Bericht Drug Development 2015

Werbung
Bericht
7. Kooperationsforum
Drug Development – Infektionskrankheiten
10. Dezember, Würzburg
Bei der Bekämpfung von Krankheitserregern spielen Biotechnologie und Medizin eine bedeutende
Rolle. Gerade bei der Suche nach neuen Wirkstoffen gegen Infektionserkrankungen und multiresistente
Keime, aber auch bei der schnellen Diagnose lebensbedrohender Infekte – beispielsweise einer Sepsis
– kann die Biotechnologie Lösungen bieten. Die Ebola-Epidemie in Afrika und die weltweiten
Anstrengungen, die Seuche unter Kontrolle zu bringen, zeigen dies deutlich.
Vor 170 Teilnehmern aus Industrie und Wissenschaft referierten im Rahmen des von Bayern Innovativ
konzipierten und organsierten Kooperationsforums hochkarätige Referenten am 10.12.2015 in
Würzburg über zunehmende Herausforderungen durch Infektionserkrankungen, präsentierten neue
Diagnostikverfahren und diskutierten über die Entwicklung neuer Antiifektiva und Impfstrategien.
Zunehmende Herausforderungen durch Infektionserkrankungen
Das Robert Koch-Institut (RKI) ist eine der wichtigsten Einrichtungen für den Gesundheitsschutz in
Deutschland. Als wissenschaftlich-medizinische Leitinstitution der Bundesregierung spielt es bei der
Vorbeugung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten sowie der Analyse langfristiger
gesundheitlicher Trends in der Bevölkerung eine herausragende Rolle im deutschen
Gesundheitswesen. Klassisches Arbeitsfeld des RKI sind die Erforschung und Vorbeugung von
Infektionen.
Die neuesten Zahlen und Trends im Bereich der Infektionskrankheiten stellte Dr. Tim Eckmanns,
Fachgebietsleiter der Abteilung für Infektionsepidemiologie des RKI vor. Bei HIV zeigt sich in
Deutschland eine Zunahme neu diagnostizierter HIV Infektionen, wobei, bedingt durch die immer
bessere Behandlung, HIV sich zu einer chronischen Erkrankung entwickelt. Anders sieht es in Afrika
aus. Dort ist die Prävalenz für HIV weltweit am höchsten, die Ärztedichte jedoch am niedrigsten. Der
Trend bei Tuberkulose zeigt sich auch im Jahr 2014. Die Neuerkrankungen nehmen in Deutschland
wieder zu und steigen im Vergleich zum Vorjahr um 3,9%. Im Vergleich zum Ausland sieht die
Situation bei Masern in Deutschland schlecht aus. Die Zahlen liegen hier viel zu hoch. Mit 2.188
Masernfällen lagen die Zahlen am 31.05.2015 bereits um 419 Erkrankungen höher als im gesamten
Jahr 2013 mit 1.769 Fällen. Bei Masern sind regelrecht geclusterte Ausbrüche zu sehen. Gründe hierfür
sind beispielsweise gewisse Geisteshaltungen, die Ablehnung von Masernimpfungen oder auch
schlecht erreichbare Migranten. Prinzipiell sei die Situation in Deutschland im Vergleich zu anderen
europäischen Statten „peinlich“.
Auch der G7 Gipfel in Schloss Elmau im Juni 2015 bei dem das Thema auf der Agenda stand, hat dazu
beigetragen, dass die zunehmende Antibiotika Resistenz weltweit wahrgenommen wird. Das RKI
erstellt jährlich in Zusammenarbeit mit mikrobiologischen Laboren die Antibiotika-ResistenzSurveillance in Deutschland und beteiligt sich damit auch am Annual Report of the European
Antimicrobial Resistance Surveillance Network (EARS-Net). Erfreulich ist der Trend bei Methicillinresistenten Staphylococcus aureus (MRSA). Hier ist klar eine Abnahme der Fallzahlen in Deutschland
zu verzeichnen. Bei E.coli und K. pneumoniae mit Cefotaxim Resistenz (3rd Generation Cephalosporin)
als Marker für ESBL (Extended-Spectrum-ß-laktamasen bildende Bakterien) ist die Tendenz jedoch
steigend. Alles in allem ist die Situation in Deutschland nicht dramatisch, global jedoch teilweise
besorgniserregend.
Wie ist die Sichtweise der Industrie bei Antibiotika-Therapie und Resistenz? Dies erläuterte Sibyll
Escher, Director Medical Affairs Antiinfektiva bei MSD Sharp & Dohme GmbH, Haar/München.
1969 meinte noch der amtierende US Surgeon General, dass das Buch der Infektionskrankheiten
geschlossen werden könne: “It is time to close the book on infectious diseases, and declare the
war against pestilence won”. Heute sieht die Situation ganz anders aus.
Nach vorsichtigen Schätzungen sterben in Deutschland jährlich 6.000 Menschen durch multiresistente
bakterielle Erreger; in Europa sind es etwa 25.000 Todesfälle pro Jahr - 700.000 Todesfälle weltweit.
Herausgeber:
Bayern Innovativ GmbH
Gewerbemuseumsplatz 2
90403 Nürnberg
www.bayern-innovativ.de
Kontakt
Dr. Christian Reiser
Tel: + 49 911-20671-185
E-Mail: [email protected]
Bericht
Bliebe die Entwicklung neuer Antibiotika aus, schätzt man ab 2050 weltweit mit 10.000.000
Todesfällen, wobei die Schwerpunkte in Afrika und Asien zu sehen wären. Dennoch ziehen sich viele
Pharmafirmen aus dem Antibiotika Markt zurück. Große Unternehmen sind es noch acht, davon
nur vier mit eigener Forschung: GlaxoSmithKline, Sanofi, Roche und MSD. Dies spiegelt sich auch
darin wieder, dass beispielsweise zwischen den Jahren 2000 und 2013 davon 10 Jahre keine neuen
Antibiotika in den USA durch die FDA zugelassen wurden. Vergleicht man die Situation in Deutschland
im Zeitraum 2008 – 2012 beispielsweise mit dem Therapiegebiet Onkologie, so wurden dort 41 neue
Wirkstoffe zugelassen, bei den Antiinfektiva nur 8. Herausforderungen ergeben sich für die
Pharmafirmen durch unterschiedliche Zulassungsvoraussetzungen von FDA und EMA und neuen
klinischen pathogen-fokussierten Studienansätzen für Antibiotika. Bei multiresistenten Erregern, bei
denen es kaum oder keine adäquate Therapie-Alternative gibt, ist die Definition des Vergleichspartners
schwierig. Je nach Resistenz dauern die Studien lange, so dass es passieren kann, dass man den
Resistenzen „hinterherläuft“. Zudem ist die Wirtschaftlichkeit bei neuen Antibiotika nicht mehr generell
gewährleistet. Beim traditionellen pharmazeutischen Geschäftsmodell führt eine Innovation zu größeren
Verkaufsmengen und höheren Preisen während des Patentschutzes. Daraus ergeben sich
vorhersehbare hohe Umsätze –anders bei Antibiotika: Innovation führt nicht zu höheren
Verkaufsmengen – im Gegenteil, gerade innovative Antibiotika werden als Reserve-Antibiotika sehr
restriktiv eingesetzt. Daraus resultieren niedrige und schwer zu kalkulierende Umsätze.
Eine Lösung bietet die Beteiligung an IMI (Innovative Medicines Initiative) Kooperationsprojekten –
dem weltweit größten Life Science Public – Private Partnership (PPP), die gerade im Infektionsbereich
mit einem Gesamtbudget von über 750 Mio Euro sehr stark engagiert sind (Zeitraum 2008 – 2013).
Das Bundesministerium für Gesundheit hat zur Vermeidung von Infektionen und Resistenzen einen 10Punkte-Plan aufgestellt. Dieser sieht u.a. auch die Ermöglichung von Forschung und Entwicklung im
Rahmen des Pharmadialogs vor. Der Verband forschender Arzneimittelhersteller vfa empfiehlt u.a. die
Überwindung ökonomischer Handikaps für die Entwicklung neuer Antibiotika.
MSD hat fünf Antiinfektiva in der klinischen Phase II und III. Zugelassen wurden 2015 Tedizolid gegen
MRSA und Ceftozolan / Tazobactam gegen resistente Pseudomonaden und spezifische ESBL-bildende
Enterobakterien.
Seit nahezu 80 Jahren engagiert sich MSD auf den Gebiet der Antiinfektiva. Der ehemalige MSDForscher William C. Campbell erhielt zusammen mit Satoshi Omura und Youyou Tu den diesjährigen
Nobelpreis für Medizin. Er konnte zeigen, dass der Wirkstoff Ivermectin gegen Flussblindheit und
Elefantiasis auslösende Parasiten wirksam ist.
Bei onkologischen Erkrankungen stellen Infektionen ein besonderes Problem dar. Von Bedeutung ist für
immunschwache Patienten das zur Familie der Herpesviren gehörende Cytomegalie-Virus (CMV), das vor
allem bei Knochenmark-, Stammzell- und Organtransplantationen gefährlich werden kann. Normalerweise
wird CMV vom Immunsystem in Schach gehalten, kann aber bei gefährdeten Patienten Netzhaut und Lunge
befallen und es drohen Blindheit oder Tod. Prof. Dr. Andrew Ullmann, Leiter des Schwerpunkts
Klinische Infektiologie der Medizinischen Klinik und Poliklinik II am Universitätsklinikum Würzburg
berichtete über eine Dosisfindungsstudie mit dem Wirkstoff Letermovir, die zu wesentlichen Teilen von der
Med II getragen wurde und zu einem Artikel im dem renommierten New England Journal of Medicine führte.
Die bis dahin auf dem Markt befindlichen Medikamente haben schädigende Nebenwirkungen auf
Knochenmark und Nieren. Letermovir hingegen adressiert hochspezifisch ein neues Target, den HCMV
Terminase Komplex. Dies verhindert die Produktion infektiöser Partikel und zeigt wesentlich weniger
Nebenwirkungen. Der Wirkstoff stammt von AiCuris und wurde später von MSD gekauft. Prof. Ullmann
berichtete auch über gerade in The Lancet (http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS01406736%2815%2901159-9/abstract) veröffentlichte Ergebnisse einer Phase III Studie mit dem Wirkstoff
Isavuconazol bei schwer erkrankten Patienten mit Pilzinfektionen. Dabei zeigte sich, dass Isavuconazol
hinsichtlich efficacy und safety wesentlich besser abschnitt als Voriconazol und sich daher für die primäre
Behandlung von Patienten mit invasiven Pilzerkrankungen anbietet.
Herausgeber:
Bayern Innovativ GmbH
Gewerbemuseumsplatz 2
90403 Nürnberg
www.bayern-innovativ.de
Kontakt
Dr. Christian Reiser
Tel: + 49 911-20671-185
E-Mail: [email protected]
Bericht
Diagnostik
Sepsis ist nach wie vor die vorherrschende Todesursache bei Infektionserkrankungen. Laut dem
Kompetenznetz Sepsis (SepNet) sterben jeden Tag in Deutschland 162 Menschen an Sepsis.
Weltweit stirbt alle 3-4 Sekunden jemand an der Erkrankung. In den Entwicklungsländern gehen 60 –
80 % aller infektionsbedingten Todesfälle auf Sepsis zurück und Jahr für Jahr fallen ihr mehr als 6 Mio.
Neugeborene und Kleinkinder zum Opfer, 100.000 Mütter sterben im Wochenbett. Bei Sepsis gilt:
schnelle Therapie erhöht die Wahrscheinlichkeit des Überlebens. Hierfür ist eine schnelle
Diagnostik erforderlich. Über dieses Thema sprach Dr. Peter Schubert, CSO von R-Biopharm,
Darmstadt in seinem Vortrag Point of care Sepsisdiagnostik.
Bedingt durch diffuse Symptome ist die Diagnose einer Sepsis unsicher. Gold-Standard ist die
Blutkultur, deren Resultat aber erst nach ca. 24 h vorliegt. Das Problem ist zudem, dass nur 15-20 %
der Sepsis-Patienten in der Blutkultur positiv sind und dass die Identifizierung eines Erregers einige
Tage dauert.
Die bestehenden labordiagnostischen Methoden erlauben keine schnelle Diagnose und liefern
keine Hilfe für frühe therapeutische Entscheidungen.
Aus diesem Grunde wurde das vom BMBF geförderte Forschungsprojekt „FastDiagnosis“ initiiert,
an dem u.a. R-Biopharm, Qiagen Lake Constance, verschiedene Institute der Universität und des
Universitätsklinikums Jena und die Rap.ID Particle Systems beteiligt waren.
Letztendlich geht es darum, ein kombiniertes Verfahren aus einem Lateral-flow-Test und RamanSpektroskopie anzuwenden. Für die Anwendung als quantitativer Multiplex Biomarker Test Strip
wurden 3 Sepsis-Biomarker (CRP, PCT, IL-6) getestet und bei der Ermittlung des sogenannten
SepsisScores (Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Sepsis) das Alter des Patienten mit
einbezogen. Die nächsten Schritte umfassen die Entwicklung eines Prototypen und die Durchführung
von klinischen Prüfungen.
Die zweite Methode ist die Raman-Spektroskopie mit deren Hilfe Erreger aufgrund ihres
spektroskopischen „fingerprints“ kulturunabhängig identifiziert werden sollen. Das konfokale
Volumen des Gerätes erlaubt dabei die Generierung von Einzelzell-Raman-Spektren, die mit Spektren
aus einer Datenbank verglichen werden und damit Rückschlüsse auf die Erreger zulassen.
Den Namen kennt fast jeder: Ebola. Doch kaum einer weiß, dass es sich dabei um einen Fluss handelt. Mit
dem Namen Ebola ist eine tödliche Infektionskrankheit verbunden. 1976 kam es in der Demokratischen
Republik Kongo zum ersten bekannten Ausbruch. Seither gab es nur vereinzelte und wenige
Krankheitsausbrüche, die regional sehr eingeschränkt waren.
Durch die Ebola-Epidemie von 2014 bis 2015 ist das Bewusstsein für diese Erkrankung, die zu den
hämorrhagischen Fiebern gehört, stark gestiegen. Der aktuelle Ausbruch ist mit fast 28.000 Infizierten und
über 10.000 Toten der bisher folgenschwerste.
Ausgelöst durch das Ebolavirus verläuft die Krankheit zu 25 bis 90 Prozent tödlich. Die frühzeitige Diagnose
ist sehr schwierig, da Symptome wie Fieber, Muskelschmerzen, Erbrechen den Symptomen anderer
Krankheiten stark ähneln. Noch gibt es keine standardisierte Therapie, aber Impfstoffe finden sich in der
Entwicklung.
Das European Mobile Lab Konsortium (EMLab) wurde 2011 gestartet mit dem Ziel, mobile Laboreinheiten
für die Detektion von Infektionserregern bis zur Risikogruppe 4 aufzubauen, Das Konzept für diese Labore
wurde vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr erstellt und baut auf militärmedizinischen
Konzepten auf, wie Dr. Roman Wölfel, Leiter des Kompetenzbereiches Bakterien & Toxine des
Instituts erläuterte. Im Rahmen des Projekts wurden Verfahren für den Nachweis von 23 Krankheitserregern
im mobilen Labor etabliert, darunter Ebola und Malaria. Die folgenden Anforderungen an die mobilen
Einheiten und Diagnostik mussten erfüllt werden: schnell verlegbar, kurze Zeit bis zum Ergebnis,
spezifischer und sensitiver Nachweis.
Anfang 2014 wurde das erste Team innerhalb von nur drei Tagen nach Afrika verlegt und war damit
eines der ersten mobilen Diagnostiklabore vor Ort unter der Koordination der WHO. Im Lauf der Epidemie
kamen drei der 41 internationalen Labore aus dem EMLab-Projekt. Wesentliche Bestandteile sind der
Herausgeber:
Bayern Innovativ GmbH
Gewerbemuseumsplatz 2
90403 Nürnberg
www.bayern-innovativ.de
Kontakt
Dr. Christian Reiser
Tel: + 49 911-20671-185
E-Mail: [email protected]
Bericht
faltbare Handschuhkasten zur sicheren Probenvorbereitung und ein qPCR-Gerät für die schnelle Diagnostik.
Während der Einsatzdauer wurden insgesamt über 11.000 Proben getestet, ca 90 Proben pro Tag. 3.300
davon wurden positiv auf Ebola getestet. Aufgrund der unspezifischen Symptome von Ebola im
Anfangsstadium und um eine Infektion mit Malaria auszuschließen, wurde auf beide Erreger mit
quantitativer PCR getestet. 11 % der Proben zeigten nur eine Ebolainfektion, für 37 % konnte eine Infektion
mit Ebola und Malaria nachgewiesen werden und 16 % wurden nur auf Malaria positiv getestet.
Neue Therapeutika und Impfstrategien
Chemische und biologische Wirkstoffe auf ihre Eignung für neue Therapien zu untersuchen, neue
Wirkstoffe zu entdecken, ihre Funktionsweise zu charakterisieren und ihre Eigenschaften zu optimieren
sind die Hauptziele der Abteilung „Chemische Biologie“ am Helmholtz Zentrum für
Infektionsforschung, Braunschweig. Der Leiter dieser Abteilung, Prof. Dr. Mark Brönstrup, stellte
eine „Trojanisches Pferd“ Strategie zur Entwicklung neuer antibakterieller Wirkstoffe vor. Diese macht
sich das Eisentransportsystem von Bakterien zu nutze. Dabei dienen Siderophore, niedermolekulare
Verbindungen, die Fe(III)-Ionen in Form von Chelat-Komplexen binden, als Targeting-Komponente, an
die über einen Linker Antibiotoka gekoppelt werden. Ziel ist der aktive Transport der Antiinfektiva in die
Zellwand gram-negativer Erreger. Die Braunschweiger hängen an das Siderophor DOTAM als AdaptorEinheit, an die wiederum über einen Linker das Antibiotikum gekoppelt ist. Das Konjugat wird über das
Siderophor-abhängige Eisen-Transportsystem durch die Zellwand des Bakteriums transportiert. Die
DOTAM Einheit kann MRI / PET Kontrastmittel wie beispielsweise Gd(III) oder Cu-64(II) binden, so
dass das Konjugat als Theranostikum eingesetzt werden kann.
Ein weiteres Forschungsgebiet ist die Suche nach Naturstoffen mit einem breiten antiviralen
Wirksamkeitsspektrum. Dabei stießen die Forscher auf Labyrinthopeptine, sekundäre Metabolite aus
Actinomadura namibiensis. Nach fast 20 Jahren Dornröschen-Schlaf konnte die Röntgenstruktur von
Labyrinthopeptin A2 im Jahr 2010 gelöste werden. Dieses sehr ungewöhnliche Lantibiotikum weist
Lanthionin- und Disulfidbrücken auf und völlig neuartigen Carbacyclen mit disubstituierten
Aminosäuren. Diese in der Natur vorkommende C-C Bindung ist neu; der Name der Aminosäure ist
Labionin. Laby Verbindungen zeigen Aktivität gegen viele behüllte Viren. Interessant ist auch der
synergistische Effekt zweier Laby Verbindungen gegen Dengue. Man nimmt an, dass Laby durch die
Bindung an Lipide der viralen Hülle die Dengue Infektion verhindert.
Die Suche nach neuen Leads ist das Aufgabengebiet des Lead Discovery Centers LDC aus
Dortmund. 2008 wurde das LDC von Max-Planck-Innovation gegründet und hat die Funktion eines
translationalen Inkubators für akademische Projetideen. Dabei arbeitet es eng mit akademischen
Principal Investigators und der Industrie zusammen, benötigt aber für die Inkubation externes Funding,
beispielsweise von Max Planck. Es bietet exklusive Lizenz- und Co-Development Partnerprogramme
an und handelt dabei nach dem Prinzip „shared risk – shared success“. Bei der Auswahl und
Untersuchung der Leads legt das LDC streng den Industriestandard als Maßstab. Als Beispiel aus dem
Bereich Infektionsforschung erläuterte Dr. Bert Klebl, Geschäftsführer und CSO des LDC die
Untersuchung der Wirksamkeit verschiedener Verbindungen gegen die bakterielle Protease DegS. Hier
wurden erste erfolgversprechende Leads identifiziert.
Ein weiteres Projekt beschäftigt sich mit der Suche nach potentiellen wirtszell-spezifischen Targets
bei Influenza. Durch RNAi Screening stieß man bei der Identifizierung der besten biologischen Targets
auf vATPase – einem für die Influenza Virus-Replikation essentiellen Wirtszellfaktor. Weitere
Untersuchungen zeigten eine gute Korrelation zwischen der Inhibierung der vATPase und der
Virusreplikation und unterstützen somit die Target-Hypothese. Der nächste Schritt wird die LeadNominierung sein.
Mit Alternativen zu Antibiotika beschäftigt sich die Lysando AG aus Triesenberg, Lichtenstein, die
einen Standort in Regensburg betreibt. Sie entwickelt antimikrobielle, rekombinante Proteine gegen
hochresistente und persistierende Keime. Diese Artilysin®e leiten sich von Phagenproteinen ab und
können den Anforderungen an das Wirtsspektrum angepasst werden. Sie sind nicht toxisch und
Herausgeber:
Bayern Innovativ GmbH
Gewerbemuseumsplatz 2
90403 Nürnberg
www.bayern-innovativ.de
Kontakt
Dr. Christian Reiser
Tel: + 49 911-20671-185
E-Mail: [email protected]
Bericht
eliminieren laut Markus Graf Matuschka von Greiffenclau, Mitgründer und Mehrheitseigner der
Lysando AG, effektiv gram-positive und gram-negative Bakterien. Die Artilysin®e wirken über
Ladungen und bringen die bakteriellen Zellen zum Platzen; Resistenzen wurden bisher nicht
beobachtet. Untersucht wurde auch die Wirkung gegen persistierende Bakterien und die Wirkung in
Biofilmen. Auch im Sputum eines Patienten mit Cystischer Fibrose zeigte die Substanz Wirkung gegen
Bakterien. Mit Pseudomonas aeruginosa infizierte Mäuse zeigen im Vergleich zur Kontrollgruppe nach
Behandlung mit Artilysin eine erhöhte Überlebensrate. Auch Daten einer Patientin mit Cystischer
Fibrose wurden gezeigt. Nach einem Behandlungszeitraum von 29 Tagen mit Artilysin konnte die
Bakterienbelastung der Patienten deutlich reduziert werden.
Infektionen mit Bakterien oder Viren lösen ein komplexes Zusammenspiel zwischen den Zellen
des Wirtes und des Pathogens aus. So zeigen jüngste wissenschaftliche Ergebnisse, dass nicht nur
die verschiedenen menschlichen Immunzellen auf fremde Zellen mit humoraler und zellulärer
Immunantwort reagieren, sondern auch eine Vielzahl von nicht-kodierenden, regulatorischen RNAMolekülen eine wichtige Rolle im Infektionsprozess spielen. In mikrobiellen Pathogenen sind noncoding RNAs die verbreiteste Klasse posttranskriptioneller Regulatoren. In humanen Zellen sind sie
wichtiger Bestandteil regulatorischer Netzwerke, die Einfluss auf die Modulation der Wirtsantwort
haben. Ein Beispiel ist miR-122, das an HCV (Hepatitis C-Virus) RNA bindet und dadurch vor dem
Abbau der RNA schützt. Durch Inhibierung von miR-122 mit einem anti-sense Oligonukleotid kann
die Replikation von HCV unterbunden werden. Dieser Ansatz mit LNA (locked nucleic acid;
Miravirsen) gilt als Proof-of-Principle für neue Medikamente auf Basis von anti-sense Oligonukleotiden
zur Behandlung von Infektionserkrankungen.
Mit Hilfe der RNA-Sequenzierung (RNA-seq) lassen sich die Transkriptome analysieren und
systematisch auf non-coding RNAs untersuchen. Im Genom von Salmonella (ca. 4000 Gene) wurden
200 dieser RNAs gefunden. Auch die Entdeckung des CRISPR-Cas System, das eigentlich ein
bakterielles Abwehrsystem gegen Bakteriophagen ist, beruht auf der Interaktion von non-coding RNAs
mit Target-Nukleinsäuren.
In der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Jörg Vogel, Vorstand des Instituts für Molekulare
Infektionsbiologie in Würzburg wird mit der Methode der Dual RNA-seq aus dem
Gesamttranskriptom infizierter Zellen RNA gewonnen und diese auf Genexpression und non-coding
RNAs untersucht. Damit können in einem Experiment gleichzeitig die Reaktionen und alle beteiligten
RNA-Klassen der Wirts- und Pathogenzellen analysiert werden. Für die Zukunft ergeben sich auf Basis
der Erkenntnisse über RNA-Interaktionen viele neue Anwendungen wie neue Biomarker,
therapeutische Angriffspunkte oder antiinfektive und immunstimulierende RNA-Wirkstoffe.
Bereits heute entwickeln Unternehmen RNA als Wirkstoff für die Behandlung verschiedener
Erkrankungen. Die CureVac AG mit Sitz in Tübingen hat eine Technologieplattform entwickelt, um
RNA als Wirkstoff zur Behandlung von Krebs, zum Schutz vor Infektionskrankheiten oder zur
gezielten Proteinexpression zu entwickeln. Der proprietäre Prozess beruht auf der spezifischen
Optimierung von RNA-Molekülen für ein bestimmtes Target und basiert auf einer
Sequenzoptimierung, dem Nukleotiddesign und der Formulierung. Die Produktion ist GMP-konform
in 6,5 Wochen möglich. CureVac hat eine Reihe von Wirkstoffen in der Pipeline, u.a. zur Behandlung
von Prostatakrebs in Phase II oder einen Tollwutimpfstoff in Phase I. Viele der Produkte werden in
Partnerschaft mit Pharmaunternehmen wie Boehringer Ingelheim, Sanofi, Pasteur, Janssen oder mit
Unterstützung der Bill & Melinda Gates Stiftung entwickelt. Anhand verschiedener Beispiele zeigte
Frau Dr. Edith Jasny von CureVac, dass durch die auf der RNActive-Technologie basierenden
Impfstoffe eine starke Antigenexpression erreicht, das angeborene Immunsystem aktiviert und eine
balanzierte Immunantwort ausgelöst wurde. Die Titer waren über längere Zeit stabil und haben ein
gutes Verträglichkeitsprofil gezeigt. Zur Zeit wird mit einem Impfstoff gegen Tollwut eine erste
Humanstudie mit 80 Freiwilligen durchgeführt, bei der die Sicherheit und Verträglichkeit geprüft und die
Immunogenität gezeigt werden soll.
Virale Atemwegsinfektionen zählen mit 3,2 Millionen Todesfällen zu den häufigsten Ursachen
weltweit. Zu den Erregern gehören auch die Influenza Viren und RSV (Respiratorisches Syncytial
Herausgeber:
Bayern Innovativ GmbH
Gewerbemuseumsplatz 2
90403 Nürnberg
www.bayern-innovativ.de
Kontakt
Dr. Christian Reiser
Tel: + 49 911-20671-185
E-Mail: [email protected]
Bericht
Virus). Für ganz junge und alte Menschen sowie immunsupprimierte Patienten stellen diese Viren
ein besonders hohes Risiko dar. Aufgrund der hohen Variabilität von Influenzaviren und der in Asien
verbreiteten Märkte mit lebendem Geflügel, die auf engstem Raum gehalten werden, ist damit zu
rechnen, dass neue, potenziell gefährliche Influenzastämme in Zukunft entstehen.
Für Impfstoffe stehen bisher Totimpfstoffe oder lebend-attenuierte Viren zur Verfügung. Prof. Dr.
Matthias Tenbusch, Ruhr-Universität Bochum entwickelt genbasierte Impfstoffe. Die Vorteile sind,
dass durch eine infektionsähnliche Antigenexpression das angeborene Immunsystem, CD4+ und
CD8+ Zellen aktiviert und Antikörper gebildet werden. Das System kann schnell adaptiert werden
(Produktion innerhalb von drei Monaten) und der Umgang mit dem infektiösen Erreger ist
ausgeschlossen. Die Applikation der DNA-Vakzine (Plasmide) oder adenoviraler Vektoren erfolgt
derzeit mittels Elektroporation. Im Mausmodell konnte so die Wirksamkeit einer DNA-Immunisierung
gegen das pandemische Influenzavirus H1N1 von 2009 gezeigt werden. Durch eine heterologe
Immunisierungsstrategie (zeitlich versetzte Immunisierung mit DNA-Vakzin und adenoviralen Vektoren,
die die Gene für Hämagglutinin (HA) und Nucleoprotein (NP) aus dem H1N1 Influenzastamm von 1934
codieren) konnte gezeigt werden, dass in dieser Kombination durch die mukosale Applikation der
beste Schutz bei gleichzeitig geringem Gewebeschaden erreicht wurde. Um einen optimalen Schutz
vor erneuten Infektionen zu erzielen, ist es wichtig dass die Gedächtnis-T-Zellen durch die Impfung
aktiviert werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt stellen genbasierte Immunisierungen eine
vielversprechende Alternative zu Lebendimpfstoffen dar, da sie schnell adaptierbar sind, eine
effiziente humorale und zelluläre Immunantwort induzieren und langlebige lokale Immunität erzielt
werden kann, wodurch eine frühe Kontrolle der Virusreplikation am Eintrittsort möglich ist.
Die Universität Würzburg besitzt mit dem Zentrum für Infektionsforschung (ZINF) die älteste
universitäre Einrichtung in Deutschland, die sich interdisziplinär und fakultätsübergreifend der
Erforschung von Infektionskrankheiten widmet. Das ZINF hat sich zu einer international weit sichtbaren
und anerkannten Institution entwickelt, die wesentlich zu dem ausgeprägten biomedizinischen Profil der
Universität Würzburg beiträgt. Hier wird interdisziplinär und fakultätsübergreifend zusammengearbeitet:
die Medizinische Fakultät mit dem Universitätsklinikum, die Biologische Fakultät und die Fakultät für
Chemie und Pharmazie beteiligen sich mit mehreren Lehrstühlen und Instituten am Zentrum und tragen
zu zahlreichen drittmittelgeförderten interdisziplinären Forschungsverbünden bei.
Fachlicher Ansprechpartner
Dr. Christian Reiser
[email protected]
Tel. +49 911-20671-185
Herausgeber:
Bayern Innovativ GmbH
Gewerbemuseumsplatz 2
90403 Nürnberg
www.bayern-innovativ.de
Kontakt
Dr. Christian Reiser
Tel: + 49 911-20671-185
E-Mail: [email protected]
Herunterladen