modell - Humaninstitut

Werbung
„Dass ich den Dieselmotor erfunden habe, ist schön und gut. Aber
meine Hauptleistung ist, dass ich die soziale Frage gelöst habe.“
(Rudolf Diesel)
Struktur und Entwicklung der
Gegenwartsgesellschaft
Österreich im Wandel
Soziale Ungleichheit - Modelle
21. 10. 2008
Modelle: 21.10.08
Ao.Univ.-Prof.
Dr. Franz Kolland – WS 2008
Literaturhinweise
Beck, U. (1983): Jenseits von Klasse und Stand. In: Kreckel,
R. (Hrsg.): Soziale Ungleichheiten. Göttingen.
Becker-Schmidt, R. (1987): Die doppelte Vergesellschaftung.
In: Unterkircher, I.; Wagner, I. (Hrsg.): Die andere Hälfte
der Gesellschaft. Wien.
Burzan, N. (2004): Soziale Ungleichheit. Wiesbaden. Geißler,
R. (1992): Die Sozialstruktur Deutschlands. Opladen.
Müller, H.-P. (2007): Zur Zukunft der Klassengesellschaft. In:
Merkur, 695, 189-199.
Schulz, W./Haller, M./Grausgruber, A. (2005): Österreich zur
Jahrhundertwende. Wiesbaden.
Schulze, G. (1997): Die Erlebnisgesellschaft. 7 Aufl.
Frankfurt.
Weber, M. (1922): Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der
verstehenden Soziologie. 5. Aufl. (1985). Tübingen.
Wright, Erik Olin (1997): Class counts: Comparative Studies
in Class Analysis. Cambridge.
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
2
Soziale Ungleichheit Gegenstand der Gesellschaftsanalyse
1. Als Strukturprinzip verleiht es der Gesellschaft ihre
Gestalt (z.B. Klassenstruktur)
2. Als Gruppenbildungsprinzip, wonach sich aus
ungleichen Lagen von Menschen sich Gruppen/ Klassen
mit ähnlichen Interessen formieren
3. Als Konfliktprinzip; die ungleiche Verfügungsgewalt
über knappe Ressourcen bedeutendste Konfliktlinie
4. Als Verhaltensprinzip; Gruppen/ Klassen weisen
ähnliche Handlungsweisen auf (Politik, Konsum)
5. Als Entwicklungsprinzip; Konfliktdynamik bestimmt
den Wandel in der Gesellschaft
n. Müller 2007
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
3
Historische Erscheinungsformen sozialer Ungleichheit
Kleiderordnung (Kiel – 1417)
„Keine Frau darf gekrauste Tücher tragen und
nicht mehr als zwei Mäntel haben, die mit
Pelzwerk gefüttert sind, und darf auch keinerlei
Geschmeide mit teuren Gestein und Perlen an
allen ihren Kleidern tragen, wenn ihr Mann an
die Stadt nicht mindestens 400 Mark Silber zu
versteuern hat. Wenn eine Frau dessen
überführt wird, so soll das der Stadt mit 10 Mark
Silber gebessert werden…“
Hradil 19997: 12
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
4
Ständordnung der Gesellschaft
Unterscheidung der
Stände nach Modus des
Lebensunterhalts:
•Arbeitsloses Renteneinkommen (Adel)
•Bearbeitung von Grund
und Boden (Bauern)
•Handwerkliche
Produktion (Zünfte)
•Ämter (Klerus, Beamte)
•Akademische Profession
(Ärzte, Advokaten)
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
5
Karl Marx (1818-1883) :
Klassen als Ursache sozialer Ungleichheit
• Klasse = Gruppierung von Menschen, deren Angehörige
bestimmte ökonomische Merkmale gemeinsam haben
(> ähnliche soziale Lage)
• Klasse = analytischer Begriff zur Einteilung einer
Gesellschaft in Gruppen, die auf Grund ökonomischer
Faktoren eine gleiche strukturelle Stellung im
Wirtschaftsprozess haben
• Klassen verweisen auf eine bestimmte Struktur der
Eigentumsordnung, d.h. der Besitz/ Nichtbesitz von
Produktionsmitteln bedingt zwei Klassenlagen, nämlich
Besitzende (Kapitalisten) und Besitzlose (Arbeiter)
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
Hradil 19997: 34f
6
Karl Marx (1818-1883) :
Klassen als Ursache sozialer Ungleichheit
Kapitalisten
Besitz von
Produktionsmitteln
Ausnutzung von Lohnarbeit
Kapitalakkumulation
Arbeiter
Nichtbesitz von
Produktionsmitteln
Lohnarbeit
Reproduktion der
Arbeitskraft
Ökonomische, kulturelle und Machtlosigkeit
politische Macht
Reichtum
Verelendung
Interesse am Status quo
revolutionäres Interesse
Schrumpfende Bourgeoisie
bourgeoises
Klassenbewusstsein
wachsendes Proletariat
proletarisches
Klassenbewusstsein
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
Hradil 19997: 34f
7
Karl Marx (1818-1883) :
Klassen als Ursache sozialer Ungleichheit
• Unterschätzt wurden von Marx die Bedeutung
des technischen Fortschritts, die
gewerkschaftlich-politische Organisation der
Arbeiterklasse, die Durchsetzung von
Demokratie und Wohlfahrtsstaat.
• Abgeschwächt haben sich im 20. Jh. die
Polarisierung zwischen Bourgeoisie und
Proletariat. > Neue Konfliktlinien
• Keine Auflösung der Mittelschichten, sondern
weitere soziale Differenzierung der Gesellschaft.
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
8
Erik Olin Wright (1947- ): Widersprüchliche Klassenlagen
Modelle:
Einführung:
21.10.08
11.3.2008
Franz Kolland
9
Erbslöh, B. et al. 1988. Klassenstruktur und Klassenbewusstsein in der BRD. KZfSS
40: 254
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
10
Erik Olin Wright: Ausbeutung
• Die materielle Wohlfahrt der einen Gruppe von
Akteuren hängt kausal von der materiellen
Benachteiligung der anderen Gruppe ab.
• Die asymmetrische Exklusion der Ausgebeuteten
erfolgt auf der Basis von Produktionsmittelbesitz,
Organisationsmacht und Qualifikation.
• Der kausale Mechanismus, der die Exklusion von
Ressourcen in unterschiedliche Wohlstandspositionen transformiert, ist die Aneignung von
Mehrwert (d. h. Früchten der Arbeit) durch die
Ausbeuter.
Modelle: 21.10.08
Erik Olin Wright:
Zweites Klassenschema
Erik Olin Wright, 1985: 88
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
12
E.O. Wright: Lokalisierung der Klassenlagen
• Die Bourgeoisie (1) verfügt über die totale Kontrolle der
Produktionsmittel und über eine hohe Qualifikation und
Organisation.
• Die alte Mittelklasse, d.i. das Kleinbürgertum (3) verfügt
über Produktionsmittel, hat aber an der Organisation
geringen Anteil.
• Die als mit widersprüchlicher Klassenlage Qualifizierten
(ohne Produktionsmittelbesitz) werden in acht
verschiedene Gruppen angeordnet (4-11). Qualifikation
und Organisation sind für die neue Mittelklasse von
Bedeutung.
• Die Arbeiterklasse (12) verfügt weder über Qualifikation
noch Organisation.
Modelle: 21.10.08
Erbslöh, B. et al. 1988. Klassenstruktur und Klassenbewusstsein in der BRD.
KZfSS 40: 254
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
14
Max Weber (1864-1920):
Ungleichheit als vervielfältigte Klassenstruktur
•
•
•
Soziale Ungleichheit als Folge von
– Klassenlage (nach Besitz und Machtverhältnissen)
definiert durch gleiche/ähnliche Chancen der
Marktverwertung von Gütern und Leistungen (daraus
ergibt sich nicht zwangsläufig auch eine soziale
Gemeinschaft = Unterschied zu Marx)
– Ständischer Lage („Ehre“ und „Prestige“ wichtig); dazu
gehören eine angemessene Sozialisation; ein
standesgemäßer Beruf; eine ehrenvolle Herkunft und die
Verfügung über eine Herrschaftsposition
– Politischen Parteien (politische Macht), d.s.
Gruppierungen von Menschen, die darauf abzielen,
Entscheidungsprozesse im Rahmen menschlichen
Zusammenlebens zu beeinflussen.
Nicht Klassenkampf, sondern Zweckrationalität Wesen des
Kapitalismus
Bewusstsein beeinflusst Prozesse des Wirtschaftens
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
15
Erscheinungsformen sozialer Ungleichheit
•
•
•
Ständische Lebenslage (gilt für die Feudalgesellschaft)
– Auf Abstammung begründet (z.B. Adel)
– Berufsstände (Ärzte, Anwälte)
– 80% Bauern, 9% Bürgertum, 1% Adel – bilden Hierarchie
– Zwei Ereignisse haben ständische Gesellschaft aufgebrochen:
• Bauernbefreiung 1780-1850, Grundeigentum für Bauern.
• Gewerbefreiheit 1807 in Preußen. Zünfte aufgelöst, freier
Zugang zu Berufen. Gruppenbildung nicht mehr nach Recht
und Geburt, sondern nach Interessen, statt Stände
Klassen.
– Heute: Rechtliche Fixierung der Stände verschwunden, aber
„ständische“ Lebensführung bestimmter Gruppen – Beamte,
Korps-Studenten. Stand entwickelt eigene Regeln der
Lebensführung, eigene Ethik.
Besitzklassen
Gilt für die moderne
– Durch Besitz (Grund, Vieh..)
kapitalistische
Erwerbsklassen
Gesellschaft
– Anbieter von Arbeitsleistungen
– Unterschiedliche Qualifikation bringt Hierarchisierung
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
16
Stände und Klassen bei Max Weber
Vier
Klassenlagen
Max Weber, 1922: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden
Soziologie. 5. Aufl. (1985). Tübingen: J.C.B. Mohr
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
17
Webers Begriff der Partei
• Partei :=Gruppierung von Menschen, die auf die
gemeinsame Beeinflussung kollektiver
Entscheidungsprozesse in unterschiedlichen
gesellschaftlichen Zusammenhängen abzielen (z. B.
Staat, Gemeinde, Wirtschaft).
• Partei ist nicht nur politische Partei, sondern jede
Interessengruppe, die an gesellschaftlicher
Machtverteilung partizipiert (Beispiele:
Gewerkschaft, Verbände, Bürgerinitiative usw.)
• Über Parteien erfolgen innergesellschaftliche
Umwälzungen statt eines revolutionären
Klassenkampfes
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
18
Folgen der Ungleichheit
•
•
•
•
Es kommt zu sozialer Schließung
– Anderen wird der Zugang erschwert
Kein Klassenkonflikt, sondern Massenhandeln („Murren“)
Gesucht werden Verbesserungen innerhalb des
Kapitalismus
– Folgerung: Widersprüchliche Doppelstrategie des
Proletariats: a) intrasystemisch gerichtet auf höhere
Löhne; b) extrasystemisch gerichtet auf Abschaffung
des kapitalistischen Lohnsystems
Ausbildung von vielfältigen Klassen
– Nach Stellung in der Produktion
– Nach dem Güterkonsum (spezifische Arten der
Lebensführung)
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
19
Theodor Geiger (1891-1952): Soziale Schichtung
• Kein Klassenmodell wie
bei Marx, Weber, Wright
sondern Schichtungsmodell
• Soziale Ungleichheit
grün- det auf dem
Wirtschaften
(=objektive Lage):
Produktionsmittelbesitz;
Beruf; Einkommen
• Geiger entwickelt drei
Lagen:
– kapitalistische
– mittlere
– proletarische
Modelle: 21.10.08
Die soziale Schichtung des
deutschen Volkes 1932
1%
18%
14%
17%
50%
Franz Kolland
20
Schicht und Mentalität
• Sozial-ökonomische Lage legt Interessen fest und prägt
die Mentalität aber tut dies nicht zwangsläufig
• Gruppen mit lagetypischen Mentalitäten bezeichnet
Geiger als Schichten
• Die „subjektive“ Ausrichtung (Mentalität) konzentriert
sich auf eine bestimmte gemeinsame Haltung oder
Denkweise, eine psychische Verfassung der Mitglieder,
die nicht an Merkmale der sozialen Lage gebunden wird.
(Burzan 2004: 28)
• Lagen und Haltungen werden getrennt erfasst.
• Konkret: Die Schicht der mittleren und kleinen
Unternehmer (II.) ist bestimmt durch eine Familien- und
Heimkultur und drückt sich in einer religiösen Haltung
aus. Sie befinden sich in einem Verteidigungszustand
gegen drohenden Prestigeverlust.
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
21
Rainer Geißler (1996): Differenzierte Schichtstruktur
Dynamisch pluralisierte Schichtstruktur
• Abstufungen nach Schichtzugehörigkeit im
Alltag nicht wahrnehmbar
• Schichtstruktur als „Tiefenstruktur“ der
Gesellschaft
• Schichtstruktur gestaffelt nach Segmenten;
Resistenz der vertikalen Struktur in zentralen
Dimensionen (Bildung) aufgrund ihrer
meritokratischen Legitimation (vgl. Young 1961)
• Schichten nicht nur vertikal, sondern horizontal
(siehe folgende Grafik)
• Einbeziehung der MigrantInnen
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
22
Michael Young (1961): The Rise and Fall of Meritocracy
• Science-Fiction-Erzählung
Auf allen Schulstufen sorgt ein System sorgfältig
entwickelter Tests dafür, dass nur die Begabtesten die
jeweils nächst höhere Stufe erreichen. Diese Selektion
wird ergänzt durch eine systematische Zuweisung der
Schulabgänger zu beruflichen Positionen. Die
Grundformel der Meritokratie lautet: I + M = V
(Intelligenz + Mühe = Verdienst)
• Allerdings: Weitreichende Folgen der perfekten
Selektion. Es zeigte sich eine enorme Vertiefung der
Kluft zwischen Klassen und Schichten.
• Handelt sich dabei nur um eine utopische Geschichte?
Welche Bedeutung haben Eignungstests als
Regelungsmechanismus im Bildungssystem?
Modelle: 21.10.08
Die „soziale Landkarte“ Deutschlands 1996
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
24
Geißler, Rainer (2002):
Die Sozialstruktur
Deutschlands.
Die gesellschaftliche
Entwicklung vor und
nach der Vereinigung.
Wiesbaden:
Verlag für
Sozialwissenschaften
Sozio-ökonomisches
Panel 2000; n=17.850
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
25
Klasse und Schicht im Vergleich
• Gemeinsamkeiten
– Betonung der ökonomischen, beruflichen
Stellung
– Vertikale, hierarchische Sicht auf Ungleichheit
– Betonung der "objektiven" Lebensbedingungen
• Unterschiede
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
26
Soziale Schichtung nach sozialem Ansehen (Prestige)
•
•
•
•
Gemessen wird Prestige über Fremd- oder
Selbsteinschätzung
– Mit wem fühle ich mich gleich?
– Wem gegenüber fühle ich mich besser/schlechter?
Enthält sowohl ein Werturteil als auch den Grad der
Abstufung
Misst ein vertikales Verhältnis der Schichten
zueinander
Soziale Wertschätzung ist eine soziale Konstruktion,
die von der Bewertung unter Individuen zu einer
Bewertung unter Kollektiven aufsteigt und zu einem
Konsens der Kollektive über das Prestige der Kollektive
führt
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
27
Quelle: Bolte 1950
Berufsprestige in Deutschland in den 1950er Jahren
1. Arzt
3. Fabrikdirektor (z.B. Gießereidirektor)
4. Regierungsrat (höherer Beamter)
6. Elektroingenieur
7. Gutsbesitzer
8. Pfarrer (Pastor)
9. Volksschullehrer
12. Autoschlosser (eigene Werkstatt)
13. Opernsänger
14. Bankangestellter (Buchhalter)
16. Industriefacharbeiter (z.B. Schlosser)
18. Bauer (mittelgroßer Betrieb)
27. Maurer (Geselle)
30. Krankenpfleger
32. Kellner
33. Verkäufer (in einem Lebensmittelgeschäft)
38. Ungelernter Arbeiter
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
28
Modelle:
Einführung:
21.10.08
11.3.2008
Franz Kolland
29
Modelle:
Einführung:
21.10.08
11.3.2008
Franz Kolland
30
Ulrich Beck (1983): „Fahrstuhleffekt“
Individualisierung sozialer Ungleichheit
• Klassen- und schichttypische Zusammenhänge verlieren
an Bedeutung; Enttraditionalisierung ständisch
gefärbter Klassenlagen („Verbürgerlichung des
Arbeiters“)
• Gewinn an Handlungsspielräumen bei gleichzeitiger
Abhängigkeit von gesellschaftlichen Institutionen
(Bildungssystem, Arbeitsmarkt); Wohlstand wird als
individueller Aufstieg erlebt
• Jede/r einzelne ist Planungsbüro ihrer/seiner selbst;
statt ständisch-klassenkulturelle nun privatisierte
Lebenswelt
• Je unabhängiger von unmittelbaren Netzwerken, desto
abhängiger von Institutionen
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
31
„Neue“ soziale Ungleichheit
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
32
Lebenslagen –>Lebensstile –>Soziale Milieus
•
•
•
•
•
•
Warum Lebensstil? Beruf, Bildung, Einkommen &
Sozialprestige können nicht das Konsumverhalten
erklären
Lebensstil ist (def.) „ein relativ stabiles Muster selbst
geplanter Alltagsorganisation“ (Schulze 1992).
„… life style is defined as something between everything
and nothing.“ (Tokarski/Filipcova 1989)
Grundelement des Lebensstils ist Distanzierung, die
Abgrenzung von anderen (Simmel 1906)
Lebensstile (Kulturkapital) als Medium der Reproduktion
sozialer Ungleichheit (Bourdieu 1988)
In der Folge Erhebung milieuspezifischer Informationen:
Soziale Milieus fassen Menschen mit ähnlichen Lebensweisen und ähnlicher Lebensauffassung zusammen.
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
33
Gerhard Schulze (1992): Die Erlebnisgesellschaft
Ausgangspunkte:
1. Höheres Einkommen; Gesellschaftsbildung
durch Überfluss (nicht durch Not)
2. Verlagerung von Mittel hin zur Sinndimension;
innenorientierte Lebensauffassungen
3. Größeres Konsumgüterangebot mit hohem
Erlebnis- u. geringem Gebrauchswert
z.B. Kinofilme, Illustrierte, Musik
4. Qual der Wahl; permanente
Möglichkeitsausweitung
Was gefällt mir? Was verspreche ich mir von
einem bestimmten Konsumgut?
5. Zunahme der Erlebnisorientierung bzw.
Bildung eines Erlebnismarktes
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
34
Von der Erlebnisrationalität zu Stiltypen
•
•
•
•
•
•
•
Unsicherheit durch Stimmungsschwankungen und
Angebotsfülle: Lösung = Erlebnisrationalität:
Es wird ein eigener Stil entwickelt („Muster“)
Vergemeinschaftung mit Ähnlichen, Abgrenzung
(„Distinktion“) gegenüber anderen
Wertorientierungen leiten die Abgrenzungen
Durch erhöhte Binnenkommunikation entstehen Stiltypen
= Soziale Milieus
Es kommt zu geschmacksorientierter Erlebnisvergemeinschaftung
Bestehende alltagsästhetische Schemata bilden den
Ausgangspunkt für die Milieurekonstruktion. Diese sind
das Hochkultur-, Trivialkultur- und Spannungsschema
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
35
Alltagsästhetische Schemata im Überblick
Alltagsästhetische
Schemata
Typische Zeichen
(3 Beispiele)
Hochkulturschema
Bedeutung
Genuss
Distinktion
Lebensphilosophie
Klassische Musik,
Museumsbesuch,
Fernsehen „Arte“
Kontemplation
antibarbarisch
Perfektion
Trivialschema
Deutscher
Schlager,
Fernsehquiz,
Arztroman
Gemütlich- antikeit
exzentrisch
Spannungsschema
Rockmusik,
Action
Thriller, Ausgehen
(Kneipen, Discos,
Kino usw.)
Harmonie
anti-konven- Narzissmus
tionell
Quelle: nach Schulze (1992): 163.
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
36
G. Schulze: 5 Milieus
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
37
Erlebnismilieus nach Bildung
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
38
Alltagsästhetische Schemata
(G. Schulze 1997)
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
39
Lifestyle 2006 (n=4500; Österreich; Fessel+GfK)
Funseeker
28%
Striver
11%
Devout
2%
Striver
7%
Funseeker
4%
Devout
7%
Altruist
10%
Creative
21%
Creative
11%
Altruist
59%
Intimate
12%
Intimate
28%
20-29-Jährige
n=679
70+-Jährige
n=560
Altruist: humanitär, soziale Orientierung; Intimate: soziale Beziehungen; Freundschaften
Creative: Renaissance-Menschen; Abwechslung; Devout: Tradition, glaubensorientiert
Striver: Macht, Status, Reichtum; Funseeker: Hedonistisches Leben
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
40
Gesellschaft im Reformprozess
• Umfrage im Auftrag der Friedrich-EbertStiftung (2006)
• Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung,
Deutsche ab 18 Jahren
• Stichprobe: Repräsentative
Zufallsauswahl/Randomstichprobe
• Erhebungsverfahren: CAPI
• Fallzahl: 3.021 Befragte
• Erhebungszeitraum: 11.02. – 13.03.2006
• Durchführendes Institut: TNS Infratest
Sozialforschung
http://www.fes.de/aktuell/documents/061017_Gesellschaft_im_Reformprozess_komp
lett.pdf
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
41
Die „Drei-Drittel-Gesellschaft“
26%
„unten“;
„abgehängt“
35%
„oben“;
gesichert
39% „Mitte“;
verunsichert
Deutschland 2006
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
42
Ausgewählte Ergebnisse
Gesellschaftliche Grundstimmung
• 63% machen die gesellschaftlichen Veränderungen
Angst
• 46% empfinden ihr Leben als ständigen Kampf
• 44% fühlen sich vom Staat allein gelassen
• 15% Prozent fühlen sich generell verunsichert
Familie bleibt wichtiger sozialer und psychischer
Rückhalt
• 87% sind mit ihrer familiären Situation zufrieden
• 78% haben gute Freunde, an die sie sich mit ihren
Sorgen wenden können
Schichtung der Gesellschaft
• 61 Prozent meinen, es gibt keine Mitte mehr, nur noch
ein Oben und Unten.
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
43
Friedrich-Ebert-Stiftung 2006: 89
Typen und Position entlang Schicht/Alter
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
44
Überlagerungen von Logiken und Prozessen sozialer
Ungleichheit
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
45
Bedeutung der verschiedenen Modelle
•
•
•
•
Ständemodell
– Ungleichheiten aufgrund von Geburt, ethnischer
Zugehörigk. (Zunahme „askriptiver Merkmale“)
Klassenmodell
– Zunehmende Abhängigkeit der
ArbeitnehmerInnen von den Kapitaleignern
(„Shareholder-value“)
Schichtungsmodell
– Ausdifferenzierung der Berufe weiter bedeutsam
Lebensstilmodell
– betont Konsum und Freizeit (Kritik: von sozialen
Strukturen entkoppelte Typologie)
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
46
Ende der Klassen-/Schichtungssoziologie?
Stimmen folgende Behauptungen?
• Wo jeder auf eigene Rechnung lebt, liebt und
arbeitet, da hat die Soziologie ihren Ansatzpunkt
des Sozialen verloren!
• Der Abschied von der Großgruppengesellschaft
führt auch zum Bankrott der Klassen- und
Schichtungssoziologie!
• Die (globalisierte) Gesellschaft bewegt sich weg
von einer Klassengesellschaft zu einer
Risikogesellschaft (ökologische Frage)!
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
47
Ungleichheit zwischen den Geschlechtern
– als Folge
patriarchalischer
Strukturen
– älter als
klassenbezogene
Ungleichheit
– Klassenverhältniss
e primär für
Männer relevant
unter-schiedliche
Marktnähe der
erzeugten Güter
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
48
Vom „Geschlechts-Diskurs“ zum „Gender-Diskurs“
• Ausgelöst durch Frauenbewegungen
• Veränderung der Erwerbsarbeit von Frauen
– Feminisierung der
Erwerbsarbeit
(pink colour work)
– „feminisierte“ Formen der
Beschäftigung
• Stärkung der Rolle der Frauen
– Arbeitslosigkeit der Männer
durch Frauen aufgefangen
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
49
Regina Becker-Schmidt (1987): Doppelte Vergesellschaftung
•
•
•
•
Frauen sind auf zweifache Weise gesellschaftlich verortet:
private Reproduktion: Hausarbeit gekennzeichnet
durch persönliche Abhängigkeit bzw. Fürsorge/Liebe und
Erwerbstätigkeit: betriebliche Anforderungen
gekennzeichnet durch weniger persönliche Abhängigkeit
und Konkurrenz/Leistung.
Widerspruch zwischen den Sphären (nicht nur Doppelbelastung) ergibt sich, weil die gegenseitige Abhängigkeit
von Haus- und Erwerbsarbeit durch die Trennung in zwei
Sphären verdrängt wird.
Der Erwerbsbereich ist der Hausarbeit übergeordnet und
entspricht damit der „Ordnung“ der
Geschlechterverhältnisse
Arbeitskräfte 2. Klasse (kein „Familienlohn“)
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
50
Eva Cyba (1993): Geschlechtsspezifische soziale Schließung
In Anlehnung an Webers Konzept der Sozialen Schließung:
Frauen und Männer als Akteure im Kampf um den
Zugang zu Lebenschancen
• Indirekte Schließung:
– Räumliche Mobilität
– Zeitliche Flexibilität
• Ausbeutung in Frauenberufen
(These der sozialen Schließung des
Arbeitsmarktes)
– Freihandelszonen
– Persistenz „typischer“ Frauenberufe (Handel,
Textilindustrie); siehe folgende Schaubilder
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
51
Erhöhung der Frauenerwerbsquote
Anteil der erwerbstätigen Frauen 1994 und 2005
http://dx.doi.org/10.1787/404207228372 [Zugriff: 19.10.2008]
Modelle: 21.10.08
Die 10 häufigsten Lehrberufe von Frauen
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
53
Der Frauenanteil an den StudienanfängerInnen
Quelle: Prenner, Scheibelhofer, Wieser, Steiner (2000)
http://wien.arbeiterkammer.at/pictures/importiert/Studie_Kurzfassung_Frauenqualifika
tion.pdf
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
54
Die 10 häufigsten Lehrberufe von Männern
Modelle: 21.10.08
Franz Kolland
55
Herunterladen