V5 Linsengesetze, Augenmodell Auf der Lichtbrechung an kugelförmig gekrümmten Grenzflächen beruhen die Abbildungseigenschaften von Linsen. Linsen und Linsensysteme findet man in optischen Instrumenten, wie Lupe und Mikroskop, aber auch in Form der Augenlinse und von Brillengläsern zur Korrektur von Augenfehlern. 1.2. Das Brechungsgesetz Als Brechung bezeichnet man den Sachverhalt, daß Lichtstrahlen ihre Richtung ändern können, wenn sie die Grenzfläche zwischen zwei transparenten Medien durchdringen. Die Ursache dafür ist die unterschiedliche Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts in den betrachteten Stoffen. Eine ausführliche Darstellung des Brechungsgesetzes erfolgt in Abschnitt 1.2. von Versuch 10 (Lichtleiter, Endoskop), so daß hier nur eine Zusammenfassung der wesentlichen Begriffsdefinitionen und Gesetzmäßigkeiten gegeben wird. Als Brechungsindex n eines optischen Mediums bezeichnet man das Verhältnis der Lichtgeschwindigkeit im Vakuum c0 zur Lichtgeschwindigkeit in dem betrachteten Medium c: n= 1. Theoretische Grundlagen 1.1. Stichworte zur Vorbereitung Wir werden in diesem Versuch dauernd von Lichtstrahlen sprechen; in den Zeichnungen werden Lichtstrahlen als gerade Linien dargestellt, die beim Durchgang durch Linsen bestimmte Richtungsänderungen erfahren. Was unter dem Begriff Lichtstrahl physikalisch zu verstehen ist, machen wir uns anhand von Abb.1.1. klar: Eine Lichtquelle L.Q. sendet Licht in alle Raumrichtungen aus. Weit rechts von L.Q. befinde sich ein undurchsichtiges Hindernis mit einer kleinen spaltförmigen Öffnung Sp. Durch diese Öffnung tritt ein schmales Lichtbündel mit einem kleinen Öffnungswinkel u in den Raum rechts vom Spalt ein. Da Lichtausbreitung immer mit dem Transport von Strahlungsenergie verbunden ist, wird die vom Lichtbündel mitgeführte Energie umso kleiner sein, je kleiner der Öffnungswinkel u des Lichtbündels ist. c0 >1 c (1.1) Als Dispersion bezeichnet man die Abhängigkeit des Brechungsindex von der Wellenlänge des Lichts: n = n(λ). Im Bereich des sichtbaren Lichts wird n mit zunehmender Wellenlänge kleiner. Beim Brechungsgesetz betrachtet man einen Lichtstrahl, der auf eine ebene Grenzfläche zwischen zwei Stoffen mit den Brechungsindizes n1 bzw. n2 fällt. Der zur Senkrechten im Auftreffpunkt (Einfallslot) gemessene Winkel sei α. Der Strahl bilde nach der Brechung mit dem Lot den Winkel β. Dann gilt: 1. Einfallender, ausfallender Strahl und das Lot liegen in einer Ebene. 2. Das Verhältnis aus dem Sinus des Einfallswinkels α und dem Sinus des Ausfallswinkels β ergibt sich aus den Brechungsindizes n1 bzw. n2 zu: sin α n 2 = sin β n 1 (1.2) Man beachte die Zuordnung der Winkel α gemessen im Medium mit Brechungsindex n1 bzw. β im Medium mit Brechungsindex n2! Für n1 > n2, also für einen Übergang aus einem optisch dichteren in ein optisch dünneres Medium existiert ein Grenzwinkel αT, für den β = 90° wird. Beim Überschreiten dieses Grenzwinkels kommt es zum Phänomen der Totalreflexion, d.h. der Lichtstrahl wird vollständig zurück in das optisch dichtere Medium reflektiert. Dieses Verhalten findet in der sogenannten Faseroptik Anwendung (siehe Versuch 10). Abb. 1.1. Lichtbündel und Lichtstrahl Je weiter wir den Schirm nach rechts verschieben, desto kleiner wird der Öffnungswinkel u des von L.Q. durch Sp hindurchtretenden Lichtbündels. Wir definieren: Unter einem Lichtstrahl wollen wir im folgenden ein Lichtbündel verstehen, dessen Öffnungswinkel und Querschnitt beliebig klein sind. D.h. die Breite des Bündels ist überall in unserem Experiment klein gegenüber den Objekten, die abgebildet werden. V 5.1 1.3. Zwei Beispiele zum Brechungsgesetz 1.3.1. Lichtdurchgang durch eine planparallele Platte Aus Abb.1.2. ersieht man, daß ein unter dem Winkel α gegen das Lot auf die eine Plattenebene einfallender Lichtstrahl nach zweimaliger Brechung die Platte in der gleichen Richtung wieder verläßt, allerdings mit einer Parallelversetzung p, deren Größe bei festem α der Plattendicke d proportional ist. V 5.2 Nach dem Brechungsgesetz (1.2) ergibt sich für achsnahe Strahlen, d.h. für hinreichend kleine Winkel α und β, folgende Näherung: n 2 sin α α = ≈ n1 sin β β (1.3) Die Winkel ϕ1 und ϕ2 des Lichtstrahls sowie der Winkel γ des Lots mit der optischen Achse lassen sich unter gleichen Bedingungen wie folgt ausdrücken: ϕ1 ≈ tan ϕ1 ≈ d g ϕ 2 ≈ tan ϕ 2 ≈ d b γ ≈ tan γ ≈ d r (1.4) Dabei ist d der Abstand des Schnittpunktes des Lichtstrahls mit der Kugelfläche zur optischen Achse und r der Krümmungsradius. Die Strecken g = AZ und b = BZ werden mit Bezug auf ihre Bedeutung bei der optischen Abbildung als Gegenstandsweite bzw. Bildweite bezeichnet. Aus Abb.1.3. lassen sich die folgenden Winkelbeziehungen ableiten: Abb. 1.2. Parallelversetzung eines Lichtstrahls beim Durchgang durch eine planparallele Platte 1.3.2. Brechung an einer kugelförmigen Grenzfläche Die gekrümmte Hornhaut des Auges sowie die Oberflächen von Linsen sind kugelförmige Grenzflächen zwischen Medien mit verschiedenen Brechungsindizes n1 und n2. In Abb.1.3. ist der Strahlverlauf an einer derartigen Kugelfläche dargestellt. Als optische Achse bezeichnet man eine Symmetrielinie, die durch das Zentrum Z der Kugelfläche und den Krümmungsmittelpunkt K verläuft. Ein von einem Punkt A auf der optischen Achse ausgehender Lichtstrahl wird an der Grenzfläche im Punkt P gebrochen und kreuzt die Achse wieder nach der Brechung im Punkt B. Mit dem Lot im Punkt P, das die Achse im Krümmungsmittelpunkt K der Kugelfläche trifft, bildet der Strahl die Winkel α bzw. β. γ = α − ϕ1 = β + ϕ 2 (1.5) Drückt man die Winkel γ , ϕ1 und ϕ2 durch die Näherungen (1.4) und den Winkel β mit Hilfe von Gl.(1.3) durch den Winkel α aus, so folgt daraus: n d d d = α− = 1 ⋅α+ r g n2 b (1.6) Mit dem linken Teil der Gleichung (1.6) läßt sich α ausdrücken und durch Einsetzen in den rechten Teil eliminieren, so daß man schließlich erhält: d n1 = r n2 d d d ⋅ + + r g b und nach Division durch d und Multiplikation mit n2 die Abbildungsgleichung: n1 n 2 n − n1 + = 2 g b r (1.7) In dieser Gleichung sind weder die Winkel γ , ϕ1 und ϕ2 noch der Abstand d enthalten, doch sollte man in Erinnerung behalten, daß das Ergebnis auf den Näherungen für achsnahe Strahlen (1.3) und (1.4) beruht. Unter dieser Voraussetzung werden also alle vom Punkt A ausgehenden Lichtstrahlen nach Brechung an der kugelförmigen Grenzfläche wieder im Punkt B vereinigt, d.h. B ist der Bildpunkt von A. Parallel zur Achse einfallende Strahlenbündel (ϕ1 = 0, g = ∞ ) werden im rechtsseitigen Brennpunkt zusammengeführt. Als zugehörige (hintere) Brennweite erhält man b = fb = Abb. 1.3. Brechung an einer kugelförmigen Grenzfläche V 5.3 n2 ⋅r n 2 − n1 V 5.4 (1.8.a) Entsprechend erhält man den linksseitigen Brennpunkt, indem man ihn als Ausgangspunkt von Strahlen definiert, die als achsenparalleles Bündel austreten (ϕ2 = 0, b = ∞ ). Die zugehörige (vordere) Brennweite beträgt g = fg = n1 ⋅ r. n 2 − n1 (1.8.b) Vordere und hintere Brennweite verhalten sich zueinander wie die Brechungsindizes vor und hinter der Grenzfläche. Bildet man also die Quotienten aus den Brechungsindizes n2 bzw. n1 und den zugehörigen Brennweiten nach Gln.(1.8.a) und (1.8.b), so erhält man übereinstimmend die Größe n n n − n1 , (1.9) D= 2 = 1 = 2 fb fg r Dünne Linsen sind solche Linsen, deren größte Dicke (bei Sammellinsen die Dicke der Linsenmitte, bei Zerstreuungslinsen die Breite des Randes) sehr klein ist gegenüber den Radien der sie begrenzenden Kugelflächen. Sie erfüllen bei der Herleitung des Abbildungsgesetzes die Voraussetzungen, unter denen die Näherungen von Gln.(1.4) und (1.5) Gültigkeit besitzen. Dadurch nimmt die Abbildungsgleichung für dünne Linsen eine besonders einfache Form an, siehe Gl. (1.13). 1.5. Brennpunkte bei Sammel- und Zerstreuungslinsen In Abb.1.5. ist ein Querschnitt durch zwei sich schneidende Kugeln mit den Mittelpunkten M1 und M2 und den Radien r1 und r2 gezeichnet. Die beiden Kugeloberflächen begrenzen eine bikonvexe sphärische Linse S.L., deren Querschnitt als durchgehende Linie gezeichnet ist. (Die hier dargestellte Linse ist allerdings durchaus nicht dünn im Sinne von Abschnitt 1.4.) die man als Brechkraft der Kugelfläche bezeichnet. Die Einheit der Brechkraft ist die Diopt1 . rie: 1 Dioptrie = 1 dpt = m Man beachte, daß auf der rechten Seite von Gl.(1.7) gerade die so definierte Brechkraft steht. 1.4. Sammel- und Zerstreuungslinsen In Abb.1.4. sind je drei Grundformen von Sammel- und Zerstreuungslinsen im Querschnitt dargestellt. Demnach unterscheidet man: a) Sammellinsen 1: bikonvex b) Zerstreuungslinsen 4: bikonkav 2: plankonvex 5: plankonkav 3: konkavkonvex 6: konvexkonkav Sammellinsen sind in der Mitte dicker als am Rand, Zerstreuungslinsen dünner. Wir werden uns im folgenden auf dünne sphärische Linsen beschränken: Spärische Linsen sind solche, deren Oberflächen aus Teilen von Kugeloberflächen bestehen. (Das schließt auch plankonvexe oder plankonkave Linsen ein, wenn wir ihre ebene Seite als Teil der Oberfläche einer Kugel von unendlich großem Radius Auffassen.) Abb. 1.5. Radien der eine bikonvexe Linse begrenzenden Kugelflächen Unter der Voraussetzung, daß der Abstand der brechenden Flächen klein gegen deren Krümmungsradien ist, addieren sich ihre Brechkräfte zur Gesamtbrechkraft der Linse. Ausgehend von Gl.(1.7) erhält man also: n1 n 3 n − n1 n 3 − n 2 + = 2 + g b r1 − r2 (1.10) Die in Gl.(1.10) vorkommenden Brechungsindizes sind wie folgt zuzuordnen: n1 und n3 beziehen sich auf die Medien auf der konvexen Seite der Kugelflächen, also zu beiden Seiten außerhalb der Linse. n2 ist der Brechungsindex auf der konkaven Seite der Kugelflächen, also im Inneren der Linse. Der umgekehrten Krümmung der rechten Linsenoberfläche wird durch das negative Vorzeichen des Krümmungsradius r2 Rechnung getragen. In den meisten Fällen wird eine Linse auf beiden Seiten von Luft umgeben sein, d.h. in guter Näherung kann man setzen: n1 = n3 ≈ 1. Bezeichnet man dann den Brechungsindex des Linsenmaterials mit n, so reduziert sich Gl.(1.10) auf: Abb. 1.4. Grundformen von Sammel- und Zerstreungslinsen. V 5.5 1 1 1 1 + = (n −1)⋅ + g b r r 2 1 V 5.6 (1.11) Die vordere und hintere Brennweite einer auf beiden Seiten von Luft umgebenen dünnen Sammellinse erhält man analog zu Abschnitt 1.3.2. durch Betrachtung der Grenzfälle b → ∞ bzw. g → ∞ , d.h. achsparalleler Strahlverlauf im Bildraum bzw. Gegenstandsraum. Man erhält für beide Grenzfälle das gleiche Ergebnis: 1 1 1 = (n − 1)⋅ + f r1 r2 (1.12) bzw. nach der Brennweite f aufgelöst: f = 1 r1 ⋅ r2 ⋅ n − 1 r1 + r2 (1.12.a) Die Brennpunkte F1 und F2 einer dünnen Sammellinse befinden sich also auf der optischen Achse im gleichen Abstand f rechts und links vom der Linsenmitte. Aus (1.12) bzw. (1.12.a) folgt weiter: Je kleiner die Radien der die Linse begrenzenden Kugeloberflächen sind, d.h. je stärker die Wölbung der Linsenflächen ist, desto größer wird die rechte Seite von (1.12), d.h. desto kleiner wird die Linsenbrennweite f. Durch Einsetzen von Gl.(1.12) in Gl.(1.11) erhält man schließlich die Abbildungsgleichung für dünne Sammellinsen: 1 1 1 + = g b f Abb.1.6. Brennpunkte und Brennweite einer Zerstreuungslinse Zu diesem Ergebnis kommt man, indem man in Gl.(1.10) entsprechend der anderen Krümmung die Vorzeichen der Radien r1 und r2 umkehrt und die dort gemachten Annahmen über die Brechungsindizes übernimmt: (1.13) Die Diskussion dieses Gesetzes erfolgt in Abschnitt 1.6 in Zusammenhang mit der Bildkonstruktion für Sammellinsen. Die Tatsache, daß f proportional zu 1/(n−1) ist, hat eine wichtige Konsequenz für Abbildungen mit Röntgenlicht: Röntgenstrahlung ist ebenso wie Licht elektromagnetische Wellenstrahlung, nur sind die Wellenlängen von Röntgenstrahlen um ein Vielfaches kleiner als die von Licht. Im Wellenlängenbereich der Röntgenstrahlen besitzt der Brechungsindex aller für elektromagnetische Strahlung durchlässigen Stoffe einen Wert von nahezu n = 1. Damit wird (n − 1) ≈ 0 und die Brennweiten nach Gl.(1.12) werden beliebig groß, d.h. es lassen sich keine Linsen für Röntgenstrahlen herstellen. Betrachten wir nun eine dünne Zerstreuungslinse. In Abb.1.6. treffen achsenparallele Lichtstrahlen von links kommend auf die Linse. Die einfallenden Lichtstrahlen werden von der optischen Achse weg nach außen gebrochen - es kommt zu keiner Vereinigung der Strahlen rechts von der Zerstreuungslinse. Aber: Verlängert man die auseinanderlaufenden Strahlen nach rückwärts, also in das Gebiet der einfallenden Strahlen, so scheinen sie alle von einem einzigen Punkt der optischen Achse auszugehen. Diesen Punkt nennt man den virtuellen linken Brennpunkt F1 der Zerstreuungslinse (virtuell = scheinbar, nicht wirklich). Den Abstand dieses Brennpunkts von der Mittelebene ME der Zerstreuungslinse nennt man den Betrag f ihrer virtuellen Brennweite, die Brennweite f selbst ist negativ. V 5.7 n1 n 3 n − n1 n 3 − n 2 + = 2 + g b r2 − r1 → . 1 1 1 1 + = − (n − 1)⋅ + g b r r 2 1 negative Brennweite Läßt man analog achsenparallele Strahlen von rechts kommend auf die Zerstreuungslinse fallen, erhält man durch deren rückwärtige Verlängerung den rechten virtuellen Brennpunkt F2 der Zerstreuungslinse. Es ist wichtig, sich noch einmal den Unterschied zwischen dem Brennpunkt einer Sammellinse und dem virtuellen Brennpunkt einer Zerstreuungslinse klarzumachen: Ein Parallellichtbündel wird durch eine Sammellinse im Brennpunkt 'zusammengeschnürt', so daß dort tatsächlich eine Konzentration von Strahlungsenergie auf engstem Raum auftritt - daher auch die Bezeichnung 'Brennpunkt'. Bei der Zerstreuungslinse hingegen scheinen die die Linse verlassenden Strahlen nur von einem Punkt der optischen Achse zu kommen (daher die Bezeichnung 'virtueller' Brennpunkt), eine Konzentration von Strahlungsenergie findet bei der Zerstreuungslinse nicht statt. Wir haben bisher nur bikonvexe bzw. bikonkave Linsen betrachtet. Unsere Überlegungen über definierte Brennpunkte und gleiche Brennweiten f auf beiden Seiten einer Linse gelten aber ebenso für die anderen in Abb.1.4. gezeigten Linsenformen. Die Gl.(1.12) gilt allerdings nur für die Brennweite einer bikonvexen Sammellinse; für andere Linsenformen muß sie entsprechend Gl.(1.10) modifiziert werden. V 5.8 1.6. Die Abbildung durch eine dünne Sammellinse; Bildkonstruktion mit Hauptstrahlen Die geometrische Konstruktion, die in diesem Abschnitt beschrieben wird, gilt nur unter den folgenden zwei Voraussetzungen: 1.) Wir betrachten nur dünne Linsen. 2.) Die an der Abbildung beteiligten Lichtstrahlen sollen mit der optischen Achse nur kleine Winkel bilden; d.h. die von der Linse abzubildenden Gegenstände sollen keine zu große seitliche Ausdehnung besitzen. Was diesen Punkt anbelangt, sind die folgenden Bilder nicht korrekt, die Gegenstände sind aus Gründen der Übersichtlichkeit durchgängig zu groß gezeichnet worden. In Abb.1.7 ist die Abbildungsgleichung (1.13) geometrisch umgesetzt. Ein Gegenstand G wird in Form eines auf der optischen Achse der Sammellinse stehenden Pfeils mit der Spitze P nach oben dargestellt. Der Abstand seines Fußpunktes Q von der Mittelebene ME der Linse ist die Gegenstandsweite g, der Raum links von der Linse wird als Gegenstandsraum bezeichnet. Einfachheitshalber stellen wir uns den Gegenstand als ’selbstleuchtend’ vor; von jedem Punkt von G gehen dann Lichtstrahlen nach allen Seiten aus. Unsere Frage lautet: Wie werden die von einem Punkt ausgehenden Strahlen durch die Sammellinse gebrochen? Wir wählen dazu den Punkt P, also die Pfeilspitze, und betrachten drei Strahlen 1, 2 und 3, die von P ausgehen und auf die Sammellinse treffen. 2.) Strahl 3 geht im Gegenstandsraum durch den linken Brennpunkt F1, er wird daher von der Linse so gebrochen, daß er im Bildraum als 3' parallel zur optischen Achse verläuft. Die Strahlen 1' und 3' schneiden sich in einem Punkt P' des Bildraums. Wir nennen P' den Bildpunkt von P. 3.) Strahl 2 soll in Richtung auf den Linsenmittelpunkt M hin verlaufen. Der Mittenbereich einer Linse kann als planparallele Platte angesehen werden. Nach Abb.1.2. erfährt ein Lichtstrahl beim Durchgang durch eine solche Platte keine Richtungsänderung, sondern nur eine Parallelversetzung. Bei einer dünnen Linse können wir diese Versetzung vernachlässigen. Strahl 2 geht also ungebrochen durch die Linse hindurch, und er geht ebenfalls durch den Bildpunkt P', was man sich aus Teilungsverhältnissen von Parallelen klarmachen kann. Wir haben für die hier benutzten drei ausgezeichneten Strahlen, Parallelstrahl 1, Mittelpunktsstrahl 2 und Brennpunktsstrahl 3 durch die Sammellinse eine Abbildung des Punktes P unseres Gegenstands in den Bildpunkt P' erhalten. Von diesen drei sog. Hauptstrahlen hätten bereits zwei zum Auffinden des Bildpunktes P' genügt. Tatsächlich werden auch alle übrigen von P ausgehenden Strahlen, die auf die Sammellinse fallen, von dieser genau so gebrochen, daß sie durch den Bildpunkt P' gehen. Die hier beschriebene Konstruktion des Bildes P' von P kann man sich für jeden einzelnen Punkt des Gegenstands G durchgeführt denken. Auf diese Weise erhält man das von der Sammellinse erzeugte Bild B des Gegenstands G. Das Bild B ist umgekehrt (- es steht auf dem Kopf -), reell und - im Fall der in der Abbildung gewählten Gegenstandsweite g - gegenüber G verkleinert. Unter einem reellen Bild versteht man - im Gegensatz zu den anschließend zu behandelnden virtuellen Bildern - ein Bild, das man durch Anbringen eines Schirms in der Bildebene sichtbar machen kann. Die Entfernung des Fußpunkts Q' von der LinsenMittelebene ist die Bildweite b. Wir verifizieren nun aus Abb.1.7. durch geometrische Betrachtungen die bereits hergeleitete Abbildungsgleichung (1.13) für dünne Sammellinsen. Zunächst führen wir den Begriff Abbildungsmaßstab γS ein: γS = Bildgröße P′Q′ = Gegenstandsgröße PQ (1.14) Es gilt offensichtlich wegen der Ähnlichkeit mehrerer Dreiecke, z.B. PQM und P'Q'M: γS = Abb.1.7. Abbildung durch eine Sammellinse; Punkt- und Längenangaben dienen zur Veranschaulichung der Abbildungsgleichung. P ′Q ′ b f = = g g−f PQ (1.14.a) Aus dem rechten Teil von Gl.(1.14a) erhält man durch Umformung wieder die Abbildungsgleichung: 1 1 1 (1.13) + = g b f 1.) Strahl 1 verläuft im Gegenstandsraum parallel zur optischen Achse. Dieser Strahl wird von der Linse so gebrochen, dass er durch den rechten Brennpunkt F2 geht, und erhält im Raum rechts von der Linse, den wir als Bildraum bezeichnen werden, die Bezeichnung 1'. Da für eine vorgegebene Linse, also für festes f, die Summe aus der reziproken Gegenstandsund der reziproken Bildweite konstant ist, folgt daraus zunächst, daß für größer werdende Gegenstandsweite g die Bildweite kleiner werden muß und umgekehrt. Für g → ∞ wird 1 g = 0 und b = f. Das Bild eines sehr entfernten Gegenstands liegt also in der Brennebene der Sammellinse. V 5.9 V 5.10 Ferner kann man aus Gln.(1.13) und (1.14) drei Fälle unterscheiden: g = 2f ; b = 2f ; g > 2f ; b < 2f ; f < g < 2f ; b > 2f ; b =1 g b γS = < 1 g γS = γS = b >1 g (1.15.a) (1.15.b) (1.15.c) Der Fall (1.15.b) ist in Abb.1.7. dargestellt. Für g < f wird b nach Gl.(1.13) negativ. Was das bedeutet, werden wir etwas später behandeln. Überprüfen Sie selbst - schon im Hinblick auf das Testatsgespräch - durch entsprechende Konstruktionen die Richtigkeit der Behauptungen (1.15.a) und (1.15.c) für g = 2f und für g zwischen 2f und f ! In Abb.1.8. ist dargestellt, was gegenüber der formalen Konstruktion von Abb.1.7. der Wirklichkeit näherkommt: Die Sammellinse ist in eine metallische, also lichtundurchlässige Fassung eingesetzt, wie es auch im Versuch der Fall ist. Der Gegenstand ist in seiner seitlichen Ausdehnung größer als der Radius der Linsenfassung. Nicht nur die drei Hauptstrahlen, sondern alle von P ausgehenden Strahlen, die auf die Linse fallen, werden von ihr im Bildpunkt P' vereinigt. In Abb.1.8. sind das alle Strahlen, die zwischen den Randstrahlen s1 und s2 verlaufen und damit von der Sammellinse erfaßt werden. Vom Punkt P geht ein Lichtbündel mit dem Öffnungswinkel u aus. Im Querschnitt von Abb.1.8. wird das Lichtbündel von den Randstrahlen s1 und s2 begrenzt. Öffnungswinkel u und Verlauf des Lichtbündels werden von der Lage des abzubildenden Punktes P gegenüber der Linsenfassung bestimmt. Man nennt solche Lichtbündel divergent, d.h. auseinanderlaufend. Die Sammellinse erzeugt aus diesem divergenten Lichtbündel ein konvergentes, d.h. zusammenlaufendes Lichtbündel mit den im Querschnitt von Abb.1.8. eingezeichneten Randstrahlen s'1 und s'2 und dem Öffnungswinkel u' im Bildpunkt P'. Danach verläuft das Licht als divergentes Bündel nach rechts weiter. Bei der Abbildung eines Punktes P in einen reellen Bildpunkt P' erzeugt die Sammellinse aus dem von P ausgehenden, durch die Linsenfassung begrenzten divergenten Lichtbündel mit dem Öffnungswinkel u ein konvergentes Lichtbündel, das im Bildpunkt P' zusammengeschnürt wird, dort den Öffnungswinkel u' besitzt und von dort als divergentes Lichtbündel mit dem gleichen Öffnungswinkel u' weiterläuft. Je größer der Öffnungswinkel u des von einem Punkt P ausgehenden Lichtbündels ist, d.h. also je größer der Durchmesser der Linsenfassung unter sonst gleichen Verhältnissen ist, desto größer ist die vom Lichtbündel transportierte Strahlungsenergie und damit die Helligkeit des von der Linse erzeugten Bildes. 1.6.1. Virtuelle Bilder bei Sammellinsen: Wir betrachten jetzt anhand von Abb.1.9. den bei der Diskussion des Abbildungsgesetzes (1.13) ausgesparten Fall g < f: Der Gegenstand G liegt innerhalb der Brennweite f der Sammellinse. Abb.1.8. Unterscheidung zwischen den zur formalen Bildkonstruktion benutzten Hauptstrahlen und dem tatsächlich zur Abbildung beitragenden, durch die Linsenfassung begrenzten Lichtbündel. Versucht man nun, den Bildpunkt P' des Gegenstandspunkts P mit Hilfe der drei Hauptstrahlen nach Abb.1.7. zu konstruieren, sieht man sich folgender Schwierigkeit gegenüber: Der Mittelpunktsstrahl 2 geht zwar durch den Linsenmittelpunkt, Parallelstrahl 1 und Brennpunktsstrahl 3 treffen jedoch auf die Linsenfassung und nicht mehr auf die Linse. Damit scheint eine Konstruktion von P' mit Hilfe der drei Hauptstrahlen unmöglich. Wir umgehen diese Schwierigkeit folgendermaßen: Wir stellen uns die seitliche Ausdehnung der Linse, also den Radius der Linsenfassung, bei gleichbleibender Brennweite so groß vor, daß auch die Strahlen 1 und 3 noch von der Linse erfaßt werden, und führen die Konstruktion wie in Abb.1.7. durch. Dieses Vorgehen ist legitim, wenn wir uns an das bei Abb.1.7. Gesagte erinnern: V 5.11 Abb.1.9. Konstruktion des virtuellen Bildes für den Fall g < f V 5.12 In Abb.1.9. ist nur die Mittelebene der Linse als zur optischen Achse senkrecht durch M verlaufende Gerade eingezeichnet, und wir betrachten auch nur den Verlauf der drei vom Punkt P des Gegenstands G ausgehenden Hauptstrahlen. Der Mittelpunktsstrahl 2 geht ungebrochen durch die Linsenmitte M. Der Parallelstrahl 1 geht als Strahl 1’ durch den rechten Brennpunkt F2 der Linse. Der Brennpunktsstrahl 3 ist derjenige Strahl, der, von P ausgehend, unter derjenigen Richtung auf die Sammellinse trifft, daß seine rückwärtige Verlängerung durch den linken Brennpunkt F1 verläuft. Dieser Strahl verläßt die Sammellinse als Strahl 3' parallel zur optischen Achse. Aus Abb.1.9. ersieht man, daß sich die Strahlen 1', 2' und 3' im Bildraum nicht mehr in einem Bildpunkt vereinigen, sondern daß sie auseinanderlaufen. Es entsteht also kein reelles Bild von P. Aber: Verfolgt man die rückwärtige Verlängerung von 1’, 2’ und 3’ (in der Abb.1.10. gestrichelt dargestellt), so sieht man, daß sie sich im Gegenstandsraum in einem Punkt P' schneiden. Anders ausgedrückt: Die Lichtstrahlen gehen zwar vom Punkt P des Gegenstands aus, aber für einen Beobachter rechts von der Linse, scheinen die Strahlen vom Punkt P' im Gegenstandsraum zu kommen. 1.7. Abbildung durch dünne Zerstreuungslinsen Wir setzen das Ergebnis der folgenden Betrachtung an den Beginn dieses Abschnitts: Eine Zerstreuungslinse liefert stets verkleinerte, aufrechtstehende virtuelle Bilder. Dazu Abb.1.10.: Wir konstruieren das Bild des Punktes P des Gegenstandes G mit Hilfe der drei Hauptstrahlen und erinnern dazu an Abb.1.6. Der Gegenstand G in Abb.1.10. liegt links vom linken (virtuellen) Brennpunkt F2 der Zerstreuungslinse. Bei der Bildkonstruktion muß man beachten, daß der dem Gegenstand G zugeordnete Brennpunkt F1 rechts von der Linse und der dem Bild B zugeordnete Brennpunkt F2 links davon liegt. Entsprechendes gilt für alle Punkte des Gegenstands G. Man nennt P' den virtuellen Bildpunkt von P und die Gesamtheit aller virtuellen Bildpunkte das virtuelle Bild B des Gegenstands G. Das virtuelle Bild ist aufrechtstehend und vergrößert. Der Unterschied zwischen einem reellen und einem virtuellen Bild ist folgender: In jedem Punkt eines reellen Bildes wird Strahlungsenergie konzentriert, weil jeder Punkt der Scheitelpunkt eines konvergenten Lichtbündels mit endlichem Öffnungswinkel ist, wie es in Abb.1.9. für den Punkt P des Gegenstands G dargestellt ist. Dadurch ist es möglich, das reelle Bild auf einem Schirm sichtbar zu machen, oder durch Anbringen einer lichtempfindlichen Schicht in der Bildebene ein fotografisches Bild des Gegenstands zu erzeugen. Bei einem virtuellen Bild ist beides nicht möglich. Bringt man in die Ebene, in der in Abb.1.9. das virtuelle Bild entsteht, einen Schirm, eine Mattscheibe oder eine fotografische Schicht, so wird kein Bild sichtbar, weil es in keinem Punkt des virtuellen Bildes zur Zusammenschnürung eines konvergenten Lichtbündels und damit zu keiner Konzentration von Strahlungsenergie kommt. Mit der Konstruktion virtueller Bilder kann man die Funktion einer Lupe erklären. Das Abbildungsgesetz (1.13) behält auch für g < f seine Gültigkeit, wenn man folgende Regel beachtet: Liegt das Bild einer Sammellinse im Gegenstandsraum, so ergibt sich die Bildweite b im Abbildungsgesetz (1.13) als negative Zahl. Deswegen ist in Abb.1.9 die Bildweite Q'M mit dem Betrag~b~eingetragen. Für den Abbildungsmaßstab erhält man im Fall g < f: γS = b P ′Q′ = >1 g PQ V 5.13 (1.16) Abb.1.10. Abbildung durch eine Zerstreuungslinse: Im Gegenstandsraum entsteht ein verkleinertes, aufrechtstehendes virtuelles Bild B des Gegenstands G. Der von P ausgehende achsenparallele Strahl 1 wird durch die Linse so von der optischen Achse weg nach außen gebrochen, daß seine rückwärtige Verlängerung durch F2 verläuft: Strahl 1'. Der Mittelpunktsstrahl 2 geht wie bei der Sammellinse ungebrochen durch die Linsenmitte M. Strahl 2 und rückwärtige Verlängerung von Strahl 1' schneiden sich in dem virtuellen Bildpunkt P' von P. Zur Kontrolle betrachten wir noch den Brennpunktsstrahl 3: Das ist bei der Zerstreuungslinse derjenige von P ausgehende Strahl, der ungebrochen durch den rechten virtuellen Brennpunkt F1 der Linse gehen würde. Er verläßt die Linse nach rechts als achsenparalleler Strahl 3'. Dieser Verlauf von 3 − 3' folgt aus der Umkehrung des Strahlengangs von Abb.1.6. Die rückwärtige Verlängerung von 3' geht ebenfalls durch den virtuellen Bildpunkt P'. V 5.14 Insgesamt werden alle von P ausgehenden Strahlen von der Zerstreuungslinse so gebrochen, daß ihre rückwärtige Verlängerungen durch den virtuellen Bildpunkt gehen, d.h. für einen Beobachter rechts von der Linse scheinen alle von P kommenden Strahlen von P' auszugehen. Denkt man sich die hier beschriebene Konstruktion für alle Punkte des Gegenstands G ausgeführt, so erhält man das virtuelle Bild B des Gegenstands G. Es liegt stets zwischen dem Gegenstand und der Zerstreuungslinse, ist kleiner als G und aufrechtstehend. Für die Abbildung durch eine Zerstreuungslinse gilt weiter das Abbildungsgesetz (1.13), wenn man die Brennweite f der Zerstreuungslinse als negative Zahlen einsetzt, da ja die zugehörigen Brennpunkte immer auf der anderen Seite als bei der Sammellinse liegen. Setzt man für f und b die Beträge, um den Vorzeichenwechsel deutlich zu machen, dann nimmt die Abbildungsgleichung (1.13) die Form an: 1 1 1 − =− g b f (1.17) Mit |b| < g wird der Abbildungsmaßstab γZ nach Abb.1.10. zu: γZ = b g < 1 Abb.1.11. Zur Addition der Brechkräfte zweier dicht nebeneinanderliegender dünner Linsen 1.8. System aus zwei dicht nebeneinanderliegenden dünnen Linsen In Abb.1.11. sind zwei dicht nebeneinanderliegende Sammellinsen S1 und S2 mit den Brennweiten f1 und f2 dargestellt. Ihre optischen Achsen fallen zusammen. Es soll sich bei den beiden Linsen - im Gegensatz zu der Darstellung von Abb.1.11. - um dünne Linsen im Sinne von Abschnitt 1.4 handeln, und der Abstand d = M1M 2 ihrer beiden Mittelpunkte soll vernachlässigbar klein sein gegenüber den Brennweiten f1 und f2 der beiden Linsen, so daß die gesamte Anordnung noch als dünn angesehen werden kann. Wir denken uns im linken Brennpunkt F1(1) der linken Sammellinse einen punktförmigen Gegenstand G angebracht. Das von ihm ausgehende divergente Lichtbündel wird durch die Linse S1 in ein Parallellichtbündel umgewandelt, von dem ihrerseits die Linse S2 ein konvergentes Bündel mit dem Bildpunkt B im rechten Brennpunkt F2(2) von S2 erzeugt. Die beiden dicht nebeneinanderliegenden dünnen Sammellinsen wirken also wie eine einzige Sammellinse, deren Brennweite wir mit fsyst bezeichnen wollen. Dieses Linsensystem hat die Eigenschaft, den Punkt G in den Punkt B abzubilden. Vernachlässigt man d gegenüber f1 und f2, so ist die Gegenstandsweite von G bezüglich des Systems annähernd Gl.(1.18) ergibt nach fsyst aufgelöst: f syst = f1 ⋅ f 2 f1 + f 2 (1.18.a) Da 1/fsyst sowohl größer als 1/f1 als auch größer als 1/f2 ist, ist fsyst kleiner als jede der beiden Einzelbrennweiten f1 und f2. Für eine auf beiden Seiten von Luft umgebene Linse ist die Brechkraft D einfach der Kehrwert der Brennweite, vgl. Gl.(1.7) und Gl.(1.13): D= . 1 f Mit dem Begriff Brechkraft läßt sich Gl.(1.18) schreiben: Dsyst = D1 + D2 (1.19) Gl. (1.19) in Worten: Bei einem aus zwei dicht nebeneinanderliegenden dünnen Sammellinsen bestehenden System addieren sich die Brechkräfte der Einzellinsen zur Brechkraft des Systems. g = f1 . Für die Bildweite von B ergibt sich entsprechend: b = f2. Die Anwendung der Abbildungsgleichung (1.13) liefert uns daher die Brennweite fsyst des Systems aus den beiden Sammellinsen: 1 1 1 1 1 (1.18) + = + = g b f1 f 2 f syst Wegen der negativen Brennweite einer Zerstreuungslinse ist auch ihre Brechkraft negativ. Bildet man ein System aus einer dünnen Sammellinse S und einer dicht danebenliegenden dünnen Zerstreuungslinse Z mit den Brennweiten fS > 0 und fZ < 0, so gilt Gl.(1.13) für das System der beiden Linsen unverändert: V 5.15 V 5.16 Dsyst = DS + DZ = DS − D Z (1.20) Gl.(1.20) in Worten: Setzt man eine dünne Sammellinse dicht neben eine dünne Zerstreuungslinse, so entsteht ein Linsensystem, dessen Brechkraft Dsyst gleich der Summe aus der positiven Brechkraft DS der Sammellinse und der negativen Brechkraft DZ der Zerstreuungslinse ist. Überwiegt dem Betrag nach die Brechkraft der Sammellinse, so stellt das System wieder eine Sammellinse dar. Ist der Betrag der Brechkraft der Zerstreuungslinse größer als die Brechkraft der Sammellinse, wirkt das System wie eine Zerstreuungslinse. 1.9. Bestimmung der Brennweite einer Zerstreuungslinse Die Brennweite einer Sammellinse kann man direkt aus der Abbildungsgleichung (1.13) durch Messung der Gegenstands- und Bildweite, g und b, bestimmen. Die Auflösung von Gl.(1.13) nach f ergibt: g⋅b (1.21) f = g+b Die Brennweite einer Zerstreuungslinse läßt sich auf diese Weise nicht ermitteln, weil die Zerstreuungslinse nur virtuelle Bilder liefert, deren Bildweiten nicht meßbar sind. Man kann aber eine Zerstreuungslinse mit einer Sammellinse, deren Brechkraft dem Betrag nach die der Zerstreuungslinse überwiegt, zu einem System vereinigen, das wie eine Sammellinse wirkt, und die Brennweite des Systems nach Gl.(1.21) bestimmen. Dann erhält man durch Auflösung von Gl.(1.18.a) nach der Brennweite fZ: fZ = f S ⋅ f syst f S − f syst (1.22) Da in diesem Fall fS < fsyst ist, ergibt sich für fZ ein negativer Wert, so wie es für eine Zerstreuungslinse sein soll. 1.10. Das Auge Eine detaillierte Behandlung der optischen Eigenschaften unseres Sehapparates würde den Rahmen dieses Praktikumsskripts sprengen, u.a. weil hierzu Begriffe (Hauptebene, Knotenpunkt usw.) erforderlich sind, die bei der Bildkonstruktion mit dicken Linsen definiert werden. Daher sei hier auf die im Abschnitt C genannten Lehrbücher verwiesen. Einige zum Verständnis des letzten Versuchsteils notwendige Grundlagen sollen dennoch im folgenden kurz dargestellt werden. Das menschliche Auge besteht im wesentlichen aus einem kugelförmigen Glaskörper (Bulbus), dessen Durchmesser ca. 23 mm beträgt. Die rückseitige Begrenzung des Glaskörpers bildet die lichtempfindliche Netzhaut (Retina). Die Vorderseite des Auges formt mit der nach vorn gewölbten Hornhaut (Cornea) eine brechende Kugelfläche mit einem effektiven Krümmungsradius von 7,83 mm. Die Akkomodationsfähigkeit des Auges wird durch eine Linse mit variabler Krümmung erreicht, die sich zwischen Hornhaut und Glaskörper befindet. Der Raum zwischen Hornhaut und Linse ist mit Kammerwasser ausgefüllt. Kammerwasser und Glaskörper haben einen Brechungsindex von 1,336. V 5.17 Abb. 1.12. Vereinfachtes Schema des fernfokussierten Auges Die Brechkraft der Hornhaut berechnet sich daraus nach Gl.(1.9) zu DH = 1,34 − 1,00 = 43 dpt . 0,00783 m Demgegenüber liefert die Augenlinse mit einem Brechungsindex von etwa 1,42 im entspannten Zustand eine zusätzliche Brechkraft von D L ≈ 16 dpt . Der wesentliche Anteil der Gesamtbrechkraft des Auges von DA 58,6 dpt wird also nicht durch die Augenlinse, sondern durch die Hornhautkrümmung bewirkt. Die Akkomodation auf die deutliche Sehweite s0 = 25 cm vergrößert die Brechkraft der Augenlinse um 4 dpt. Für das entspannte Auge erhält man für die vordere bzw. hintere Brennweite aus Gl.(1.9) die Werte fg = n 1 1,00 n 1,336 = ≈ 17,1 mm und f b = 2 = ≈ 22,8 mm . D 58,6 D 58,6 Reduziert man die Gesamtbrechkraft des Auges auf die Brechkraft einer einzelnen gekrümmten Fläche, so hätte diese nach Gl.(1.9) einen Krümmungsradius von 5,7 mm. Der Abstand vom Krümmungsmittelpunkt K bis zur Netzhaut nimmt in diesem vereinfachten Modell einen Wert von 16,7 mm an (Abb. 1.12.). V 5.18 2.1. Aufgabenstellung Der Versuchsaufbau mit der Abfolge: Glühlampe - Kondensor - beleuchteter Gegenstand abbildende Linse - Schirm - entspricht dem Strahlengang in einem Projektionsapparat und wird in Abb.2.1 dargestellt. Der Versuch besteht aus drei Teilen: 2.3. Durchführung der Messungen und Auswertung 2. Der Versuch 1.) Nach Gl.(1.13) ist die Brennweite f1 einer dünnen Sammellinse S1 durch Messung der Gegenstands- und Bildweiten g und b zu bestimmen. 2.) Es ist die Brennweite fZ einer Zerstreuungslinse Z nach dem in Abschnitt 1.9. geschilderten Verfahren zu bestimmen. Die Zerstreuungslinse Z ist mit einer dicht danebenliegenden Sammellinse S der Brennweite f = 10,00 cm ± 1% zu einem System vereinigt. Die Brennweite fsyst des Systems aus S und Z ist nach Gl.(1.13) durch Messung der Bild- und Gegenstandsweiten zu bestimmen. Aus fS und dem Mittelwert f syst ist nach Gl.(1.22) fZ zu berechnen. 3.) Am Modell eines reduzierten Auges ist die Brechkraft durch Messung der Gegenstandsweite bei vorgegebener Bildweite ("Bulbuslänge") zu bestimmen. Daraus sind der Krümmungsradius der brechenden Grenzfläche ("Hornhaut") sowie die vordere und hintere Brennweite zu berechnen. 2.2. Versuchsaufbau: Die Linsen, der Schirm zum Auffangen des Bildes, der Gegenstand und die Beleuchtungseinrichtung für den Gegenstand sind in sog. Reitern gehaltert und auf einer 1,5 Meter langen optischen Bank mit einem in Millimeter unterteiltem Maßstab verschiebbar angeordnet. Jeder Reiter besitzt eine Ablesemarke, so daß die Lagen von Gegenstand, Linse und Bild auf 1 mm genau angegeben werden können. Als Gegenstand dient ein Kleinbild-Diapositiv mit einer 20 mm-Skala und drei Buchstaben- und einer Zahlenreihe. Das Diapositiv wird von einer 30 Watt-Glühlampe beleuchtet. Der Ort der Glühlampe im Lampengehäuse kann innerhalb gewisser Grenzen verändert werden. Damit das gesamte von der Lampe durch das Diapositiv hindurchtretende Licht auch durch die Sammellinse geht, so daß die Linse ein möglichst helles und gleichmäßig ausgeleuchtetes Bild des Dias erzeugen kann, ist zwischen der Glühlampe und dem Dia eine Beleuchtungslinse, ein sog. Kondensor, angebracht. Bei den Messungen wird der Ort x1 des Gegenstands (des Dias) nicht verändert. Bei jeder der beiden Brennweitenbestimmungen wird für jeweils 12 verschiedene Stellungen x3 des Schirms derjenige Ort x2 der Linse bzw. des Linsensystems bestimmt, bei dem das Bild des Dias auf dem Schirm vergrößert und scharf abgebildet wird. Das folgende Protokollschema bereiten Sie zweimal im Heft vor, jede Tabelle muß 12 Meßwerte aufnehmen. 1. Bezeichnung der Linse: S1 oder System. 2. Position des Dias : x1 = ..., . cm 3. Die Tabelle: Messung x3 x2 g Auswertung b f [cm] [cm] [cm] [cm] [cm] ..., . ..., . .., . .., . .., .. Die Berechnung der Brennweitenwerte f erfolgt nach Gl.(1.13), 1 1 1 = + , f g b Abb.2.1. Zuordnung von Gegenstandsweite g und Bildweite b zu den Orten x1, x2 und x3 von Gegenstand, Linse und Bild auf der optischen Bank. V 5.19 mit Hilfe der 1/x-Taste Ihres Rechners nach folgendem Schema: g eingeben, 1/x-Taste und +−Taste drücken, b eingeben, 1/x-Taste und = -Taste drücken: Anzeige: 1/f. Noch einmal 1/xTaste drücken: Anzeige: f. Tragen Sie diese Werte auf zwei Stellen nach dem Komma in die Tabelle ein. Die auf der folgenden Seite als Versuchsparameter vorgegebenen Werte für die Position des Dias x1 und die einzustellenden Schirmpositionen x3 sollten Sie bereits bei der Vorbereitung des Versuchsprotokolls in Ihre beiden Tabellen eintragen. V 5.20 Überfahren Sie nach jeder Einstellung einer neuen Schirmstellung x3 mit der Linse mehrmals den Ort x2, bei dem ein scharfes vergrößertes Bild erscheint; dann stellen Sie endgültig auf maximale Schärfe ein und protokollieren x2 auf 1 mm genau. Sollte bei der Auswertung ein f-Wert wesentlich verschieden von den übrigen sein, haben Sie vermutlich einen Ablesefehler begangen. Überprüfen Sie in einem solchen Fall Ihre Berechnungen und wiederholen Sie gegebenenfalls die betreffende Messung. Zunächst muß das Augenmodell so lange auf der Dreikantschiene verschoben werden, bis das in diesem Falle verkleinerte Bild des Dias auf der Mattscheibe scharf abgebildet wird. Sodann ist die Position an der Ablesemarke des linken Reiters abzulesen: x2 = ... , . cm. . Daraus berechnet man die Gegenstandsweite zu: g = x 2 − x 1 = .., . cm = ., .. m. Versuchsparameter 2.5. Auswertung und Fehlerrechnung x1 = 20,0 cm S1: System : x3 [cm] x3 [cm] 87,0 94,0 104,0 117,0 89,0 97,0 108,0 122,0 91,0 100,0 112,0 127,0 104,0 115,0 127,0 139,0 107,0 119,0 131,0 143,0 111,0 123,0 135,0 147,0 2.4. Messungen am einfachen Augenmodell Das Modell für ein reduziertes Auge besteht aus einer Küvette, die mit Silikonöl gefüllt ist. Die Funktion der gekrümmten Hornhautfläche wird durch eine plankonvexe Linse nachgebildet, die in die linke Frontseite der Küvette eingesetzt ist. Linse und Silikonöl besitzen nahezu den gleichen Brechungsindex von n2 = 1,52, so daß der Einfluß der Grenzfläche zwischen Glas und Öl zu vernachlässigen ist. An der gegenüberliegenden Rückseite der Küvette ist eine Mattscheibe angebracht, die als Bildebene die Funktion der Netzhaut übernimmt. Der Versuchsaufbau entspricht im wesentlichen der bisherigen Anordnung. An Stelle der Linse wird die Küvette in den Strahlengang gestellt. Gehen Sie dabei vorsichtig vor, um ein Verschütten des Silikonöls zu vermeiden! Die Bildweite der Anordnung ist durch die Entfernung zwischen der konvexen Grenzfläche ("Hornhaut") und der Mattscheibe ("Netzhaut") fest vorgegeben; sie beträgt b = 31 cm. Bei der Messung der Gegenstandsweite ist zu berücksichtigen, daß die Position der Linsenoberfläche gegenüber der Ablesemarke am linken Verschiebereiter um 8,5 cm versetzt ist. Folglich muß die Position des Dias x1 rechnerisch gegenüber der Ablesung auf der Dreikantschiene ebenfalls um diesen Wert korrigiert werden: Berechnen Sie aus den jeweiligen 12 f-Werten die Mittelwerte f 1 und f syst die zugehörigen absoluten Fehler ∆ f1 und ∆ f syst . Wenden Sie die Regeln 2 und 3 der Fehlerrechnung an, um die vertretbare Stellenzahl der Mittelwerte f zu bestimmen. Dann berechnen Sie die beiden prozentualen Fehler p(f1) und p(fsyst). Die Brennweite fZ der Zerstreuungslinse berechnen Sie nach Gl.(1.22) aus den Brennweiten der im System enthaltenen Sammellinse fS = (10,00 ± 0,10) cm und des Systems f syst : fZ = f S ⋅ f syst (2.1) f S − f syst Der prozentuale Größtfehler von fZ ergibt sich nach den Regeln der Fehlerfortpflanzung p (f Z ) = 100 ⋅ ( ∆ f ∆ f S + ∆f syst ∆ f syst ∆fZ + % = 100 ⋅ S + fS fZ f syst f S − f syst Daraus erhält man schließlich: ( ∆ f + ∆f S syst p (f Z ) = p (f S ) + p f syst + 100 ⋅ f S − f syst ( ) %. %. (2.2) Beachten Sie, daß der Nenner des dritten Summanden eine positive Zahl ist (Betragszeichen!); die einzelnen Fehler addieren sich zum Größtfehler auf. Um die Stellenzahl von fZ nach Regel 3 der Fehlerrechnung in Übereinstimmung mit dem Fehler von fZ angeben zu können, müssen Sie aus dem prozentualen Fehler von fZ nach Gl.(2.5) der Fehlerrechnung den absoluten Fehler von fZ , ∆fZ , bestimmen: ∆ fZ = p (f Z )⋅ f Z 100 Hiernach Rundung von fZ ! Die am Augenmodell gemessene Gegenstandsweite g gestattet bei bekannter Bildweite ("Bulbuslänge") b = 31 cm nach Gl.(1.7) die Berechnung der Brechkraft DA, wenn man die Brechungsindizes beiderseits der Grenzfläche, für Luft n1 = 1,00 bzw. für Glas n2 = 1,52 , zugrundelegt: x1 = 28,5 cm. V 5.21 ) ) V 5.22 DA = n1 n 1,00 1,52 1,00 + 2 = + = + 4,90 [dpt ] g b g 0,31 g 3. Übungsfragen Beachten Sie, daß die gemessene Größe g in Metern eingesetzt werden muß, um die Brechkraft in Dioptrien (drei signifikante Stellen!) zu erhalten. Aus Gl.(1.9) kann man aus der Brechkraft DA den Krümmungsradius r der brechenden Kugelfläche bestimmen. Berechnen Sie auch die folgenden Werte auf drei signifikante Stellen: r= n 2 − n 1 1,52 − 1,00 = = ., ... [m] = . , .. [cm] DA DA n1 1,00 = = ., ... [m] = .. , . [cm] DA DA fb = n2 1,52 = = ., ... [m] = .. , . [cm] . DA DA 2. Wie sind Brechkraft, vordere und hintere Brennweite einer kugelförmigen Grenzfläche zu berechnen? 3. Wie ist die Brennweite einer Sammellinse bzw. einer Zerstreuungslinse definiert? . Schließlich sind, ebenfalls nach Gl.(1.9), die vordere und hintere Brennweite des Augenmodells zu berechnen: fg = 1. Welche Aussage macht das Brechungsgesetz; welche Bedeutung hat der Brechungsindex eines Mediums? 4. Folgende Skizze zeigt eine dünne Sammellinse mit ihren Brennpunkten, der Mittelebene und der optischen Achse: 2.6. Zusammenfassung der Ergebnisse am Schluß der Auswertung Fassen Sie die Versuchsergebnisse in der folgenden Form zusammen: In welchem Abstand von der Mittelebene muß sich ein Gegenstand befinden, damit = .... cm ± ... % fsyst = .... cm ± ... % fZ = .... cm ± ... % DA = .... dpt r = .... cm 5. Nach welchen Regeln geht man bei der Bildkonstruktion mit Hilfe von Hauptstrahlen vor? fg = .... cm 6. Wie lautet die Abbildungsgleichung? fb = .... cm 7. Was versteht man unter dem Abbildungsmaßstab, und wie kann man ihn berechnen? f1 a) sich ein virtuelles Bild ergibt? b) ein vergrößertes reelles Bild entsteht? Vorzeichen von fZ ?! c) ein reelles Bild von der Größe des Gegenstands entsteht? d) ein verkleinertes reelles Bild entsteht? 8. Wie ergibt sich die Brennweite eines Linsensystems aus zwei dicht zusammengesetzten dünnen Linsen aus deren Einzelbrennweiten? 9. Warum muß man beim Auge eine vordere und eine hintere Brennweite unterscheiden ? V 5.23 V 5.24