Situationen, der konkreten Beschreibung des „getriggerten“ Gefühls und damit assoziierter Kognitionen beschäftigen. Ziel ist es, eine situationsangemessene emotionale Reaktion auf Ereignisse zu entwickeln sowie eine adäquate Verhaltensreaktion zu trainieren. Die Arbeitsblätter S36 und S37 eignen sich auch gut in der therapeutischen Arbeit mit Patienten, die sich selbst verletzen. Neben der Förderung der angemessenen Emotionsregulation, besteht ein weiterer Schwerpunkt des Bausteins 4 im Training der Impulskontrolle. Zunächst werden mit dem Jugendlichen Situationen und dadurch hervorgerufene Kognitionen resp. Emotionen herausgearbeitet, die typischerweise zu einem Verlust der Impulskontrolle beim Jugendlichen führen. Typische Situationen, die in diesem Kontext genannt 92 werden, sind Situationen, wie Konflikte mit Peers oder Eltern, Beleidigungen, ungerechte Behandlung durch eine wichtige Bezugsperson oder Situationen, die mit einem Misserfolg assoziiert sind. Nachdem die individuellen „kritischen Situationen“ des Jugendlichen herausgearbeitet wurden, lernt der Jugendliche, körperliche und emotionale Warnsignale (z.B. Herzrasen, Zittern, aufsteigende Wut), die einem Kontrollverlust vorausgehen, frühzeitig zu erkennen und voreilige Handlungen abzustoppen. Zur Analyse der konkreten Auslöser von Wut und Ärger kann ergänzend das „Wutprotokoll“ (S38) eingesetzt werden. Zur Visualisierung resp. Skalierung der Ausprägung der emotionalen Erregung kann außerdem das „Wut-Thermometer“ (S39) herangezogen werden. Manchmal ist es auch sinnvoll, andere Emotionen hinsichtlich ihrer Intensität zu skalieren. Ist beispielsweise eine subjektiv empfundene Kränkung die Ursache für einen wütenden Impulsausbruch, ist es ratsam, das ausgelöste Gefühl der Kränkung hinsichtlich der Ausprägung einzuschätzen. Therapeutisch sollten im weiteren Verlauf auch potentielle Ursachen für die leichte Kränkbarkeit eruiert werden. Liegt den impulsiven Wutausbrüchen eine verzerrte situative Wahrnehmung von Konfliktsituationen zugrunde, sollte vor dem Impulskontrolltraining eine realistische und faire Situationsbewertung trainiert werden und Möglichkeiten zu einer angemessenen (aggressionsinkompatiblen) Reaktion auf Konflikte erarbeitet werden (S40). Hilfreich ist auch das Etablieren eines „Anti-Wut-Gedankens“, der, im Sinne einer positiven Selbstinstruktion (z.B. „Ich bleibe ruhig“ oder „Ich lasse mich nicht provozieren“), zur Reduktion der initial bestehenden Wut und zur Abmilderung der impulsiven Handlungsbereitschaft beitragen soll. Durch Rollenspiele und Übungen im realen Umfeld des Jugendlichen wird abschließend trainiert, die impulsive Reaktionskette zu unterbrechen und sozial angemessen auf wutauslösende Situationen zu reagieren. In Ergänzung zu den bereits erläuterten Interventionen „Emotionsregulation“ und „Impulskontrolle“ beinhaltet der Baustein 4 auch Strategien zur Reduktion des subjektiven Stresserlebens des Jugendlichen (S41). Primär soll der Jugendliche erarbeiten, welche individuellen Faktoren stresserhöhend wirken und wie diese minimiert werden können. Die verschiedenen Stressoren können beispielsweise in Form eines individuellen „Stressmodells“ visualisiert werden. Durch farbliche Markierungen kann kenntlich gemacht werden, ob es sich beispielsweise um einen 93 schulischen, familiären oder freizeitbezogenen Stressor handelt. Häufig nennen Jugendliche als Ursache für erlebten Stress, anstehende Klassenarbeiten, viele Hausaufgaben, schulischen Leistungsdruck oder Termindruck aufgrund zu vieler Freizeitbeschäftigungen. Ein Stresstagebuch kann dazu genutzt werden, Tage zu identifizieren, die als besonders stressreich erlebt werden. Das Praktizieren eines angemessenen Zeitmanagements und das Herstellen einer Balance zwischen Leistungs- und Ruhe-Phasen, werden vertiefend mit dem Jugendlichen geübt. Auch der Einsatz von Entspannungsverfahren kann eine sinnvolle, ergänzende Strategie zur Stressreduktion darstellen. Falls der Jugendliche primär schulischen Leistungsdruck und „Schulstress“ erlebt, sollten die antezedenten Bedingungen, wie überhöhte Leistungsansprüche, falsche schulische Platzierung oder ineffektive Lernstrategien eruiert und ggf. therapeutisch verändert werden. Zur Vertiefung können Interventionen aus dem Modul „Leistungsprobleme“ des Behandlungsprogramms SELBST (Walter 2009) eigesetzt werden. Im Falle einer realen kognitiven Überforderung sollte mit den Eltern, dem Jugendlichen und dem Klassenlehrer ggf. eine schulische Umplatzierung erörtert werden. Elternzentrierte Interventionen: Die Psychoedukation zielt vor allem darauf ab, den Eltern zu verdeutlichen, dass impulsivem und aggressivem Verhalten häufig eine Fehlinterpretation von Situationen zugrunde liegt. Mit den Eltern wird in diesem Kontext auch erarbeitet, dass impulsives Verhalten u. a. durch die Verhinderung bzw. Verzögerung des ersten (oft impulsivunüberlegten) Handlungsimpulses einerseits oder durch die Neubewertung der zugrundeliegenden Konfliktsituation andererseits reduziert werden kann. Die Eltern können ihr Kind bei Bedarf dabei unterstützen, nicht dem ersten Handlungsimpuls nachzugeben, sondern sich zunächst zu beruhigen. Die Eltern sollten versuchen, Ruhe zu bewahren und zur Deeskalation der Situation beizutragen, sofern das impulsive Verhalten primär im familiären Kontext auftritt. Sofern die Eltern ebenfalls Defizite im Bereich der Impulskontrolle und Affektmodulation vorweisen, wird empfohlen, gemeinsam mit der gesamten Familie Deeskalationsstrategien zu erarbeiten. Des Weiteren kann mit den Eltern thematisiert werden, welche Stressfaktoren auf Elternebene vorliegen und ob familiäre Belastungsfaktoren im Zusammenhang mit dem Stresserleben des Jugendlichen stehen. Sofern familiäre 94 Stressfaktoren die Symptomatik des Jugendlichen mit aufrechterhalten, werden diese nach Möglichkeit im Kontext der Elternarbeit bearbeitet. Anzahl der Sitzungen: In der Regel sollten etwa sechs bis acht Sitzungen für diesen Baustein vom Therapeuten eingeplant werden. Steht eine manifeste Störung der Impulskontrolle und Affektregulation, beispielsweise im Sinne einer beginnenden emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ oder eine ausgeprägte Störung des Sozialverhaltens mit impulsiv-aggressivem Verhalten im Vordergrund, werden mitunter deutlich mehr als sechs bis acht Sitzungen benötigt. Bei beginnenden Persönlichkeitsstörungen vom Borderline-Typus sollten unbedingt auch alternative kognitiv-behaviorale Verfahren, wie beispielsweise die „DBT-A: Dialektisch- behaviorale Therapie für Jugendliche“ (Fleischhaker, Sixt, Schulz, 2011) oder bei älteren Jugendlichen das „Interaktive Skills-Training für Borderline-Patienten“ (Bohus & Wolf, 2011) in Erwägung gezogen werden, da das Therapieprogramm SELBST nicht hinreichend geeignet ist zur Behandlung einer manifesten emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung. Therapie-Hausaufgaben – „Jobs der Woche“: Jugendlicher: Wie bereits erläutert, bilden die differenzierte Wahrnehmung von Emotionen und auslösender Bedingungen für negative Affekte die Basis für das Training der Emotionsregulation. Als ergänzende Therapie-Hausaufgabe kann für einige Wochen ein „Wutprotokoll“ vom Jugendlichen geführt werden. Zur Visualisierung der Wutausprägung könnte eine Therapie-Hausaufgabe auch darin bestehen, täglich das Ausmaß der subjektiv erlebten Wut auf dem „Wutthermometer“ zu skalieren. Um individuelle Auslöser für Wutausbrüche besser nachvollziehen zu können, ist es sinnvoll, in Form einer Therapie-Hausaufgabe regelmäßig Auslöser für Impulsausbrüche zu dokumentieren. Es ist zudem unabdingbar, die realistische Einschätzung von Situationen zu trainieren und die Technik der Neubewertung von Wut auslösenden Situationen im Alltag des Jugendlichen zu üben und damit im realen Lebensumfeld zu verankern. Wichtig ist ebenso, dass der Jugendliche zu Hause regelmäßig übt, inadäquate Handlungsimpulse frühzeitig abzustoppen und durch adäquate Verhaltensweisen zu 95 ersetzen. In diesem Kontext erhält der Jugendliche auch die Hausaufgabe, Selbstinstruktionen, wie z.B. „Ich ritze mich nicht, wenn ich frustriert bin“ oder „Ich lasse mich nicht provozieren“ bei drohendem Verlust der Impulskontrolle anzuwenden. Zur Reduktion des Stresserlebens kann der Jugendliche als Hausaufgabe zunächst ein Stresstagebuch führen, um mögliche Stressoren, die das allgemeine Wohlbefinden beeinträchtigen, zu identifizieren. Ein weiterer „Job der Woche“ könnte darin bestehen, einen Wochenplan zu führen, der alle wichtigen Termine und Verpflichtungen beinhaltet. Die Hausaufgabe könnte im weiteren Verlauf dahingehend erweitert werden, Termine vorausschauend zu planen (z.B. frühzeitiges Einplanen von Lernzeiten vor Klassenarbeiten) und anstehende Termine sinnvoll über die Woche hinweg zu verteilen, um eine Terminkumulation an bestimmten Tagen zu verhindern. Sofern die Bereitschaft zur Anwendung von Entspannungsverfahren beim Jugendlichen besteht, könnte eine Therapie-Hausaufgabe auch darin bestehen, jeden Abend ein zuvor eingeübtes Verfahren, wie die progressive Muskelrelaxation, zu praktizieren. Auch der Einsatz von Handy-Apps zur Entspannung ist sinnvoll. Eltern: Wenn das familiäre Leben geprägt ist von vielen Konflikten und das impulsive Verhalten des Jugendlichen begünstigt wird durch unangemessene Verhaltensreaktionen der Eltern (z.B. aggressive Beschuldigungen und Vorwürfe, Androhen von harschen Strafen), üben die Eltern in Form einer TherapieHausaufgabe, bei Konflikten möglichst ruhig und sachlich zu reagieren und Konflikte nicht weiter anzuheizen. Berichten die Eltern, im häuslichen oder beruflichen Umfeld viel Stress zu erleben, können die oben beschriebenen Interventionen zur Stressreduktion (Wochenplan…etc.) auch im Alltag der Eltern etabliert werden. Mögliche Schwierigkeiten bei der Durchführung des Therapiebausteins Die größte Herausforderung bei der Durchführung des Therapiebausteins 4 besteht darin, eine angemessene Impulskontrolle zu etablieren. Dies liegt zum einen daran, dass impulsive Verhaltensreaktionen in der Regel hoch automatisiert ablaufen. Vielen Jugendlichen fällt es folglich schwer, unter Wut und Anspannung die erlernten Techniken zur Verbesserung der Impulskontrolle anzuwenden. Es erfordert zweifelsohne viel Geduld und Training seitens des Jugendlichen, maladaptives 96 Verhalten abzustoppen und alternative, angemessene Verhaltensweisen anzuwenden. Manchen Jugendlichen gelingt es zudem nur mit viel Übung, körperliche Warnsignale, die einem Impulskontrollverlust vorausgehen, frühzeitig zu erkennen. Die verzögerte oder fehlende Wahrnehmung internaler emotionaler und körperlicher Prozesse wiederum erschwert das frühzeitige Abstoppen unangemessener Verhaltensreaktionen. Eine ungünstige Konstellation ist auch gegeben, wenn nicht nur der Jugendliche zu aggressiv-impulsivem Verhalten neigt, sondern auch die Eltern. Die Eltern stellen in diesem Fall ein ungünstiges Rollenvorbild für den Jugendlichen dar, was wiederum - im lerntheoretischen Sinne - das Erlernen alternativer Verhaltensweisen erschwert. Ein weiteres Problem ergibt sich, wenn die identifizierten individuellen Stressoren des Jugendlichen oder die familiären Stressoren sich nicht ausreichend im Verlauf der Therapie reduzieren lassen. Dies kann die Bereitschaft zur Mitarbeit, sowohl auf Seiten des Jugendlichen, als auch auf Seiten der Eltern, nachhaltig beeinträchtigen und zu einem vorzeitigen Therapieabbruch führen (z.B. infolge erschöpfter familiärer Ressourcen). Deshalb sollte der Therapeut, so früh wie möglich potentielle Belastungen der Familie bearbeiten und die familiären Ressourcen, nach Möglichkeit, bereits in der Anfangsphase der Therapie stärken. In einigen Fällen kann es sinnvoll sein, elterliche Belastungen zu reduzieren, indem Aufgaben und Verpflichtungen der Eltern beispielsweise an die Großeltern oder andere Bezugspersonen delegiert werden (z.B. Hausaufgabenbetreuung durch Großeltern, Nachhilfe durch älteren Mitschüler). 4.1.5 Baustein 5: Steigerung der Problemlösefähigkeiten Indikation: Viele Jugendliche einhergehend mit haben, zum einer hohen Teil bedingt durch Misserfolgserfahrungen, Misserfolgserwartungen und mangelndem Kompetenzvertrauen, Schwierigkeiten ihre Probleme selbständig zu lösen und geeignete Strategien zur Bewältigung von persönlichen Schwierigkeiten zu entwickeln. Das „Problemlöse-Training“ ist indiziert, wenn der Jugendliche in alltäglichen Situationen nicht über zielführende Problemlösestrategien verfügt. Da es sich hierbei um ein universelles Problemlösetraining handelt, kann es problemübergreifend, beispielsweise bei familiären Auseinandersetzungen, bei Problemen mit Peers oder Konflikten im schulischen Bereich, eingesetzt werden. 97 Inhalt und Ziele des Therapiebausteins: Der Jugendliche wird, nach der Exploration relevanter individueller Problembereiche, gefolgt von einer detaillierten Problembeschreibung, darin angeleitet, für die definierten Probleme möglichst viele verschiedene (Teil-)Lösungen zu generieren. Diese sollen im nächsten Schritt hinsichtlich deren Realisierbarkeit beurteilt werden. Auch die Antizipation möglicher Schwierigkeiten (Barrieren) bei der Umsetzung der erarbeiteten Problemlösungen bildet einen Aspekt des Trainings. Des Weiteren stellen kognitiv-motivationale Aspekte, die für eine angemessene Problemlösung relevant sind, wie die Förderung einer ausreichend hohen Kompetenzeinschätzung und die Stärkung der Erfolgserwartung, wichtige Inhalte des Trainings dar. Nach Abwägung der Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Lösungsansätze und der Auswahl einer angemessenen Problemlösestrategie, übt der Jugendliche, die ausgewählte Strategie präzise in Bezug auf ihre Umsetzung zu planen. Im letzten Schritt folgt dann die konkrete Umsetzung. Ziel des Therapiebausteins ist, die Copingstrategien des Jugendlichen im Allgemeinen, und die Fähigkeit zum aktiven, lösungsorientierten Handeln im Spezifischen, zu erweitern. Weitere Ziele, die verfolgt werden, stellen die Stärkung der subjektiven Kompetenzwahrnehmung des Jugendlichen und die Förderung aktiver Problembewältigungsmuster dar, die zu einer besseren Alltagsbewältigung beitragen sollen. Therapie-Materialien: S42 Infoblatt Eltern Problemlösefertigkeiten S43 Problemlöse-Training S44 Übungsbeispiele Problemlöse-Training Ablauf des Therapiebausteins: Jugendlichenzentrierte Interventionen: Einleitend werden – Bezug nehmend auf die zu Beginn der Therapie explorierten Hauptproblembereiche – relevante, aktuelle Probleme des Jugendlichen thematisiert und zunächst ein Problem benannt, das im Rahmen des Problemlöse-Trainings exemplarisch bearbeitet werden soll. Der Therapeut sollte darauf achten, dass im ersten Schritt ein Problem ausgewählt wird, welches mit Unterstützung des 98 Therapeuten gut zu lösen ist. Zur Verdeutlichung der einzelnen Problemlöseschritte eignet sich am besten ein Problem, das nicht allzu viel Belastung, aber hinreichend Leidensdruck beim Jugendlichen verursacht. Wird ein Problemen ausgewählt, welches keinen Leidensdruck beim Jugendlichen auslöst, ist zu erwarten, dass die Problemlösebereitschaft und ggf. die Änderungsmotivation nicht ausreichend hoch sind. Umgekehrt sollte auch darauf geachtet werden, den Jugendlichen, z. B. durch die Wahl eines zu komplexen Problems, nicht zu überfordern oder durch fehlgeschlagene Lösungsversuche zu demoralisieren. Nachdem ein geeignetes Problem ausgewählt wurde, welches der Jugendliche bewältigen möchte, werden theoretisch, unter Zuhilfenahme des Arbeitsblattes S43, die einzelnen Schritte des Problemlöseansatzes erläutert. Zur besseren Verdeutlichung können anhand eines fiktiven Problems die aufeinanderfolgenden Lösungsschritte in der Therapiestunde durchgespielt werden. Wenn der Jugendliche die einzelnen Schritte des Problemlöse-Trainings verstanden hat, wird der Problemlöseansatz auf das zuvor definierte Problem angewendet. Dabei soll der Jugendliche zunächst detailliert das Problem (z.B. häufiges Zuspätkommen in der Schule) und die damit zusammenhängenden Nachteile (z.B. Verpassen von Schulstoff, Klassenbucheintrag, Konflikte mit Lehrern…) beschreiben und die daraus potentiell resultierenden mittelfristigen, negativen Konsequenzen (z.B. substantielle Leistungseinbußen, Schulverweis) antizipieren. Im nächsten Schritt ermutigt der Therapeut den Jugendlichen, in einem Brainstorming möglichst viele Lösungsmöglichkeiten für das definierte Problem zu generieren. Dabei fordert der Therapeut den Jugendlichen explizit auf, möglichst viele kreative Lösungen zu benennen, ohne zunächst auf deren praktische Realisierbarkeit zu achten. Alle Lösungsmöglichkeiten werden aufgeschrieben und anschließend in Hinblick auf ihre Realisierbarkeit beurteilt. Die drei Lösungsmöglichkeiten, die dem Jugendlichen am besten realisierbar erscheinen, werden im nächsten Schritt hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile beurteilt. Anschließend wählt der Jugendliche eine Problemlösestrategie aus, die gut realisierbar ist und die, entsprechend der Vor- und Nachteilanalyse, die meisten Vorteile bietet. Danach wird ausführlich die praktische Umsetzung der Problemlösestrategie geplant. Der Jugendliche soll schon bei der Planung der Lösungsumsetzung potentielle Barrieren berücksichtigen und geeignete Maßnahmen 99 zur Überwindung von Hindernissen einplanen. Besonders wichtig ist in diesem Kontext, dass der Therapeut nicht nur potentielle Schwierigkeiten in der Umsetzung der Problemlösestrategie mit dem Jugendlichen bespricht, sondern umgekehrt auch explizit eine positive Wahrnehmung der persönlichen Kompetenzen des Jugendlichen fördert. Neben der Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung stellt eine weitere wichtige therapeutische Intervention dar, die Erfolgserwartung des Jugendlichen zu stärken und dadurch die Motivation zur Umsetzung der Problemlösestrategie zu erhöhen. Im letzten Schritt folgt die praktische Umsetzung der erarbeiteten Problemlösestrategie im realen Lebenskontext des Jugendlichen. Wenn der Jugendliche unsicher ist, ob er das Problem alleine lösen kann, sollte gegebenenfalls vor der konkreten Problemlösung erörtert werden, wer ihm bei der Umsetzung der Lösung behilflich sein könnte. Nach erfolgter Lösung des Problems beurteilt der Jugendliche mit dem Therapeuten, wie gut die Problemlösung gelungen ist. Die folgende Therapiestunde sollte dazu genutzt werden mögliche Optimierungsvorschläge zu erarbeiten. Sofern die Problemlösung erfolgreich war, findet der Problemlöse-Ansatz bei anderen definierten Probleme des Jugendlichen Anwendung. Elternzentrierte Interventionen: Die Eltern werden über den Zweck und das Ziel des Problemlöse-Trainings aufgeklärt und erhalten eine kurze Erläuterung der einzelnen Schritte des Problemlösetrainings (S42). Zur besseren Internalisierung der Strategien des Problemlöseansatzes ist es ratsam, das Problemlöse-Training exemplarisch auch in Bezug auf familiäre Probleme anzuwenden. Anzahl der Sitzungen: In der Regel werden etwa drei bis vier Sitzungen für die Vermittlung und Erprobung der Strategien des Problemlöse-Trainings benötigt. Liegen besonders viele Probleme vor bzw. neigt der Jugendliche in besonderem Maße zur Problemvermeidung oder Problembagatellisierung, müssen mitunter deutlich mehr Sitzungen für diesen Baustein veranschlagt werden. Wichtig ist die vertiefende praktische Anwendung adäquater Problemlöse-Skills im Alltag des Jugendlichen, die idealerweise während des gesamten Therapiezeitraums erfolgt. 100 Therapie-Hausaufgaben – „Jobs der Woche“: Jugendlicher: Die in der Therapiestunde vermittelten Problemlöseschritte sollen vertiefend in Form einer Therapie-Hausaufgabe im realen Lebensumfeld praktiziert werden. Wichtig ist, dass das Praktizieren aktiver Problemlösestrategien konkret im Kontext, in dem das Problem üblicherweise auftritt, erfolgt. Der „Job der Woche“ besteht für den Jugendlichen folglich in der Umsetzung der erarbeiteten Problemlösung im Alltag. Eine weitere daran anknüpfende Hausaufgabe könnte darin bestehen, einzuschätzen, wie erfolgreich die Problemlösung gelungen ist und welche persönlichen Kompetenzen des Jugendlichen zur Problemlösung beigetragen haben. Eltern: Auf familiärer Ebene wäre eine sinnvolle Hausaufgabe, den Problemlöse-Ansatz auf alltägliche familiäre Probleme anzuwenden. Verschiedene Übungsbeispiele können dem Arbeitsblatt S44 entnommen werden. Mögliche Schwierigkeiten bei der Durchführung des Therapiebausteins Da das Problemlöse-Training leicht zu verstehen ist, werden erfahrungsgemäß nur wenige Schwierigkeiten bei der Planung der Lösungsschritte erwartet. Eine Herausforderung stellt gelegentlich jedoch die Realisierung der einzelnen Lösungsschritte dar. Die Umsetzung des Problemlöse-Trainings wird umso komplexer, je mehr Personen, wie beispielsweise Eltern oder Geschwister, im Problemlöseprozess involviert sind. Denkbar ist auch, dass der Jugendliche eventuell fixiert ist auf eine ungünstige Lösungsstrategie für sein Problem (z.B. passive oder vermeidende Problemlösung) und daher nur schwer eine aktive Problemlösestrategie in Erwägung ziehen kann. Der Therapeut sollte daher bereits in der Vorbereitungsphase des Trainings darauf achten, dass der Jugendliche, ggf. mit Unterstützung, möglichst viele aktive Problembewältigungsstrategien beim Brainstorming benennt. Oft ist der Hinweis, dass ausdrücklich auch ausgefallene Lösungsstrategien erwünscht sind, hilfreich. Denkbar ist auch, dass der Jugendliche zu Beginn des Trainings ein zu komplexes oder zu schwer zu lösendes Problemverhalten aussucht. Der Therapeut sollte sich nicht scheuen, den Jugendlichen auf diesen Sachverhalt hinzuweisen und als Einstiegsübung ein relativ leicht zu lösendes Problem auswählen, um den Jugendlichen nicht zu frustrieren. 101 Manchmal passiert es, dass das Problem trotz korrekter Anwendung der einzelnen Problemlöseschritte nicht befriedigend gelöst werden konnte. Ein möglicher Grund für eine nicht erfolgreiche Problemlösung könnte sein, dass potentielle oder real bestehende Schwierigkeiten in der Umsetzung der Lösung nicht ausreichend thematisiert worden sind bzw. dass Barrieren im Vorfeld nicht hinreichend minimiert werden konnten. Der Therapeut sollte daher bei der Planung der Umsetzung der Lösungsstrategie ausreichend Zeit für die Diskussion möglicher Schwierigkeiten mit dem Jugendlichen einplanen und nach Möglichkeit im Vorfeld sämtliche Barrieren aus dem Weg räumen. Es ist auch ratsam, in der Therapiestunde detailliert zu erarbeiten, welche zusätzlichen Hilfen der Jugendliche zur Problemlösung benötigt. Es sollte dabei genau dokumentiert werden, welche Person dem Jugendlichen, in welcher Art und Weise, beim Lösen des Problems behilflich sein wird. 4.1.6 Baustein 6: Erweiterung der sozialen Kompetenzen Indikation: Der Therapiebaustein 6 findet primär bei Jugendlichen Anwendung, die im sozialen Kontext unsicher und wenig kompetent auftreten. Typsicherweise handelt es sich dabei um Jugendliche, die beispielsweise Schwierigkeiten haben, Wünsche oder Forderungen angemessen durchzusetzen, ihre Bedürfnisse zu artikulieren, sich für ihre Rechte einzusetzen oder Probleme im adäquaten Umgang mit Kritik haben. Des Weiteren können die therapeutischen Materialien des Bausteins 6 eingesetzt werden, wenn der Jugendliche noch nicht über ausreichend entwickelte soziale Fertigkeiten in Bezug auf die Kontaktaufnahme und Kontaktgestaltung zu Gleichaltrigen verfügt oder Schwierigkeiten hat, Freundschaften langfristig aufrecht zu erhalten. Der Baustein eignet sich sowohl im Rahmen der Arbeit mit Jugendlichen, die zu dominantaggressiver Kontaktaufnahme neigen, als auch für Jugendliche, bei denen soziale Unsicherheit oder soziale Ängstlichkeit im Vordergrund der Symptomatik stehen. Inhalt und Ziele des Therapiebausteins: Als Einführung in den Therapiebaustein 6 wird psychoedukativ der Zusammenhang zwischen selbstsicherer Körpersprache und sozial kompetentem Verhalten erläutert. 102 Ergänzend werden Grundregeln der Gesprächsführung und Kontaktaufnahme zu Gleichaltrigen eingeführt, die zunächst in Rollenspielen während der Therapiesitzung eingeübt werden und später in möglichst realitätsnahen Alltagssituationen des Jugendlichen gefestigt werden müssen. Es empfiehlt sich, die Rollenspiele mit der Videokamera aufzuzeichnen, um dem Jugendlichen eine detaillierte Rückmeldung über das gezeigte Verhalten und ggf. Veränderungshinweise geben zu können. Neben dem Training selbstsicheren Auftretens gegenüber Peers und Erwachsenen sind auch das Üben und Praktizieren einer altersangemessenen Kontaktgestaltung zu Gleichaltrigen sowie das Formulieren von Wünschen und Bedürfnissen Bestandteil des Trainings. Die Förderung einer adäquaten Kritikfähigkeit, im Sinne einer angemessenen Reaktion auf kritische Äußerungen, bildet einen weiteren Schwerpunkt des Therapiebausteins 6. Ist das sozial inkompetente Verhalten nicht primär auf mangelnde Fertigkeiten zurückzuführen, sondern beruht maßgeblich auf sozialer Ängstlichkeit, kann mit dem Jugendlichen ergänzend ein graduiertes Expositionstraining, bezogen auf verschiedene angstauslösende soziale Situationen, durchgeführt werden. Sind die sozialen Kompetenzdefizite assoziiert mit expansivaggressivem Verhalten, sollte vor der Durchführung des sozialen KompetenzTrainings ein Training der Impulskontrolle und Affektregulation erfolgen. Sowohl bei aggressiv-impulsiven Jugendlichen, als auch bei ängstlichen und depressiven Jugendlichen wird die Videoaufzeichnung der Rollenspiele für ein differenziertes Feedback empfohlen. Therapie-Materialien: S45 Infoblatt Jugendlicher Selbstsicheres Auftreten und Unsicherheit S46 Infoblatt Eltern Förderung sozialer Kompetenzen S47 Cooles Auftreten – so klappt es S48 Kontakte knüpfen zu Gleichaltrigen S49 Selbstsicheres Verhalten in schwierigen Situationen S50 Protokoll Selbstsicheres Verhalten S51 Umgang mit Kritik S52 Wünsche angemessen durchsetzen 103 Ablauf der Sitzungen: Jugendlichenzentrierte Interventionen: Einleitend wird im Rahmen der Psychoedukation erläutert, was unter „sozialer Kompetenz“ und unter „selbstsicherem Verhalten“ verstanden wird und der Jugendliche wird aufgefordert, Beispiele für selbstsicheres Verhalten zu benennen. Idealerweise benennt der Jugendliche in diesem Zusammenhang eigene sozial kompetente Verhaltensweisen oder Eigenschaften anderer Jugendlicher, die eine selbstsichere Haltung nach Außen spiegeln. Gelingt das dem Jugendlichen nicht, kann der Therapeut beispielhaft Verhaltensweisen benennen, die auf eine selbstsichere Haltung eines Jugendlichen schließen lassen, wie beispielsweise die Fähigkeit auf andere Jugendliche zuzugehen, ein Gespräch anzufangen oder eine andere Meinung zu vertreten, als die Peergroup. Alternativ kann das Arbeitsblatt S45 genutzt werden, das eine Auflistung prototypischer selbstsicherer und selbstunsicherer Verhaltensweisen von Jugendlichen als psychoedukative Gesprächsgrundlage beinhaltet. Im Anschluss an die Psychoedukation bietet sich an, Regeln der Gesprächsführung (Kommunikationsregeln) und der Kontaktaufnahme zu Gleichaltrigen, beispielsweise unter Zuhilfenahme des Arbeitsblattes S47, einzuführen. Der Jugendliche wird gebeten, die eingeführten Kommunikationsregeln als Übung in der Therapiestunde anzuwenden. So könnten die vereinbarten Regeln z.B. lauten, den Therapeuten im Gespräch häufiger anzuschauen, laut und deutlich zu sprechen, gezielt eine Nachfrage zu stellen, die zum Gesprächsthema passt etc. Es wird empfohlen, sofern eine Zustimmung zur Aufzeichnung von Therapiesitzungen vorliegt, einzelne Therapiesequenzen aufzuzeichnen. Mit dem Jugendlichen kann dann im Nachgang gemeinsam beurteilt werden, wie gut es ihm gelungen ist, sich im Gespräch an die vereinbarten Kommunikationsregeln zu halten. Dabei sollte der Therapeut dem Jugendlichen, wenn nötig, auch geeignete Vorschläge zur Optimierung seines selbstsicheren Auftretens geben. Bei Bedarf können sukzessive weitere Gesprächsregeln eingeführt werden, wobei schrittweise auch der Anwendungskontext der Regeln (zu Hause, in der Schule, im Rahmen der Freizeitgestaltung…) erweitert werden sollte. 104 Mit Jugendlichen, die nur wenige stabile Freundschaften zu Peers pflegen, oder gar keine dauerhaften Freundschaften vorweisen, kann an der Vermittlung von Strategien zur Kontaktaufnahme und Aufrechterhaltung von Freundschaften (S48) gearbeitet werden. Bevor soziale Fertigkeiten zur Kontaktaufnahme und –gestaltung etabliert werden, sollte der Therapeut ausführlich die Hintergründe der unzureichenden sozialen Integration des Jugendlichen explorieren. Viele Adoleszenten wurden in der Vergangenheit viktimisiert und haben Angst auf andere Gleichaltrige zuzugehen, weil sie befürchten wieder Zielscheibe einer Viktimisierung zu werden. Andere Jugendliche scheuen sich aktiv auf Peers zuzugehen, aus Sorge etwas „Falsches“, „Dummes“ oder „Peinliches“ zu sagen und sich dadurch zu blamieren. Eine andere typische Befürchtung von Adoleszenten ist, den Gesprächspartner durch uninteressante Gesprächsthemen zu „langweilen.“ Viele Jugendliche können in diesem Kontext auch konkrete Situationen benennen, in denen es ihnen nicht gelungen ist, ungezwungen und angstfrei ein Gespräch mit Peers zu führen. Handelt es sich bei den Befürchtungen einer potentiellen Blamage jedoch um unrealistische, übertriebene Gedanken, die eine Kontaktaufnahme zu anderen Peers erschweren, sollte zunächst an der Korrektur der dysfunktionalen, angst- und schamauslösenden, Kognitionen gearbeitet werden. Sofern der Jugendliche, beispielsweise aufgrund mangelnder Gelegenheiten infolge sozialer Desintegration, nicht gelernt hat, auf Gleichaltrige zuzugehen und ein Gespräch zu initiieren, ist es ratsam, kleinschrittig den Ablauf von alltäglichen Gesprächen zu besprechen. In diesem Kontext sollten auch mögliche Themen für einen „small talk“ mit Gleichaltrigen gesammelt werden. Daran anschließend kann der geschützte therapeutische Rahmen für kleine Rollenspiele, beispielsweise zum Thema „Kontakte knüpfen auf dem Schulhof“ oder „small talk mit einem Mitschüler auf dem Schulweg“, genutzt werden. Wie bereits beschrieben, bietet sich auch hier die Aufnahme der Rollenspiele an, um dem Jugendlichen ein differenziertes Videofeedback geben zu können. Zum Transfer der Kompetenzen in den Alltag des Jugendlichen - sowie zur Festigung der neu erworbenen sozialen Fertigkeiten - übt der Jugendliche im weiteren Therapieverlauf, in möglichst vielen realen Alltagssituationen, die Kontaktaufnahme zu Peers. Potentielle Schwierigkeiten, die sich bei der Kontaktaufnahme im Umfeld des Jugendlichen zeigen, werden in den folgenden Therapiestunden gemeinsam mit dem Jugendlichen analysiert und Möglichkeiten zur Optimierung der Kontaktgestaltung werden aufgezeigt. 105 Eine weitere wichtige Komponente souveränen Auftretens bildet die Fähigkeit auf kritische Äußerungen angemessen zu reagieren resp. konstruktiv mit Kritik umzugehen. Jugendliche, die eine defizitorientierte Selbstwahrnehmung haben, fühlen sich durch Kritik häufig persönlich angegriffen und werten kritische Äußerungen als Beleg für ihre eigene Unzulänglichkeit. Ein Schwerpunkt in Baustein 6 bildet dementsprechend bei Jugendlichen, die über keine adäquate Kritikfähigkeit verfügen, die Förderung eines situationsangemessenen Umgangs mit Kritik (S51). Der Therapeut unterstützt den konstruktiven Umgang mit Kritik, indem er mit dem Jugendlichen trainiert zu hinterfragen, was genau kritisiert wird. Er übt mit dem Jugendlichen außerdem differenzierter einzuschätzen, ob die Kritik gerechtfertigt ist oder nicht. Zudem leitet der Therapeut den Jugendlichen dabei an, präzise zu überprüfen, ob die Kritik sich auf die gesamte Person bezieht oder primär auf ein bestimmtes unerwünschtes Verhalten des Jugendlichen zielt. Mögliche Fehlinterpretationen und ungünstige Kausalattributionen sollen dadurch aufgedeckt und korrigiert werden. Im therapeutischen Kontext berichten viele Jugendliche auch von Schwierigkeiten in Bezug auf das angemessene Durchsetzen von Wünschen und die Formulierung von Forderungen gegenüber Peers und Eltern. In Baustein 6 lernt der Jugendliche daher Strategien kennen, die die Durchsetzungsfähigkeit gegenüber Gleichaltrigen und Erwachsenen stärken (S52) und das adäquate Formulieren von Wünschen, Bedürfnissen und Forderungen unterstützen. Der Transfer der Strategien in den Alltag des Jugendlichen erfolgt, wie in den anderen Bausteinen, über TherapieHausaufgaben. Bei sozial phobischen Patienten wird beispielsweise eine graduierte Exposition in zunehmend schwieriger werdenden Alltagssituationen trainiert. Elternzentrierte Interventionen: Die Elternarbeit in Baustein 6 beginnt mit der Aufklärung über prototypische sozial kompetente Verhaltensweisen, die üblicherweise im Entwicklungsverlauf vom Kindeszum Jugendalter erworben werden. Im Rahmen der Psychoedukation lernen Eltern, wie sie ihr Kind beim Training von selbstsicherem Auftreten und der Entwicklung einer altersangemessenen Durchsetzungsfähigkeit unterstützen können (S46). Mit den Eltern werden die Gesprächsregeln des Arbeitsblattes „Wünsche angemessen durchsetzen“ (S52) besprochen und die Eltern werden instruiert, diese gemeinsam mit 106 ihrem Kind bei künftigen Diskussionen einzuhalten. Die Eltern werden außerdem in ihrer Vorbildfunktion dafür sensibilisiert, den Jugendlichen bei Meinungsverschiedenheiten aussprechen zu lassen und Diskussionen in einer angemessenen Tonlage zu führen. Sie werden zudem darin bestärkt, die Meinung ihres Kindes zu respektieren, auch wenn sie anderer Meinung sind. Im weiteren Therapieverlauf bittet man die Eltern und den Jugendlichen, alltägliche Probleme, die häufig zu familiären Auseinandersetzungen führen und die sie gerne bearbeiten wollten, aufzulisten. Die Familie erhält anschließend die Aufgabe, das Problem - unter Berücksichtigung der erarbeiteten Gesprächsregeln und Wahrung einer wechselseitigen respektvollen Haltung - zu diskutieren. Die Eltern und der Jugendliche üben dabei in erster Linie, den anderen ausreden zu lassen, Ich-Botschaften zu nutzen, die Perspektive des Gesprächspartners besser nachzuvollziehen und zufriedenstellende Kompromisse zu schließen. Dem Jugendlichen sollten in diesem Zusammenhang ausreichend Möglichkeiten geboten werden, seine Wünsche angemessen zu artikulieren und diese auch erfolgreich durchzusetzen. Anzahl der Sitzungen: Für die Durchführung des Therapiebausteins 6 sollten etwa sechs bis acht Sitzungen eingeplant werden. Liegen besonders stark ausgeprägte soziale Kompetenzdefizite in Kombination mit sozial phobischen Verhalten vor, kann sich das Training sozialer Fertigkeiten über mehrere Monate erstrecken. Therapie-Hausaufgaben – „Jobs der Woche“: Jugendlicher: Im Rahmen des Trainings sozialer Fertigkeiten bieten sich eine Reihe von TherapieHausaufgaben an. Der Jugendliche kann bereits zu Beginn des Trainings, in Form eines „Jobs der Woche“, üben, eine lockere, selbstbewusste Körperhaltung und Blickkontakt in möglichst vielen Alltagssituationen zu praktizieren. Auch die Regeln der Gesprächsführung werden als „Job der Woche“ in geeigneten Situationen zu Hause oder in der Schule eingeübt. Trainiert der Jugendliche die Kontaktaufnahme zu Peers, erhält er die Hausaufgabe, den Ablauf der Kontaktanbahnung und dabei aufgetretene Schwierigkeiten zu protokollieren. Eine weitere Hausaufgabe könnte darin bestehen, zu Hause zu trainieren, Wünsche gegenüber Eltern oder Geschwistern angemessen zu formulieren und durchzusetzen. Alternativ kann der Jugendliche in Form einer 107 Therapie-Hausaufgabe üben, gegenüber Gleichaltrigen angemessen Forderungen zu stellen oder sich besser durchzusetzen. Wichtig bei all diesen Aufgaben ist, dass diese zuvor kleinschrittig in der Therapiestunde eingeübt und erprobt wurden. Häufig ist es auch sinnvoll, diese zunächst gemeinsam mit dem Jugendlichen außerhalb des therapeutischen Settings zu erproben, um die Erfolgs- und Kompetenzerwartungen des Jugendlichen zu stärken. Eltern: Die Eltern können bei der Familien-Hausaufgabe die Funktion übernehmen, auf einen respektvollen Umgang aller Familienmitglieder bei Diskussionen zu achten und den Jugendlichen bei der angemessenen Formulierung und Durchsetzung von Wünschen anzuleiten. Auch bei der initialen Kontaktaufnahme zu Gleichaltrigen können Eltern ihr Kind unterstützen, beispielsweise indem sie den Jugendlichen an regelmäßige Verabredungen erinnern und Treffen mit Peers explizit unterstützen. Mögliche Schwierigkeiten bei der Durchführung des Therapiebausteins Eine Schwierigkeit, die sich zu Beginn des Trainings sozialer Fertigkeiten oft zeigt, ist die mangelnde Bereitschaft zu Rollenspielen. Meist nennen Jugendliche Gründe, wie Scham oder Angst vor einer Blamage. Oft verweigern sie in diesem Zusammenhang auch die Zustimmung zur Videoaufzeichnung der Rollenspiele. Durch die Betonung des vertraulichen Umgangs mit dem Videomaterial und die Versicherung, die aufgezeichneten Rollenspiele zeitnah zu löschen, lassen sich viele Jugendliche in der Regel gut überzeugen – insbesondere wenn man die Vorteile des Videofeedbacks hervorhebt. Der Therapeut sollte bei der Planung der Therapie-Hausaufgaben beachten, dass manche Jugendliche nur eingeschränkt die Möglichkeit haben, die erlernten Regeln der Gesprächsführung oder der angemessenen Kontaktaufnahme zu Gleichaltrigen in vivo zu festigen (z. B. aufgrund sozialer Isolation). Befindet der Jugendliche sich in einer devianten Peergroup, ist eine angemessene Kontaktaufnahme und Kontaktgestaltung häufig unerwünscht und wird durch den sozialen Gruppendruck oft verhindert. Ein weiteres Problem stellen Jugendliche dar, die keine Motivation haben, ihr aggressives Durchsetzen von Wünschen und Forderungen durch angemessenes Verhalten zu ersetzen. In diesem Fall kann es hilfreich sein, die Nachteile aggressiven Durchsetzens von Wünschen herauszuarbeiten, wie z. B. häufige Konflikte, soziale 108 Ablehnung, Verfestigung einer Außenseiter-Rolle. Denkbar ist auch, dass der Jugendliche die Fortschritte hinsichtlich seines selbstsicheren Auftretens nicht protokolliert, weil es gar nicht geübt worden ist oder weil das Ausfüllen des Protokolls dem Jugendlichen zu aufwendig erscheint. Weigert der Jugendliche sich beharrlich, den Kompetenzzuwachs resp. mögliche Barrieren bei der Umsetzung der sozialen Fertigkeiten zu dokumentieren, kann der Therapeut die Therapiestunden dazu nutzen, Erfolge und Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung der Verhaltensregeln rückwirkend zu erfragen. 109 5 Methodik 5.1 Studiendesign Zur Überprüfung der Wirksamkeit des Therapiemoduls „Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme“ wurde für die vorliegende Pilotstudie ein Eigenkontrollgruppen-Design („within-subject-design“) gewählt. Dabei stellte die Ausprägung der Symptomatik der Probanden während der behandlungsfreien 6-wöchigen Wartezeit vor Therapiebeginn (Baseline-Phase) die Kontrollbedingung dar, die mit der Symptomausprägung während der Interventionsphase, die 24 Therapiestunden umfasste, verglichen wurde. Im Rahmen der Studienplanung wurden für die Pilotstudie insgesamt sieben Messzeitpunkte (MZP) definiert. Dem Erstkontakt schloss sich eine ausführliche Eingangsdiagnostik an (MZP 1), die der Erhebung der Symptomatik des Patienten diente (Statusdiagnostik). Neben der depressiven Symptomatik wurde auch das Ausmaß komorbider Störungen sowie die Ausprägung der Selbstwertproblematik erhoben. Sofern keine Vorbefunde zum Intelligenz-Niveau des Patienten vorlagen, fand eine mehrdimensionale Testung der kognitiven Leistungsfähigkeit statt, um sicherzustellen, dass das Einschlusskriterium IQ > 80 erfüllt ist. Der Eingangsdiagnostik folgte eine sechswöchige Wartezeit (Baseline-Phase) von MZP 1 zu MZP 2, in der keine Termine und somit auch keine Interventionen mit dem Patienten und der Familie stattfanden. Im Anschluss an die Wartezeit begann – nach erneuter Datenerhebung mittels Fragebögen zum MZP 2 – die psychotherapeutische Behandlung (Interventionsphase). Während der Interventionsphase fanden in der Regel wöchentlich Therapiegespräche mit dem Patienten und anteilig mit den Bezugspersonen statt. Die Interventionsphase war dabei in vier Blöcke à sechs Therapietermine unterteilt – mit jeweils einem Messzeitpunkt nach jedem Therapieblock (MZP 3 - MZP 6), wobei der MZP 6 die Abschlussdiagnostik bildete. Nach Abschluss der Interventionsphase, d.h. nach Beendigung der insgesamt 24 Therapiesitzungen, fand drei Monate später eine Follow-up Untersuchung statt, die der Überprüfung der Stabilität der Behandlungseffekte diente (MZP 7). Neben der Statusdiagnostik zu den definierten Messzeitpunkten 1 bis 7 fand ergänzend von der 1. bis 24. Therapiestunde eine kontinuierliche Prozessdiagnostik durch wöchentliche Erhebungen der Behandlungs-Compliance oder BehandlungsIntegrität statt. 110 Zusätzlich wurde ca. ab der 5. Behandlungsstunde bis zur 24. Behandlungsstunde wöchentlich eine „Problemliste“ für die individuell festgelegten Hauptprobleme des Jugendlichen erhoben. Die Problemliste diente der wöchentlichen Erfassung der Problemhäufigkeit und der daraus resultierenden Problembelastung. Die Auswertung der Daten erfolgte sowohl auf statistisch deskriptiver als auch auf interferenzstatistischer Ebene. Als primäre Outcomemaße wurde die Selbstwertproblematik, operationalisiert durch die „Rosenberg Self-Esteem Scale“ (RSES, rev. Fassung v. Collani & Herzberg 2003), sowie die depressive Symptomatik definiert, erfasst über den Selbst- und Fremdbeurteilungsbogen für depressive Störungen (SBB-DES, FBB-DES) des „Diagnostik-Systems für psychische Störungen nach ICD-10 und DSM-IV für Kinder und Jugendliche II“ (DISYPS-II, Döpfner, Görtz-Dorten & Lehmkuhl 2008). Als sekundäre Outcomemaße wurden vier Subtests der „Frankfurter Selbstkonzeptskalen“ (FSKN, Deusinger 1986) und das „Depressionsinventar für Kinder und Jugendliche“ (DIKJ, Stiensmeister-Pelster, Schürmann & Duda 2000) festgelegt. Des Weiteren wurden die komorbide internale / externale Symptomatik, erhoben über die weiter unten beschriebenen Breitbandverfahren CBCL, YSR und TRF, sowie die Problemausprägung und -belastung (individuelle Problemliste) und die Behandlungszufriedenheit als untergeordnete Outcome-Parameter definiert. Übersicht über das Studien-Design 6 Termine mit dem Patienten und / oder den Eltern Abbildung 5: Studiendesign 111 6 Termine mit dem Patienten und / oder den Eltern Followup 3 Monate keine Termine Messzeitpunkt 7 6 Termine mit dem Patienten und / oder den Eltern Therapie Messzeitpunkt 6 Therapie Messzeitpunkt 5 6 Termine mit dem Patienten und / oder den Eltern Therapie Messzeitpunkt 4 1 ScreeningTermin mit dem Patienten und den Eltern Therapie Messzeitpunkt 3 6 Wochen keine Termine Messzeitpunkt 2 Messzeitpunkt 1 Wartezeit 1 Termin mit dem Patienten und ggf. den Eltern 5.2 Ein- und Ausschlusskriterien der Studie Einschlusskriterien: Folgende Einschlusskriterien wurden für die Pilotstudie definiert: 1. Alter der Patienten: 12 – 18 Jahre 2. Unterdurchschnittlicher T-Wert (T<40) in der „Rosenberg Self-Esteem Scale“ (deutsche, revidierte Version v. Collani & Herzberg 2003) 3. Bereitschaft des Patienten wöchentliche Termine wahrzunehmen und eine hinreichende Therapiemotivation. Bereitschaft der Eltern zur kontinuierlichen Mitarbeit während der gesamten Studiendauer. 4. Sofern eine medikamentöse Begleitbehandlung besteht, voraussichtlich keine Veränderung der Medikation 5. Eine der folgenden Achse-1-Diagnosen (ICD-10 Kriterien) nach dem Multiaxialen Klassifikationsschema MAS (Remschmidt, Schmidt, Poustka 2006) musste erfüllt sein: Leichte, mittelgradige oder schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (F32.0, F32.1, F32.2) oder sonstige depressive Episode (F32.8) Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode (F33.0) oder gegenwärtig mittelgradige Episode (F33.1) Dysthymia (F34.1) Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion (F43.21) Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion gemischt (F43.22) Angst und depressive Störung, gemischt (F41.2) Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung (F92.0) Sonstige emotionale Störung des Kindesalters (F93.8.) Ausschlusskriterien Folgende Ausschlusskriterien wurden für die Pilotstudie festgelegt: 1. Ausgeprägter Substanzabusus 2. Ausgeprägte emotional-instabile Persönlichkeitsstörung 3. Ausgeprägte Dissozialität 4. Bipolare Störung 5. Manie 112 6. Essstörung (Anorexia nervosa, Bulimia nervosa) 7. Autismus-Spektrum-Störung 8. Psychose oder andere psychotische Zustände 9. Schwere Angst- und Zwangsstörung 10. Akute Suizidalität oder eine andere Indikation für eine stationäre Therapie 11. IQ < 80 5.3 Forschungsziel und spezifische Forschungshypothesen Ziel der vorliegenden Pilotstudie war, die Wirksamkeit des Therapiemoduls „SELBST Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme“ sowie die Behandlungszufriedenheit des Jugendlichen und der Eltern zu überprüfen. Folgende Forschungshypothesen wurden formuliert: 1. Hypothese: a) Die depressive Symptomatik verringert sich signifikant im Behandlungsverlauf und die Kompetenzen der Jugendlichen nehmen im Verlauf der Therapie signifikant zu (genereller Verlaufseffekt). b) Die depressive Symptomatik verringert sich signifikant stärker in der Treatment- als in der Wartephase und die Kompetenzen verbessern sich in der Treatmentphase signifikant mehr als in der Wartezeit (Therapieeffekt). c) Die während der Interventionsphase erzielten Effekte hinsichtlich der Symptomreduktion sowie der Kompetenzsteigerung sind zeitlich stabil, d.h. es zeigen sich keine signifikanten Verschlechterungen der Effekte zwischen der Interventions- und der Follow-up-Phase (Stabilitätseffekt). 2. Hypothese: a) Der globale Selbstwert sowie die spezifischen Selbstwertdimensionen der Jugendlichen verbessern sich signifikant im Therapieverlauf (genereller Verlaufseffekt). b) Der globale Selbstwert und die spezifischen Selbstwertdimensionen verbessern sich signifikant stärker in der Interventions- als in der Wartephase (Therapieeffekt). c) Die während der Interventionsphase erzielten Effekte in Bezug auf die Verbesserung des Selbstwerts sind zeitlich stabil, d.h. es werden keine signifikanten Verschlechterungen der Effekte zwischen der Interventions- und der Follow-up Phase erwartet (Stabilitätseffekt). 113 3. Hypothese: Die komorbide internale und externale Symptomatik der Jugendlichen verringert sich signifikant während der Behandlung, d.h. von der Prä- zur Post-Messung (Prä-PostEffekt). 4. Hypothese: Die Ausprägung der Problemhäufigkeit und Problembelastung der Jugendlichen nimmt im Verlauf der Therapie signifikant ab (genereller Verlaufseffekt). 5. Hypothese: Der Jugendliche und die Eltern weisen nach Therapieabschluss eine hohe Behandlungszufriedenheit auf und der Therapieerfolg wird positiv beurteilt. 5.4 Stichprobenrekrutierung Die Rekrutierung der Patienten erfolgte über die Ausbildungsambulanz für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie an der Uniklinik Köln (AKIP Köln) sowie über externe kinder- und jugendpsychiatrische resp. kinder- und jugendpsychotherapeutische Praxen im Einzugsgebiet von Köln und Bonn. Über die Inhalte, die Zielsetzung und den Ablauf der Pilotstudie wurden die Fachkollegen unter anderem anhand eines Studienflyers informiert, der sowohl in der Ambulanz als auch im stationären Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Köln verteilt wurde. Der Studienflyer wurde außerdem auf der AKIP-Homepage für interessierte Kollegen und Familien hinterlegt. Alle Patienten sowie deren Erziehungsberechtigte wurden vor Studienbeginn ausführlich mündlich und schriftlich über den Studienablauf, die wissenschaftliche Zielsetzung der Studie, mögliche Behandlungsrisiken sowie über Behandlungsalternativen informiert. In einem gesonderten Schreiben wurden die Probanden und die Erziehungsberechtigten darüber aufgeklärt, dass die Datenerfassung und –verarbeitung in Übereinstimmung mit dem geltenden Datenschutzgesetz erfolgt. Insgesamt wurden 21 Patienten im Zeitraum von Dezember 2013 bis Juli 1014 gescreent. Sieben Patienten wurden nach dem Erstgespräch ausgeschlossen, fünf davon erfüllten die Einschlusskriterien nicht (4 Patienten T-Wert > 40 in der Rosenberg 114 Self Esteem Scale; 1 Patient IQ < 80). Zwei zeigten nach dem Erstgespräch keine hinreichende Therapiemotivation. Zwei weitere Patienten mussten nach der sechswöchigen Wartezeit (d.h. zu MZP 2) ausgeschlossen werden. Gründe für den Ausschluss nach Messzeitpunkt 2 waren, dass einer der beiden Patienten nicht mehr das Haupteinschlusskriterium „unterdurchschnittlich ausgeprägter Selbstwert“ (T-Wert < 40) in der „Rosenberg Self-esteem Scale“ erfüllte. Bei dem anderen Patienten zeichnete sich während der Wartephase ein krisenhafter Verlauf ab, der zu einer stationären Behandlung und somit zum Studienausschluss führte. Es wurden, nach Ausschluss der oben genannten neun Patienten, insgesamt 12 Probanden in die Studie eingeschlossen. Während der Interventionsphase (MZP 2 bis MZP 6) haben alle 12 Patienten das Programm durchlaufen, so dass die Drop-out Rate während des Behandlungszeitraums 0 % betrug. Zur Follow-up Messung erschienen termingerecht elf der insgesamt 12 Patienten, d.h. im Follow-up war ein Drop-out („lost to follow-up“) zu verzeichnen. Eine MissingErsetzung der fehlenden Follow-up Daten des einen Patienten war obsolet, da sogenannte „missing values“ im Rahmen der durchgeführten Multilevel-Analysen geschätzt werden. Das folgende Flussdiagramm zeigt den gesamten Ablauf der Rekrutierung sowie die Gründe für den Ausschluss von insgesamt neun Patienten. 115 Gescreente Patienten N = 21 Ausgeschlossen nach MZP 1 N = 7 • • Einschlusskriterien nicht erfüllt (N = 5): RSES T > 40 (N = 4) IQ < 80 (N = 1) Keine hinreichende Therapiemotivation (N = 2) Ausgeschlossen nach MZP 2 N = 2 Gründe für den Ausschluss: • • Einschlusskriterium RSES T < 40 zu MZP 2 nicht mehr erfüllt (N = 1) Indikation für stationäre Behandlung (N = 1) Studie nach MZP 6 kompett beendet N = 12 In statistische Analysen nach Therapieende (MZP 6) eingeschlossen N = 12 In Follow up-Analysen (MZP 7) eingeschlossen N = 11 (N = 1 Drop-out im Follow-up) Abbildung 6: Flussdiagramm der Patientenrekrutierung 116 5.5 Instrumente der Eingangs-, Verlaufs- und Abschlussdiagnostik sowie der Follow-up Untersuchung Im Folgenden werden sämtliche diagnostischen Instrumente der Eingangs-, Verlaufsund Abschlussmessungen vorgestellt, die die Grundlage der statistischen Analysen dieser Pilotstudie darstellen. In Ergänzung zum Selbsturteil wurde, im Rahmen einer multimodalen Diagnostik, zu verschiedenen Messzeitpunkten, auch ein Fremdurteil in Form eines Eltern-, Lehrer- und Therapeutenurteils erhoben. 5.5.1 Erfassung der depressiven Symptomatik im Verlauf Zur Verlaufsmessung der depressiven Symptomatik der Jugendlichen im gesamten Studienverlauf wurden folgende Instrumente angewandt: „Selbstbeurteilungsbogen für depressive Störungen“ SBB-DES (Döpfner, GörtzDorten, Lehmkuhl 2008) Der SBB-DES ist ein Verfahren aus dem „Diagnostik-System für psychische Störungen nach ICD-10 und DSM-IV für Kinder und Jugendliche – II“ (DISYPS-II, Döpfner et al. 2008). Der Selbstbeurteilungsbogen umfasst 29 Items zur Einschätzung der depressiven Symptomatik aus der Perspektive des Jugendlichen und zusätzlich acht Kompetenz-Items. Das Antwortformat reicht von 0 = gar nicht zutreffend bis 3 = besonders zutreffend. Der SBB-DES ist für die Altersspanne von elf bis 18 Jahren konzipiert. Für den SBB-DES liegen altersabhängige Normen, separat für Jungen und Mädchen, vor (Stanine-Werte). Der SBB-DES wurde zu den Messzeitpunkten 1 bis 7 eingesetzt. „Fremdbeurteilungsbogen für depressive Störungen“ FBB-DES (Döpfner, GörtzDorten, Lehmkuhl 2008) Der FBB-DES ist ebenfalls ein Verfahren aus dem „Diagnostik-System für psychische Störungen nach ICD-10 und DSM-IV für Kinder und Jugendliche – II“ (DISYPS-II, Döpfner et al. 2008), das die depressive Symptomatik sowie die Kompetenzen des Jugendlichen im Fremdurteil, d.h. aus der Perspektive der Eltern und/oder Lehrer/Erzieher erhebt. Die Items des FBB-DES entsprechen den Items des SBBDES. Das Antwortformat entspricht auch dem Format des SBB-DES. Für den FBBDES liegen entsprechende Normierungen vor (Stanine-Werte). Der FBB-DES wurde zu den Messzeitpunkten 1 bis 7 durchgeführt. 117 „Diagnose-Checkliste für depressive Störungen“ DCL-DES (Döpfner, GörtzDorten, Lehmkuhl 2008) In Ergänzung zum Selbsturteil (SBB-DES) und Fremdurteil für depressive Störungen (FBB-DES) des DISYPS-II wurde zum Messzeitpunkt 1 auch ein klinisches Urteil in Bezug auf die depressive Symptomatik des Patienten mittels der DCL-DES durch den behandelnden Therapeuten erhoben. Die internen Konsistenzen der Selbstbeurteilungs- und Fremdbeurteilungbögen sind zufriedenstellend. Die Korrelationen zwischen Selbst- und Fremdbeurteilungsbögen weisen für depressive Störungen auf eine gute konvergente und divergente Validität der Fragebögen hin. „Depressionsinventar für Kinder und Jugendliche“ DIKJ (Stiensmeier-Pelster, Schürmann, Duda 2000) Das DIKJ ist die deutsche Version des „Children’s Depression Inventory“ CDI (Kovacs 1985). Es handelt sich dabei um einen Selbstbeurteilungsfragebogen für Kinder und Jugendliche im Alter zwischen acht und 16 Jahren zur Erfassung der Schwere der depressiven Symptomatik, in Anlehnung an die Kriterien einer Major Depression nach DSM-IV (Saß, Wittchen, Zaudig 1998). Das DIKJ erfasst sensibel die Veränderungen des Schweregrades einer depressiven Störung und ist daher gut geeignet zur Verlaufsmessung der depressiven Symptomatik. Die insgesamt 26 Items des DIKJ geben jeweils drei Antwortalternativen vor, die unterschiedliche Ausprägungen eines depressiven Symptoms beschreiben. Beurteilt wird die Symptomausprägung der letzten beiden Wochen. Die interne Konsistenz bei klinisch auffälligen Kindern und Jugendlichen beträgt r it = .91. Das DIKJ wurde zu den Messzeitpunkten 1, 2, 6 und 7 angewandt. 5.5.2 Erhebung des Selbstwertes im Verlauf Die Erhebung der Ausprägung des globalen Selbstwertes und der spezifischen Selbstwertdimensionen erfolgte im Selbsturteil über die „Rosenberg Self-Esteem Scale“ und die „Frankfurter Selbstkonzeptskalen.“ Beider Verfahren werden im Folgenden kurz vorgestellt. 118 „Rosenberg Self-Esteem Scale“ RSES (deutsche, revidierte Version v. Collani & Herzberg 2003): Die „Rosenberg Self-Esteem Scale“ (Rosenberg 1965) ist im Forschungskontext weltweit das mit am häufigsten eingesetzte diagnostische Verfahren zur Erfassung des globalen Selbstwertes (Sinclair, Blais, Gansler, Sandberg, Bistis & LoCicero 2010; Wongpakaran & Wongpakaran 2012). Die RSES wurde in diverse Sprachen übersetzt und von unterschiedlichen internationalen Forschungsgruppen validiert. Eine Revision und Normierung der deutschsprachigen Version wurde in einer Studie von Roth, Decker, Herzberg und Brähler (2008) vorgenommen. In der vorliegenden Studie wurde die revidierte Fassung der deutschsprachigen Skala zum Selbstwertgefühl von Rosenberg (v. Collani & Herzberg 2003) zu den Messzeitpunkten 1, 2, 6 und 7 durchgeführt. Der Fragebogen ist ein Selbstbeurteilungsinstrument, das aus zehn Items besteht (fünf positiv formulierte und fünf negativ formulierte Items), mit einem vierstufigen Antwortformat von „trifft gar nicht zu“ bis „trifft voll und ganz zu.“ In der Normierungsstudie von Roth et al. (2008) wurde das Antwortformat in eine sechsstufige Likert-Skala von „trifft gar nicht zu“ (1) bis „trifft voll und ganz zu“ (6) verändert. Für die revidierte Fassung der Rosenberg Self-Esteem Scale wurde eine interne Konsistenz α = .84 ermittelt (v. Collani & Herzberg 2003). In der Studie von Roth, Decker, Herzberg und Brähler (2008) konnte sogar eine noch höhere interne Konsistenz von α = .88 nachgewiesen werden. Die mittleren korrigierten Trennschärfen der einzelnen Items der revidierten Fassung der Rosenberg SelfEsteem Scale liegen zwischen r it = .46 und r it = .61, was einer durchschnittlichen Trennschärfe von r it = .54 entspricht, die als gut einzuschätzen ist. „Frankfurter Selbstkonzeptskalen“ FSKN (Deusinger 1986): Das „Frankfurter Selbstkonzeptinventar“ ist ab einem Altern von ca. 13 Jahren einsetzbar und besteht aus zehn eindimensionalen Skalen zur Bestimmung verschiedener Selbstkonzeptdimensionen (spezifische Selbstwertdimensionen), die die untersuchte Person von sich entwickelt hat. Die Skalen sind als Gesamttest interpretierbar oder in Teilversionen anwendbar. Die internen Konsistenzen der Skalen (α = .93 bis α = .97) sind als hoch einzuschätzen. Hohe Reliabilitätskoeffizienten konnten insbesondere für die Skala zur allgemeinen Selbstwertschätzung, die Skala 119 zur Standfestigkeit gegenüber Gruppen, die Skala zur allgemeinen Leistungsfähigkeit sowie die Skala zur allgemeinen Problembewältigung ermittelt werden. Die RetestReliabilität liegt bei r tt = .82. Es liegen geschlechtsspezifische Normen für verschiedene Altersgruppen vor. Folgende vier Skalen der FSKN wurden zu den Messzeitpunkten 1, 2, 6 und 7 eingesetzt: Skala zur allgemeinen Selbstwertschätzung (FSSW) Skala zur Standfestigkeit gegenüber Gruppen (FSST) Skala zur Kontakt- und Umgangsfähigkeit (FSKU) Skala zur allgemeinen Problembewältigung (FSAP) 5.5.3 Screening komorbider internaler und externaler Symptomatik „Elternfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen“ CBCL 4 – 18 (Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist 1998a) Der „Elternfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen“ (CBCL 4 – 18) ist die deutsche Fassung der „Child Behavior Checklist“ von Achenbach (Achenbach 1991). Neben der CBCL 4 – 18 existieren unter anderem auch eine Jugendlichenversion („Youth Self Report“ YSR, deutsche Fassung „Fragebogen für Jugendliche“) sowie eine Lehrerversion („Teacher Report Form“ TRF, deutsche Fassung „Lehrerfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen“). Die CBCL 4 – 18 besteht aus 118 Items zur Erfassung internaler versus externaler Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen vier und 18 Jahren. Neben Verhaltensauffälligkeiten werden auch emotionale Auffälligkeiten und Kompetenzen des Kindes bzw. Jugendlichen aus der Sicht der Eltern – bezogen auf die letzten sechs Monate – erfasst. Die Subskalen „sozialer Rückzug“, „körperliche Beschwerden“ und „Angst/Depressivität“ werden der übergeordneten Skala „Internalisierende Auffälligkeiten“ zugeordnet, während die Subskalen „delinquentes Verhalten“ und „aggressives Verhalten“ die übergeordnete Skala „Externalisierende Auffälligkeiten“ abbilden. Weitere Verhaltensauffälligkeiten können über die Skala „soziale Probleme“ sowie die Syndromskalen „schizoid/zwanghaft“ und „Aufmerksamkeitsstörungen“ erhoben werden. Die Kompetenzen des Kindes bzw. Jugendlichen werden in Bezug auf die Bereiche Aktivitäten, soziale Kompetenzen und Schule beurteilt. Aus den Syndromskalen kann ein Gesamtwert für problematisches Verhalten ermittelt werden. 120 Für die deutsche Fassung der CBCL 4 – 18 liegen repräsentative Normierungen vor (Döpfner et al. 1997; Döpfner et al. 1998). Für die Gesamtauffälligkeiten sowie die Skalen „internalisierende Störungen“ und „externalisierende Störungen“ wurden hohe interne Konsistenzen von r tt > .85 ermittelt. Die Skalen „Angst/Depressivität“, „delinquentes Verhalten“, „aggressives Verhaltens“ und „Aufmerksamkeitsstörungen“ zeigen ebenfalls gute Reliabilitäten zwischen r tt = .80 und r tt = .90. Auch die Skalen „sozialer Rückzug“, „soziale Probleme“ und „körperliche Beschwerden“ weisen zufriedenstellende Reliabilitäten von r tt = .70 bis .80 auf. Die CBCL 4 – 18 wurde zu den Messzeitpunkten 1 und 6 eingesetzt. „Fragebogen für Jugendliche“ YSR 11 – 18 (Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist 1998b) In Analogie zur CBCL können mittels des „Fragebogens für Jugendliche“ (YSR) internalisierende und externalisierende psychische Auffälligkeiten sowie Kompetenzen Jugendlicher im Alter von elf bis 18 Jahren im Selbsturteil erfasst werden. Der Testaufbau entspricht der CBCL. Für die Skalen „Internalisierende Störungen“ und „Externalisierende Störungen“ sowie für die Gesamtauffälligkeiten wurden hohe interne Konsistenzen von r tt > .86 festgestellt. Die Reliabilitäten für die Syndromskalen „aggressives Verhalten“ und „Angst/Depressivität“ liegen im Bereich von r tt = .80 bis rtt = .86. Für die Skalen „delinquentes Verhalten“, „Aufmerksamkeitsstörungen“, „körperliche Beschwerden“ und „soziale Probleme“ wurde zufriedenstellende Reliabilitäten von r tt = .70 bis .77 ermittelt. Der YSR wurde, wie die CBCL, zu den Messzeitpunkten 1 und 6 eingesetzt. „Lehrerfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen“ TRF (Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist 1993) Der „Lehrerfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen“ (TRF) ist, wie der YSR, analog zur CBCL aufgebaut und dient der Beurteilung des Verhaltens von Schulkindern im Alter von fünf bis 18 Jahren aus der Perspektive des Lehrers. Der Lehrerfragebogen erhebt die gleichen Auffälligkeiten und Problembereiche, die in der CBCL und dem YSR erfragt werden. Darüber hinaus enthält er noch weitere spezifische Fragen zur Schulsituation. Die internen Konsistenzen der Skalen „Internalisierende Störungen“ und „Externalisierende Störungen“ sind als hoch 121 einzuschätzen (r tt > .88). Auch für die Skalen „Angst/Depressivität“, soziale Probleme“, „aggressives Verhalten“ und „Aufmerksamkeitsstörungen“ zeigen sich gute bis sehr gute Reliabilitäten zwischen r tt = .80 und r tt = .90. Zufriedenstellende Reliabilitäten liegen für die Skalen „Sozialer Rückzug“, „delinquentes Verhalten“ und „körperliche Beschwerden“ vor (r tt = .74 bis .78). Der TRF wurde zu den Messzeitpunkten 1 und 6 erhoben. 5.5.4 SELBST Checkliste zur Indikationsbestimmung Die „Checkliste zur Indikationsbestimmung“ wurde für die vorliegende Pilotstudie konzipiert, um – im Rahmen der Exploration des Jugendlichen und der Bezugspersonen – die Indikation für die einzelnen Therapiebausteine des Moduls SELBST „Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme“ zu überprüfen. Insgesamt enthält die Checkliste 30 Fragen, fünf je Therapiebaustein. Das Antwortformat reicht von 0 = „trifft nicht zu“ bis 3 = „trifft voll zu.“ Für jeden Baustein wird ein gemittelter Rohwert errechnet, der als orientierendes Maß für die Indikationsbestimmung dient. Die Exploration der Jugendlichen mittels der Checkliste zur Indikationsbestimmung fand zum Messzeitpunkt 2 statt. 5.5.5 Intelligenzdiagnostik Sofern zu Studienbeginn keine Vorbefunde in Bezug auf das intellektuelle Leistungsniveau der Patienten vorlagen, wurde im Rahmen der Eingangsdiagnostik zwischen Messzeitpunkt Leistungstestung zur 1 und Erfassung Messzeitpunkt des kognitiven 2 eine mehrdimensionale Entwicklungsstandes des Jugendlichen durchgeführt. Je nach Alter des Patienten kam wahlweise eines der folgenden Verfahren zum Einsatz: „Wechsler Intelligence Scale for Children“ WISC-IV (deutsche Fassung von Petermann & Petermann 2011) Die „Wechsler Intelligence Scale for Children“ (ehemals „Hamburg-WechslerIntelligenztest für Kinder“, HAWIK-IV) ist ein Intelligenztest für Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 16 Jahren. Der WISC-IV ist ein mehrdimensionales Intelligenzdiagnostikum, bestehend aus 15 Untertests. Aus den Subtests lässt sich ein Gesamt-IQ-Wert sowie vier Kennwerte ermitteln. Der WISC-IV erlaubt somit eine fundierte Einschätzung des kognitiven Entwicklungsstandes von Kindern und 122 Jugendlichen im Alter zwischen sechs und 16 Jahren. Folgende Kennwerte können in Ergänzung zum Gesamt-IQ ermittelt werden: Sprachverständnis Arbeitsgedächtnis Verarbeitungsgeschwindigkeit Wahrnehmungsgebundenes logisches Denken Die Reliabilitäten der Untertests liegen zwischen r = .76 und r = .91 (Gesamttest r = .97). Für die deutschsprachige Version des WISC-IV liegen verschiedene Validierungs- und Normierungsstudien vor. Die Erfassung des Intelligenzniveaus fand zwischen Messzeitpunkt 1 und Messzeitpunkt 2 statt. „Wechsler Adult Intelligence Scale“ WAIS-IV (deutsche Fassung von Petermann 2013) Bei den Jugendlichen ab einem Alter von 16 Jahren wurde entweder die „Wechsler Adult Intelligence Scale“ (WAIS-IV) oder der „Wechsler Intelligenztests für Erwachsene“ (WIE) eingesetzt. Die „Wechsler Adult Intelligence Scale“ (WAIS-IV) stellt die Weiterentwicklung des „Wechsler Intelligenztests für Erwachsene“ WIE (Horn, Neubauer & Aster 2006) dar. Der WAIS-IV ist ein mehrdimensionaler Intelligenztest für Jugendliche und Erwachsene, normiert für den Altersbereich von 16 bis 89 Jahren, der eine differenzierte Beurteilung des kognitiven Leistungsniveaus von Jugendlichen und Erwachsenen ermöglicht. Aus den Ergebnissen der 15 Untertests lassen sich analog zum WISC-IV vier Indexwerte (Sprachverständnis, Arbeitsgedächtnis, wahrnehmungsgebundenes logisches Denken und Verarbeitungsgeschwindigkeit) ermitteln. Darüber hinaus kann der Gesamt-IQ berechnet werden. Neben repräsentativen Normen für die deutsche Fassung des WAIS-IV, liegen auch Validierungsstudien zu unterschiedlichen klinischen Störungsbildern vor. Die Überprüfung des Intelligenzniveaus erfolgte zwischen Messzeitpunkt 1 und Messzeitpunkt 2. 123 5.5.6 Basisdokumentation Neben der Erhebung soziodemografischer Daten finden im Rahmen der Basisdokumentation unter anderem eine psychopathologische Befunderhebung sowie die Erfassung des psychosozialen Funktionsniveaus statt. Die Basisdokumentation wurde vor Behandlungsbeginn sowie nach Abschluss der Behandlung, d.h. zu den Messzeitpunkten 1 und 6 durchgeführt. 5.5.7 Individuelle Problemliste (Walter et al. 2007) Die individuelle Problemliste ist ein Fragebogen aus dem Therapieprogramm „SELBST“, Band 1, „Grundlagen der Selbstmanagementtherapie bei Jugendlichen“ (Walter et al. 2007). In der Anfangsphase der Therapie, d.h. in der Regel im Rahmen der probatorischen Sitzungen, werden gemeinsam mit dem Patienten, den Eltern (ggf. auch mit anderen Bezugspersonen) und dem Therapeuten diejenigen Hauptprobleme definiert, die Gegenstand der Therapie sein sollen. In der individuellen Problemliste werden dementsprechend die relevanten Probleme des Jugendlichen (maximal vier) aufgelistet, die im weiteren Therapieverlauf zum einen hinsichtlich ihrer Häufigkeit (0 = „nie“ bis 5 = „ständig“) und zum anderen hinsichtlich der verursachten Belastung (0 = kein Problem bis 9 = es hätte nicht schlimmer sein können) beurteilt werden sollen. Zudem kann wöchentlich das Ausmaß der Gesamtproblembelastung beurteilt werden (0 = „kein Problem“ bis 9 = „es hätte nicht schlimmer sein können“). Die Beurteilung der Problemausprägung und –belastung erfolgt ungefähr ab der 5. Behandlungsstunde wöchentlich im gesamten Behandlungsverlauf, d.h. während der Interventionsphase. 5.5.8 Behandlungs-Compliance „Fragebogen zur Behandlungs-Compliance“ (Faber 2014, adaptiert von Schreiter) In der vorliegenden Pilotstudie wurde eine modifizierte Version des nicht publizierten „Fragebogens zur Behandlungs-Compliance“ (Faber 2014) verwendet. Mit dem Fragebogen zur Behandlungs-Compliance kann der Therapeut, im Anschluss an jede Therapiestunde, die Mitarbeit des Jugendlichen und der Eltern beurteilen. Außerdem kann erfasst werden, ob die Therapiehausaufgaben zuverlässig erledigt worden sind. Messzeitpunkt: wöchentlich während der Interventionsphase 124 5.5.9 Behandlungs-Integrität „Fragebogen zur Behandlungs-Integrität“ (Faber 2014, adaptiert von Schreiter) Zur Erfassung der Behandlungs-Integrität wurde eine modifizierte, nicht veröffentlichte Version des „Fragebogens zur Behandlungs-Integrität“ (Faber 2014) eingesetzt. Der Therapeut bewertet die Durchführung der einzelnen Therapiebausteine resp. Therapiesequenzen dahingehend, inwieweit diese realisierbar waren und ob die Hauptziele des Therapiebausteins erreicht werden konnten. Messzeitpunkt: wöchentlich während der Interventionsphase 5.5.10 Behandlungszufriedenheit „Fragebogen zur Beurteilung der Behandlung“ FBB (Mattejat & Remschmidt 1998) Der „Fragebogen zur Beurteilung der Behandlung“ von Mattejat & Remschmidt (1998) ist ein diagnostisches Instrument zur Beurteilung der subjektiven Behandlungsqualität kinder- und jugendpsychotherapeutischer Behandlungen. Der FBB stellt somit ein Verfahren zur Therapieevaluation Qualitätssicherung und psychotherapeutischer gleichzeitig Behandlungen ein von Instrument zur Kindern und Jugendlichen dar. Erhoben werden sowohl Aspekte der Ergebnisqualität, wie der Behandlungserfolg resp. die Effizienz der durchgeführten Interventionen, als auch Aspekte der Prozessqualität, d.h. des Behandlungsverlaufs und der Behandlungsqualität. Außerdem kann ein Gesamtwert ermittelt werden, der Aufschluss über die Gesamtzufriedenheit mit der Behandlung gibt. Neben dem Selbsturteil des Patienten (Patientenversion FBB-P) kann auch ein Fremdurteil aus der Sicht der Eltern (Elternversion FBB-E) und des Therapeuten (Therapeutenversion FBB-T) erhoben werden. Die Items des FBB sind fünfstufig skaliert von 0 = „die Feststellung stimmt überhaupt nicht“ bis 4 = „die Feststellung stimmt ganz genau / immer.“ Für die einzelnen FBB-Versionen können unterschiedliche Skalen gebildet werden: FBB-T: Therapieerfolg hinsichtlich des Patienten resp. der Familie, Kooperation mit dem Patienten resp. der Mutter / dem Vater, Therapeuten-Gesamtwert. FBB-P: Erfolg der Behandlung, Beziehung zum Therapeuten, Rahmenbedingungen der Behandlung, Patienten-Gesamtwert. FBB-E (Mutter- / Vaterversion): Erfolg der Behandlung, Verlauf der Behandlung, Mutter- / Vater-Gesamtwert. 125 Die internen Konsistenzen der einzelnen Skalen liegen überwiegend im guten Bereich von Cronbach’s α > .80. Bezogen auf die Retest-Reliabilitäten des FBB-P und FBB-E weisen die Skalen „Verlauf der Behandlung“ und „Beziehung zum Therapeuten“ eine höhere Reliabilität auf als die Skala „Erfolg der Behandlung.“ Die Erfassung der Behandlungszufriedenheit erfolgt nach Abschluss der Behandlungsphase, d.h. zum Messzeitpunkt 6. 5.5.11 Übersicht über die Messinstrumente der Messzeitpunkte 1 bis 7 Messzeitpunkt 1 Wöchentlich während der Interventionsphase: Problemliste SELBST G10 Fragebogen Behandlungsintegrität + Compliance DCL-DES SBB-DES und FBB-DES DIKJ WISC-IV / WAIS-IV CBCL, YSR, TRF RSES 4 Subskalen FSKN: FSKU, FSST, FSSW, FSAP BADO Messzeitpunkt 2 SBB-DES und FBB-DES DIKJ Checkliste SELBST (Indikationsbestimmung) RSES 4 Subskalen FSKN: FSKU, FSST, FSSW, FSAP Messzeitpunkte 3 bis 5 SBB-DES FBB-DES Messzeitpunkt 6 SBB-DES und FBB-DES DIKJ CBCL, YSR, TRF RSES 4 Subskalen FSKN: FSKU, FSST, FSSW, FSAP FBB-T, FBB-P, FBB-E BADO Messzeitpunkt 7 SBB-DES und FBB-DES DIKJ RSES 4 Subskalen FSKN: FSKU, FSST, FSSW, FSAP Abbildung 7: Übersicht über die Messinstrumente der Messzeitpunkte 1 bis 7 126 5.6. Statistische Auswertungsmethoden Zur Überprüfung der Hypothesen der vorliegenden Studie wurden für die primären Analysen, bezogen auf die Verbesserung der depressiven Symptomatik, der Kompetenzen und der Selbstwertproblematik im Therapieverlauf, Multilevel-Analysen (MLA), auch Multilevel Modelling (MLM) oder Mehrebenen-Analysen genannt, berechnet. Auch für die Untersuchung der Problemhäufigkeit und -belastung im Therapieverlauf wurden, im Rahmen der sekundären Analysen, Multilevel-Analysen durchgeführt. Die Grundlage für sämtliche Multilevel-Analysen in dieser Studie bildete das sogenannte „Random-Intercept-Modell.“ Bei einem Random-Intercept-Modell wird angenommen, dass die individuellen Schnittpunkte mit der Y-Achse (intercepts) der einzelnen Probanden zufällig variieren (random intercept), d.h. dass die Symptomatik der Jugendlichen zu Studienbeginn einer natürlichen Variation unterliegt. Des Weiteren wird postuliert, dass die individuellen Regressionsgeraden, d. h. die individuellen Verläufe der Probanden, sich hinsichtlich ihrer Steigung unterscheiden, jedoch insgesamt parallel verlaufen (fixed slope). Für die Analyse der Veränderung der Symptomatik über die Zeit, eine Fragestellung, die häufig bei Therapie-Evaluationsstudien von zentralem Interesse ist, eignet sich der Multilevel-Ansatz in besonderem Maße. Eine Mehrebenenstruktur besteht unter anderem, wenn Daten einer Ebene hierarchisch auf einer 2. Ebene geschachtelt sind, wie es beispielsweise bei Messwiederholungen der Fall ist. Bei einem Messwiederholungs-Design sind die Beobachtungen in Personen geschachtelt, d.h. die Beobachtungen auf der Ebene 1 werden durch die Personen auf Ebene 2 erklärt. Der Vorzug der Multilevel-Analyse besteht darin, dass spezifische Sachverhalte, die von Forschungsinteresse sind, auf verschiedenen Analyseebenen gleichzeitig untersucht werden können (Nezlek, Schröder-Abé, Schütz 2006). Die MehrebenenAnalyse weist gegenüber anderen Verfahren den entscheidenden Vorteil auf, dass fehlende Messwerte (missing values) nicht ersetzt werden müssen, sondern durch das regressionsanalytische Modell geschätzt werden. Ein besonderer Vorzug der MLA liegt darin, dass bei Studien mit Messwiederholungs-Design, der zeitliche Abstand zwischen den Messzeitpunkten variieren darf. Die sekundären Analysen bezogen sich, neben der Analyse der Problemhäufigkeit und Problembelastung, auch auf Veränderungen der komorbiden internalen und externalen Symptomatik, erhoben über die diagnostischen Breitbandverfahren CBCL, 127 YSR und TRF zu Beginn (MZP 1) und zum Abschluss der Therapie (MZP 6). Sämtliche Prä-Post-Vergleiche wurden mittels des nonparametrischen Wilcoxon-Tests für abhängige Stichproben berechnet, da kein Intervallskalen-Niveau vorliegt bzw. nicht von einer Normalverteilung der Daten auszugehen ist und somit strenggenommen keine T-Tests für abhängige Stichproben berechnet werden sollten. Die Beurteilung des Therapieerfolges und der Behandlungszufriedenheit, aus Sicht des Patienten, der Eltern und des Therapeuten, wurde rein deskriptiv beantwortet. Sämtliche Auswertungen wurden auf Rohwertebene durchgeführt. Als Signifikanz-Niveau wurde für alle Analysen α = .05 gewählt. Da die Forschungshypothesen gerichtete Hypothesen sind, wurde – entsprechend der allgemeinen Konvention – das α bzw. der p-Wert (statistisches Signifikanzmaß) durch 2 dividiert. Die Bestimmung der Effektstärken erfolgte für die Prä-Post-Vergleiche nach folgender Formel: M Prä – M Post SD Prä M Prä ≙ Mittelwert der Prämessung M Post ≙ Mittelwert der Postmessung SD Prä ≙ Standardabweichung der Prämessung Im Rahmen der Multilevel-Analysen wurden die Effektstärken bezogen auf den untersuchten Messzeitraum (z.B. Wartephase, Interventionsphase, Follow-up) folgendermaßen berechnet: Steigung des Messzeitraums x Anzahl Messzeitintervalle Standardabweichung Prä Die Netto-Effektstärke berechnet sich aus der Effektstärke der Intervention abzüglich der Effektstärke der Baseline-Phase. Die allgemeine Multilevel-Modellgleichung lässt sich folgendermaßen definieren: Y = α + β1 Time1 + β2 Time2 + β3 Time3 + ε 128 y ≙ vorhergesagter Wert α ≙ Achsenabschnitt der Regressionsgeraden (Konstante) β ≙ Steigung der durchschnittlichen Regressionsgeraden im definierten Messzeitraum Time ≙ untersuchter Messzeitraum ε ≙ Messfehler Alle statistischen Analysen erfolgten anhand des Statistikprogramms SPSS (Statistical Package for the Social Sciences, Version 22.0) von IBM. 129 6 Kasuistiken Im Folgenden werden die im Rahmen der Pilotstudie behandelten 12 Probanden in Form von Kasuistiken detailliert beschrieben. Neben dem Vorstellungsanlass und den diagnostischen Befunden werden für jeden Patienten die mikro- und makroanalytische Entstehungsgeschichte der Symptomatik, die gemeinsam mit der Familie formulierten Therapieziele, der Behandlungsplan sowie der individuelle Behandlungsverlauf dargestellt. 6.1 Behandlungsfall 1 Angaben zur spontan berichteten und erfragten Symptomatik Der 17-jährige Patient kommt auf Empfehlung des Sozialpädiatrischen Zentrums zum Erstgespräch. Vorstellungsanlass sei ein deutliches Stimmungstief, in Verbindung mit einer ausgeprägten Selbstwertproblematik und sozialen Rückzugstendenzen. Die Selbstwertproblematik bestehe - aus Sicht des Jugendlichen und der Mutter - seit mehreren Jahren. Die traurige Stimmung und eine damit einhergehende Antriebslosigkeit würden den Eltern und dem Jugendlichen seit mindestens einem Jahr auffallen. Der Patient berichtet des Weiteren, dass er ein deutliches Unbehagen im Umgang mit Gleichaltrigen verspüre und sich beispielsweise nicht traue, unbekannte Jugendliche anzusprechen, aus Angst, dass diese ihm gegenüber aggressiv werden könnten oder ihn auslachen könnten. Er schaffe es auch nicht, sich gegenüber Jugendlichen durchsetzen. J. leide, abgesehen von der traurigen Stimmung, auch unter Übelkeit, Kopfschmerzen, Durchschlafproblemen und denke übermäßig viel über sein Leben resp. seine berufliche Zukunft nach. Die Grübeleien führe er auf seine „unsichere berufliche Perspektive“ zurück, da er seit Herbst 2013 in keiner beruflichen Maßnahme mehr integriert sei. Zuvor habe er ein Jahr lang eine berufsvorbereitende Maßnahme besucht und ein Praktikum im Bereich der Altenpflege absolviert. Aktuell warte J. auf eine Zusage der Bundesagentur für Arbeit in Bezug auf eine Berufsmaßnahme für Menschen mit seelischer Beeinträchtigung. Da neben der depressiven Grundstimmung und sozialen Ängstlichkeit resp. Unsicherheit, wie beschrieben, zunehmend soziale Rückzugstendenzen, tägliche Grübeleien und Selbstzweifel hinzugekommen seien, die das Ein- und Durchschlafen nahezu jede Nacht verhindern, habe der Jugendliche sich jetzt für eine psychotherapeutische Behandlung entschieden. 130 Lebensgeschichtliche Entwicklung und Krankheitsanamnese J. lebt gemeinsam mit seinen 13- und 15-jähigen Brüdern im elterlichen Haushalt. Der Vater ist als Elektrotechniker tätig, die Mutter ist von Beruf Ingenieurin für Textiltechnik, aktuell allerdings nicht berufstätig. Die Eltern sind seit 1990 verheiratet. Die Beziehung der Geschwister untereinander wird als gut beschrieben. Die Schwangerschaft wird als unauffällig geschildert, die Geburt von J. sei termingerecht in der 40. SSW erfolgt. Er sei als Säugling ein ruhiges und „pflegeleichtes“ Baby gewesen. Im Kleinkindalter habe J. motorische Defizite und eine Artikulationsstörung gezeigt, die beide behandelt worden seien. Vom 3. bis 6. Lebensjahr besuchte J. einen Kindergarten. Dort sei er gut integriert gewesen, habe ein gutes Regel- und Sozialverhalten gezeigt und habe auch keine Trennungsängste gehabt. 2002 sei er eingeschult worden. In der Grundschulzeit habe er Probleme beim Schriftspracherwerb und beim Rechnen gezeigt, weshalb er die 1. und 2. Klasse wiederholt habe. Aufgrund der schlechten Schulleistungen sei 2007 eine Vorstellung bei einem Kinder- und Jugendpsychiater erfolgt. Die Überprüfung der kognitiven Leistungsfähigkeit ergab eine durchschnittliche Teilleistungsdiagnostik zur spezifischen Intelligenz (IQ 90). Eine Überprüfung der Rechtschreib- und rechnerischen Fähigkeiten wurde seinerzeit nicht durchgeführt. Der Wechsel auf die Hauptschule sei 2008 erfolgt. In der 5. Klasse sei von Seiten der Schule ein AOSF-Verfahren eingeleitet worden. Im Rahmen der Überprüfung sei jedoch kein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt worden. Die Mutter berichtet, dass J. mit dem Wechsel auf die weiterführende Schule zunehmend das Zutrauen in seine eigenen Fähigkeiten und insbesondere in seine schulische Leistungsfähigkeit verloren habe. Zudem habe er eine ausgeprägte Angst in Leistungs- und schulischen Bewertungssituationen entwickelt. Er habe sich nicht mehr getraut im Unterricht aktiv mitzuarbeiten, aus Sorge von den Mitschülern ausgelacht zu werden. Im weiteren Verlauf habe er immer mehr Angst vor dem Schulbesuch bekommen, so dass er schließlich mit einem Schulabgangszeugnis nach der 8. Klasse die Hauptschule beendet habe. Im Zeitraum von September 2012 bis September 2013 habe J. eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme der ARGE besucht. Dort sei er von seinen Mitschülern gemobbt und psychisch unter Druck gesetzt worden und habe in der Folge keinen sozialen Anschluss an andere Jugendliche gefunden. In diesem Zeitraum habe J. massive Ängste in Bezug auf Gleichaltrige entwickelt, die bis dato 131 fortbestehen. Seit Oktober 2013 warte er nun auf die Bewilligung einer Berufsmaßnahme für Menschen mit seelischer Beeinträchtigung. J. habe keine Freunde, weil er Gleichaltrigen grundsätzlich nicht vertraue. Da er oft von seinen ehemaligen Freunden enttäuscht worden sei und viele negative Erfahrungen mit anderen Jugendlichen gesammelt habe, wolle er auch keine neuen Freundschaften schließen. Er betont aber, dass er mit Erwachsenen keine Probleme habe und seine Freizeit gerne mit Erwachsenen (z.B. Eltern, Großeltern) verbringe. In seiner Freizeit gehe er regelmäßig in den Schützenverein, ansonsten verbringe er seine Freizeit nahezu ausschließlich zu Hause. Dort lese er gerne Bücher, spiele gelegentlich am Computer und interessiere sich für Technik, Chemie und historische Waffen. Psychischer Befund zum Zeitpunkt der Antragstellung J. ist ein altersgemäß entwickelter, modisch gekleideter, 17-jähriger Jugendlicher. Im Gespräch ist er freundlich zugewandt, wirkt jedoch schüchtern und unsicher. Die Stimmung ist traurig-gedrückt, in Kombination mit resignativen Kognitionen und auffälliger Antriebsarmut. Deutliche Selbstwertproblematik. Keine Suizidalität, selbstschädigendes Verhalten oder Fremdgefährdung eruierbar. Kein Alkohol- oder Drogenabusus. Formal und inhaltlich ist der Gedankengang unauffällig, jedoch deutlich negativ gefärbt. J. berichtet außerdem von Konzentrationsproblemen. Anamnestisch Angst vor Bewertungs- resp. Leistungssituationen und vor unbekannten Jugendlichen. Aktuell besonders ausgeprägte Angst vor Übergriffen seitens unbekannter Jugendlicher. Seit mindestens einem Jahr Ein- und Durchschlafprobleme, in Verbindung mit Grübeleien und Müdigkeit am Tag. Essverhalten und Gewicht unauffällig. Die kognitive Leistungsfähigkeit liegt laut erneuter Testung im Sozialpädiatrischen Zentrum (im Jahr 2013) im Grenzbereich durchschnittlich / unterdurchschnittlich. Diagnostische Befunde In der CBCL und im YSR wurden klinisch auffällige Ergebnisse in Bezug auf internale Verhaltensauffälligkeiten ermittelt. Im Jugendlichenurteil des YSR wurden überdurchschnittliche Werte für die Bereiche „sozialer Rückzug“ (T-Wert 66), „somatische Beschwerden“ (T-Wert 67), „ängstlich/depressiv“ (T-Wert 70), „soziale Probleme“ T-Wert 67 und „Aufmerksamkeitsprobleme“ (T-Wert 69) ermittelt. Im 132 Elternurteil der CBCL wurden ebenfalls auffällige Ergebnisse erzielt („sozialer Rückzug“ T-Wert 67, „somatische Beschwerden“ T-Wert 74, „ängstlich-depressiv“ TWert 67). Im SBB-DES (Stanine 9) und FBB-DES (Stanine 8) des DISYPS-II zeigen sich deutliche Hinweise auf eine depressive Störung, die sich im klinischen Urteil bestätigen. Die Kompetenzen, mit einem Stanine-Wert von 2 im Elternurteil, sind als sehr gering zu interpretieren. Im Selbsturteil finden sich Hinweise auf eine Überschätzung der eigenen Kompetenzen. Im DIKJ erreichte J. einen überdurchschnittlichen T-Wert von 69. Die Auswertungen des SBB-ANZ und FBB-ANZ des DISYPS-II weisen auf eine deutlich ausgeprägte Angst vor Gleichaltrigen resp. Befangenheit in sozialen Situationen, sowie die Angst in Leistungssituationen zu versagen, hin. In der Rosenberg Self-Esteem Scale wurde ein unterdurchschnittlicher T-Wert von 32 ermittelt, der auf einen vergleichsweise gering ausgeprägten globalen Selbstwert hinweist. Sowohl die DISYPS-II-Testbefunde als auch die Exploration und das daraus resultierende klinische Urteil bestätigen die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode und einer sozialen Phobie. Die kognitive Leistungsfähigkeit wurde mittels des WISC-IV vor Studienbeginn überprüft. J. erreichte einen im Grenzbereich durchschnittlich / unterdurchschnittlich liegenden Gesamt-IQ von 82 (Sprachverständnis IQ 92; wahrnehmungsgebundenes Denken IQ 90; Arbeitsgedächtnis IQ 80; Verarbeitungsgeschwindigkeit IQ 81). Die Ergebnisse sind jedoch aufgrund der schwerwiegenden depressiven Symptomatik, mit Konzentrationsproblemen und der deutlichen Angst in Bewertungssituationen, aber auch aufgrund diskontinuierlicher Beschulung in den letzten Jahren, nur unter Vorbehalt zu interpretieren. Somatischer Befund – ärztlicher Konsiliarbericht Laut Hausarzt liegen keine medizinischen Einwände gegen eine Psychotherapie vor. Eine kinder- und jugendpsychiatrische Abklärung ist erfolgt. Bedingungs- und Verhaltensanalyse Verhaltensanalyse J. wurde vor dem Hintergrund der motorischen Entwicklungsverzögerung und der Artikulationsstörung schon in der Kindergarten- und Grundschulzeit mit „Defiziten“ konfrontiert, die die Grundlage der sich im weiteren Verlauf entwickelten Leistungs133 und Bewertungsangst bildeten. J. war in der Grundschulzeit erstmals mit Faktoren konfrontiert, die den Selbstwert destabilisieren. Er hatte in den ersten beiden Schuljahren Schwierigkeiten beim Schriftspracherwerb und beim Rechnen, so dass retrospektiv zu vermuten ist, dass eine Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten bestanden hat (die jedoch nicht diagnostiziert wurde). Die Angst vor Beurteilungen und schulischen Bewertungen nahm auf der weiterführenden Schule, mit steigendem Leistungsniveau, deutlich zu und generalisierte in den folgenden Jahren auf alle sozialen Situationen. Auch die Selbstwertproblematik nahm im Zuge dessen immer weiter zu. J. internalisierte aufgrund der vielen negativen Rückmeldungen ein negatives Selbstbild. Als ungünstiger, die Symptomatik verstärkender Faktor, stellte sich das Mobbing durch Mitschüler heraus, was letztendlich zum Schulabgang nach der 8. Klasse führte, da J. den Leistungs- und sozialen Druck in der Schule nicht mehr aushalten konnte. Die komorbide depressive Symptomatik entwickelte sich zunächst kaum merklich in der 8. Klasse und nahm während der Berufsbildungsmaßnahme deutlich zu, da er auch dort mit Jugendlichen konfrontiert war, die ihn ärgerten und ihm sogar Gewalt androhten. Die Kernproblematik von J. besteht aktuell in einem Bewältigungsdefizit sozialer Ablehnungs- und Mobbingerfahrungen, die im weiteren Entwicklungsverlauf zur Vermeidung sämtlicher sozialer Situationen geführt hat und damit zur Manifestation einer sozialen Phobie und einer mittelgradigen depressiven Episode, mit ausgeprägter Selbstwertproblematik und sozialen Kompetenzdefiziten, beigetragen hat. Operante Verstärkerprozesse stabilisieren die Symptomatik, wie die folgende SORCAnalyse zeigt: Situation: J. wird von einem Jugendlichen ausgelacht Organismusvariablen: Disposition zu ängstlichem Verhalten; Phlegmatismus R emotional: Angst, Panik, Traurigkeit R physiologisch: Herzrasen, psychosomatische Beschwerden, wie Kopfschmerzen, Übelkeit… R motorisch: mangelndes Durchsetzungsvermögen, Flucht aus der Situation R kognitiv: „Der will mich bestimmt schlagen“, „Man kann niemandem trauen“ 134 Konsequenzen C- Stabilisierung des negativen Selbstbildes und Verstärkung der depressiven und sozial phobischen Symptomatik. Stark gefährdete berufliche Perspektive, da J. Angst vor dem Beginn einer Ausbildung hat. C+ keine angenehmen sozialen Aktivitäten mit Gleichaltrigen, Verlust an Freude bei außerhäuslichen Aktivitäten, keine Gelegenheit soziale Kompetenzen im Umgang mit Gleichaltrigen zu erwerben C+ Zuwendung und „Verständnis“ von Seiten der Familie, wenn J. soziale Kontakte meidet C- J. umgeht durch die Vermeidung eine potentielle handgreifliche Konfrontation mit dem anderen Jugendlichen MAS-Diagnosen nach ICD-10 Achse I: Mittelgradige depressive Episode (F32.1) (G) Soziale Phobie F40.1 (G) Achse II: Artikulationsstörung F80.0 (Z) Umschriebene Entwicklungsstörung der Fein- / Graphomotorik F82.1 (Z) Achse III: Intelligenz im Grenzbereich durchschnittlich / unterdurchschnittlich Achse IV: keine Achse V: keine Achse VI: Ernsthafte soziale Beeinträchtigung in mehreren Bereichen (4) Therapieziele und Prognose Mit dem Patienten und den Eltern wurden folgende Ziele vereinbart: Patientenzentrierte Ziele 1. Stabilisierung der Stimmung 2. Abbau der sozialen Ängste und des Vermeidungsverhaltens 3. Korrektur des negativen Selbstbildes und der pessimistischen Haltung 4. Stärkung der Durchsetzungsfähigkeit und Selbstbehauptung 5. Bearbeitung der Schlafproblematik Elternzentrierte Ziele 1. Erarbeitung eines gemeinsamen Störungsmodells mit der gesamten Familie 2. Abbau des protektiven Elternverhaltens und der „Schonhaltung“ in Bezug auf J. 135 3. Förderung der Autonomie des Jugendlichen Im Rahmen der probatorischen Sitzungen konnte eine vertrauensvolle therapeutische Beziehung zu J. und ein gutes Arbeitsbündnis mit der Familie hergestellt werden. Der Jugendliche zeigt ein angemessenes Problembewusstsein und einen erkennbaren Veränderungswillen. Da die Symptomatik sich primär auf den sozialen Kontext mit Gleichaltrigen fokussiert, d.h. nicht alle Lebensbereiche umfasst, und die geplanten Interventionen evidenzbasiert sind, kann von einer relativ guten Prognose für die Gesamtentwicklung ausgegangen werden. Behandlungsplan Patientenzentrierte Behandlungsmethoden 1. Psychoedukation: altersgemäße Vermittlung von Wissen über die Entwicklung von Depressionen und sozialen Ängsten. Erarbeitung von auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen der Symptomatik sowie sensible Exploration der biografischen Hintergründe der Symptomatik ( individuelles Störungsmodell). 2. Stimmungsstabilisierung: Reaktivierung von Interessen, die J. Freude bereiten (z.B. Schützenverein, Sport), „Liste angenehmer Aktivitäten“ (SELBST) nutzen, um verschiedene Aktivitäten auszuprobieren. Ziel: angenehme Aktivitäten in den Alltag zu implementieren (Einführung eines Tagestrukturierungsplans). 3. Ressourcenorientierte Arbeit: Fokussierung und Aktivierung von persönlichen Stärken und von Ressourcen im Umfeld (z.B. „Ressourcenbaum“). Gezielter Einsatz persönlicher Ressourcen im Alltag. 4. Bearbeitung der sozialen Phobie: Sukzessive in vivo Konfrontation mit angstauslösenden sozialen Situationen. Abbau des Vermeidungsverhaltens. 5. Erarbeitung eines positiven Selbstbildes: Korrektur negativer selbstbezogener Gedanken, Etablierung positiver Gedanken in Bezug auf die eigene Person. Förderung der positiven Sicht in Bezug auf die Umwelt und die Zukunft. 6. Stärkung der sozialen Kompetenzen: Im Rollenspiel üben, z. B. laut und deutlich zu sprechen, Blickkontakt zu halten, die eigene Meinung zu sagen, sich gegenüber anderen Jugendlichen durchzusetzen. Neu erworbenen Kompetenzen im Alltag erproben. 136 7. Bearbeitung der Schlafproblematik: Verbesserung der Schlafhygiene, Abbau der Belastungen, die J. nachts vom Schlaf abhalten, Gedankenstopp bei Grübeleien. Unterbinden des Schlafens am Tag, feste Schlaf- und Aufstehzeiten etablieren. Elternzentrierte Behandlungsmethoden 1. Erarbeitung eines individuellen Störungsmodells und gemeinsamer Behandlungsziele. 2. Abbau des Schonungsverhaltens und Förderung der Autonomie des Sohnes (außerhäusliche Aufgaben übernehmen, z.B. Brot alleine kaufen, alleine Bahn fahren…). 3. Unterstützung des Sohnes bei der Erprobung der neu erlernten sozialen Kompetenzen im Alltag. Behandlungsverlauf Die Behandlung fand in der Regel wöchentlich mit J. statt. Die Eltern wurde sporadisch in die Therapie mit eingebunden. Sowohl der Jugendliche als auch die Eltern nahmen die Termine sehr zuverlässig und motiviert wahr. Zunächst wurde gemeinsam mit den Eltern und J. ein multidimensionales Störungsmodell für die depressive und sozial phobische Symptomatik entwickelt. Da bei J. zu Behandlungsbeginn eine ausgeprägte Vermeidung aller neuartigen Situationen vorherrschte, wurden, neben den auslösenden Faktoren, insbesondere die aufrechterhaltenden Bedingungen der Phobie und der Depression hervorgehoben. Im Rahmen des ressourcenaktivierenden Ansatzes wurde in der ersten Therapiephase zunächst eine vertrauensvolle Beziehung zum Patienten und der Familie etabliert und im Folgenden persönliche Stärken von J. herausgearbeitet. Es wurden Ressourcen des Umfeldes exploriert, die im weiteren Therapieverlauf systematisch genutzt wurden. Da J. den Fokus seiner Aufmerksamkeit, trotz ressourcenaktivierender und stärken-fokussierender Therapieelemente, sehr auf seine Schwächen und Unzulänglichkeiten legte, wurde parallel zur Ressourcenaktivierung in besonderem Maße auch an den im Vordergrund der Symptomatik stehenden selbstabwertenden Kognitionen (z.B. „Ich kriege nichts hin“, „Ich bin zu doof“, „Ich bin hässlich“) gearbeitet. Dysfunktionale Kognitionen wurden in Form von sokratischen Dialogen kritisch hinterfragt und auf ihren Realitätsgehalt überprüft („Realitäts-Check Schwarzmalerei“). J. wurden verschiedene Denkfallen, 137 wie „Übergeneralisierung“ oder „Katastrophendenken“ erläutert und J. lernte selbständig einzuschätzen, ob seine Gedanken realistisch sind oder ob seinen Gedanken Denkfehler zugrunde liegen. Mit Unterstützung durch die Therapeutin gelang es J. zunehmend besser, Denkfallen frühzeitig zu erkennen und funktionalere Kognitionen in Bezug auf die eigene Person zu entwickeln („Ich bemühe mich, so gut ich kann, meine Leistungen zu verbessern“ als Alternative zur dysfunktionalen Kognition „Ich bin zu doof zum Lernen“). Eine kritische Grundhaltung blieb jedoch bis zum Abschluss der Behandlung bestehen (z.B. „Ich bin noch immer nicht so gut in der Schule wie andere Schüler“). Auch die feindseligen Unterstellungen betreffend anderer Jugendlicher (z.B. „Die wollen mich bestimmt verprügeln“) erwiesen sich über einen langen Zeitraum als änderungsresistent. J. lernte in der Therapie zwar, dass diese Gedanken hoch spekulativ sind, konnte jedoch seine Befürchtungen, verprügelt oder provoziert zu werden, nur ansatzweise abschwächen. Erst durch die „Realitätstestung“ und das systematische Konfrontieren mit angstauslösenden sozialen Situationen (beispielsweise im Verein mit einem Vereinsmitglied eine Unterhaltung anfangen) konnte J. internalisieren, dass nicht alle Menschen auf Konflikte und Provokationen aus sind. Im weiteren Therapieverlauf wurde ein engmaschiger Tagesstrukturierungsplan eingeführt. Mittels verschiedener Freizeitaktivitäten, die nach und nach etabliert wurden, konnte das Aktivitätsniveau erhöht und das Interessenrepertoire erweitert werden. So meldete J. sich mit der Mutter im Fitness-Center und einem Wing Tschun Verein an. Den Schützenverein besuchte er weiterhin einmal wöchentlich. Im Zuge der Aktivitätssteigerung wurden feste Aufsteh- und Zubettgehzeiten definiert (Mo - Fr um 8 Uhr, am Wochenende um 9 Uhr aufstehen, um 23 Uhr ins Bett gehen), um zu verhindern, dass J. den gesamten Vormittag im Bett verbringt und deshalb abends nicht einschlafen kann. Zudem wurden Schlafhygieneregeln zur Verbesserung der Schlafqualität eingeführt. Insgesamt konnte durch die genannten Interventionen bereits nach wenigen Wochen ein adäquater Schlaf-Wach-Rhythmus etabliert werden und die Stimmung grundlegend verbessert werden. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil der Therapie bestand im Training sozialer Fertigkeiten. J. lernte zunächst im Rollenspiel bei Gesprächen laut und deutlich zu reden und eine selbstsichere Körperhaltung einzunehmen. Dabei wurden, in Form von Rollenspielen, Gespräche mit Gleichaltrigen simuliert. Im weiteren Verlauf trainierte J. die erworbenen Fertigkeiten in realen Situationen, wie beispielsweise im Sportverein. 138 Zur Unterstützung einer angstfreien Kommunikation und Interaktion mit Peers wurde zusätzlich eine graduierte in vivo Konfrontation mit angstauslösenden sozialen Situationen durchgeführt. Die Therapiehausaufgaben bestanden beispielsweise darin, einen Freund zu fragen, ob er mit zum Training kommen möchte, beim Training einen Trainingspartner anzusprechen, alleine einkaufen zu gehen oder alleine zur Therapie zu fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die neuen Kontakte, die J. im Verein geschlossen hat, in Verbindung mit dem Kompetenzzuwachs haben maßgeblich zur Verbesserung des Selbstwertes von J. beigetragen. Obwohl es J. mit der Zeit immer besser gelang in Interaktion mit seinen Mitmenschen zu treten, fühlte er sich subjektiv bis zum Abschluss der Therapie noch leicht verunsichert und etwas unbeholfen. Die Elternarbeit bestand im Wesentlichen darin, die Mutter darin anzuleiten, J. für die Konfrontationsbehandlung zu motivieren und ihn dabei, nach Möglichkeit, zu unterstützen. Es gelang den Eltern sehr schnell, die übermäßige Schonhaltung in Bezug auf J. abzulegen und ihren Sohn bei der Verselbständigung zu unterstützen. Sie halfen J. maßgeblich bei der Suche nach geeigneten Freizeitaktivitäten und sorgten dafür, dass J. kontinuierlich seinen neuen Hobbies nachgeht. Die Eltern wurden auch dafür sensibilisiert, die Therapiefortschritte ihres Sohnes konsequent durch Lob zu verstärken, was ihnen aufgrund der guten Eltern-Sohn-Beziehung mühelos gelungen ist. Depressionsbehandlung Die und Therapie deutlichen wurde im Reduktion Zuge der der sozial erfolgreichen phobischen Symptomatik, in Absprache mit dem Jugendlichen und den Eltern, beendet. Es wurde empfohlen, dass J. sich auch über die Therapie hinaus weiterhin regelmäßig Situationen mit Gleichaltrigen aussetzen soll, um die erreichten Therapieziele zu stabilisieren. Als Fazit kann gezogen werden, dass die depressive Symptomatik vollständig remittiert ist und der Selbstwert gesteigert werden konnte, während die soziale Phobie noch in subklinischer Form vorhanden ist. Zur Stabilisierung der Behandlungseffekte muss J. sich auch weiterhin neuen sozialen Situationen, wie dem Schulbesuch oder einem Praktikum, aussetzen. Als besonderer Therapieerfolg ist zu werten, dass J. im Therapieverlauf erfolgreich ein Praktikum in einem Altersheim absolvierte und dort kaum noch soziale Ängstlichkeit gezeigt hat. Ein weiterer großer Erfolg ist, dass J. im Rahmen des „Bildungsprojekts zum Globalen Lernen von Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf“ ab dem kommenden Schuljahr seinen Schulabschluss nachholen kann. 139 6.2 Behandlungsfall 2 Angaben zur spontan berichteten und erfragten Symptomatik Die 17-jährige Patientin kommt zum Erstgespräch in Begleitung ihrer Mutter. Vorstellungsanlass sei ein deutliches Stimmungstief, das - aus Sicht der Jugendlichen und der Mutter - seit mindestens zwei Jahren bestehe. Die Patientin berichtet, dass sich die traurig-bedrückte Stimmungslage während ihrer ersten Beziehung mit einem Jungen entwickelt habe. Ihr damaliger Freund habe sie häufig gedemütigt, verbal attackiert resp. bedroht und sie auch geschlagen. Zudem sei er ihr fremdgegangen, was sie sehr verletzt habe. Die Mutter glaube, dass ihre Tochter dem Jungen „hörig“ gewesen sei, da sie es über einen längeren Zeitraum nicht geschafft habe, sich von ihm zu trennen. V. nehme seit ihrem 14. Lebensjahr wahr, dass sie Stimmungs- und Selbstwertprobleme habe, dies habe sie jedoch zunächst nicht weiter beunruhigt. Seit ca. 2 Jahren sei ihre Stimmung jedoch deutlich „gekippt“, d.h. die depressive Symptomatik, in Verbindung mit sozialen Rückzugstendenzen, Grübeleien und Selbstvorwürfen, haben aus Sicht der Patientin und ihrer Mutter deutlich zugenommen. Neben einer traurigen Grundstimmung habe V. seit 2011 gelegentlich Suizidgedanken, letztmalig vor ungefähr einem halben Jahr. Suizidversuche habe es in der Vergangenheit nie gegeben, auch keinen stationären Aufenthalt wegen akuter Suizidalität. V. leide, abgesehen von ihrer traurigen Stimmung, auch sehr unter Einund Durchschlafproblemen sowie unter Konzentrationsschwierigkeiten in der Berufsschule. Sie habe auch Sorge, die Ausbildung nicht zu schaffen. V. erlebe neben ihrer deutlichen Belastung auch immer mal wieder kurze Phasen einer „neutralen“ Stimmung und könne sich „in guten Phasen“ auch angemessen über alltägliche Dinge freuen. Lebensgeschichtliche Entwicklung und Krankheitsanamnese V. lebt gemeinsam mit ihrer 16-jähigen Schwester im elterlichen Haushalt. Der Vater ist KFZ-Meister, die Mutter ist im pädagogischen Bereich tätig. V. hat einen 30-jährigen Halbbruder und eine 26-jährige Halbschwester väterlicherseits, die beide nicht in der Familie leben. Es wird eine termingerechte Geburt per Sectio beschrieben. V. habe in der Neugeborenenperiode viel geweint und sei „schon immer sehr anhänglich“ gewesen. Die Meilensteine der frühkindlichen Entwicklung seien zeitgerecht erreicht worden. Vom 3. bis 6. Lebensjahr besuchte V. einen Kindergarten. Dort habe sich erstmals 140 eine deutliche Trennungsangst, sowie Angst vor Hunden und Männern gezeigt. Trotz ihrer Ängste sei V. sehr beliebt bei Kindern gewesen und sozial gut integriert. Im Alter von sechs Jahren sei sie eingeschult worden. Das 1. Schuljahr absolvierte sie ohne nennenswerte Auffälligkeiten, am Ende der 2. Klasse hingegen habe sie nur noch geweint im Unterricht und wollte nicht mehr zur Schule gehen. In der 3. Klasse fing sie an die Mitarbeit im Unterricht zu verweigern, ging jedoch aufgrund der konsequenten Erziehungshaltung der Eltern weiterhin regelmäßig zur Schule. Man habe den Eltern dennoch aufgrund des auffälligen Verhaltens geraten, V. dem schulpsychologischen Dienst vorzustellen, der eine psychotherapeutische Behandlung empfohlen habe. V. sei aufgrund dieser Empfehlung zwei Jahre lang verhaltenstherapeutisch behandelt worden. Die diversen Ängste seien laut Auskunft der Mutter durch die Behandlung vollständig remittiert. Nach der Grundschulzeit besuchte V. bis zum Schulabschluss die Gesamtschule. Dort sei bis zur 8. Klasse „alles super verlaufen.“ Vor ca. 3 Jahren sei sie dann ihre erste Beziehung eingegangen. Die Beziehung, die ungefähr 1,5 Jahre lang aufrechterhalten wurde, habe sie in sehr schlechter Erinnerung. Sie sei damals über Monate hinweg von ihrem Partner schlecht behandelt worden und habe von ihrem Freund neben verbalen und körperlichen Attacken auch Morddrohungen per Handy erhalten. Die Mutter berichtet, dass sich die Stimmung ihrer Tochter in dieser Zeit deutlich verschlechtert habe und gleichzeitig ein starker Leistungsabfall in der Schule zu verzeichnen gewesen war. Für die Mutter sei besonders schwer auszuhalten, dass V. sich ihr gegenüber „nie öffnen wollte.“ Nach Beendigung der Beziehung stabilisierte sich die Stimmung von V. zunächst etwas, als V. jedoch einen anderen Jungen kennenlernte, der sie ebenfalls respektlos behandelte, habe sich ihre Stimmung wieder deutlich verschlechtert. Auftrieb habe ihr im letzten Jahr der Beginn der Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten gegeben. Aktuell befindet sich V. im 2. Ausbildungsjahr. Die Ausbildung mache sie gerne, sie sei auch gut integriert, befürchte aber, das Ausbildungsjahr nicht zu schaffen, weil sie sich kaum konzentrieren könne und zu wenig lerne. V. habe einige Freunde, mit denen sie sich am Wochenende früher regelmäßig verabredet habe. Hobbies habe sie keine und sie gehe seit Längerem auch keiner regelmäßigen Freizeitbeschäftigung mehr nach. Früher sei sie regelmäßig tanzen 141 gegangen, würde dies auch gerne wieder tun, wenn sie sich wieder dazu „aufraffen“ könne. Psychischer Befund zum Zeitpunkt der Antragstellung V. ist eine altersgemäß entwickelte, sympathische 17-jährige Jugendliche. Sie ist im Gespräch freundlich zugewandt, jedoch schüchtern und unsicher im Sozialkontakt. Mnestische Funktion unauffällig, kognitive Leistungsfähigkeit im durchschnittlichen Bereich. Die Stimmungslage ist deutlich depressiv und resignativ, mit geringem Selbstwert und Antriebslosigkeit. Keine Suizidalität oder selbstschädigendes Verhalten, keine Fremdgefährdung. Formal und inhaltlich ist der Gedankengang unauffällig, jedoch deutlich negativ gefärbt. Kein Alkohol- oder Drogenabusus. Anamnestisch im Vorschul- und Grundschulalter Trennungsangst, Angst vor Hunden und Männern bekannt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt Versagensangst eruierbar. Seit mehreren Jahren Ein- und Durchschlafprobleme, in Verbindung mit Grübeleien und Selbstabwertungstendenzen. Keine Hinweise auf Intrusionen oder andere Kardinalsymptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Diagnostische Befunde V. erreichte im Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene (WIE) einen Gesamt-IQ von 94 Punkten und erzielt damit – trotz deutlicher Nervosität während der Testung – ein Ergebnis im Normbereich. In der CBCL und im YSR wurden klinisch auffällige Ergebnisse in Bezug auf internale Verhaltensauffälligkeiten ermittelt. Im SBB-DES und FBB-DES des DISYPS-II zeigen sich mit jeweils einem Stanine-Wert von 9 deutliche Hinweise auf eine depressive Störungen. Die Kompetenzen sind im Selbst- und Fremdurteil, mit einem Stanine-Wert von 3, als gering zu interpretieren. Im DIKJ erreichte V. ein überdurchschnittliches Ergebnis (T = 72), welches, wie die o. g. Befunde, auf eine ausgeprägte depressive Symptomatik hinweist. In der Rosenberg Self-Esteem Scale wurde ein extrem unterdurchschnittlicher T-Wert von 16 ermittelt, der auf einen sehr gering ausgeprägten globalen Selbstwert hinweist. Sowohl die Testbefunde, als auch die Exploration und das daraus resultierende klinische Urteil bestätigen die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode. 142 Somatischer Befund – ärztlicher Konsiliarbericht Laut Hausarzt liegen keine medizinischen Einwände gegen eine Psychotherapie vor. Bedingungs- und Verhaltensanalyse Verhaltensanalyse Die depressive Symptomatik entwickelte sich im Zusammenspiel von disponierenden Faktoren (familienanamnestisch kann väterlicherseits von einer Häufung affektiver Erkrankungen ausgegangen werden) und wiederkehrenden negativen Beziehungserfahrungen. Die Kernproblematik der Patientin besteht in einem Bewältigungsdefizit biografischer Gewalt- und Invalidierungserfahrungen, die aus den beiden ersten Beziehungen von V. resultierten und sich in Form einer depressiven Störung mit ausgeprägter Selbstwertproblematik manifestierten. Neben biographischen Belastungsfaktoren und einer Disposition zu ängstlich-vermeidendem Verhalten lassen sich aktuell auch psychosoziale Stressoren explorieren, wie z.B. familiäre Konflikte, Konzentrations- und Leistungsdefizite, die zur Schwere und Persistenz der Symptomatik beitragen. Erschwerend kommt hinzu, dass V. bislang keine adäquaten Konfliktlösestrategien entwickelt hat und bei Auseinandersetzungen mit maladaptiven Verhaltensweisen, wie sozialem Rückzug, Suizidgedanken oder Selbstzweifeln und Selbstvorwürfen reagiert. Symptomaufrechterhaltend wirken operante Verstärkerprozesse, wie die folgende SORC-Analyse exemplarisch zeigt: Situation: Verbale Auseinandersetzung zwischen V. und ihrem Freund Organismusvariable: Disposition zu ängstlich-vermeidendem Verhalten R emotional: Angst verlassen zu werden, Wut, Enttäuschung, Traurigkeit R physiologisch: Herzrasen, Kopfschmerzen R motorisch: „Ertragen“ und Dulden der Beleidigungen des Freundes, kein Durchsetzungsvermögen R kognitiv: „Ich bin an allem schuld“, „Warum gerate ich immer an die gleichen Typen?“ 143 Konsequenzen C- Zunahme des erlebten Kontrollverlustes. Manifestation eines negativen Selbstbildes. Langfristig Potenzierung der depressiven Symptomatik und Gefahr der Entwicklung einer dependenten Persönlichkeit. Schulischer Konzentrations- und Leistungsabfall mit gefährdetem Ausbildungsabschluss aufgrund der vielfältigen Belastungen. C+ nur noch wenige schöne Erlebnisse, Verlust an Freude und Freizeitaktivitäten C+ Zuwendung von Seiten des Freundes, wenn V. beim Streiten einlenkt und Kritik oder aggressives Verhalten wortlos toleriert. C- V. verhindert durch ihr „angepasstes Verhalten“, dass der Freund sich von ihr trennt. MAS-Diagnosen nach ICD-10 Achse I: Mittelgradige depressive Episode (F32.1) (G) Emotionale Störung des Kindesalters mit Überängstlichkeit (F93.8) (Z) Achse II: Keine umschriebene Entwicklungsstörung Achse III: Durchschnittliche Intelligenz Achse IV: keine Achse V: keine Achse VI: Mäßige soziale Beeinträchtigung in mindestens ein oder zwei Bereichen Therapieziele und Prognose Mit der Patientin und den Eltern wurden folgende Ziele vereinbart: Patientenzentrierte Ziele 1. Stabilisierung der Stimmung unter sensibler Beachtung der biografischen Vorgeschichte der Patientin 2. Korrektur des negativen Selbstbildes 3. Erarbeitung adäquater Problem- und Konfliktlösekompetenzen 4. Stärkung der Durchsetzungsfähigkeit 5. Bearbeitung der Ein- und Durchschlafstörung 144 Elternzentrierte Ziele 1. Aufbau von Verständnis für die Symptomatik und das zugrundeliegende Erklärungsmodell der Selbstwertproblematik. 2. Unterstützung der Tochter beim Erlernen eines adäquaten Durchsetzungsvermögens und beim Knüpfen neuer Kontakte. Da im Rahmen der probatorischen Sitzungen eine vertrauensvolle therapeutische Beziehung zur Patientin hergestellt werden konnte, die hoch motiviert zu den Therapiestunden erscheint und darüber hinaus auch ein gutes Arbeitsbündnis mit den Eltern entstanden ist, kann trotz der seit längerem bestehenden Symptomatik von einer günstigen Prognose ausgegangen werden. Da es sich bei den gewählten Behandlungsmethoden um evidenzbasierte Methoden handelt, wird von einem günstigen Therapieverlauf ausgegangen. Behandlungsplan Patientenzentrierte Behandlungsmethoden 1. Etablierung einer vertrauensvollen therapeutischen Allianz durch altersgerechte Exploration der Symptomatik und sensible Erhebung biografischer Hintergründe der Symptomatik. Betonung der therapeutischen Schweigepflicht. 2. Psychoedukation: altersgerechte Vermittlung von Wissen über die Entwicklung von Depressionen und Selbstwertstörungen. Erarbeitung von auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen der Symptomatik im Rahmen eines individuellen Störungsmodells. 3. Ressourcenorientierte Biografiearbeit: Erstellen einer Lebenslinie mit dem Fokus auf positive Beziehungserfahrungen im Entwicklungsverlauf. Einsatz von Arbeitsmaterialien zur Biografiearbeit. Sensibilisierung und Aktivierung von persönlichen Stärken und von Ressourcen im Umfeld. Im weiteren Therapieverlauf sensible Thematisierung negativer biografischer Beziehungserfahrungen. 4. Förderung eines positiven Selbstbildes: Kognitive Umstrukturierung negativer selbstbezogener Gedanken, Etablierung und Festigung positiver Gedanken in Bezug auf die eigene Person. Im Rahmen der kognitiven Arbeit außerdem Etablierung einer positiven Sicht in Bezug auf die Umwelt und die Zukunft. 5. Stimmungsstabilisierung durch Aktivitätssteigerung: Reaktivierung von Interessen, die V. früher Freude bereitet haben (z.B. Anmeldung Tanzgruppe). Aus der „Liste 145 angenehmer Aktivitäten“ (SELBST) verschiedene Aktivitäten erproben und sukzessive in den Alltag implementieren. 6. Stärkung der sozialen Kompetenzen: Förderung der Durchsetzungsfähigkeit (z.B. die eigene Meinung vertreten und zu seiner Meinung stehen, persönliche Rechte durchsetzen…etc.). Erprobung im Rollenspiel und nachfolgend Verankerung im Alltag. 7. Bearbeitung der Schlafproblematik: Verbesserung der Schlafhygiene. Bearbeitung der Belastungen, die V. abends vom Schlaf abhalten. Gedankenstopp bei Grübeleien. Elternzentrierte Behandlungsmethoden 1. Aufbau von Verständnis für das Störungsmodell und der aufrechterhaltenden Bedingungen. Erarbeitung eines individuellen Störungsmodells und gemeinsamer Behandlungsziele. 2. Unterstützung bei der Erprobung der neu erlernten sozialen Kompetenzen im familiären Alltag. 3. Unterstützung bei der Suche einer geeigneten Freizeitaktivität und somit beim Knüpfen von neuen Kontakten zu Gleichaltrigen. Behandlungsverlauf Die Termine mit V. fanden in der Regel wöchentlich statt. Ergänzend fanden ungefähr alle vier bis sechs Wochen Elterngespräche mit der Mutter statt. Die Familie nahm die Termine sehr zuverlässig wahr und erledigte ihre Therapieaufgaben gewissenhaft. Zunächst wurde ein gemeinsames Störungsmodell der Depression – unter besonderer Berücksichtigung der auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren der Stimmungsund Selbstwertproblematik – erarbeitet. Die Definition der Therapieziele fand gemeinsam mit V. und der Mutter statt. In der probatorischen Phase wurde primär daran gearbeitet, eine vertrauensvolle therapeutische Allianz herzustellen. Im Rahmen der Psychoedukation fand eine altersgerechte Vermittlung von Wissen über die Entwicklung, den Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten von Depressionen und Selbstwertproblemen statt. Neben psychotherapeutischen Interventionen wurde im Januar 2014, um die bevorstehende Zwischenprüfung als MTA nicht zu gefährden, auf ausdrücklichen Wunsch der Jugendlichen und der Mutter, eine begleitende 146 medikamentöse Behandlung mit Fluoxetin initiiert, von der V., in Kombination mit den psychotherapeutischen Interventionen, sehr profitierte. Die Therapie von V. umfasste in der ersten Therapiephase schwerpunktmäßig das Etablieren von angemessenen Schlafhygieneregeln und die Stabilisierung der Stimmung durch die Tagesstrukturierung, in Kombination mit einer sukzessiven Aktivitätssteigerung. V. meldete sich nach langen Überlegungen wieder in einem Tanzverein an und ging regelmäßig mit dem Hund, gelegentlich auch gemeinsam mit der Mutter, spazieren. Mit therapeutischer Unterstützung konnte sie wieder Kontakte knüpfen zu ihren alten Freundinnen, mit denen sie sich im weiteren Verlauf auch regelmäßig an den Wochenenden verabredete. Dies führte zu einer signifikanten Stimmungsstabilisierung und trug insgesamt zur Entlastung der Jugendlichen bei. Ergänzend wurde ein Stimmungstagebuch geführt, um Auslöser für Stimmungseinbrüche besser nachvollziehen zu können bzw. um die Stimmung mit geeigneten Maßnahmen, wie beispielsweise positivem Denken und aktiven Problemlösekompetenzen, selbständig zu verbessern. Es konnte im Rahmen der Biografiearbeit außerdem herausgearbeitet werden, dass in der Vergangenheit insbesondere der Freund und die Schule massiv die Stimmung der Jugendlichen beeinträchtigt haben. Durch die Trennung vom Freund und das systematische Aufarbeiten von schulischen Wissenslücken stabilisierte sich die Stimmung stetig. Des Weiteren wurde an der Korrektur der negativen Sicht der eigenen Person und der Zukunft (u. a. durch kognitive Umstrukturierung und sokratischen Dialog) gearbeitet. In diesem Zusammenhang wurden typische Denkfallen von V. identifiziert, wie „Übergeneralisierung“, „Hellseherei“ oder „Schwarz-Weiß-Denken“, die in der Folge bearbeitet wurden. Auch wurde intensiv an der Entwicklung eines positiven Selbstbildes (z.B. Stärken-Schwächen-Waage, Powerbaum Jugendlicher und Eltern) gearbeitet, wovon Biografiearbeit V. sichtlich (Lebenslinie, profitierte. Mister X Durch Spiel, die ressourcenorientierte Exploration positiver Beziehungserfahrungen) konnte V. zunehmend besser ihre eigenen Fähigkeiten und persönlichen Stärken wahrnehmen. Es gelang ihr zunehmend besser, sich für erreichte Ziele oder gute Leistungen am Arbeitsplatz oder in der Berufsschule selbst zu loben. Sie lernte sich gegenüber den Arbeitskolleginnen besser abzugrenzen und Arbeitsaufträge selbstbewusst zu delegieren. Insbesondere die verbesserte Durchsetzungsfähigkeit und das selbstsichere Auftreten am Arbeitsplatz verhalfen V. 147 ihren Selbstwert zu steigern und sich im Kontakt zu Kollegen und zum Vorgesetzten als selbstwirksam zu erleben. In der letzten Therapiephase wurde vornehmlich an der Stabilisierung der erzielten Behandlungseffekte gearbeitet. Ergänzend fand eine ausführliche Rückfallprophylaxe statt. Durch die Therapie und die Medikation konnte ihr Antrieb deutlich gesteigert werden und die Lebensfreude sowie die Freude an Freizeitaktivitäten mit ihren Freundinnen nahmen wieder merklich zu. Die Abschlussdiagnostik ergab keine depressiven Auffälligkeiten mehr. Sämtliche Werte lagen nach Behandlungsabschluss und bei der Follow-up Untersuchung 12 Wochen später im Normbereich. Auch die Werte der „Rosenberg Self-esteem Scale“ lagen im Normbereich. Die Befunde decken sich mit dem klinischen Urteil, dass sowohl die depressive Symptomatik als auch die Selbstwertproblematik vollständig remittiert sind. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass V. deutlich von der verhaltenstherapeutischen und begleitenden medikamentösen Behandlung profitiert hat. Die depressive Symptomatik (incl. Selbstwertstörung) ist vollständig remittiert. Da V. die oben beschriebenen Interventionen gut in ihrem persönlichen Lebensumfeld verankern konnte, wird das Risiko für einen Rückfall, aus klinischer Sicht, als gering eingeschätzt. Die psychotherapeutische Behandlung wurde aufgrund des positiven Verlaufs – in Absprache mit V. und den Eltern – im Herbst 2014 beendet. 6.3 Behandlungsfall 3 Angaben zur spontan berichteten und erfragten Symptomatik Die 13-jährige Patientin erscheint in Begleitung ihrer Bezugspädagogin der Wohngruppe zum Ersttermin. Sie berichtet, dass sie unter starken Stimmungsschwankungen leide, häufig traurig sei, viel weine und oft lustlos sei. Sie habe außerdem Probleme beim Einschlafen. Da sie viel grüble, wache sie des Öfteren nachts auf und habe dann Schwierigkeiten wieder einzuschlafen. Sie fühle sich nicht selbstbewusst und traue sich nichts zu. So falle es ihr schwer, Jugendliche außerhalb ihrer Wohngruppe anzusprechen, aus Sorge sich zu blamieren. Sie traue sich teilweise auch nicht in der Schulpause alleine rauszugehen. Ihr falle es ebenfalls schwer Kritik anzunehmen. Sie fühle sich in solchen Situationen immer schnell angegriffen und würde dann oft anfangen zu weinen. Es sei im letzten halben Jahr außerdem zweimal vorgekommen, dass sie sich aus Wut über sich selbst geritzt habe. 148 Lebensgeschichtliche Entwicklung und Krankheitsanamnese R. lebe infolge massiver intrafamiliärer Konflikte seit einem Jahr in einer intensivpädagogischen Wohngruppe mit sechs weiteren Mädchen. R. sei das einzige Kind des 38-jährigen Vaters und der 37-jährigen Mutter, die bis 2004 in der Ukraine gelebt und gearbeitet haben. R. sei in der Ukraine geboren worden. Die Schwangerschaft und Geburt seien unauffällig verlaufen. Die Meilensteine der frühkindlichen Entwicklung seien regelgerecht erreicht worden. R. sei mit drei Jahren in den Kindergarten gekommen. 2004 sei die Familie aus politischen Gründen nach Deutschland ausgewandert. R. sei erst in Bayern, dann in NRW in den Kindergarten gegangen. Sie habe die Zeit in schlechter Erinnerung, da sie kein Deutsch gesprochen habe und sich sehr verloren vorgekommen sei. R. sei mit sechs Jahren in einer Regelgrundschule eingeschult worden. Bereits zu dieser Zeit hätten die Eltern massive körperliche Auseinandersetzungen gehabt, was 2007 schließlich zur Trennung der Eltern geführt habe. R. habe 2010, nach der als unauffällig erinnerten Grundschulzeit, auf eine Realschule gewechselt. Dort habe sie sich schlecht konzentrieren können und sei irgendwann nicht mehr zur Schule gegangen. Sie habe dann letztendlich aufgrund schlechter Noten auf eine Hauptschule wechseln müssen. Hier sei sie von den anderen Kindern gemobbt worden und aufgrund dessen erneut der Schule ferngeblieben. Zunehmend sei eine Leistungsverschlechterung verzeichnet worden. R. habe in diesem Zeitraum zudem viel Streit und zum Teil auch körperliche Auseinandersetzungen mit der Mutter gehabt. Die Situation habe sich im weiteren Verlauf so zugespitzt, dass R. im September 2012 notfallmäßig – aufgrund von suizidalen Absichten – zwei Wochen lang stationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt worden sei. Da die Situation zu Hause nicht mehr tragbar schien, wurde R. im Januar 2013 in einer intensivpädagogischen Wohngruppe untergebracht. Hier stabilisierte sie sich allmählich psychisch. R. habe ein halbes Jahr benötigt um sich einzugewöhnen, sei aber mittlerweile gut in die Gruppe integriert und nehme dort sogar eine führende Position ein. Seit November 2013 zeige R. eine zunehmende depressive Symptomatik, in Verbindung mit starken Selbstzweifeln, was R. und die Bezugspädagogin im weiteren Verlauf zur Vorstellung in der Psychotherapieambulanz bewogen habe. 149 Psychischer Befund zum Zeitpunkt der Antragstellung Die Jugendliche wirkt anfänglich im Kontakt leicht unsicher und überangepasst. Sie ist bemüht, die ihr gestellten Fragen angemessen zu beantworten und kann auf Nachfrage differenziert von ihren Problemen berichten. Keine Anzeichen von oppositionell-dissozialem Verhalten, keine Entwicklungsstörungen, keine Tics, keine Impulsivität und keine Anzeichen von übermäßiger Ablenkbarkeit. Kognitive Leistungsfähigkeit im durchschnittlichen Bereich. Es werden leichte Ängste vor unbekannten Gleichaltrigen geäußert sowie eine diskrete soziale Unsicherheit. Häufig traurige Stimmung, Anhedonie, mangelndes Selbstvertrauen, Interessenlosigkeit, gelegentlich affektlabil. Unauffälliges Essverhalten und keine signifikante Gewichtsabnahme. Ein- und Durchschlafschlafschwierigkeiten, in Verbindung mit Grübeltendenzen. Kein Wahn, keine Halluzination, keine Zwänge eruierbar. Es besteht keine akute Eigen- oder Fremdgefährdung und kein Drogen- oder Alkoholabusus. Diagnostische Befunde Im YSR zeigen sich Hinweise auf rückzügiges Verhalten (T>80), ängstliches depressives Verhalten (T>80) sowie körperliche Beschwerden (T=74). Im SBB-DES des DISYPS-II wurden Werte im auffälligen Bereich (SN=9) ermittelt. Im DIKJ ergeben sich ebenfalls deutliche Hinweise auf depressive Tendenzen (T=79). In der RSES wurde ein deutlich unterdurchschnittlicher T-Wert von 29 ermittelt, der auf eine Selbstwertstörung hinweist. In der CBCL zeigen sich zudem auffällige Werte in den Bereichen sozialer Rückzug (T>80), ängstlich-depressive Symptomatik (T>80), dissoziales Verhalten (T=74) sowie aggressives Verhalten (T=71). Im Fremdbeurteilungsbogen FBB-DES zeigt sich, analog zum Selbsturteil, ebenfalls ein auffälliges Gesamtergebnis (SN=9). Die Ergebnisse der Diagnostik sowie das klinische Urteil weisen auf eine deutliche depressive Symptomatik hin. Somatischer Befund – ärztlicher Konsiliarbericht Laut Hausarzt liegen keine medizinischen Einwände gegen eine Psychotherapie vor. R. erhält keine Medikation. Eine psychiatrische Begleitbehandlung ist nicht notwendig. Bedingungs- und Verhaltensanalyse Verhaltensanalyse Bei der Jugendlichen liegt eine mittelgradige depressive Episode vor, deren Entwicklung sich aus der von multiplen Stressoren (Migration, Mobbing…) und 150 negativen familiären Beziehungserfahrungen (häufige Auseinandersetzung, körperliche Gewalt) geprägten Biografie der Familie gut erklären lässt. Aufgrund der inkonsistenten Grenzsetzung der Eltern und dem körperlich-aggressiven Durchsetzen der Eltern gegenüber ihrer Tochter, hat R. zunehmend eine traurige Stimmung, in Verbindung mit Selbstzweifeln, Selbstwertproblemen und der Sorge „alles falsch zu machen“ entwickelt. Zudem konnte R. keine positiven Modellerfahrungen sammeln, um beispielsweise mit Gefühlen, wie Wut oder Frustration, adäquat umgehen zu können. Vor dem Hintergrund der Mobbingerfahrungen in der vorgehenden Schule, reagiert sie sehr sensibel auf Kritik, welche sie meist als Angriff auf die eigene Person interpretiert. R. hat im Entwicklungsverlauf gelernt, auf frustrierende Ereignisse mit sozialem Rückzug zu reagieren, einhergehend mit deutlicher Traurigkeit und Schuldgefühlen. Expansive Verhaltensweisen wurden seitens der Eltern immer mit übermäßig harten Sanktionen geahndet, was die depressive Symptomatik der Jugendlichen verstärkt hat. R. erfährt durch den sozialen Rückzug und ihre soziale Unsicherheit keine Erfolgserlebnisse und keine Selbstbestätigung und kann demzufolge keine selbstwertstabilisierenden Selbstwirksamkeitserfahrungen machen. In der Folge entwickelten sich soziale Kompetenzdefizite, da R. bis dato nur wenig Raum zum Erproben angemessener sozialer Fertigkeiten hatte. Durch die erhöhten schulischen Anforderungen tritt vermehrter Stress auf, der sich ebenfalls negativ auf das Selbstkonzept auswirkt. Exemplarisch lässt sich das Störungsbild an folgender Verhaltensanalyse (SORC) verdeutlichen: Situation: R. streitet sich mit ihrer Zimmernachbarin und bekommt deshalb Ärger von der Pädagogin der Wohngruppe. Organismusvariablen: geringe Frustrationstoleranz, übermäßige Sensibilität, geringer Selbstwert R kognitiv: "Ich bin immer alles schuld.", "Nie glaubt mir jemand." R physiologisch: erhöhtes physiologisches Erregungsniveau, errötet, zittert R emotional: Unsicherheit, Traurigkeit, Wut, Enttäuschung R motorisch: Weinen, Verweigerungshaltung gegenüber der Pädagogin, Rückzug in ihr Zimmer Konsequenzen C+ Aufmerksamkeit durch die anderen Mitbewohnerinnen, die sie trösten 151 C- verzögert den Tagesablauf in der Wohngruppe, schlechte Beziehung zur Zimmernachbarin, Konflikte mit den Pädagogen, langfristig Gefahr der sozialen Isolation C+ friedliches Zusammenleben mit der Mitbewohnerin ist gestört C- geht einer Klärung des Konfliktes durch Rückzug aus dem Weg MAS-Diagnosen nach ICD-10 Achse I: Mittelgradige depressive Episode (F32.1) (G) Achse II: keine Achse III: Durchschnittliche Intelligenz Achse IV: keine Achse V: Inadäquate / verzerrte intrafamiliäre Kommunikation Erziehung in einer Institution Abweichende Elternsituation Migration Achse VI: Mäßige soziale Beeinträchtigung (3) Therapieziele und Prognose Mit der Patientin und der Wohngruppe wurden folgende Ziele vereinbart: Patientenzentrierte Ziele: 1. Verbesserung der Stimmung 2. Angemessene Modulation von Gefühlen (z.B. Wut, Trauer) 3. Erweiterung der sozialen Fertigkeiten (z.B. angemessene Kontaktaufnahme und Kontaktgestaltung zu Peers, die eigene Meinung vertreten) 4. Abbau sozialer Unsicherheit 5. Stärkung des Selbstwertgefühls, Korrektur des negativen Selbstbildes 6. Erlernen eines adäquaten Umgangs mit Kritik Die Patientin zeigt eine hohe Reflexionsbereitschaft in Bezug auf ihre Probleme und einen ausgeprägten Veränderungswillen. Sie nimmt die Therapietermine verlässlich wahr und arbeitet motiviert mit. R. verfügt, trotz der Schwere der Symptomatik, über ein relativ hohes Funktionsniveau. Da die Symptomatik noch nicht auf alle Lebensbereiche generalisiert ist und hinreichende persönliche Ressourcen vorhanden 152 sind, wird eine gute Prognose in Bezug auf die Gesamtentwicklung angenommen. Da es sich bei den gewählten therapeutischen Strategien um evidenzbasierte Methoden handelt, wird von einem positiven Therapieverlauf ausgegangen. Behandlungsplan 1. Aufbauen einer tragfähigen therapeutischen Beziehung durch Interesse und Anteilnahme an persönlichen Themen (außerhäusliche Unterbringung, Beziehung zu einem Jungen), Hobbies (z.B. Lesen, Sport) sowie Verständnis im Umgang mit aktuellen Problemen und Stimmungsschwankungen. 2. Entwicklung eines multifaktoriellen Störungsmodells unter Einbeziehung auslösender (biografischer) und aufrechthaltender Faktoren (z.B. vermehrte Aufmerksamkeit) der depressiven Symptomatik und der damit einhergehenden Selbstwertstörung. 3. Aufbau eines positiven Selbstbildes durch ressourcenaktivierende Methoden: Ressourcenbaum, Erarbeitung eines realistischen Stärken- und Schwächenprofils. Relativierung von Idealbildvorstellungen. Einsatz regelmäßiger positiver Selbstverbalisationen. 4. Korrektur dysfunktionaler Denkmuster (z.B. Bearbeitung typischer Denkfallen, wie Schwarz-Weiß-Denken, Übergeneralisierung, selektive Abstraktionen). Erstellen von Gedankenprotokollen zur Unterscheidung hilfreicher und weniger hilfreicher Gedanken. Erarbeiten von positiven, selbstwertstabilisierenden Gedanken und Korrektur selbstabwertender Kognitionen (z.B. "Die Situation ist blöd gelaufen, aber deshalb bin ich kein schlechter Mensch"). 5. Verbesserung der Affektregulation und Impulskontrolle: Führen eines Wutprotokolls zur Identifizierung wutauslösender Situationen und dazugehöriger unrealistischer Kognitionen Verhaltensweisen. Erarbeiten sowie von daraus resultierender Impulskontrolltechniken. maladaptiver Training der Emotionserkennung und -benennung und Einüben eines adäquaten Ausdrucks von Gefühlen. 6. Aufbau von sozialen Kompetenzen (selbstsicheres Auftreten, Kontaktgestaltung mit Jugendlichen) mit Hilfe von Rollenspielen und Videofeedback. Einüben von neu erworbenen Kompetenzen im Alltag. 153 7. Bezugspersonen (Eltern, Behandlungsschritte Pädagogen) informiert, werden unterstützende über die einzelnen Erziehungsstrategien sollen vermittelt werden (z.B. vermehrtes Loben angemessener Verhaltensweisen). Behandlungsverlauf Da R. im gesamten Behandlungszeitraum vollstationär in einer Einrichtung der Jugendhilfe untergebracht war, wurde die Therapie ohne Einbeziehung der Eltern durchgeführt. Punktuell wurde die Bezugserzieherin von R. in den therapeutischen Prozess involviert. Die ersten Stunden wurden für die Erhebung der Anamnese sowie den Beziehungsaufbau genutzt. R. fasste schnell Vertrauen zur Therapeutin und konnte bereits in der zweiten Stunde sehr differenziert ihre Problematik beschreiben. R. setzte sich zum primären Ziel, ihren Umgang mit Wut zu verbessern und das gelegentlich auftretende selbstverletzende Verhalten zu beenden. Des Weiteren wünschte sie sich, ihre Gefühle besser kontrollieren zu können und dadurch nicht mehr so häufig Stimmungsschwankungen ausgesetzt zu sein. Auch wollte sie trainieren, sich nicht mehr negativ von Kritik beeinflussen zu lassen, sondern zu lernen, dies als Kritik an ihrem Verhalten und weniger an der eigenen Person zu sehen. In diesem Zusammenhang benannte R. auch das Ziel, selbstbewusster zu werden. Nach einer detaillierten Problemanalyse wurde ein mehrfaktorielles Störungskonzept erstellt, in dem unter anderem negative Erfahrungen mit Gleichaltrigen, familiäre Gewalt und mangelnde Grenzsetzung durch die Eltern als zentrale auslösende resp. aufrechterhaltende Faktoren der Symptomatik herausgearbeitet wurden. R. konnte gut nachvollziehen, dass ihre negative Wahrnehmung des eigenen Körpers und die wiederkehrenden Selbstabwertungstendenzen durch diverse biografische Belastungsfaktoren begünstigt worden sind. Im Anschluss an die probatorische Phase wurde der therapeutische Fokus zunächst auf das Herausarbeiten von persönlichen Stärken und die Aktivierung von Ressourcen gelegt, indem beispielsweise – unter Betonung persönlicher Stärken – eine StärkenSchwächen-Waage erstellt wurde. Zur Verdeutlichung der eigenen Stärken wurde ergänzend ein Stärkenturm gebaut und ein „Powerbaum“ erstellt. R. war sichtlich erstaunt über die Vielzahl persönlicher Stärken und freute sich darüber, so viele positive Eigenschaften zu besitzen. Mit R. wurde daran anknüpfend erarbeitet, wie sie ihre diversen positiven Eigenschaften nutzen kann, um mit Jugendlichen in Kontakt zu 154 treten und um in der Wohngruppe besser klarzukommen. Von diesen ressourcenaktivierenden Interventionen profitierte R. sehr. Im nächsten Schritt erfolgte eine Psychoedukation über die Wichtigkeit von regelmäßigem Selbstlob und der Auswirkungen von Lob und positiver Selbstwahrnehmung auf die Stimmung und den Selbstwert. R. übte positive Selbstverbalisationen morgens beim Duschen und nahm eine Stimmungsverbesserung war, wenn sie sich regelmäßig selbst lobte. Da R. aber gleichzeitig beschrieb, dass sie sich dabei arrogant vorkomme, wurde ihr dezidiert der Unterschied zwischen Arroganz und Selbstbewusstsein verdeutlicht. R. wurde anschließend weiterhin motiviert, sich auf ihre Stärken zu konzentrieren, was ihr im Verlauf der Therapie auch zunehmend besser gelungen ist. Im Rahmen der Aufarbeitung der biografischen Belastungen und diversen kritischen Lebensereignisse wurde im ersten Schritt der Biografiearbeit eine Lebenslinie aufgezeichnet, mit dem Fokus auf schöne Lebensereignisse. R. reagierte auf diese Intervention sehr emotional, da sie ihre Familie, mit der sie die Mehrzahl der schönen Erlebnisse in Verbindung bringe, sehr vermisse. Als zentrales belastendes Thema kristallisierte sich bereits nach kurzer Zeit die fehlende emotionale Familienanbindung heraus. R. nutzte die Therapiestunden zum Betrauern und Aufarbeiten der Herausnahme aus der Familie. In diesem Kontext wurden auch sensibel die intrafamiliären Gewalterfahrungen thematisiert und therapeutisch aufgebarbeitet. Im nächsten Therapieabschnitt erfolgten das Herausarbeiten und die Korrektur von dysfunktionalen, selbstabwertenden Gedanken, da R. insbesondere negative Gedanken bezüglich ihres Äußeren sowie ihrer Wirkungsweise auf andere äußerte. R. wurde anhand von Beispielen der Zusammenhang zwischen negativ-abwertenden Gedanken und schlechter Stimmung erläutert. Im Sinne einer vertiefenden Psychoedukation wurde die kognitive Triade von Beck als ein Erklärungsmodell der Entstehung von Depressionen eingeführt. In Form von Therapiehausaufgaben übte R. negativ-verzerrte Gedanken zu identifizieren und unter Anleitung zu korrigieren. R. übte auch, ihre alltäglichen Gedanken in Bezug auf die eigene Person hinsichtlich ihres Realitätsgehalts zu prüfen. R. konnte in diesem Kontext beispielsweise gut herausarbeiten, dass Gedanken, wie z. B. "alle denken ich bin hässlich", zu global sind und so verallgemeinert nicht stimmen können. Neben der Tendenz, alles negativ zu globalisieren, wurden noch weitere Denkfehler von R. herausgearbeitet und deren negative Auswirkungen auf die Stimmung und den Selbstwert thematisiert. 155 Die letzte Therapiephase wurde – auf Wunsch von R. – dem Umgang mit negativen Gefühlen, wie Ärger und Traurigkeit, gewidmet. Einleitend wurden verschiedene positive und negative Emotionen gesammelt, die R. kennt. Ein Teil der Gefühle wurde pantomimisch dargestellt und es wurden Situationen gesammelt, in denen diese typischerweise auftreten können. Auch wurde vertiefend exploriert, wann und konkret in welchen Situationen R. diese zuletzt erlebt habe. R. konnte sich gut auf die Thematik einlassen und arbeitete sehr motiviert mit. Besonders ansprechend war für R. die Methode der Emotionsregulation und die Bearbeitung der dazugehörigen Arbeitsblätter (z.B. „Gefühlswelle“). R. konnte sich gut mit dem Bild identifizieren, von verschiedenen Emotionen „überflutet“ zu werden, vor allem weil zu diesem Zeitpunkt ein neues Mädchen in der Wohngruppe aufgenommen worden ist, auf das R. schnell sehr wütend und teils aggressiv reagierte. Neben Emotionsregulationsstrategien wurden auch Techniken zur besseren Impulskontrolle mit R. erarbeitet und Methoden zur angemessenen Distanzierung von belastenden Emotionen gesammelt (z.B. Musik hören, tief durchatmen, Armbänder flechten). Zur Verankerung der neu erlernten Strategien der Emotionsregulation im Alltag, führte R. über mehrere Wochen hinweg regelmäßig „Wutprotokolle“ und dokumentierte, wie sie angemessen mit wutauslösenden Situationen umgegangen ist. Sie lernte dadurch, ihre Wut besser zu kontrollieren und beispielsweise in ein Kissen zu schlagen oder sich abzulenken, anstatt sich selbst zu verletzen oder aggressiv auf andere zuzugehen. R. gelang es im weiteren Therapieverlauf immer besser, ihre angestaute Wut zu kontrollieren. Durch das Etablieren einer angemessenen Emotionsregulation konnte auch das selbstschädigende Verhalten vollständig abgebaut werden. Zum Follow-up Termin, d.h. nach 12 Wochen, in denen keine Behandlung stattfand, zeigte sich, dass R. die erlernten Strategien auch weiterhin gut im Gruppenalltag anwenden konnte und die Stimmung nachhaltig angehoben werden konnte. Auch die sozialen Kompetenzen haben sich im Verlauf der Therapie deutlich verbessert, was daran zu erkennen war, dass es R. zunehmend leichter fiel, auf andere Jugendliche zuzugehen und neue Kontakte zu Gleichaltrigen zu knüpfen. Dies wiederum hat zu einer Stärkung des Selbstwertes beigetragen. 156 6.4 Behandlungsfall 4 Angaben zur spontan berichteten und erfragten Symptomatik Die 15-jährige V. erscheint in Begleitung beider Eltern zum Erstgespräch. Sie leide seit Längerem unter massiven Stimmungseinbrüchen, oftmals sei sie fröhlich und werde dann plötzlich sehr traurig, ohne dass sie den Grund dafür kenne. Sie weine abends viel, fühle sich einsam und wisse dann nicht, was sie machen solle. Die Mutter lege sich teilweise zu ihr ins Bett und warte bis V. einschlafe. Manchmal würde sie es auch alleine versuchen, aber dann liege sie oftmals mehrere Stunden wach. Tagsüber sei sie sehr müde und habe wenig Energie, gelegentlich lege sie sich dann wieder hin und schlafe. Außerdem grübele sie abends häufig. Dabei mache sie sich u. a. Gedanken über ihren Körper. Sie finde sich unattraktiv ("ich finde alles an mir hässlich") und werte sich als Person massiv ab. Als besonders belastend erlebe sie den wiederkehrenden Gedanken, ob und wie sie bei Gleichaltrigen ankomme. In der Klasse beispielsweise fühle sie sich oft von anderen abgelehnt und habe Sorge, dass sie von den Mitschülern weiter ausgegrenzt werden könnte. Oftmals schlafe sie infolge der Grübeleien erst spät ein. Sie leide zudem unter Lustlosigkeit und empfinde wenig Freude – im Vergleich zu früher. Vor sechs Monaten habe sie angefangen sich an den Oberschenkeln mit einer Rasierklinge zu verletzen, um ihre innere Spannung zu reduzieren. Mittlerweile würde sie anstelle des Ritzens lieber vermehrt rauchen. Die Mutter unterstütze sie hierbei und fahre auch spät abends noch los, um ihr Zigaretten zu kaufen, wenn der Druck zu Ritzen zu stark werde. V. habe in der letzten Zeit außerdem vermehrt Appetit und esse oftmals wenn sie traurig sei. Weiterhin berichtet V., dass sie sich in der Schule nur schlecht konzentrieren könne. Im letzten halben Jahr haben sich die Noten infolgedessen massiv verschlechtert. Die Mutter führt abschließend aus, dass V. sämtliche elterlichen Verbote sofort auf ihre Person beziehe und dann beispielsweise äußere „Du hast mich nicht mehr lieb.“ Lebensgeschichtliche Entwicklung und Krankheitsanamnese V. ist das dritte Kind des 47-jährigen Vaters (Angestellter in einer Schlosserei) und der 47-jährigen Mutter (Reinigungskraft). Die Eltern stammen gebürtig aus Polen und sind seit 1992 geheiratet. Die Brüder seien 1993 und 1995 zur Welt gekommen. Mit ihren Geschwistern habe V. sich immer gut verstanden. V. sei ein ausdrückliches Wunschkind gewesen. Die Geburt und Schwangerschaft seien unauffällig verlaufen. Die Meilensteine der frühkindlichen Entwicklung seien altersgerecht erreicht worden. V. sei ein ruhiges Kleinkind gewesen. 2002 sei sie in den Kindergarten gekommen. 157 Dort habe sie keine Trennungsängstlichkeit gezeigt, habe schnell Freunde gefunden und sich in der KITA wohl gefühlt. Sie sei damals immer lustig und kontaktfreudig gewesen. 2005 sei die Einschulung erfolgt. V. habe gute Leistungen erbracht und viele Freunde gehabt. Sie habe lediglich leichte Probleme mit der Rechtschreibung gezeigt. 2009 wechselte V. auf eine Realschule. Dort habe sie sich gut sozial integriert und sei sehr schlagfertig gewesen. Die Mutter habe sie angehalten, ihre Streitigkeiten selbständig zu schlichten und sei nur dazwischen gegangen, wenn ihr das nicht gelungen sei. An Ressourcen wird benannt, dass V. einmal wöchentlich zum Fußballtraining gehe, im Chor singe, zeichne und gerne in ihrer Freizeit tanze. Seit Sommer 2011 sei V. wiederkehrend Beleidigungen in der Klasse und Mobbing über soziale Netzwerke, wie Schüler VZ und Facebook, ausgesetzt. V. wisse nicht mehr, wie diese Gerüchte sich entwickelt haben. Ab der 8. Klasse habe sie sich allmählich besser mit ihren Mitschülern verstanden. Seit Mitte 2013 habe sich V. körperlich rasant pubertär entwickelt. V. beschreibt, dass ihre Familie wiederkehrend Kommentare zu ihrer Figur und ihrem Gewicht abgegeben habe, die ihr sehr zugesetzt haben (z.B. "Bist du fett geworden.", "Du musst gut für deine Klassenfahrt aussehen, iss bloß nicht so viel."). Sie sei in dieser Zeit erstmals sehr lustlos gewesen und wollte vermehrt in Ruhe gelassen werden. Die Eltern dachten anfänglich, dass dies eine normale pubertäre Entwicklung sei. Erst später wurde ihnen deutlich, dass V. bereits damals viel geweint habe, weil sie sehr unter ihrer Figur gelitten habe und sie in dieser Zeit angefangen habe sich selbst zu verletzen. V. habe im weiteren Verlauf suizidale Gedanken entwickelt und mehrmals mit dem Gedanken gespielt, sich mit Paracetamol zu suizidieren. Im Frühjahr 2014 erfolgte daher eine Vorstellung in der kinder- und jugendpsychiatrischen Ambulanz, wo V. bis dato mehrere Termine wahrgenommen habe. Im April 2014 wurde ein zweitägiger stationärer Aufenthalt zur akuten Krisenintervention eingeleitet, da sich V. nicht von suizidalen Gedanken distanzieren konnte. Im Anschluss daran wurde die psychotherapeutische Behandlung initiiert. Psychischer Befund zum Zeitpunkt der Antragstellung Die Jugendliche wirkt offen im Kontakt und freut sich auf den Therapiebeginn. Es werden verbal aggressive Tendenzen im familiären Rahmen benannt, die sich in Gegenwart der Therapeutin jedoch nicht zeigen. Deutlich traurige Stimmung mit wiederkehrenden Stimmungsschwankungen, mangelndem Selbstvertrauen und 158 Selbstwertproblemen, massiven Grübeltendenzen und Hoffnungslosigkeit. Gesteigerte Nahrungsaufnahme bei trauriger Stimmung. Einschlafschwierigkeiten, Müdigkeit tagsüber, verminderte Konzentrationsfähigkeit, sozialer Rückzug. Es bestehen keine Tics, keine Zwänge, kein Wahn und keine Halluzination. Kein Anhalt für eine Traumatisierung. Oberflächliche Selbstverletzung an Bauch und Oberschenkeln. Wiederkehrende latente suizidale Gedanken. Keine akute Eigen- oder Fremdgefährdung, kein Alkohol- oder Drogenabusus. Diagnostische Befunde Bei V. liegt ein durchschnittliches Begabungsprofil vor. Im YSR ergaben sich deutlich auffällige Werte im Bereich sozialer Rückzug (T>80), ängstlich-depressive Symptomatik (T>80), soziale Probleme (T=78) und Aufmerksamkeitsprobleme (T>80). Grenzwertig auffällig fällt auch die Ausprägung auf der Skala aggressives Verhalten aus (T=69). In der CBCL zeigen sich grenzwertig auffällige Werte im Bereich der internalisierenden Gesamtskala (T=61). Im TRF liegen, aus Sicht des Lehrers, grenzwertig auffällige Werte im Bereich ängstlich-depressives Verhalten (T=68) sowie überdurchschnittliche Werte auf der internalisierenden Gesamtskala (T=66) vor. Im SBB-DES und FBB-DES (Elternurteil) des DISYPS-II zeigt sich ein auffälliges Gesamtergebnis (SN 9). Der FBB-DES, bewertet durch die Lehrerin, spiegelt ebenfalls ein auffälliges Gesamtergebnis (SN 9) wider. Im DIKJ ergeben sich auch deutliche Hinweise auf eine depressive Symptomatik (T=80). Zusätzlich liegt eine massive Selbstwertstörung vor (RSES T-Wert 14). Zusammenfassend weisen die Befunde auf eine mittelgradige depressive Episode hin. Somatischer Befund – ärztlicher Konsiliarbericht Aus Sicht des behandelnden Arztes liegt keine Kontraindikation für eine psychotherapeutische Behandlung vor. In Ergänzung zur Psychotherapie findet eine niederschwellige ambulante kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung statt (max. 3 Termine im Quartal). Bedingungs- und Verhaltensanalyse Verhaltensanalyse Bei V. liegt eine mittelgradige depressive Episode vor. Innerhalb der Familie liegt keine erhöhe genetische Vulnerabilität für Depressionen vor. Es sind keine weiteren 159 affektiven Störungen im familiären Umfeld bekannt. Bei V. setzte die pubertäre Entwicklung abrupt ein, mit einem plötzlichen Wachstumsschub, der mit einer Gewichtserhöhung und einer deutlichen Verbreiterung der Hüften einhergegangen ist. Die pubertäre Reifung führte zunehmend zu einer Ablehnung des Körpers. V. nahm sich immer deutlicher als dick und hässlich wahr, was zu starken Selbstzweifeln bzw. Selbstabwertungen und in der Folge zu einer massiven Selbstwertstörung führte. Beide Eltern zeigen leichtes Übergewicht, so dass genetisch von einem erhöhten SetPoint ausgegangen werden kann. Die Ablehnung durch Gleichaltrige in der Schule sowie unpassende Kommentare von Verwandten zu ihrer Figur und ihrem Kleidungsstil verarbeitete V. sehr negativ und bezog diese global auf ihre Person, was maßgeblich zur Stabilisierung des negativen Selbstkonzeptes beigetragen hat. V. isolierte sich sozial mehr und mehr, was - in Kombination mit dem negativen kognitiven Verarbeitungsstil - zu einer sukzessiven Verschlechterung der Stimmung geführt hat. Das vermehrte Grübeln abends führte außerdem zur Manifestation einer Schlafstörung. Die daraus resultierende Müdigkeit führte zu vermehrtem Schlafen tagsüber, was die nächtliche Ein- und Durchschlafstörung bis dato aufrechterhält. Die Eltern verstärken die depressive Symptomatik mit vermehrter Aufmerksamkeit, sofortiger Bedürfnisbefriedigung, wenn V. traurig ist, sowie mit schönen Aktivitäten zur Ablenkung. Die Symptomatik von V. lässt sich anhand der folgenden Verhaltensanalyse (SORC) verdeutlichen: Situation: V. streitet sich mit einer Freundin, weil diese eifersüchtig ist, dass V. sich mit ihrem Freund gut versteht Organismusvariablen: niedriger Selbstwert, negative Denkmuster R kognitiv: "Blöde Kuh, immer bin ich an allem schuld." "Ich hasse alle." "Ich habe keinen Bock mehr." R physiologisch: Anspannung, innere Unruhe R emotional: traurig, niedergeschlagen, enttäuscht, wütend R motorisch: Weinen, selbstverletzendes Verhalten Konsequenzen C+ fühlt sich erleichtert, Eltern kümmern sich vermehrt und befriedigen das Bedürfnis nach Zuneigung und exklusiver Zuwendung C- ist enttäuscht von sich, Narbenbildung durch Selbstverletzungen, die V. 160 aus Scham und Sorge vor der Reaktion ihrer Mitschüler versteckt. Langfristig Manifestation eines negativen Selbstbildes. C+ Kann keine angemessenen Konfliktlösestrategien entwickeln, Selbstwertstabilisierung wird verhindert C- emotionale Anspannung lässt nach MAS-Diagnosen nach ICD-10 Achse I: Mittelgradige depressive Episode (F32.1) (G) Achse II: Keine Achse III: Durchschnittliche Intelligenz Achse IV: Keine Achse V: Keine Achse VI: Mäßige soziale Beeinträchtigung (3) Therapieziele und Prognose In Absprache mit der Patientin und den Eltern wurden folgende Therapieziele festgelegt: Patientenzentrierte Ziele: 1. Aufbau von Affektregulationsstrategien und Abbau der depressiven Stimmung 2. Verminderung von Gedankenkreisen und Grübeln 3. Arbeit an einem positiven Selbstbild, Stärkung des Selbstwertgefühls und der eigenen Kompetenzwahrnehmung 4. Förderung einer positiven Wahrnehmung des eigenen Körpers 5. Etablierung von funktionalen Schlafgewohnheiten 6. Stärkung der Konfliktfähigkeiten und Steigerung der Frustrationstoleranz 7. Verbesserung der Abgrenzungs- und Problemlösefähigkeiten Elternzentrierte Ziele: 1. Unterstützung der Verselbständigung und Autonomieentwicklung der Tochter. 2. Abbau des überfürsorglichen und sehr verwöhnenden Verhaltens, wenn es V. nicht gut geht. 161 Die Patientin zeigt sich bereits in den probatorischen Sitzungen als compliant, sie kommt pünktlich und zuverlässig zu den vereinbarten Terminen. Sie hat eine hohe Änderungsbereitschaft und erledigt die ihr gestellten therapeutischen Aufträge zuverlässig. V. weist einen hohen Leidensdruck auf und möchte vor allem ihre Stimmung verbessern. Die Eltern erweisen sich als supportiv und engagiert. Obwohl die Symptomatik V. in einigen Lebensbereichen, wie dem familiären und schulischen Bereich, einschränkt, weist die Jugendliche im Gegenzug auch einige persönliche Ressourcen auf. Insgesamt kann von einer hinreichend günstigen Prognose für die Gesamtentwicklung ausgegangen werden. Es wird ein positiver Behandlungsverlauf erwartet, u. a. weil die ausgewählten Behandlungsmethoden evidenzbasiert sind. Behandlungsplan Aus den formulierten Zielen konnte nachfolgender Behandlungsplan vertieft werden: Patientenzentrierte Interventionen: 1. Aufbauen einer tragfähigen therapeutischen Beziehung, indem Interesse und Anteilnahme an persönlichen Themen (beginnende Beziehung zu einem Jungen), Hobbies und Erlebnissen gezeigt wird. Signalisieren von Verständnis und wertfreier Akzeptanz der aktuellen Problematik der Jugendlichen. 2. Entwicklung eines mehrfaktoriellen Störungsmodells unter Einbeziehung auslösender und aufrechthaltender Faktoren, sowohl mit V., als auch mit den Eltern. 3. Herausarbeitung individueller Stärken (Fußball spielen, singen, tanzen) und persönlicher Ressourcen (z.B. „Powerbaum“). 4. Einführen eines Stimmungsprotokolls, damit V. einen besseren Zugang zu ihren schnell wechselnden Stimmungen bekommt und potentielle Ursachen für Stimmungsschwankungen erkennen lernt. 5. Entwicklung alternativer Verhaltensstrategien im Umgang mit hoher innerer Anspannung („Ritzdruck“), z.B. körperliche Aktivität. 6. Erstellen eines Notfallkoffers mit wichtigen Telefonnummern und möglichen Aktivitäten, die im Notfall durchgeführt werden können. 7. Kognitive Umstrukturierung, mit dem Ziel der Korrektur dysfunktionaler Denkmuster (z.B. „Ich bin hässlich“, „Ich kann nichts gut“). Überprüfung negativ-verzerrter Kognitionen und Ersetzen durch funktionale Gedanken (z.B. „Teile meines Körpers sind hübsch“). Einsatz von Gedankenprotokollen. 162 8. Einüben von positiven Selbstverbalisationen (z.B. „Ich lasse mich nicht provozieren“, „Ich muss meinen Körper nicht verändern“, „Ich gefalle mir so, wie ich bin.“). 9. Erlernen von Techniken, die das Grübeln unterbrechen (z.B. Gedankenstopp). 10. Förderung einer realistischen Einschätzung des eigenen Körperschemas mit Hilfe von graduierter Spiegelbildexposition. 11. Fokussierung auf positive Aktivitäten (z.B. Erstellen eines Positiv-Tagebuchs zur Fokussierung auf positive Erlebnisse und eigene Stärken. Lotterie der Glücksbotschaften…). 12. Einführen eines Schlafprotokolls und Erprobung verschiedener Techniken zur Verbesserung der Schlafhygiene. 13. Erlernen von funktionalen Gleichaltrigenbereich besser zu Problemlösestrategien, um Konflikte im bewältigen (Erprobung im Rollenspiel und in realen Situationen). Elternzentrierte Interventionen: 1. Psychoedukation der Eltern über Entwicklungsziele im Jugendalter und eine angemessene Erziehung ohne elterliche Überfürsorge. 2. Anleitung der Eltern, angemessene Bewältigungsversuche von V., die der Stimmungsstabilisierung dienen, positiv zu verstärken. 3. Abbau ungünstiger Verstärkerprozesse der Eltern, z. B. wenn V. eine depressive Stimmung zeigt (z.B. zusätzliches Taschengeld geben, nachts noch Zigaretten für die Tochter kaufen, damit sich V. nicht selbst verletzt). Behandlungsverlauf Die Therapie fand in einer Frequenz von einmal wöchentlich statt, in Krisenphasen auch zweimal wöchentlich. Beide Elternteile wurden im gesamten Therapieverlauf regelmäßig in die Behandlung mit einbezogen. Die Familie nahm die Termine sehr zuverlässig wahr und hielt sich gut an therapeutische Vereinbarungen. Die probatorischen Stunden dienten der Erhebung der Anamnese, der ausführlichen Eingangsdiagnostik sowie dem Beziehungsaufbau. V. konnte sich gut auf das Therapieangebot einlassen und verhältnismäßig schnell eine vertrauensvolle Beziehung zur Therapeutin herstellen. Die einzelnen Problembereiche der Jugendlichen konnten gut herausgearbeitet werden. Die geschilderten Hauptprobleme 163 von V. waren primär ihre massiven Stimmungsschwankungen, das selbstverletzende Verhalten, das Grübeln bezüglich ihrer Wirkung auf andere Jugendliche, sowie die Abneigung des eigenen Körpers. Nach der differenzierten Problembeschreibung erfolgte für alle relevanten Probleme eine Verhaltensanalyse mit der Jugendlichen. Auslösende und aufrechterhaltende Faktoren der Stimmungsprobleme und der Selbstwertstörung wurden, im Rahmen eines multifaktoriellen Störungsmodells, gemeinsam mit der Familie herausgearbeitet. In diesem Zusammenhang erfolgte außerdem eine ausführliche Psychoedukation bezüglich der Entwicklung und dem Verlauf von Depressionen und Selbstwertstörungen im Kindes- und Jugendalter, unter Einbeziehung spezifischer Behandlungsmöglichkeiten in der Adoleszenz. Da sich V. zu Therapiebeginn sehr defizitorientiert zeigte und ihre persönlichen Stärken und vorhandene Ressourcen überhaupt nicht wahrnehmen resp. nutzen konnte, wurde als erster Therapiebaustein der ressourcenorientierte Baustein „Aufbau von positivem Selbstbild“ ausgewählt. Bei der Analyse individueller Stärken und Schwächen von V. wurde schnell deutlich, dass V. stark auf vermeintliche Schwächen und Unzulänglichkeiten fixiert war. Persönliche Stärken konnte sie zunächst kaum benennen. Als Therapiehausaufgabe erhielt V. daher den Auftrag, ihre beste Freundin, Geschwister und Eltern nach Stärken zu fragen, die sie an V. schätzen. V. erhielt viele positive Rückmeldungen, was ihr sichtlich gut tat. Zur Internalisierung dieser positiven Rückmeldungen wurde V., im Sinne einer vertiefenden Hausaufgabe, gebeten, sich täglich die genannten Stärken zu vergegenwärtigen. Mit Hilfe eines PositivTagebuches konnte die positive Selbstwahrnehmung weiter gestärkt werden. Ergänzend wurde die Lotterie der Glücksbotschaften durchgeführt sowie eine Stärkencollage angefertigt. Des Weiteren wurde therapeutisch daran gearbeitet, die sozialen Beziehungen zu Mitschülern im schulischen Setting zu stärken. Es zeigte sich, dass V. bis dato überwiegend mit den Jungen aus ihrer Klasse interagierte, was zu einem schlechten „Image“ im Klassenverband (vornehmlich seitens der Mädchen) beigetragen hat. Gemeinsam wurde überlegt, mit wem sie weitere freundschaftliche Beziehungen eingehen könnte und welche Aktivitäten mit Gleichaltrigen sinnvoll erscheinen. Zeitgleich wurde mit der systematischen Aktivitätssteigerung begonnen. V. erhielt die Hausaufgabe, wöchentlich zu dokumentieren, welche Aktivitäten sie für die Woche plant. Parallel sollte sie ihre Stimmung mittels eines Stimmungsprotokolls beobachten. 164 Die Stimmung konnte durch diese Interventionen gut angehoben werden, wenngleich V. in Konfliktsituationen immer wieder Stimmungseinbrüche zeigte. Im weiteren Therapieverlauf nahm die Korrektur dysfunktionaler Kognitionen einen großen Stellenwert ein. Da V. zu negativ-pessimistischen bis hin zu resignativen Pauschalaussagen in Bezug auf ihre Umwelt und die Zukunft neigte, aber auch massive Selbstabwertungstendenzen zeigte, wurde zunächst an der Korrektur der pessimistischen, depressiven Grundhaltung gearbeitet. Anschließend erfolgte die vertiefende therapeutische Bearbeitung der selbstabwertenden Kognitionen. Zu Beginn wurde, anhand von Beispielen, der Zusammenhang zwischen Gedanken, Gefühlen und Verhalten besprochen und im Rahmen der Psychoedukation die kognitive Triade von Beck erläutert. Anschließend wurden individuelle Denkfehler von V. herausgearbeitet, wie „Übergeneralisierung“ oder „Schwarz-Weiß-Denken“ und mittels des sokratischen Dialogs hinterfragt. Während V. gut nachvollziehen konnte, dass ihre Gedanken häufig übertrieben oder zu einseitig sind, fiel es ihr sichtlich schwer, ihre Denkweise nachhaltig zu verändern und angemessenere Gedanken zu formulieren. Daher erhielt V. im Folgenden die Hausaufgabe, täglich ihre negativen Gedanken aufzuschreiben, diese auf ihren Realitätsgehalt zu prüfen und anschließend durch einen möglichst realistischen, positiven Gedanken zu ersetzen. In den Therapiestunden wurde die Realitätstestung unrealistisch-verzerrter Kognitionen parallel zu den Übungen zu Hause weiter vertieft. Viele Überzeugungen waren allerdings so fest verankert, dass eine Korrektur nur schwer möglich war. In der darauffolgenden Therapiephase wurde mit V. ein soziales Kompetenztraining durchgeführt. Einleitend wurden selbstsichere Verhaltensweisen gesammelt und erörtert, woran man eine selbstsichere Körpersprache erkennen kann. V. übte zunächst im geschützten Rahmen der Therapiesitzungen selbstbewusstes Auftreten und einen selbstsicheren Kommunikationsstil. Im nächsten Schritt sollten die Verhaltensweisen zu Hause und in der Schule erprobt werden, was auch gut funktionierte. In den folgenden Therapiestunden wurde in Form von Rollenspielen das angemessene Lösen von Konflikten trainiert. V. konnte die erlernten Konfliktlösestrategien bereits nach kurzer Zeit gut im schulischen Alltag anwenden und kleinere Konflikte mit Mitschülerinnen angemessen lösen, wodurch sie ihre Selbstwirksamkeit stärken konnte. 165 Mit V. wurde ebenfalls geübt, Wünsche im familiären Rahmen adäquat zu artikulieren. Dabei zeigte sich, dass V. zunächst nur wenig Verständnis für die Sicht der Eltern hatte. Gleichzeitig bezog sie jegliche Konflikte sofort auf ihre Person und fühlte sich vorschnell schuldig, diese initiiert zu haben. Mit V. konnte gut erarbeitet werden, dass sie nicht immer schuld an den familiären Konflikten ist, was sie deutlich entlastete. Die Eltern wiederum reagierten in familiären Konfliktsituationen ebenfalls mit einem sehr schlechten Gewissen und kompensierten dies mit überfürsorglichem Verhalten. Im Rahmen der Elternarbeit konnte dieses ungünstige Elternverhalten gut aufgelöst werden und durch eine autonomiefördernde Erziehungshaltung ersetzt werden. Da V. nach Abschluss der Interventionsphase auch weiterhin depressive Symptome zeigte und die latenten Suizidgedanken wieder zunahmen, erfolgte während der Follow-up-Phase – im Sinne einer Behandlungsintensivierung – eine vierwöchige stationäre Behandlung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die psychotherapeutische Behandlung wurde poststationär fortgesetzt. Insgesamt fanden, zuzüglich zu der stationären Behandlung, drei psychotherapeutische Gespräche mit V. in der Follow up Phase statt. Die Therapie wurde nach Abschluss der Follow-upPhase, zur Festigung der Behandlungserfolge, fortgesetzt. 6.5 Behandlungsfall 5 Angaben zur spontan berichteten und erfragten Symptomatik Die 14-jährige Patientin erscheint in Begleitung ihrer Eltern zum Erstgespräch. Vorstellungsanlass seien Stimmungsprobleme und Wutausbrüche im häuslichen Rahmen. A. leide seit einiger Zeit an Stimmungsschwankungen, weine zeitweise viel und ziehe sich zuhause immer mehr zurück. Weiterhin bestehen Schwierigkeiten beim Einschlafen. Sie grüble oft und sei nur selten zufrieden mit sich. Besonders im familiären Bereich komme es immer wieder zu impulsiven Durchbrüchen und Wutattacken. Die Eltern könnten oftmals nicht nachvollziehen, warum A. sich so verhalte und bei Kleinigkeiten „an die Decke“ gehe. Man könne dann nicht mehr mit ihr sprechen, da sie in solchen Situationen kaum zugänglich sei. Im schulischen Rahmen zeige A. sich überwiegend angepasst, falle aber von Zeit zu Zeit auch dort durch impulsive Durchbrüche auf. Insgesamt pflege A. nur wenige Freundschaften, trotz vieler Freizeitaktivitäten, die A. engagiert wahrnehme. Seit dem Wechsel auf die weiterführende Schule (Mädchen-Gymnasium) habe sie keinen richtigen Anschluss zu ihren Mitschülerinnen gefunden und fühle sich ausgeschlossen. Mittlerweile empfinde 166 sie subjektiv seitens der Mitschülerinnen eine feindselige Stimmung ihr gegenüber, fühle sich schnell ungerecht behandelt und angegriffen. Nach einem Konflikt im Klassenverband sei es zu einer suizidalen Krise gekommen. A. habe probiert auf das Dach der Schule zu gelangen, um vom Dach zu springen. Nachdem sie davon abgehalten werden konnte, sei sie im Klassenraum zusammengebrochen. A. sei daraufhin einige Tage stationär zur Krisenintervention in der Kinder- und Jugendpsychiatrie aufgenommen worden. Im Zuge dessen sei eine psychotherapeutische Behandlung zur emotionalen Stabilisierung empfohlen und initiiert worden. Lebensgeschichtliche Entwicklung und Krankheitsanamnese A. lebe aktuell mit ihrer Mutter, einer Immobilienkauffrau, und ihrem Vater, Disponent bei einem Busunternehmen, im gemeinsamen Haushalt. Geschwister habe A. nicht. Die Geburt erfolgte ohne Komplikationen 14 Tage nach dem errechneten Termin. Die Meilensteine der frühkindlichen Entwicklung habe sie normgerecht erreicht. Bereits mit zehn Monaten sei A. gelaufen. Sie sei ein sehr agiles Kind mit einem starken Willen gewesen, dass zudem stets sehr wissbegierig gewesen sei. Die Mutter habe als junge Erwachsene innerhalb einiger Jahre beide Elternteile verloren, mit denen es, aufgrund einer starken Alkoholabhängigkeit, große Schwierigkeiten gegeben habe. Sie sehe es daher als ihre Lebensaufgabe für A. eine bessere Mutter zu sein. Zunächst habe A. einen privaten Kindergarten besucht. Da die Eltern mit der KITA nicht zufrieden gewesen seien, habe A. nach einem Jahr den Kindergarten gewechselt. Sie sei sehr offen gewesen im Kindergarten und habe viel lernen wollen. Im Vorschulalter habe sie sich bereits an den größeren Kindern orientiert. Auch in der Grundschule sei sie offen und wissbegierig gewesen. Damals habe A. erste lockere Bekanntschaften zu Gleichaltrigen gepflegt. Recht schnell habe sie den Lernstoff verstanden und sich dann in der Schule gelangweilt. Ab der zweiten Klasse habe A. erstmals Störverhalten aufgrund der Unterforderung in der Klasse gezeigt. In der dritten Klasse habe daher ein Wechsel auf eine bilinguale Grundschule stattgefunden. Dort habe A. nur schlecht Anschluss gefunden. Auf eigenen Wunsch sei A. dann in der fünften Klasse auf ein Mädchengymnasium gewechselt. Hier sei sie im Klassenverband nie richtig angekommen. Die Situation habe sich immer weiter zugespitzt, bis A. es schließlich nicht mehr aushalten habe können. Daraufhin habe 167 sie versucht auf das Schuldach zu gelangen, um von dort runter zu springen. Nach der suizidalen Krise sei es noch schwieriger in der Klasse gewesen und A. habe selbst aufgegeben, etwas an ihrer Stellung in der Klasse verändern zu wollen. Laut Aussage der Lehrerin bemühe sich die Klasse, A. besser einzubinden und verhalte sich, in den beaufsichtigten Momenten, nicht feindselig ihr gegenüber. Im familiären Rahmen komme es aufgrund der Unzufriedenheit von A. immer häufiger zum Streit mit den Eltern. A. reagiere, wenn sie unter Druck gerate, verbal ausfallend und ziehe sich auf ihr Zimmer zurück, so dass eine angemessene Konfliktklärung oft nicht möglich ist. An Ressourcen werden Eishockey, Inline Skating, Querflöte spielen und Tennis aufgezählt. Sie gehe fast täglich einer dieser Aktivitäten nach und habe dadurch einen vollen Terminplan. Psychischer Befund zum Zeitpunkt der Antragstellung A. zeigt sich bereits zu Beginn der Therapie sehr offen und kommunikativ. Sie spricht relativ laut und hat außerordentlich viel zu berichten. Deutlich verminderter Selbstwert, depressive Stimmung, wiederkehrendes Grübeln und resignative Haltung. Wiederkehrende Kopfschmerzen, ansonsten keine somatischen Beschwerden. Seit Längerem Einschlafschlafstörungen, in Verbindung mit Belastungserleben. Im familiären Kontext gelegentlich verbale Aggressionen und oppositionell verweigerndes Verhalten (bei Anforderungen seitens der Eltern). Die Kriterien einer Störung des Sozialverhaltens sind nicht erfüllt. Trotz Impulsivität kein Anhalt für eine ADHS. Keine Ängste, Zwänge, Tics und keine Auffälligkeiten im Essverhalten. Aktuell klar distanziert von Eigen- und Fremdgefährdung, kein selbstverletzendes Verhalten, kein Alkoholoder Drogenabusus. Diagnostische Befunde Im WISC-IV wurde ein gut durchschnittlicher Gesamt-IQ ermittelt (SW=110). Im YSR ergaben sich Hinweise auf ängstlich-depressive Symptome (T=67), alle anderen Skalen sind unauffällig. Die internalisierende Syndromskala zeigt eine Ausprägung im Grenzbereich zu klinisch auffälligem Verhalten (T=63). In der CBCL ergibt sich, aus Sicht der Eltern, ein deutlich auffälligeres Bild: überdurchschnittlich hohe Werte auf den Skalen ängstlich-depressive Symptomatik (T>80), soziale Probleme (T=72) und aggressives Verhalten (T=75). Aufmerksamkeitsprobleme liegen im Grenzbereich 168 unauffällig / auffällig (T=67). Die übergeordneten Skalen „internalisierende Skala“ (T=77) und „externalisierende Skala“ (T=72) sowie die Gesamtskala (T=74) zeigen überdurchschnittlich hohe Werte. Der TRF ist ausschließlich in Bezug auf die Skala „soziale Probleme“ grenzwertig auffällig (T=68), die übrigen Skalen sind im Lehrerurteil unauffällig. Im SBB-DES und FBB-DES (Elternurteil) des DISYPS-II zeigen sich depressive Symptome (SN 9). Im FBB-DES, der durch die Klassenlehrerin beurteilt wurde, sind dagegen durchschnittliche Werte ermittelt worden. Die Selbst- und Fremdbeurteilungen der Kompetenzen fallen weit unterdurchschnittlich aus (SN 1). Der DIKJ weist ebenfalls auf eine depressive Symptomatik hin (T=79). Die Rosenberg Self-Esteem Scale RSES schließlich spiegelt den sehr geringen globalen Selbstwert der Jugendlichen wider (T=27). Somatischer Befund – ärztlicher Konsiliarbericht Es bestehen keine ärztlichen Einwände gegen eine psychotherapeutische Behandlung. Eine psychiatrische Begleitbehandlung ist nicht indiziert. Bedingungs- und Verhaltensanalyse Verhaltensanalyse Bei der Patientin liegt eine sonstige emotionale Störung des Kindesalters vor. A. hat als Kleinkind bereits ein sehr agiles Temperament gezeigt und war stets sehr wissbegierig. Nach vielen Jahren wurde die Mutter endlich schwanger und A. erhielt als Einzelkind in starkem Ausmaß die Aufmerksamkeit der Eltern. A.s Mutter hat aufgrund ihrer eigenen schwierigen Biographie mit zwei alkoholabhängigen Elternteilen, die früh verstorben sind, einen hohen Anspruch an das Ausüben ihrer Mutterrolle. Dies führt zu einer fast symbiotischen Beziehung, was sich u. a. in den vielen gemeinsamen Aktivitäten zeigt. Generell pflegt die Familie ihre Kontakte fast ausschließlich innerhalb des eigenen Familiensystems und ist wenig nach außen gerichtet. Trotz vieler Unternehmungen und Interessen wurde A. wenig in Bezug auf die Kontaktaufnahme zu Gleichaltrigen gefördert. Ihr impulsives Temperament kann auch ein ungünstiger Faktor in der Kontaktaufnahme und Problemlösung mit Gleichaltrigen gewesen sein. Zudem scheinen die häufigen Schulwechsel und wenigen Freundschaften wahrscheinlich erschwert zu haben, dass A. sozial kompetente Strategien in einem kontinuierlichen sozialen Bezugsrahmen entwickelt. 169 Die elterliche Überfürsorge und der gleichzeitige Wunsch nach elterlicher Kontrolle stehen im Gegensatz zu den aktuellen Entwicklungsaufgaben der Jugendlichen und führen, insbesondere durch die Autonomiebestrebungen von A., zu vermehrten innerfamiliären Konflikten. Die Eltern haben einen hohen Anspruch an ihre Tochter und stellen Anforderungen, die gerade bei der aktuell vorliegenden Symptomatik nicht bewältigt werden können. Dies verstärkt die depressive Symptomatik und die Selbstwertstörung der Jugendlichen. Durch den perfektionistischen Fokus der Eltern und ihr Hauptaugenmerk auf die Leistungsfähigkeit ihrer Tochter bleibt A. nur wenig Raum für emotionales Erleben. A. hat insbesondere zu ihrer „emotionalen Seite“ nur wenig Zugang und auf der Verhaltensebene ihre Impulsivität als Schutzmechanismus entdeckt. In der Auseinandersetzung mit den dominanten Eltern nutzt A. zudem immer häufiger oppositionelle Verhaltensweisen, um sich besser durchzusetzen. Den Verlust einer der wenigen guten Freundinnen, durch einen Umzug, sowie die vielen Zurückweisungen im Klassenverband hat A. depressiv verarbeitet. Die langjährige Ablehnung stützt ihr negatives Selbstkonzept und begünstigte dysfunktionale Denkmuster im Kontakt mit Gleichaltrigen. Kritik und Zurückweisungen wertet A. als persönliche Kränkung und reagiert darauf mit Wutausbrüchen, was wiederum die Ablehnung seitens der Mitschülerinnen verstärkt. Dies führt dazu, dass sie keine korrigierenden Erfahrungen machen kann und sich ein negatives Selbstbild manifestiert. Die soziale Ablehnung trägt erschwerend auch dazu bei, dass A. keine angemessenen sozialen Kompetenzen entwickeln kann, weil sie im Klassenverbund meist ausgegrenzt wird. Exemplarisch lässt sich das Problemverhalten von A. an der nachfolgenden Verhaltensanalyse (SORC) verdeutlichen: Situation: Klassenkameradin fragt A. nach einem Zirkel Organismusvariablen: häufige Erfahrung der Zurückweisungen, Unsicherheit, mangelnde soziale Kompetenzen, erhöhte Impulsivität R kognitiv: „Die will mich nur ausnutzen!“, „Dafür bin ich gut genug!“, R emotional: gereizt, wütend, traurig R physiologisch: Kloß im Hals, innere Unruhe R motorisch: verbal-aggressives Verhalten, Opposition (z.B. „Du kriegst von mir gar nichts mehr!“) 170 Konsequenzen C+ A. hat das subjektive Gefühl der Macht und Kontrolle, kann durch ihr Verhalten die Mitschülerin zurückweisen und erfährt dadurch Genugtuung. C- Negative Erwartung der sozialen Ablehnung wird durch Ablehnung seitens der Mitschülerin bestätigt. Langfristig Gefahr der sozialen Isolation. C- A. muss sich mit der Mitschülerin nicht auseinandersetzen C+ Korrigierende positive Beziehungserfahrungen und Kontaktangebote der Mitschüler bleiben aus. Tragfähige Freundschaften können nicht etabliert werden. MAS-Diagnosen nach ICD-10 Achse I: Sonstige emotionale Störungen des Kindesalters (F93.8) (G) Achse II: keine Achse III: durchschnittliche Intelligenz Achse IV: Hypothyreose Achse V: Elterliche Überfürsorge Achse VI: Mäßige soziale Beeinträchtigung (3) Therapieziele und Prognose In Absprache mit der Patientin und den Eltern wurden folgende Therapieziele festgelegt: Patientenzentrierte Ziele: 1. Reduktion der depressiven Symptomatik 2. Stärkung eines positiven Selbstwertgefühls 3. Aufbau adäquater Impulskontrolle und Frustrationstoleranz 4. Förderung einer angemessenen Kommunikation mit den Eltern und mit Peers 5. Stärkung der sozialen Fertigkeiten, insbesondere in Bezug auf die Kontaktgestaltung zu Gleichaltrigen (z.B. Gespräche beginnen, Freundschaften schließen, Fragen stellen…) 171 Familienzentrierte Ziele: 1. Verbesserung der Eltern-Tochter-Beziehung 2. Förderung der Akzeptanz der Autonomiebestrebungen der Tochter Die Patientin zeigt sich bereits in den probatorischen Sitzungen sehr offen und mitteilungsbedürftig. Sie berichtet differenziert über ihre Probleme, zeigt eine für ihr Alter sehr gute Reflexionsfähigkeit und einen hohen Leidensdruck. A. weist auch eine hohe Änderungsmotivation auf. Flankierend zur ambulanten Therapie von A. erhalten die Eltern niederschwellig Unterstützung durch eine ambulante Familien- beratungsstelle. Da die Symptomatik noch nicht generalisiert ist und keine komorbiden Störungen vorhanden sind, kann von einer ausreichend günstigen Prognose ausgegangen werden. Es wird ein günstiger Therapieverlauf erwartet, zumal die gewählten Behandlungsmethoden evidenzbasiert sind. Behandlungsplan Patienten-zentrierte Interventionen: 1. Entwicklung eines multifaktoriellen Störungsmodells, unter Einbeziehung auslösender und aufrechthaltender Faktoren der emotionalen Störung. 2. Ressourcenaktivierung: Herausarbeiten und Nutzen individueller Stärken und Ressourcen sowie von Ressourcen im familiären Umfeld. 3. Interventionen zur Stimmungsaufhellung: Identifikation angenehmer Aktivitäten, Erarbeitung eines Wochenplans zur Dokumentation angenehmer Aktivitäten, neue Möglichkeiten der Freizeitgestaltung (ohne Leistungsanspruch) erproben. Erstellen eines Positiv-Tagebuchs zur Fokussierung auf positive Erlebnisse und persönliche Stärken. Etablierung von Selbstbelohnungsstrategien. 4. Kognitive Umstrukturierung: Identifizieren verschiedener negativ-abwertender, dysfunktionaler Kognitionen (z.B. "Keiner mag mich") pathologischer Denkmustern (z.B. Übergeneralisierung, sowie typischer Katastrophisieren). Umstrukturierung von dysfunktionalen Gedanken, mit Hilfe des sokratischen Dialoges. Verhaltensexperimente zur Realitätstestung unrealistischer Kognitionen. Entwicklung von hilfreichen und angemessenen Denkweisen. 5. Einüben von positiven Selbstverbalisationen zur Förderung der positiven Selbstwahrnehmung und Selbstakzeptanz. Verankerung positiver Selbstverbalisationen beim Ausführen alltäglicher Handlungen, wie Zähneputzen (Premack-Prinzip). 172 6. Konflikt- und Problemlösetraining mit dem Ziel, schwierige soziale Situationen selbständig zu meistern. Zusätzlich Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung. Generieren verschiedener Lösungen, Abwägen der Vor- und Nachteile, selbständiges Erarbeiten der „besten“ Problemlösestrategie, Planung der konkreten Umsetzung und Überprüfung des Erfolges. 7. Stärkung sozialer Kontakte, Förderung positiver Gleichaltrigenkontakte außerhalb der Schule (beispielsweise im Tennisverein). 8. Interventionen zur Steigerung der Impulskontrolle und zur Erhöhung der Frustrationstoleranz. Schulung der differenzierten Selbstwahrnehmung unterschiedlicher Gefühle durch Selbstbeobachtung. Protokollierung der Auslöser von Wut, Frustration und Ärger. Einüben von Fertigkeiten zur Toleranz von Frustration und Einüben nicht-impulsiver Verhaltensreaktionen im Rollenspiel und in realen Situationen. Transfer der neuen Fertigkeiten in den Alltag. 9. Erweiterung der sozialen Fertigkeiten in Bezug auf die Kontaktaufnahme zu Gleichaltrigen und den Aufbau von Freundschaften im Rollenspiel und in realen Situationen. Erlernen eines adäquaten Umgangs mit Enttäuschungen und Konflikten. Üben, die eigenen Befindlichkeiten und Bedürfnisse angemessen zu artikulieren. Familien-zentrierte Interventionen: 1. Psychoedukation zum Thema Jugendalter: Förderung der Akzeptanz der Autonomiebestrebungen von A.. Anleitung der Eltern hinsichtlich einer angemessenen Unterstützung der Autonomiebestrebungen der Tochter. 2. Abbau erhöhter Ansprüche an die Tochter. 3. Familiäres Konfliktmanagement: Aushandeln von Familien-Regeln, besonnener Umgang mit „Familien-Krisen“, Erarbeiten von angemessenen intrafamiliären Kommunikationsregeln. Behandlungsverlauf Kurz vor Therapiebeginn hat A. das gemeinsame Beratungsangebot mit ihren Eltern in der Familienberatungsstelle abgebrochen. A. stand dem Therapieangebot daher zu Behandlungsbeginn sehr skeptisch gegenüber. Die ersten Stunden wurden, neben der Erhebung der Anamnese, insbesondere für einen intensiven Beziehungsaufbau genutzt. Durch kreative Angebote zur Darstellung ihrer eigenen Person und Einsatz 173 von Methoden der Biografiearbeit konnte sich A. nach und nach auf die Therapie einlassen, so dass mit der Zeit eine tragfähige therapeutische Beziehung aufgebaut werden konnte. Mit A. und den Eltern konnten die zugrundenliegenden Probleme und möglichen Therapieziele differenziert erarbeitet werden. Des Weiteren erfolgten detaillierte Situationsanalysen für die verschiedenen Problembereiche, unter Berücksichtigung begünstigender Faktoren des Problemverhaltens. Vor- und Nachteile zugrundeliegender Probleme sowie möglicher Verhaltensänderungen wurden ergänzend erarbeitet. In der ersten Behandlungsphase wurde aufgrund der vorherrschenden Insuffizienzgefühle besonders ressourcenorientiert gearbeitet. Gemeinsam wurde ein Stärken- und Schwächenprofil generiert. Zur Verdeutlichung der eigenen Stärken wurden Fremdbeurteilungen der Eltern und Freunde miteinbezogen, da es A. sehr schwer fiel, positive Aspekte der eigenen Person zu benennen. Es wurde eine Collage zu den Idealvorstellungen von A. gebastelt und den positiven Rückmeldungen des Umfeldes gegenübergestellt. A. war deutlich überrascht über die Aspekte, die ihr Umfeld an ihr schätzt und darüber, dass viele der benannten Stärken ihrer Idealvorstellung entsprechen. Des Weiteren wurde als ressourcenaktivierende und gleichzeitig selbstwertstärkende Übung der "Powerbaum" durchgeführt. Es folgte eine Psychoedukation über die Notwendigkeit regelmäßigen Selbstlobens und die positiven Auswirkungen von Lob auf die Stimmung und den Selbstwert. Die Lotterie der Glücksbotschaften half A. einen positiven Blickwinkel auf den Tag zu erhalten und spielerisch positive Aktivitäten in den Alltag zu implementieren. Das Tennisspielen, als große persönliche Ressource, wurde als Element der Selbstbelohnung in die Behandlung integriert. Der negative Fokus auf die Klasse wurde reduziert, indem neue Möglichkeiten zur Kontaktgestaltung mit Peers (identifiziert durch das Spiel „Mister X“) außerhalb des schulischen Kontextes ermöglicht wurden. Im weiteren Verlauf wurde an der Stabilisierung der Stimmung gearbeitet. Der Einsatz von Stimmungsprotokollen diente der Analyse von emotionalen Hoch- und Tiefpunkten der Woche und der Erhebung der Veränderung der Stimmung im Therapieverlauf. Daran anknüpfend wurde an Themen, wie der differenzierten Wahrnehmung von Gefühlen und der angemessenen Affektregulierung, gearbeitet. Da A. zu Beginn der Therapie sowohl in der Schule, als auch im häuslichen Rahmen impulsive 174 Durchbrüche und Stimmungsschwankungen zeigte, stellten diese Interventionen wesentliche Elemente der Therapie dar. Durch verschiedene Übungen zur Emotionsdifferenzierung (Pantomime, Gefühlsausdrücke in Zeitungen sammeln etc.) wurde der Zugang zur eigenen Gefühlswelt deutlich verbessert. Gemeinsam wurde anschließend ein Wut-Thermometer erstellt und besprochen, wie die impulsiven Durchbrüche ablaufen und welche Auslöser dazu geführt haben. Mit A. wurde auch erarbeitet, welche funktionalen Verhaltensweisen sie in solchen Situationen effektiv einsetzen kann. Neben dem Training der Impulskontrolle und Emotionsregulation bildete die kognitive Umstrukturierung von negativen Gedanken einen weiteren Schwerpunkt der Therapie. A. zeigte vor allem negative Befürchtungen bezüglich ihrer Wirkungsweise auf Gleichaltrige. Zunächst wurde der Zusammenhang zwischen Situationen, Gedanken und Gefühlen anhand von verschiedenen Beispielen besprochen. Ergänzend wurden typische negative Gedanken, die bei Konflikten entstehen, zusammengetragen und hinterfragt. Es konnte herausgearbeitet werden, dass der Gedanke, der am meisten impulsiv-wütende Reaktionen triggert, der ist, dass A. sich ungerecht behandelt fühlt und glaubt, dass alle gegen sie seien. Anhand einer Realitätsüberprüfung wurde der Realitätsgehalt dieser dysfunktionalen Kognitionen geprüft. Im Anschluss wurden funktionale alternative Gedanken etabliert, die in alltäglichen Situationen trainiert wurden. Parallel zu den jugendlichenzentrierten Interventionen wurde ein intensiver Kontakt zu den Eltern und zur Klassenlehrerin gehalten. In den Sitzungen mit den Eltern ging es zu Beginn besonders um Psychoedukation in Bezug auf pubertäre Veränderungen und Entwicklungsaufgaben des Jugendalters. Auch wurde im Rahmen der Elternarbeit das aufmüpfige Verhalten der Tochter entpathologisiert und sukzessive eine verständnisvollere Haltung der Tochter gegenüber erarbeitet. Perfektionistische und oft nicht altersangemessene Anforderungen seitens der Eltern wurden dabei ebenfalls thematisiert. Mit der Klassenlehrerin wurden Maßnahmen zur Deeskalation im Rahmen der Klassensituation besprochen. Auf Wunsch der Familie waren weitere Themen der Elternarbeit u. a. die Erarbeitung funktionaler Kommunikationsstrategien und die Förderung einer altersangemessenen Regelakzeptanz. Außerdem wurde der Familie das Problemlösetraining erläutert, welches erfolgreich zu Hause erprobt wurde. 175 Als Fazit kann gezogen werden, dass A. und ihre Eltern sehr von der Therapie profitiert haben. Alle Beteiligten zeigten sich sehr zufrieden mit dem Therapieverlauf. Als wesentlicher Therapieerfolg ist zu werten, dass eine positive Selbstwahrnehmung etabliert werden konnte und dass die Selbstwertproblematik, sowie die traurige Stimmung, abgebaut werden konnten. Bei Therapieabschluss zeigte sich zudem ein deutlicher Kompetenzzuwachs, insbesondere bezogen auf die Fähigkeiten zur Impulskontrolle und Emotionsregulation. Zum Follow-up-Zeitpunkt, d.h. nach dreimonatiger Therapiepause, haben sich auch das familiäre Zusammenleben und die familiären Kommunikationsmuster positiv weiterentwickelt. Die oben beschriebenen Therapieerfolge konnten in der Follow-up Phase folglich, dem klinischen Eindruck nach, weiter stabilisiert werden. Der positive Therapieverlauf spiegelt sich auch in den Fragebögen der Abschlussdiagnostik wider. 6.6 Behandlungsfall 6 Angaben zur spontan berichteten und erfragten Symptomatik Die 12-jährige L. wird in Begleitung ihrer Mutter vorgestellt. L. habe seit mehr als einem Jahr „panische Angst“ vor tiefem Wasser und verweigere, aufgrund der Angst zu ertrinken, seit der 5. Klasse den Schwimmunterricht in der Schule. Hintergrund sei, dass L. nach einem schweren Reitunfall, einhergehend mit einer 9-monatigen Rehabilitationsdauer (von der sie sechs Monate lang im Rollstuhl saß), im Schwimmunterricht zwei Mal beinahe ertrunken wäre, da ihre Kondition dem Schwimmtraining nicht standhalten konnte. Dies sei aus Sicht der Jugendlichen und der Mutter der Auslöser für die massive Angst vor tiefem Wasser. Im Nichtschwimmerbecken habe sie dagegen keine Angst und halte sich bereitwillig im flachen Wasser auf. Nur wenn die Lehrerin darauf bestehe, dass L. im tiefen Schwimmbecken schwimmt, traue L. sich aufgrund der traumatischen Vorerfahrungen nicht, der Aufforderung der Lehrerin nachzukommen. Die Mutter sei verzweifelt, weil L. ihre Angst bislang nicht habe überwinden können. Alle Versuche, ihr die Angst vor tiefem Wasser zu nehmen, seien bis dato gescheitert. Die Mutter habe im Gegenteil das Gefühl, dass die Angst ihrer Tochter immer stärker werde. L. selbst beschreibt sich als sehr belastet, insbesondere weil sie aufgrund der Verweigerung der Teilnahme am Schwimmunterricht in Sport ein mangelhaft auf dem Zeugnis erhalten habe, obwohl sie in allen anderen Fächern sehr gute Leistungen 176 zeige und engagiert am Unterricht teilnehme. L. und die Mutter empfinden die mangelhafte Benotung der Schwimmlehrerin und vor allem die abwertenden Aussagen der Lehrerin, wie beispielsweise, dass L. „sich nicht bemüht“, als sehr ungerecht und wenig einfühlsam. Die Lehrerin habe ihr in diesem Kontext beispielsweise als Hausaufgabe aufgetragen, den Kopf im Waschbecken unter Wasser zu halten, um so ihre Angst vor Wasser zu überwinden. Als L. dann in der darauffolgenden Woche wieder Angst davor hatte, im tiefen Schwimmbecken zu schwimmen, sei sie vor der gesamten Klasse gemaßregelt worden und ihr sei vorgeworfen worden, ihre Hausaufgabe nicht gemacht zu haben. Sie habe deshalb als Konsequenz am Beckenrand „Trockenübungen“ machen sollen, was ihr sehr unangenehm gewesen sei, zumal die Mitschüler sich darüber lustig gemacht haben. Insgesamt sei das Verhältnis zwischen der Mutter und der Lehrerin seitdem sehr angespannt. Laura empfinde den Schwimmunterricht seit diesem Vorfall als hoch aversiv, gehe aber weiterhin regelmäßig hin und begebe sich – trotz ihrer massiven Angst – an den Beckenrand des Schwimmbeckens. Abgesehen von einer leichten sozialen Ängstlichkeit in unbekannten Situationen und der beschriebenen Phobie vor tiefem Wasser werden aktuell keine weiteren Ängste benannt. Die Mutter berichtet weiterhin, dass L., neben der Phobie, auch massive Selbstwertprobleme habe, sehr an sich zweifle und infolgedessen oft traurig sei. L fühle sich beispielsweise zu dick und zudem hässlich. Besondere Sorge bereite der Mutter, dass L. seit mehreren Monaten von einigen Mädchen aus der Klasse gemobbt werde und sich nicht angemessen dagegen wehren könne. Mitschülerinnen würden L. oft grundlos beleidigen und ihr Aussehen kritisieren. Auch werde ihr von den Mädchen gehäuft vorgeworfen, arrogant zu sein. L. fühle sich den Mädchen gegenüber „ausgeliefert“ und sei überzeugt davon, dass die Konflikte nicht zu klären seien, da die Mädchen es auf sie „abgesehen haben.“ L. erhoffe sich von einer Therapie vor allem besser mit ihren Mitschülern auszukommen und sich nicht so leicht von ihnen verunsichern zu lassen. Lebensgeschichtliche Entwicklung und Krankheitsanamnese L. ist das einzige gemeinsame Kind der seit 2004 getrennt lebenden Eltern, die nie verheiratet gewesen sind. Aus einer vorhergehenden Partnerschaft des Vaters seien zwei Halbschwester (23 Jahre und 25 Jahre alt) hervorgegangen. Der Vater lebe seit der Trennung von der Mutter in einer neuen Partnerschaft. Zum Vater bestehe sehr 177 selten Kontakt, zumal die neue Partnerin ausdrücklich nicht wünsche, dass die Treffen zwischen Vater und Tochter in der gemeinsamen Wohnung stattfinden. Die Trennung sei für die Mutter nur schwer zu verkraften gewesen, weil der Vater unmittelbar nach der Trennung von ihr seine Sekretärin geheiratet habe und sie zudem finanziell keine Unterstützung von ihm erhalten habe. Sie sei gezwungen gewesen, sofort nach der Trennung wieder beruflich tätig zu werden. Sie habe als Angestellte bei einer Versicherung angefangen zu arbeiten und habe L. ganztags von den Großeltern betreuen lassen. Diese Zeit sei der Mutter sehr negativ in Erinnerung, weil L. immer geweint habe und nicht bei den Großeltern habe bleiben wollen. Die Mutter habe aufgrund der starken emotionalen Belastung und der massiven Kränkung durch den Vater seinerzeit eine Psychotherapie in Anspruch genommen, die ihr, wie sie berichtet, sehr geholfen habe mit den Verlusterfahrungen umzugehen. Die Schwangerschaft sei eine Risikoschwangerschaft gewesen, da die Mutter einen 11 cm großen Gebärmutterhals-Tumor gehabt habe, der erst während der Schwangerschaft entdeckt worden sei. Die Geburt sei in der 38. SSW per Sectio erfolgt, der (gutartige) Tumor sei im Zuge der Sectio mit entfernt worden. L. habe als Baby sehr viel geweint und sei kaum zu beruhigen gewesen. Die motorische Entwicklung habe sich, laut Auskunft der Mutter, beschleunigt vollzogen, die sprachliche Entwicklung habe dagegen verzögert eingesetzt, weshalb L. auch eine logopädische Behandlung erhalten habe. L. sei vom 3. bis 6. Lebensjahr in den Kindergarten gegangen. Dort habe sie viel geweint und durchweg deutliche Anzeichen von Trennungsängstlichkeit gezeigt. Schon auf dem Weg zum Kindergarten habe sie sich häufig übergeben und sich an die Mutter geklammert. Auch bei der Einschulung und zu Beginn der weiterführenden Schule habe L. über Monate hinweg massive Trennungsangst gezeigt. Hinsichtlich der Schulleistungen sei L. schon immer eine sehr gute Schülerin gewesen, die sich durchgängig sehr angepasst gezeigt habe und die „es allen Mitschülern Recht machen will“, wie die Mutter berichtet. 2010 habe L. einen Reitunfall gehabt, bei dem sie sich mehrere Rückenwirbel angebrochen habe und infolge dessen für sechs Monate im Rollstuhl gesessen habe. Seit sie im Schwimmunterricht auf der weiterführenden Schule zwei Mal beinahe untergegangen wäre, habe L. massive Angst vor tiefem Wasser entwickelt. Aktuell besuche sie die 6. Klasse einer privaten Gesamtschule. Freundschaften pflege sie zu 178 ihren Mitschülerinnen nur oberflächlich, da diese sie oft kritisieren und ärgern (sie werfen ihr z.B. vor, zu dicke Oberschenkel und zu ausgeprägte Augenbrauen zu haben). Die Selbstwertstörung entwickelte sich im Zuge der Abwertungen seitens der Schwimmlehrerin und des Mobbings durch Mitschülerinnen, was - neben Insuffizienzgefühlen - zu sozialer Unsicherheit und wiederkehrender Traurigkeit der Jugendlichen beigetragen hat. Psychischer Befund zum Zeitpunkt der Antragstellung L. ist ein altersentsprechend entwickeltes Mädchen, das sich im therapeutischen Kontakt zunächst schüchtern und verlegen zeigt, im weiteren Verlauf jedoch deutlich offener und zugänglicher wird. Sie ist emotional gut schwingungsfähig, wirkt jedoch bei der Exploration der Problematik sehr belastet und traurig. Abgesehen von der massiven Angst im tiefen Wasser zu ertrinken, sind aktuell keine weiteren pathologischen Ängste eruierbar. In der Vorgeschichte deutliche Trennungsangst und leicht sozial phobische Tendenzen in unbekannten Situationen. Keine Hinweise auf Traumatisierung, insbesondere keine Flashbacks oder andere Symptome einer PTBS. Keine Schlafstörung, kein pathologischer sozialer Rückzug. Ausgeprägte Selbstwertproblematik mit Selbstabwertungstendenzen und Grübeleien in Bezug auf die eigene Person, keine Zwänge, keine Tics, keine Essstörung. Keine expansiven Verhaltensauffälligkeiten und kein Alkohol- oder Drogenabusus. Kein Anhalt für Suizidalität, selbstschädigendes Verhalten oder Fremdgefährdung. Diagnostische Befunde Die mehrdimensionale Intelligenzdiagnostik ergab eine durchschnittliche Intelligenz. Im SBB-/FBB-ANZ des DISYPS-II wurden, abgesehen von einer massiven Angst vor tiefem Wasser und Unbehagen in sozialen Situationen mit Gleichaltrigen, keine weiteren Ängste deutlich. Die Kriterien einer phobischen Störung sind erfüllt. Im SBBund FBB-DES (Fremdurteil der Mutter) zeigen sich insbesondere deutliche Hinweise auf Insuffizienzgefühle und Selbstzweifel (SBB-DES SN 8, FBB-DES SN 9) und sehr gering ausgeprägte Kompetenzen (SBB-DES SN 2, FBB-DES 1). In der „Rosenberg Self-esteem Scale“ wurde ein weit unterdurchschnittlicher T-Wert ermittelt (T-Wert 27), der auf eine deutliche Selbstwertstörung hinweist. Im DIKJ zeigen sich durchschnittliche Werte (T-Wert 56). Trotz hohem Leidensdruck und Traurigkeit kein Hinweis auf eine ausgeprägte depressive Symptomatik. 179 Somatischer Befund – ärztlicher Konsiliarbericht Aus Sicht der Ärztin besteht eine Indikation für eine psychotherapeutische Behandlung. Eine psychiatrische Abklärung und ausführliche Diagnostik ist im Vorfeld der Anbahnung der Psychotherapie erfolgt. Bedingungs- und Verhaltensanalyse Verhaltensanalyse Für die Angststörung liegt eine genetische Disposition vor. Die Mutter zeigt ebenfalls diverse Ängste und stellt damit, zusätzlich zu den prädisponierenden Faktoren, ein ungünstiges Lernmodell für ihre Tochter dar. L. hat schon im Kleinkindalter mit extremer und lang anhaltender Trennungsangst reagiert, die erstmals mit dem Auszug des Vaters und dem zeitgleichen Beginn der Berufstätigkeit der Mutter auftrat und sich in allen entwicklungsrelevanten Übergangsphasen erneut manifestierte (Eintritt KITA, Einschulung, weiterführende Schule). Sowohl die Trennung der Eltern, als auch der schwere Reitunfalls, stellen Belastungen, im Sinne kritischer Ereignisse, in der Biografie von L. dar, die zur Verstärkung der Ängstlichkeit im Allgemeinen und zur Verschlechterung der Stimmung beigetragen haben. Die phobische Störung hat sich vor dem Hintergrund eines traumatischen Erlebnisses (mehrmals im Schwimmunterricht aus Erschöpfung im tiefen Wasser untergegangen) entwickelt. Ungünstig in Bezug auf die Symptomaufrechterhaltung wirkt sich vor allem das Verhalten der Schwimmlehrerin aus, die L. vorwirft, sich nicht ausreichend anzustrengen und den Schwimmunterricht durch ihr Verhalten zu verweigern. Die Reaktionen der Lehrerin haben im letzten Schuljahr maßgeblich dazu beigetragen, dass L.‘s Erwartungsangst vor dem Schwimmunterricht stetig zugenommen hat. Das durch die Trockenübungen am Beckenrand von L. subjektiv empfundene Bloßstellen vor der gesamten Klasse hat zudem zu einer Zunahme der sozialen Unsicherheit beigetragen und die Selbstwertproblematik begünstigt. An prädisponierenden Eigenschaften können L.‘s ängstlich-vermeidende, selbstabwertende Haltung – einhergehend mit negativ gefärbten Kognitionen in Bezug auf die eigene Person – genannt werden, die durch das Verhalten der Lehrerin einerseits und das abwertende Verhalten einiger Mitschülerinnen andererseits, aufrecht erhalten werden. Ein weiterer aufrechterhaltender Faktor, im Sinne positiver Verstärkung, ist die überprotektive Haltung der Mutter und die übertriebene Fürsorge, 180 wenn L. ängstliches Verhalten zeigt. Die seit Längerem bestehende abwertende Haltung des sozialen Umfeldes, in Verbindung mit dem Insuffizienzgefühl von L. hat im weiteren Entwicklungsverlauf den traurigen Affekt von L. begünstigt. Die Symptomatik der Jugendlichen lässt sich exemplarisch am folgenden SORCSchema erläutern: Anfeindungen seitens einer Schulkameradin, z.B. „Du Situation: bist so hässlich. Guck Dich mal an!“ Organismusvariablen: Selbstzweifel, mangelnde soziale Kompetenzen R kognitiv: „Die sind alle gegen mich!“, „Warum immer ich?“ R emotional: wütend, traurig, verzweifelt R physiologisch: Kloß im Hals, unterdrückt das Bedürfnis zu Weinen R motorisch: L. tut so, als ob ihr die Beleidigungen egal wären und geht einfach weg Konsequenzen C+ L. erlebt sich kurzfristig stark und überlegen, weil sie versucht, sich nicht anmerken zu lassen, wie verletzt sie ist C- negatives Selbstbild und Selbstzweifel werden durch Beleidigungen der Mitschülerin verstärkt. Langfristig Gefahr der sozialen Isolation und Chronifizierung der Selbstwert- und Affektstörung. C- L. muss sich nicht mit dem Mädchen auseinandersetzen. C+ Positive Beziehungserfahrungen mit Mitschülern bleiben aus. Tragfähige Freundschaften können langfristig, aufgrund der Vermeidung sozialer Kontakte, nicht etabliert werden. MAS-Diagnosen nach ICD-10 Achse I: Spezifische Phobie (F40.2) (G) Sonstige emotionale Störung des Kindesalters (F93.8) (G) Emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters (F93.0) (Z) Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) (A) Achse II: keine 181 Achse III: durchschnittliche Intelligenz Achse IV: keine Achse V: abweichende Elternsituation Psychische Störung eines Elternteils Achse VI: Leichte soziale Beeinträchtigung in ein bis zwei Bereichen (2) Therapieziele und Prognose 1. Abbau der Angst vor tiefem Wasser 2. Aufbau eines positiven Selbstbildes 3. Förderung der angemessenen Selbstbehauptung gegenüber Gleichaltrigen 4. Abbau der sozialen Unsicherheit in Situationen mit Gleichaltrigen 5. Förderung von positiv besetzten sozialen Beziehungen zu Peers und Entwicklung tragfähiger Freundschaften zu anderen Mädchen 6. Abbau der überprotektiven Haltung der Mutter Die Patientin zeigt ein deutliches Problembewusstsein in Verbindung mit einem hohen Leidensdruck. Die Prognose kann aufgrund der hohen Motivation zur Mitarbeit von L. und der Kooperationsbereitschaft der Mutter als gut eingeschätzt werden, insbesondere weil die Symptomatik noch nicht lange besteht und sich nur auf einzelne, konkrete Bereiche fokussiert. Dementsprechend ist die Symptomatik noch nicht generalisiert und auch nicht chronifiziert. Da der Behandlungsplan evidenzbasierte Methoden beinhaltet, wird von einem günstigen Therapieverlauf ausgegangen. Behandlungsplan: Patienten-zentrierte Interventionen: 1. Vermittlung eines individuellen Störungsmodells sowie der aufrechterhaltenden Faktoren für die Phobie, die Stimmungs- und die Selbstwertproblematik – vor dem Hintergrund der individuellen Vorgeschichte. 2. In sensu und im weiteren Verlauf in vivo Konfrontation mit flachem vs. zunehmend tieferem Wasser (Angsthierarchie erstellen und sukzessive mit angstauslösenden Situationen konfrontieren). Rücksprache mit der Schwimmlehrerin, die Annäherung an das Wasser schrittweise durch die Therapeutin durchführen zu lassen und L. nicht unter Druck zu setzen, wenn sie noch nicht bereit ist im tiefen Wasser zu schwimmen. 182 3. Identifizierung dysfunktionaler Kognitionen (z.B. Ich bin dick und hässlich) und Erarbeiten realistischer, selbstwertstärkender Kognitionen. Korrektur von Denkfallen und überhöhten Ansprüchen (z.B. Perfektionismus). Relativierung überzogener Schönheitsideale. 4. Training der Durchsetzungsfähigkeit und Selbstbehauptung gegenüber Gleichaltrigen. Im Rollenspiel einüben, Mitschülern auch mal die Meinung zu sagen und sich nicht voreilig verunsichern zu lassen. 5. Unterstützung bei der Anbahnung von Freundschaften, Förderung von Verabredungen und altersangemessenen Freizeitaktivitäten mit Gleichaltrigen. Bezugspersonen-zentrierte Interventionen: 1. Abbau des überfürsorglichen und überprotektiven Verhaltens der Mutter. 2. Anleitung der Mutter bzgl. der Förderung der Autonomie ihrer Tochter. 3. Sensible Thematisierung der überaus engen Mutter-Tochter-Beziehung. Behandlungsverlauf Die Termine fanden überwiegend wöchentlich statt, in der ersten Therapiephase gemeinsam mit der Mutter, später zunehmend mit L. alleine. Die Familie nahm die Termine stets zuverlässig wahr. Abgesehen von einigen krankheitsbedingten Ausfällen fand die Therapie kontinuierlich statt. L. konnte das individuelle Störungsmodell, unter Berücksichtigung auslösender und aufrechterhaltender Bedingungen der Wasserphobie und der emotionalen Störung, sehr gut herleiten. Die Mutter hat zur Erarbeitung des Störungsmodells viel beigetragen, konnte zu Therapiebeginn jedoch nur schwer nachvollziehen, dass die Angst vor tiefem Wasser maßgeblich aufrechterhalten wird durch Vermeidungsverhalten. Dementsprechend stand sie der Therapie einerseits sehr hoffnungsvoll gegenüber, war aber andererseits auch skeptisch in Hinblick auf die Methode der graduierten Exposition. Mit zunehmendem Vertrauen legten sich nach und nach die Befürchtungen der Mutter, dass ihre Tochter beim Schwimmunterricht ertrinken könnte. Bereits in der probatorischen Phase stellte sich heraus, dass die Ängste der Mutter vor Wasser und vor dem Ertrinken deutlich größer sind, als die der Tochter und dass sie dadurch als ungünstiges Lernmodell für ihre Tochter fungiert. Dies wurde in der Therapie immer wieder thematisiert und die Mutter versuchte im weiteren Verlauf, ihre eigenen Ängste nicht auf ihre Tochter zu projizieren. 183 Mit L. wurde in der ersten Therapiephase eine individuelle Angsthierarchie erstellt und sie wurde im Folgenden – im Sinne einer graduierten Exposition - wöchentlich im Schwimmunterricht mit immer schwieriger werdenden Situationen konfrontiert (z.B. Schwimmen am Beckenrand im flachen Wasser, Schwimmen am Beckenrand in tieferem Wasser, Springen vom Beckenrand, Tauchen…). L. gelang es schon nach kurzer Zeit angstfrei am Schwimmunterricht teilzunehmen und die Konfrontationsübungen selbständig weiterzuentwickeln. Da L. immer wieder Opfer von Mobbing in der Schulklasse geworden ist, wurde im weiteren Therapieverlauf an der sozialen Durchsetzungsfähigkeit und Selbstbehauptung gearbeitet. L. lernte selbstsicher im Unterricht und in den Pausen aufzutreten und sich gegen die Provokationen der Mitschülerinnen zur Wehr zu setzen. Nach mehreren klärenden Gesprächen zwischen L. und ihren Mitschülerinnen, konnte mit Unterstützung durch die Lehrerin eine Versöhnung herbeigeführt werden. Nach dieser Klärung fanden keine weiteren Provokationen oder Beleidigungen seitens der Mitschüler statt. Im Zuge der Versöhnung konnte L. sich auch immer besser auf Treffen mit Peers einlassen und neue Freundschaften zu Mädchen entwickeln. So lud sie beispielsweise einige Mädchen zu Übernachtungs-Partys ein oder traf sich in der Stadt mit einer Schulfreundin zum Shoppen. Im Therapieverlauf gelang es L. zunehmend besser, ihre Stellung im Klassenverband zu festigen und das ihr vorgeworfene „arrogante Image“ damit abzulegen. In der letzten Therapiephase wurde mit L. und der Mutter an der Sensibilisierung für dysfunktionale Kognitionen und Denkfallen gearbeitet. Viele der negativen, selbstabwertenden Kognitionen konnte L. nach der Streitschlichtung mit den Mitschülerinnen relativieren, wie z.B. „Ich bin dick“ oder „Ich bin hässlich.“ Daher wurde der Fokus anstelle der kognitiven Umstrukturierung negativer Gedanken auf die Vermittlung von Denkfehlern gelegt und ihr wurde vermittelt, dass das ständige Abwerten der eigenen Person Selbstwert- und Stimmungsprobleme begünstigt. Die Mutter wurde dafür sensibilisiert, dass ihre ängstliche Grundhaltung und ihr oft überprotektives Verhalten die Selbstunsicherheit von L. genauso begünstigt, wie die dysfunktionalen Gedanken der Tochter. Mit der Mutter wurde erarbeitet, L. in ihrer Verselbständigung zu unterstützen und ihrem Wunsch nach mehr Autonomie und Selbstbestimmung entgegenzukommen. Im Rahmen der Elternarbeit wurden mit der Mutter auch die biografischen Hintergründe für ihre eigenen Ängste herausgearbeitet. 184 Abschließend wurden, auf Wunsch der Mutter, gemeinsam familiäre Kommunikationsregeln postuliert. Hintergrund war die Häufung familiärer Konflikte, bei denen die Mutter sich zeitweise sehr abgewertet durch die Tochter gefühlt hat. Die Mutter klagte darüber, dass L. sie neuerdings ständig kritisiere. Die neu eingeführten Kommunikationsregeln führten zu einer leichten Verbesserung des Familienklimas. L. bereitete es aber auch weiterhin gelegentlich Spaß, ihre Mutter zu ärgern und zu kritisieren, weil sich aus Sicht von L. „Mama immer so schön aufregt.“ Mit der Mutter wurde daraufhin erarbeitet, dass dieses pubertäre Verhalten weder als feindselig noch bösartig zu werten ist. Der Mutter gelang es zum Ende der Therapie hin deutlich besser, das Verhalten ihrer Tochter im Sinne von pubertären Albernheiten zu interpretieren und es dadurch besser zu tolerieren. Die Therapie wurde vor dem Hintergrund der positiven Gesamtentwicklung, in gegenseitigem Einvernehmen, planmäßig beendet. Die Abschlussdiagnostik ergab, dass sich sowohl im SBB-DES als auch im FBB-DES die Werte auf ein durchschnittliches Niveau reduziert haben. Auch die Werte in der RSES und im DIKJ waren zum Therapieabschluss im Normbereich. Die erzielten Erfolge blieben auch über den gesamten Follow-up-Zeitraum stabil. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die phobische Symptomatik bereits nach wenigen Wochen remittierte, da L., entsprechend der definierten Therapiehausaufgaben, konsequent die Expositionsübungen durchführte. Die soziale Unsicherheit in Bezug auf Gleichaltrige reduzierte sich auf ein Minimum, ebenso die mit der Symptomatik einhergehende traurige Stimmung. Der Selbstwert der Jugendlichen konnte deutlich verbessert werden und die Selbstwahrnehmung ist im Therapieverlauf realistischer und positiver geworden. Insgesamt ist aufgrund des Trainings der angemessenen Selbstbehauptung gegenüber Gleichaltrigen, einhergehend mit der Reduzierung der sozialen Unsicherheit, ein großer Zuwachs an sozialen Kompetenzen zu verzeichnen. Die Prognose für die Gesamtentwicklung der Jugendlichen ist uneingeschränkt positiv. 185 6.7 Behandlungsfall 7 Angaben zur spontan berichteten und erfragten Symptomatik Die 15-jährige Patientin erscheint in Begleitung ihrer Mutter zum ersten Termin. Vorstellungsanlass seien Stimmungsschwankungen und Selbstwertprobleme. Sie traue sich wenig zu und spreche oftmals schlecht von sich („Ich bin dumm.“ etc.). L. habe nur wenige Freunde und sei Gleichaltrigen gegenüber eher misstrauisch. Darüber hinaus habe L. verschiedene Ängste, beispielsweise Angst vor Dunkelheit. L. leide seit einiger Zeit außerdem an Stimmungsschwankungen, weine häufig und ziehe sich zuhause immer mehr zurück. In der Schule gebe es mit einer der Lehrerinnen häufiger Konflikte. L. fühle sich in solchen Situationen schnell ungerecht behandelt und angegriffen. Dann werde sie zum Teil auch laut und ausfallend. Die Mutter beklagt, dass L. oft nur schwer zum Lernen zu motivieren sei und viele Dinge aufschiebe. L. sorge sich aktuell um ihren Schulabschluss und darum, ob sie einen Ausbildungsplatz findet. An manchen Abenden grüble sie dann sehr viel über ihre Zukunft und habe dadurch Probleme einzuschlafen. In ihrer Freizeit gehe L. mindestens zweimal in der Woche zum Cheerleading, was ihr großen Spaß bereite und wo sie sich sehr ehrgeizig zeige. Lebensgeschichtliche Entwicklung und Krankheitsanamnese L. lebe aktuell gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem 23-jährigen Halbbruder in einem Haushalt. Die Schwangerschaft und Geburt seien ohne Komplikation verlaufen. L. habe alle Meilensteine der frühkindlichen Entwicklung zeitgerecht erreicht. Im Alter von ca. drei Jahren sei der drogenabhängige Vater von L. an einem Herzinfarkt verstorben. Zum Zeitpunkt des Todes seien die Eltern bereits getrennt gewesen. Bereits kurz nach der Geburt der Tochter habe es massive eheliche Konflikte und gewalttätiges Verhalten seitens des Vaters gegeben. Als die Mutter die Abhängigkeitsproblematik des Vaters entdeckt habe und dieser ihr gegenüber gewalttätig geworden sei, habe sie sich getrennt. Dies habe in der Folge zu massiven Drohungen des Vaters geführt. Er sei in die gemeinsame Wohnung eingebrochen, habe damit gedroht, der Mutter und Tochter etwas anzutun und die Mutter dabei auch mehrmals körperlich angegriffen. Nach mehreren Einsätzen der Polizei habe sich die Situation entspannt, kurz darauf sei der Vater verstorben. Die Mutter habe existentielle Ängste in dieser Zeit erlitten und sich kaum noch vor die Tür getraut. Erst durch den Tod des Vaters sei eine Erleichterung eingetreten. Die Mutter habe zu dieser Zeit unter einer Depression und 186 unter massiven Ängsten gelitten und sei diesbezüglich in psychotherapeutischer Behandlung gewesen. Die elf Jahre ältere Halbschwester habe sich damals viel um L. gekümmert und die Mutter dadurch sehr entlastet. Mit fünf Jahren sei L. eingeschult worden. In der Grundschule habe es Probleme mit einer psychisch belastendeten Lehrerin gegeben, die L. nach einem Konflikt beispielsweise über mehrere Stunden lang in der Turnhalle eingesperrt habe. Die Lehrerin sei nach mehreren ähnlichen Vorfällen vom Dienst suspendiert worden. Zudem habe es mit einigen Jungen aus der Klasse Probleme gegeben. So sei L. von diesem mehrmals körperlich angegriffen worden. Die 3. Klasse habe L. aufgrund schlechter schulischer Leistungen wiederholt. In der 5. Klasse sei sie auf die Gesamtschule gewechselt. Sie habe auf der neuen Schule eine feste Freundin gefunden und sich ansonsten nur an älteren Jugendlichen außerhalb der Schule orientiert. Die ersten Jahre auf der weiterführenden Schule seien unauffällig verlaufen. Abgesehen von Schwierigkeiten in Deutsch und Englisch habe L. in diesem Zeitraum durchschnittliche Leistungen gezeigt. Im Frühjahr 2012 sei es zu Hause gegenüber L. zu einem sexuellen Übergriff eines 20-jährigen Mannes gekommen, während die Mutter auf einer Karnevalsparty war. L. habe den flüchtig Bekannten in die Wohnung eingeladen und habe, gegen ihren Wunsch, mit ihm geschlafen. Die Mutter habe den Mann anzeigen wollen, L. habe dies jedoch ausdrücklich nicht gewollt. Nach diesem Vorfall habe die Jugendliche sich zurückgezogen, habe nur noch selten das Haus verlassen und über Wochen verstimmt gewirkt. Es sei in dieser Phase zu leichten Selbstverletzungen an den Unterarmen gekommen und L. habe mehrmals suizidale Gedanken gehabt. In dieser Zeit sei sie auch sehr unregelmäßig zur Schule gegangen und sei daraufhin, auf Initiative der Mutter hin, in der kinder- und jugendpsychiatrischen Ambulanz vorgestellt geworden. Dort sei eine ausführliche Diagnostik, u.a. zum Ausschluss einer Posttraumatischen Belastungsstörung, erfolgt. Im Zuge der psychiatrischen Diagnostik wurde eine psychotherapeutische Behandlung eingeleitet. Psychischer Befund zum Zeitpunkt der Antragstellung L. zeigt sich zu Beginn der Therapie skeptisch und zurückhaltend, sie redet insgesamt wenig. Verminderter Antrieb, Stimmung häufig gedrückt und traurig, zeitweise 187 Suizidgedanken. In den ersten Wochen nach dem sexuellen Übergriff wiederkehrende Intrusionen und Angstzustände, aktuell keine Kardinalsymptome einer PTBS mehr eruierbar. Gelegentlich Einschlafschlafstörungen. Seitens der Mutter wird primär oppositionell verweigerndes Verhalten beschrieben, in der Schule auch verbal ausfälliges Verhalten. Gelegentlich Grübeltendenzen. Keine Zwänge, keine Tics, keine Auffälligkeiten im Essverhalten. Kein Anhalt für eine ADHS oder eine Störung des Sozialverhaltens. Aktuell klar distanziert von Eigen- und Fremdgefährdung, kein selbstverletzendes Verhalten, kein Alkohol- oder Drogenabusus. Diagnostische Befunde Bei L liegt ein intellektuelles Leistungsniveau im unteren durchschnittlichen Normbereich (Gesamt-IQ SW=85) vor. Im YSR ergaben sich Hinweise auf überdurchschnittlich ausgeprägte ängstlich-depressive Symptome (T=70). Die internalisierende Syndromskala weist auffällig erhöhte Werte vor (T=70), die externalisierende Syndromskala zeigt grenzwertig auffällige Werte (T=66), die Gesamtskala ebenfalls (T=69). In der CBCL ergibt sich ebenfalls ein auffälliges Bild: ängstlich-depressive Symptomatik (T=78), soziale Probleme (T=72), aggressives Verhalten (T>80), dissoziales Verhalten (T>80). Internalisierende Skala (T=70), externalisierende Skala (T=79) und Gesamtskala (T=75) auffällig ausgeprägt. Im SBBund FBB-DES (Urteil der Mutter) des DISYPS-II ergeben sich ebenfalls Werte im auffälligen Bereich (SN=9). Die Werte im DIKJ sind auch auffällig hoch ausgeprägt, die Werte im PHOKI und SPAIK fallen dagegen unauffällig aus. In der RSES Hinweise auf eine Selbstwertstörung (T-Wert 39). Somatischer Befund – ärztlicher Konsiliarbericht Aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht ist eine psychotherapeutische Behandlung indiziert. Eine ausführliche psychiatrische Untersuchung ist im Vorfeld erfolgt. Bedingungs- und Verhaltensanalyse Verhaltensanalyse Die Symptomatik von L. lässt sich sowohl durch prädisponierende Faktoren und multiple biografische Belastungsfaktoren, als auch durch ungünstige Lernprozesse erklären. Die Mutter hat aufgrund der von Gewalt und Konflikten geprägten Beziehung 188 zu L.‘s Vater eine Angstsymptomatik in Kombination mit einer Depression entwickelt. Die Symptomatik der Mutter hat demzufolge bereits im Kleinkindalter die Entwicklung von L. geprägt. Obwohl L. während der Phase der massiven familiären Konflikte der Eltern noch ein Kleinkind gewesen ist, lässt sich vermuten, dass sie die handgreiflichen Auseinandersetzungen und Polizeieinsätze bewusst miterlebt hat. Der sexuelle Übergriff seitens eines flüchtigen Bekannten vor zwei Jahren hat sicherlich die Urängste in Bezug auf Gewalterfahrungen bei L. getriggert und sie hat in der Folge mit Angst, Rückzug, depressiver Stimmung und Schulabsentismus reagiert. Zur besseren Steuerung negativer Affekte und innerer Anspannung hat sie sich zeitweise selbst verletzt, was zur Erleichterung und zur kurzfristigen Spannungsreduktion beigetragen hat. Da die Affektregulationsstrategien von L. jedoch nur kurzfristig zur Stimmungsstabilisierung beigetragen haben, hat sich in der Folge, vor allem durch dysfunktionale Bewältigungs- und Denkmuster, die emotionale Störung etabliert. Mikroanalyse Folgende Situation beschreibt L.s Reaktionsweise exemplarisch: Situation: L. hat einen Konflikt mit einer Mitschülerin Organismusvariablen: Mobbingerfahrungen in der Vorgeschichte, Selbstunsicherheit, mangelnde soziale Kompetenzen R kognitiv: „Die hält mich sicher für dumm!“ R emotional: gereizt, wütend, angespannt R physiologisch: Kloß im Hals, innere Unruhe, verschwitzte Hände R motorisch: L. wird der Mitschülerin gegenüber verbal ausfallend Konsequenzen C+ L. hat subjektiv die Kontrolle über die Situation, kann sich vermeintlich gut durchsetzen. C- Aufgrund der häufigen Konflikte zunehmende Verschlechterung der Gleichaltrigenbeziehungen. Gefahr der sozialen Ausgrenzung. C- Anspannung reduziert sich. Angemessene Konfliktklärung wird vermieden. 189 C+ Die Erfahrung, etwas erfolgreich zu klären, kann nicht gemacht werden, da L. immer wieder schwierige und unangenehme Situationen vermeidet. MAS-Diagnosen nach ICD-10 Achse I: Sonstige emotionale Störungen des Kindesalters (F93.8) (G) Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) (A) Achse II: Keine Achse III: Durchschnittliche Intelligenz Achse IV: Laktoseintoleranz Achse V: Psychische Störung eines Elternteils Abweichende Elternsituation Sexueller Übergriff Achse VI: Mäßige soziale Beeinträchtigung (3) Therapieziele und Prognose 1. Reduktion der depressiven Symptomatik 2. Aufbau eines positiven Selbstwertgefühls 3. Förderung von Impulskontrolle und Frustrationstoleranz 4. Verbesserung der sozialen Fertigkeiten (z.B. Gespräche initiieren, Freundschaften schließen, Fragen stellen) 5. Reduktion der Mutter-Tochter-Konflikte Bei L. liegt eine ausreichend hohe Therapiemotivation und Bereitschaft zur Mitarbeit vor. Mutter und Tochter nehmen die Termine zuverlässig wahr. Die Patientin kann realistische Ziele formulieren und zeigt sich veränderungsbereit. Die Prognose in Bezug auf das Erreichen der oben genannten Ziele kann als relativ gut eingeschätzt werden, vor allem weil keine komplexen komorbiden Störungen die Entwicklungsmöglichkeiten einschränken. Vor dem Hintergrund des Einsatzes evidenzbasierter Methoden, wird ein positiver Therapieverlauf erwartet. Behandlungsplan: Aus den formulierten Teilzielen konnte nachfolgender Behandlungsplan vertieft werden: 190 Jugendlichenzentrierte Interventionen: 1. Ressourcenaktivierung: Herausarbeitung individueller Stärken und Ressourcen. Erstellen eines Positiv-Tagebuchs zur Fokussierung auf positive Erlebnisse. Einsatz der Lotterie der Glücksbotschaften. 2. Interventionen zur Stimmungsaufhellung: z.B. Förderung angenehmer Aktivitäten, Erarbeitung eines Wochenplans. Einüben von Selbstbelohnungsstrategien. 3. Kognitive Umstrukturierung: Identifizieren von verschiedenen dysfunktionalen Kognitionen. Umstrukturierung negativistischer Gedanken mit Hilfe des sokratischen Dialogs. Entwickeln von positiven Denkweisen. 4. Interventionen zur Steigerung der Impulskontrolle und zur Verbesserung der Frustrationstoleranz: Protokollierung von Situationen, die „negative“ Emotionen, wie Wut und Ärger, auslösen. Tägliche Skalierung des Wut-Ausmaßes und möglicher situativer und kognitiver auslösender Faktoren. Einüben von besonnenen, weniger impulsiven Verhaltensreaktionen. 5. Training sozialer Fertigkeiten: Angemessener Umgang mit Enttäuschungen und Konflikten, altersentsprechende Artikulation der eigenen Befindlichkeiten und Bedürfnisse. Einüben der Kontaktaufnahme zu Peers und Förderung weiterer Gleichaltrigenkontakte außerhalb der Schule (beispielsweise im CheerleadingVerein). Elternzentrierte Interventionen: 1. Psychoedukation der Mutter über die Entstehung von emotionalen Störungen und Selbstwertproblemen unter Berücksichtigung individueller aufrechterhaltender Faktoren. 2. Psychoedukation in Bezug auf die Bedürfnisse Jugendlicher in der Entwicklungsphase der Adoleszenz: Erläuterung typischer Entwicklungsaufgaben im Jugendalter. Herstellen einer Balance zwischen Autonomiebestrebungen der Tochter und notwendiger Steuerung durch die Mutter. Sukzessive Abgabe von Verantwortung an die Tochter. 3. Stärkung der Erziehungskompetenzen: Anleitung der Mutter, angemessene Anforderungen gegenüber ihrer Tochter zu stellen und diese auch konsequent durchzusetzen. Definition der Aufgaben und Verantwortungsbereiche der Mutter sowie der dazugehörigen Anforderungen an L. 191 4. Intrafamiliäres Konfliktmanagement: Vereinbarung von Familienregeln und Training respektvoller Kommunikation innerhalb der Familie. 9. Behandlungsverlauf L. zeigte sich zu Beginn der Therapie sehr skeptisch und bagatellisierte ihre Probleme in auffälliger Weise. Besonders das schriftliche Bearbeiten der Arbeitsblätter fiel ihr schwer, daher verweigerte sie schriftliche Aufgaben im Therapieverlauf rigoros. Durch die ausführliche Exploration von Hobbies, relevanten Freundschaften, der Klassenzusammensetzung etc. konnte sich L. langsam auf das Therapieangebot einlassen. Mit der Zeit wurde somit eine tragfähige therapeutische Beziehung aufgebaut. Während der probatorischen Phase wurde ein multifaktorielles Störungskonzept erstellt, bei dem beispielsweise negative Erfahrungen mit Gleichaltrigen, der frühe Verlust des Vaters, biographische Belastungen der Mutter und der sexuelle Übergriff, als besonders relevante biografische Belastungsfaktoren identifiziert wurden. In der ersten Behandlungsphase wurde insbesondere an der Ressourcenaktivierung mit L. gearbeitet. Ihre persönlichen Stärken und Schwächen wurden in einer Stärkenwaage dargestellt. Beim Basteln einer Collage zu ihren Idealvorstellungen fiel L. auf, wie zufrieden sie mit ihrem Körper aktuell ist. Ansonsten wurde als selbstwertstärkende Übung der sogenannte "Powerbaum" durchgeführt. Anhand der Lebenslinie positiver und negativer Lebensereignisse wurde erarbeitet, welche persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten L. geholfen haben, die vielen negativen Ereignisse im Lebensverlauf zu meistern. In diesem Kontext zeigte sich L. zum ersten Mal sehr emotional, als positive Erinnerungen an ihren Vater thematisiert wurden. L. war im Rahmen der Biografiearbeit vor allem beeindruckt darüber, dass sie bereits viele Schwierigkeiten in ihrem Leben angemessen gelöst hat. Im folgenden Therapieabschnitt wurde der Fokus der therapeutischen Arbeit auf die kognitive Umstrukturierung von negativen Gedanken gelegt. L. zeigte besonders negative Gedanken bezüglich ihrer Wirkungsweise auf andere, nannte sich selbst oft „dumm“ und „naiv.“ Dies schränkte sie vor allem in der mündlichen Mitarbeit ein und führte gelegentlich zu Verunsicherung und leichter sozialer Ängstlichkeit. Zunächst wurden der Zusammenhang von negativen Gedanken und schlechter Stimmung, 192 sowie die kognitive Triade von Beck, erläutert. In mehreren aufeinanderfolgenden Therapiestunden wurden anhand persönlicher Beispiele die Auswirkungen unterschiedlicher Gedanken in Bezug auf die gleiche Situation besprochen und L. konnte mit der Zeit gut nachvollziehen, dass alternative, funktionalere Gedanken die Stimmung positiv ändern können. Passende positive Gedanken wurden für verschiedene relevante Situationen, wie die mündliche Mitarbeit in der Schule oder Konflikte mit der besten Freundin etc., erarbeitet. Zur Steigerung des Antriebs wurde ein Wochenplan eingeführt, in dem angenehme Tätigkeiten dokumentiert werden sollten. L. zeigte sich in der Umsetzung der angenehmen Aktivitäten nur wenig compliant. Angebote zur Bearbeitung der diskreten sozialen Ängste (telefonieren, mündliche Mitarbeit etc.) verweigerte sie ebenfalls weitgehend und machte an dieser Stelle deutlich, dass sie in diesem Bereich keine Probleme sehe. Mit der Mutter wurden im Rahmen der Elternarbeit typische Entwicklungsaufgaben der Pubertät thematisiert. Des Weiteren wurde an der Optimierung ihrer erzieherischen Kompetenzen und der Etablierung eines transparenten Regelwerks im häuslichen Umfeld gearbeitet. Dies führte zu einer deutlichen Reduktion familiärer Spannungen. Die Mutter zeigte im weiteren Verlauf einige positive Ansätze in Bezug auf die Veränderung ihres Erziehungsverhaltens und war stets für Anregungen offen. Da L. während der Therapie kaum noch impulsive Durchbrüche zeigte und emotional stabiler wirkte, wurden die Interventionen aus dem Bereich „Impulskontrolle und Emotionsregulation“ nicht weiter verfolgt. Zu Therapieabschluss zeigen sich lediglich subklinische Symptome von mangelnder Lernmotivation und Schulunlust. Der Umgang mit Konflikten gelingt L. mittlerweile besser, ebenso die Äußerung der eigenen Befindlichkeiten. Durch das Einüben der Kontaktaufnahme zu Peers und die Förderung von Gleichaltrigenkontakten konnten die sozialen Kompetenzen erweitert werden. Die Behandlung wurde nach Studienabschluss, im gegenseitigen Einvernehmen mit der Mutter und L., beendet. Die Prognose für die Gesamtentwicklung der Jugendlichen ist hinreichend gut, sofern eine angemessene berufliche Perspektive entwickelt werden kann und ein stabiles soziales Umfeld gewährleistet ist. 193 6.8 Behandlungsfall 8 Angaben zur spontan berichteten und erfragten Symptomatik Die 17-jährige M. stellt sich auf Empfehlung des Kinderarztes vor. M. beobachte seit einigen Monaten eine zunehmende Traurigkeit, in Verbindung mit Lustlosigkeit und mangelndem Empfinden von Freude bei Tätigkeiten, die ihr früher Spaß bereitet haben. Auch sei sie unzufrieden mit sich selbst, habe kein Selbstvertrauen mehr und fühle sich „wertlos.“ Als Auslöser benennt die Jugendliche die Trennung von ihrem langjährigen Freund im Dezember 2013, mit dem sie im Vorfeld der Trennung über ein halbes Jahr lang viele Konflikte ausgetragen habe. Der Freund sei sehr eifersüchtig gewesen und habe sie „immer sehr eingeengt und kontrolliert.“ Bei Auseinandersetzungen habe er sie oft angeschrien und beleidigt, so dass ihr Selbstbewusstsein, wie sie beschreibt, „sehr darunter gelitten hat.“ Seit Sommer 2013 habe sie infolge von Appetitlosigkeit 5 kg abgenommen, aktuell sei ihr Gewicht stabil. M. berichtet weiterhin von gelegentlichem selbstverletzenden Verhalten in Form von oberflächlichen Schnitt- und Kratzwunden an den Beinen. Im Zuge der Trennung vom Freund habe sie vage Suizidgedanken entwickelt und sich viele Selbstvorwürfe gemacht. Konkrete Suizidgedanken oder suizidale Handlungen seien hingegen noch nie aufgetreten. Aktuell kann die Jugendliche sich klar von Suizidgedanken und Suizidhandlungen distanzieren. M. benennt als primäre Therapieziele „wieder glücklich sein zu können“ und wieder mehr Selbstvertrauen zu entwickeln. Lebensgeschichtliche Entwicklung und Krankheitsanamnese M. ist das jüngere Kind von insgesamt zwei Kindern der gemeinsam lebenden Eltern. Die Familie ist griechischer Abstammung und lebt seit ca. 30 Jahren in Deutschland. Die Schwester ist 20 Jahre alt, lebt im Haushalt der Eltern und leide an einer Bulimia nervosa und einer Depression. 2009 sei eine teilstationäre Behandlung der Schwester erfolgt, die jedoch zu keiner nachhaltigen Verbesserung der Symptomatik beigetragen habe. M. beschreibt das Verhältnis zu ihrer Schwester als sehr angespannt. Die Geschwister würden nicht miteinander reden und sich weitgehend aus dem Weg gehen. Insbesondere störe M., dass ihre Schwester häufig lüge, sehr selbstbezogen sei und außerdem klaue. Diesbezüglich komme es innerhalb der Familie häufig zu Konflikten, die sich aus Sicht von M. „immer um die Schwester drehen.“ M. resümiert resigniert und traurig, dass sich die Eltern in den letzten Jahren eigentlich nur um die Schwester gekümmert haben. 194 Die Schwangerschaft sowie die Geburt von M. seien ohne Komplikationen verlaufen. Die Meilensteine der frühkindlichen Entwicklung habe M. regelrecht erreicht. Der Kindergartenbesuch und die Grundschulzeit seien unauffällig gewesen. Von der 5. bis zur 9. Klasse habe M. ein Gymnasium besucht. Ab der 8. Klasse sei ein zunehmender Leistungsabfall verzeichnet worden, weshalb M. im 10. Schuljahr auf eine Realschule wechselte, wo sie 2013 einen Realschulabschluss mit Qualifikation erreicht habe. Seit Sommer 2013 befinde sie sich in der Ausbildung zur Erzieherin und besuche ein Berufskolleg mit dem Schwerpunkt „Sozialpädagogik.“ Dort sei sie gut integriert und zeige gute Leistungen. Momentan absolviere sie ein Praktikum in einem Kindergarten. Die Arbeit in der KITA gefalle ihr gut und werde nicht als Belastung empfunden. An Ressourcen wird benannt, dass M. sehr hilfsbereit und beliebt in ihrem sozialen Umfeld sei. Sie habe viele Freunde. Früher habe sie viele Interessen gehabt, wie Reiten, Tanzen und Freunde treffen. Diese seien jedoch aufgrund ihrer Anhedonie und Antriebslosigkeit immer weiter in den Hintergrund getreten. Psychischer Befund zum Zeitpunkt der Antragstellung M. ist eine altersentsprechend entwickelte, attraktive und sympathische Jugendliche, die sich im therapeutischen Kontakt sehr zugänglich zeigt und die probatorischen Sitzungen zuverlässig und motiviert wahrnimmt. Sie ist emotional schwingungsfähig, zeigt sich jedoch bei der Exploration der Symptomatik als deutlich belastet und beschreibt depressive Symptome wie Anhedonie und Antriebslosigkeit, in Verbindung mit Appetitlosigkeit und einem Gewichtsverlust von 5 kg im letzten halben Jahr. Wiederkehrende Selbstvorwürfe und Abwertungstendenzen der eigenen Person. Gelegentlich selbstverletzendes Verhalten in Form von oberflächlichen Schnittwunden an den Beinen. Vage Suizidgedanken letztmalig im Dezember 2013 nach der Trennung vom Freund. Aktuell klar von Suizidalität und Fremdgefährdung distanziert. Keine Suizidversuche in der Vorgeschichte. Keine komorbiden Ängste eruierbar. Kein Anhalt für Störungen der Aufmerksamkeit, der Impulskontrolle oder des Sozialverhaltens, keine Zwänge, keine Essstörung. Keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen und kein Alkohol- oder Drogenabusus. 195 Diagnostische Befunde In der CBCL zeigen sich keine Auffälligkeiten im klinisch relevanten Bereich. Im YSR zeigen sich ausgeprägte internalisierende Symptome in Form von Niedergeschlagenheit, Müdigkeit und dem Gefühl von Wertlosigkeit (T-Wert 70). Im DIKJ erreichte M. einen weit überdurchschnittlichen T-Wert von 70. Im SBB-DES des DISYPS-II erreichte sie ebenfalls einen weit überdurchschnittlichen Stanine-Wert von 9. Im FBB-DES zeigt sich ein durchschnittlicher Wert. In der „Rosenberg Self-Esteem Scale“ wurde ein weit unterdurchschnittlicher T-Wert von 29 ermittelt, der auf ein sehr geringes Selbstbewusstsein hindeutet. Die Befunde bestätigen den klinischen Eindruck einer Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion. Somatischer Befund – ärztlicher Konsiliarbericht Seitens des Kinderarztes wird eine Psychotherapie befürwortet. M. erhält keine Medikation. Eine psychiatrische Begleitbehandlung ist aus Sicht des Konsiliararztes nicht indiziert. Bedingungs- und Verhaltensanalyse Verhaltensanalyse Die Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion von M. entwickelte sich im Zuge der Trennung vom langjährigen Freund. Der Trennung ist über Monate hinweg eine „Streitbeziehung“ mit Vorwürfen, Beschimpfungen und Beleidigungen seitens des Freundes vorausgegangen. Die ständigen Auseinandersetzungen und das sehr eifersüchtige Verhalten des Freundes haben M. seit ungefähr einem halben Jahr immer häufiger traurig und wütend gemacht und des Weiteren ein negatives Selbstbild mit Selbstvorwürfen und Unzufriedenheit geprägt. Die letztendliche Trennung kann als Auslöser der Anpassungsstörung angesehen werden, da M. berichtet, dass sich die geschilderten Symptome erstmals nach der Trennung vom Freund entwickelt haben. Als prädisponierende Faktoren können zum einen die psychische Erkrankung der Schwester, die über viele Jahre hinweg die volle Aufmerksamkeit der Eltern gefordert hat, und zum anderen die seit Längerem bestehenden massiven intrafamiliären Konflikte betrachtet werden. Auch wenn die intrafamiliären Konflikte sich primär auf die Schwester beziehen, ist M. sehr belastet durch die „schlechte Stimmung“, die in der Familie herrscht. Sie ist auch sehr enttäuscht darüber, dass die Schwester seit Jahren 196 durch ihr auffälliges Sozialverhalten die komplette Aufmerksamkeit der Eltern auf sich zieht. Das selbstverletzende Verhalten stellte für M. bislang eine Form der Konfliktbewältigung dar und führte kurzfristig zu einer emotionalen Entlastung (durch Spannungsabfuhr). Die Selbstverletzungen können somit als negativer Verstärker betrachtet werden. Die Symptomatik wird maßgeblich dadurch aufrechterhalten, dass M. durch ihre Anhedonie, Selbstzweifel und die bis dato nicht adäquat verarbeitete Trennung vom Freud erstmals seit Jahren die Aufmerksamkeit der Eltern auf sich zieht und damit das Fürsorgeverhalten und den Trost der Mutter aktiviert. Exemplarisch lässt sich die Symptomatik an folgender Verhaltensanalyse (SORC) verdeutlichen: Situation: M. liegt im Bett und denkt an ihren Ex-Freund Organismusvariablen: niedriger Selbstwert R kognitiv: "Ich kann ihn nicht vergessen", "Wie konnte das passieren" R physiologisch: starke Anspannung R emotional: Traurigkeit, Enttäuschung, Wut R motorisch: Rückzug, selbstverletzendes Verhalten, Weinen Konsequenzen C+ vermehrte Aufmerksamkeit und Trost durch die sich sorgende Mutter C- sozialer Rückzug, langfristig Gefahr der Chronifizierung der Symptomatik und Zunahme der sozialen Isolierung, Etablierung eines negativen Selbstkonzeptes C+ Vernachlässigung von Freundinnen, Freizeitaktivitäten werden aufgrund der traurigen Stimmung vermieden C- körperliche Anspannung reduziert sich durch das Ritzen, M. geht einer adäquaten Selbstbehauptung, durch die Trennung vom Freund, aus dem Weg MAS-Diagnosen nach ICD-10 Achse I: Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion (F43.21) (G) Achse II: keine umschriebene Entwicklungsstörung Achse III: durchschnittliche Intelligenz 197 Achse IV: keine Achse V: psychische Störung der Schwester Achse VI: Leichte soziale Beeinträchtigung in mehreren Bereichen (2) Therapieziele und Prognosen: Mit dem Patienten und den Eltern wurden folgende Ziele vereinbart: Jugendlichenzentrierte Ziele 1. Wiederherstellung einer positiven, ausgeglichenen Stimmung 2. Abbau der Antriebs- und Lustlosigkeit 3. Bearbeitung der Trennung vom Freund 4. Aufbau eines realistischen, positiven Selbstbildes Elternzentrierte Ziele: 1. Förderung einer angemessenen intrafamiliären Kommunikation 2. Sensibilisierung der Eltern für die Bedürfnisse ihrer Tochter Die Prognose kann aufgrund des angemessenen Problembewusstseins von M., der ausgesprochen hohen Motivation zur Mitarbeit und dem Vorliegen hinreichender Entwicklungsmöglichkeiten, als sehr gut eingeschätzt werden. Durch den Einsatz evidenzbasierter Verfahren wird ein günstiger Behandlungsverlauf erwartet. Behandlungsplan Jugendlichenzentrierte Interventionen: 1. Gemeinsame Entwicklung eines individuellen Störungsmodells der Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion, unter besonderer Berücksichtigung der aufrechterhaltenden familiären Bedingungen. 2. Reaktivierung von Interessen und sozialen Aktivitäten: Nutzen der „Liste angenehmer Aktivitäten“, um möglichst viele angenehme Freizeitaktivitäten in den Alltag zu implementieren. Führen eines „Stimmungs-Tagebuches“ zur Tagesstrukturierung und zum Dokumentieren des positiven Effektes angenehmer Aktivitäten auf die Stimmung. 3. Förderung der Genussfähigkeit durch Genussübungen. Einsatz von Achtsamkeitsübungen zur Verbesserung des Wohlbefindens und der Stimmung. 198 4. Sensible Thematisierung der negativen Beziehungserfahrungen mit dem ExFreund (Lebenslinie mit positiven und negativen Erfahrungen, Einsatz von Biografiekarten und Lebenskarten). Förderung der emotionalen Distanzierung vom Ex-Freund. 5. Korrektur negativer, selbstabwertender Kognitionen und Relativierung der negativen Wahrnehmung der eigenen Person. Förderung einer realistischen, differenzierten Selbstwahrnehmung. Sensibilisierung für zugrundeliegende Denkfehler. Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartungen. Familienzentrierte Interventionen: 1. Sensibilisierung der Eltern für die emotionale Lage von M. 2. Stärkung der Erziehungskompetenzen: Eltern sollen lernen, wieder mehr die Bedürfnisse von M. zu beachten und emotional-stützend auf die Probleme von M. zu reagieren. Behandlungsverlauf Die Behandlung der Jugendlichen fand in der Regel wöchentlich statt. Die Mutter wurde punktuell in die Therapie miteinbezogen. Da M. sich ausdrücklich zunächst die Bearbeitung der Trennung von ihrem Freund wünschte, wurde in der ersten Therapiephase an der Verarbeitung der Trennung gearbeitet. M. schaffte es, durch den Kontaktabbruch zum Ex-Freund und seinem Freundeskreis, sich zunehmend besser vom Ex-Freund emotional zu distanzieren. Es wurde detailliert analysiert, welche Faktoren zur Trennung beigetragen haben und welche negativen Eigenschaften des Ex-Freundes zu den zahlreichen Konflikten in der Vergangenheit geführt haben. M. konnte gut erarbeiten, dass der Ex-Freund zu dominant und zu eifersüchtig gewesen ist und dass die permanenten Unterstellungen des Fremdgehens und die häufige Kritik am Verhalten von M. maßgeblich zur Schwächung des Selbstwertes resp. zur depressiven Symptomatik beigetragen haben. Im Rahmen der Biografiearbeit wurden anhand einer Lebenslinie relevante positive und einschneidende negative Erlebnisse dokumentiert. M. konnte differenziert schildern, dass ihre Stimmungsschwankungen mit Beginn der Beziehung zum Ex-Freund begonnen haben und immer dann besonders deutlich auftraten, wenn sie Konflikte mit dem Freund hatte. Im folgenden Therapieabschnitt wurde an der Aktivierung von Ressourcen und persönlichen Stärken gearbeitet. Es wurde eine individuelle Stärken199 Schwächen-Waage erstellt und die Wahrnehmung positiver Aspekte der eigenen Person gefördert. Da M. in dieser Therapiephase deutlich zur Abwertung der eigenen Person und Selbstkritik neigte, wurde im weiteren Verlauf an den dysfunktionalen selbstbezogenen Einstellungen und überhöhten perfektionistischen Ansprüchen an die eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften gearbeitet. Der Beginn einer neuen Beziehung, wenige Monate nach der Trennung vom ExFreund, unterstützte M. in vielfältiger Weise bei der Erreichung ihrer Therapieziele. Zum einen erlebte sie eine Genugtuung, weil ihr Ex-Freund sich sehr über die neue Beziehung ärgerte und sogar versuchte, M. zurückzugewinnen. Zum anderen stabilisierte sich die Stimmung außerordentlich im Zuge der neuen Partnerschaft. M. fühlte sich erstmals wieder liebenswert und konnte viele positive Eigenschaften an sich wahrnehmen, die sie zu einem liebenswerten Menschen machen. In der letzten Therapiephase wurde an der Aktivitätssteigerung und der Förderung eines angenehmen Familienklimas gearbeitet. M. meldete sich in einem Fitnessstudio an und ging wieder regelmäßig zum Sport. Im Zuge der Stimmungsverbesserung schaffte sie es auch wieder, sich an den Wochenenden mit ihren Freundinnen zu treffen und beispielsweise auf Partys zu gehen oder mit ihnen Shoppen zu gehen. Im familiären Kontext konnte dahingehend eine Entspannung herbeigeführt werden, dass die Eltern sich mehr um die Belange von M. kümmerten und häufiger gemeinsame Familienaktivitäten durchführten, wie beispielsweise mit der gesamten Familie Essen gehen. Die Beziehung zwischen den Geschwistern konnte hingegen nicht nachhaltig verbessert werden, was mitunter an der chronifizierten Geschwisterrivalität liegt. Die Therapie wurde in Anbetracht der vollständigen Remission der Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion, im gegenseitigen Einvernehmen, planmäßig beendet. Die Prognose für die weitere Entwicklung der nunmehr Volljährigen ist sehr gut. Ein Rezidiv ist nicht zu erwarten. 200 6.9 Behandlungsfall 9 Angaben zur spontan berichteten und erfragten Symptomatik Die 18-jährige Patientin kommt in Begleitung ihrer Mutter zum Erstgespräch. Vorstellungsanlass seien, aus Sicht der Jugendlichen, ausgeprägte Stimmungs- und Selbstwertprobleme, mit situationsübergreifender Antriebs- und Lustlosigkeit. Die Symptomatik habe vor ca. 1 ½ Jahren, zunächst mit Schulunlust, gefolgt von schulischen Fehlzeiten, begonnen. Im weiteren Verlauf haben die schulischen Fehlzeiten immer weiter zugenommen (Fehlzeiten im 1. Schulhalbjahr 2013/2014 165 Stunden), die zu einem deutlichen Leistungsabfall und einem massiven Stimmungseinbruch mit Selbstzweifeln vor ca. einem Jahr geführt haben. J. leide des Weiteren sehr darunter, dass sie so dünn sei (47 kg bei 1,65 m) und zweifele, neben ihrer äußeren Erscheinung, auch an ihren Fähigkeiten. Sie fühle sich, wie sie sagt „in jeder Hinsicht nicht gut genug, ob vom Aussehen oder vom Charakter her.“ Anfang 2013 habe J. zudem begonnen sich oberflächlich an den Armen zu verletzen, aktuell ritze sie ungefähr einmal wöchentlich. Suizidgedanken habe sie nicht. J. leide auch unter massiven Einschlafproblemen. Sie liege quasi die gesamte Nacht wach und schlafe erst in den frühen Morgenstunden ein, weshalb sie tagsüber sehr müde, energie- und lustlos sei. Erschwerend kommt hinzu, dass J. keinen Appetit habe, was der Mutter sehr Sorge bereite. Die Mutter beschreibt außerdem, dass J. ihr gegenüber „frech und respektlos“ sei. In der Schule sei sie dagegen sehr angepasst und höflich. An Ressourcen der Jugendlichen werden Kreativität und eine gute Auffassungsgabe benannt. Die Jugendliche erhoffe sich von der Therapie eine Verbesserung der Stimmung, die Eltern eine Verringerung des respektlosen Umgangs innerhalb der Familie und die Klärung der weiteren beruflichen Perspektive. Lebensgeschichtliche Entwicklung und Krankheitsanamnese Die leiblichen Eltern von J. sind seit 2007 geschieden. Der Vater sei griechischer Abstammung und von Beruf Maschinenbau-Ingenieur, die Mutter sei Hausfrau (gelernte Arzthelferin). J. lebe, aufgrund von wiederkehrenden Konflikten mit ihrer Mutter, mittlerweile im väterlichen Haushalt. Aus der Ehe der Eltern von J. gehen zwei weitere Schwestern, 19 Jahre und 22 Jahre alt, hervor. Die 19-jährige Schwester lebe aktuell in Griechenland, die 22-jährige Schwester studiere und lebe in einer eigenen Wohnung. Beide Schwestern leiden ebenfalls unter Stimmungsproblemen und seien deshalb auch in psychotherapeutischer Behandlung gewesen. 201 Es wird eine vorzeitige Geburt 14 Tage vor dem errechneten Termin geschildert. Die Neugeborenenperiode sei unauffällig gewesen, die Meilensteine der frühkindlichen Entwicklung seien zeitgerecht erreicht worden. Vom 3. bis 6. Lebensjahr besuchte J. einen Kindergarten. Sie sei in der Eingewöhnungszeit sehr fixiert auf die Mutter gewesen, Trennungsangst habe sie jedoch nicht gezeigt. Die Grundschulzeit wird als unauffällig erinnert. Auf der weiterführenden Schule (Gymnasium) habe J. dann erstmals Auffälligkeiten gezeigt. Die Mutter berichtet, dass J. immer mehrere Pullover übereinander gezogen habe, damit man nicht sehen könne, wie dünn sie ist. Auch im Sommer habe sie stets mehrere Kleidungsstücke übereinander gezogen, weil sie sich sehr für ihre dünnen Beine und Arme geschämt habe. Das mangelnde Selbstvertrauen und die negative Sicht der eigenen Person bestünden bis heute unverändert. J. habe bis Ende 2012 (Mitte der 11. Klasse) das Gymnasium besucht, habe dann aufgrund schlechter Schulleistungen und mangelnder Lernmotivation von Januar bis Juni 2013 die Schulzeit unterbrochen, um ein Praktikum in einem Kindergarten zu absolvieren. In diesem Zeitraum seien die depressiven Symptome kaum noch erkennbar gewesen, J. habe viel Spaß an der praktischen Arbeit mit Kindern gehabt. Ab Herbst 2013 habe sie dann auf einem anderen Gymnasium die 11. Klasse wiederholt. Da ihre Schulleistungen jedoch weiterhin sehr schlecht waren und die depressive Symptomatik, in Verbindung mit schulischen Fehlzeiten, ab Herbst 2013 wieder deutlich zugenommen haben (ca. 165 Fehlstunden im 1. Halbjahr der Klasse 11), habe J. Anfang des Jahres 2014 entschieden, das Gymnasium, nach Abschluss des 1. Schulhalbjahres, zu verlassen, um ab Herbst 2014 eine Ausbildung zur Schneiderin zu beginnen. Bis dahin plane sie Mal- und Nähkurse zu besuchen. Perspektivisch wünsche J. sich, Mode-Designerin zu werden. Psychischer Befund zum Zeitpunkt der Antragstellung Die Patientin ist eine altersgemäß entwickelte, modisch gekleidete, sympathische 18jährige Jugendliche. J. ist im Gespräch freundlich zugewandt und berichtet differenziert über ihre Schwierigkeiten. Die Stimmungslage ist deutlich depressiv, kombiniert mit resignativen, selbstabwertenden Kognitionen. Formal und inhaltlich ist der Gedankengang geordnet und unauffällig, jedoch deutlich negativ gefärbt. Die kognitive Leistungsfähigkeit liegt im durchschnittlichen Bereich. Anamnestisch keine Ängste, Tics oder Zwänge eruierbar. Abgesehen von massiven intrafamiliären Konflikten keine 202 weitere expansive Symptomatik eruierbar. Seit mehreren Jahren Einschlafprobleme, in Verbindung mit Grübeleien und massiver Müdigkeit resp. Erschöpfung am Tag. Klagt über Appetitlosigkeit, bei einem Gewicht von 47 kg und einer Körpergröße von 1,65 m (BMI 17,3). Im letzten halben Jahr ca. 2 kg Gewichtsverlust. J. würde gerne mehr Appetit haben und mehr wiegen. Kein Anhalt für selbst herbeigeführten Gewichtsverlust im Sinne einer Essstörung. Keine Hinweise auf eine akute Belastungsreaktion oder PTBS. Keine akute Suizidalität, keine Suizidversuche in der Vorgeschichte, jedoch wiederholtes selbstschädigendes Verhalten an den Armen. Keine Fremdgefährdung. Kein Alkohol- oder Drogenabusus. Diagnostische Befunde J. erreichte im WISC-IV einen im durchschnittlichen Bereich liegenden Gesamt-IQ von 99 bei homogenem Intelligenzprofil. In der CBCL und im YSR wurden klinisch auffällige Ergebnisse in Bezug auf folgende Skalen ermittelt: YSR: „ängstlich/depressiv“ T-Wert >80, „sozialer Rückzug“ T-Wert >80; CBCL: „sozialer Rückzug“ T-Wert 78, „dissoziales Verhalten“ T-Wert 73, „aggressives Verhalten“ T-Wert 71. Im SBB-DES und FBB-DES (Fremdurteil der Mutter) des DISYPS-II zeigen sich mit einem Stanine-Wert von 9 deutliche Hinweise auf eine depressive Störungen. Im DIKJ erreichte J. ebenfalls ein sehr auffälliges Ergebnis (T = 79, PR 99). In der „Rosenberg Self-Esteem Scale“ wurde ein weit unterdurchschnittlicher T-Wert von 25 ermittelt, der auf einen sehr gering ausgeprägten globalen Selbstwert hinweist. Sowohl die Testbefunde als auch die Exploration und das daraus resultierende klinische Urteil bestätigen die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung. Somatischer Befund – ärztlicher Konsiliarbericht Laut Hausarzt liegen keine medizinischen Einwände gegen eine Psychotherapie vor. Trotz BMI von 17,3 kein Anhalt für eine Anorexia oder Bulimia nervosa. Bedingungs- und Verhaltensanalyse Verhaltensanalyse Die rezidivierende depressive Symptomatik entwickelte sich vermutlich aufgrund von disponierenden Faktoren (familienanamnestisch Häufung affektiver Erkrankungen) und persönlichen Belastungserfahrungen, wie der Trennung der Eltern oder schulischer Überlastung resp. Überforderung. 203 J. hat mit zunehmendem Leistungsniveau auf dem Gymnasium immer mehr die Lust am Lernen und an der aktiven Mitarbeit im Unterricht verloren. Infolge dessen haben sich auch die Schulleistungen kontinuierlich Selbstwahrnehmung verstärkt verschlechtert, hat. was Erschwerend wiederum kommt ein J.‘s negative sehr hoher Leistungsanspruch des Vaters hinzu, dem J. nicht standhalten kann. Für ihn kommt laut J. nur ein Abitur als Schulabschluss in Frage, alles andere wertet er als „Versagen“, weshalb es in der Vergangenheit immer wieder schwerwiegende Konflikte zwischen Vater und Tochter gegeben habe. Durch das zunächst stundenweise, später auch tageweise Fehlen in der Schule hat J. für „Entlastung“ gesorgt und damit den subjektiv empfundenen Leistungsdruck, im Sinne negativer Verstärkung, verringert. Im weiteren Verlauf hat sie dann immer häufiger in der Schule gefehlt und stattdessen zu Hause im Bett gelegen (positive Verstärkung). Die depressive Symptomatik hat sich dadurch immer deutlicher manifestiert, zumal in den letzten Monaten vor Therapiebeginn kaum noch außerhäusliche Aktivitäten zu verzeichnen waren und stattdessen familiäre Auseinandersetzungen an der Tagesordnung standen. Das selbstverletzende Verhalten erfüllt die Funktion der Spannungsregulation. J. ritzt sich vornehmlich, wenn familiäre Konflikte bestehen und sie nicht weiß, wie sie mit der angestauten Wut und Enttäuschung umgehen soll. Die ausgeprägte Selbstwertproblematik hat sich infolge der über Jahre hinweg bestehenden negativen Leistungsrückmeldungen, in Verbindung mit den persönlichen negativen Rückmeldungen des Vaters, manifestieren, der seit Jahren versucht J. davon zu überzeugen, dass man erst dann ein „wertvoller Mensch“ ist, wenn man Abitur gemacht hat. Diesem Anspruch kann J. aktuell nicht gerecht werden. Sie ist überzeugt davon, dass sie als Tochter „versagt“ hat, weil sie das Abitur nicht erreicht hat. Ihr negatives Bild von sich sieht sie zudem darin bestätigt, dass sie viel zu dünn und dadurch aus ihrer Sicht nicht attraktiv für Jungen ist. Das negative Selbstkonzept ist mittlerweile auf verschiedene Bereiche generalisiert, so herrscht z.B. ein negatives leistungsbezogenes Selbstbild, eine negative Selbstwahrnehmung als „VersagerTochter“ sowie als „unattraktive Jugendliche“ vor. Die negative Sicht der eigenen Person wirkt sich wiederum negativ auf die Stimmung von J. aus und kann als maßgeblicher aufrechterhaltender Faktor der rezidivierenden Depression angesehen werden. Symptomaufrechterhaltend wirken außerdem operante Verstärkerprozesse, wie die folgende SORC-Analyse zeigt: 204 Situation: Konflikt mit dem Vater in Bezug auf den diskontinuierlichen Schulbesuch Organismusvariablen: genetische Disposition für affektive Erkrankungen R emotional: Wut, Enttäuschung über die Haltung des Vaters, Traurigkeit R physiologisch: Appetitlosigkeit, „Klos im Hals“ R motorisch: Anschreien des Vaters, selbstverletzendes Verhalten R kognitiv: „Ich bin dumm“, „Ich bin nicht gut genug“, „Ich werde es meinem Vater nie Recht machen können“ Konsequenzen C- Angespanntes, von Konflikten geprägtes Verhältnis zu den Eltern. Manifestation eines negativen Selbstbildes. Langfristig Zunahme der depressiven Symptomatik. Gefährdete Schullaufbahnentwicklung, keine klare berufliche Perspektive. C+ Verlust an Freude bei Freizeitaktivitäten, reduzierter Antrieb, keine Energie C+ Erlebt wieder Kontrolle über ihr Leben, wenn sie sich durchsetzt gegenüber dem Vater. C- J. muss sich nicht mehr dem Schulstress und dem Leistungsdruck aussetzen. Reduktion der inneren Anspannung durch selbstverletzendes Verhalten. MAS-Diagnosen nach ICD-10 Achse I: Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige depressive Episode (F33.1) (G) Achse II: Keine umschriebene Entwicklungsstörung Achse III: Durchschnittliche Intelligenz Achse IV: Keine Achse V: Trennung der Eltern psychische Erkrankung der Geschwister chronische intrafamiliäre Streitbeziehungen Achse VI: Mäßige soziale Beeinträchtigung in mehreren Bereichen (3) 205 Therapieziele und Prognose Mit der Patientin und den Eltern wurden folgende Ziele vereinbart: Patientenzentrierte Ziele 1. Stabilisierung der Stimmung unter Berücksichtigung der individuellen Stressoren der Patientin 2. Korrektur des negativ-verzerrten Selbstbildes 3. Erarbeitung adäquater Kommunikations- und Konfliktlösekompetenzen 4. Abbau des selbstverletzenden Verhaltens 5. Behandlung der Schlafstörung 6. Erarbeiten einer realistischen beruflichen Perspektive Elternzentrierte Ziele 1. Aufbau von Verständnis für die Symptomatik der Tochter 2. Abbau des hohen Leistungsanspruchs (insbesondere des Vaters) Im Rahmen der probatorischen Sitzungen konnte eine vertrauensvolle therapeutische Beziehung zur Patientin hergestellt werden. J. erscheint zuverlässig und motiviert zu den Therapiestunden. Sie weist einige Ressourcen und ein angemessenes Problembewusstsein, in Verbindung mit einem erkennbaren Veränderungswillen, auf. Daher kann, trotz der Schwere der rezidivierenden depressiven Symptomatik, von einer relativ günstigen Prognose ausgegangen werden. Es wird von einem günstigen Therapieverlauf ausgegangen, u. a. auch, weil die Behandlungsmethoden evidenzbasiert sind. Behandlungsplan Patientenzentrierte Behandlungsmethoden 1. Psychoedukation: Wissensvermittlung in Bezug auf Entstehungshintergrund, Häufigkeit, Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten von Depressionen und Selbstwertproblemen. Erarbeitung von auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen der Symptomatik von J. im Rahmen eines individuellen Störungsmodells. 2. Stimmungsstabilisierung: Abbau individueller Stressoren (Leistungsanspruch reduzieren, Alternative zur Schule erarbeiten…). Reaktivierung von Interessen, 206 Förderung außerhäuslicher Aktivitäten (z.B. sich wieder mehr mit Freunden treffen). Aus der „Liste angenehmer Aktivitäten“ verschiedene Aktivitäten erproben und in den Alltag implementieren. Tagesstrukturierung (z.B. kein im Bett liegen tagsüber), Führen eines „Aktivitäts- und Stimmungstagebuches.“ 3. Entwicklung eines positiven Selbstbildes: Identifizierung und kognitive Umstrukturierung negativer selbstbezogener Gedanken. Etablierung positiver Gedanken in Bezug auf die eigene Person im Alltag (Förderung realistischen Denkens). Im Rahmen der kognitiven Arbeit außerdem Entwicklung einer optimistischen Sicht in Bezug auf die Zukunft. Schaffen von Erfolgserlebnissen, die die Selbstwirksamkeitserwartung von J. stärken. 4. Stärkung der Konfliktlösekompetenzen: Einführen von Kommunikationsregeln innerhalb der Familie. Förderung der angemessenen Durchsetzungsfähigkeit von J. (z.B. die eigene Meinung im ruhigen Ton sagen lernen, zu seiner Meinung stehen, ohne den anderen zu beleidigen, Kompromisse schließen…etc.), zunächst im Rollenspiel und später Erprobung im familiären Alltag. Erarbeitung von Alternativen zum selbstverletzenden Verhalten, um innere Anspannung nach Konflikten zu reduzieren (Gummiband nutzen, Eiswürfel statt Messer nutzen, Spaziergang an der frischen Luft nach Wutausbruch…). 5. Behandlung der Schlafstörung: Einführen von Schlafhygiene-Regeln (z.B. Verbot von Schlaf am Tag). Belastungen, die J. abends vom Schlaf abhalten, therapeutisch bearbeiten, Gedankenstopp bei Grübeleien (Grübeln auf den Tag zu fester Uhrzeit verschieben). 6. Entwicklung einer realistischen beruflichen Perspektive: Termin bei der Berufsberatung vereinbaren, Praktika recherchieren, Nähkurs absolvieren, um zu prüfen, ob ihr der Beruf der Schneiderin Spaß macht. Förderung der Motivation, Bewerbungen zu schreiben. Elternzentrierte Behandlungsmethoden 1. Erarbeitung eines individuellen Störungsmodells und gemeinsamer Behandlungsziele. 2. Abbau des übertriebenen Leistungsanspruchs gegenüber der Tochter. 3. Kognitive Umstrukturierung der zukunftsbezogenen „Katastrophengedanken“ der Eltern. 207 Behandlungsverlauf Die Termine mit J. fanden in der Regel wöchentlich statt. Phasenweise schaffte sie es, aufgrund der ausgeprägten Antriebsstörung, jedoch nicht, jede Woche den vereinbarten Therapietermin wahrzunehmen. Die Mutter wurde sporadisch in den therapeutischen Prozess mit einbezogen, der Vater wurde, auf expliziten Wunsch von J., nicht in die Therapie involviert. Da J. zeitgleich mit dem Therapiebeginn den Besuch des Gymnasiums beendet hat und dadurch keine Tagesstruktur mehr besaß, wurde in der ersten Therapiephase sehr intensiv am Aufbau einer angemessenen Tagesstrukturierung und sinnvollen Freizeitgestaltung mit J. gearbeitet. J. hat sich dafür entschieden, zweimal wöchentlich einen Nähkurs zu besuchen und verpflichtete sich, zuverlässig die wöchentlichen Therapietermine wahrzunehmen, was ihr im Therapieverlauf auch zunehmend besser gelungen ist. Gleichzeitig wurden Schlafhygieneregeln erarbeitet, mit festen Schlafbzw. Aufstehzeiten. Das stundenlange Schlafen und im Bett liegen tagsüber wurde vollständig unterbunden, um wieder einen angemessenen Schlaf-Wach-Rhythmus zu etablieren. Davon profitierte die Jugendliche bereits nach kurzer Zeit. Um die angespannte Mutter-Tochter-Beziehung zu verbessern, wurden gezielte gemeinsame Freizeitaktivitäten geplant, wie gemeinsame Kochtage oder Spieleabende, die J. sichtlich gut taten und zu einer ersten emotionalen Stabilisierung führten. Im Zuge der Tagesstrukturierung und Aktivitätssteigerung wurden auch verschiedene soziale Kontakte von J. reaktiviert. Sie schaffte es mit Unterstützung der Therapeutin zunehmend besser, sich wieder mit ihren alten Schulfreundinnen zu treffen und sogar wieder auf Partys zu gehen, was sowohl ihre Zuversicht als auch ihre Lebensfreude nachhaltig stärkte. In der nachfolgenden Therapiephase wurde intensiv am negativen Selbstbild von J. gearbeitet. Zunächst wurde eine Lebenslinie mit positiven und negativen Lebensereignissen entwickelt. Im Folgenden wurde analysiert, welche Faktoren im Lebensverlauf zu der negativen Sicht der eigenen Person und zu der pessimistischen Grundhaltung beigetragen haben. J. entwickelte die These, dass ihre Selbstwertstörung in erster Linie durch die negativen Rückmeldungen des Vaters und seine perfektionistischen Ansprüche entstanden sei. Da der Vater - auf ausdrücklichen Wunsch von J. - nicht in die Therapie einbezogen werden sollte, konnte an diesem Thema nicht vertiefend mit dem Vater gearbeitet werden. Mit der Mutter konnte im 208 Gegenzug gut erarbeitet werden, dass die überhöhten Ansprüche an die Tochter und die permanenten negativen Rückmeldungen zur Chronifizierung der depressiven Symptomatik und Aufrechterhaltung der Selbstwertstörung von J. beigetragen haben. Daran anknüpfend wurde mit der Mutter und der Tochter an einer angemessenen intrafamiliären Kommunikation und adäquaten Konfliktlösung gearbeitet, wovon sowohl die Mutter, als auch die Tochter, profitierten. J. gelang es im weiteren Therapieverlauf weniger aufbrausend und beleidigend gegenüber ihrer Mutter aufzutreten. Da ihr das in Gegenwart des Vaters nicht so erfolgreich gelang, übte J. sich stattdessen frühzeitig in Konfliktsituationen zurückzunehmen und das Gespräch beispielsweise zu unterbrechen. J. distanzierte sich in den folgenden Monaten immer weiter vom Vater und erlebte dadurch eine deutliche Entlastung, verbunden mit einer merklichen Stimmungssteigerung. Die schrittweise Zuwendung zur Mutter wirkte sich im Gegenzug auch weiterhin positiv auf die Stimmung von J. aus. In der letzten Therapiephase wurde sehr intensiv an den negativ-verzerrten Kognitionen der Jugendlichen gearbeitet. J. lernte ihre Gedanken kritisch zu hinterfragen und alternative, positivere Denkmuster zu entwickeln. Ihre massiven Selbstabwertungen (z.B. „Ich bin total dumm“, „Ich bin viel zu dünn und hässlich“) konnte sie nach und nach reduzieren und sich zum Ende der Therapie hin auch als attraktiv wahrnehmen. Die Berufsperspektive konnte nur ansatzweise geklärt werden. J. suchte sich selbständig einen Praktikumsplatz in einer Schneiderei, wurde dort jedoch nicht als Auszubildende eingestellt, da die Inhaberin sich bereits für eine andere Praktikantin entschieden hat. J. zweifelte in den darauffolgenden Wochen wieder sehr an ihren Kompetenzen und ließ sich durch die Absage zudem sehr demoralisieren. Nach wenigen Wochen fand sie einen anderen Job, mit dem sie sich bis dato ihr Taschengeld aufbessert. Perspektivisch möchte J. sich in Form von Praktika noch andere Ausbildungsbereiche anschauen, um sich dann gezielt zu bewerben. Termine bei der Berufsberatung wurden vereinbart, die zu einer fundierten Entscheidung für einen geeigneten Ausbildungsberuf beitragen sollen. Die Therapie wurde aufgrund der guten Gesamtentwicklung und der vollständigen Remission der depressiven Symptomatik einvernehmlich beendet. J. lässt sich zwar nach wie vor durch negative Rückmeldungen leicht irritieren, eine behandlungsbedürftige Selbstwertstörung liegt jedoch nicht mehr vor. Die Beziehung zur Mutter konnte deutlich verbessert werden, die Vater-Tochter-Beziehung konnte hingegen, auf Wunsch von J., nicht bearbeitet werden. 209 6.10 Behandlungsfall 10 Angaben zur spontan berichteten und erfragten Symptomatik Die 16-jährige K. wird, mit der Empfehlung einer poststationären Behandlung, nach einem 4-wöchigen stationären Aufenthalt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, vorgestellt. Die stationäre Behandlung sei im Herbst 2013 initiiert worden, weil K. im Vorfeld über neun Monate lang unter zunehmenden Stimmungseinbrüchen, mit sozialem Rückzug, depressivem Erleben und Schlafstörungen gelitten habe. Zudem habe sie über Monate hinweg selbstverletzendes Verhalten zeigt. Neben der depressiven Symptomatik bereite der Mutter Sorge, dass K. sich seit Längerem nicht mehr traue, sich aktiv am Unterricht zu beteiligen. Auch fehle sie gelegentlich aufgrund von Übelkeit oder „Unwohlsein“ in der Schule. Als Grund für die mangelnde mündliche Mitarbeit benennt K., dass sie die Fragen der Lehrer zwar fast immer beantworten könne, aber große Sorge habe, von den Mitschülern ausgelacht zu werden, falls sie eine falsche Antwort gebe. Wenn sie vom Lehrer aufgerufen werde, antworte sie folglich lieber gar nicht, um sich nicht zu blamieren. Die Sorge, sich in der Öffentlichkeit zu blamieren, habe K. schon seit mehreren Jahren. Auch die Mutter habe in ihrer Jugend unter massiven sozialen Ängsten und Stimmungsproblemen gelitten und könne, wie sie mehrmals betont, gut nachvollziehen, wie K. sich fühlt. Die stationäre Behandlung habe aus Sicht der Mutter und der Jugendlichen „gar nichts gebracht.“ K. sei auf einer Station für essgestörte Mädchen behandelt worden, obwohl eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert worden sei. Sie habe ihre Zeit in der Klinik „nur abgesessen“, vor allem weil sie sich dort nicht ernst genommen gefühlt habe. K. habe sich vom stationären Aufenthalt eine Verbesserung der Stimmung erhofft, die aber nicht eingetreten sei. Die Stimmung habe sich, nach dem Aufenthalt in der Klinik im Herbst 2013, stetig verschlechtert. Im weiteren Verlauf seien zunehmend Suizidvorstellungen, Grübeltendenzen, massive Schlafprobleme und starke Selbstzweifel hinzugekommen. Konkrete suizidale Absichten seien noch nie aufgetreten, jedoch zeige K. seit mehr als einem Jahr selbstverletzendes Verhalten. K. benennt als primäre Therapieziele „weniger traurig und ängstlich zu sein“ und „sich nicht mehr so negativ zu bewerten.“ 210 Lebensgeschichtliche Entwicklung und Krankheitsanamnese K. ist das einzige Kind der seit zehn Jahren getrennt lebenden resp. seit sechs Jahren geschiedenen Eltern. Der als Rechtsanwalt tätige Vater lebe aktuell mit einer neuen Partnerin zusammen, die Mutter betreibe einen Gastronomiebetrieb und sei alleinstehend. Die Mutter habe in ihrer Jugend unter massiver sozialer Ängstlichkeit und Depressionen gelitten und habe mehrmals eine Psychotherapie in Anspruch genommen. Sie leide außerdem seit einigen Jahren unter einer Multiplen Sklerose und sei körperlich phasenweise kaum belastbar. Der Vater habe früher ebenfalls an einer Angststörung gelitten und an einer fraglichen Zwangsstörung. Die Schwangerschaft sowie die Geburt von K. seien ohne Komplikationen verlaufen. Die Meilensteine der frühkindlichen Entwicklung habe K. regelrecht erreicht. Die Kindergartenzeit sei unauffällig gewesen. In der Grundschulzeit habe K. erstmals gespürt, dass sie anders sei als die anderen Kinder. Sie sei den Mitschülern kognitiv und vor allem sprachlich weit voraus gewesen und habe altklug gewirkt, weshalb sie bei den Mitschülern nicht beliebt gewesen sei. Auch auf der weiterführenden Schule habe K. nur schwer sozialen Anschluss innerhalb der Klasse finden können. Man habe sie in den ersten Schuljahren auf der Gesamtschule weitgehend ignoriert. Auf der weiterführenden Schule habe K. erstmals befürchtet, sich vor der Klasse zu blamieren. Diese Sorge sei in den folgenden Schuljahren stärker geworden und habe ab der 10. Klasse auch zu körperlichen Beschwerden, wie Unwohlsein und Übelkeit, sowie im weiteren Verlauf, zu gelegentlichen schulischen Fehlzeiten geführt. Etwa zeitgleich habe sie Stimmungseinbrüche und Schlafprobleme, infolge von abendlichen Grübeleien, erlebt. Selbstverletzendes Verhalten, Selbstabwertungstendenzen und Appetitlosigkeit seien erschwerend hinzugekommen. Im letzten Jahr habe K. infolge der psychischen Belastung und Appetitlosigkeit 8 kg abgenommen. K. besuche aktuell die 11. Klasse der Gesamtschule, zeige gute schulische Leistungen, trotz der mangelnden mündlichen Mitarbeit und der gelegentlichen schulischen Fehlzeiten. Sie fühle sich nach wie vor „anders“ als ihre Mitschüler und habe ganz andere Interessen als andere Jugendliche. So habe sie beispielsweise einen speziellen Kleidungsstil (ausschließlich schwarze Kleidung) und lese andere Bücher bzw. schaue andere Filme als ihre Mitschüler. Seit dem Frühjahr habe sie 211 zudem eine neue Beziehung mit einem Jungen aus ihrer Klasse, in den sie seit mehreren Jahren verliebt sei. Die neue Beziehung habe in der Klassenstufe zu viel Neid geführt, da der Freund der langjährige Schwarm vieler Mitschülerinnen von K. sei. Dies führe zu einer weiteren Ausgrenzung, die K. mittlerweile als „normal“ hinnimmt und die sie nicht mehr tangiert. An Ressourcen wird benannt, dass K. außerhalb der Schule viele Freunde habe, die ihre Interessen und Vorlieben teilen. Auch habe sie sich gut in den Freundeskreis ihres neuen Freundes integriert. An weiteren Ressourcen ist vor allem die gute kognitive Auffassungsgabe und Kreativität hervorzuheben. Psychischer Befund zum Zeitpunkt der Antragstellung K. ist eine altersentsprechend entwickelte, attraktive Jugendliche, die sich im therapeutischen Kontakt zunächst sehr zurückhaltend, scheu und leicht misstrauisch zeigte, im weiteren Verlauf jedoch zunehmend Vertrauen aufbauen konnte. Sie wirkt bei der Exploration der Symptomatik deutlich belastet. Es bestehen depressive Symptome wie Anhedonie, Appetit- und Gewichtsverlust, häufige Grübeleien, in Verbindung mit negativistischem Selbstabwertungstendenzen. Denken. Einschlafprobleme Selbstverletzendes Verhalten und in deutliche Form von oberflächlichen Schnittwunden an den Armen. Aktuell keine Suizidgedanken, klar von Suizidalität distanziert. Keine Suizidversuche in der Vorgeschichte. Keine Fremdgefährdung. Abgesehen von sozial phobischem Verhalten keine weiteren Ängste eruierbar. In der Vorgeschichte mehrmals fragliche Panikattacken, aktuell keine Hinweise auf eine manifeste Panikstörung. Kein Anhalt für Störungen der Aufmerksamkeit, der Impulskontrolle oder des Sozialverhaltens, keine Zwänge, keine Essstörung. Keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen. Alkohol- und Drogenabusus werden glaubhaft verneint. Diagnostische Befunde In der CBCL zeigen sich überdurchschnittlich ausgeprägte internalisierende Symptome. Auf Beschwerden“ den Skalen (T-Wert 78) „sozialer und Rückzug“ (T-Wert „ängstlich/depressiv“ 80), (T-Wert „körperliche 70) werden überdurchschnittlich hohe Wert ermittelt. Des Weiteren werden überdurchschnittliche ausgeprägte Werte auf der Skala „Aufmerksamkeitsprobleme“ (T-Wert 79) deutlich. Im YSR liegen die Werte der Skalen „sozialer 212 Rückzug“ (T-Wert 74) und „ängstlich/depressiv“ (T-Wert 70) im auffälligen Bereich. Im DIKJ erreichte K. ebenfalls einen überdurchschnittlichen T-Wert von 72. Im Selbstbeurteilungsbogen für depressive Störungen (SBB-DES des DISYPS-II) wurde ein überdurchschnittlich ausgeprägter Stanine-Wert von 8, im Fremdurteil FBB-DES (Urteil der Mutter) sogar ein Stanine-Wert von 9, ermittelt, was das klinische Urteil einer mittelgradigen depressiven Episode bestätigt. Im SBB-/FBB-ANZ zeigt sich eine sozial phobische Begleitsymptomatik. Andere Ängste sind nicht eruierbar. In der „Rosenberg SelfEsteem Scale“ wurde ein unterdurchschnittlicher T-Wert von 36 ermittelt, der auf einen geringen Selbstwert hindeutet. Somatischer Befund – ärztlicher Konsiliarbericht Seitens des Hausarztes besteht keine Kontraindikation für eine psychotherapeutische Behandlung. Eine psychiatrische Begleitbehandlung ist aus Sicht des Konsiliararztes nicht erforderlich. Bedingungs- und Verhaltensanalyse Verhaltensanalyse Für die soziale Phobie und die Depression von K. liegt eine genetische Disposition vor. Die Mutter sei im Jugendalter ebenfalls sehr ängstlich und affektlabil gewesen. Eine Diagnostik oder Therapie sei damals nicht erfolgt, da die Eltern der Mutter sich kaum um die Belange und Bedürfnisse der Mutter gekümmert haben. Den anamnestischen Angaben der Mutter zufolge ist aber davon auszugehen, dass die Mutter von K. in der Adoleszenz ebenfalls sozial phobisch und depressiv gewesen ist. Später habe sie, aufgrund multipler Belastungen, mehrere Psychotherapien in Anspruch genommen. Familienanamnestisch lässt sich weiter erheben, dass der Vater früher unter einer Angststörung und Zwangshandlungen gelitten habe. Neben der genetischen Vulnerabilität liegt ein ungünstiges Lernmodell seitens beider Elternteile vor, die aufgrund ihrer ängstlich-überprotektiven Erziehungshaltung – im Sinne eines ungünstigen „Angstmodells“ – zur Aufrechterhaltung der Symptomatik von K. beitragen. Entwickelt hat sich die ängstlich-depressive Symptomatik von K. vor dem Hintergrund der langjährigen sozialen Zurückweisung durch ihre Mitschüler. Auslöser für die Zurückweisungen war zunächst K.‘s altkluges Verhalten in der Grundschulzeit. Auf der weiterführenden Schule zog sie sich zunehmend zurück, vermied jeglichen Kontakt zu 213 Klassenkameraden und wirkte dadurch „unnahbar“ und arrogant auf ihre Mitschüler. Durch die mangelnde Integration in den Klassenverbund befürchtete K. zunehmend, dass sie ausgelacht werden könnte, wenn sie im Unterricht etwas Falsches sage. Folglich nahm ihre mündliche Mitarbeit immer weiter ab, bis K. schließlich gar nicht mehr aktiv am Unterricht teilnahm, um eine mögliche Blamage vor der Klasse zu verhindern. Auch die wiederkehrenden schulischen Fehlzeiten sind auf die Sorge sich zu blamieren und K.‘s soziale Ängstlichkeit zurückzuführen. Das zunehmende Vermeidungsverhalten hat maßgeblich zur Stabilisierung der Symptomatik beigetragen. Die soziale Isolation führte in den letzten beiden Jahren außerdem zu häufigen Stimmungsschwankungen, massiven Selbstabwertungstendenzen und Resignation. Das selbstverletzende Verhalten setzte K. daraufhin gezielt ein, um den negativen Affekt zu kontrollieren und emotionale Anspannung zu reduzieren, was wiederum zu einer Verstärkung der maladaptiven Emotionsregulations-Strategie geführt hat. Die Symptomatik der Jugendlichen lässt sich am folgenden Beispiel exemplarisch darstellen (SORC-Schema): Situation: K. wird in der Klasse von Mitschülern ignoriert Organismusvariablen: internalisierte, negative Denk- und Bewertungsmuster, negatives Selbstbild, Selbstwertstörung R kognitiv: „Niemand versteht mich“, „Warum bin ich so anders?“ R emotional: Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, Wut R physiologisch: Nervosität, Zittern, Übelkeit R motorisch: sozialer Rückzug, selbstverletzendes Verhalten Konsequenzen C+ Gefühl der Erleichterung, weil K. nicht angesprochen wird. C- Soziale Desintegration innerhalb des Klassenverbundes. Verstärkung des negativen Selbstkonzepts. Potenzierung der Sorge vor negativen Bewertungen durch Gleichaltrige. Gefahr der Chronifizierung der depressiv-ängstlichen Symptomatik. C+ Soziale Kompetenzen, wie Kontaktaufnahme und Kontaktgestaltung zu Mitschülern, können nicht erworben 214 werden, da sämtliche Kontakte zu Mitschülern aktiv vermieden werden. C- Durch Ignorieren der Mitschüler muss K. sich ihrer Unsicherheit und sozialen Ängstlichkeit nicht stellen und vermeidet dadurch die Konfrontation mit Gefühlen, wie Scham und Unzulänglichkeit. Reduktion innerer Anspannung durch selbstverletzendes Verhalten MAS-Diagnosen nach ICD-10 Achse I: Mittelgradige depressive Episode (F32.1) (G) Soziale Phobie (F40.1) (G) Achse II: keine umschriebene Entwicklungsstörung Achse III: durchschnittliche Intelligenz Achse IV: keine Achse V: abweichende Elternsituation Psychische Störung der Eltern Achse VI: Mäßige soziale Beeinträchtigung in mehreren Bereichen (3) Therapieziele und Prognose In Absprache mit der Patientin und den Eltern wurden folgende Therapieziele festgelegt: Jugendlichenzentrierte Ziele: 1. Wiederherstellung einer positiven, ausgeglichenen Stimmung 2. Förderung von Fertigkeiten zur angemessenen Emotionsregulation 3. Bearbeitung der perfektionistischen Ansprüche an die eigene Person 4. Aufbau eines realistischen, positiven Selbstbildes 5. Abbau der sozialen Ängstlichkeit in Bezug auf Gleichaltrige Elternzentrierte Ziele: 1. Abbau der ängstlich-überprotektiven Erziehungshaltung der Eltern 2. Förderung der Autonomie der Tochter 215 Die Symptomatik der Jugendlichen ist als relativ komplex anzusehen, die im Vorfeld der Therapieanbahnung stationär behandelt worden ist. Sowohl die Patientin als auch die Eltern haben ein differenziertes Krankheitsverständnis und aufgrund des hohen Leidensdrucks auch eine starke Veränderunsbereitschaft entwickelt. Die Jugendliche hat einige Ressourcen und kann realistische Ziele formulieren. Die Prognose kann aufgrund dieser Voraussetzungen als relativ gut eingeschätzt werden. Die ausgewählten Behandlungsmethoden sind evidenzbasiert. Es wird ein verhältnismäßig günstiger Therapieverlauf erwartet. Therapieplan Jugendlichen-zentrierte Interventionen: 1. Gemeinsame Entwicklung eines individuellen Störungsmodells der sozialen Phobie und der depressiven Symptomatik unter besonderer Berücksichtigung der aufrechterhaltenden Bedingungen (z.B. soziales Vermeidungsverhalten, überprotektives Verhalten, insbesondere der Mutter). 2. Biografisches Arbeiten: Thematisierung der seit der Grundschulzeit bestehenden sozialen Ausgrenzung innerhalb der Klasse und der daraus resultierenden Kränkungen resp. Verunsicherungen in Bezug auf die eigene Person (Einsatz von Biografiekarten, Lebenslinie mit positiven vs. negativen Beziehungserfahrungen, Mister X Spiel). Sensibles Herausarbeiten der potentiellen Ursachen für die Zurückweisungen. 3. Förderung von sozialen Aktivitäten, mit dem Ziel der Aktivitätssteigerung und Stimmungsstabilisierung: Einsatz der „Liste angenehmer Aktivitäten“, um verschiedene Freizeitaktivitäten mit Gleichaltrigen in den Alltag zu implementieren. Führen eines „Aktivitäts- & Stimmungs-Tagebuches“ zur Verdeutlichung des Zusammenhangs zwischen angenehmen Aktivitäten und positiver Stimmung. 4. Korrektur negativistischer Kognitionen in Bezug auf sich selbst und die Umwelt. Förderung einer realistischen, positiven Selbstwahrnehmung. Sensibilisierung für typische „Denkfallen“ (Übergeneralisierung, Selbstabwertung, pessimistisches Denken, Schwarz-Weiß-Denken). Relativierung der perfektionistischen Ansprüche an die eigene Person. Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartungen durch Förderung von Erfolgserlebnissen. 216 5. Förderung der Genussfähigkeit durch Genusstraining. Praktizieren verschiedener Achtsamkeitsübungen (Chillen mal anders) zur Verbesserung des Wohlbefindens und der Stimmung. Einüben und selbständiges Anwenden der progressiven Muskelrelaxation. 6. Graduierte in vivo Konfrontation mit angstauslösenden schulischen Situationen. Sukzessiver Aufbau mündlicher Mitarbeit im Unterricht. 7. Soziales Kompetenztraining mit den folgenden Schwerpunkten: selbstsicheres Auftreten im Gleichaltrigenverbund, Kontaktgestaltung zu Peers auf dem Schulhof, die eigene Meinung souverän vertreten, auch wenn andere Gleichaltrige anderer Meinung sind. Abbau des sozialen Vermeidungsverhaltens im Klassenverbund. Eltern-zentrierte Interventionen: 1. Abbau der ängstlichen und überprotektiven Erziehungshaltung der Eltern. 2. Etablieren eines autonomie-fördernden Umgangs mit der Tochter. Behandlungsverlauf Die Behandlung von K. fand, abgesehen von Klausurphasen, in der Regel wöchentlich statt. Sowohl die Mutter als auch der Vater wurden in den therapeutischen Prozess mit einbezogen. Vor dem Hintergrund der massiven Selbstwertstörung und der depressiven Sicht der eigenen Person resp. der Umwelt wurde zunächst an der Fokussierung der Wahrnehmung auf persönliche Ressourcen und positive Eigenschaften gearbeitet. K. konnte zunächst keine positiven Eigenschaften an sich wahrnehmen und zugrundeliegende Ressourcen, wie eine hohe intellektuelle Auffassungsgabe oder viele Freundschaften außerhalb der Schule, nicht erkennen und somit auch nicht nutzen. Durch gezielte Fokussierung auf persönliche Stärken, die Nutzung positiver Beziehungserfahrungen (z.B. neuer Freund, in den sie seit Jahren verliebt ist) und die Korrektur negativ-verzerrter Kognitionen, konnte sukzessive die einseitig defizitorientierte Wahrnehmung der eigenen Person korrigiert werden. Daran anknüpfend wurde an der perfektionistischen Haltung von K. gearbeitet. Ihr wurde verdeutlicht, dass der perfektionistische Anspruch und die Sorge, sich bei einer nicht „perfekten“ Antwort in der Schule zu blamieren, maßgeblich die soziale Phobie aufrechterhalten. Das konnte K. gut nachvollziehen und gab sich im Verlauf der Therapie Mühe, die perfektionistische Grundhaltung zu reduzieren, was ihr in 217 Ansätzen auch gut gelungen ist. Im Sinne einer graduierten Exposition wurde nach und nach die mündliche Mitarbeit im Unterricht gesteigert, zunächst in subjektiv als leicht empfundenen Fächern und später in zunehmend als „schwieriger“ eingeschätzten Fächern, wie Philosophie oder Spanisch. Diese Intervention führte, wie erwartet, zu einer deutlichen Reduktion der sozial phobischen Symptomatik und der Unsicherheit im Klassenverbund. Durch die positive Bewältigung der Ängste konnte sowohl eine Zunahme der Kompetenzerwartung, als auch eine Steigerung der Selbstwirksamkeit erreicht werden, was sich wiederum positiv auf den Selbstwert von K. auswirkte. In der darauffolgenden Therapiephase wurde an der nachhaltigen Stabilisierung der Stimmung gearbeitet. Es wurden gezielt positive Aktivitäten und Kontakte außerhalb des Hauses gefördert. Der neue Freund unterstützte K. während der gesamten Therapie bei dieser Aufgabe und nahm K. zu verschiedenen Partys und Treffen mit Freunden mit. Die Erweiterung der sozialen Kontakte wirkte sich sehr positiv auf die Stimmung von K. aus. Auch in Bezug auf den Selbstwert konnte ein großer Zuwachs erreicht werden. K. fühlte sich weniger „andersartig“ und gut in den neuen Freundeskreis integriert, was zu einer weiteren Reduktion der sozialen Unsicherheit beitrug. Bei bevorstehenden Klausuren erlebte K. immer eine große Nervosität und entwickelte während der Klausurphasen kurzzeitig starke Insuffizienzgefühle. Da K. stets eine sehr gute Schülerin gewesen ist, konnte sie ihre schulischen Erfolge im Verlauf der Therapie besser auf eigene Anstrengung und persönliche Kompetenzen in den jeweiligen Fächern attribuieren und somit ihre Insuffizienzgefühle reduzieren. Mit den Eltern wurde getrennt ein individuelles Störungsmodell der Depression und sozialen Phobie erarbeitet. Da beide Elternteile sich zunächst stark die Schuld für die Symptomatik ihrer Tochter gegeben haben und sehr eine genetische Transmission von Ängsten und Depressionen in den Vordergrund stellten, wurde versucht, ihnen durch die Vermittlung eines multifaktoriellen Erklärungsmodells die Last der Schuldgefühle zu nehmen. Im Rahmen der Psychoedukation wurde ihnen erläutert, dass neben einer genetischen Disposition auch ungünstige Lernmodelle, kritische Lebensereignisse und negative kognitive Verarbeitungsstile zu einer depressiven Störung und sozialen Phobie beitragen. Während es dem Vater in Therapieverlauf gut 218 gelang, seine überprotektive Haltung zu reduzieren, fiel es der Mutter bis zum Abschluss der Therapie merklich schwer, K. mehr Eigenverantwortung zu übertragen und die Autonomiebestrebungen ihrer Tochter zu respektieren und zu fördern. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Stimmung sich im Verlauf der Therapie deutlich stabilisieren ließ. Das selbstverletzende Verhalten zeigte sich bereits wenige Wochen nach Therapiebeginn überhaupt nicht mehr und neue emotionale Krisen konnten nachhaltig abgewendet werden. Hinsichtlich der Selbstwertstörung konnten ebenfalls Erfolge erzielt werden. K. hat im Behandlungsverlauf gelernt, ihre perfektionistischen Ansprüche etwas zu reduzieren und ihrem „inneren Kritiker“ weniger Bedeutung zukommen lassen. Die soziale Phobie ließ sich durch die Exposition in kurzer Zeit minimieren, so dass die Therapie im Zuge der guten Gesamtentwicklung in gegenseitigem Einvernehmen nach Abschluss der Studie beendet wurde. 7.11 Behandlungsfall 11 Spontan berichtete und erfragte Symptomatik Die 15-jährige S. kommt in Begleitung der Mutter zum Erstgespräch. Sie komme auf Anraten der kinder- und jugendpsychiatrischen Ambulanz der Kinder- und Jugendpsychiatrie, wo sie bis dato aufgrund einer depressiven Symptomatik, in Kombination mit einer ausgeprägten Selbstwertstörung, einmal monatlich Beratungsgespräche wahrgenommen habe. Die dort behandelnde Therapeutin sei der Meinung, dass eine wöchentlich stattfindende ambulante Psychotherapie indiziert sei und leitete daher eine Vorstellung in der hiesigen Psychotherapieambulanz ein. S. leide, neben Stimmungs- und Selbstwertproblemen, auch unter sozialen Ängsten. So traue sie sich u.a. nicht, mit fremden Gleichaltrigen Kontakt aufzunehmen. Ihre beste Freundin sei beispielsweise in den Ferien mit einer Jugendgruppe weggefahren, S. habe hingegen, aus Angst vor den fremden Jugendlichen, nicht mitfahren wollen. Auch im Unterricht sage sie gewöhnlich nichts und mache sich insgesamt sich viele Gedanken über das, was andere über sie denken könnten. Bis vor drei Monaten habe sie sich regelmäßig geritzt, weil sie ihren Körper aufgrund ihres Übergewichts hässlich finde. Gemeinsam mit ihrer Mutter suche sie daher aktuell nach einem geeigneten Gewichtsreduktionsprogramm. Die Jugendliche erhoffe sich von einer Therapie mehr 219 Selbstsicherheit und eine Verbesserung der Stimmung. Auch hoffe sie, durch die Therapie abnehmen zu können und zufriedener mit sich selbst zu werden. Lebensgeschichtliche Entwicklung und Krankheitsanamnese S. sei das zweite Kind der seit 2006 getrennt lebenden Eltern. Die 50-jährige Mutter sei als Volljuristin tätig, der 52-jährige Vater arbeite als Diplom-Kaufmann in Vollzeit. Der 17-jährige Bruder lebe mit S. bei der Mutter und gehe noch zur Schule. S. sei ein Wunschkind gewesen. Die Schwangerschaft und Geburt seien unauffällig verlaufen, ebenso die frühkindliche Entwicklung. S. habe bereits früh gesprochen und habe mit ca. 12 Monaten angefangen zu laufen. S. sei mit drei Jahren in den Kindergarten gekommen und habe sich hier sehr gut integriert. Es habe keine Anzeichen von Trennungsängstlichkeit gegeben. Vielmehr sei S. ein sehr lebensfrohes und sozial eingestelltes Mädchen gewesen. Im Alter von fünf Jahren sei S. eingeschult worden. Ihre schulischen Leistungen seien gut gewesen und sie sei gut in den Klassenverband integriert gewesen. 2006 erfolgte die Trennung der Eltern, nachdem die Mutter erfahren habe, dass der Vater bereits seit neun Monaten eine Beziehung mit einer anderen Frau habe. S. sei anfangs sehr traurig über die Trennung gewesen. Ihre Noten haben sich in diesem Zeitraum massiv verschlechtert, so dass sie Nachhilfe erhalten habe. Der Übergang auf die weiterführende Schule (Gymnasium) sei unproblematisch verlaufen. In der 5. und 6. Klasse sei sie unbeschwert und gut integriert gewesen. Auch habe sie gute Schulleistungen gezeigt. 2012 habe der Vater erneut geheiratet, gleichzeitig habe er sich gewünscht, dass S. die Schule wechseln und mit dem neuen Stiefkind auf eine Schule gehen solle. Nach Ablehnung dieses Wunsches durch die Mutter habe sich die Beziehung zwischen den Kindern und dem Vater massiv verschlechtert. Wie S. berichtet, sei es regelmäßig zu massiven Abwertungen der Kinder seitens des Vaters gekommen. Der Vater habe sich beispielsweise bezüglich des Aussehens und Gewichts wiederkehrend abfällig über S. und ihren Bruder geäußert (z.B. "Ich schäme mich mit euch schwimmen zu gehen, weil ihr so dick seid"). S. sei oftmals traurig über das invalidierende Verhalten des Vaters gewesen, habe auch regelmäßig beim Vater geweint, der dies laut Angaben von S. ignoriert habe. S. berichtet in diesem Kontext von weiteren sehr kränkenden Erlebnissen, die sie bis heute nicht verarbeitet habe. So sei für S. „eine Welt zusammengebrochen“ nachdem der Vater an Weihnachten 2012 nur den Bruder von S. abgeholt habe und sie über die Feiertage bei der Mutter gelassen habe. S. wisse 220 bis heute nicht, warum ihr der Vater das angetan habe. S. berichtet, dass sie ab diesem Zeitpunkt wiederkehrend Stimmungseinbrüche, soziale Rückzugstendenzen und vermehrtes Essen bei trauriger Stimmung zeige. Im weiteren Entwicklungsverlauf habe S. Ängste gegenüber Gleichaltrigen entwickelt und habe angefangen, sich gelegentlich an den Armen und Beinen selbst zu verletzen. In der 8. Klasse zeichnete sich erstmals ein Leistungsabfall ab, so dass die 8. Klasse wiederholt werden musste. Im Frühjahr 2013 brach S. den Kontakt zum Vater vollständig ab. Seitdem habe sich die Stimmung etwas gebessert, die soziale Unsicherheit bestehe jedoch auch weiterhin unverändert. Auch die Selbstwertproblematik, infolge des Übergewichts, verbunden mit einer massiven Ablehnung des eigenen Körpers, bestehen nach wie vor. Psychischer Befund zum Zeitpunkt der Antragstellung Die Jugendliche wirkt anfänglich im Kontakt vorsichtig und unsicher. Sie ist emotional schwingungsfähig. Auf Nachfrage kann sie ansatzweise über ihre Probleme sprechen. Es werden leistungsängstliche Tendenzen berichtet, bei guter kognitiver Leistungsfähigkeit. Wiederkehrende traurige Stimmung, mangelndes Selbstvertrauen, Hoffnungslosigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten. Deutliches Übergewicht (BMI = 27, 95. Perzentile) mit Hinweisen auf binge eating, kein Anhalt für eine Bulimie. Sozialer Rückzug in Verbindung mit sozialen Ängsten vor Gleichaltrigen, Angst vor Leistungssituationen und Bewertungen. Gelegentliche Grübeltendenzen. Sie zeigt kein oppositionell-dissoziales Verhalten, keine Entwicklungsstörungen, keine Ablenkbarkeit, keine Impulsivität, keine Tics oder Zwänge. Auch kein Anhalt für Wahn oder Halluzinationen. Gelegentlicher Alkoholkonsum, kein Drogenabusus. Zeitweise selbstverletzendes Verhalten. Keine akute Eigen- oder Fremdgefährdung. Diagnostische Befunde: Im YSR ergibt sich ein grenzwertig auffälliger Wert in der internalisierenden Skala (T=63) sowie der Gesamtskala (T=60). Im SBB-DES des DISYPS-II ergibt sich ein Wert im Grenzbereich unauffällig / auffällig (SN 7). Im DIKJ zeigen sich Hinweise auf diskrete depressive Tendenzen (T=63). In der CBCL leicht erhöhte Werte auf der internalisierenden Gesamtskala (T=63). Im FBB-DES (Urteil der Mutter) zeigt sich ein Gesamtergebnis im Grenzbereich unauffällig / auffällig (SN 7). In der RSES wurde ein unterdurchschnittlicher T-Wert von 36 ermittelt, der auf einen gering ausgeprägten 221 Selbstwert hindeutet. Im PHOKI Hinweise auf soziale Ängste (SN 8). Im SPAIK ergeben sich ebenfalls Hinweise auf eine soziale Phobie (T-Wertband = 64 - 67). Der extern erhobene HAWIK-IV zeigte ein Ergebnis im oberen durchschnittlichen Bereich (IQ = 110). Somatischer Befund – ärztlicher Kosiliarbericht Es besteht eine Indikation für eine psychotherapeutische Behandlung. Bedingungs- und Verhaltensanalyse Verhaltensanalyse Bei der Patientin liegt eine depressive Episode in Kombination mit einer sozialen Phobie vor, mit Ängsten vor fremden Gleichaltrigen und in schulischen Bewertungssituationen (z.B. Referat). S. zeigt in solchen Situationen gesteigerte Angst, mir Erröten, Zittern und Herzrasen. Zudem bestehen eine massive Abwertung des eigenen Körpers, ein sehr gering ausgeprägter Selbstwert und eine wiederkehrende traurige Stimmung. Auf somatischer Ebene liegt Übergewicht vor, was einen begünstigenden Faktor für die Angst vor Bewertungssituationen sowie die Selbstwertproblematik darstellt. S. erfuhr nach der Trennung der Eltern eine konstante Abwertung durch den Vater bezüglich ihres Aussehens (z.B. "Ich schäme mich für dich, weil du so dick bist") und betreffend ihrer Leistungen (z.B. "Du musst besser in der Schule werden, deine Noten reichen nicht aus"). Durch wiederholte Demütigungen und unangemessene Bestrafungen fing S. an, sich vermehrt Gedanken um ihr Äußeres zu machen. In der Folge fühlte S. sich zunehmend ungeliebt und fing an sich selbst als Person abzulehnen. Zunächst strebte S. weiterhin nach Anerkennung des Vaters. S. realisierte jedoch im weiteren Entwicklungsverlauf die überzogenen Ansichten des Vaters und wurde immer unzufriedener mit sich, was die traurige Stimmungslage begünstigte und sogar noch verstärkte. Der Mangel an Konfliktlösekompetenzen führte, in Verbindung mit der Scham vor dem eigenen Körper, zu vermehrter sozialer Isolation und zu einer Zunahme der Selbstabwertungstendenzen. Es ist davon auszugehen, dass das invalidierende Verhalten des Vaters Aufrechterhaltung der und die depressiven massiven Störung beigetragen haben. 222 Selbstzweifel und der maßgeblich zur Selbstwertproblematik Mikroanalyse: Situation: S. steht an der Bushaltestelle, Mitschüler schauen sie an Organismusvariablen: Übergewicht, Selbstzweifel R kognitiv: „Die denken bestimmt, schaut euch mal die Dicke an“ R emotional: Scham, Wut, Verzweiflung R physiologisch: Anspannung, Nervosität, erhöhter Herzschlag R motorisch: Versteckt sich hinter ihrem Bruder Konsequenzen: C+ Fühlt sich beschützt und verstanden durch den Bruder. C- Manifestation der Selbstzweifel und sozialen Ängste. Zunahme der depressiven Stimmung und der Rückzugstendenzen. C+ Korrektive Erfahrungen bleiben aufgrund der Vermeidung sozialer Kontakte zu Gleichaltrigen aus. Freundschaften können dadurch nicht geknüpft werden. C- Scham und Anspannung lassen nach. MAS-Diagnosen nach ICD-10 Achse I: Leichte depressive Episode (F32.0) (G) Soziale Phobie (F40.1) (G) Achse II: Keine Achse III: Durchschnittliche Intelligenz Achse IV: keine Achse V: Trennung der Eltern Verlust einer liebevollen Beziehung Achse VI: Mäßige soziale Beeinträchtigung (3) Therapieziele und Prognose In Absprache mit der Jugendlichen wurden folgende Therapieziele festgelegt: 1. Abbau von sozialen Ängsten 2. Aufbau von sozialen Fertigkeiten und verbesserte Integration in den Gleichaltrigenverbund 3. Verarbeitung der negativen Erlebnisse mit dem Vater 223 4. Entwicklung eines positiven Selbstbildes, Förderung des Selbstwertgefühls und der eigenen Kompetenzwahrnehmung 5. Stärkung der Konfliktfähigkeit und der Problemlösefertigkeiten Die Patientin zeigt sich bereits in den probatorischen Sitzungen motiviert und kommt zuverlässig zu den vereinbarten Terminen. Sie hat einen hohen Leidensdruck und es gelingt ihr, ihre Probleme relativ offen anzusprechen. Es konnte ein angemessenes Problembewusstsein entwickelt werden, eine adäquate Krankheitseinsicht und eine ausgeprägte Änderungsbereitschaft sind vorhanden. Die Symptomatik ist nicht in starkem Maße ausgeprägt und auch nicht chronifiziert. Insgesamt kann vor dem Hintergrund dieser Voraussetzungen von einer günstigen Prognose ausgegangen werden. Die therapeutischen Methoden sind evidenzbasiert. Es wird von einem positiven Behandlungsverlauf ausgegangen. Therapieplan Patientenzentrierte Interventionen 1. Herausarbeitung individueller Stärken und zugrundeliegender persönlicher Ressourcen (z.B. "Powerbaum"). 2. Installation eines Wochenplans. Implementierung regelmäßiger positiver Aktivitäten zur Aktivitätssteigerung und Förderung von positivem Affekt (z.B. mit Freunden treffen, Spazieren gehen). 3. Erstellen eines Positiv-Tagebuchs zur Fokussierung auf positive Erlebnisse und eigene Stärken und Ressourcen. 4. Korrektur dysfunktionaler Denkmuster (z.B. „Mein Körper ist hässlich“, „Ich bin nichts wert“). Identifizierung und Korrektur negativ-verzerrter Grundannahmen und Denkfallen (z.B. „Nur wer dünn ist, ist erfolgreich und wird geliebt“) mit Hilfe des sokratischen Dialoges. 5. Graduierte Exposition in Bezug auf angstbesetzte soziale Situationen (z.B. Mitarbeit im Unterricht, Referat vor der Klasse, unbekannte Jugendliche ansprechen). 6. Einüben von Selbstbelohnungsstrategien und Förderung des Selbstwirksamkeitserlebens. 7. Training sozialer Fertigkeiten. Lernen, persönliche Grenzen gegenüber Verwandten und Freunden zu vertreten ("Nein sagen", die eigene Meinung 224 angemessen vertreten). Festigung der Kompetenzen in Form von Rollenspielen, die sich an realen Situationen orientieren. Einsatz von Video-Feedback. 8. Biografiearbeit: Begleitung beim Betrauern der nicht mehr vorhandenen liebevollen Beziehung zum Vater. Bearbeitung der Kränkungen durch den Vater. Entwicklung günstiger Glaubenssätze anstelle von Selbstabwertungen (z.B. „Ich bin nicht schuld am Kontaktabbruch zu meinem Vater“). 9. Stimmungsstabilisierung: Achtsamkeitsübungen im Alltag, mit dem Fokus auf gegenwärtiges multisensorisches Erleben. Praktizieren von Distanzierungstechniken. Elternzentrierte Interventionen: 1. Psychoedukation der Mutter über Entwicklungsziele im Jugendalter und angemessene Erziehung ohne elterliche Überfürsorge (z.B. Verantwortung für Terminplanungen auf S. übertragen). 2. Anleitung der Mutter zur Förderung des positiven Selbstwertgefühls von S. (regelmäßiges Loben, Durchführen schöner gemeinsamer Aktivitäten). Behandlungsverlauf Die Behandlung fand, abgesehen von Ferienzeiten, in einer Frequenz von einmal pro Woche statt. Die Mutter wurde bei Bedarf in den therapeutischen Prozess involviert. Die ersten Stunden dienten, neben der Etablierung einer vertrauensvollen therapeutischen Allianz, primär der Exploration der einzelnen Problembereiche und Belastungen der Jugendlichen und des familiären Umfeldes sowie dem Herausarbeiten der persönlichen Ressourcen von S. Bereits in der probatorischen Phase wurde der Fokus auf Stärken, Hobbies und als positiv erlebte Interaktionen gelegt, um die Wahrnehmung der Jugendlichen auf positive Bereiche zu lenken. Es folgte eine Problemanalyse für die zuvor definierten relevanten Hauptprobleme. In diesem Kontext wurden auch die Vor- und Nachteile des Problemverhaltens resp. einer möglichen Verhaltensänderung thematisiert. Gemeinsam mit S. und der Mutter wurde ein individuelles Störungsmodell der Depression und der sozialen Phobie entwickelt, wobei insbesondere dysfunktionale Gedanken, das deutliche Übergewicht sowie die Demütigungen des Vaters zentrale Faktoren des Erklärungsmodells darstellten. Es wurde herausgearbeitet, dass die negative Sicht der eigenen Person, in Verbindung mit dem invalidierenden Verhalten des Vaters, zur Entwicklung einer 225 Selbstwertstörung beigetragen haben, die in ungünstiger Weise durch das Übergewicht mit aufrechterhalten wird. In den folgenden Therapiestunden wurden ungünstige Kognitionen, die zur Aufrechterhaltung der Symptomatik von S. beitragen, herausgearbeitet und es folgte eine Korrektur dysfunktionaler Kognitionen. Zuerst wurde S., im Rahmen der Psychoedukation, der Zusammenhang zwischen Gedanken, Gefühl und Verhalten erläutert und mit Hilfe von konkreten Beispielen verdeutlicht. S. erhielt die Therapiehausaufgabe, zu Hause täglich ein Gedankenprotokoll zu führen und typische ungünstige, negativ-verzerrte Gedanken, damit assoziierte Gefühle und das daraus resultierende (Problem-)Verhalten zu dokumentieren. Hierbei wurde schnell deutlich, dass die belastenden Themen von S. in engem Zusammenhang mit ihrem Gewicht und dem daraus resultierendem Gefühl der Scham bezüglich des eigenen Aussehens standen. Es wurde des Weiteren herausgearbeitet, dass S. ihr Übergewicht mit sehr negativen Konnotationen, wie beispielsweise „Dicke sind ungepflegt, faul und unsympathisch“ belegte und sich dadurch zusätzlich massiv abwertete. Die Sensibilisierung für die sehr einseitigen, ungünstigen Bewertungsmuster erfolgte mit Hilfe des Sokratischen Dialoges. Typische Denkfallen, wie „Schwarz-Weiß-Denken“ oder „Generalisierung“ wurden besprochen und alternative, möglichst positive und realistische Gedanken wurden erarbeitet. S. berichtete in den folgenden Stunden, dass die alternativen Gedanken sie sehr entlasten und sich positiv auf ihre Stimmung auswirken würden. Am besten habe ihr bei der Generierung hilfreicher Kognitionen der Gedanke „Was soll denn schon passieren, wenn ich angeschaut werde?“ geholfen. Mit Hilfe dieses Gedankens sei es ihr zunehmend besser gelungen, auf dem Schulweg Mitschüler zu grüßen, mit denen sie noch nie gesprochen habe. Weitere Situationen, in denen S. sich schämte bzw. in denen sie sich sozial ängstlich zeigte, wurden dezidiert besprochen und es wurden positive, funktionale Kognitionen für jede Situation erarbeitet. Insbesondere fiel S. in dieser Therapiephase schwer, Referate in der Schule zu halten und mit Mitschülern bei Gruppenarbeiten zu reden. Die soziale Ängstlichkeit und Unsicherheit wurde daher, parallel zur kognitiven Umstrukturierung, durch graduierte Expositionsübungen therapeutisch bearbeitet. Im Rahmen der Biografiearbeit wurde mit S. vertiefend thematisiert, woher die negativen Gedanken bezüglich ihres Aussehens kommen. Alte Konflikte mit dem Vater wurden nochmals aufgegriffen, wobei deutlich wurde, dass S. die zugrundeliegende 226 Trauer bereits gut verarbeitet hatte. In diesem Kontext wurden Bedürfnisse und Wünsche, die sich an den Vater richteten, erfragt. Es wurde auch thematisiert, dass weitere Kontakte mit dem Vater zum gegenwärtigen Zeitpunkt vermutlich nicht zufriedenstellend verlaufen würden. S. wünschte sich daher, gemeinsam einen Brief an den Vater zu formulieren. Die persönliche Bilanzierung mit dem Vater hat zu einer weiteren Stabilisierung des Selbstwerts von S. beigetragen. Mit der Mutter wurde besprochen, wie sie ihre Tochter bei der Entwicklung positiver Gedanken unterstützen könne und in welchen Lebensbereichen sie S. noch weiter stärken müsse. Die Mutter wurde des Weiteren dafür sensibilisiert, dass S. sehr von regelmäßigen positiven Rückmeldungen und vom mütterlichen Lob profitiere. Als Therapiehausaufgabe wurde die Mutter daher ergänzend gebeten, ihre Tochter regelmäßig zu loben und soziale Kontakte zu Gleichaltrigen zu fördern. Im weiteren Therapieverlauf wurde mit S. an der Förderung der sozialen Kompetenzen gearbeitet. Zunächst wurde herausgearbeitet, woran man selbstsicheres Verhalten erkenne und welche Verhaltensweisen S. zeige, die auf Selbstsicherheit schließen lassen. In den nächsten Stunden wurde mit Hilfe von Rollenspielen trainiert, wie sie beispielsweise Mitschüler aus ihren Kursen kennen lernen könnte. S. konnte sich gut auf die Rollenspiele einlassen und die neu erworbenen Kompetenzen mit der Zeit angemessen im realen Schulalltag umsetzten. S. profitierte auch sehr von den Übungen zur Körpersprache und versuchte, z.B. bei Referaten, eine selbstsichere Körperhaltung einzunehmen. S. hielt im weiteren Verlauf komplett unvorbereitete Vorträge, erzählte Kurzgeschichten nach und berichtete - als weitere Expositionsübung - im Rahmen eines kleinen Vortrags etwas Persönliches von sich. Nach einem Vortrag in der Schule, der aus ihrer Sicht ein voller Erfolg gewesen sei, haben die Lehrerin und Mitschüler sie sehr für ihr Auftreten gelobt, was zu einem weiteren Zuwachs ihrer Selbstsicherheit bzw. ihres Selbstvertrauens beigetragen hat. S. entwickelte die Interventionen des Selbstsicherheitstrainings selbständig weiter, sprach immer häufiger mit Leuten, zu denen sie vorher noch keinen Kontakt hatte, traf sich mit Freunden und artikulierte den Wunsch, sich in einem Fitnessstudio anzumelden. Dort vereinbarte sie mit einer Freundin ein Probetraining und plante eine verbindliche Anmeldung. Die letzte Therapiephase wurde zur weiteren sozialen Aktivierung und Förderung positiver Erlebnisse genutzt. Es wurde der Einfluss von angenehmen Aktivitäten und 227 dem Praktizieren von Achtsamkeit auf die Stimmung besprochen. In diesem Zusammenhang wurde das „Chill-Tagebuch“ zur Dokumentation von Achtsamkeitsübungen eingeführt, welches S. regelmäßig als Therapiehausaufgabe führte. Zur Vertiefung wurden auch in der Therapiestunde Achtsamkeitsübungen (Riechen, Umgebung achtsam beobachten, Genussübungen…etc.) erprobt und verschiedene Entspannungsübung praktiziert, die S. zu Hause trainierte. Als großer Therapieerfolg ist zu werten, dass S. sich vermehrt am Wochenende mit Freunden traf und unter anderem auch ihren Geburtstag, nach vielen Jahren, wieder mit anderen Jugendlichen feierte. Zusammenfassend zeigten sich sowohl S. als auch ihre Mutter sehr zufrieden mit dem Behandlungsverlauf. Zur Stabilisierung der Behandlungseffekte wurden während der Follow-up Phase einmal monatlich Termine angeboten, d.h. insgesamt drei Therapiestunden zusätzlich, um die erzielten Therapiefortschritte weiter zu stabilisieren. Da es zu keinen Rückfällen während der Follow-up Phase gekommen ist, wurde die Therapie, nach Abschluss des Studienprojekts, im gegenseitigen Einvernehmen beendet. 7.12 Behandlungsfall 12 Angaben zur spontan berichteten und erfragten Symptomatik Die 15-jährige Jugendliche erscheint in Begleitung der Mutter zum Erstgespräch. Sie sei sehr schüchtern, traue sich oft im Unterricht nichts zu sagen, weil sie Angst habe sich zu blamieren. Besondere Sorge bereite ihr, dass andere sie auslachen könnten. Sie traue sich auch nicht zu telefonieren, da sie nicht wisse, was sie genau sagen solle. Auch pflege sie nur wenige Kontakte zu Gleichaltrigen. Oft traue sie sich auch nicht in den Pausen auf dem Schulhof etwas zu erzählen und stehe in der Regel stumm daneben, während ihre Mitschüler sich unterhalten. Wenn sie dann doch allen Mut zusammennehme, um etwas zu sagen, erröte sie, fange an zu zittern, habe verschwitzte Hände und ihr Puls beschleunige sich. Oftmals vermeide sie deshalb im Unterricht überhaupt etwas zu sagen. Ebenso gehe sie Konflikten aus dem Weg. Des Weiteren berichtet A., dass sie immer wieder unter trauriger Stimmung leide, besonders wenn sie alleine zu Hause sei. Dann fange sie oftmals an zu weinen und könne sich zu nichts mehr motivieren. A. schlafe zudem sehr schlecht ein, grüble abends sehr häufig stundenlag. Dabei gehe ihr immer wieder durch den Kopf, was sie in verschiedenen sozialen Situationen gesagt habe und wie ungeschickt sie sich dabei 228 verhalten habe. Am nächsten Tag sei sie dann meist sehr müde und habe wenig Motivation nach der Schule noch etwas zu unternehmen. Es würden vereinzelt vage suizidale Gedanken auftreten, von suizidalen Absichten kann sich A. jedoch glaubhaft distanzieren. Lebensgeschichtliche Entwicklung und Krankheitsanamnese A. sei das erste Kind des 44-jährigen Vaters, der in den Niederlanden lebe und dort als Psychiater tätig sei, und der 43-jährigen Mutter, die aktuell Psychologie studiere. Die Eltern haben sich während des Studiums kennengelernt und 1998 geheiratet. A. sei ein ausdrückliches Wunschkind gewesen. Die Schwangerschaft und Geburt seien unauffällig verlaufen. Die Meilensteine der frühkindlichen Entwicklung seien altersgerecht erreicht worden. Sie habe allerdings erst spät mit dem Sprechen angefangen. 2002 sei sie in die KITA gekommen. Damals sei sie ein fröhliches, lustiges und "sonniges" Kind gewesen und habe sich gerne dargestellt. 2004 erfolgte unvorhergesehen die Trennung der Eltern, da der Vater sich in eine andere Frau verliebt habe. Der Vater lebe bis dato mit seiner neuen Lebensgefährtin zusammen. Aus dieser Beziehungen seien zwei Halbgeschwister (ein und drei Jahre alt) entstanden. Die Mutter sei nach der abrupten Trennung in eine Krise gestürzt und habe sich psychotherapeutisch behandeln lassen. A. habe die Verzweiflung der Mutter und die Streitgespräche der Eltern oftmals miterlebt. Im Kindergarten wurde nach der Trennung zurückgemeldet, dass A. neuerdings traurig sei und sich vermehrt zurückziehe. 2005 sei die Einschulung erfolgt. A. habe in der Grundschulzeit Leistungsprobleme gezeigt, insbesondere die Rechtschreibung sei ihr schwer gefallen. Sie habe viele Flüchtigkeitsfehler gemacht und habe im Unterricht oft geträumt. In einer kinder- und jugendpsychiatrischen Praxis sei die Diagnose ADS gestellt worden. Die Mutter habe die Diagnose zu diesem Zeitpunkt abgelehnt, woraufhin die Behandlung abgebrochen worden sei. Obwohl A. stets viel üben habe müssen, sei sie 2009 auf ein Gymnasium gekommen. Dort habe sie viele Konflikte mit Mitschülern gehabt, über die sie traurig gewesen sei. Damals habe A. erstmals Ängste vor Gleichaltrigen entwickelt und vermehrt Sorge gehabt, dass "andere sie nicht mehr mögen." Die Mutter habe daraufhin 2010 entschieden, ihre Tochter auf ein anderes Gymnasium umzuschulen. Dort habe sie sich gut entwickelt und sei sogar zur 229 Klassensprecherin gewählt worden. Mit Beginn der Pubertät sei A. verschlossener und trauriger geworden und habe sich mündlich in der Schule noch weniger beteiligt als zuvor. Sie sei in diesem Zeitraum (2013) auch immer schüchterner gegenüber Gleichaltrigen geworden und habe sich nach und nach zurückgezogen. Bei Klassenarbeiten sei es ihr weiterhin schwer gefallen, sich zu konzentrieren, woraufhin 2014 erneut Kontakt zur psychiatrischen Praxis aufgenommen worden ist. Daraufhin sei eine Behandlung mit Medikinet ret. 30 mg eingeleitet worden. Seitdem zeige A. eine deutlich bessere Konzentration bei Leistungsanforderung. Ihr falle auch das Lernen leichter und sie könne besser dem Unterricht folgen. A. habe zwar einen Freundeskreis im weiteren Sinne, pflege aber keine engen freundschaftlichen Beziehungen zu Gleichaltrigen. An Ressourcen benennt A., dass die einmal wöchentlich tanzen gehe und Klavierunterricht nehme. Ansonsten verbringe sie viel Zeit zu Hause, zeichne, höre Musik und spiele Klavier. Gelegentlich treffe sie sich auch mit Freunden. Psychischer Befund zum Zeitpunkt der Antragstellung A. wirkt zunächst zurückhaltend im Kontakt, zeigt sich aber zugänglich und ist dabei emotional schwingungsfähig. Deutliche Angst vor negativen Bewertungen, im Rahmen einer sozial phobischen Symptomatik mit sozialen Rückzugstendenzen. Trauriger Affekt mit mangelndem Selbstvertrauen, ausgeprägten Grübeleien und Selbstkritik. Einschlafschwierigkeiten, in Verbindung mit Müdigkeit tagsüber und verminderter Konzentrationsfähigkeit in der Schule. Vereinzelte vage suizidale Gedanken, keine Selbstverletzungen und Vordiagnostiziertes ADS auch ohne keine Suizidversuche Hyperaktivität. Kein in der Vorgeschichte. aggressiv-oppositionelles Verhalten. Kein Anhalt für Tics, Zwänge oder gestörtes Essverhalten. Sporadisch Alkoholkonsum, kein Drogenabusus. Keine akute Eigen- oder Fremdgefährdung. Diagnostische Befunde: Im YSR ergaben sich Hinweise auf sozialen Rückzug (T=67) und eine ängstlichdepressive Symptomatik (T=67). In der CBCL ergeben sich auffällige Werte in den Bereichen sozialer Rückzug (T=75), körperliche Beschwerden (T=77), ängstlichdepressive Symptomatik (T=75) und Aufmerksamkeitsprobleme (T=79). Im SBB-DES des DISYPS-II ergibt sich ein Wert im auffälligen Bereich (SN 8), im DIKJ zeigen sich 230 ebenfalls Anzeichen einer depressive Stimmungen (T=68). Auch im FBB-DES (Fremdurteil der Mutter) zeigen sich deutliche Hinweise auf das Vorliegen einer depressiven Symptomatik (SN 9). In der RSES wurde ein weit unterdurchschnittlicher T-Wert von 16 ermittelt, der auf eine massive Selbstwertstörung hindeutet. Die Befunde decken sich insgesamt mit dem klinischen Urteil und weisen zusammengefasst auf eine depressive Störung, in Verbindung mit einer sozialen Phobie, hin. Somatischer Befund – ärztlicher Konsiliarbericht Eine Indikation für eine psychotherapeutische Behandlung liegt vor. Die Fortsetzung der niederschwellligen kinder- und jugendpsychiatrischen Begleitbehandlung incl. Medikationsmonitoring wurde empfohlen. Bedingungs- und Verhaltensanalyse Verhaltensanalyse Bei A. liegen neben einer Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität, die medikamentös mit Medikinet ret. 30 mg behandelt wird, eine soziale Phobie sowie eine depressive Symptomatik - mit einer deutlichen Selbstwertproblematik - vor. So fällt es ihr beispielsweise schwer unbekannte Jugendliche anzusprechen und sich im Unterricht zu melden. A. zeigt u. a. eine traurige Stimmung, Grübeltendenzen, Einschlafschwierigkeiten, verminderte Energie und Lustlosigkeit. Für das schüchterne und ängstliche Verhalten scheint eine familiäre Disposition zu bestehen, da neben A. sowohl der Vater als auch die Mutter eher introvertiert sind und Schwierigkeiten haben offen auf andere zuzugehen. Die Mutter berichtet, dass sie die ängstlich-depressive Symptomatik aus ihrer eigenen Jugend kenne. A. konnte demnach in der Familie nur sehr bedingt anhand von adäquaten Modellen selbstbewusstes Auftreten und ein angemessenes Vertreten der eigenen Bedürfnisse erlernen. A. zeigte sich zudem sehr durch kritische Lebensereignisse in ihrer Kindheit verunsichert, wie beispielsweise die Trennung der Eltern oder den Umzug des Vaters in die Niederlande. A. lernte im Entwicklungsverlauf nur unzureichend Konflikte adäquat anzusprechen und aktiv zu lösen. Vor allem in Bezug auf Probleme im Gleichaltrigenverband reagiert A. deshalb verunsichert, kann ihre eigenen Interessen nicht vertreten und versucht folglich solche Situationen zu vermeiden. 231 Die früh einsetzende Aufmerksamkeitsproblematik sowie die damit einhergehenden Misserfolgserlebnisse in der Schule, haben A.´s Selbstwert nachhaltig vermindert. Aufgrund fehlender aktiver Problemlösestrategien, reagiert A. bei Kritik und Konfrontationen ausschließlich mit Rückzug. Ihr gelingt es hierbei nicht, sich mit den Problemen auseinander zu setzen und Situationen in die gewünschte Richtung zu verändern. Durch die Verminderung sozialer Aktivitäten, konnten bis dato keine korrektiven Erfahrungen mit Jugendlichen gemacht werden. In der Folge nahmen die Selbstzweifel und die soziale Unsicherheit zu und führten zu einer nachhaltigen Verschlechterung der Stimmung bzw. zur Manifestation einer Selbstwertstörung. Gleichzeitig zeigt A. hohe perfektionistische Ansprüche an sich selbst, die sie im sozialen und schulischen Bereich bis dato nicht erfüllen kann. Diese überhöhten Ansprüche stabilisieren zusätzlich die Stimmungs- und Selbstwertproblematik. Mikroanalyse: Situation: A. geht mit einer Freundin spazieren. Sie treffen eine Klassenkameradin der Freundin. Organismus- niedriger Selbstwert, negative Denkmuster, variablen: Perfektionismus, Unsicherheit R kognitiv: „Mist, ich sage schon wieder nichts.“ „Ich blamiere mich.“ Mir fällt nichts ein, was ich erzählen könnte.“ R emotional: traurig, niedergeschlagen, enttäuscht, ängstlich R physiologisch: körperliche Anspannung, Nervosität, verschwitzte Hände R motorisch: Sagt gar nichts und geht einfach nur mit Konsequenzen: C+ Fühlt sich aufgrund der Vermeidung kurzfristig sicher C- soziale Unsicherheit und negatives Selbstbild manifestieren sich, langfristig Gefahr der sozialen Desintegration. C+ Findet keine Beachtung im Freundeskreis. Kann keine sozialen Kompetenzen trainieren. Entwicklung neuer Freundschaften durch Vermeidungsverhalten kaum möglich. C- Anspannung lässt nach. Verhindert durch ihr Schweigen, von anderen negativ bewertet zu werden. 232 MAS-Diagnosen nach ICD-10 Achse I: Leichte depressive Episode (F 32.0) (G) Soziale Phobie (F40.1) (G) Sonstige hyperkinetische Störung (F90.8) (G) Achse II: Keine Achse III: Durchschnittliche Intelligenz Achse IV: Keine Achse V: abweichende Elternsituation Achse VI: Mäßige soziale Beeinträchtigung (3) Therapieziele und Prognose In Absprache mit der Patientin und der Mutter wurden folgende Therapieziele festgelegt: 1. Verminderung von Gedankenkreisen und Grübeln 2. Aufbau von funktionalem Schlafverhalten 3. Entwicklung von Affektregulationsstrategien und Stabilisierung der Stimmungsschwankungen 4. Unterstützung bei der sozialer Aktivierung und sozialen Integration 5. Reduktion der Bewertungsängste 6. Förderung eines positiven Selbstbildes und der eigenen Kompetenzwahrnehmung 7. Stärkung der Konfliktfähigkeiten und Selbstsicherheit Die Patientin wünscht sich keine weitere Behandlung der ADS, da sie keine Lernorganisationsschwierigkeiten mehr habe und sich die Konzentration unter Medikation deutlich verbessert habe. Die Patientin zeigt sich bereits in den probatorischen Sitzungen motiviert und nimmt die Termine zuverlässig wahr. Sie hat eine ausreichend hohe Therapiemotivation und möchte, dass sich an ihren sozialen Schwierigkeiten sowie ihrer schlechten Stimmung etwas verändert. Die Mutter unterstützt A. angemessen und ist ebenfalls motiviert, etwas zu verändern. Insgesamt kann vor dem Hintergrund der noch nicht auf alle Lebensbereiche generalisierten Störung von einer günstigen Prognose ausgegangen werden. Die ausgewählten 233 Behandlungsmethoden sind evidenzbasiert. Der Therapieverlauf wird als hinreichend erfolgreich prognostiziert. Therapieplan Jugendlichenzentrierte Interventionen: 1. Erprobung verschiedener Techniken zur Verbesserung der Schlafhygiene. Einführen eines Schlafprotokolls und Selbstbelohnung bei vermindertem Grübeln. 2. Einüben und regelmäßiges Praktizieren eines Entspannungsverfahrens (z. B. Progressive Muskelrelaxation, Autogenes Training). 3. Erstellen einer Angsthierarchie von Situationen, die zu sozialer Unsicherheit führen. Graduierte Expositionsübungen, wie z.B. fremde Jugendliche ansprechen, sich in ein Gruppengespräch einbringen… (Übungen in Form von Rollenspielen und realen sozialen Situationen). 4. Einführen eines Stimmungstagebuchs, um A. den Zusammenhang zwischen negativen Gedanken und schlechter Stimmung zu verdeutlichen und Ursachen für die Stimmungstiefs herauszuarbeiten. 5. Korrektur dysfunktionaler Denkmuster (z.B. „Ich muss perfekt sein“, „Ich blamiere mich gleich wieder“). Überprüfung selbstabwertender Kognitionen und Ersetzen durch funktionale, selbstwertstärkende Gedanken (z.B. „Ich bin eine talentierte Klavierspielerin“). Einüben von positiven Selbstverbalisationen (z.B. „Ich bin mit mir zufrieden“, „Ich mag mich"). 6. Erlernen von Techniken, die das Grübeln unterbrechen (z.B. Gedankenstopp). 7. Ressourcenaktivierung: Herausarbeitung individueller Stärken (Fußball spielen, singen, tanzen) und Ressourcen. Fokussierung auf positive Aktivitäten. 8. Erlernen von funktionalen sozialen Kompetenzen und Kommunikationsstrategien, um Konflikte im Gleichaltrigenbereich besser zu bewältigen. Erprobung und Festigung der neu erworbenen Kompetenzen im Rollenspiel und in typischen Alltagssituationen. Elternzentrierte Interventionen: 1. Unterstützung bei der Verselbständigung und Förderung der Autonomie von A. 2. Stärkung der Erziehungskompetenzen im Umgang mit der rückzügigen Tochter. 234 Behandlungsverlauf Die Therapie der Jugendlichen fand unter Einbezug der Mutter statt. Der Vater konnte aufgrund der Entfernung nicht in die Therapie mit einbezogen werden. A. nahm die Termine zuverlässig wahr und stand einer therapeutischen Behandlung ihrer Stimmungs- und Selbstwertstörung durchweg positiv gegenüber. Besonders wichtig war A. und ihrer Mutter die Bearbeitung der sozialen Unsicherheit und Schüchternheit, da A. sich dadurch zunehmend aus verschiedenen sozialen Bereichen, in denen sie auf Gleichaltrige treffen könnte, zurückziehe. Zu Beginn der Behandlung wurden, neben der Anamnese und einer ausführlichen Problemanalyse, vor allem zugrundeliegende Ressourcen, Hobbies und Interessen der Jugendlichen thematisiert, wie malen, Klavier spielen, lesen oder tanzen. Mit A. wurden in den folgenden Stunden eine detaillierte Problemdefinition sowie eine klare Zielvereinbarung erarbeitet. Sie selbst nannte als ihr Hauptproblem sehr zurückhaltend, „leise“ und „unauffällig“ zu sein und oftmals auf Anfragen anderer schüchtern zu reagieren. Ebenso habe sie oft das Gefühl, im Gleichaltrigenverbund nicht dazu zu gehören. Sie habe Angst, die Erwartungen Anderer nicht zu erfüllen und vermeide deshalb Situationen, in denen selbstbewusstes Auftreten erforderlich sei. Daraus resultiere, dass sie oft traurig sei, da sie aufgrund ihrer sozialen Rückzugstendenzen oft allein sei. In diesem Zusammenhang wurden die Vor- und Nachteile der Probleme „Schüchternheit“, „sozialer Rückzug“ und „traurige Stimmung“ besprochen. Vorteile ihres Problemverhaltens sah A. u.a. darin, dass ihre Vorsicht sie vor Enttäuschungen bewahre und eine mögliche Blamage verhindere. A. konnte auch gut die mit dem Problemverhalten assoziierten Nachteile beschreiben. So benannte sie beispielsweise, dass sie aufgrund ihrer sozialen Rückzugstendenzen keine neuen Jugendlichen kennenlernen könne, schlechte mündliche Noten erhalte und dass infolgedessen ihre Traurigkeit zunehme und zur Verfestigung eines negativen Selbstbildes beitrage. Im Rahmen der Entwicklung eines individuellen Störungsmodells wurden gemeinsam mit A. und ihrer Mutter mögliche Ursachen und potentielle aufrechterhaltende Faktoren der sozialen Ängstlichkeit sowie der Stimmungs- resp. Selbstwertstörung erarbeitet. In der ersten Therapiephase stand die Förderung einer positiven Selbstwahrnehmung im Vordergrund. Mit A. wurden ihre persönlichen Stärken analysiert. A. konnte dabei einige Stärken benennen, wie z.B. gut zeichnen und Klavier spielen zu können. An 235 positiven Eigenschaften wurde ihre Fairness und Freundlichkeit gegenüber anderen herausgearbeitet. Eigene Schwächen zu benennen fiel ihr dagegen schwer, vermutlich schämte sie sich diese offen zu benennen. In den folgenden Stunden wurde an der Fokussierung persönlicher Stärken und Relativierung vermeintlicher Schwächen gearbeitet. Es wurden weitere Interessen sowie schöne Erlebnisse der letzten Monate gesammelt. Um ihr zu verdeutlichen, dass sie in ihrem Leben bereits viele schöne Dinge erlebt hat, wurde zusätzlich eine Lebenslinie mit den wichtigsten positiven Lebensereignissen erstellt. A. sollte vertiefend als Hausaufgabe täglich protokollieren, welche positiven Erfahrungen sie im Verlauf der Woche gesammelt hat. Zeitgleich wurde mit der Mutter erarbeitet, wie sie die positiven Eigenschaften ihrer Tochter hervorheben kann und die Wichtigkeit positiver Verstärkung resp. des regelmäßigen Lobens wurde besprochen. Die Mutter konnte die positiven Erziehungsstrategien gut umsetzen, nannte in diesem Kontext aber auch die Schwierigkeit ihres Exmannes, sich positiv gegenüber der gemeinsamen Tochter zu äußern und diese zu loben. Einen weiteren Themenschwerpunkt stellte im Therapieverlauf das Hinterfragen zugrundeliegender persönlicher Überzeugungen von A. dar. Zunächst wurde psychoedukativ der Zusammenhang zwischen sozialen Interaktionen mit Gleichaltrigen, den daraus resultierenden „Katastrophengedanken“ (z.B. „Ich stelle mich doof an, gleich lachen bestimmt alle“) und dazugehörigen Gefühlen (z.B. Angst, Scham und Unbehagen) besprochen, die in der Folge zu ungünstigem Verhalten (z.B. Vermeidung) führen. A. konnte viele Beispiele benennen, die den „Teufelskreis der Angst“ bestätigen und hat das Konzept schnell internalisiert. Daran anknüpfend wurden im Sinne einer graduierten Exposition verschiedene Konfrontationsübungen vereinbart, wie z.B. sich häufiger im Unterricht zu melden oder ein Kurzreferat vor der Klasse zu halten. Mit A. wurden in diesem Kontext ungünstige Gedanken gesammelt, die ihr in sozialen Situationen durch den Kopf gehen, wie z.B. „alle merken, dass ich stottere“, „ich werde rot“ oder „die denken, ich bin dumm“ etc. Für die dysfunktionalen Kognitionen wurden im weiteren Verlauf möglichst positive, realistische, kontraphobische Gedanken entwickelt. Des Weiteren wurde ein Experiment gestartet, bei dem A. einen Text vorlesen sollte und sich im ersten Durchlauf auf negative Gedanken konzentrieren sollte und in einem zweiten Durchlauf ausschließlich auf positive Gedanken. Beide Durchläufe wurden auf Video aufgenommen und es wurde besprochen, welche Unterschiede A. zwischen beiden Situationen ausgemachen 236 konnte. Ziel der Übung war, A. zu verdeutlichen, dass sich negative Kognitionen nicht nur negativ auf den Affekt, sondern auch auf die Performanz in der Schule auswirken. Als Therapiehausaufgabe sollte A. unterstützend Gedankenprotokolle führen und dokumentieren, in welchen Situationen sie negativ gedacht hat und anschließend einen alternativen positiven Gedanken zu der Situation entwickeln. In den folgenden Stunden wurden Denkfehler mit A. thematisiert, die im nächsten Schritt auf ihren Realitätsgehalt geprüft wurden. Sowohl die Mutter, als auch A. berichteten in dieser Therapiephase, dass die intensive Korrektur negativer, unrealistischer Gedanken zu einer positiveren Selbstwahrnehmung und Verbesserung der Stimmung beigetragen haben. Zur Stimmungsverbesserung haben auch maßgeblich Interventionen, wie die Fokussierung auf positive Erlebnisse oder Maßnahmen zur Aktivitätssteigerung, beigetragen. A. hat in diesem Zeitraum auch wieder angefangen, sich vermehrte mit ihren Freundinnen zu treffen und ist seitdem nicht mehr so traurig. Im Rahmen der Elternarbeit wurden mit der Mutter ebenfalls die Zusammenhänge zwischen negativen Gedanken, den Gefühlen von Traurigkeit resp. Angst, sowie dem daraus resultierenden Rückzugsverhalten, besprochen. Die Mutter thematisierte in diesem Kontext, dass es ihr schwer falle, in bestimmten Situationen konsequent zu bleiben. So trödele A. beispielsweise morgens oft und erwarte dann, dass ihre Mutter sie zur Schule fahre. Mit der Mutter und A. wurde daraufhin vereinbart, dass A. selbständig zur Schule fahren solle und bei übermäßigem Trödeln notfalls ein Zuspätkommen in Kauf nehmen müsse. Mit der Mutter wurde weiterhin besprochen, dass sie ihrer Tochter mehr Eigenverantwortung übertragen müsse und thematisiert, wie sie A. in ihrer Selbständigkeitsentwicklung fördern könne. Parallel zur Förderung der Verselbständigung erfolgte abschließend ein soziales Kompetenztraining mit der Jugendlichen. Mit A. wurden verschiedene Situationen erarbeitet, in denen sie selbstsicheres Auftreten und altersentsprechende Kommunikationsmöglichkeiten trainieren könne. So übte A. zunächst im geschützten therapeutischen Setting und später auch in realen Alltagssituationen, z.B. mit jemandem zu telefonieren, in einem Geschäft etwas zu fragen oder sich mit jemandem aus der Klasse zu unterhalten. Unterstützend wurden Rollenspiele zur Festigung der neu erworbenen Kompetenzen eingesetzt, die auf Video aufgezeichnet wurden, um die Situationen detailliert nachbesprechen zu können. Die Besprechungen der 237 einzelnen Videosequenzen dienten auch dazu, das selbstsichere Auftreten konkret zu visualisieren und A. zu verdeutlichen, dass sie die Aufgaben souverän meistert. Ergänzend wurden diverse Übungen zur selbstsicheren Körpersprache praktiziert und verschiedene Gefühle wurden pantomimisch dargestellt. Obwohl A. von diesen Übungen merklich profitierte, waren ihr die Übungen sichtlich unangenehm. Trotz deutlicher Anspannung konnte sie sich auf die einzelnen Übungen gut einlassen. A. gelang es zum Ende des Studienprojektes hin verhältnismäßig gut, das neu erlernte Verhalten auf ihren persönlichen Lebenskontext zu übertragen. Besonders hervorzuheben sind die Therapieerfolge in Bezug auf die Stabilisierung des Selbstwerts und die Stärkung der sozialen Integration in den Gleichaltrigenverbund. Des Weiteren konnte auch eine deutliche Verbesserung der Stimmung im Verlauf der Behandlung etabliert werden. Da die soziale Phobie nach Studienabschluss auch weiterhin in behandlungsbedürftigem Ausmaß vorhanden war, wurde mit der Familie beschlossen, die Therapie nach Abschluss der Studie fortzusetzen. 238 7 Ergebnisse 7.1 Stichprobenbeschreibung In die Pilotstudie wurden insgesamt 12 Jugendliche im Alter von 12;0 bis 18;0 Jahren eingeschlossen. Insgesamt nahmen elf Mädchen (91,7%) und ein Junge (8,3%) an der Studie teil. Tabelle 6: Deskriptive Stichprobenbeschreibung Deskriptive Stichprobencharakteristika Alter in Jahren: M (SD) 15;4 (1,79) Altersrange in Jahren 12;0 – 18;0 Geschlechtsverteilung: N (%) 11 Mädchen (91,7 %) 1 Junge (8,3 %) IQ: M (SD); IQ-Range 99 (11,8); 82 – 120 Kennwert Symptomstärke im SBBDES zu Behandlungsbeginn (MZP2): M (SD) SN 1,14 (0,33) (≙ Stanine 9) Kennwert Symptomstärke im FBBDES (Elternurteil) zu Behandlungsbeginn (MZP2): M (SD) SN 0,94 (0,34) (≙ Stanine 9) M = arithmetisches Mittel SD = Standardabweichung N = Anzahl % = prozentualer Anteil SN = Stanine 7.1.1 Soziodemographische Merkmale der Stichprobe Das durchschnittliche Alter der Probanden betrug 15;4 Jahre (SD=1,79). Der Altersrange bei Behandlungsbeginn reichte von 12;0 Jahren bis 18;0 Jahren. 239 18 J. N=1 12 J. N=1 13 J. N=1 14 J. N=1 17 J. N=3 16 J. N=1 15 J. N=4 Abbildung 8: Altersverteilung der Stichprobe 7.1.1.1 Schulische / berufliche Platzierung und kognitiver Leistungsstand Zu Studienbeginn besuchten acht Jugendliche die weiterführende Schule und zwei Jugendliche ein Berufskolleg, beide haben einen abgeschlossenen Realschulabschluss. Zwei weitere Jugendliche waren arbeitssuchend, wovon ein Jugendlicher (unmittelbar nach Beginn der Studie) den Besuch des Gymnasiums im 11. Schuljahr abgebrochen hatte. Der andere arbeitssuchende Jugendliche hatte einen Hauptschulabschluss nach Klasse 9 und plante perspektivisch an einer beruflichen Integrationsmaßnahme des Arbeitsamtes teilzunehmen und die Zeit bis zu Beginn der Maßnahme mit Praktika zu überbrücken. Beide Jugendliche befanden sich zu Beginn der Pilotstudie in einer beruflichen Orientierungsphase und hatten zu diesem Zeitpunkt noch keinen konkreten Berufsweg eingeschlagen. 240 Gymnasium n=3 Abbildung 9: Schulische Platzierung der Probanden Der prozentuale Anteil an Schülern, die ein Gymnasium oder eine Gesamtschule besuchten, betrug zusammengenommen 50 %. Drei Schüler waren Gymnasiasten und weitere drei Jugendliche waren Gesamtschüler. Ein Jugendlicher besuchte eine Hauptschule, einer die Realschule, zwei Jugendliche gingen auf ein Berufskolleg und zwei weitere Jugendliche besuchten nicht mehr die Schule, d.h. waren arbeitssuchend. Tabelle 7: Prozentualer Anteil der Probanden in Bezug auf die besuchte Schul- / Berufsform Schul-/Berufsform: Prozentualer Anteil der Probanden Hauptschule 8,3 % Realschule 8,3 % Gymnasium 25,0 % Gesamtschule 25,0 % Berufskolleg 16,7 % Kein Schulbesuch / arbeitssuchend 16,7 % Sofern keine aktuelle Leistungsdiagnostik der Probanden zu Studienbeginn vorlag, wurde, zur Überprüfung des Einschlusskriteriums (IQ > 80), mittels eines mehrdimensionalen Intelligenztests der IQ ermittelt. Der IQ-Range der Jugendlichen reichte von 82 bis 120 Punkten (Standardwerte SW) und deckte somit das gesamte Spektrum der als durchschnittlich definierten kognitiven Leistungsfähigkeit ab. 241 Einer der insgesamt 12 Patienten zeichnete sich durch ein überdurchschnittliches Leistungsprofil aus (Gesamt-IQ 120). Der durchschnittliche IQ der Probanden betrug SW = 99, bei einer Standardabweichung von SW = 11,8. 7.1.1.2 Familienkonstellation und sozio-ökonomische Merkmale der Familien Elf Jugendliche lebten zu Studienbeginn in ihrer sozialen Herkunftsfamilie, d.h. bei mindestens einem leiblichen Elternteil. Eine Jugendliche war vollstationär untergebracht in einer Einrichtung der Jugendhilfe. Sechs Jugendliche (50 %) lebten gemeinsam mit ihren beiden Elternteilen zusammen. Fünf Jugendliche lebten, aufgrund der Trennung der Eltern, nur bei einem leiblichen Elternteil und eine Jugendliche lebte mit ihrer Mutter zusammen, da der Vater verstorben ist. Vier Jugendliche hatten keine Geschwister, die anderen acht Jugendlichen hatten ein bis drei Geschwister. Die Aufteilung der Geschwister in den Familien sah wie folgt aus: Keine Geschwister N=4 Ein Geschwisterkind N=4 Zwei Geschwisterkinder N=3 Drei Geschwisterkinder N=1 Betrachtet man den sozio-ökonomischen Status der Familien, der mittels der Basisdokumentation resp. im Rahmen der Exploration erhoben wurde, lässt sich feststellen, dass alle Familien in finanziell gesicherten Verhältnissen lebten und kein Elternteil von Arbeitslosigkeit bedroht war. Lediglich eine Familie wies einen niedrigen sozio-ökonomischen Status auf. Eine Familie zeichnete sich durch einen hohen sozioökonomischen Status aus, während alle übrigen zehn Familien einen mittleren sozioökonomischen Status vorwiesen. 7.1.2 Primäre ICD-10-Diagnosen und komorbide Symptomatik zu Behandlungsbeginn Fünf Patienten (41,5% der Stichprobe) erhielten als primäre ICD-10-Diagnose eine mittelgradige depressive Episode (F32.1), zwei Patienten (16,7 %) erhielten eine leichte depressive Episode (F32.0) als Eingangsdiagnose und ein Patient (8,3 %) eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig mittelgradiger Episode (F33.1). Bei einem Patienten (8,3 %) wurde eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver 242 Reaktion (F43.21) diagnostiziert und bei drei Patienten (24,9 %) eine sonstige emotionale Störung des Kindesalters (F93.8). Abbildung 10: Primäre Diagnosen nach ICD-10 zu Behandlungsbeginn Ein Teil der Patienten (N = 5) wies zu Behandlungsbeginn, neben der primären Diagnose, zusätzlich mindestens eine weitere psychische Störung auf. Die Häufigkeit der komorbiden Diagnosen verteilte sich in der Stichprobe wie folgt (Mehrfachnennungen möglich): Soziale Phobie (F40.1) N=4 Isolierte Phobie (F40.2) N=1 Sonstige hyperkinetische Störung (F90.8) N=1 7.1.3 Vor- und Begleitbehandlungen Ein Studienteilnehmer erhielt bereits im Kindesalter eine psychotherapeutische Behandlung (zu Studienbeginn abgeschlossen), zwei eine ambulante kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung (zu Studienbeginn abgeschlossen) und zwei weitere eine stationäre psychiatrische Behandlung. Zwei Jugendliche waren vor Studienbeginn zur akuten Krisenintervention stationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht. Des Weiteren erhielt ein Jugendlicher im Kindesalter eine ergotherapeutische Behandlung. Drei Patienten erhielten während der Studie begleitend eine niederschwellige kinder- und jugendpsychiatrische Begleitbehandlung mit maximal drei Terminen im Quartal. 243 Zu Studienbeginn erhielt kein Patient eine medikamentöse AntidepressivaBehandlung. Jedoch Interventionsphase, wurde zur im Verlauf emotionalen der Studie, Stabilisierung d.h. einer während Patientin, der eine medikamentöse Begleitbehandlung mit Fluoxetin (20 mg p/d) eingeleitet. Eine weitere Patientin begann in der Follow-up-Phase mit einer medikamentösen AntidepressivaBehandlung (15 mg Escitalopram p/d). Eine Jugendliche mit diagnostizierter Aufmerksamkeitsdefizit-Störung erhielt bereits vor Studienbeginn eine Methylphenidat-Behandlung mit Medikinet ret. 30 mg p/d. Die Dosis wurde im gesamten Studienzeitraum konstant beibehalten. 7.2 Primäre Analysen Es konnte lediglich bei fünf Jugendlichen ein Lehrerurteil (FBB-DES, TRF) erhoben werden. Dies lag unter anderem daran, dass ein Teil der Jugendlichen nicht mehr die Schule besuchte bzw. einige Jugendliche nicht damit einverstanden waren, dass Fragebögen an die Lehrer verteilt werden. Aufgrund der wenigen vorliegenden Lehrerfragebögen wurde das Lehrerurteil nicht in die statistischen Auswertungen einbezogen. Die Auswertung der Behandlungs-Compliance und BehandlungsIntegrität erfolgt im Rahmen einer anderen Forschungsarbeit und wird im weiteren Verlauf nicht weiter beschrieben. Im Folgenden werden zunächst die Forschungshypothesen, die bereits im Kapitel 5.3 dargestellt wurden, wiederholt. Daran anknüpfend werden tabellarisch die realen Mittelwerte und Standardabweichungen, die für die einzelnen diagnostischen Verfahren ermittelt vorhergesagten wurden, sowie Regressionsgeraden Verlaufshypothesen (generelle die durch präsentiert. Verlaufseffekte Multilevel-Modelling Neben der der (MLM) Testung der Interventionsphase) und Stabilitätshypothesen (Stabilität der Effekte im Follow-up-Zeitraum) wurde zur Überprüfung der spezifischen Effekthypothesen (inkrementelle Effekte der Intervention) für jeden Outcomeparameter die Steigung der Wartezeit in Relation zur Steigung der Interventionszeit gesetzt um somit die inkrementellen Effekte der Behandlung durch MLM zu ermitteln. Die inkrementellen Effekte der Intervention werden ebenfalls tabellarisch dargestellt. Anschließend folgen die Darstellung der jeweiligen Effektstärken der Baseline-, Interventions- und Follow-up-Phase sowie die grafische Präsentation der durch MLM vorhergesagten Werte der Warte-, Interventions- und Follow-up-Phase. 244 7.2.1 Reduktion der depressiven Symptomatik und Steigerung der Kompetenzen im Selbst- und Fremdurteil (SBB-DES, FBB-DES, DIKJ) 1. Hypothese: a) Die depressive Symptomatik verringert sich signifikant im Behandlungsverlauf und die Kompetenzen der Jugendlichen nehmen im Verlauf der Therapie signifikant zu (genereller Verlaufseffekt). b) Die depressive Symptomatik verringert sich signifikant stärker in der Treatmentals in der Wartephase und die Kompetenzen verbessern sich in der Treatmentphase signifikant mehr als in der Wartezeit (Therapieeffekt). c) Die während der Interventionsphase erzielten Effekte hinsichtlich der Symptomreduktion sowie der Kompetenzsteigerung sind zeitlich stabil, d.h. es zeigen sich keine signifikanten Verschlechterungen der Effekte zwischen der Interventions- und der Follow-up-Phase (Stabilitätseffekt). SBB-DES Mittelwerte und geschätzte Regressionsgeraden Tabelle 8: Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD), durch MLM vorhergesagte Werte SBB-DES Symptomstärke Geschätzte Regressionsgerade MZP1 MZP2 MZP3 MZP4 MZP5 MZP6 MZP7 M (SD) M (SD) M (SD) M (SD) M (SD) M (SD) M (SD) 1,33 (0,44) 1,14 0,94 0,73 0,65 0,48 0,48 (0,33) (0,50) (0,46) (0,40) (0,55) (0,49) 1,33 1,11 0,95 0,79 0,63 0,46 0,45 Tabelle 9: Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD) und durch MLM vorhergesagte Werte SBB-DES Kompetenzskala Geschätzte Regressionsgerade MZP1 MZP2 MZP3 MZP4 MZP5 MZP6 MZP7 M M M M M M M (SD) (SD) (SD) (SD) (SD) (SD) (SD) 1,06 1,25 1,48 1,64 1,69 2,08 1,86 (0,35) (0,67) (0,67) (0,58) (0,55) (0,60) (0,64) 1,06 1,25 1,44 1,63 1,81 2,00 1,92 245 Tabelle 8 und 9 zeigen für den SBB-DES die realen Mittelwerte und Standardabweichungen sowie die durch MLM vorhergesagten Regressionsgeraden. Die Darstellung der Werte erfolgt getrennt für die Symptomstärke und die Kompetenzen. Bereits die visuelle Inspektion der Mittelwerte und vorhergesagten Werte zeigt einen Trend in Richtung Reduktion der Symptomatik bzw. eine Zunahme der Kompetenzen im Verlauf der Behandlung. SBB-DES: Verlaufs-, Therapie- und Stabilitätseffekte Tabelle 10 zeigt die generellen Verlaufseffekte der Interventionsphase (GVE Intervention) für die Symptomstärke und die Kompetenzskala des SBB-DES, sowie die inkrementellen Effekte der Interventionsphase (Therapieeffekte). Des Weiteren werden die geschätzten absoluten Steigungen der Follow-up-Phase dargestellt (Stabilitätseffekte). Tabelle 10: SBB-DES, Schätzung der festen Effekte durch MLM, Verlaufs-, Therapie- und Stabilitätseffekte GVE Intervention Geschätzte Steigung B Standardfehler SE Freiheitsgrade df -0,16 0,02 47,00 -7,72 <.001 0,05 0,06 58,00 0,52 .303 -0,01 0,03 10,10 -0,34 .372 0,18 0,02 47,00 6,87 <.001 -0,00 0,16 58,00 -0,03 .489 -0,08 0,06 9,93 -1,33 .107 t Signifikanz p Symptomstärke Inkrementeller Effekt Intervention Symptomstärke Follow-up Symptomstärke GVE Intervention Kompetenzen Inkrementeller Effekt Intervention Kompetenzen Follow-up Kompetenzen 246 Im SBB-DES konnte für die Symptomstärke über den Interventionszeitraum von MZP 2 bis 6 (genereller Verlaufseffekt der Interventionsphase, GVE Intervention) eine signifikante Symptomreduktion erzielt werden (b = -0,16, p < .001), was die formulierte Hypothese der signifikanten Reduktion der depressiven Symptomatik im Therapieverlauf, im Selbsturteil der Patienten, bestätigt. Betrachtet man die Ergebnisse der Kompetenzskala des SBB-DES, zeigt sich auch hier ein signifikanter genereller Verlaufseffekt (b = 0,18, p < .001), d.h. die Kompetenzen der Jugendlichen haben sich - hypothesenkonform - im Verlauf der Behandlung signifikant verbessert. In Bezug auf die Symptomskala des SBB-DES ist der inkrementelle Effekt der Interventions-Phase – entgegen der Hypothese – nicht signifikant. In der Follow-up Phase zeigt sich, entsprechend der postulierten Hypothese, keine signifikante Veränderung der Symptomatik, d.h. die Effekte bezogen auf die Symptomreduktion bleiben auch im Follow-up-Zeitraum stabil. Hinsichtlich der Kompetenzskala des SBB-DES fällt auf, dass sich, in Relation zur Wartezeit, kein signifikanter inkrementeller Behandlungseffekt bzgl. der Kompetenzentwicklung in der Interventionsphase ermitteln ließ. Dieses Ergebnis entspricht nicht der postulierten spezifischen Therapieeffekt-Hypothese. Im Follow-up bleiben die Effekte stabil, was wiederum die formulierte Stabilitätshypothese der Effekte in Bezug auf die Kompetenzen der Jugendlichen stützt. Tabelle 11: Effektstärken Baseline-, Treatment- und Follow-up-Phase SBB-DES Geschätzte Steigung Baseline Geschätzte Steigung Intervention Geschätzte Steigung Follow-up (Anzahl Intervalle BaselinePhase) (Anzahl Intervalle InterventionsPhase) (Anzahl Intervalle Follow-upPhase) SD MZP1 Effektstärke (d) Baseline Effektstärke (d) Intervention EffektStärke (d) Followup SBB-DES Symptomstärke -0,19 (1) -0,16 (4) -0,01 (1) 0,44 -0,43 -1,45 -0,02 SBB-DES Kompetenzen 0,19 (1) 0,18 (4) -0,08 (1) 0,35 0,54 2,05 -0,23 Wie der Tabelle 11 entnommen werden kann, wurden im SBB-DES, sowohl für die Symptomstärke, als auch für die Kompetenzen, bereits in der Baselinephase mittlere Effektstärken gemäß Cohen (1988) ermittelt. In der Interventionsphase zeigen sich für beide Skalen (Symptomstärke und Kompetenzen) hohe, d.h. klinisch bedeutsame 247 Effekte. Im Follow-up-Zeitraum wurden erwartungsgemäß in Bezug auf die Symptomstärke keine Effekte und betr. der Kompetenzen diskrete negative Effekte – im Sinne einer Abnahme der Kompetenzen nach Abschluss der Behandlung – ermittelt. Die Netto-Effektstärke (Effektstärke Intervention – Effektstärke Baseline) bezogen auf die Symptomstärke beträgt d = -1,02 und bezogen auf die Kompetenzen d = 1,51. Beide Werte können als hohe Netto-Effektstärken interpretiert werden. Allerdings ist die Steigung der Interventionsphase nicht signifikant von der Steigung der Wartephase unterschiedlich, es zeigt sich also kein spezifischer Interventionseffekt im SBB-DES. SBB-DES vorhergesagte Werte 2,5 2 1,5 1 0,5 0 MZP1 MZP2 MZP3 MZP4 Symptomstärke MZP5 MZP6 MZP7 Kompetenzausprägung Abbildung 11: Durch MLM vorhergesagte Werte im SBB-DES (Wartezeit vs. Intervention vs. Follow-up) FBB-DES Mittelwerte und geschätzte Regressionsgeraden Tabelle 12: Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD) und durch MLM vorhergesagte Werte FBB-DES Symptomstärke Geschätzte Regressionsgerade MZP1 MZP2 MZP3 MZP4 MZP5 MZP6 MZP7 M (SD) M (SD) M (SD) M (SD) M (SD) M (SD) M (SD) 1,07 0,94 0,85 0,56 0,58 0,41 0,45 (0,46) (0,34) (0,53) (0,32) (0,33) (0,34) (0,35) 1,07 0,94 0,80 0,67 0,54 0,40 0,40 248 Tabelle 13: Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD) und durch MLM vorhergesagte Werte FBB-DES Kompetenzskala Geschätzte Regressionsgerade MZP1 MZP2 MZP3 MZP4 MZP5 MZP6 MZP7 M (SD) M (SD) M (SD) M (SD) M (SD) M (SD) M (SD) 1,30 1,23 1,17 1,43 1,55 1,65 1,68 (0,42) (0,50) (0,57) (0,69) (0,59) (0,53) (0,55) 1,30 1,16 1,28 1,41 1,53 1,65 1,76 Im FBB-DES (Elternurteil) weisen sowohl die realen Mittelwerte, als auch die durch MLM geschätzten Werte, auf einen Trend in Richtung Symptomreduktion und Kompetenzzuwachs im Therapieverlauf hin. Tabelle 14 präsentiert, analog zum SBBDES, die generellen Verlaufseffekte der Interventions-Phase (GVE Intervention), die inkrementellen Effekte der Intervention sowie die absoluten Effekte des Follow-upZeitraums, jeweils getrennt für die Symptomstärke und die Kompetenzen. FBB-DES: Verlaufs-, Therapie- und Stabilitätseffekte Tabelle 14: FBB-DES, Schätzung der festen Effekte durch MLM, Verlaufs-, Therapieund Stabilitätseffekte Geschätzte StandardFreiheitsSteigung fehler grade Signifikanz b SE df T p GVE Intervention -0,13 0,02 47,00 -5,87 <.001 -0,00 0,11 58,00 -0,05 .482 0,01 0,03 10,06 0,18 .432 0,12 0,03 47,00 3,34 .001 0,25 0,16 58,00 1,61 .057 0,03 0,04 10,20 0,72 .243 Symptomstärke Inkrementeller Effekt Intervention Symptomstärke Follow-up Symptomstärke GVE Intervention Kompetenzen Inkrementeller Effekt Intervention Kompetenzen Follow-up Kompetenzen 249 Im FBB-DES (Elternurteil) konnte in Bezug auf die Symptomstärke der Jugendlichen im Therapieverlauf - erwartungsgemäß - eine signifikante Symptomreduktion (genereller Verlaufseffekt GVE b = -0,13, p < .001) erzielt werden. Auch hinsichtlich der Kompetenzen ließen sich im Verlauf der Behandlung positive Effekte, im Sinne eines signifikanten Kompetenzzuwachses der Jugendlichen, ermitteln (genereller Verlaufseffekt GVE b = 0,12, p = .001). Im Elternurteil zeigen sich, weder in Bezug auf die Symptomatik, noch bzgl. der Kompetenzen, signifikante inkrementelle Behandlungseffekte, d.h. in Relation zur bereits in der Wartephase deutlich abnehmenden Symptomatik konnte kein zusätzlicher Effekt in der Interventionsphase ermittelt werden, stattdessen zeigt sich eine Fortsetzung des Trends der Effekte der Wartezeit. Die spezifische Therapieeffekthypothese (inkrementeller Effekt der Intervention) konnte folglich nicht bestätigt werden. In der Follow-up-Phase kann keine signifikante Veränderung der Symptomatik bzw. der Kompetenzen verzeichnet werden, was in Einklang mit der formulierten Stabilitätshypothese steht. Tabelle 15 zeigt die ermittelten Effektstärken für die Baseline-, Interventions- und Follow-up-Phase. In der Baselinephase zeigen sich moderate Effekte, im Sinne einer geringfügigen Symptomreduktion, in der Interventionsphase hingegen eine hohe Effektstärke, die auf eine bedeutsame Verringerung der depressiven Symptomatik im Elternurteil hindeutet und erwartungsgemäß keine Effekte in der Follow-up-Phase. In Bezug auf die Kompetenzen wurden aus Sicht der Eltern bereits in der Wartezeit moderate Effekte hinsichtlich der Kompetenzentwicklung der Jugendlichen ermittelt und demgegenüber klinisch bedeutsame Effekte im Interventionszeitraum. Im Followup-Zeitraum dagegen wird – in Übereinstimmung mit der postulierten Hypothese der Stabilität der Effekte – kein bedeutsamer Effekt deutlich. Die Netto-Effektstärke betr. der Symptomstärke beträgt d = -0,85, was als hohe Netto-Effektstärke zu werten ist. In Bezug auf die Kompetenzen ist eine vergleichbare Netto-Effektstärke (d = 0,85) zu verzeichnen. 250 Tabelle 15: Effektstärken Baseline-, Treatment- und Follow-up-Phase FBB-DES Geschätzte Steigung Baseline Geschätzte Steigung Intervention Geschätzte Steigung Follow-up (Anzahl Intervalle BaselinePhase) (Anzahl Intervalle InterventionsPhase) (Anzahl Intervalle Follow-upPhase) SD MZP1 Effektstärke (d) Baseline Effektstärke (d) Intervention EffektStärke (d) Followup FBB-DES Symptomstärke -0,13 (1) -0,13 (4) 0,01 (1) 0,46 -0,28 -1,13 0,02 FBB-DES Kompetenzen 0,12 (1) 0,12 (4) 0,03 (1) 0,42 0,29 1,14 0,07 FBB-DES vorhergesagte Werte 2,5 2 1,5 1 0,5 0 MZP1 MZP2 MZP3 MZP4 Symptomstärke MZP5 MZP6 MZP7 Kompetenzausprägung Abbildung 12: Durch MLM vorhergesagte Werte im FBB-DES (Wartezeit vs. Intervention vs. Follow-up) DIKJ Mittelwerte und geschätzte Regressionsgerade Tabelle 16 zeigt die realen Mittelwerte und durch MLM vorhergesagte Regressionsgerade. Der DIKJ wurde nur zu vier Messzeitpunkten erhoben, d. h. zu Studienbeginn (MZP 1), nach der Wartezeit (MZP 2), nach Abschluss der Interventionen (MZP 6) und nach der 12-wöchigen Follow-up-Phase (MZP 7). 251 Der Vergleich der Mittelwerte und geschätzten Werte weist augenscheinlich auf eine deutliche Reduktion der depressiven Symptomatik von Prä nach Post hin. Zur Überprüfung der Signifikanz des generellen Verlaufs- und spezifischen Therapieeffektes, sowie des Stabilitätseffektes, wurden Multilevel-Analysen durchgeführt. Tabelle 16: Mittelwerte, Standardabweichungen und durch MLM vorhergesagte Werte DIKJ Geschätzte Regressionsgerade MZP1 MZP2 MZP6 MZP7 M (SD) M (SD) M (SD) M (SD) 26,17 23,50 12,75 12,73 (6,38) (8,54) (10,55) (11,27) 26,17 23,5 12,75 11,96 DIKJ: Verlaufs-, Therapie- und Stabilitätseffekte Tabelle 17: DIKJ, Schätzung der festen Effekte durch MLM, Verlaufs-, Therapie- und Stabilitätseffekt Geschätzte Steigung b Standardfehler SE Freiheitsgrade df GVE Intervention -2,69 0,50 11,00 -5,34 <.001 Inkrementeller Effekt Intervention -0,02 2,50 22,00 -0,01 .497 Follow-up -0,40 0,77 10,11 -0,52 .306 T Signifikanz p Im Gegensatz zur bedeutsamen, hochsignifikanten Steigung im Therapieverlauf (genereller Verlaufseffekt GVE b = -2,69, p < .001), konnte – konträr zur spezifischen Therapieeffekthypothese – kein signifikanter spezifischer Behandlungseffekt der Interventionsphase, in Relation zur Wartephase, bestätigt werden. Dies liegt mitunter daran, dass bereits in der Wartezeit eine nicht unbedeutende Symptomreduktion erzielt wurde und sich dieser Trend in der Interventionsphase fortsetzt. Da der inkrementelle Effekt der Intervention nahezu 0 beträgt (b = -0,02, p = .497), kann die 252 Symptomreduktion, die im generellen Zeitverlauf ermittelt wurde, nicht durch spezifische Effekte in der Interventionsphase erklärt werden. Im Follow-up zeigt sich zwar, mit einer absoluten Steigung von b = -0,40, eine weitere Abnahme der depressiven Symptomatik, der Effekt ist aber erwartungsgemäß nicht signifikant. Tabelle 18 zeigt für den DIKJ die Effektstärken bezogen auf die einzelnen Messzeitabschnitte. In der Baseline- und Interventionsphase wurden mittlere Effektstärken ermittelt, die auf eine moderate Verringerung der depressiven Symptomatik, sowohl in der Warte-, als auch in der Behandlungszeit, hinweisen. Im Follow-up-Zeitraum dagegen werden, konsistent mit der postulierten Hypothese, gemessen an der Effektstärke von d = -0,06, keine Effekte deutlich. Die NettoEffektstärke beträgt d = 0, was als kein Effekt zu werten ist. Tabelle 18: Effektstärken Baseline-, Treatment- und Follow-up-Phase DIKJ Geschätzte Steigung Baseline Geschätzte Steigung Intervention Geschätzte Steigung Follow-up (Anzahl Intervalle BaselinePhase) (Anzahl Intervalle InterventionsPhase) (Anzahl Intervalle Follow-upPhase) -2,67 (1) DIKJ -2,69 (1) -0,40 (1) Effektstärke (d) Baseline SD MZP1 6,38 -0,42 Effektstärke (d) Intervention EffektStärke (d) Follow-up -0,42 -0,06 DIKJ vorhergesagte Werte 30 25 20 15 10 5 0 MZP1 MZP2 MZP6 MZP7 Abbildung 13: Durch MLM vorhergesagte Werte im DIKJ 253 7.2.2 Steigerung des globalen Selbstwertes (RSES) 2. Hypothese: a) Der globale Selbstwert sowie die spezifischen Selbstwertdimensionen der Jugendlichen verbessern sich signifikant im Therapieverlauf (genereller Verlaufseffekt). b) Der globale Selbstwert und die spezifischen Selbstwertdimensionen verbessern sich signifikant stärker in der Interventions- als in der Wartephase (Therapieeffekt). c) Die während der Interventionsphase erzielten Effekte in Bezug auf die Verbesserung des Selbstwerts sind zeitlich stabil, d.h. es werden keine signifikanten Verschlechterungen der Effekte zwischen der Interventions- und der Follow-up Phase erwartet (Stabilitätseffekt). RSES: Mittelwerte und geschätzte Regressionsgerade Tabelle 19: Mittelwerte, Standardabweichungen und durch MLM vorhergesagte Werte RSES Geschätzte Regressionsgerade MZP1 MZP2 MZP6 MZP7 M (SD) M (SD) M (SD) M (SD) 29,0 30,83 45,58 46,18 (7,41) (6,89) (10,18) (10,45) 29,0 30,83 45,58 46,67 Die gemittelten Rohwerte und die geschätzte Regressionsgerade in Bezug auf die Rosenberg Self-esteem Scale (RSES) weisen deskriptiv auf eine kontinuierliche Zunahme des primären Outcomeparameters „globaler Selbstwert“ im Zeitverlauf hin. Zur Überprüfung, ob der generelle Verlaufseffekt der Interventionsphase signifikant wird und ob es zudem, in Relation zur Wartezeit, signifikante treatmentspezifische Effekte (inkrementeller Effekt der Intervention) gibt, resp. ob diese im Follow-up stabil bleiben, wurden, analog zu den bisher vorgestellten Ergebnissen, auch für die Rosenberg Self-esteem Scale (RSES) und die Frankfurter Selbstkonzeptskalen (FSKN) Multilevel-Analysen durchgeführt. Diese werden im Folgenden dargestellt. 254 Die RSES und die vier Subskalen des FSKN wurden, wie das DIKJ, zu Studienbeginn (MZP 1), nach der sechswöchigen Wartephase (MZP 2), nach Abschluss der Interventionen (MZP 6) und im Anschluss an das 12-wöchige Follow-up, im Sinne einer Katamnese, zu MZP 7 erhoben. RSES: Verlaufs-, Therapie- und Stabilitätseffekte Tabelle 20: RSES, Schätzung der festen Effekte durch MLM, Verlaufs-, Therapie- und Stabilitätseffekte Geschätzte Steigung b Standardfehler SE Freiheitsgrade df GVE Intervention 3,69 0,84 11,00 4,41 <.001 Inkrementeller Effekt Intervention 1,85 3,31 22,00 0,56 .291 Follow-up 0,85 0,67 10,01 1,28 .115 t Signifikanz p In der RSES konnte eine signifikante positive Steigung im Therapieverlauf ermittelt werden (genereller Verlaufseffekt b = 3,69, p < .001). Die hochsignifikante absolute Steigung belegt eine bedeutsame Verbesserung des globalen Selbstwertes im Behandlungsverlauf. Da jedoch keine signifikante zusätzliche Verbesserung des Selbstwertes in der Interventionsphase – im Vergleich zur Wartephase – erreicht wurde, kann der Effekt nicht auf die therapeutischen Interventionen zurückgeführt werden (inkrementeller Effekt der Intervention b = 1,85, p = .291). Auch bei der RSES zeigt sich bereits in der Baselinephase ein Trend in Richtung Verbesserung des Selbstwertes, der sich nicht signifikant vom Verlauf im Behandlungszeitraum unterscheidet. Betrachtet man die absolute Steigung im Follow-up-Zeitraum, konnte, korrespondierend mit der formulierten Stabilitäts-Hypothese, keine signifikante Verbesserung oder Verschlechterung des globalen Selbstwerts festgestellt werden. 255 Tabelle 21 zeigt, dass für die RSES bereits in der Wartezeit, gemäß der errechneten Effektstärke von d = 0,28, eine leichte Verbesserung des globalen Selbstwertes erzielt werden konnte, in der Interventionsphase dagegen wurde eine mittlere Effektstärke (d = 0,50) ermittelt. Erwartungsgemäß zeigt sich im Follow-up-Zeitraum wiederum ein minimaler Effekt von d = 0,11. Die Netto-Effektstärke, mit einem Wert von d = 0,22, ist als ein kleiner Effekt in Bezug auf die Verbesserung der globalen Selbstwerteinschätzung zu werten. Tabelle 21: Effektstärken Baseline-, Treatment- und Follow-up-Phase RSES Geschätzte Steigung Baseline Geschätzte Steigung Intervention Geschätzte Steigung Follow-up (Anzahl Intervalle BaselinePhase) (Anzahl Intervalle InterventionsPhase) (Anzahl Intervalle Follow-upPhase) 3,69 (1) 0,85 (1) 1,83 (1) RSES Effektstärke (d) Baseline SD MZP1 7,41 Effektstärke (d) Intervention EffektStärke (d) Followup 0,50 0,11 0,28 Rosenberg Self-esteem Scale vorhergesagte Werte 60 50 40 30 20 10 0 MZP1 MZP2 MZP6 Abbildung 14: Durch MLM vorhergesagte Werte in der RSES 256 MZP7 7.2.3 Verbesserung der spezifischen Selbstwertdimensionen (Subskalen FSKN: FSKU, FSST, FSSW, FSAP) FSKN Subskalen: Mittelwerte und geschätzte Regressionsgeraden Tabelle 22: Mittelwerte, Standardabweichungen zu MZP1 und durch MLM vorhergesagte Werte Subskalen FSKN Subtest Geschätzte Regressions -geraden MZP1 MZP2 MZP6 MZP7 M (SD) M M M FSKU FSST FSSW FSAP 20,25 (3,02) 37,83 (4,95) 27,83 (7,17) 28,92 (6,36) 19,75 37,58 30,58 32,08 24,92 50,83 46,25 44,42 23,45 50,73 46,00 42,45 FSKU 1 FSST 2 FSSW 3 FSAP 4 20,25 37,83 27,83 28,92 19,75 37,58 30,58 32,08 24,92 50,83 46,25 44,42 23,97 51,54 46,38 42,91 1 Skala zur Kontakt- und Umgangsfähigkeit 2 Skala zur Standfestigkeit gegenüber Gruppen 3 Skala zur allgemeinen Selbstwertschätzung 4 Skala zur allgemeinen Problembewältigung Im Verlauf deuten die Mittelwerte und die geschätzten Regressionsgeraden auf eine Verbesserung hinsichtlich der spezifischen Selbstwertdimensionen auf allen vier untersuchten Subskalen der FSKN hin. Die interferenzstatistische Überprüfung der Verlaufs-, Therapie- und Stabilitätseffekte erfolgte mittels MLM. 257 FSKN: Verlaufs-, Therapie- und Stabilitätseffekte Tabelle 23: FSKN, Schätzung der festen Effekte durch MLM, Verlaufs-, Therapie- und Stabilitätseffekte Geschätzte Steigung b Standardfehler SE Freiheitsgrade df t Signifikanz p GVE Intervention FSKU 1,29 0,26 11,00 5,02 <.001 Inkrementeller Effekt Intervention FSKU 1,79 1,24 22,00 1,45 .081 Follow-up FSKU -0,49 0,64 9,18 -0,76 .233 GVE Intervention FSST 3,31 1,12 11,00 2,96 .007 Inkrementeller Effekt Intervention FSST 3,56 4,19 22,00 0,85 .202 Follow-up FSST 0,76 0,76 9,98 1,00 .170 GVE Intervention FSSW 3,92 0,65 11,00 6,07 <.001 Inkrementeller Effekt Intervention FSSW 1,17 3,05 22,00 0,38 .353 Follow-up FSSW 0,38 0,82 10,04 0,46 .328 GVE Intervention FSAP 3,08 0,72 11,00 4,30 <.001 Inkrementeller Effekt Intervention FSAP -0,08 3,16 22,00 -0,03 .490 Follow-up FSAP -0,42 0,76 9,87 -0,55 .296 Wie man der Tabelle 23 entnehmen kann, zeichnet sich auf allen vier Subskalen des FSKN im Therapieverlauf (generelle Verlaufseffekte GVE) eine starke und gleichzeitig signifikante Steigung in positiver Richtung ab. Das bedeutet, dass sich im Verlauf der Behandlung (im Selbsturteil) sowohl die Kontakt- und Durchsetzungsfähigkeit, als auch die Problemlösekompetenzen der Jugendlichen, signifikant verbessert haben. Auch die Wertschätzung der eigenen Person steigerte sich signifikant im Interventionszeitraum. Im Vergleich der generellen Verlaufseffekte der Subskalen fällt auf, dass die Steigung der Skala zur Kontakt- und Umgangsfähigkeit (FSKU) (b = 1,29) deutlich geringer ausfällt, als die übrigen drei Subskalen, deren Steigung zwischen b = 3,08 und b = 3,92 beträgt. Die Kontakt- und Umgangsfähigkeit der Jugendlichen ließ sich im Behandlungszeitraum demzufolge 258 vergleichsweise weniger steigern (wenngleich hochsignifikant), als die subjektive Einschätzung der Standfestigkeit gegenüber Gruppen, die allgemeine Selbstwertschätzung und die Beurteilung der eigenen Problemlösekompetenzen. Vergleicht man die inkrementellen Effekt der Intervention auf den vier Subskalen, muss konstatiert werden, dass in der Interventionsphase – in Relation zur Wartezeit – auf keiner der untersuchten Subskalen des FSKN ein signifikanter zusätzlicher Therapieeffekt (inkrementeller Effekt der Intervention) nachgewiesen werden konnte. Die berechneten inkrementellen Steigungen sind zwar mehrheitlich als starke Steigungen zu werten (FSKU b = 1,79; FSST b = 3,56; FSSW b = 1,17), fallen allerdings in Bezug zur Baseline-Phase gesetzt, nicht signifikant stärker aus. Dies bedeutet, dass die signifikanten Verbesserungen auf den spezifischen Selbstwertdimensionen im Therapieverlauf nicht auf spezifische Effekte der Intervention zurückgeführt werden können. Des Weiteren weisen die Ergebnisse der Multi-Level-Analysen darauf hin, dass in der Follow-up Phase, auf der Basis der absoluten Steigungen, auf keiner der vier Subskalen eine signifikante Veränderung der erzielten Effekte festgestellt werden konnte, was wiederum die Stabilität der Effekte im Katamnese-Zeitraum bestätigt. Tabelle 24 zeigt, dass bereits in der kontaktfreien Baselinephase auf allen vier Subskalen geringe bis mittlere Effektstärken erzielt werden konnten, auf den Skalen FSKU (d = -0,17) und FSST (d = -0,05) allerdings hypotheseninkonform diskret in negativer Richtung. In der Interventionsphase werden auf allen vier Skalen mittlere Effektstärken deutlich, die auf moderate positive Effekte im Therapieverlauf hinweisen und somit die spezifische Therapieeffekthypothese stützen. Im Follow-up-Zeitraum zeigen sich hingegen, erwartungsentsprechend, nur sehr kleine Effekte. Auf den Skalen FSKU und FSAP weisen die errechneten negativen Effektstärken auf eine diskrete Abnahme der sozialen Kontakt- und Umgangsfähigkeit und der Problemlösekompetenzen während der Follow-up-Phase hin. Auf den Skalen FSST und FSSW dagegen werden minimale positive Effekte deutlich, die jedoch, wie bereits geschildert, nicht klinisch bedeutsam sind. 259 Tabelle 24: Effektstärken Baseline-, Treatment- und Follow-up-Phase Subskalen FSKN Geschätzte Steigung Baseline Geschätzte Steigung Intervention Geschätzte Steigung Follow-up (Anzahl Intervalle BaselinePhase) (Anzahl Intervalle InterventionsPhase) (Anzahl Intervalle Follow-upPhase) SD MZP1 Effektstärke (d) Baseline Effektstärke (d) Intervention EffektStärke (d) Followup FSKU -0,50 (1) 1,29 (1) -0,49 (1) 3,02 -0,17 0,43 -0,16 FSST -0,25 (1) 3,31 (1) 0,76 (1) 4,95 -0,05 0,67 0,15 FSSW 2,75 (1) 3,92 (1) 0,38 (1) 7,17 0,38 0,55 0,05 FSAP 3,17 (1) 3,08 (1) -0,42 (1) 6,36 0,50 0,48 -0,07 Die Netto-Effektstärken für die Subskalen des FSKN betragen: FSKU d = 0,60 (mittlerer Effekt) FSST d = 0,72 (mittlerer Effekt) FSSW d = 0,17 (geringer Effekt) FSAP d = -0,02 (kein Effekt) FSKN-Subskalen vorhergesagte Werte 60 50 40 30 20 10 0 MZP1 MZP2 MZP6 FSKU FSST FSSW MZP7 FSAP Abbildung 15: Durch MLM vorhergesagte Werte im FSKN (Wartezeit vs. Intervention vs. Follow-up) 260 7.3 Sekundäre Analysen 7.3.1 Reduktion internaler und externaler Symptomatik im Selbst- und Fremdurteil (YSR, CBCL) 3. Hypothese: Die komorbide internale und externale Symptomatik der Jugendlichen verringert sich während der Behandlung, d.h. von der Prä-Messung zur Post-Messung, signifikant (Prä-Post-Effekt). Zur Überprüfung der Hypothese, ob sich die komorbide internale und externale Symptomatik, erhoben über die sekundären Outcomemaße YSR und CBCL, im Therapieverlauf signifikant reduziert, wurden Prä-Post-Vergleiche (MZP 1 vs. MZP 6) anhand des nonparametrischen Wilcoxon-Tests durchgeführt. Als Signifikanz-Niveau wurde α = .05 festgelegt. Da es sich um gerichtete Hypothesen handelt, wurden, wie auch bei den Multilevel-Analysen, die p-Werte (Signifikanzen) halbiert. In die Prä-PostVergleiche wurden die internale, die externale und die Gesamtskala des YSR und der CBCL einbezogen. Des Weiteren wurden die drei Subskalen der internalen Skala (sozialer Rückzug, somatische Beschwerden, Ängstlichkeit / Depressivität) analysiert. Die folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse der Prä-Post-Vergleiche. Tabelle 25: YSR Prä-Post Vergleiche (Wilcoxon-Test): Mittelwerte und Standardabweichungen Prä (MZP1) vs. Post (MZP6), Z-Werte, Signifikanzen und Effektstärken Prä M Post M Z p Effektstärke (1-seitig) (SD) (SD) d YSR Internale Skala 29,25 13,92 (8,75) (13,66) -2,9 .002 1,75 Skala 1 Sozialer Rückzug 7,75 3,83 (2,22) (3,19) -2,8 .003 1,77 Skala 2 Somatische Beschwerden 5,25 3,33 -1,7 .046 0,76 (2,52) (3,60) -2,9 .002 2,08 -2,7 .003 0,94 -2,8 .002 1,37 Skala 3 Ängstlichkeit/ Depressivität 17,92 7,17 (5,16) (8,17) Externale Skala 16,17 7,92 (8,77) (6,24) Gesamtskala 65,58 34,25 (22,83) (28,98) M: arithmetisches Mittel SD: Standardabweichung p: Signifikanz (einseitig) d: Effektstärke 261 Die Ergebnisse zeigen eine signifikante Reduktion der internalen und externalen Symptomatik auf allen drei Gesamtskalen (internale Skala, externale Skala, Gesamtskala) sowie auf allen drei untersuchten internalen Subskalen des YSR. Auf den Gesamtskalen konnten, gemäß der Definition von Cohen (1988), hohe bis sehr hohe Effektstärken zwischen d = 0,94 und d = 1,75 erzielt werden, wobei die höchsten Effekte erwartungsgemäß auf der internalen Skala (d = 1,75) erreicht wurden. Für die externale Skala wurde eine relativ hohe Effektstärke von d = 0,94 ermittelt, für die Gesamtskala eine sehr hohe Effektstärke von d = 1,37. YSR Prä-Post Vergleiche Gesamtskalen 70 60 50 40 30 20 10 0 Internale Skala Externale Skala Prä Gesamtskala Post Abbildung 16: Rohwerte der internalen und externalen Skala sowie der Gesamtskala des YSR im Prä-Post-Vergleich Auch auf den internalen Subskalen wurde eine signifikante Symptomreduktion mit hohen bis sehr hohen Effektstärken im Prä-Post-Vergleich ermittelt. Für die Subskala „sozialer Rückzug“ wurde eine hohe Effektstärke von d = 1,77 erzielt, für die Subskala „somatische Beschwerden“ eine vergleichsweise geringere (mittlere) Effektstärke von d = 0,76 und für die Subskala „Ängstlichkeit / Depressivität“ erwartungskonform eine sehr hohe Effektstärke von d = 2,08. Die Ergebnisse stützen nicht nur die Hypothese der signifikanten Reduktion der komorbiden Symptomatik, sondern in besonderem Maße auch die Hypothese der signifikanten Verringerung der depressiven Symptomatik. 262 YSR Prä-Post Vergleiche internale Subskalen 20 15 10 5 0 Skala sozialer Rückzug Skala somatische Beschwerden Prä Skala Ängstlichkeit / Depressivität Post Abbildung 17: Rohwerte der internalen Subskalen des YSR im Prä-Post-Vergleich Die Tabelle 26 zeigt, anlog zum YSR, die Mittelwerte und Standardabweichungen Prä vs. Post, Z-Werte, Signifikanzen und errechneten Effektstärken für die CBCL. Tabelle 26: CBCL Prä-Post Vergleiche (Wilcoxon-Test): Mittelwerte und Standardabweichungen Prä (MZP1) vs. Post (MZP6), Z-Werte, Signifikanzen und Effektstärken CBCL Prä M (SD) Internale Skala Post M Z (1-seitig) Effektstärke d -2,8 0.003 1,31 (SD) 22,33 9,50 (9,76) (5,63) p Skala 1 Sozialer Rückzug 7,75 3,17 (3,62) (2,17) -2,8 0.002 1,27 Skala 2 Somatische Beschwerden 5,08 2,00 -2,4 0.008 1,35 (2,28) (2,63) -2,7 0.004 0,95 -2,3 0.012 0,63 -2,7 0.004 1,12 Skala 3 Ängstlichkeit/ Depressivität Externale Skala Gesamtskala 11,08 4,92 (6,46) (3,29) 14,08 6,42 (12,23) (4,46) 53,25 25,17 (25,00) (13,84) M: arithmetisches Mittel SD: Standardabweichung p: Signifikanz (einseitig) d: Effektstärke 263 Wie die Ergebnisse zeigen, konnte eine signifikante Symptomreduktion auf allen drei Gesamtskalen, ebenso wie auf allen drei internalen Subskalen der CBCL im Prä-PostVergleich erreicht werden. Für die internale Skala wurde eine hohe Effektstärke von d = 1,31 errechnet, für die externale Skala eine mittlere Effektstärke von d = 0,63 und für die Gesamtskala ein hoher Effekt von d = 1,12. Die vergleichsweise geringere Effektstärke in Bezug auf die externale Symptomatik lässt sich vermutlich auf die die bereits zu Beginn der Therapie relativ gering ausgeprägte externale Symptomatik zurückführen, die sich im Therapieverlauf kaum noch reduzieren ließ. Dies gilt in gleichem Maße für die externale Symptomatik, die im YSR erhoben wurde. CBCL Prä-Post Vergleiche Gesamtskalen 60 50 40 30 20 10 0 Internale Skala Externale Skala Prä Gesamtskala Post Abbildung 18: Rohwerte der internalen und externalen Skala sowie der Gesamtskala der CBCL im Prä-Post-Vergleich Auf allen drei Subskalen der CBCL konnte im Elternurteil, wie auf den Gesamtskalen, eine signifikante Symptomreduktion im Vergleich von Prä- zu Post-Treatment ermittelt werden. Auf der Subskala „sozialer Rückzug“ wird eine hohe Effektstärke von d = 1,27 deutlich, auf der Subskala „somatische Beschwerden“ zeigt sich ebenfalls eine bedeutsame Effektstärke von d = 1,35. Für die Subskala „Ängstlichkeit / Depressivität“ fallen die Effekte, im Vergleich zu den beiden anderen internalen Subskalen, etwas geringer aus (d = 0,95). Obwohl die Effektstärke für die ängstlich-depressive Subskala vergleichsweise geringer ist, handelt es sich dennoch um einen hohen Effekt, im Sinne einer klinisch bedeutsamen Reduktion der ängstlich-depressiven Symptomatik von der Prä-Treatment- zur Post-Treatment-Messung. 264 Die Ergebnisse der interferenzstatistischen Analysen stützen auch im Elternurteil einerseits die Hypothese der signifikanten Verringerung der ängstlich-depressiven Symptomatik und andererseits die Hypothese der signifikanten Reduktion der komorbiden externalen Symptomatik von Prä nach Post. CBCL Prä-Post Vergleiche internale Subskalen 20 15 10 5 0 Skala sozialer Rückzug Skala somatische Beschwerden Prä Skala Ängstlichkeit / Depressivität Post Abbildung 19: Rohwerte der internalen Subskalen der CBCL im Prä-Post-Vergleich Als Fazit kann gezogen werden, dass sich die Hypothese der signifikanten Reduktion der internalen und externalen komorbiden Symptomatik im Prä-Post-Vergleich, sowohl im Selbsturteil, als auch im Elternurteil bestätigen ließ. Da die diagnostische Erhebung lediglich vor und nach der Intervention stattfand, können keine Aussagen über potentielle spezifische Veränderungen der Symptomatik in der Wartezeit oder der Follow-up-Phase getroffen werden. Eine kausale Schlussfolgerung, dass die Interventionen zur signifikanten Symptomreduktion beigetragen haben, ist aufgrund der fehlenden Kontrollgruppe unzulässig. 7.3.2 Reduktion der Problemhäufigkeit und Problembelastung (Individuelle Problemliste) 4. Hypothese: Die Ausprägung der Problemhäufigkeit und Problembelastung der Jugendlichen nimmt im Verlauf der Therapie signifikant ab (genereller Verlaufseffekt). 265 Zur Überprüfung der 4. Hypothese wurden die generellen Verlaufseffekte, bezogen auf die Interventionsphase, mittels Multilevel-Analysen berechnet. Da die individuelle Problemliste nur im Behandlungszeitraum, d.h. ca. ab der 5. Behandlungsstunde bis zum Abschluss der Therapie (24. Behandlungsstunde), wöchentlich erhoben wurde, können nur die generellen Verlaufseffekte wiedergegeben werden. Ein Vergleich mit der Warte- oder Follow-up-Phase ist dementsprechend nicht möglich. Zur besseren Vergleichbarkeit der Ergebnisse wurden für jeden Probanden die Rohwerte bzgl. der Angaben zur Auftretenshäufigkeit der definierten Probleme gemittelt, um einen Wert für die wöchentliche Gesamtproblemhäufigkeit zu erhalten. Die folgenden Analysen beziehen sich dementsprechend auf die wöchentliche Gesamtproblemhäufigkeit. Tabelle 27 zeigt die durch MLM vorhergesagten Werte in Bezug auf die wöchentliche Gesamthäufigkeit der Probleme der Jugendlichen. Problemhäufigkeit: Vorhergesagte Regressionsgerade Tabelle 27: Durch MLM vorhergesagte Werte der Problemhäufigkeit im Therapieverlauf Therapiestunde Problemhäufigkeit gesamt 5 2,83 6 2,73 7 2,63 8 2,54 9 2,44 10 2,34 11 2,25 12 2,15 13 2,05 14 1,96 15 1,86 16 1,76 17 1,67 18 1,57 19 1,47 20 1,38 21 1,28 22 1,18 23 1,09 24 0,99 266 Problemhäufigkeit: Genereller Verlaufseffekt Tabelle 28: Problemhäufigkeit, Schätzung der festen Effekte durch MLM, genereller Verlaufseffekt (GVE) Geschätzte Steigung b GVE -0,10 Standardfehler SE Freiheitsgrade df 0,01 195,10 t -10,106 Signifikanz p <.001 Die Multilevel-Analyse zeigt, dass sich die gemittelte wöchentliche Auftretenshäufigkeit der Probleme der individuellen Problemliste signifikant im Interventionszeitraum reduziert hat (b = -0,10, p < .001). Für die wöchentliche Problemhäufigkeit im Therapieverlauf wurde eine hohe und dementsprechend klinisch bedeutsame Effektstärke von d = -1,64 berechnet. Da die Problemliste nur im Interventionszeitraum erhoben wurde, kann, wie bereits erwähnt, kein Vergleich zur Wartezeit oder zum Follow-up-Zeitraum erfolgen. Die signifikante Reduktion der Problemhäufigkeit lässt sich nicht kausal auf die Interventionen zurückführen. Tabelle 29: Effektstärke Problemhäufigkeit gesamt (individuelle Problemliste) Individuelle Problemliste Problemhäufigkeit Geschätzte Steigung (Anzahl Messintervalle) SD Prä Effektstärke (d) -0,10 (20) 1,22 -1,64 SD Prä: Standardabweichung Prä (Therapiestunde 5) 267 Vorhergesagte Werte Problemhäufigkeit 4 3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 0 Abbildung 20: Durch MLM vorhergesagte Werte der wöchentlichen Problemhäufigkeit im Therapieverlauf (Individuelle Problemliste) Problembelastung: Vorhergesagte Regressionsgerade Tabelle 30: Durch MLM vorhergesagte Werte der wöchentlichen Problembelastung im Therapieverlauf Therapiestunde Problembelastung 5 4,43 6 4,33 7 4,24 8 4,14 9 4,04 10 3,94 11 3,84 12 3,75 13 3,65 14 3,55 15 3,45 16 3,35 17 3,26 18 3,16 19 3,06 20 2,96 21 2,86 22 2,76 23 2,67 24 2,57 268 Problembelastung: Genereller Verlaufseffekt Tabelle 31: Problembelastung, Schätzung der festen Effekte durch MLM, genereller Verlaufseffekt (GVE) GVE Geschätzte Steigung b Standardfehler SE Freiheitsgrade df -0,10 0,024 175,35 Signifikanz p t <.001 -4,10 Analog zur signifikanten Reduktion der Auftretenshäufigkeit der individuellen Probleme, hat sich auch die wöchentliche Gesamtproblembelastung der Jugendlichen signifikant im Therapieverlauf reduziert (b = -0,10, p < .001). Die ermittelte Effektstärke in Bezug auf die Abnahme der Problembelastung im Therapieverlauf kann als hoch eingeschätzt werden (d = -1,25). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Hypothese der signifikanten Reduktion der Auftretenshäufigkeit und Belastung durch die individuellen Probleme der Jugendlichen im Therapieverlauf bestätigt werden konnte. Tabelle 32: Effektstärke der Problembelastung im Therapieverlauf (individuelle Problemliste) Geschätzte Steigung Individuelle Problemliste Problembelastung (Anzahl Messintervalle Intervention) SD Prä Effektstärke (d) -0,10 (20) 1,60 -1,25 SD Prä: Standardabweichung Prä (Therapiestunde 5) 269 Vorhergesagte Werte Problembelastung 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Abbildung 21: Durch MLM vorhergesagte Werte der wöchentlichen Problembelastung im Therapieverlauf (Individuelle Problemliste) 7.3.3 Beurteilung des Behandlungserfolges und der Behandlungszufriedenheit (FBB-P, FBB-E, FBB-T) 5. Hypothese: Der Jugendliche und die Eltern weisen nach Therapieabschluss eine hohe Behandlungszufriedenheit auf und der Therapieerfolg wird positiv beurteilt. Die Beurteilung des Behandlungserfolges und der Gesamtzufriedenheit mit der Behandlung erfolgte nach Abschluss der Therapien (MZP 6) mittels der „Fragebögen zur Beurteilung der Behandlung“ (FBB, Mattejat & Remschmidt 1998). Die Behandlung wurde aus Sicht des Patienten (FBB-P), der Eltern (FBB-E) und des Therapeuten (FBB-T) bewertet. Die Überprüfung der 5. Hypothese erfolgte auf der Grundlage der Vergleiche der Mittelwerte in Bezug auf den Behandlungserfolg sowie die Behandlungszufriedenheit – separat für das Patienten-, Eltern- und Therapeutenurteil. Im Patientenurteil wurde der Behandlungserfolg im Mittel als überwiegend erfolgreich beurteilt und die Behandlungszufriedenheit als gut eingeschätzt. Aus Sicht der Eltern liegen gemittelt ebenfalls ein überwiegend erfolgreicher Behandlungserfolg sowie eine sehr hohe Behandlungszufriedenheit vor. 270 Im Therapeutenurteil wird der Therapieerfolg, in Hinblick auf den Patienten, im Durchschnitt als vollständig erfolgreich bewertet, während die Gesamtzufriedenheit mit der Behandlung aus Therapeutensicht als gut eingestuft wird. Tabelle 33: Mittelwerte und Standardabweichungen FBB-P (Patientenurteil) FBB-P (Patientenurteil) M SD Beurteilung Behandlungserfolg 3,18 0,51 überwiegend erfolgreich Behandlungszufriedenheit 3,30 0,36 gut Tabelle 34: Mittelwerte und Standardabweichungen FBB-P (Elternurteil) FBB-E (Elternurteil) M SD Beurteilung Behandlungserfolg 2,98 1,04 überwiegend erfolgreich Behandlungszufriedenheit 3,61 0,42 sehr gut Tabelle 35: Mittelwerte und Standardabweichungen FBB-P (Therapeutenurteil) FBB-T (Therapeutenurteil) M SD Beurteilung Behandlungserfolg 3,55 0,43 vollständig erfolgreich Behandlungszufriedenheit 3,36 0,31 gut Referenzmaße: Behandlungserfolg: Gesamtzufriedenheit mit der Behandlung: 0 ≤ x ≤ 0,5 völlig erfolglos 0,5 < x ≤ 1,5 überwiegend erfolglos 1,5 < x ≤ 2,5 teilweise erfolgreich 2,5 < x ≤ 3,5 überwiegend erfolgreich 3,5 < x ≤ 4,0 vollständig erfolgreich 0 ≤ x ≤ 0,5 schlecht 0,5 < x ≤ 1,5 unzureichend 1,5 < x ≤ 2,5 mäßig 2,5 < x ≤ 3,5 gut 3,5 < x ≤ 4,0 sehr gut 271 Zusammenfassend weisen die Ergebnisse, die man den Tabellen 33 bis 35 entnehmen kann, auf einen guten bis sehr guten Behandlungserfolg und eine hohe Behandlungszufriedenheit, sowohl aus Patienten- resp. Elternperspektive, als auch aus Therapeutensicht, hin. Die postulierte Hypothese eines guten Behandlungserfolges und einer hohen Behandlungszufriedenheit konnte, sowohl aus der Sicht der Jugendlichen, als auch aus Sicht der Eltern und des Therapeuten, bestätigt werden. 272 8 Diskussion Zur Überprüfung der Wirksamkeit des kognitiv-behavioralen Behandlungsmoduls „SELBST Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme“ wurden im Rahmen der vorliegenden Pilotstudie 12 Jugendliche im Alter zwischen 12 und 18 Jahren, mit einer klinisch bedeutsamen depressiven Symptomatik resp. Selbstwertstörung, untersucht. Die primären Bezugspersonen wurden, in Anlehnung an das multimodale Behandlungskonzept von SELBST, in die Behandlung miteinbezogen. Das StudienDesign entsprach einem Eigenkontrollgruppen-Design mit insgesamt sieben Messzeitpunkten (MZP), beginnend mit einer sechswöchigen Baselinephase (behandlungsfreie Wartezeit von MZP 1 zu MZP 2) und einer sich daran anschließenden Interventionsphase mit insgesamt 24 Therapiesitzungen. Um Hinweise auf die Wirksamkeit der therapeutischen Interventionen ableiten zu können, wurden die Effekte der Wartezeit mit den Effekten, die im Interventionszeitraum erzielt wurden, verglichen. Im Interventionszeitraum fanden diesbezüglich nach jeweils sechs Therapiesitzungen diagnostische Verlaufsmessungen statt (MZP 3 bis 6). In Anschluss an die Behandlungsphase folgte 12 Wochen später eine Follow-up-Untersuchung (MZP 7), die mit der Abschlussdiagnostik gleichzeitig den Abschluss der Studie bildete. Da die katamnestische Behandlungseffekte Untersuchung diente, waren zur in Überprüfung diesem der Zeitraum Stabilität keine der weiteren Therapiestunden vorgesehen. Vor der Interpretation der Ergebnisse bzw. der Bewertung der Effektivität des Therapiemoduls „SELBST – Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme“ und der Einordnung der Ergebnisse in den Forschungsstand, werden kurz die Stärken der vorliegenden Pilotstudie zusammengefasst. Abschließend werden die Limitationen der Studie diskutiert und ein Ausblick auf potentiell zu vertiefende Forschungsschwerpunkte im Kontext der Therapiewirksamkeitsforschung bei Kindern und Jugendlichen mit einer depressiven Symptomatik und begleitenden Selbstwertproblematik gegeben. Zu den Stärken dieser Pilotstudie zählt in erster Linie, dass die Therapien – trotz der relativ homogenen Stichprobe in Bezug auf die Symptomatik – in hohem Maße individualisiert durchgeführt wurden. Die Behandlungen erfolgten in Anlehnung an die 273 jeweilige Indikation und Zielsetzungen der einzelnen Probanden. Es wurde darauf geachtet, möglichst realitätsnahe Behandlungsbedingungen, die der ambulanten therapeutischen Versorgung entsprechen, zu gewährleisten. Ein großer Nachteil, der sich aus diesem individualisierten Vorgehen jedoch ergibt, ist die eingeschränkte interindividuelle Vergleichbarkeit der Probanden und deren Behandlungsverläufen, was wiederum die interne Validität verringert. Als positiv zu werten ist außerdem, dass aus dem gewählten Studiendesign mit konstanten Messzeitpunkten eine hohe ökologische Validität resultiert. Aus diesem Grund wurden die Abstände der Messzeitpunkte in dieser Studie in Abhängigkeit der Anzahl der Therapiesitzungen definiert und nicht beispielsweise nach einem bestimmten Zeitintervall, wie z.B. einem 4-Wochen-Rhythmus. Im Interventionszeitraum erfolgte nach jeweils 6 Therapiestunden eine diagnostische Messung, um sicherzustellen, dass alle Patienten zu denselben Zeitpunkten im therapeutischen Prozess untersucht werden. Auch die Dauer der Interventionsphase (24 Therapiestunden in 4 Blöcken á 6 Stunden) wurde konstant gehalten, um die gleiche Therapieintensität und somit eine bessere Vergleichbarkeit der Probanden und Therapieverläufe zu gewährleisten. Die ausgewählten diagnostischen Instrumente zur Erhebung der depressiven Symptomatik (SBB-DES, FBB-DES, DIKJ) waren gut geeignet zur wiederholten Erhebung der Symptomatik im Studienverlauf und haben sich als sehr änderungssensitiv erwiesen. Zudem waren die Verfahren leicht verständlich und zeitökonomisch in der Anwendung bzw. Auswertung. Hinsichtlich der diagnostischen Vorgehensweise ist außerdem hervorzuheben, dass die depressive und komorbide Symptomatik nicht nur im Selbst- sondern auch im Fremdurteil erhoben wurde, um mögliche Unterschiede in der Wahrnehmung und Beurteilung der Intensität der Symptomatik erfassen zu können. Zudem wurde zu Beginn der Studie auch ein klinisches Urteil in Bezug auf die depressive Symptomatik erhoben, um eine größere Objektivität der Beurteilung zu erzielen. Auch die Beurteilung der Behandlung erfolgte aus mehreren Perspektiven (Patient, Eltern, Therapeut). Da in Hinblick auf den globalen Selbstwert und die spezifischen Selbstwertdimensionen für das Jugendalter nur Selbstbeurteilungsfragebögen existieren, konnte kein Fremdurteil erhoben werden. Die Screeningfragebögen YSR und CBCL gelten, neben störungsspezifischen Fragebögen, als Standardverfahren im Rahmen einer multiplen 274 Diagnostik und haben sich auch in der vorliegenden Studie als hilfreich erwiesen zur Erfassung internaler und möglicher komorbider externaler Störungen im Prä-PostVergleich. Die Problemliste war ebenfalls gut geeignet um, unter Berücksichtigung der individualisierten therapeutischen Zielsetzungen, den Behandlungsverlauf anhand individuell definierter Probleme abzubilden. Die Problemliste wurde zwar von einigen Patienten nur ungern wöchentlich ausgefüllt, hat sich aber als geeignetes, veränderungssensitives Instrument zur Verlaufskontrolle erwiesen. Um insgesamt eine möglichst präzise und vergleichbare Status- und Verlaufsdiagnostik zu ermöglichen, wurden (abgesehen von der Problemliste) nur normierte Testverfahren ausgewählt und durchgeführt, die hinreichend hohe Reliabilitäten und nach Möglichkeit eine hohe Änderungssensitivität in Bezug auf die Symptomatik aufwiesen, wie beispielsweise der DIKJ. Da neben der Studienleiterin zwei Therapeutinnen in Ausbildung die Behandlung von insgesamt sechs Studienteilnehmern (50 % der Stichprobe) durchführten, konnte die Objektivität der Datenerhebung erhöht werden. Die Auswahl mehrerer Therapeuten diente auch dem Zweck, eine natürliche Variabilität der Anwendung der Behandlungsmaterialien sicherzustellen und um implizit die Anwenderfreundlichkeit des Behandlungsmanuals aus verschiedenen therapeutischen Perspektiven zu testen. 8.1 Interpretation der Ergebnisse Die Teilnehmer der Studie stammten aus überwiegend intakten, aber meist deutlich belasteten Familien, die üblicherweise in klinischen Inanspruchnahmepopulationen zu finden sind. Die Behandlungsbereitschaft und Änderungsmotivation der Jugendlichen war, abgesehen von einer Patientin, ausgesprochen hoch, was eher untypisch für die Altersphase der Adoleszenz ist und nicht unserer klinischen Erfahrung entspricht. Mit allen 12 Jugendlichen und deren Eltern konnte eine tragfähige therapeutische Allianz entwickelt werden, was vermutlich mit dazu beigetragen hat, dass kein Teilnehmer die Studie im Behandlungszeitraum beendet hat. Abgesehen von zwei Patientinnen, zeichneten sich alle übrigen zehn Patienten durch eine sehr ausgeprägte Symptomschwere aus. Die Hälfte der Patienten wies zudem mindestens eine komorbide, behandlungsbedürftige Störung auf, was die nachhaltige Symptomreduktion bzw. den Aufbau von Kompetenzen - und somit einen günstigen Therapieverlauf - mitunter erschwert hat. Betrachtet man die Ergebnisse auf Einzelfallebene, fällt auf, dass sich auch die komplex beeinträchtigten Jugendlichen im 275 Gesamtverlauf mehrheitlich gut stabilisieren ließen und ein altersangemessenes Funktionsniveau etabliert werden konnte. Allerdings erscheinen die im Studien-Design vorgesehenen 24 Therapiestunden rückblickend, in einigen Fällen, insbesondere wenn latente Suizidgedanken und eine labile Stimmungslage das klinische Bild der Jugendlichen dominierten, als unzureichend. Dieser Aspekt wird im Abschnitt, der sich den Limitationen der vorliegenden Studie widmet, ausführlicher erörtert. Das primäre Forschungsinteresse bestand darin, zu untersuchen, ob sich die depressive Symptomatik und die Selbstwertproblematik im Behandlungsverlauf signifikant reduzieren lassen und ob die Behandlung zu einem signifikanten Kompetenzzuwachs auf Seiten der Jugendlichen beiträgt. Daran anknüpften sollte überprüft werden, ob sich eine stärke Symptomreduktion bzw. ein stärkerer Kompetenzzuwachs in der Interventionsphase, im Vergleich zur behandlungsfreien Wartezeit, finden lässt. In diesem Kontext sollte des Weiteren untersucht werden, ob die Behandlungseffekte über einen dreimonatigen (behandlungsfreien) Follow-upZeitraum stabil bleiben. Betrachtet man zunächst die erste Forschungsfrage, ob sich die depressive Symptomatik im Verlauf der Behandlung signifikant verringert hat, ergibt sich in Bezug auf den generellen Verlaufseffekt hypothesenkonform eine signifikante Reduktion der depressiven Symptomatik im Verlauf der Interventionsphase. Diese signifikante Symptomreduktion zeigt sich auf den primären Outcomemaßen (SBB-DES, FBB-DES, DIKJ), gleichermaßen aus Jugendlichen- und Elternperspektive. Die Effektstärken liegen im mittleren bis hohen Bereich. Einhergehend mit der signifikanten Symptomreduktion zeigt sich im Behandlungsverlauf (Interventionsphase) außerdem ein signifikanter Kompetenzzuwachs der Jugendlichen, auch hier sowohl im Selbsturteil der Jugendlichen, als auch im Elternurteil, was die generelle Verlaufshypothese bestätigt. Gestützt werden die Befunde durch einen signifikanten Anstieg des globalen Selbstwertes sowie der spezifischen Selbstwertdimensionen im Interventionszeitraum. Die Effektstärken sind als hoch bis sehr hoch einzustufen. Neben der Vermutung, dass die Symptomatik sich aufgrund der durchgeführten Interventionen signifikant reduziert haben könnte, kommen auch andere Erklärungen in Betracht. Die starke Ausprägung der Symptomatik zu Studienbeginn, einhergehend mit einem hohen Leidensdruck und einer ausgeprägten Änderungsbereitschaft der 276 Jugendlichen, könnte beispielsweise - im Sinne der Anstrengungsrechtfertigung - auch als Erklärung für die signifikante Symptomreduktion im Behandlungsverlauf herangezogen werden. Denkbar ist auch, neben verschiedenen Effekten der Beurteilungsverzerrung, dass aufgrund der Symptomschwere mehr Veränderungsvarianz in Richtung Symptomreduktion gegeben war, als bei Vorliegen einer geringen Symptomausprägung der Patienten. Betrachtet man neben den generellen Zeiteffekten nun die differentiellen Effekte, d.h. die inkrementellen Effekte der Interventionsphase, wird deutlich, dass weder in Bezug auf die depressive Symptomatik, noch hinsichtlich der Selbstwertproblematik signifikante inkrementelle Effekte der Intervention gefunden werden konnten. Auch in Bezug auf die Kompetenzentwicklung wurden keine signifikanten inkrementellen Effekte der Behandlung verzeichnet. Das bedeutet, dass sich die Symptomatik zwar im Therapieverlauf signifikant verringert hat und sich der Selbstwert sowie die Kompetenzen im Verlauf signifikant verbessert haben, diese Effekte jedoch – in Relation gesetzt zur Wartephase – nicht signifikant stärker ausfallen. Die spezifischen Effekthypothesen konnten demnach auf keinem der definierten primären Outcomemaße bestätigt werden. Das Problem, das sich bei einem Eigenkontrollgruppen-Design häufig ergibt, ist, dass die potentiellen Effekte der Interventionsphase in der Regel nur dann signifikant werden, wenn in der Wartezeit keine Effekte beobachtbar sind. Zeichnet sich hingegen bereits in der Wartephase eine deutliche Symptomreduktion ab, wie es in der vorliegenden Studie der Fall ist, können zusätzliche signifikante Effekte der Behandlungsphase nur schwer nachgewiesen werden. Vergleicht man beispielsweise die Effektstärken, die im SBB-DES, FBB-DES und DIKJ in der Wartephase ermittelt wurden, stellt man fest, dass diese im mittleren Bereich liegen. Auch die Effektstärken der Kompetenzskalen liegen, bezogen auf die Wartephase, im kleineren bis mittleren Bereich. Um spezifische Effekte der Intervention nachweisen zu können, benötigt man u. a. generell eine deutlich größere Stichprobe. In einem randomisierten Kontrollgruppen-Design mit einer verblindeten Kontrollgruppe und einer ausreichend großen Stichprobe hätte man der Problematik der Wartezeiteffekte vermutlich besser begegnen können. Insofern ist mit dem Eigenkontrollgruppendesign ein sehr konservatives Vorgehen gewählt worden, weil es davon ausgeht, dass sich anfängliche Effekte in einer kurzen Wartezeit linear fortsetzten und ein Therapieeffekt 277 nur dann festzustellen ist, wenn sich in der Therapiephase deutlich stärkere Reduktionen einstellen, als anhand des Wartezeitverlaufs prognostiziert wird. Als Ursachen für die Reduktion der depressiven Symptomatik und die Zunahme der Kompetenzen in der behandlungsfreien Wartephase kommen in Betracht, dass die Patienten und deren Eltern bereits durch die Gewissheit, ein therapeutisches Angebot zu erhalten, eine deutliche Entlastung erfahren haben. Die Hoffnung auf qualifizierte therapeutische Unterstützung und die damit einhergehende Bearbeitung der subjektiven Belastungen, können, wie bei einem Placeboeffekt, dazu beigetragen haben, dass sich die depressive Symptomatik in der Wartezeit so deutlich verringert hat. In der Depressionsforschung ist der Placeboeffekt keine Seltenheit (Khan, Warner & Brown 2000, Khan & Brown 2015), viel verwunderlicher ist, dass sich dieser Effekt vermutlich auch in Bezug auf die Wahrnehmung der persönlichen Kompetenzen manifestiert hat. Die Forschungsliteratur weist eher darauf hin, dass der Aufbau von Kompetenzen ein mitunter langwieriger Prozess ist und es viel praktischer Übung im lebensnahen Umfeld bedarf, um die sozialen Fertigkeiten im Jugendalter nachhaltig zu verbessern. Eine plausible Erklärung für den wahrgenommenen Kompetenzzuwachs der Jugendlichen in der Wartezeit könnte daher sein, dass sich nicht die Kompetenzen als solche in der Wartezeit verbessert haben, sondern die Selbstwirksamkeitserwartung, die sich wiederum in einer positiven Beurteilung der persönlichen Fertigkeiten und ggf. einer besseren Einschätzung des Selbstwertes niederschlagen haben könnte. Analysiert man im nächsten Schritt die Effekte, die in der Follow-up-Phase erzielt wurden, zeigt sich weder in Bezug auf die depressive Symptomatik, noch bzgl. der Kompetenzen oder des Selbstwertes eine signifikante Veränderung nach Abschluss der Behandlung. Die postulierte Hypothese der Stabilität der Effekte im dreimonatigen Follow-up-Zeitraum konnte damit, sowohl für die depressive Symptomatik, als auch für den Selbstwert und die Kompetenzen der untersuchten Jugendlichen, bestätigt werden. Die Effektstärken liegen für alle eingesetzten Messinstrumente erwartungskonform - im sehr kleinen Bereich. Kritisch zu diskutieren ist an dieser Stelle sicherlich, ob ein dreimonatiges Follow-up die These der Stabilität der Effekte überhaupt stützt – zumal zwei Patienten auch während der Follow-up-Phase einige zusätzliche Termine erhalten haben. Auf diesen Aspekt wird im Zuge der 278 Beschreibung der Limitationen dieser Studie näher eingegangen. Streng genommen wurden in der vorliegenden Pilotstudie nur die Kurzzeiteffekte der Behandlung untersucht. Zur Analyse der langfristigen Effekte der Interventionen bedarf es zweifelsohne weiterer Forschung, unter der Voraussetzung längerer Katamnesezeiträume von beispielsweise sechs Monaten oder einem Jahr. Die sekundären Analysen bezogen sich zum einen auf die Fragestellung, ob sich die komorbide Symptomatik nach Abschluss der Interventionen, im Vergleich zum Zeitpunkt vor Behandlungsbeginn, signifikant verbessert hat (Prä-Post-Vergleiche). Des Weiteren wurde überprüft, inwieweit sich die Problemhäufigkeit und die daraus resultierende Problembelastung während der Behandlung reduziert haben. Da die individuelle Problemliste nur in der Interventionsphase erhoben worden ist, können keine Vergleiche mit der Warte- oder Follow-up-Phase erfolgen, was die Aussagefähigkeit in Bezug auf die Problemausprägung und –belastung deutlich einschränkt. Wenn man zunächst die Ergebnisse der Breitbandverfahren YSR (Jugendlichenurteil) und CBCL (Elternurteil) betrachtet, wird deutlich, dass sich auf allen drei Gesamtskalen (internale Skala, externale Skala, Gesamtskala) und auf allen drei internalen Subskalen (sozialer Rückzug, somatische Beschwerden, Ängstlichkeit / Depressivität) eine signifikante Symptomreduktion von Prä nach Post nachweisen ließ. Dies gilt in gleichem Maße für das Selbsturteil (YSR), wie für das Fremdurteil aus Elternsicht (CBCL). Die Effektstärken liegen, abgesehen von den Skalen „somatische Beschwerden“ im YSR (d = 0,76) und „externale Skala“ im CBCL (d = 0,63), alle in einem hohen bis sehr hohen Bereich. Somit konnte gezeigt werden, dass sich nicht nur die internale, sondern auch die externale Begleitsymptomatik von Prä (MZP1) nach Post (MZP6) signifikant verringert hat. Die formulierte Forschungshypothese konnte dementsprechend bestätigt werden. Einschränkend muss jedoch betont werden, dass die externale Begleitsymptomatik bei den untersuchten Jugendlichen ohnehin ungewöhnlich gering ausgeprägt war, im Vergleich zu anderen klinischen Stichproben. Die Effektstärke in Bezug auf die externale Symptomatik ist folglich, in Relation zu den für die anderen Skalen ermittelten Effektstärken, als vergleichsweise geringer einzustufen (externale Skala YSR d = 0,94; CBCL d = 0,63). Da es sich bei diesen Analysen um Prä-Post-Vergleiche handelt, können die Ergebnisse nicht in Relation zur 279 Wartezeit oder zum Follow-up-Zeitraum gesetzt werden. Es bleibt aufgrund der fehlenden Kontrollgruppe außerdem unklar, ob sich die Effekte auf die Interventionen zurückführen lassen. Im Rahmen der sekundären Analysen wurde auch die individuelle Problemliste ausgewertet. Die statistische Auswertung der im Interventionszeitraum wöchentlich erhobenen individuellen Problemliste weist auf eine signifikante Reduktion der Problemhäufigkeit und Problembelastung der Jugendlichen im Therapieverlauf hin. Die Effektstärken sind als hoch einzuschätzen. So wurde für die Problemhäufigkeit eine Effektstärke von d = -1,64 ermittelt und für die Problembelastung eine Effektstärke von d = -1,25. Da die Problemliste nur vom Jugendlichen ausgefüllt worden ist und zudem nur im Interventionszeitraum, sind die Ergebnisse nur unter Vorbehalt interpretierbar. Da keine Informationen über die Problemausprägung vor Beginn der Behandlung vorliegen, sind keine Rückschlüsse auf die Zeit vor Beginn der Interventionen zulässig. Denkbar ist, dass es bereits in der Wartephase zu Veränderungen in Bezug auf die Problemhäufigkeit oder wahrgenommene Belastung gekommen ist. Umgekehrt muss auch in Erwägung gezogen werden, dass sich die Problemausprägung und Belastung durch die Probleme im Follow-up-Zeitraum wieder deutlich verschlechtert haben könnten. Diese Fragestellung kann nicht beantwortet werden. Ziel weiterführender Forschungsarbeiten sollte daher sein, die Problemhäufigkeit und –belastung auch in der Wartezeit und bei der Follow-upMessung zu erheben. Obwohl die Problemliste nur im Interventionszeitraum eingesetzt wurde, hat sie sich in der vorliegenden Studie als änderungssensitives Messinstrument auf Individualebene erwiesen. Problematisch ist jedoch, dass differenzierte, interindividuelle Vergleiche der Patienten nicht möglich waren, da die Patientin teilweise sehr unterschiedliche Probleme als Hauptprobleme definiert haben. Bei der Analyse der Problemlisten auf Individualebene zeigte sich zudem im Gesamtverlauf eine große Fluktuation in der Problembelastung. Bei einigen Patienten nahm die Problembelastung in den Ferien deutlich ab, obwohl die definierten Probleme keine schulbezogenen Probleme waren. Es ist daher davon auszugehen, dass die ferienbedingte Entlastung der Jugendlichen sich auch auf die Beurteilung der problembezogenen Belastung ausgewirkt hat. Kritisch ist ferner anzumerken, dass die Problemliste nur durch den Jugendlichen 280 bearbeitet wurde und somit keine objektivierbaren Informationen aus Sicht der Eltern oder der Lehrer vorliegen. Auf ein externes Urteil wurde verzichtet, weil die Eltern in unterschiedlicher Intensität an den Therapiesitzungen teilgenommen haben und die Lehrer, auf Wunsch der Jugendlichen, zum Teil gar nicht in die Behandlung involviert wurden. Bei der Konzeption künftiger Forschungsarbeiten wäre es ratsam, zumindest einmal monatlich eine Problemliste durch die Eltern beurteilen zu lassen, um neben dem sehr subjektiven Selbsturteil der Jugendlichen auch ein etwas objektiveres Fremdurteil zu erhalten. Schließlich wurden im Rahmen der weiteren Analysen auch die Behandlungszufriedenheit und der Erfolg der Behandlung aus Sicht des Patienten, der Eltern und des behandelnden Therapeuten untersucht. Hierbei ist, wie bei allen diagnostischen Verfahren, nicht auszuschließen, dass bestimmte Antworttendenzen, beispielsweise bedingt durch sozial erwünschtes Verhalten oder die Rechtfertigung der Anstrengungen der Patienten und Eltern im Studienverlauf („effort justification“), vorliegen. Denkbar ist natürlich auch, dass die Patienten und Eltern, bei Vorliegen einer guten therapeutischen Beziehung, dem Therapeuten zuliebe den Behandlungsverlauf besonders positiv darstellten und dementsprechend auch eine hohe Behandlungszufriedenheit angaben. Umgekehrt ist auch möglich, dass die Familien sich unwohl bei dem Gedanken fühlten, dass der Therapeut anhand der Fragebögen nachvollziehen kann, ob sie mit der Therapie und dem Therapeuten zufrieden waren und deshalb positive Beurteilungen abgaben. Um den Jugendlichen und deren Familien ein möglichst neutrales Bewerten der Behandlung zu ermöglichen, wurden die Fragebögen zur Zufriedenheit mit der Behandlung mit nach Hause gegeben und nicht in der Therapiestunde, in Gegenwart des Therapeuten, ausgefüllt. Obwohl die Limitationen der Studie weiter unten ausführlich diskutiert werden, sollte an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Bewertung der Ergebnisse aufgrund der zu geringen Anzahl und dadurch nicht auswertbarer Lehrerurteile primär auf der Beurteilung der Jugendlichen beruht und in Bezug auf einige Symptombereiche auch auf der ergänzenden Beurteilung durch die Eltern. Damit fehlt eine außerfamiliäre Informationsquelle im Kontext der Gesamtbewertung der Forschungsergebnisse. 281 8.2 Bewertung des Effektivität des Therapiemoduls SELBST Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme Die Effektivität der Therapiemanuals kann, wie bereits im Rahmen der Interpretation der Forschungsergebnisse ausführlich dargelegt, nur richtungsweisend erfolgen. Hinzu kommt, dass aufgrund des Studiendesigns keine statistischen Analysen in Bezug auf die Wirksamkeit einzelner Interventionsbausteine möglich waren. Daher werden im Folgenden die Vorzüge und Schwierigkeiten in Bezug auf die Anwendbarkeit und Umsetzbarkeit der therapeutischen Materialien bzw. der einzelnen Therapiebausteine aus klinischer Sicht beurteilt. Bei der Bewertung der Therapiematerialien und des gesamten Studienablaufs wurden auch maßgeblich die Rückmeldungen der Jugendlichen und deren Bezugspersonen berücksichtigt. Aus therapeutischer Sicht wird deutlich, wie wesentlich eine strukturierte Gestaltung der probatorischen Phase sowohl für den Therapeuten, als auch für die Studienteilnehmer gewesen ist. Die ausführliche Exploration der individuellen Problembereiche aus der Perspektive des Jugendlichen und der Eltern, sowie die detaillierte Formulierung der Therapieziele scheinen die Behandlungsmotivation der Patienten gestärkt zu haben. Die Erarbeitung eines gemeinsamen multifaktoriellen Störungsmodells und die im Therapieverlauf wiederkehrenden psychoedukativen Elemente haben u. a. zur Erweiterung des Wissens über depressive Störungen und Selbstwertprobleme im Jugendalter beigetragen und wurden von den Familien durchweg als hilfreich beurteilt. Die explizite Benennung individueller auslösender und aufrechterhaltender Faktoren der Depression und Selbstwertstörung hat für mehr Verständnis auf Seiten der Eltern gesorgt und bereits in der probatorischen Phase zu einer Entlastung der Jugendlichen beigetragen. Es ist zudem der Eindruck entstanden, dass durch die Entwicklung eines individuellen Störungsmodells gleichzeitig verdeutlicht werden konnte, welche auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren im Rahmen der Therapie bearbeitet werden müssen, um eine Reduktion der Symptomatik zu erzielen. Dies wiederum hat die Therapiemotivation und die Compliance, nach klinischer Beurteilung, gestärkt und die Formulierung angemessener Therapieziele erleichtert. Eine sorgfältige, möglichst transparente Therapieplanung ist allerdings nicht nur in der probatorischen Phase sinnvoll, sondern hat sich, aus Sicht der behandelnden Therapeutinnen, auch im weiteren Verlauf der Behandlung bewährt. Wie bei den 282 meisten psychiatrischen Störungsbildern, erscheint es auch bei depressiven Jugendlichen hilfreich, eine gewisse wiederkehrende und vorhersehbare Struktur beizubehalten und möglichst früh im Therapieprozess Erfolgserlebnisse zu schaffen, um die Therapiemotivation aufrecht zu erhalten. Aus diesem Grund wurden die Therapieziele in kleine Teilziele unterteilt, die aus Sicht der Patienten und des Therapeuten möglichst leicht zu realisieren waren. Obwohl das evaluierte Behandlungsmodul keine Vorgaben hinsichtlich der Reihenfolge der Durchführung der Therapiebausteine vorsieht, hat es sich in der untersuchten klinischen Stichprobe bewährt, mit den stärkenfokussierten und ressourcenaktivierenden Methoden oder alternativ mit den aktivitätssteigernden Interventionen zu beginnen, vor allem bei sehr antriebsarmen und sozial rückzügigen Jugendlichen. Bei Patienten mit vorherrschenden Kompetenzdefiziten und starken Zweifeln an der eigenen Person zeigte sich jedoch im Rahmen der Studie, dass ein zu früher Einsatz antriebssteigernder Interventionen mitunter zu einer Zunahme von sozialer Ängstlichkeit und in Konsequenz zu Widerständen in Bezug auf die Umsetzung der Therapiehausaufgaben führen kann. Dies konnte insbesondere bei den sozial phobischen Jugendlichen beobachtet werden. Die Patienten profitierten auch von den achtsamkeitsfokussierten Übungen, wenngleich nicht alle Patienten die Übungen zu Hause vertieften. Einen wesentlichen Anteil der Therapie nehmen konzeptionell im Behandlungsmanual SELBST – und insbesondere im untersuchten Modul „Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme“ – kognitive Interventionen ein. Kognitive Interventionen haben sich insgesamt hinsichtlich ihrer Wirksamkeit in der Behandlung von depressiven Jugendlichen und Erwachsenen als effektiv erwiesen. Auch in der vorliegenden Pilotstudie kann dies nach klinischem Eindruck bestätigt werden. Da ausschließlich Jugendliche und keine jüngeren Kinder behandelt wurden, konnten die kognitiven Interventionen gut nachvollzogen und manualgetreu umgesetzt werden. Dies liegt sicherlich auch daran, dass alle Jugendlichen durchschnittlich begabt waren. Die psychoedukativen Elemente des kognitiven Bausteins konnten von den Jugendlichen und den Eltern gut verinnerlicht werden. Während ein Großteil der Patienten im Therapieverlauf optimistischere Zukunftsgedanken entwickeln konnte, fiel es einigen Jugendlichen schwer, positive Kognitionen in Bezug auf die eigene Person zu entwickeln. Rückblickend entstand der Eindruck, dass selbstbezogene Kognitionen 283 änderungsresistenter waren als Kognitionen in Bezug auf die Umwelt oder die Zukunft. Bei der Therapieplanung sollte daher berücksichtigt werden, mehr Zeit für die Korrektur selbstabwertender Kognitionen einzuplanen und diese mit erlebnisorientierten Interventionen, die die Wahrscheinlichkeit von Erfolgserlebnissen erhöhen, zu kombinieren. In Bezug auf die Interventionen, die auf die Steigerung der sozialen Kompetenzen zielen, konnte aus den Rückmeldungen der Jugendlichen und der Eltern eine gute Akzeptanz der Therapiematerialien abgeleitet werden. Insbesondere Interventionen, die die Kontaktaufnahme und –gestaltung trainierten, wurden – nach gelegentlicher anfänglicher Skepsis und Unsicherheit – sehr gut von den Jugendlichen angenommen. Aus Therapeutensicht erwiesen sich hierbei in erster Linie die Rollenspiele und Übungen im persönlichen Umfeld der Jugendlichen als effektiv. Auch die Interventionen zur Verbesserung der intrafamiliären Kommunikation und besseren Kritikfähigkeit wurden gut akzeptiert und zeigten eine entlastende Wirkung innerhalb des Familiensystems. Den Jugendlichen sollte unserer Erfahrung nach auch ausreichend Möglichkeit zur Erprobung neu erlernter Fertigkeiten im therapeutischen Setting (z.B. in Form von Rollenspielen) und im Alltag gegeben werden. Es hat sich gezeigt, dass es hilfreich war, wenn die Eltern über die geplante Erprobung neu erworbener Kompetenzen informiert waren und die Übungen zu Hause bei Bedarf unterstützten. Als relevante Wirkfaktoren können in diesem Kontext die Selbstwirksamkeitserwartung der Jugendlichen, Probleme erfolgreich meistern zu können, altersadäquat mit anderen Jugendlichen in Kontakt zu treten und sich angemessen gegenüber Gleichaltrigen behaupten zu können, in Betracht gezogen werden. Die Steigerung der Selbstwirksamkeit wiederum scheint sich positiv auf den Selbstwert auszuwirken und trägt vermutlich, neben anderen Wirkfaktoren, zur Stabilisierung der Stimmung bei. Weiterführende Studien sollten dieser interessanten Fragestellung des Einflusses von erlebter Selbstwirksamkeit auf die Kompetenzerwartung und die Selbstwertentwicklung in der Adoleszenz vertiefend nachgehen. Wichtig erscheint auch, die Interventionen zur Stärkung der Selbstwirksamkeit von Jugendlichen gezielt weiterzuentwickeln, da sie vermutlich nicht nur den Therapieverlauf stabilisieren, sondern eventuell auch einen protektiven Effekt besitzen. 284 Ein weiterer Therapiebaustein, der sich in der Studie als effektiv dargestellt hat, ist der Baustein zur Affektregulation und Impulskontrolle. Zwar haben nicht alle Patienten Schwierigkeiten mit der Impulskontrolle gehabt, aber bei den Patienten, die zu selbstverletzendem Verhalten neigten, haben sich die Interventionen, aus klinischer Sicht und laut Rückmeldung der Jugendlichen, als sehr wirksam erwiesen. Von den Therapiematerialien zur Verbesserung der Affektregulation profitierten augenscheinlich in besonderem Maße die Jugendlichen mit starken, teils unvorhersehbaren „kritischen Stimmungsschwankungen. Situationen“ und von Die Erarbeitung Frühwarnzeichen, die von einem typischen emotionalen Kontrollverlust und dem Verlust der Impulskontrolle vorausgehen, scheint für die untersuchten Patienten sehr hilfreich gewesen zu sein. Durch das Erlernen altersadäquater Handlungsalternativen und den Abbau maladaptiver Verhaltensweisen, als Reaktionen auf frustrierende Ereignisse, konnte vermutlich dem subjektiven Gefühl der Unkontrollierbarkeit der Situation und den daraus resultierenden Emotionen entgegengewirkt werden. Da die Elternarbeit in unterschiedlicher Intensität erfolgte, einige Eltern sogar gar nicht in den therapeutischen Prozess involviert wurden, können vergleichsweise wenige fundierte Hinweise auf die Umsetzbarkeit der bezugspersonenzentrierten Interventionen gegeben werden. Die Eltern scheinen aber, dem klinischen Eindruck nach zu urteilen, vor allem von den Interventionen zur Stärkung der Erziehungskompetenzen profitiert zu haben. Auch die fundierte Psychoedukation über die Entstehung resp. den Verlauf von Depressionen und Selbstwertproblemen, sowie die Informationen über geeignete verhaltenstherapeutische Interventionen, wurden von den Bezugspersonen sehr gut aufgenommen und als hilfreich eingeschätzt. Insgesamt wurde die Behandlung mit dem SELSBT-Modul „Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme“, sowohl von den Jugendlichen und deren Eltern, als auch von den Therapeutinnen, erwartungsgemäß positiv bewertet. Die Behandlungszufriedenheit nach Abschluss der Studie ist im Patienten- und Therapeutenurteil als gut eingeschätzt worden, im Elternurteil sogar als sehr gut. Der Behandlungserfolg ist aus Sicht der Jugendlichen und der Eltern überwiegend erfolgreich. Aus Sicht der Therapeutinnen liegt gemittelt sogar ein vollständig erfolgreicher Behandlungsverlauf vor. Die überaus positive Bewertung des Behandlungserfolges 285 aus Therapeutensicht, die erstaunlicherweise besser ausfällt, als die Beurteilung der Familien, könnte auf ein Antwortbias (im Sinne von „effort justification“) hinweisen, verbunden mit der Hoffnung eines erfolgreichen Therapieverlaufes und der daraus resultierenden positiveren Therapiebeurteilung. Alternativ ist auch denkbar, dass die Jugendlichen zwar eine deutliche Linderung der Primärsymptomatik wahrgenommen haben, die sich auch in der Verlaufsdiagnostik widerspiegelt, aber eventuell weitere Belastungen vorliegen, die nicht Gegenstand der Therapie waren und zu der etwas skeptischeren Beurteilung des Behandlungserfolges beigetragen haben. Viele Jugendliche haben in den Abschlussstunden, in denen neben der Rückfallprophylaxe auch die erzielten Therapiefortschritte reflektiert wurden, berichtet, dass sie zwar eine deutliche Stimmungsaufhellung und Aktivitätssteigerung registrieren und auch optimistischere Denkmuster entwickelt haben, aber sich zum Teil nach wie vor unsicher in unterschiedlichen sozialen Situationen fühlen. Insbesondere das souveräne Auftreten im Gleichaltrigenverband und das Knüpfen neuer Kontakte stellt für einen Teil der untersuchten Patienten, auch nach Therapieabschluss, eine Herausforderung dar. Aus diesem Grund erscheint es unabdingbar, wie ausführlich beschrieben, ausreichend Zeit für die Erprobung neuer Fertigkeiten im Alltag einzuplanen, um die erzielten Therapieerfolge auch nachhaltig im persönlichen Lebensumfeld der Jugendlichen zu verankern. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass das Behandlungsmodul „SELBST Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme“ als hilfreich und gut anwendbar in Bezug auf die Behandlung von depressiven Störungen und Selbstwertproblemen in der Adoleszenz beurteilt werden kann. Die Pilotstudie zeigt, trotz der sehr geringen Stichprobengröße von 12 Patienten, rekrutiert aus einer Inanspruchnahmepopulation, erste Hinweise auf die Wirksamkeit und Stabilität der durchgeführten Interventionen. 8.3 Einordnung der Ergebnisse in den Forschungsstand Die aktuelle Studienlage in Bezug auf die Effektivität kognitiv-behavioraler Interventionen zur Behandlung von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektstörungen weist zusammenfassend auf die Wirksamkeit kognitiv-behavioraler Methoden hin. Die Ergebnisse bisheriger randomisierter Kontrollgruppen-Studien und Meta-Analysen, die beispielsweise die Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Methoden, bezogen auf depressive Jugendliche, untersucht haben, weisen auf eine signifikante Überlegenheit 286 der verhaltenstherapeutisch behandelten - im Vergleich zu unbehandelten Jugendlichen - hin (Michael & Crowley 2002; Weisz et al. 2006; Watanabe et al. 2007; Zhou, Hetrick, Cuijpers, Qin, Barth, Whittington et al. 2015). Grundsätzlich stehen die Ergebnisse der vorliegenden Pilotstudie, in Bezug auf die Wirksamkeit der eingesetzten kognitiv-behavioralen Methoden, in Einklang mit dem aktuellen Forschungsstand. Vergleicht man die vorliegende Studie mit anderen Studien, die ebenfalls die Wirksamkeit kognitiv-behavioraler Interventionen an einer Stichprobe depressiver Jugendlicher überprüft haben, fällt auf, dass die Dauer der Behandlung in der Regel deutlich kürzer ist, d. h. mehrheitlich ca. 6 – 16 Sitzungen umfasst (Zhou et al. 2015). In der vorliegenden Studie wurde explizit eine längere Therapiedauer (24 Therapiesitzungen) gewählt. Des Weiteren besteht die kognitiv-behaviorale Behandlung in den meisten Studien nahezu ausschließlich aus kognitiven Techniken (kognitive Umstrukturierung) und Aktivitätssteigerung. So wurden beispielsweise in der Studie von Stice, Rohde, Gau & Wade (2010), im Rahmen von sechs Gruppensitzungen, angenehme Aktivitäten und der Umgang mit künftigen Stressoren thematisiert, sowie die Methode der kognitiven Umstrukturierung vermittelt. In der TADS-Studie (TADS-Team 2004) wurden kognitiv-behaviorale Methoden, wie Aktivitätssteigerung, Problemlösen und kognitive Umstrukturierung, in Hinblick auf ihre Wirksamkeit im Vergleich zu einer Fluoxetin-Behandlung, einer Kombinationsbehandlung (CBT+Fluoxetin) und einer Placebobehandlung untersucht. Ähnlich, wie in der vorliegenden Studie, wurden die Eltern aktiv in den therapeutischen Prozess involviert. Der entscheidende Unterschied gegenüber anderen Effektivitätsstudien ist, dass in dieser Studie neben der Aktivitätssteigerung und der kognitiven Umstrukturierung auch explizit Interventionen zur Verbesserung des Selbstbildes, zur Stärkung Impulskontrolle und Affektregulation und zum Training der sozialen Kompetenzen bzw. zur Erweiterung der Problemlösekompetenzen durchgeführt worden sind. Des Weiteren fanden im Rahmen der Behandlung auch achtsamkeitsbasierte Verfahren und Biografiearbeit Anwendung. Somit erfolgt die Beurteilung der Interventionen des SELBST Moduls auf einer breiten Basis verhaltenstherapeutischer Methoden. Vergleicht man den Grad der Individualisierung der psychotherapeutischen Behandlung mit anderen Studien, wird deutlich, dass in den Publikationen meist nicht explizit beschrieben wird, auf welcher Grundlage die Auswahl und Reihenfolge der 287 Interventionen erfolgt ist. Oft wird, zur besseren Vergleichbarkeit der Studienergebnisse, ein standardisiertes Vorgehen favorisiert. In der TADS-Studie (2004) wird beispielsweise zumindest ein individualisiertes Vorgehen beschrieben, in der Gestalt, dass die Auswahl der verhaltenstherapeutischen Methoden zwischen der 7. und 12. Behandlungswoche durch den Therapeuten erfolgte. Die SPARX-Studie (Merry et al. 2012), vergleicht ein computergestütztes kognitiv-behaviorales Behandlungsprogramm mit einer „treatment as usual“ Behandlungsbedingung (psychologische Behandlung oder pädagogische Beratung). Bei der SPARX-Studie wurde ein standardisiertes Vorgehen gewählt, bei dem die Jugendlichen alle sieben Interventionen in gleicher Weise durchlaufen. Der SELBST-Studie liegt dagegen ein individualisiertes Vorgehen zugrunde, um möglichst reale Behandlungsbedingungen zu schaffen, die einem ambulanten Behandlungssetting entsprechen. Hinsichtlich der eingesetzten Messinstrumente und gewählten Messzeitpunkte zeigt sich, im Vergleich zu anderen Effektivitätsstudien, erwartungsgemäß, eine große Variabilität. In der SELBST-Studie wurden die Daten, im Sinne einer Verlaufsmessung, zu insgesamt sieben Messzeitpunkten erhoben. Somit waren Vergleiche der Wartephase mit dem Interventionszeitraum möglich, ebenso wie potentielle Veränderungen während der Follow-up-Phase. Zur Erhebung des globalen Selbstwerts wurde – orientiert an einer Vielzahl internationaler Studien – die „Rosenberg Self-esteem Scale“ eingesetzt. Auch die „Child Behavior Checklist“ resp. der „Youth Self Report“ werden international in vielen Studien zur Erhebung internaler und externaler Symptomatik genutzt und wurden dementsprechend auch in der vorliegenden Studie zur Erfassung der komorbiden Symptomatik angewandt. Das störungsspezifische Verfahren DIKJ, zur Erfassung der depressiven Symptomatik, stellt die deutsche Version des „Children’s Depression Inventory“ dar, welches neben der „Children’s Depression Rating Scale“ zu den international häufig gebräuchlichen Verfahren gehört. Neben den Selbstbeurteilungsverfahren erfolgte in der SELBSTStudie auch eine Fremdbeurteilung der depressiven und komorbiden Symptomatik durch die Eltern (FBB-DES, CBCL). Vergleicht man abschließend die Ergebnisse kontrollierter Effektivitäts-Studien, mit der vorliegenden Eigenkontrollgruppen-Studie, wird deutlich, dass die Effekte in Bezug auf die Reduktion der depressiven Symptomatik vergleichbar sind. In der Meta-Analyse von Michael & Crowley (2002), in der 24 Studien mit über 1100 depressiven Kindern und Jugendlichen berücksichtig worden sind, konnte beispielsweise, im Vergleich der 288 Behandlungs- mit der Kontrollgruppe, eine mittlere Effektstärke von 0.72 ermittelt werden. Die Meta-Analyse von Weisz und Kollegen (2006), die insgesamt 35 kontrollierte Studien berücksichtigt hat, weist ebenfalls auf eine moderate Effektstärke kognitiv-behavioraler Interventionen hin (ES 0.35). In der vorliegenden Studie wurde in Bezug auf das DIKJ während der Interventionsphase ebenfalls eine mittlere Effektstärke von -0,42 (im Sinne einer moderaten Symptomreduktion) ermittelt. In den Selbst- und Fremdbeurteilungsbögen zur depressiven Symptomatik konnten für den Zeitraum der Intervention (MZP2 bis MZP6) sogar sehr hohe Effektstärken ermittelt werden (SBB-DES d = -1,45; FBB-DES d = -1,13). Die Befunde weisen auf eine klinisch bedeutsame Symptomreduktion im Behandlungsverlauf hin, obgleich die Symptomreduktion, in Relation zur Wartezeit, nicht signifikant ist. In einer randomisierten Kontrollgruppen-Studie von De Cuyper, Timbremont, Breat, De Backer & Wullert (2004) wurden depressive Kinder im Alter von zehn bis 12 Jahren, die am kognitiv-behavioralen Programm „Taking Action“ von Stark & Kendall (1996) teilnahmen, mit Kindern einer Warte-Kontrollgruppe verglichen. Neben der Erfassung der depressiven Symptomatik („Children’s Depression Inventory“) wurde auch explizit die globale Selbstwertschätzung mittels des „Self Perception Profile for Children“ (Untertest „global self-worth“) erfasst. Zusätzlich zum Selbsturteil der Kinder wurde ein Fremdurteil über die Eltern (CBCL) erhoben. Die Autoren konnten in Bezug auf die globale Selbstwertschätzung zum 4-Monats-Follow-up eine Effektstärke von d = 1.34 und zum 12-Monats-Follow-up eine Effektstärke von d = 1.25 ermitteln. Vergleicht man diese Befunde mit den Daten der vorliegenden Studie, zeigt sich in Bezug auf die Skala zur allgemeinen Selbstwertschätzung (Subskala des FSKN) in der Interventionsphase eine geringere Effektstärke von d = 0,55. Auch in Bezug auf den globalen Selbstwert, erfasst über die Rosenberg Self-esteem Scale, konnten nur mittlere Effektstärken 0,50 ermittelt werden. Die abweichenden Effektstärken lassen sich wahrscheinlich u.a. auf Unterschiede hinsichtlich der Ausprägung der depressiven Symptomatik der Patienten zurückführen. Während in der Studie von De Cuyper et al. nur Kinder mit moderater depressiver Symptomatik behandelt worden sind, die dementsprechend wahrscheinlich auch nur leichte Selbstwertprobleme hatten, konnten vermutlich bessere Therapieerfolge in Bezug auf die allgemeine Selbstwertschätzung erzielt werden als in der SELBST-Studie, in der überwiegend Jugendliche mit deutlicher depressiver Symptomatik und ausgeprägter Selbstwertstörung behandelt wurden. Als 289 weiterer Grund für die divergierenden Effektstärken könnte auch das unterschiedliche Altersspektrum (Prä-Adoleszenz vs. Adoleszenz) herangezogen werden, was die Vergleichbarkeit der Daten erschwert. Zusammenfassend lässt sich folglich festhalten, dass die Effekte der vorliegenden Pilotstudie, zumindest in Bezug auf die Reduktion der depressiven Symptomatik, mit den Ergebnissen publizierter Meta-Analysen übereinstimmen. In Bezug auf die Verbesserung des Selbstwertes konnten im Vergleich zu anderen Effektivitätsstudien tendenziell ähnliche Befunde gefunden werden, wenngleich die Studien aufgrund unterschiedlicher Studien-Designs, anderer Interventionen und variierender Stichprobenzusammensetzung (deutlich jüngere Kinder oder Erwachsene, andere Primärsymptomatik, wie Essstörung oder Angststörung etc.) nur bedingt vergleichbar sind. 8.4 Limitationen der Studie und Ausblick Die größte Limitation der vorliegenden Pilotstudie stellt die sehr kleine Stichprobengröße von 12 Studienteilnehmern dar. Da es sich zudem um eine homogene Stichprobe depressiver Adoleszenten handelt, können die Ergebnisse nicht generalisiert werden auf andere Störungsbilder, die häufig im Jugendalter auftreten bzw. auf jüngere Kinder und junge Erwachsene. Die geringe Stichprobengröße trägt zu einer massiven Verringerung der statistischen Power bei, was dazu führt, dass eventuell vorhandene Effekte der therapeutischen Interventionen des SELBST-Moduls nicht nachgewiesen werden können. Treatmentspezifische Effekte würden sich erst bei hinreichend großer Stichprobe und damit wachsender Teststärke statistisch signifikant aufdecken lassen. Hinzu kommt, dass die Wartezeit, im Vergleich zum Interventionszeitraum, als sehr kurz einzuschätzen ist. Kritisch zu diskutierten ist in diesem Zusammenhang auch, ob der gewählte Interventionszeitraum - mit insgesamt 24 Therapiestunden - ausreichend war, um die Selbstwertproblematik sowie die depressive Symptomatik der Probanden nachhaltig zu therapieren. Von weiteren sechs Therapiestunden, d.h. einer Gesamttherapiedauer von ca. 30 Stunden, was dem Stundenkontingent einer Kurzzeittherapie entspricht, hätten sicherlich alle Patienten profitiert. Dies hätte möglicherweise zu einer weiteren Stabilisierung der erzielten Behandlungseffekte beigetragen. Zudem wäre eine variable Therapiedauer der interindividuell mehr oder weniger stark variierenden depressiven Symptomatik besser gerecht geworden, jedoch hätte dies die Interpretierbarkeit der Ergebnisse deutlich erschwert. Des Weiteren hätte eine längere Follow-up-Phase von 290 beispielsweise sechs Monaten oder einem Jahr fundiertere Informationen über die Langzeitstabilität der Behandlungseffekte geliefert, als ein 3-Monats-Follow-up. Da jedoch längere Katamnesezeiträume immer die Gefahr des Verlusts von Studienteilnehmern mit sich bringen und ein Stichprobenumfang von N = 12 Patienten ohnehin als sehr kleine Stichprobengröße zu werten ist, wurde bewusst eine kurze Follow-up-Phase von drei Monaten gewählt. Die Interpretation der Ergebnisse der Pilotstudie darf dementsprechend, sowohl aufgrund der geringen Stichprobengröße und fehlenden Kontrollgruppe, als auch vor dem Hintergrund der kurzen Follow-upPhase, nur richtungsweisend erfolgen. Da die katamnestische Behandlungseffekte Untersuchung diente, waren der in Überprüfung diesem der Zeitraum Stabilität keine der weiteren Therapiestunden vorgesehen. Dies konnte jedoch in zwei Fällen nicht umgesetzt werden, da bei diesen Patienten – trotz klinisch bedeutsamer Linderung der Symptomatik – keine hinreichende Stabilisierung der Behandlungserfolge nach 24 Therapiestunden erreicht werden konnte. Eine dieser Patientinnen erhielt im Followup-Zeitraum insgesamt drei weitere Therapiesitzungen (1x monatlich ein Termin). Eine andere Patientin wurde im Anschluss an die Interventionsphase vier Wochen lang stationär behandelt und erhielt nach der stationären Behandlung (während der Followup-Phase) zusätzlich drei Therapiestunden. Diese Patientin war bereits zu Beginn der Studie hoch belastet und zeichnete sich im gesamten Behandlungsverlauf durch schnell wechselnde Stimmungslagen und wiederkehrende Suizidgedanken aus, so dass eine Stabilisierung im stationären Setting notwendig war. Da die Patientin laut eigener Einschätzung dennoch sehr von der zuvor eingeleiteten verhaltenstherapeutischen Behandlung profitierte und der stationäre Aufenthalt aus Sicht aller Beteiligten nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung der Stimmung beigetragen hat, wurde die Therapie – nach Abschluss der Studie – fortgesetzt. Eine weitere Patientin konnte im Studienverlauf zwar hinsichtlich der Selbstwertproblematik und der Stimmung erfolgreich stabilisiert werden, so dass im Katamnesezeitraum keine weiteren Termine notwendig waren, sie zeigte jedoch zum Follow-up-Zeitpunkt weiterhin sozial phobische Symptome. Daher wurde die Behandlung der sozialen Phobie, nach Abschluss der Studie, fortgesetzt. Bei den statistischen Analysen wurden die oben genannten beiden Patientinnen, die während des Follow-up-Zeitraumes 291 weiterhin ein therapeutisches Behandlungsangebot erhielten, mit einbezogen. Kritisch ist an diesem Vorgehen anzumerken, dass die Behandlungserfolge dadurch nicht ausschließlich auf die Interventionen während der Interventionsphase zurückführbar sind, sondern möglicherweise in diesen beiden Fällen besser durch die Intensivierung des Behandlungsangebotes im Follow-up-Zeitraum erklärt werden können. Ein Beweggrund für den Nichtausschluss der Patientinnen aus der Studie war, dass die Stichprobengröße von insgesamt 12 Studienteilnehmern ohnehin als sehr klein einzustufen ist und die statistische Power bei Ausschluss der beiden Patientinnen aus den Analysen noch geringer ausgefallen wäre. Eine weitere Limitation stellt dar, dass eine Patientin im Therapieverlauf medikamentös auf SSRI’s eingestellt worden ist, was bei den statistischen Analysen nicht berücksichtigt wurde. Die Behandlungserfolge dieser Patientin können folglich nicht ausschließlich auf Effekte der psychotherapeutischen Behandlung zurückgeführt werden, sondern sind sicherlich anteilig auch durch die Begleitmedikation erklärbar. Es muss in diesem Fall auch in Erwägung gezogen werden, dass ohne Medikation vermutlich eine deutliche Symptomverschlechterung eingetreten wäre, die durch die verhaltenstherapeutischen Interventionen mitunter nur unzureichend beeinflussbar gewesen wäre. Eine andere, nicht unwesentliche Problematik, ergibt sich aus der Tatsache, dass die Studienteilnehmer aus einer Inanspruchnahmepopulation rekrutiert wurden. Betrachtet man die Ergebnisse der Eingangsdiagnostik auf Einzelfallebene, gewinnt man den Eindruck, dass die rekrutierten Patienten möglicherweise eine gravierendere depressive Symptomatik bzw. Selbstwertproblematik und mehr komorbide Störungen aufwiesen als üblicherweise zu erwarten ist. Fast alle Patienten zeichneten sich zu Beginn der Studie auf den primären Outcomemaßen durch eine sehr hohe Symptomstärke und einen hohen Leidensdruck aus. Die biografische Anamnese der meisten Patienten war geprägt von multiplen Belastungsfaktoren und Kränkungen in der Vorgeschichte, was mit Sicherheit zur Aggravierung resp. zum Persistieren der depressiven Symptomatik und Selbstwertproblematik beigetragen hat. Die besonders ausgeprägte Symptomatik der Patienten impliziert rückblickend, dass bei einigen Patienten eine längere und evtl. intensivere Therapie notwendig gewesen wäre, als im vorliegenden Studiendesign vorgesehen war. Bei einer chronifizierten Symptomatik 292 und dem Vorliegen komorbider Störungen ist außerdem zu erwarten, dass der Therapieerfolg nach 24 Behandlungsstunden deutlich geringer ausfällt, als bei Patienten mit weniger ausgeprägter Symptomatik. Eine weitere Limitation der Studie besteht in der möglicherweise nicht hinreichenden Objektivität in Hinblick auf die Durchführung der Studie. Sowohl die Projektkonzeption und Studiendurchführung, als auch die Datenauswertung, erfolgten durch die gleiche Person. Um die Objektivität zu erhöhen, wurden daher zwei weitere Behandlerinnen (Psychotherapeutinnen in Ausbildung) eingesetzt, die – abgesehen von der Behandlung der Patienten – keinen weiteren Bezug zum Studienprojekt hatten. Zur Diagnosesicherung und Objektivierung der erhobenen Patienten- und Elternurteile wurde, im Rahmen der Eingangsdiagnostik, zusätzlich ein klinisches Urteil über die Diagnosecheckliste für depressive Störungen (DCL) aus dem DISYPS-II (Döpfner et al. 2008) erhoben. Das klinische Urteil ist nur über die Versuchsleiterin erhoben worden. Ein zweites unabhängiges klinisches Urteil durch einen weiteren Rater hätte die Objektivität hinsichtlich der diagnostischen Eingangsuntersuchung vergrößert. Des Weiteren wäre eine zusätzliche Erhebung des klinischen Urteils nach Abschluss der Behandlung sinnvoll gewesen, da in die Abschlussuntersuchung, hinsichtlich der Symptomatik, nur das Patienten- und das Elternurteil eingeflossen sind. Einschränkend muss auch darauf hingewiesen werden, dass die Problemliste nur in der Interventionsphase erhoben wurde. Ein Vergleich mit der behandlungsfreien Baselinephase war somit nicht möglich. Folglich kann die Reduktion der Problemausprägung und –belastung auch nicht auf Effekte der Interventionen zurückgeführt werden. Ein weiteres Problem, das sich in diesem Zusammenhang ergibt, ist die mangelnde Vergleichbarkeit der Therapieverläufe, da jeder Patient eine individuelle Problemliste erstellt hat und die Anzahl der definierten Probleme variierte. Außerdem wurde die Problemliste nicht von allen Patienten kontinuierlich (d.h. wöchentlich) ausgefüllt. Eine Patientin verweigerte sogar mehr oder weniger durchgängig im Behandlungsverlauf die wöchentliche Bearbeitung der individuellen Problemliste. Im Studienverlauf hat sich des Weiteren herausgestellt, dass die fehlenden Lehrerurteile die Aussagekraft der Studienergebnisse eingeschränkt 293 haben. Insbesondere Informationen über potentielle Veränderungen in Bezug auf Faktoren, wie Antrieb, schulischen Stimmung, Setting, Wahrscheinlichkeit Verbesserungen Emotionsregulation beurteilt durch aufschlussreich der sozialen den und Konzentrationsfähigkeit Klassenlehrer, gewesen. Kompetenzen Auch im wären Hinweise Umfeld von mit auf im großer mögliche Gleichaltrigen (selbstsicheres Auftreten gegenüber Mitschülern auf dem Schulhof, aktive Teilnahme am Unterricht, altersadäquates Lösen von Konflikten mit Peers…etc.) wären interessant gewesen. Da diese Informationen nur über das Jugendlichen- und teils über ein ergänzendes Elternurteil (FBB-DES, CBCL) erhoben wurden, ist eine Generalisierbarkeit der Ergebnisse auf andere Bereiche nicht möglich. Abschließend sollte darauf hingewiesen werden, dass durch die Wahl eines randomisierten Kontrollgruppen-Designs, anstelle des in dieser Studie gewählten Eigenkontrollgruppen-Vergleichs, auch interindividuelle Unterschiede zwischen Jugendlichen einer Interventionsgruppe, im Vergleich zu einer unspezifisch oder gar nicht behandelten Kontrollgruppe, überprüfbar gewesen wären. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass - zur Verallgemeinerung der aus dieser Pilotstudie gewonnenen Informationen und Erkenntnisse - weitere Evaluationsstudien an deutlich größeren und heterogeneren Stichproben notwendig sind, die Patienten mit internaler und externaler Symptomatik integrieren. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund eines störungsübergreifenden Ansatzes des Therapieprogramms SELBST von maßgeblicher Bedeutsamkeit. Ein randomisiertes KontrollgruppenDesign zur Testung interindividueller Gruppenunterschiede wäre in diesem Zusammenhang sinnvoll. Die Behandlungen sollten, wie in der vorliegenden Studie, von verschiedenen Therapeuten durchgeführt werden. In der Pilotstudie wurden nur weibliche Therapeuten eingesetzt, die die Verallgemeinerung der Befunde einschränkt. Bei der Planung größerer Evaluationsstudien sollten demzufolge auch männliche Therapeuten eingeplant werden. Wie bereits beschrieben, wäre außerdem ein zweiter, unabhängiger (verblindeter) Rater bei der Erhebung des klinischen Urteils sinnvoll gewesen. Dies sollte bei weiterführenden Forschungsprojekten berücksichtigt werden. Ratsam wäre auch, den Katamnesezeitraum auf sechs oder 12 Monate nach Abschluss der Interventionen auszudehnen, um die Langzeiteffekte der Behandlung untersuchen zu können. 294 Eine weitere Empfehlung für künftige Evaluationsstudien ist, einen Teil der Therapiematerialien im Gruppensetting, in Hinblick auf ihre Wirksamkeit, zu überprüfen. Insbesondere die Übungen zu selbstsicherem Auftreten in der Öffentlichkeit, zur altersangemessenen Kommunikation sowie zur Kontaktaufnahme mit Gleichaltrigen, eignen sich sehr gut als Gruppenübungen. Das Einüben sozialer Kompetenzen in Rollenspielen, begleitet von videounterstütztem Feedback, sowie von gegenseitigem Feedback durch die Gruppenteilnehmer, könnten in diesem Kontext bei weiteren Forschungsprojekten praktiziert werden. Des Weiteren würden mehrere gemeinsame Elterntermine zur Psychoedukation, zum Erfahrungsaustausch der Eltern und zur Erprobung der familienzentrierten Interventionen in Kleingruppen sicherlich eine Bereicherung für die Familien darstellen. Diese Aspekte könnte man bei der konzeptionellen Weiterentwicklung des Behandlungsprogramms SELBST ebenfalls in Erwägung ziehen. Als Fazit kann gezogen werden, dass die postulierten Forschungshypothesen, aufgrund der oben beschriebenen Einschränkungen, nur richtungsweisend interpretiert werden konnten. Kausale Schlussfolgerungen über die Wirksamkeit der Interventionen sind aufgrund der fehlenden randomisierten Kontrollgruppe nicht zulässig. Es zeigen sich erste Hinweise auf die Wirksamkeit der eingesetzten Therapiematerialen im Behandlungsverlauf, wenngleich in Relation zur Wartezeit kein zusätzlicher signifikanter Behandlungseffekt erzielt werden konnte. Die Primärsymptomatik, sowie die komorbide Symptomatik, ließen sich im Verlauf der Therapie signifikant reduzieren. Auch die Ausprägung der individuellen Probleme und die damit einhergehende Problembelastung nahmen im Behandlungsverlauf signifikant ab. Die hohe Behandlungszufriedenheit und der als hoch einzustufende Behandlungserfolg stärken die Annahme, dass eine Entlastung der Patienten und deren Familien im Therapieverlauf herbeigeführt werden konnte. Die Ergebnisse der Pilotstudie sollten daher zum Anlass für weiterführende Forschung in Bezug auf die evidenzbasierte kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlung depressiver Kinder und Jugendlicher mit Selbstwertstörungen genommen werden. Vertiefende Evaluationsstudien, an größeren Stichproben, unter Einbeziehung sämtlicher Module der Therapiemanualreihe SELBST, würden die Etablierung von SELBST als multimodales, transdiagnostisches Behandlungskonzept für Jugendliche und deren Bezugspersonen fördern. 295 9 Zusammenfassung Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme in der Adoleszenz stellen einen häufigen Anlass zur Vorstellung in psychiatrischen resp. psychotherapeutischen Praxen und psychiatrischen Ambulanzen dar. Die Verläufe variieren, je nach Ausprägung der Symptomatik, und sind nicht selten als komplex zu bewerten. Die Behandlung erstreckt sich mitunter über einen längeren Zeitraum, insbesondere bei Vorliegen einer chronifizierten Symptomatik. Ungünstige Verläufe sind vor allem zu erwarten, wenn eine chronifizierte oder schwere komorbide Symptomatik, suizidale Begleitsymptome, erschöpfte familiäre Ressourcen und belastende psychosoziale Stressoren vorliegen. Multimodale verhaltenstherapeutische Behandlungskonzepte, die - neben der Behandlung der Jugendlichen - auch Eltern in den therapeutischen Prozess involvieren, haben sich als effektiv erwiesen. Das im Rahmen der vorliegenden Pilotstudie evaluierte Modul aus dem Behandlungsprogramm SELBST zielt auf die Behandlung von Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektproblemen von Jugendlichen im Alter zwischen ca. 12 und 18 Jahren. Es beinhaltet sechs Bausteine und basiert auf dem Selbstmanagement-Ansatz von Kanfer. Das Modul integriert neben jugendlichenauch elternzentrierte Interventionen. Der entscheidende Unterschied zu anderen Therapiemanualen ist, dass die Manualreihe SELBST einen störungsübergreifenden und problemfokussierten Therapieansatz darstellt, dem ein ressourcenaktivierendes Behandlungsrational zugrunde liegt. Durch die große Variabilität der Symptomatik im Jugendalter ist ein spezifischer Vorzug des Therapiemanuals SELBST, dass die Interventionen der verschiedenen Module kombinierbar sind. Im Rahmen der vorliegenden Pilotstudie, der ein Eigenkontrollgruppen-Design zugrunde liegt, wurde die Wirksamkeit des Moduls „Selbstwert-, Aktivitäts- und Affektprobleme“ in Bezug auf die Reduktion von Selbstwertproblemen und depressiver Symptomatik - anhand von 12 Probanden - überprüft. Die Ergebnisse geben erste Hinweise auf die Wirksamkeit der Therapiematerialen im Behandlungsverlauf. Die Primär- sowie die komorbide Symptomatik konnte im Therapieverlauf signifikant reduziert werden, wobei - in Relation zur Wartezeit - kein zusätzlicher signifikanter Behandlungseffekt erzielt werden konnte. Um die aus der Studie gewonnenen Hinweise auf die Wirksamkeit der eingesetzten therapeutischen Materialien empirisch abzusichern, sind Replikationsstudien an größeren Stichproben, mit einer Variation an internalen und externalen Störungsbildern notwendig. Die Einführung Kontrollgruppe wäre in diesem Kontext empfehlenswert. 296 einer unspezifischen 10 Literaturverzeichnis 1. Abel U, Hautzinger M (2013). Kognitive Verhaltenstherapie bei Depressionen im Kindes- und Jugendalter. Berlin: Springer. 2. Achenbach TM (1991b). Manual of the Child Behavior Checklist 4 – 18. Burlington, VT: University of Vermont. 3. Adler-Tapia, RL, Settle, C (2009a). Evidence of the efficacy of EMDR with children and adolescents in individual Psychotherapy: A review of the research published in peer-reviewed journals. J EMDR Pract Res 3: 232-247. 4. Aichhorn W, Stuppäck C, Kralovec K, Yazdi K, Aichhorn M, Hausmann A (2007). Bipolar Affektive Störungen im Kindes- und Jugendalter. 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Zhou X, Hetrick SE, Cuijpers P, Qin B, Barth J, Whittington CJ, Cohen D, del Giovane C, Liu Y, Michael KD, Zhang Y, Weisz JR (2015). Comparative efficacy and acceptability of psychotherapies for depression in children and adolescents: a systematic review and network meta-analysis. World Psychiatry 14 (2): 207-222. 316 11 Anhang 11.1 Studienflyer 317 11.2 Diagnostische Instrumente Patient(in): Untersucher(in): Alter: Ankreuzen Checkliste Indikation für Therapiebausteine SELBST Selbstwertprobleme Burteilung basiert auf Exploration der/des: Jugendlichen Eltern/Hauptbezugspersonen Datum: 318 Trifft voll zu B. Genussfähigkeit, Affektivität & Aktivität Der Jugendliche geht keinen oder nur (noch) wenigen Aktivitäten nach (z.B. hat keine Hobbies mehr oder hatte noch nie Hobbies). Der Jugendliche zieht sich zunehmend zurück und trifft sich nicht mehr mit Freunden (z. B. vernachlässigt Freunde). Der Jugendliche hat Freude an Aktivitäten verloren, die ihm/ihr früher Spaß bereitet haben. Der Jugendliche kann alltägliche Dinge nicht (mehr) genießen (z.B. Essen) Der Jugendliche kümmert sich zu wenig um sich selbst und seine persönlichen Belange (z.B. „lässt sich gehen“). Gemittelte Rohwertsumme (Summe Rohwerte/5) Trifft etwas zu zuzu Trifft ziemlich zu A. Selbstbild Der Jugendliche schreibt sich viele negative Eigenschaften bzw. subjektiv empfundene „Schwächen“ zu (negatives Selbstbild). Der Jugendliche glaubt, dass andere ihn nicht mögen. Der Jugendliche kennt seine Stärken nicht oder glaubt keine zu haben. Der Jugendliche traut sich nichts zu. Der Jugendliche zweifelt an seinen Kompetenzen, d.h. hat eine geringe Selbstwirksamkeitserwartung. Gemittelte Rohwertsumme (Summe Rohwerte/5) Trifft nicht zu Andere: 0 1 2 3 0 0 0 0 1 1 1 1 2 2 2 2 3 3 3 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 0 1 1 2 2 3 3 E. Problemlösefähigkeiten Der Jugendliche versucht nicht selbständig seine Probleme zu lösen, sondern schiebt die Verantwortung auf andere (z.B. Eltern sollen das Problem lösen). Der Jugendliche ist überzeugt davon, dass er seine Probleme nicht alleine lösen kann. Der Jugendliche kann zwar Lösungsansätze für seine Probleme benennen, kann diese aber nicht im Alltag umsetzen (z.B. pünktlicher Schulbeginn erfordert pünktliches Aufstehen, was dem Jugendlichen schwer fällt). Der Jugendliche glaubt, dass es für seine Probleme keine Lösung gibt. Der Jugendliche negiert überhaupt Probleme zu haben. Gemittelte Rohwertsumme (Summe Rohwerte/5) F. Soziale Kompetenzen Der Jugendliche traut sich nicht Kontakt zu anderen Jugendlichen aufzunehmen (z.B. andere ansprechen, sich verabreden, anrufen). Der Jugendliche weiß nicht, wie man mit anderen Jugendlichen ein Gespräch anfangen kann oder ein Gespräch aufrechterhalten kann. Der Jugendliche hat Probleme eine Freundschaft mit Gleichaltrigen zu knüpfen und/oder aufrechtzuerhalten. Der Jugendliche kann nicht gut mit Kritik umgehen und bezieht diese auf sich selbst als Person. Der Jugendliche hat Schwierigkeiten sich angemessen durchzusetzen (z.B. die eigene Meinung zu vertreten, Wünsche durchzusetzen) Gemittelte Rohwertsumme (Summe Rohwerte/5) 319 Trifft etwas zu zuzu Trifft ziemlich zu Trifft voll zu D. Impulskontrolle & Affektregulation Der Jugendliche hat unkontrollierte Impulsausbrüche (z.B. starke Wutanfälle). Der Jugendliche verliert bei Konflikten schnell die Kontrolle über sich (z.B. zerstört Gegenstände). Der Jugendliche kann seine Gefühle nur schwer differenzieren und/oder regulieren (z.B. weint häufig, ist nach einem Streit auffällig lange wütend / traurig, ohne zu wissen warum). Der Jugendliche hat keine angemessenen Konfliktlösekompetenzen (z.B. reagiert bei Streit sofort aggressiv, kann keine konstruktiven Vorschläge zur Konfliktlösung generieren). Der Jugendliche wendet keine adäquaten Strategien zur Spannungsabfuhr an oder kennt keine Maßnahmen zur Regulation von Anspannung und negativen Affekten. Gemittelte Rohwertsumme (Summe Rohwerte/5) Trifft nicht zu C. Negativer kognitiver Verarbeitungsstil Der Jugendliche hat eine vorwiegend negative Sicht der eigenen Person (z.B. infolge belastender Erfahrungen in der Vergangenheit). Der Jugendliche attribuiert Misserfolge auffallend häufig auf die eigene Person (z.B. schlechte Noten in Mathe werden auf „Dummheit“ zurückgeführt). Der Jugendliche hat eine negativ verzerrte Wahrnehmung sozialer Situationen (z.B. glaubt, dass andere ihn/sie bloßstellen wollen oder glaubt, dass der Lehrer ihm/ihr absichtlich schlechte Noten gibt). Der Jugendliche hat eine pessimistische Haltung in Bezug auf seine Zukunft. Der Jugendliche hat die Sorge, hinsichtlich seines Aussehens oder Verhaltens nicht attraktiv für andere Gleichaltrige zu sein und infolgedessen abgelehnt zu werden Gemittelte Rohwertsumme (Summe Rohwerte/5) 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 0 1 1 2 2 3 3 0 1 2 3 0 0 1 1 2 2 3 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 0 1 1 2 2 3 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 320 Rosenberg Self-Esteem Scale RSES (deutsche revidierte Version von Collani & Herzberg, 2003) Name: …………………… Datum: ……………………. 1 = trifft gar nicht zu … 6 = trifft voll und ganz zu 1. Alles in allem bin ich mit mir selbst zufrieden 2. Hin und wieder denke ich, dass ich gar nichts tauge * 3. Ich besitze eine Reihe guter Eigenschaften 4. Ich kann vieles genauso gut wie die meisten anderen Menschen auch 5. Ich fürchte, es gibt nicht viel, worauf ich stolz sein kann * 6. Ich fühle mich von Zeit zu Zeit richtig nutzlos * 7. Ich halte mich für einen wertvollen Menschen, jedenfalls bin ich nicht weniger wertvoll als andere auch 8. Ich wünschte, ich könnte vor mir selbst mehr Achtung haben * 9. Alles in allem neige ich dazu, mich für einen Versager zu halten * 10. Ich habe eine positive Einstellung zu mir selbst gefunden SUMME T-Wert * vor Summenberechnung umkodieren 321 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 Compliance-Fragebogen (J) Görtz-Dorten adaptiert von Schreiter Name des Therapeuten: Name des Jugendlichen: Datum: Behandlungsstunde Jugendlicher: Gesamtstunden: Therapiestunde mit dem Jugendlichen War der Jugendliche da? Ja Nein War der Jugendliche pünktlich? Ja Nein Nachdem Sie die Therapiestunde durchgeführt haben, kreuzen Sie bitte an, wie zutreffend die Beschreibung für das Verhalten des Jugendlichen ist. 1. Der Jugendliche hat seine Wochenaufgabe (Job der Woche) gemacht. 2. Der Jugendliche hat in der Stunde Interesse am behandelten Thema 3. gezeigt. 4. Der Jugendliche hat in der Stunde zugehört und/oder Fragen gestellt bzw. beantwortet. 5. Der Jugendliche hat bei der Bearbeitung der Arbeitsblätter in der Stunde mitgearbeitet. 6. Der Jugendliche hat die Übung (z.B. Entspannungsübung, Genussübung, Rollenspiel) in der Stunde mitgemacht. gar nicht ein wenig 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 Bemerkungen: Begründung, falls Jugendlicher nicht anwesend war: 322 weitgehend besonders wurde nicht gefordert Compliance-Fragebogen (B) Görtz-Dorten adaptiert von Schreiter Name des Therapeuten: Name des Jugendlichen: Datum: Behandlungsstunde Eltern: Behandlungsstunde Jugendlicher: Gesamtstunden: Therapiestunde mit den Bezugspersonen Für wen wurde der Fragebogen ausgefüllt: Mutter Vater andere Bezugsperson War die Bezugsperson da? Ja Nein War die Bezugsperson pünktlich? Ja Nein Nachdem Sie die Therapiestunde durchgeführt haben, kreuzen Sie bitte an, wie zutreffend die Beschreibung für das Verhalten der Bezugsperson ist. 1. Die Bezugsperson hat die Therapieaufgabe (Job der Woche Eltern) gemacht. 2. Die Bezugsperson zeigte Interesse an den Therapieinhalten und konnte sich auf das Thema der Stunde einlassen. 3. Die Bezugsperson hat zugehört und/oder in der Stunde Fragen gestellt bzw. beantwortet. 4. Die Bezugsperson hat bei der Bearbeitung des Themas in der Stunde mitgearbeitet. gar nicht ein wenig 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 Bemerkungen: Begründung, falls Bezugsperson nicht anwesend war: 323 weitgehend besonders wurde nicht gefordert Fragebogen zur Behandlungsintegrität (Treatment-Integrity) Görtz-Dorten adaptiert von Schreiter Name des Therapeuten: …............................................ Name des Jugendlichen: …........................................... Datum: …....................................................................... Therapiestunde: …………………………………………... Phase 1 SELBST: Screening von Eingangsbeschwerden, Beziehungsaufbau und Informationsvermittlung Kreuzen Sie bitte nach der Therapiestunde an, inwieweit Sie die Hauptziele der Phase 1 von SELBST erreichen konnten. gar nicht 7. Der Vorstellungsanlass konnte klar herausgearbeitet werden. 8. Der Therapeut hat sich die Probleme aus Sicht des Jugendlichen, der Eltern und ggf. anderer Bezugspersonen schildern lassen. 9. Eine Beziehung zwischen Jugendlichem und Therapeut konnte aufgebaut werden. 10. Eine Beziehung zwischen Bezugspersonen und Therapeut konnte aufgebaut werden. 11. Informationen über den Ablauf der Therapie wurden vermittelt. ein wenig weitgehend besonders Ziel wurde nicht verfolgt 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 Bemerkungen: ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ 324 Fragebogen zur Behandlungsintegrität (Treatment-Integrity) Görtz-Dorten adaptiert von Schreiter Name des Therapeuten: …............................................ Name des Jugendlichen: …........................................... Datum: …....................................................................... Therapiestunde: …………………………………………... Phase 2 SELBST: Multimodale Diagnostik: Probleme & Kompetenzen, Belastungen & Ressourcen Kreuzen Sie bitte nach der Therapiestunde an, inwieweit Sie die Hauptziele der Phase 2 von SELBST erreichen konnten. gar nicht 1. 2. 3. 4. 5. Die verschiedenen Problembereiche des Jugendlichen wurden erfasst. Individuelle und familiäre Belastungen wurden exploriert. Die Kompetenzen und potentiellen Ressourcen des Jugendlichen wurden erhoben. Familiäre und ggf. andere Ressourcen wurden erfragt. Das Explorationsschema SELBST-EX wurde durchgeführt. ein wenig weitgehend besonders Ziel wurde nicht verfolgt 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 Bemerkungen: ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ 325 Fragebogen zur Behandlungsintegrität (Treatment-Integrity) Görtz-Dorten adaptiert von Schreiter Name des Therapeuten: …............................................ Name des Jugendlichen: …........................................... Datum: …....................................................................... Therapiestunde: …………………………………………... Phase 3 SELBST: Problemanalyse und Erarbeitung eines Störungskonzeptes Kreuzen Sie bitte nach der Therapiestunde an, inwieweit Sie die Hauptziele der Phase 3 von SELBST erreichen konnten. gar nicht ein wenig weitgehend besonders 1. 2. 3. 4. 5. Aus den allgemeinen Problembeschreibungen wurden die Hauptprobleme (maximal 4) des Jugendlichen definiert. Die mit den Problemen assoziierten Kognitionen, Emotionen und Reaktionen wurden für jedes Problem einzeln analysiert (Problemanalyse). Die kurz- und langfristigen Vor- und Nachteile des Problemverhaltens wurden herausgearbeitet. Mit dem Jugendlichen wurde ein individuelles Störungsmodell erarbeitet. Mit der Familie zusammen wurde ein gemeinsames Störungsmodell erarbeitet. Ziel wurde nicht verfolgt 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 Bemerkungen: ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ 326 Fragebogen zur Behandlungsintegrität (Treatment-Integrity) Görtz-Dorten adaptiert von Schreiter Name des Therapeuten: …............................................ Name des Jugendlichen: …........................................... Datum: …....................................................................... Therapiestunde: …………………………………………... Phase 4 SELBST: Zielanalyse, Stärkung der Änderungsmotivation, Interventionsplanung Kreuzen Sie bitte nach der Therapiestunde an, inwieweit Sie die Hauptziele der Phase 4 von SELBST erreichen konnten. gar nicht 1. 2. 3. 4. 5. Es wurde für jedes definierte Problem des Jugendlichen ein konkretes Therapieziel erarbeitet. Es wurden auch Ziele aus Sicht der Bezugspersonen und/oder des Therapeuten berücksichtigt. Die Therapieziele wurden in konkrete Zwischenziele unterteilt. Es wurden Argumente, die für und gegen eine Verhaltensänderung sprechen, diskutiert. Für jedes Therapieziel wurden geeignete Interventionen ausgewählt und deren Anwendung geplant. ein wenig weitgehend besonders Ziel wurde nicht verfolgt 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 Bemerkungen: ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ 327 Fragebogen zur Behandlungsintegrität (Treatment-Integrity) Görtz-Dorten adaptiert von Schreiter Name des Therapeuten: …............................................ Name des Jugendlichen: …........................................... Datum: …....................................................................... Therapiestunde: …………………………………………... Phase 5 SELBST: Durchführung von Interventionen Baustein: Aufbau von positivem Selbstbild Kreuzen Sie bitte nach der Therapiestunde an, inwieweit Sie die Hauptziele des Bausteins „Aufbau von positivem Selbstbild“ der Phase 5 von SELBST erreichen konnten. gar nicht 1. 2. 3. 4. 5. 6. Die konkreten Stärken und positiven Eigenschaften des Jugendlichen wurden aus Sicht des Jugendlichen erarbeitet (z.B. Powerbaum). Die konkreten Stärken und positiven Eigenschaften des Jugendlichen wurden auch aus Sicht der Bezugspersonen erarbeitet (z.B. Powerbaum). Das negative Selbstkonzept bzgl. eigener Stärken konnte mit dem Jugendlichen thematisiert und vermeintliche Schwächen konnten relativiert werden. Der Jugendliche wurde darin bestärkt, sich regelmäßig selbst zu loben und positive Selbstverbalisationen anzuwenden. Die Bezugspersonen wurden motiviert, sich selbst zu loben. Die Bezugspersonen wurden instruiert, ihrem Kind täglich ein positives Feedback zu geben. ein wenig weitgehend besonders Ziel wurde nicht verfolgt 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 Bemerkungen: ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ 328 Therapiematerialien SELBST Selbstwertprobleme Welche Teile des Bausteins wurden eingesetzt? S01 Grundüberzeugungen Selbstbild S02 Infoblatt Eltern Selbstbild S03 Stärken- & Schwächenwaage S04 Power-Baum Jugendlichenversion S05 Power-Baum Elternversion S06 Positive Beziehungserfahrungen S07 Lebenslinie positiver Erfahrungen S08 Mister X Spiel S09 Lust auf einen neuen Look S10 Glücksbotschaft-Lotterie Wurden andere Materialien eingesetzt oder standen andere Themen im Vordergrund? Wenn ja, welche anderen Materialien wurden eingesetzt? ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… 329 Fragebogen zur Behandlungsintegrität (Treatment-Integrity) Görtz-Dorten adaptiert von Schreiter Name des Therapeuten: …............................................ Name des Jugendlichen: …........................................... Datum: …....................................................................... Therapiestunde: …………………………………………... Phase 5 SELBST: Durchführung von Interventionen Baustein: Steigerung von Genussfähigkeit, Aktivität und Selbstbelohnung Kreuzen Sie bitte nach der Therapiestunde an, inwieweit Sie die Hauptziele des Bausteins „Steigerung von Genussfähigkeit, Aktivität und Selbstbelohnung“ der Phase 5 von SELBST erreichen konnten. gar nicht 1. 2. 3. 4. 5. Der positive Einfluss des regelmäßigen Praktizierens angenehmer Aktivitäten auf die Stimmung konnte vermittelt werden. Positive Aktivitäten konnten in den Alltag implementiert werden. Genussregeln konnten eingeführt und praktisch erprobt werden. Übungen zur „Achtsamkeit“ (z.B. „Schalt‘ mal auf Pause“) wurden ausprobiert und deren Einfluss auf die Stimmung thematisiert. Die Wichtigkeit von Selbstbelohnung für erreichte Teilziele wurde vermittelt und anhand von Beispielen exemplarisch eingeübt. ein wenig weitgehend besonders Ziel wurde nicht verfolgt 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 Bemerkungen: ........................................................................................................................................ ....................................................................................................................................................... ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ 330 Therapiematerialien SELBST Selbstwertprobleme Welche Teile des Bausteins wurden eingesetzt? S11 Materialliste zur Sensibilisierung der Sinne S12 Infoblatt Jugendlicher Genuss und Aktivität S13 Infoblatt Eltern Genussfähigkeit, Aktivität & Selbstbelohnung S14 Genussregeln S15 Lass es Dir mal wieder gut gehen S16 Chillen mal anders S17 Chill-Tagebuch S18 Nutze alle 5 Sinne zum Genießen S19 Aktivitäts- & Stimmungsbarometer S20 Ziele in Teilziele unterteilen S21 Wunschliste für Belohnungen Wurden andere Materialien eingesetzt oder standen andere Themen im Vordergrund? Wenn ja, welche anderen Materialien wurden eingesetzt? ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… 331 Fragebogen zur Behandlungsintegrität (Treatment-Integrity) Görtz-Dorten adaptiert von Schreiter Name des Therapeuten: …............................................ Name des Jugendlichen: …........................................... Datum: …....................................................................... Therapiestunde: …………………………………………... Phase 5 SELBST: Durchführung von Interventionen Baustein: Verarbeitung belastender Erfahrungen, Veränderung dysfunktionaler Kognitionen, kognitiver Fehler und situativer Bewertungen Kreuzen Sie bitte nach der Therapiestunde an, inwieweit Sie die Hauptziele des Bausteins „Verarbeitung belastender Erfahrungen, Veränderung dysfunktionaler Kognitionen, kognitiver Fehler und situativer Bewertungen“ der Phase 5 von SELBST erreichen konnten. gar nicht ein wenig weitgehend besonders 1. 2. 3. 4. 5. 6. Es wurde verdeutlicht, dass selbstabwertende Kognitionen zu einem negativen Selbstbild beitragen. Der Einfluss von (negativen) Gedanken auf die (negative) Stimmung wurde vermittelt. Dysfunktionale Kognitionen des Jugendlichen, die die Stimmung verschlechtern, wurden identifiziert und kognitiv umstrukturiert. Situationsübergreifende, globale, negative Kognitionen in Bezug auf soziale Situationen konnten mit dem Jugendlichen identifiziert werden. Kognitive Fehler (z.B. Übergeneralisierung) und/oder negativ verzerrte situative Bewertungen wurden relativiert und korrigiert. Mögliche belastende Erfahrungen, die zu einem negativen Selbstbild und einer negativen Sicht der Umwelt beigetragen haben, wurden exploriert. Ziel wurde nicht verfolgt 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 Bemerkungen: ........................................................................................................................................ ....................................................................................................................................................... ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ 332 Therapiematerialien SELBST Selbstwertprobleme Welche Teile des Bausteins wurden eingesetzt? S22 Infoblatt Jugendlicher Gedanken beeinflussen die Stimmung S23 Infoblatt Jugendlicher Die schwarze Brille S24 Infoblatt Jugendlicher Ursachenzuschreibungen S25 Infoblatt Eltern Denkfallen & negativ verzerrte Wahrnehmung S26 Checkliste Stimmungskiller (Jugendlichen- / Elternversion) S27 Checkliste Stimmungspusher (Jugendlichen- / Elternversion) S28 Denkfallen S29 Gedanken-Gefühls-Puzzle S30 Stimmungsbarometer S31 Realitäts-Check Schwarzmalerei S32 Negative Gedanken durch positive Gedanken ersetzen Wurden andere Materialien eingesetzt oder standen andere Themen im Vordergrund? Wenn ja, welche anderen Materialien wurden eingesetzt? ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… 333 Fragebogen zur Behandlungsintegrität (Treatment-Integrity) Görtz-Dorten adaptiert von Schreiter Name des Therapeuten: …............................................ Name des Jugendlichen: …........................................... Datum: …....................................................................... Therapiestunde: …………………………………………... Phase 5 SELBST: Durchführung von Interventionen Baustein: Verbesserung der Impulskontrolle und Affektregulation Kreuzen Sie bitte nach der Therapiestunde an, inwieweit Sie die Hauptziele des Bausteins „Verbesserung der Impulskontrolle und Affektregulation“ der Phase 5 von SELBST erreichen konnten. gar nicht 1. 2. 3. 4. 5. Typische auslösende Ereignisse für negative Emotionen, wie Wut oder Enttäuschung, wurden mit dem Jugendlichen analysiert. Kritische Situationen, die starke Affekte auslösen, konnten identifiziert werden. Individuelle Wut erzeugende Kognitionen konnten erfasst werden. Individuelle Bewältigungsgedanken konnten bezogen auf kritische Situationen herausgearbeitet werden (z.B. Selbstinstruktion). Eine realistische Bewertung der Situation wurde geübt. Eine angemessene Impulskontrolle wurde neben kognitiven Interventionen auch durch Methoden der Spannungs- und/oder Affektregulation im natürlichen Umfeld des Jugendlichen trainiert. ein wenig weitgehend besonders Ziel wurde nicht verfolgt 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 Bemerkungen: ........................................................................................................................................ ....................................................................................................................................................... ........................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................... 334 Therapiematerialien SELBST Selbstwertprobleme Welche Teile des Bausteins wurden eingesetzt? S33 Infoblatt Eltern Impulskontrolle und Affektregulation S34 Gefühle unterscheiden lernen S35 Gefühle an der Mimik erkennen S36 Gefühlswelle S37 Räume Dein Gefühlschaos auf S38 Wutprotokoll S39 Wutthermometer S40 Wut: Der Realitäts-Check S41 Stress-Tagebuch Wurden andere Materialien eingesetzt oder standen andere Themen im Vordergrund? Wenn ja, welche anderen Materialien wurden eingesetzt? ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… 335 Fragebogen zur Behandlungsintegrität (Treatment-Integrity) Görtz-Dorten adaptiert von Schreiter Name des Therapeuten: …............................................ Name des Jugendlichen: …........................................... Datum: …....................................................................... Therapiestunde: …………………………………………... Phase 5 SELBST: Durchführung von Interventionen Baustein: Problemlösetraining Kreuzen Sie bitte nach der Therapiestunde an, inwieweit Sie die Hauptziele des Bausteins „Problemlösetraining“ der Phase 5 von SELBST erreichen konnten. 1. 2. 3. 4. 5. Mindestens ein Problem, das der Jugendliche nicht auf Anhieb selbständig lösen kann, wurde herausgearbeitet. Für das beschriebene Problem konnten verschiedene Lösungsmöglichkeiten generiert werden. Die Vor- und Nachteile der Lösungsmöglichkeiten wurden erarbeitet und eine geeignete Lösungsstrategie wurde entwickelt. Die Umsetzung der Problemlösung wurde im Rollenspiel getestet. Der elterliche Umgang mit Problemen und die Wirkung auf die Problemlösekompetenzen des Jugendlichen konnte mit den Eltern reflektiert werden. gar nicht ein wenig weitgehend besonders Ziel wurde nicht verfolgt 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 Bemerkungen: ........................................................................................................................................ ....................................................................................................................................................... ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ 336 Therapiematerialien SELBST Selbstwertprobleme Welche Teile des Bausteins wurden eingesetzt? S42 Infoblatt Eltern Problemlösefähigkeiten S43 Problemlöse-Training S44 Übungsbeispiele Problemlöse-Training Wurden andere Materialien eingesetzt oder standen andere Themen im Vordergrund? Wenn ja, welche anderen Materialien wurden eingesetzt? ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… 337 Fragebogen zur Behandlungsintegrität (Treatment-Integrity) Görtz-Dorten adaptiert von Schreiter Name des Therapeuten: …............................................ Name des Jugendlichen: …........................................... Datum: …....................................................................... Therapiestunde: …………………………………………... Phase 5 SELBST: Durchführung von Interventionen Baustein: Soziales Kompetenztraining Kreuzen Sie bitte nach der Therapiestunde an, inwieweit Sie die Hauptziele des Bausteins „Soziales Kompetenztraining“ der Phase 5 von SELBST erreichen konnten. gar nicht ein wenig weitgehend besonders 1. 2. 3. 4. Sozial kompetentes Verhalten in Bezug auf selbstsicheres Verhalten in Situationen mit Gleichaltrigen konnte in Rollenspielen eingeübt werden (z.B. Grundregeln der Gesprächsführung einhalten). Sozial kompetentes Verhalten in Bezug auf die Kontaktaufnahme und Freundschaftsgestaltung zu Gleichaltrigen konnte in Rollenspielen eingeübt werden. Sozial kompetente Reaktionen in Bezug auf einen angemessenen Umgang mit Kritik wurden erarbeitet und real erprobt. Wünsche/Forderungen angemessen zu formulieren und durchzusetzen wurde in realen Situationen mit dem Therapeuten geübt. Ziel wurde nicht verfolgt 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 Bemerkungen: ........................................................................................................................................ ....................................................................................................................................................... ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ 338 Therapiematerialien SELBST Selbstwertprobleme Welche Teile des Bausteins wurden eingesetzt? S45 Infoblatt Jugendlicher Selbstsicheres Verhalten und Unsicherheit S46 Infoblatt Eltern Förderung sozialer Kompetenzen S47 Cooles Auftreten – so klappt es S48 Kontakte knüpfen zu Gleichaltrigen S49 Selbstsicheres Verhalten in schwierigen Situationen S50 Protokoll Selbstsicheres Verhalten S51 Umgang mit Kritik S52 Wünsche angemessen durchsetzen Wurden andere Materialien eingesetzt oder standen andere Themen im Vordergrund? Wenn ja, welche anderen Materialien wurden eingesetzt? ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………… 339 Fragebogen zur Behandlungsintegrität (Treatment-Integrity) Görtz-Dorten adaptiert von Schreiter Name des Therapeuten: …............................................ Name des Jugendlichen: …........................................... Datum: …....................................................................... Therapiestunde: …………………………………………... Phase 6 SELBST: Zwischenevaluation & Zielerreichung Kreuzen Sie bitte nach der Therapiestunde an, inwieweit Sie die Hauptziele der Phase 6 von SELBST erreichen konnten. gar nicht 1. 2. 3. 4. Mit allen am Therapieprozess Beteiligten wurde erörtert, inwieweit positive Veränderungen stattgefunden haben (Zwischenbilanz). Es wurde anhand des Therapieverlaufes überprüft, in welchem Ausmaß die Ziele erreicht wurden. Es wurde mit allen Beteiligten erörtert, welche Ziele noch nicht erreicht wurden und mögliche Ursachen diskutiert. Bei ungünstigem Therapieverlauf wurde eine Misserfolgs-analyse durchgeführt. Dabei wurden verschiedene Ursachen für das Nichterreichen der Therapieziele in Betracht gezogen und nach Möglichkeit bearbeitet. ein wenig weitgehend besonders Ziel wurde nicht verfolgt 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 Bemerkungen: ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ 340 Fragebogen zur Behandlungsintegrität (Treatment-Integrity) Görtz-Dorten adaptiert von Schreiter Name des Therapeuten: …............................................ Name des Jugendlichen: …........................................... Datum: …....................................................................... Therapiestunde: …………………………………………... Phase 7 SELBST: Stabilisierung & Rückfallprävention Kreuzen Sie bitte nach der Therapiestunde an, inwieweit Sie die Hauptziele der Phase 7 von SELBST erreichen konnten. gar nicht 1. 2. 3. 4. 5. Es wurde mit allen Beteiligten erörtert, wie man die erzielten Therapieerfolge im Alltag stabilisieren kann. Es wurden Strategien mit der Familie entwickelt, die einem Wiederauftreten der Probleme vorbeugen sollen (Prophylaxe). Es wurden Maßnahmen mit dem Jugendlichen ausgearbeitet, die bei erneutem Auftreten der Probleme angewandt werden können (Rückfallstrategien). Mit dem Jugendlichen und den Eltern wurde die Zufriedenheit mit der Therapie erfasst. Es konnte eine Ablösungsphase mit der Familie gestaltet werden. ein wenig weitgehend besonders Ziel wurde nicht verfolgt 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 0 1 2 3 9 Bemerkungen: ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ ........................................................................................................................................ 341 11.3 Therapeutische Materialien Baustein 1 Aufbau von positivem Selbstbild S01 Grundüberzeugungen Selbstbild S02 Infoblatt Eltern Selbstbild S03 Stärken- & Schwächenwaage S04 Power-Baum Jugendlichenversion S05 Power-Baum Elternversion S06 Positive Beziehungserfahrungen S07 Lebenslinie positiver Erfahrungen S08 Mister X Spiel S09 Lust auf einen neuen Look S10 Glücksbotschaft-Lotterie Baustein 2 Steigerung von Genussfähigkeit, Aktivität und Selbstbelohnung S11 Materialliste Sensibilisierung der Sinne S12 Infoblatt Jugendlicher Genuss und Aktivität S13 Infoblatt Eltern Genussfähigkeit, Aktivität & Selbstbelohnung S14 Genussregeln S15 Lass es Dir mal wieder gut gehen S16 Chillen mal anders S17 Chill-Tagebuch S18 Nutze alle 5 Sinne zum Genießen S19 Aktivitäts- und Stimmungsbarometer S20 Ziele in Teilziele unterteilen S21 Wunschliste Selbstbelohnungen Baustein 3 Veränderung dysfunktionaler Kognitionen und verzerrter situativer Bewertungen sowie Verarbeitung belastender Erfahrungen S22 Infoblatt Jugendlicher Gedanken beeinflussen die Stimmung S23 Infoblatt Jugendlicher Die schwarze Brille S24 Infoblatt Jugendlicher Ursachenzuschreibungen S25 Infoblatt Eltern Denkfallen & negativ verzerrte Wahrnehmung S26 Checkliste Stimmungskiller (Jugendlichen- und Elternversion) S27 Checkliste Stimmungspusher (Jugendlichen- und Elternversion) S28 Denkfallen S29 Gedanken-Gefühls-Puzzle S30 Stimmungsbarometer S31 Realitäts-Check Schwarzmalerei S32 Negative Gedanken durch positive Gedanken ersetzen 342 Baustein 4 Verbesserung der Impulskontrolle und Affektregulation S33 Infoblatt Eltern Impulskontrolle und Affektregulation S34 Gefühle unterscheiden lernen S35 Gefühle an der Mimik erkennen S36 Gefühlswelle S37 Räume Dein Gefühlschaos auf S38 Wutprotokoll S39 Wutthermometer S40 Wut: Der Realitäts-Check S41 Stress-Tagebuch Baustein 5 Steigerung der Problemlösefähigkeiten S42 Infoblatt Eltern Problemlösefähigkeiten S43 Problemlöse-Training S44 Übungsbeispiele Problemlöse-Training Baustein 6 Erweiterung der sozialen Kompetenzen S45 Infoblatt Jugendlicher Selbstsicheres Auftreten und Unsicherheit S46 Infoblatt Eltern Förderung sozialer Kompetenzen S47 Cooles Auftreten – so klappt es S48 Kontakte knüpfen zu Gleichaltrigen S49 Selbstsicheres Verhalten in schwierigen Situationen S50 Protokoll Selbstsicheres Verhalten S51 Umgang mit Kritik S52 Wünsche angemessen durchsetzen 343 Typische Gedanken von Menschen mit negativem Selbstbild Ich darf mir meine Schwächen nicht anmerken lassen Ich muss attraktiv sein, um dazuzugehören (z. B. zur Clique) Ich muss intelligent wirken In der Öffentlichkeit darf ich mich nicht blamieren, sonst kann ich das Haus nicht mehr verlassen Wenn ich Fehler mache, werde ich von meinen Freunden ausgelacht Wenn ich meine Gefühle zeige, werde ich als Weichei abgestempelt Jeder muss mich mögen und akzeptieren Wenn ich anderen widerspreche, werde ich abgelehnt Wenn mich jemand nicht mag, muss das an mir liegen, z. B. weil ich etwas falsch gemacht habe Ich werde von meinen Mitmenschen beobachtet und bewertet Andere haben ein schlechtes Bild von mir, z. B. sie haben mich als Loser abgespeichert Ich bin ein Tollpatsch Alle haben etwas an mir auszusetzen Meine Mitschüler denken etwas über mich, was ich nicht beeinflussen kann Ich sage lieber gar nichts, bevor ich etwas Falsches sage Andere bekommen beim ersten Treffen sofort einen schlechten Eindruck von mir, den ich nicht wieder rückgängig machen kann Man hält mich für einen Langeweiler Welche dieser Punkte treffen so oder in ähnlicher Form auf Dich zu? Markiere sie mit einem Stift! S01 Grundüberzeugungen Selbstbild 344 Infoblatt für Eltern Selbstbild Weshalb führen wir diesen Baustein durch? Das Selbstbild, d.h. die Sicht auf sich selbst, mit sämtlichen Bewertungen der eigenen Person, hat einen großen Einfluss auf unseren Selbstwert. Wie „wertvoll“ wir uns fühlen, hängt also maßgeblich davon ab, inwiefern wir uns positiv oder negativ wahrnehmen. Da unsere Selbsteinschätzung – je nach Erfahrungshintergrund – Schwankungen unterliegt, ist unser Selbstbild keine stabile Größe, sondern kann sich im Verlauf des Lebens verändern. Viele Jugendliche haben Schwierigkeiten positive Aspekte ihrer Person zu benennen. Sie kennen ihre Stärken nicht, wissen nicht, worauf sie stolz sein können und glauben auch nicht, dass andere Personen, wie die Eltern, stolz auf sie sind. Jugendliche mit Selbstwertproblemen schreiben sich in der Regel auffällig wenige positive Eigenschaften zu und nehmen stattdessen ihre negativen Eigenschaften umso deutlicher wahr. Häufig haben sie eine negativ-verzerrte Selbstwahrnehmung in Bezug auf ihr Aussehen (z. B. finden sich hässlich), ihre Eigenschaften bzw. ihre Persönlichkeit (z. B. halten sich für langweilig und uninteressant) sowie ihre Leistungsfähigkeit (z. B. sind unzufrieden mit ihren Schulleistungen). Was machen wir mit dem Jugendlichen? Der Jugendliche lernt in diesem Baustein sich realistisch einzuschätzen, seine positiven Eigenschaften differenziert wahrzunehmen, diese konkret zu benennen und negative Anteile weniger zu fokussieren. Wie können Sie als Eltern Ihr Kind unterstützen? Loben Sie und Ihr Partner sich gegenseitig. Loben Sie sich auch selbst, wenn Sie den Eindruck haben, etwas gut gemacht zu haben. Machen Sie sich bewusst, welche positiven Eigenschaften Ihr Kind hat. Geben Sie Ihrem Kind regelmäßig positive Rückmeldungen über sein Verhalten, positive Eigenschaften, Kleidung, Frisur o. ä. Nehmen Sie Erfolge Ihres Kindes nicht als Selbstverständlichkeit hin, sondern heben Sie hervor, wenn Ihr Kind eine gute Leistung erbracht hat. Nutzen Sie verschiedene Arten des Lobes bzw. der Anerkennung: gestisch (z. B. Daumen hoch Zeichen), mimisch (z. B. Lächeln, Nicken), verbal (z. B. „Gut gemacht“ oder „Ich bin stolz auf Dich“) oder materiell (z. B. kleines Geschenk, gemeinsame Freizeitaktivität). Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie ihm vertrauen. Unterstützen Sie die Umsetzung des JOBs der Woche, indem Sie Ihrem Kind erlauben, z. B. ein neues Outfit auszuprobieren oder eine neue Frisur. Geben Sie Ihrem Kind ein positives Feedback, wenn es neue Dinge ausprobiert. S02 Infoblatt Eltern Selbstbild 345 Stärken- & Schwächen-Waage Was kannst Du gut? Worauf bist Du stolz? Womit hast Du noch Schwierigkeiten? Was klappt noch nicht so gut? S03 Stärken- & Schwächen-Waage 346 Beispiele für persönliche Stärken Viele Jugendliche wissen gar nicht, welche Stärken sie haben. Grund genug sich darüber Gedanken zu machen! Beispiele für persönliche Stärken: Ich kann gut zuhören Ich bin hilfsbereit Ich bin sportlich talentiert Ich spreche gut Englisch Ich bin ehrgeizig Ich bin intelligent Ich bin kreativ Auf mich kann man sich verlassen Mir kann man ein Geheimnis anvertrauen Mit mir kann man eine Menge Spaß haben Ich bin ordentlich S03 Stärken- & Schwächen-Waage 347 Nobody is perfect Beispiele für typische Schwierigkeiten von Kindern und Jugendlichen: Ich bin oft unpünktlich Ich vergesse oft meine Hausaufgaben Ich bin zu schüchtern Mir fällt es schwer mit Gleichaltrigen ein Gespräch anzufangen Ich streite mich zu häufig mit Mitschülern Ich beteilige mich zu wenig mündlich im Unterricht Ich hinterlasse in meinem Zimmer immer ein Chaos Im Unterricht lasse ich mich leicht ablenken.... S03 Stärken- & Schwächen-Waage 348 Mein Power-Baum Mein Lieblingsfilm ist ... Meine Hobbies sind ... In meiner Familie bin ich der/die .... Mit anderen kann ich gut … Meine Freunde mögen an mir ... ...... ist mir wichtig Ich interessiere mich für ... Mein Ziel ist ... Ich bin überzeugt davon, dass ... Ich wünsche mir ... In der Schule bin ich gut in … Meine Stärke ist ... In 10 Jahren bin ich ... Mein Vorbild ist ... Meine Eltern schätzen an mir ... S04 Powerbaum Jugendlichenversion 349 Power-Baum So sehe ich mein Kind In der Familie ist mein Kind .... Mit anderen Kindern kann mein Kind gut ... Ich bin glücklich darüber, dass mein Kind ... Mein Kind interessiert sich für ... Die Stärken meines Kindes sind ... Ich bin überzeugt davon, dass mein Kind ... In der Schule ist mein Kind gut in … Besonders stolz bin ich darauf, dass mein Kind ... Für die Zukunft wünsche ich meinem Kind ... S05 Powerbaum Elternversion 350 Das hat mir gut getan… Welche schönen Dinge hast Du mit diesen Personen erlebt? Nenne ein schönes Ereignis. Eltern Geschwister Andere Verwandte Freunde Andere Person Andere Person S06 Positive Beziehungserfahrungen 351 Was mögen diese Personen an Dir? Meine Lebenslinie Schöne Erlebnisse in meinem Leben Geburt Heute S07 Lebenslinie positiver Erfahrungen 352 Auf der Suche …. … nach Mister X X hilft mir gerne bei den Hausaufgaben Wenn mich etwas bedrückt, spreche ich mit X X sagt mir die Wahrheit X tröstet mich, wenn ich traurig bin Mit X lache ich viel Mit X kann ich gut chillen Bei X kann ich mich ausheulen X motiviert mich, wenn ich down bin X gibt mir gute Ratschläge Schöne Ausflüge mache ich mit X Mit X gehe ich durch „dick & dünn“ Mit X fahre ich gerne in Urlaub Mit X verbringe ich gerne meine Freizeit Mit X gehe ich gerne shoppen X hat immer ein „offenes Ohr“ für mich Ich mache gerne Sport mit X Musik höre ich gerne mit X Ich übernachte gerne bei X Mit X spiele ich gerne PC-Spiele X mag mich sehr Mit X würde ich gerne auf eine einsame Insel X geht gerne mit mir ins Kino X ruft mich gerne an X ist mein Vorbild Mit X möchte ich gerne etwas unternehmen Geheimnisse kann ich X anvertrauen Gelobt werde ich oft von X X ist stolz auf mich S08 Mister X Spiel 353 Lust auf einen neuen Look? Überlege Dir zuerst, was genau Du an Deinem Aussehen verändern möchtest, z. B. neue Frisur, andere Haarfarbe, neuer Klamottenstil, andere Turnschuhe... Überdenke, ob Du wirklich bereit bist, Dein Aussehen zu verändern und bespreche Dein Vorhaben mit einer Person, die Dich gut kennt und der Du vertraust (z. B. Eltern, beste(r) Freund(in)...). Versuche nicht, gleich Dein gesamtes Aussehen auf einmal zu verändern. Das wirkt oft irritierend auf andere. Fange mit einer kleinen Veränderung an und warte die Reaktionen Deiner Freunde, Eltern und Geschwister ab. Oft genügen kleine Veränderungen, wie eine andere Frisur oder Haarfarbe, eine neue Schultasche oder ein trendiges neues T-Shirt. Ganz wichtig ist, dass Du SELBST entscheidest, was Dich stört und was Du ändern möchtest. Erfülle auf keinen Fall nur die Erwartungen Anderer, wenn Du nicht davon überzeugt bist. Habe den Mut, verschiedene Dinge, die Du mehr betonen möchtest, z. B. Deine Augen oder Deine Haare, zu verändern. Steh' zu Deinem neuen Look, auch wenn er vielleicht nicht allen gefällt. Man kann es schließlich nicht jedem Recht machen! Wichtig ist, dass Du Dich mit Deinem neuen Aussehen wohl fühlst. S09 Lust auf einen neuen Look? 354 Die Glücksbotschaft-Lotterie Heute gönne ich mir etwas Heute mache ich mir ein leckeres Essen Heute mache ich mir eine neue Frisur Heute achte ich nur auf meine guten Seiten Heute mache ich einem Klassenkameraden ein Kompliment Heute lobe ich meine Mutter Heute lobe ich mich selbst Heute lasse ich mich von jemandem verwöhnen Heute belohne ich mich für etwas, was ich gut gemacht habe Heute sage ich meine Meinung, wenn mir etwas nicht passt Heute versuche ich mich durchzusetzen Heute melde ich mich häufiger im Unterricht Heute mache ich was Schönes in meiner Freizeit Heute lege ich mich auf die Couch und höre Musik Heute sehe ich positiv in die Zukunft Heute verabrede ich mich mit einem Freund Heute gehe ich Problemen nicht aus dem Weg Heute unternehme ich etwas mit einem Familienmitglied Heute probiere ich etwas Neues aus Heute nehme ich mir Zeit für mich Heute lade ich jemanden ein Heute Nachmittag chille ich Heute lache ich Heute trinke ich in Ruhe mein Lieblingsgetränk Heute lasse ich mich nicht aus der Ruhe bringen Heute achte ich darauf, wie viele Leute mich anlächeln Heute lächele ich verschiedene Leute an Heute versuche ich stolz auf mich zu sein Heute helfe ich jemandem Heute sage ich mir etwas Schönes Heute tue ich meinem Körper etwas Gutes Heute entspanne ich mich Heute nehme ich, wenn ich Ruhe habe, meine Umgebung bewusst wahr Heute überrasche ich jemanden S10 Glücksbotschaft-Lotterie 355 Materialliste für die Übung zur Sensibilisierung der Sinne Visuell: Aus dem Fenster schauen und die Natur betrachten Urlaubsfotos oder Fotos von schönen Landschaften anschauen Bildbände anschauen Auditiv (Augen geschlossen): CD mit Meeresrauschen, Vogelgezwitscher, Musik o. ä. Fenster aufmachen und den Geräuschen der Umgebung zuhören Ocean drum Musikinstrumente Taktil (Augen geschlossen): Igelball Kiwi, Sternfrucht… Stein Stoff (Seide, Samt, Filz) Feder Mit Bodylotion eincremen Olfaktorisch (Augen geschlossen): Minzöl Parfum Duftlampe Blumen Zimtstange Vanilleschote Pfefferminzblätter, Melisse, Lavendel oder andere Kräuter Gustatorisch: Schokolade Fruchtgummi (süß vs. scharf vs. sauer) Obst Gemüse Bonbon Salzstangen S11 Materialliste Sensibilisierung der Sinne 356 Den Augenblick bewusst genießen Genuss & Aktivität ≠ Stimmungsprobleme Je häufiger Du es schaffst, den Alltag bewusst zu genießen und dabei zu entspannen, desto schneller wird sich ein angenehmes Gefühl einstellen. Je besser Du Dich fühlst und je aktiver Du bist, desto weniger niedergeschlagen wirst Du sein. Merke Dir: Schöne Aktivitäten und Genussmomente verbessern die Stimmung! S12 Infoblatt Jugendlicher Genuss und Aktivität 357 Infoblatt für Eltern Steigerung von Genussfähigkeit, Aktivität & Selbstbelohnung Weshalb führen wir diesen Baustein durch? Selbstwertstörungen gehen häufig einher mit Schwierigkeiten, angenehme Aktivitäten des Alltags zu genießen. Jugendliche mit Selbstwertstörungen haben Probleme damit, positive Aktivitäten zu benennen, sich zu motivieren aktiv zu werden und angenehme Tätigkeiten regelmäßig in ihren Tagesablauf zu integrieren. Des Weiteren fällt es ihnen schwer, sich selbst zu belohnen. Selbstbelohnung ist zum Aufbau eines positiven Selbstwertgefühls wichtig. Sich selbst zu loben und zu belohnen, müssen viele Jugendliche erst erlernen und vor allem regelmäßig praktizieren. Was machen wir mit dem Jugendlichen? In diesem Therapiebaustein wollen wir Ihrem Kind dabei helfen, alltägliche Aktivitäten (wieder) genießen zu lernen, die Häufigkeit von angenehmen Aktivitäten zu steigern und sich in angemessener Weise selbst zu belohnen. Dadurch können Selbstwertprobleme vermindert werden und die Stimmung verbessert sich. Wie können Sie als Eltern Ihr Kind unterstützen? Ermutigen Sie Ihr Kind, neue Dinge auszuprobieren, z. B. eine neue Sportart. Seien Sie für Ihr Kind ein Vorbild in Bezug auf Genussfähigkeit, Aktivität und Selbstbelohnung. Überlegen Sie, wie gut Sie selbst alltägliche Dinge genießen können und wie gut Sie dies äußern können (z. B. Geschmack beim Essen, Film genießen, Brötchenduft, Kaffeearoma). Gelingt es Ihnen, eine gute Balance zwischen Ausruhen und aktiver Freizeitgestaltung zu finden? Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie machen und gelingt es Ihnen, dies auch zu äußern? Gibt es Dinge, auf die Sie stolz sein können? Wenn es Ihnen gelingt, diese Aspekte gut in den Alltag zu integrieren, wird es Ihrem Kind leichter fallen, diese Kompetenzen zu übernehmen. Sollte Ihr Kind dies wünschen, kann es hilfreich sein, wenn Sie ihm helfen, seine JOBs der Woche im Alltag umzusetzen. Mögliche Therapieaufgaben können sich darauf beziehen, festgelegte Aktivitäten auch wirklich durchzuführen oder gemeinsam schöne Aktivitäten durchzuführen (z.B. Joggen, Schwimmen, Fußball spielen, Shoppen gehen, Kino, Konzert) Machen Sie bei gemeinsamen Aktivitäten deutlich, dass Sie diese genießen und Ihnen die gemeinsame Zeit mit Ihrem Kind Freude bereitet. S13 Infoblatt Eltern Genuss, Aktivität & Selbstbelohnung 358 Wie genieße ich richtig? Genussregeln Genuss braucht Zeit Genuss muss erlaubt sein Genuss geht nicht nebenbei Weniger ist mehr Aussuchen, was Dir gut tut Ohne Erfahrung kein Genuss Genuss ist alltäglich (nach R. Lutz & E. Koppenhöfer, 1983) Tipps: Nimm Dir täglich Zeit zum genießen! Wenn Du nach einem stressigen Tag etwas genießen möchtest, musst Du Dir ausreichend Zeit dafür nehmen. Versuche Dich nur auf den Genuss zu konzentrieren! Wer richtig entspannen will, sollte sich nur auf das Genießen konzentrieren und seine Probleme, Sorgen oder Termine für einen Moment ausblenden. Suche Dir etwas aus, was Dir wirklich Spaß macht und was Du wirklich genießen kannst! Entspannung und Genuss tritt nur ein, wenn Du etwas tust, was wirklich schön für Dich ist. Genuss ja – aber nicht übertreiben! Täglich etwas zu genießen ist wichtig, damit ist aber nicht gemeint, stundenlang am PC zu spielen oder mit dem Handy – das ist „zu viel des Guten.“ S14 Genussregeln 359 Lass' es Dir mal wieder gut gehen! Hier ist eine Liste mit Aktivitäten, die viele Jugendliche als angenehm oder entspannend empfinden. Bitte gib zu jeder Aktivität an, wie angenehm Du sie empfindest und wie häufig sie in Deinem Alltag vorkommt. 0 = Du magst die Aktivität gar nicht bzw. sie kommt in Deinem Alltag nicht vor 1 = Du magst die Aktivität ganz gern bzw. sie kommt in Deinem Alltag manchmal vor 2 = Du magst die Aktivität sehr bzw. sie kommt in Deinem Alltag oft vor Auf dem Bett liegen Etwas Leckeres essen Ausschlafen Ein entspannendes Bad nehmen Duschen In der Sonne sitzen Musik hören Mit Jemandem schmusen Stille genießen Schlafen Mit Freunden telefonieren Chillen An etwas Schönes denken Fernsehen Musik machen, z. B. Gitarre spielen Kreativ sein, z. B. malen, basteln Yoga Sich massieren lassen Zeitschriften lesen Sich mit einer Bodylotion eincremen Playstation oder ähnliches spielen Lachen Internet nutzen Einen Freund/ eine Freundin besuchen Mit dem Freund/ der Freundin etwas unternehmen Ins Fitnessstudio gehen Ein Buch/ Comic lesen Spazieren gehen S 15 Lass es Dir mal wieder gut gehen 360 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 Wie 2 Wie angenehm? häufig? 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 Lass' es Dir mal wieder gut gehen! 1 Einen Film anschauen Shoppen gehen Etwas Süßes naschen Mein Zimmer umgestalten Fahrradfahren Inliner fahren Schwimmen gehen Zum Friseur gehen Mich stylen Ins Kino gehen Eis essen gehen Im Restaurant essen gehen Meinem Hobby nachgehen Facebook oder ähnliches nutzen Jemanden überraschen Mit jemandem ein Gesellschaftsspiel spielen Etwas aus dem Internet herunterladen Mit der Familie etwas unternehmen Joggen gehen Mails, SMS schreiben Mit meinem Haustier spielen Lieblingsserie anschauen Rätsel lösen Einen Ausflug machen Meinen nächsten Urlaub planen Jemandem ein Geschenk machen Neue Musik runterladen Videos mit dem Handy drehen Etwas leckeres kochen Fotografieren Zeichnen Wie angenehm? 2 Wie häufig? 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 0 0 0 1 1 1 2 2 2 0 0 0 1 1 1 2 2 2 Das macht mir auch Spaß: S15 Lass es Dir mal wieder gut gehen 361 Chillen mal anders Es gibt verschiedene Arten des Chillens. Die Übungen kannst Du (fast) überall und ohne viel Aufwand durchführen. Hier einige Beispiele: „Achte auf Deine Schritte“ Eine ganz einfache Übung ist, sich täglich vorzunehmen, beim Gehen auf die einzelnen Schritte zu achten, z. B. auf dem Weg zur Schule oder zu einem Freund. „Beobachte alles ganz genau“ Versuche alles um Dich herum so genau wie möglich zu beobachten, so als ob Du die Aufgabe hättest, später ein Bild von der Umgebung zu malen. „Atme mal wieder richtig durch“ Versuche, in einem ruhigen Moment (z. B. abends im Bett), für einige Minuten tief ein- und auszuatmen. Atme 4 Sekunden lang ein, halte 3 Sekunden lang den Atem an und atme 4 Sekunden lang aus. „Iss in Ruhe“ Nimm Dir einmal täglich Zeit, in Ruhe und vor allem bewusst zu essen. Versuche die einzelnen Zutaten des Essens herauszuschmecken. „Schalt' mal auf Pause“ Gönne Dir regelmäßig kurze Auszeiten. Lasse alle aufkommenden Gedanken wie Wolken an Dir vorbeiziehen ohne sie weiter zu beachten. S16 Chillen mal anders 362 Chill-Tagebuch Datum Wo hast Du die Übung durchgeführt? Welche Übung hast Du ausgewählt? Wie hast Du Dich danach gefühlt? 3.5. Nach der Schule auf dem Heimweg. Tief ein- und ausatmen Ich bin weniger gestresst nach Hause gekommen. S17 Chill-Tagebuch 363 Nutze alle 5 Sinne zum Genießen! Beispiele zum Ausprobieren: Sehen Nimm bewusst wahr, was in diesem Augenblick um Dich herum passiert (z. B. beim Bahn fahren, im Straßencafé, im Einkaufszentrum). Schaue Dir ganz genau die Menschen an, die Dich umgeben. Wie sind sie gekleidet? Schaue Dir ihr Gesicht, ihre Gesichtszüge, die Hände oder andere Teile des Körpers an. Nimm dabei aber keine Bewertungen vor. Du kannst auch versuchen, Dir mit geschlossenen Augen die Bilder einer schönen Situation in Erinnerung zu rufen, wie z. B. den letzten Urlaub. Hören Welche Geräusche höre ich in diesem Augenblick? Versuche so viele Geräusche, wie möglich, herauszuhören. Versuche ein bestimmtes Geräusch aus der Fülle an Geräuschen, die Dich umgeben, herauszufiltern (z. B. nur Stimmen, nur Vogelgezwitscher). S18 Nutze alle 5 Sinne zum Genießen 364 Riechen Nimm die unterschiedlichen Gerüche Deiner Umgebung wahr, z. B. den Duft frisch gewaschener Wäsche, die Frühlingsluft, den Geruch von frisch gebackenem Brot, wenn Du an der Bäckerei vorbeigehst, den Duft von Früchtetee beim Frühstück... Gehe in eine Parfümerie und rieche an verschiedenen Damen- und Herrendüften. Rieche in einem Blumenladen an unterschiedlichen Blumen (z. B. Rosen, Lilien). Schmecken Versuche beim Essen die einzelnen Zutaten herauszuschmecken oder die verwendeten Gewürze zu erkennen. Lass Dir ein Stück Schokolade ganz langsam auf der Zunge zergehen, ohne sie gleich runterzuschlucken (ca. 1 Minute lang). Tasten Berühre mit geschlossenen Augen verschiedene Materialien und versuche die Unterschiede zu ertasten. Benutze dazu Materialien mit unterschiedlichen Oberflächen, wie z. B. einen Stein, einen Badeschwamm, eine Kiwi oder eine Feder. Du kannst auch in einem abgedunkelten Raum verschiedene Gegenstände ertasten. Wie fühlen sie sich an? Sind sie kalt oder eher warm? Weich oder hart? Eckig, spitz oder rund? S18 Nutze alle 5 Sinne zum Genießen 365 Entdecke den Zusammenhang zwischen angenehmen Aktivitäten und einer positiven Stimmung, indem Du täglich das Aktivitäts- und Stimmungsbarometer ausfüllst. Aktivitäts- und Stimmungsbarometer Beispiel: Datum: z. B. 30.05.11 01.06.11 6 x 5 x 02.06.11 03.06.11 x X 04.06.11 05.06.11 X x x 06.06.11 07.06.11 X x x 4 X x x x x Joggen Kino Sonnen x 3 2 1 0 Welche Aktivität hast Baden Du Dir ausgesucht? Musik hören Skaten Friseur Handy nutzen Kreuze bitte jeden Tag mit einem roten Stift an, wie angenehm die Aktivität war! 0 = sehr unangenehm … 3 = mittelmäßig angenehm … 6 = sehr angenehm Kreuze bitte zusätzlich mit einem schwarzen Stift jeden Tag an, welche Stimmung Du anschließend hattest! 0 = sehr schlecht … 3 = mittelmäßig … 6 = sehr gut S19 Aktivitäts- und Stimmungsbarometer 366 Aktivitäts- und Stimmungsbarometer Datum: 6 5 4 3 2 1 0 Welche Aktivität hast Du Dir ausgesucht? Kreuze bitte jeden Tag mit einem roten Stift an, wie angenehm die Aktivität war! 0 = sehr unangenehm … 3 = mittelmäßig angenehm … 6 = sehr angenehm Kreuze bitte zusätzlich mit einem schwarzen Stift jeden Tag an, wie Deine Stimmung anschließend war! 0 = sehr schlecht … 3 = mittelmäßig … 6 = sehr gut Verbinde bitte am Ende der Woche die roten Kreuze zu einer roten Linie und die schwarzen Kreuze zu einer schwarzen Linie. Siehst Du einen Zusammenhang? S19 Aktivitäts- und Stimmungsbarometer 367 Der lange Weg zum Ziel Der Weg zum Ziel kann einem manchmal sehr lang erscheinen. Oft denkt man, dass die gesteckten Ziele kaum zu erreichen sind, weil sie einem so unerreichbar „weit weg“ erscheinen. Tipp: Versuche „große Ziele“, wie „Ich will selbstbewusster werden“ in Teilziele zu unterteilen. Wenn es hilfreich ist, unterteile die Teilziele wiederum in einzelne, überschaubare und leicht erreichbare Zwischenziele. Das Erreichen von Zwischenzielen stärkt die Motivation, auch „größere“ Ziele in Angriff zu nehmen. S20 Ziele in Teilziele unterteilen 368 Hier ein Beispiel: Endziel: z. B.: Ich möchte selbstbewusster werden! Mögliche Zwischenziele: 1. Infos über zwei Vereine einholen: Welche Angebote gibt es? Wie hoch ist der Mitgliedsbeitrag? Wann ist das Training? Ist der Verein gut mit dem Fahrrad erreichbar? Teilziel 1: 2. Termin für eine Probestunde vereinbaren Im Verein anrufen und fragen, wann ein Probetraining möglich ist. Klären, ob die Probestunde kostenlos ist. Ich möchte sportlich aktiv werden 3. Verbindliche Anmeldung im Verein Wenn mir der Verein gefällt, melde ich mich verbindlich für 6 Monate an. Wenn nicht, entscheide ich mich für den anderen Verein. Mögliche Zwischenziele: 1. Infos über gesunde Ernährung im Internet suchen Teilziel 2: Ich möchte mich in meinem Körper 2. Auf gesunde Kost achten wohl fühlen 3. 2 x wöchentlich mit Jana joggen gehen Mögliche Zwischenziele: 1. Teilziel 3: Ich möchte mehr Freunde haben 2. 3. S20 Ziele in Teilziele unterteilen 369 „Gut gemacht!“ Sich selbst belohnen für erreichte Teilziele Welche realistischen Belohnungen fallen Dir für erreichte Teilziele ein? Lege mit Deinem Therapeuten für erreichte Etappenziele verschiedene Belohnungen fest! Bleib’ dabei realistisch und schreibe nur Wünsche auf, die realistisch sind, d. h. die man auch wirklich erfüllen kann. S21 Wunschliste Selbstbelohnungen 370 Was zieht mich runter? Negativer Gedanke Schlechtes Gefühl z. B. „Ich bin ein Versager!“ z. B. Traurigkeit, Wut, Enttäuschung Verhalten z. B. Weinen, im Bett verkriechen, mit keinem reden wollen, kein Schulbesuch Positive und optimistische Gedanken verbessern die Stimmung und stärken das Selbstbewusstsein! S22 Infoblatt Jugendlicher Gedanken beeinflussen die Stimmung 371 Hier ein Beispiel: Vanessa und Mia gehen gemeinsam 3 x wöchentlich in den Schwimmverein. Beide sind im Laufe der Jahre gute Freundinnen geworden. Bei Wettkämpfen allerdings werden sie auch schnell zu Gegnerinnen. Jede will den Wettkampf gewinnen, vor allem weil sie hart trainieren. Heute hat Vanessa den Wettkampf gewonnen. Das freut sie jedoch gar nicht, weil sie ihre Spitzenzeit nicht übertreffen konnte. Sie ist enttäuscht und fängt an zu weinen. Mia hingegen wundert sich, weil sie sich über den Sieg definitiv gefreut hätte – egal in welcher Zeit sie gesiegt hätte. Du siehst, dass die gleiche Situation verschiedene Gedanken und Gefühle auslösen kann. Während Mia sich über den Sieg gefreut hätte, ist Vanessa wütend und enttäuscht, obwohl sie gewonnen hat. Wie kann man sich diese beiden unterschiedlichen Reaktionen auf einen Sieg erklären? Situation Situation Wettkampf gewonnen Gedanke Welche Gedanken könnte man in dieser Situation haben? „Super, ich habe gewonnen!“ Gefühl Verhalten Welche Gefühle könnte man in dieser Situation haben? Wie könnte man sich in dieser Situation verhalten? glücklich Mutter anrufen und vom Sieg erzählen ,, ,, ,, S22 Infoblatt Jugendlicher Gedanken beeinflussen die Stimmung 372 Die schwarze Brille verschlechtert Deine Stimmung Negatives Bild von dir selbst Beispiele: „Ich kriege nichts auf die Reihe!“ „Ich bin ein Loser!“ „Ich bin zu fett!“ Negative Sicht der Umwelt Beispiele: „Meine Mitschüler hassen mich!“ „Mein Lehrer hat mich auf dem Kicker!“ Pessimistischer Blick in die Zukunft Beispiele: „Ich werde den Schulabschluss nicht schaffen!“ „Ich finde niemals eine Freundin!“ „Ich bekomme bestimmt keinen Ausbildungsplatz! S23 Die schwarze Brille 373 Hör' auf, Dich durch die schwarze Brille zu betrachten! Sorge wieder für eine klare Sicht! S23 Die schwarze Brille 374 Wie erklärst Du Dir Deine Erfolge und Misserfolge? Die Ursache liegt in meiner Person z. B. Ich habe zu wenig für den Test gelernt. Die Ursache liegt in äußeren Umständen z. B. Die Klassenarbeit war zu schwierig. Kontrollierbare Ursache z. B. Ich habe mich angestrengt beim Sport. Unkontrollierbare Ursache z. B. Es ist Zufall, dass wir das Fußballspiel gewonnen haben. Dauerhafte Ursache z. B. Es geht immer schief. Vorübergehende Ursache z. B. Ich war heute einfach unkonzentriert, deshalb habe ich die Arbeit verhauen. Wer die Ursache für Misserfolge immer bei sich sucht und glaubt, dass Erfolge immer nur „zufällig“ passieren, und nichts mit den eigenen Fähigkeiten und eigener Anstrengung zu tun haben, macht sich für Misserfolge persönlich verantwortlich und traut sich selbst nicht zu, Herausforderungen erfolgreich zu meistern. S24 Infoblatt Jugendlicher Ursachenzuschreibungen 375 Infoblatt für Eltern Denkfallen & negativ verzerrte Wahrnehmung Weshalb führen wir diesen Baustein durch? Selbstwertstörungen resultieren unter anderem aus einer negativ verzerrten Selbstwahrnehmung. Jugendliche mit Selbstwertstörungen nehmen sich als inkompetent wahr, sind sich ihrer persönlichen Stärken nicht bewusst und schreiben sich übermäßig viele negative Eigenschaften zu. Erfolge, wie z. B. eine gute Schulnote, führen sie meist nicht auf ihre eigene Fähigkeiten und Stärken zurück. Oft sind sie überzeugt davon, dass sie keinen persönlichen Einfluss auf Situationen und Ereignisse haben. Neben der negativ verzerrten Wahrnehmung der eigenen Person findet man häufig auch Fehlinterpretationen von Situationen und Ereignissen. Typische „Denkfallen“ sind Übertreibungen (Katastrophisierung), eine pessimistische Einstellung oder „Schwarz-Weiß-Denken“, d. h. Denken in starren Kategorien. Belastende Lebenserfahrungen können ebenfalls zu einem negativen Denkstil beitragen, der sich wiederum negativ auf unsere Gefühle und unser Verhalten auswirken kann. Was machen wir mit dem Jugendlichen? In diesem Therapiebaustein wollen wir Ihr Kind für die negativ verzerrte Wahrnehmung der eigenen Person sowie zugrunde liegende Denkfehler sensibilisieren und es bei der realistischen Selbstwahrnehmung unterstützen. Wir trainieren mit Ihrem Kind die Wahrnehmung und Akzeptanz positiver Eigenschaften, Kompetenzen und persönlicher Ressourcen. Des Weiteren versuchen wir mit Ihrem Kind positives Denken in Bezug auf die eigene Person – aber auch in Bezug auf persönlich bedeutsame Situationen – zu fördern und eine positive Zukunftssicht zu etablieren. Wie können Sie als Eltern Ihr Kind unterstützen? Stellen Sie keine überhöhten Leistungsansprüche an sich selbst, Ihren Partner oder an Ihr Kind. Signalisieren Sie Ihrem Kind, dass es in Ordnung ist, wenn man etwas falsch macht. Prüfen Sie, ob Ihr Denken realistisch ist und welche Denkfehler Ihrem Denken zugrunde liegen. Vermeiden Sie eine pessimistische Denkweise und negative Bewertungen in Bezug auf sich selbst oder Ihr Kind. Seien Sie Ihrem Kind ein Vorbild, indem Sie z. B. in problematischen Situationen eine optimistische Denkweise und eine zuversichtliche Haltung einnehmen. Melden Sie Ihrem Kind zurück, wenn es sich selbst negativ bewertet oder Ereignisse / Situationen negativ verzerrt interpretiert. S25 Infoblatt Eltern Denkfallen & negativ verzerrte Wahrnehmung 376 Checkliste: Stimmungskiller (Jugendlicher) Kreuze an, welche negativen Gedanken auf Dich zutreffen. Schreibe bitte auch negative Gedanken auf, die typisch für DICH sind, aber nicht in der Liste aufgeführt sind! Gedanken, die die Stimmung runter ziehen Ich bin unbeliebt bei meinen Mitschülern Ich bin zu dick Ich bin hässlich Niemand versteht mich Ich bin ein Versager Meine Schulleistungen sind schlecht Meine Lehrer sind unfair zu mir Meine Eltern können mich nicht leiden Alles was ich mache geht schief Warum passiert das immer nur mir? Nur mit mir meckern ständig alle Ich habe nur Pech im Leben Gedanken, die mich runter ziehen: S26 Checkliste Stimmungskiller 377 Trifft auf mich zu Checkliste: Stimmungskiller (Eltern) Kreuzen Sie bitte an, welche negativen Gedanken auf Sie zutreffen. Schreiben Sie bitte auch negative Gedanken auf, die typisch für Sie sind, aber nicht in der Liste aufgeführt sind! Gedanken, die die Stimmung runter ziehen Ich bin immer nur für andere da Ich muss alles möglichst perfekt machen Ich bin nicht attraktiv Niemand versteht mich Ich bin ein Versager Ich bin keine gute Mutter / kein guter Vater Mein Vorgesetzter ist unfair zu mir Mein Partner beachtet mich nicht Alles was ich mache, geht schief Warum passiert das immer nur mir? Ich habe keine Zeit für mich selbst Ich habe nur Pech im Leben Keiner sieht, was ich alles leiste Mein Kind ist undankbar Keiner merkt, dass ich erschöpft bin Mein Kind ist ein Außenseiter Mein Kind schafft den Schulabschluss nicht Gedanken, die mich runter ziehen: S26 Checkliste Stimmungskiller 378 Trifft auf mich zu Checkliste: Stimmungspusher (Jugendlicher) Kreuze bitte an, welche Gedanken auf Dich zutreffen. Schreibe auch positive Gedanken auf, die am ehesten Deine Stimmung anheben würden! Gedanken, die die Stimmung verbessern Ich bin beliebt in meinem Freundeskreis Meine Eltern nehmen mich ernst Mir kann man vertrauen Ich bin sportlich Meine Schulleistungen sind gut Mit mir kann man viel Spaß haben Ich mache regelmäßig meine Hausaufgaben Ich bin ordentlich Ich werde oft auf Partys eingeladen Mein Styling gefällt mir Ich habe schöne Augen Meine Figur ist ok Gedanken, die meine Stimmung positiv beeinflussen können: S27 Checkliste Stimmungspusher 379 Trifft auf mich zu Checkliste: Stimmungspusher (Eltern) Kreuzen Sie bitte an, welche Gedanken auf Sie zutreffen. Schreiben Sie auch positive Gedanken auf, die am ehesten Ihre Stimmung anheben würden! Gedanken, die die Stimmung verbessern Ich bin beliebt in meinem Freundeskreis Meine Kollegen nehmen mich ernst Mir kann man vertrauen Ich bin sportlich Ich mache meinen Job gut Mit mir kann man viel Spaß haben Ich kümmere mich gut um meine Kinder Mein Partner kann sich auf mich verlassen Meine Familie weiß, was sie an mir hat Mein äußeres Erscheinungsbild gefällt mir Ich bin wortgewandt Ich habe eine schnelle Auffassungsgabe Aus Krisen gehe ich gestärkt hervor Misserfolge werfen mich nicht aus der Bahn Ich kann mich gut durchsetzen Gedanken, die meine Stimmung positiv beeinflussen können: S27 Checkliste Stimmungspusher 380 Trifft auf mich zu Achtung Denkfallen 1. Übertreibung Immer vom worst case oder einer möglichen Katastrophe ausgehen. z. B. „Wenn ich heute die Mathearbeit verhaue, wird aus mir nie etwas werden.“ 2. Negative Filterbrille Nur das Schlechte sehen. z. B. „Alles an mir ist hässlich, meine Figur, meine Haare, meine Frisur – eben alles.“ 3. Schwarz-Weiß-Denken Nur in extremen Kategorien, wie „Gut – Schlecht“, „Alles – Nichts“ oder „Richtig – Falsch“, denken. z. B. „Entweder ich habe heute Erfolg beim Bewerbungsgespräch oder ich bin nicht geeignet für diesen Job.“ 4. Verallgemeinerung Von einem Ereignis auf andere mögliche Ereignisse schließen. z. B. „Wenn ich heute nicht zur Party mitkomme, wird man mich das nächste Mal nicht mehr einladen.“ 5. Selbstabwertung Über sich selbst schlecht reden und sich abwerten. z. B. „Ich bin ein Loser und deshalb werde ich nie eine Freundin haben.“ S28 Denkfallen 381 6. Muss-Sätze Alle Sätze, die ein „muss“ enthalten. z. B. „Ich muss in Sport der Beste sein.“ oder „Man muss gut aussehen, um in der Clique dazu zu gehören.“ 7. Hellseherei Von Ereignissen in der Vergangenheit auf mögliche Ereignisse in der Zukunft schließen. z. B. „Ich habe in den letzten Englischtests eine Fünf geschrieben, also schreibe ich im nächsten Test bestimmt auch wieder eine Fünf.“ 8. Für alles Verantwortung übernehmen Sich für alles verantwortlich fühlen, besonders wenn etwas schief gegangen ist. z. B. „Meine Eltern trennen sich, weil sie mit mir immer so viel Ärger haben.“ 9. Gedankenlesen Glauben zu wissen, was der andere über einen denkt. z. B. „Sarah hat mich gerade so komisch angeschaut, bestimmt ist sie sauer auf mich.“ S28 Denkfallen 382 Gedanken-Gefühls-Puzzle Situation Gefühl Klassenarbeit mit schlechter traurig Note zurückbekommen Freund erscheint nicht sauer zum Date Freundin tuschelt mit einer anderen Freundin Denkfalle Gedanke ? Ich bin eine Niete Ich habe nicht genug gelernt ? Der hat was Besseres vor Der kommt bestimmt gleich ? wütend Die lästern Die quatschen bestimmt über über einen mich süßen Typen ? Mutter meckert Dich an enttäuscht Ich bin immer Die hat der Sündeneinfach einen bock schlechten Tag ? Erster Platz beim Wettkampf stolz Ich habe ja Das war Zufall auch viel dafür getan ? In der Sonne sitzen und ein Eis essen Sich im Spiegel betrachten zufrieden beschämt Musik auf dem entspannt Bett hören Streit mit dem besten gereizt Freund/ Freundin Das Leben kann so schön sein ? Meine Figur ist Mein Beine ist gar nicht mal zu dick so schlecht ? Ich hab' einen Mein Leben ist guten sinnlos Geschmack ? Der/Die ist Wir finden immer so schon eine gemein zu mir Lösung ? Mir ist immer so langweilig S29 Gedanken-Gefühls-Puzzle 383 Dein Schwarm flirtet auf neidisch einer Party mit jemand anderem Am Strand liegen in Badehose/ Bikini Mir macht jemand ein Kompliment angespannt glücklich Hausaufgaben gelangweilt machen Bewerbungsgespräch für einen Job Einen Fehler gemacht haben zuversichtlich verärgert Dann flirte ich eben auch mit jemand anderem ? Hoffentlich sieht mich keiner Ich kann mich auch in Badehose/ Bikini zeigen ? Das meint der/die bestimmt nicht ernst Schön, dass jemandem auffällt, was ich gut kann ? Warum muss ich so viele Aufgaben erledigen? Später gönne ich mir was Schönes ? Reine Glückssache, wenn das klappt Ich bin gut geeignet für den Job ? Aus Fehlern Immer mache kann man ich alles falsch lernen ? Wer will mich schon? S29 Gedanken-Gefühls-Puzzle 384 Das Stimmungsbarometer Schätze bitte täglich ein, in welcher Stimmung Du heute warst (0 = miese Stimmung ... 100 = super Stimmung). Trage bitte auch ein, welche Ereignisse Deine Gedanken und Gefühle beeinflusst haben könnten. Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Datum: Meine Stimmung: 0 … 100 mies ... super Besondere Ereignisse oder Situationen, z. B. schöner Ausflug oder schlechte Schulnote Gedanken, die mich aufgebaut oder runter gezogen haben, z. B. „Alle sind gegen mich“ Gefühle, die meine Stimmung verbessert oder verschlechtert haben, z.B. Freude, Traurigkeit S30 Stimmungsbarometer 385 Freitag Samstag Sonntag Meine Stimmung im Wochenüberblick Zeitraum: vom ______________ bis zum __________________ Stimmung 100 80 60 40 20 0 Zeitraum: Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag Freitag Samstag Sonntag vom ______________ bis zum __________________ Stimmung 100 80 60 40 20 0 Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag S30 Stimmungsbarometer 386 Realitäts-Check Schwarzmalerei Gedanke: Wie realistisch ist der Gedanke? o 10 % o 25 % o 50 % o 75 % o 100 % Was spricht für meine negative Sicht? z. B. Schlecht Erfahrungen, die ich gemacht habe Wenn ich negativ denke, kann ich nicht noch mehr enttäuscht werden Ich ziehe damit die Aufmerksamkeit auf mich Ich bin mit meiner Meinung etwas „Besonderes“ Es tut mir gut, wenn ich negativ denke Was spricht gegen meine negative Sicht? Was könnte ein realistischerer (positiver) Gedanke sein? Was spricht für die positive Sicht? • • • Wie fühle ich mich, wenn ich eine positive Sicht habe? S31 Realitäts-Check Schwarzmalerei 387 positive Gedanken Negative Gedanken durch Auslösendes Ereignis Negativer Gedanke Positiver Gedanke ersetzen Negatives Gefühl Positives Gefühl S32 Negative Gedanken durch positive Gedanken ersetzen 388 Infoblatt für Eltern Impulskontrolle & Affektregulation Weshalb führen wir diesen Baustein durch? Das Jugendalter ist gekennzeichnet durch emotionale „Berg- und Talfahrten.“ Wiederkehrende Gefühlsschwankungen und plötzliche Stimmungswechsel – für Außenstehende oft ohne erkennbaren Anlass – sind in dieser Entwicklungsphase normal. Viele Jugendliche haben Schwierigkeiten damit, ihre Gefühle zu benennen, Gefühle eindeutig voneinander zu unterscheiden und mit negativen Gefühlen angemessen umzugehen. Oft entladen sich Gefühle, wie Wut oder Enttäuschung, explosionsartig, ohne dass die Betroffenen zunächst beschreiben können, warum es zu diesem plötzlichen „Gefühlsausbruch“ gekommen ist. Diese Gefühlsausbrüche sind in der Regel schambesetzt, da sie – aus der Perspektive des Jugendlichen – als unvorhersehbar (z.B. „Die Wut kam aus heiterem Himmel“) und unkontrollierbar (z.B. „Da sind meine Gefühle mit mir durchgegangen“) eingeschätzt werden. Was machen wir mit dem Jugendlichen? In diesem Baustein üben wir mit Ihrem Kind Gefühle konkret zu benennen und die verschiedenen Gefühle voneinander zu unterscheiden (Gefühlsdifferenzierung). Wir versuchen auslösende Situationen bzw. Gedanken zu identifizieren und die auftretenden Gefühle damit für den Jugendlichen vorhersehbarer und somit kontrollierbarer zu machen. Der Jugendliche lernt, spontan auftretende Gefühle und aggressive Handlungsimpulse, die z. B. in frustrierenden Situationen entstehen, zu erkennen und besser zu kontrollieren. Wie können Sie als Eltern Ihr Kind unterstützen? Meiden Sie unnötige Diskussionen und Auseinandersetzungen, wenn Ihr Kind angespannt oder sehr aufgebracht ist. Brechen Sie hitzige Diskussionen notfalls ab. Wenn nötig, schicken Sie Ihr Kind in sein Zimmer, um sich zu beruhigen. Unterstützen Sie Ihr Kind dabei, die Ursache für negative Gefühle herauszufinden, indem Sie z. B. nach möglichen Auslösern fragen. Besprechen Sie in einer ruhigen und entspannten Atmosphäre gemeinsam Möglichkeiten, wie Ihr Kind angestaute Wut oder Aggression, in einem angemessenen Rahmen, zu Hause abbauen kann. Überlegen Sie als Eltern, wie Sie Ihre Gefühle regulieren. Wie gehen Sie mit aufgestauten negativen Gefühlen um? Schaffen Sie es, auch in schwierigen Situationen ruhig zu bleiben? Wie können Sie Ihrem Kind ein Vorbild in Bezug auf eine angemessene Gefühlsregulation sein? Erkennen und reduzieren Sie nach Möglichkeit familiäre Stressoren S33 Infoblatt Eltern Impulskontrolle und Affektregulation 389 Jede Menge Gefühle aufgeregt überrascht aggressiv ausgeglichen traurig schwermütig streitlustig teilnahmslos verzweifelt entspannt zuversichtlich betrübt verbittert deprimiert eifersüchtig fröhlich angeekelt zuversichtlich gelassen wütend angespannt unbeschwert glücklich unsicher verängstigt ärgerlich zornig befangen lustlos beunruhigt verunsichert verblüfft vergnügt zufrieden entmutigt enttäuscht verbittert neidisch erschöpft empört bedrückt unglücklich belastet niedergeschlagen sauer verletzt gehässig zweifelnd misstrauisch gereizt feindselig ängstlich verärgert berauscht nachdenklich beschämt aufgebracht verängstigt gelangweilt missverstanden S34 Gefühle unterscheiden lernen 390 Gefühle an der Mimik erkennen S35 Gefühle an der Mimik erkennen 391 Was kann man tun, wenn einen die Gefühlswelle überrollt? Manchmal werden wir von einer Welle an Gefühlen „überrollt“, die uns ganz schnell handlungsunfähig macht und ein Gefühl der Unkontrollierbarkeit hinterlässt. Hier einige Tipps, wie man der Gefühlswelle begegnen kann: 1. Gedanken ordnen: Versuche zuerst Deine Gedanken wieder zu ordnen 2. Beruhigen Beruhige Dich, indem Du z. B. tief durchatmest oder irgendeine andere Methode wählst, die Dir hilft ruhiger zu werden. 3. Optimistisch bleiben Denk‘ positiv! (z.B. „Ich finde eine Lösung“ oder „Es wird schon irgendwie gut ausgehen“). 4. Situation checken Überlege Dir, was zu dieser Gefühlswelle geführt haben könnte. Kann man die Situation auch anders sehen? Kann man der Situation auch etwas Gutes abgewinnen? (z. B. „Kritik hilft mir, mein Verhalten zu überdenken“ oder „Wenn meine Eltern mir etwas verbieten, ist das nur zu meinem Schutz“). 5. Stopp – Verhalten checken Stoppe Deinen ersten Handlungsimpuls und überlege Dir zuerst, ob es noch andere Handlungsmöglichkeiten gibt. 6. Handeln Wähle eine Handlung aus, die Dir und anderen nicht schadet und die Du später nicht bereuen wirst! S36 Gefühlswelle 392 Räume Dein Gefühlschaos auf! Gefühle unterscheiden & verstehen lernen Welches Gefühl nimmst Du in Deinem Gefühlschaos gerade am stärksten wahr? Nutze dazu das Arbeitsblatt „Gefühle unterscheiden lernen.“ Welche Auslöser könnte es für dieses Gefühl geben? z. B. Lob oder Kritik, Ablehnung, Überforderung, Streit... Versuche zu verstehen, woher das Gefühl kommt! Welche Gedanken und Bewertungen gehen Dir dabei durch den Kopf? S37 Räume Dein Gefühlschaos auf 393 Wie reagiert Dein Körper darauf? Beschreibe die körperlichen Reaktionen, die Du spürst (z. B. Herzrasen, Kloß im Hals, heißer Kopf, Kribbeln in den Händen, Druck im Stirnbereich...). Was wäre Deine spontane Reaktion? z. B. das Gefühl ignorieren, ablenken, schreien, weinen, davonlaufen... Ist Deine Reaktion angemessen oder eher übertrieben? Würden die meisten Jugendlichen in dieser Situation ähnlich reagieren? Wie könntest Du die Situation anders bewerten? Wenn Du die Situation anders bewertest, fühlst Du Dich dann besser? Was könnte eine angemessene Reaktion sein? S37 Räume Dein Gefühlschaos auf 394 Mein Wut-Protokoll Beschreibe kurz die Wut auslösende Situation. z. B. Streit mit dem Lehrer über nicht gemachte Hausaufgaben. Was ist Dein erster Gedanke? Was denkst Du über den Anderen? z. B. „Der will mich schon wieder provozieren.“ Welche Gefühle hast Du dabei? z. B. Wut, Enttäuschung, Empörung, Ärger, Angst, Traurigkeit... Wie stark ist Deine Wut auf dem WutThermometer von 0 – 100? Spürst Du körperliche Warnzeichen, die Dir signalisieren, dass Du wütend wirst? z. B. starkes Herzklopfen, Anspannung der Muskeln, heißer Kopf, Zittern, schnelle Atmung... Wie reagierst Du spontan? z. B. provozierend, beleidigend, drohend.... Wie geht die Situation aus? z. B. Du verlässt den Raum… S38 Wutprotokoll 395 Das Wut-Thermometer Auf diesem Thermometer kannst Du Deine Wut von 0 = gar keine Wut bis 100 = sehr wütend einschätzen. Du kannst das Wut-Thermometer auch dazu nutzen, Dir entsprechend der Wutstärke von 0 bis 100 zunehmend schwierigere Situation auszusuchen, in denen Du übst, Deine Wut besser zu kontrollieren. S39 Wut-Thermometer 396 Wut: Der Realitäts-Check Ausgangssituation: ………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………… ………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………… o o o o Ist meine Einschätzung der Situation wirklich realistisch oder vielleicht doch übertrieben? sehr realistisch halbwegs realistisch leicht übertrieben sehr übertrieben o 100 % fair o 50 % fair o 25 % fair o 0 % fair Sind meine Gedanken in Bezug auf den Anderen realistisch und fair? Wie kann man die Situation möglichst fair und gefühlsneutral interpretieren? Überlege Dir einen Anti-Wut-Gedanken, wie z. B. „Ich versuche trotz meiner Wut ruhig und fair zu bleiben!“ Wie könntest Du Dich verhalten – ohne gleich wütend und aggressiv zu werden? Wie würde die Situation dann ausgehen? Wie stark wäre dann Deine Wut? (von 0 bis 100) S40 Wut: Der Realitäts-Check 397 o 100 % realistisch o 50 % realistisch o 25 % realistisch o 0 % realistisch Stress-Tagebuch Woche vom _____________ bis ______________ Montag Wie viel Stress hast Du heute empfunden? 0----10----20----30----40----50----60----70----80----90----100 Gab es in der Schule oder zu Hause Probleme? Wie war der Tag insgesamt? O gut O ja O ganz ok O nein O schlecht Wie ist es Dir gelungen, den Stress zu reduzieren? ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ Dienstag Wie viel Stress hast Du heute empfunden? 0----10----20----30----40----50----60----70----80----90----100 Gab es in der Schule oder zu Hause Probleme? Wie war der Tag insgesamt? O gut O ja O ganz ok O nein O schlecht Wie ist es Dir gelungen, den Stress zu reduzieren? ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ Mittwoch Wie viel Stress hast Du heute empfunden? 0----10----20----30----40----50----60----70----80----90----100 Gab es in der Schule oder zu Hause Probleme? Wie war der Tag insgesamt? O gut O ja O ganz ok O nein O schlecht Wie ist es Dir gelungen, den Stress zu reduzieren? ______________________________________________________________________ S41 Stress-Tagebuch 398 Donnerstag Wie viel Stress hast Du heute empfunden? 0----10----20----30----40----50----60----70----80----90----100 Gab es in der Schule oder zu Hause Probleme? Wie war der Tag insgesamt? O gut O ja O ganz ok O nein O schlecht Wie ist es Dir gelungen, den Stress zu reduzieren? ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ Freitag Wie viel Stress hast Du heute empfunden? 0----10----20----30----40----50----60----70----80----90----100 Gab es in der Schule oder zu Hause Probleme? Wie war der Tag insgesamt? O gut O ja O ganz ok O nein O schlecht Wie ist es Dir gelungen, den Stress zu reduzieren? ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ Zeit für mich am Wochenende: Was hast Du – als Ausgleich zur anstrengenden Woche – angenehmes am Wochenende gemacht? O Freunde getroffen O Sport O Entspannt O Etwas Schönes unternommen O Sonstiges: ______________________________________________________________________ S41 Stress-Tagebuch 399 Infoblatt für Eltern Verbesserung der Problemlösefähigkeiten Weshalb führen wir diesen Baustein durch? Die Fähigkeit, Probleme erfolgreich zu lösen, entsprechend der Situation unterschiedliche Lösungsstrategien anzuwenden und die Zuversicht, auftretende Schwierigkeiten auch meistern zu können, sind zentrale Einflussfaktoren, die das Selbstbild prägen. Je erfolgreicher eine Person Probleme und Schwierigkeiten meistert, desto größer ist in der Regel ihr Selbstbewusstsein. Erste spielerische Ansätze des Problemlösens werden bereits im Kindesalter etabliert, wie z. B. wenn zwei Kinder mit dem gleichen Spielzeug spielen wollen und geklärt werden muss, wer zuerst mit dem Spielzeug spielen darf. Verschiedene Lösungsmöglichkeiten für ein Problem zu entwickeln und Kompromisse eingehen zu lernen, ist ein wesentlicher Lernprozess im Jugendalter, der im weiteren Entwicklungsverlauf stetig erweitert und optimiert wird. Jugendliche haben oft Schwierigkeiten, Probleme angemessen zu lösen. Ihnen fehlt auch oft die Überzeugung, Probleme aktiv lösen zu können und die Zuversicht, über die dafür notwendigen Kompetenzen zu verfügen. Was machen wir mit dem Jugendlichen? In diesem Therapiebaustein lernt Ihr Kind zunächst verschiedene, individualisierte Lösungsmöglichkeiten für persönliche Probleme zu entwickeln. Im nächsten Schritt wird Ihr Kind angeleitet, die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten hinsichtlich ihrer Erfolgsaussichten und der Umsetzbarkeit einzuschätzen. Der letzte Schritt des Problemlösetrainings besteht in der Auswahl eines angemessenen Lösungsansatzes und der konkreten Planung der Umsetzung. Wie können Sie als Eltern Ihr Kind unterstützen? Versuchen Sie eigene Probleme zeitnah zu lösen. Wenn Sie den Eindruck haben, den Überblick verloren zu haben, erstellen Sie eine Liste sämtlicher Aufgaben, die zu erledigen sind. Ordnen Sie diese nach ihrer Dringlichkeit und haken Sie erledigte Aufgaben ab. Für einen besseren Überblick ist es hilfreich, eine Wochen/Monatsübersicht über die zu erledigenden Aufgaben zu erstellen. Geben Sie lösungsorientierte Tipps, wenn Ihr Kind über Probleme berichtet. Vermitteln Sie Ihrem Kind, dass man zur Problemlösung aktiv etwas beitragen kann und dass man Problemen nicht „hilflos ausgeliefert“ ist. Unterstützen Sie Ihr Kind beim JOB der Woche, indem Sie gemeinsam für ein Problem nach Lösungsmöglichkeiten suchen und anschließend gemeinsam die Bewertung der Lösungsvorschläge sowie die Auswahl einer geeigneten Lösung vornehmen. S42 Infoblatt Eltern Problemlösefähigkeiten 400 Probleme erfolgreich zu lösen ist trainierbar! 1. Beschreibe kurz Dein aktuelles Problem: ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 2. Welche Lösungsmöglichkeiten fallen Dir spontan ein? Alle Lösungen aufschreiben, egal ob realistisch oder unrealistisch! Keine Bewertungen vornehmen! 1._________________________________________________________________________ 2._________________________________________________________________________ 3._________________________________________________________________________ 4.__________________________________________________________________________ 5._________________________________________________________________________ 3. Bewerte nun, wie realistisch die einzelnen Lösungen Deiner Meinung nach sind. o o o o o realistisch realistisch realistisch realistisch realistisch o o o o o eher eher eher eher eher unrealistisch unrealistisch unrealistisch unrealistisch unrealistisch o o o o o völlig völlig völlig völlig völlig unrealistisch unrealistisch unrealistisch unrealistisch unrealistisch 4. Welche Vor- und Nachteile haben die drei realistischsten Lösungen? Vorteile der 1. Lösung: ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Nachteile der 1. Lösung: ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ S43 Problemlöse-Training 401 Vorteile der 2. Lösung: ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Nachteile der 2. Lösung: ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Vorteile der 3. Lösung: ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Nachteile der 3. Lösung: ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ 5. Entscheide Dich nun für eine Lösung, die realistisch und gut umsetzbar ist und möglichst viele Vorteile hat. Für welche Lösung hast Du Dich entschieden? 6. Plane jetzt die Umsetzung der Lösung. Wie willst Du vorgehen? Wann willst Du die Lösung umsetzen? Brauchst Du Unterstützung bei der Umsetzung? Mein Lösungsplan: ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Wann werde ich den Plan umsetzen? z.B.: Nächstes Wochenende werde ich meine Eltern fragen, ob sie mein Taschengeld erhöhen können. ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ S43 Problemlöse-Training 402 Wer kann mich bei der Umsetzung der Lösung unterstützen? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Welche Schwierigkeiten könnten sich ergeben? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ S43 Problemlöse-Training 403 Übungsbeispiele für das Problemlösetraining Diskutiere mit Deinen Eltern, ob Du an Schultagen abends eine Stunde länger wach bleiben darfst. Diskutiere mit Deiner Familie die Möglichkeit, in der Sommerferien mit einigen Mitschülern in ein Jugendcamp zu fahren, anstatt mit der gesamten Familie in Urlaub zu fahren. Versuche mit guten Argumenten eine Taschengelderhöhung durchzusetzen. Du möchtest Dir ein neues T-Shirt kaufen, obwohl Dein Schrank schon voller Klamotten ist. Du willst am Wochenende auf die Party eines Freundes gehen, den Deine Eltern nicht mögen. Du möchtest gerne ein neues (teures) Hobby ausprobieren. Deine Eltern sind dagegen, weil Du bislang die Lust für jedes Hobby nach wenigen Wochen verloren hast und Deine Eltern die Kosten zu zahlen hatten. S44 Übungsbeispiele Problemlöse-Training 404 Selbstsicheres Auftreten Was ist das? Die Fähigkeit sich in verschiedenen Situationen selbstsicher zu verhalten bedeutet: … andere um einen Gefallen bitten können … dass man weiß, wie man Kontakte zu anderen Jugendlichen/Erwachsenen knüpft … Gefühle zeigen zu können – ohne sich dafür zu schämen … dass man sich anderen Personen gegenüber respektvoll verhalten kann … nein sagen zu können oder zu widersprechen, wenn man anderer Meinung ist … dass man auch in schwierigen Situationen selbstsicher auftritt … Kritik nicht persönlich nehmen … dass man den anderen ausreden lässt, auch wenn es schwer fällt … sich entschuldigen können, wenn man etwas falsch gemacht hat … dass man seine Stärken gezielt einsetzen kann … seine Schwächen und persönlichen Grenzen zu kennen … Fehler eingestehen zu können … dass man bei Provokationen einen „kühlen Kopf“ behält und nicht gleich zum Gegenangriff übergeht … sich durchsetzen zu können, ohne dabei aggressiv zu werden … dass man bei Diskussionen respektvoll miteinander umgeht und den Gesprächspartner nicht beleidigt oder angreift … sich für seine Rechte einsetzen zu können … sagen zu können, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt S45 Infoblatt Jugendlicher Selbstsicheres Auftreten und Unsicherheit 405 Unsicherheit sieht man einem an Beispiele für unsicheres Verhalten Man hat Schwierigkeiten ein Gespräch anzufangen oder ein Gespräch „in Gang zu halten“ Man schämt sich, wenn man von einer fremden Person angesprochen wird und weiß nicht, wie man reagieren soll Man lernt auf einer Party jemanden kennen und weiß nicht, wie man sich verhalten soll Man findet jemanden attraktiv und weiß nicht, wie man ihn/sie ansprechen soll ohne sich dabei zu blamieren Man fühlt sich ungerecht behandelt und ist sich nicht sicher, was man dann macht Man wird kritisiert und weiß nicht, wie man darauf reagieren soll Man möchte etwas einfordern, weiß aber nicht, wie man sein „Recht“ durchsetzt Man wird von einem Jugendlichen provoziert und hat keine Ahnung, wie man sich wehrt S45 Infoblatt Jugendlicher Selbstsicheres Auftreten und Unsicherheit 406 Infoblatt für Eltern Förderung sozialer Kompetenzen Weshalb führen wir diesen Baustein durch? Die Fähigkeit selbstsicher aufzutreten, Wünsche bzw. Forderungen durchzusetzen, neue Kontakte zu knüpfen oder der angemessene Umgang mit Kritik sind wichtige Fähigkeiten, die unter dem Oberbegriff „soziale Kompetenzen“ zusammengefasst werden. Den meisten Jugendlichen mit Selbstwertproblemen fällt es schwer, mit anderen Jugendlichen in Kontakt zu treten, neue Freundschaften zu knüpfen, in einer neuartigen Situation selbstsicher aufzutreten und diese souverän zu meistern. Kritik wird oft persönlich genommen, als ungerecht empfunden und führt nicht selten zu einer Selbstwertschwächung. Auseinandersetzungen mit Eltern oder Gleichaltrigen eskalieren aufgrund der mangelnden Konfliktlösekompetenzen schnell und enden oft in einem großen Streit. Um dies zu verhindern, erlernen die Jugendlichen in diesem Baustein u. a. Konflikte altersgerecht und aggressionsfrei zu lösen. Was machen wir mit dem Jugendlichen? Wir erarbeiten mit dem Jugendlichen grundlegende Regeln der Gesprächsführung sowie der allgemeinen Kontaktaufnahme und verdeutlichen anhand von Beispielen wichtige Aspekte selbstsicheren Verhaltens. In verschiedenen Rollenspielen üben wir konkret Gespräche mit anderen zu beginnen und fortzuführen und testen spielerisch unterschiedliche Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zu Gleichaltrigen aus. Da viele Jugendliche Schwierigkeiten haben, sich im Gleichaltrigenverbund durchzusetzen, liegt ein weiterer Schwerpunkt darin, Strategien des angemessenen Durchsetzens einzuüben und die allgemeine Kritikfähigkeit zu stärken. Wie können Sie als Eltern Ihr Kind unterstützen? Motivieren Sie Ihr Kind, die eigene Meinung zu sagen und sich für seine Rechte einzusetzen. Klären Sie Konflikte mit Ihrem Kind möglichst sachlich und lösungsorientiert. Vermeiden Sie bei Auseinandersetzungen Moralisierungen und abwertende Aussagen. Wenn etwas nicht gut läuft, üben Sie konstruktive Kritik, d. h. sach- nicht personenbezogen und möglichst konkret auf das Problem bezogen. Erinnern Sie Ihr Kind bei Bedarf daran, die Regeln selbstsicheren Auftretens sowie die Gesprächsregeln im Alltag anzuwenden. Achten Sie darauf, die Regeln, wie z. B. den anderen ausreden lassen, ebenfalls einzuhalten. S46 Infoblatt Eltern Förderung sozialer Kompetenzen 407 Cooles Auftreten – so klappt es! TOP FLOP Freundlich auf Andere zugehen Jemanden blöd anmachen Wegschauen, wenn man mit Jemandem redet (z. B. auf die eigenen Füße schauen oder in die Luft gucken) Den anderen „anstarren“ Den Anderen anschauen Lässig stehen Rumzappeln Ein natürliches Lächeln Grimassen ziehen Laut lachen Laut und deutlich sprechen Den Anderen aussprechen lassen Leise sprechen Nuscheln viele Füllwörter, wie äh, ah, mh beim Sprechen verwenden Jemanden im Gespräch immer wieder unterbrechen Den Mut haben, auch mal eine andere Meinung zu haben und das auch zu sagen In Gesprächen auch mal Fragen stellen. Wenn man etwas nicht verstanden hat ruhig nachfragen. Nicken, wenn man der gleichen Meinung ist. Keine eigene Meinung haben „Ja-Sager“ oder „Nachäffer“ Gerade Körperhaltung einnehmen (z. B. Rücken strecken, Arme locker am Körper herunter hängen lassen, Schultern entspannen, Kopf gerade halten). Ein buckeliger Rücken Hände in den Hosentaschen Hochgezogene Schultern Hochnäsig den Kopf hochziehen oder den Kopf hängen lassen Stumm wie ein Fisch zuhören Mitten im Gespräch mit einem anderen Gesprächsthema anfangen Den Anderen ohne Punkt und Komma vollquatschen S47 Cooles Auftreten – so klappt es 408 Wie lerne ich jemanden kennen ohne mich dabei zu blamieren? Ausgangssituation: Du möchtest einen Jugendlichen kennen lernen, den Du aus der Schule kennst, mit dem Du aber bislang noch keinen Kontakt hattest. Motiviere Dich, indem Du einen „Motivations-Gedanken“ formulierst! Motiviere Dich, indem Du Dir z. B. sagst: „Ich finde Sandra cool, es wird Zeit, dass ich sie endlich mal anspreche.“ Neutralisiere negative Gedanken! Versuche alle Gedanken, die Dich verunsichern oder entmutigen, zu neutralisieren! z. B. denke lieber „Sandra lernt gerne neue Leute kennen“ anstatt „Sandra findet mich bestimmt total langweilig“ Versuche Dir ein genaues Bild von der Person zu machen • • • • Beobachte die Person, um Dir ein Bild von ihr zu machen. Hat er/sie einen besonderen Kleidungsstil oder ein besonderes Styling? Mit wem ist er/sie, z. B. in der Schule, häufig zusammen? Kennst Du jemanden aus der Clique? Was weißt Du schon über ihn/sie, z. B. durch Mitschüler? Überlege Dir, wie Du das Gespräch anfangen könntest Nutze die gesammelten Informationen, um Dir Gesprächsthemen zu überlegen. Du könntest etwas von Dir erzählen, z. B. in welche Klasse Du gehst, und nach gemeinsamen Bekannten fragen. Sag was Nettes zum Styling der Person, frage nach dem Musikgeschmack oder nach den Hobbies. Erzähle auch etwas von Dir. Vertiefe Themen, wenn es passend ist. S48 Kontakte knüpfen zu Gleichaltrigen 409 Selbstsicheres Verhalten in schwierigen Situationen Versuche Dir zunächst einen Überblick über die Situation zu verschaffen. Was ist passiert? Was macht oder sagt die Person? Was könnte die Person von mir wollen? Welches Gefühl habe ich dabei? Mein erster Handlungsimpuls Stopp! Dem Handlungsimpuls nicht sofort folgen. Überlege: Wie könnte man die Situation auch noch interpretieren? Welches Gefühl habe ich, wenn ich die Situation aus einer anderen Perspektive betrachte? Was ist mein Plan? Wie werde ich reagieren? Überprüfe im Nachhinein, ob Deine Strategie erfolgreich war! Was könnte ich in einer ähnlichen Situation besser machen? S49 Selbstsicheres Verhalten in schwierigen Situationen 410 Beispiele: Was ist passiert? Was macht oder sagt die Person? z. B. Ich werde gerade kritisiert oder ich werde gerade provoziert. Was könnte die Person von mir wollen? z. B. Der will mich bestimmt blöd anmachen. Welches Gefühl habe ich dabei? z. B. Ich bin wütend. Mein erster Handlungsimpuls z. B. Dem werde ich es schon zeigen! Stopp! Dem Handlungsimpuls nicht sofort folgen. z. B. „Der ist wahrscheinlich nur schlecht gelaunt und lässt seine schlechte Laune an mir aus.“ Überlege: Wie könnte man die Situation auch noch interpretieren? Welches Gefühl habe ich, wenn ich die Situation z. B. Ich bin zwar immer noch wütend, aber aus einer anderen Perspektive betrachte? nicht mehr so sehr Was ist mein Plan? Wie werde ich reagieren? Ruhig bleiben, tief durchatmen kein „Gegenangriff“ keine Beleidigungen mit klarer und deutlicher Stimme reden Blickkontakt halten, aber nicht anstarren lockere Körperhaltung, damit der andere die Situation nicht als „Angriff“ missversteht seinen Standpunkt vertreten, ohne den anderen dabei zu provozieren Überprüfe im Nachhinein, ob Deine Strategie erfolgreich war! z. B. Ich habe ganz gut meine Meinung vertreten können ohne dabei laut oder aggressiv zu werden. Was könnte ich in einer ähnlichen Situation besser machen? z. B. Ich will versuchen eine entspannte Körperhaltung einzunehmen S49 Selbstsicheres Verhalten in schwierigen Situationen 411 Wie hast Du es geschafft selbstsicher aufzutreten? Datum Situation S50 Protokoll selbstsicheres Verhalten 412 Wie hast Du die Situation gemeistert? Wie reagierst Du normalerweise, wenn Dich jemand kritisiert? Wirst Du laut oder aggressiv? Drohst Du dem anderen? ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ Schämst Du Dich, wenn Du kritisiert wirst? o ja o nein Nimmst Du Kritik schnell persönlich? o ja o nein Gibt es bestimmte Punkte, die häufig an Dir kritisiert werden? Wenn ja, welche sind das? ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ Was könnte eine gute Strategie sein, um auf Kritik angemessen zu reagieren - ohne gleich laut zu werden oder zum Gegenangriff überzugehen? ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ S51 Umgang mit Kritik 413 Keep cool, wenn Dich jemand kritisiert & Bleib fair, wenn Du jemanden kritisierst Kritik sollte konkret sein. Nicht die Person als Ganzes kritisieren, sondern ein bestimmtes (konkretes) Verhalten. Keine Beleidigungen! Bleib' sachlich und fair. Keine Bewertungen, wie „Das ist ja wieder typisch für Dich.“ Keine Anschuldigungen, wie „Immer kommst Du zu spät.“ Stelle Deinen Standpunkt klar. Es ist Dein gutes Recht, Deine Meinung auszudrücken. Respektiere, dass auch jeder Andere das Recht hat, seine Meinung zu äußern. Nimm Kritik nicht persönlich. Wenn Du Dir nicht sicher bist, was genau kritisiert wird, habe den Mut nachzufragen (z. B. „Wie meinst Du das?“ oder „Habe ich richtig verstanden, dass ...“). Bleib ruhig, wenn Kritik an Dir geübt wird. Lass Dir nicht anmerken, wenn Du unsicher wirst oder Dich unwohl fühlst. Was genau wird kritisiert? Wenn die Kritik gerechtfertigt ist und Du die Kritik akzeptieren kannst, mach' einen Änderungsvorschlag. Rechtfertige Dich nicht voreilig, sondern suche lieber nach einer guten Lösung. Wenn Du Dich durch die Kritik überrumpelt fühlst, kläre das Problem später. Das ist besser, als Floskeln, wie „Ja, ich werde mich ändern“ zu benutzen. S51 Umgang mit Kritik 414 Fair Play Wie kann ich meine Wünsche durchsetzen ohne Streit? Schau‘ den anderen an, wenn Du um etwas bittest Sei freundlich, damit es nicht wie ein Angriff oder Streit aussieht Schrei‘ nicht Bleib‘ höflich, auch wenn Du Deinen Wunsch nicht sofort umsetzen kannst Keine Beleidigungen Keine Anschuldigungen, wie „Du verbietest mir immer...“ oder „Nie darf ich ...“ „Ich will“ Äußerungen unbedingt vermeiden (z. B. „Ich will aber länger zur Party.“) Keine „Erpressung“, um ein Ziel zu erreichen (z. B. „Wenn Du mir … nicht gibst, dann mache ich …. auch nicht) Sage zuerst was Du möchtest und erkläre dann warum! Es ist sinnvoll, sich vorher Argumente zu überlegen, da man während des Gespräches oft nicht mehr die Gelegenheit hat, sich gute Argumente zu überlegen Nicht aggressiv oder unfair werden, wenn Du merkst, dass Du Dich nicht sofort durchsetzen kannst S52 Wünsche angemessen durchsetzen 415 12 Lebenslauf Mein Lebenslauf wird aus Gründen des Datenschutzes in der elektronischen Fassung meiner Arbeit nicht veröffentlicht. 416