Kurzreferate zur 20. Ernährungsfachtagung, 8. November 2012 in

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Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.
Sektion Thüringen
Kurzreferate
zur
20. Ernährungsfachtagung, 8. November 2012 in Jena
„Fokus Lebensmittel – Toxikologische Aspekte“
unter der Schirmherrschaft des Thüringer Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit (TMSFG)
gefördert vom TMSFG
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Lebensmittelüberwachung – Was kann, was muss sie leisten?
Dr. Karin Schindler, Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit, Referat
53, Lebensmittelüberwachung, Werner-Seelenbinder-Straße 6, 99096 Erfurt
Die amtliche Lebensmittelüberwachung, deren Aufgaben überwiegend durch EU-Recht
bestimmt werden, hat durch regelmäßige Kontrollen in den Betrieben und durch Untersuchung
einer angemessenen Probenzahl zu überprüfen, ob der Lebensmittelunternehmer seinen
rechtlichen Verpflichtungen zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit und zur Einhaltung
der Vorgaben des Lebensmittelrechts nachkommt. Die Kontrollen müssen so organisiert und
durchgeführt werden, dass sie Rechtsverstöße aufdecken, nachhaltig beseitigen und
konsequent ahnden. Die Verbraucher sollen wirksam vor gesundheitlichen Gefährdungen, aber
auch vor Irreführung und Täuschung geschützt werden.
Aus
diesem
Anspruch
ergeben
sich
für
die
Lebensmittelüberwachung
besondere
Herausforderungen, u. a. durch:
ƒ neue und komplexe Technologien der Lebensmittelverarbeitung, deren Bewertung mitunter
Spezialwissen erfordert;
ƒ zielorientiert
formulierte
Lebensmittelhygienevorschriften,
die
häufig
der
fachlichen
Auslegung im Einzelfall bedürfen;
ƒ rechtsverbindliche Festlegung neuer und immer anspruchsvollerer Höchstmengen und
Grenzwerte, deren Einhaltung analytisch überprüft werden muss;
ƒ häufige Änderung der Rechtsvorschriften und teilweise sehr komplizierte Regelungen;
ƒ hohes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit;
ƒ begrenzte personelle und materielle Ressourcen der zuständigen Behörden.
Um den berechtigten Ansprüchen genügen zu können, werden die Überwachungskonzepte
regelmäßig überprüft und schrittweise angepasst. Zu den derzeit wichtigsten strategischen
Eckpunkten gehören:
ƒ strikte Ausrichtung der Kontrollen an den spezifischen Risiken der Betriebe mit Konzentration
auf Betriebe, die entweder besonders risikoreiche Produkte herstellen oder die durch
Nichteinhaltung der Rechtsvorschriften auffällig geworden sind;
ƒ Schwerpunktsetzung durch landes- und bundesweite Überwachungsprogramme;
ƒ länderübergreifende
Abstimmung
zur
Auslegung
von
Rechtsvorschriften
und
zu
Überwachungskonzepten;
ƒ länderübergreifende Zusammenarbeit und Spezialisierung bei der Untersuchung von
Proben;
ƒ Intensivierung von Fort- und Weiterbildung des Kontrollpersonals;
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ƒ Einsatz von Kontrollteams, die interdisziplinär zusammengesetzt sind, spezialisierten
Sachverstand vorhalten und überregional zur Unterstützung der vor Ort zuständigen
Behörden tätig werden.
Zu den Aufgaben der Lebensmittelüberwachung gehört zunehmend auch die Information der
Öffentlichkeit. Es ist ein anspruchsvolles Vorhaben, den Verbrauchern verständliche Einblicke
in die komplexen Kontrollen und deren Ergebnisse zu gewähren.
Zusammenfassend
ist
festzustellen,
dass
die
Ansprüche
an
die
amtliche
Lebensmittelüberwachung gestiegen sind - die Ansprüche der Verbraucher, des Gesetzgebers
und die eigenen Ansprüche. Dem stehen begrenzte Ressourcen gegenüber. Eine wirksame
Überwachung
benötigt
heute
Überwachungskonzepte,
einen
mehr
hohen
denn
je
konsequente
Ausbildungsstand
länderübergreifende Zusammenarbeit und Spezialisierung.
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des
Rechtsetzung,
intelligente
Kontrollpersonals
sowie
Metallverbindungen als Kontaminanten in Lebensmitteln:
Risikobewertung aktueller Expositionen
Prof. Dr. Andrea Hartwig, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Kaiserstr. 12, 76131
Karlsruhe
Metalle und ihre Verbindungen sind ubiquitär in der Umwelt verbreitet; somit gelangen sie auch
in die Nahrungskette und damit in Lebensmittel. Während akute Gesundheitsschäden durch
aktuelle Expositionen in Europa nicht zu befürchten sind, können für einige Metalle bzw.
Halbmetalle chronische Gesundheitsstörungen nicht ausgeschlossen werden; insbesondere
Cadmium- und Arsenverbindungen sind in diesem Zusammenhang relevant. Im Fall von
Cadmium stellen für die beruflich nicht exponierte Allgemeinbevölkerung Lebensmittel die
Hauptaufnahmequelle dar. Obwohl sehr hohe Gehalte beispielsweise in Rinder- und
Schweinenieren enthalten sind, wird aufgrund der mittleren Verzehrsmengen das meiste
Cadmium über Gemüse und Getreide aufgenommen. Ferner enthält Tabakrauch erhebliche
Mengen an Cadmium. Neben einer kanzerogenen Wirkung steht die Nierentoxizität im
Vordergrund; daher wurde die „tolerable wöchentliche Aufnahme“ 2009 von der EFSA deutlich
auf 2,5 µg Cd/kg KG gesenkt. Dieser Wert wird im Durchschnitt zwar leicht unterschritten, aber
für
einige
Bevölkerungsgruppen
auch
erreicht
bzw.
leicht
überschritten.
Wichtige
Expositionsquellen für anorganisches Arsen sind - neben oftmals sehr hohen Gehalten in
Trinkwasser in einigen Gebieten der Erde - in Europa u.a. Getreide und Reis sowie
Reisprodukte.
Eine
chronische
Belastung
wird
mit
Hautläsionen,
Kanzerogenität,
Entwicklungsstörungen, Neurotoxizität sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung
gebracht. Insbesondere aufgrund der krebserzeugenden Wirkung in Blase, Haut und Lunge
entschied die EFSA 2009, dass der PTWI von 15 µg/kg KG nicht mehr angemessen ist;
stattdessen wurden Risikobewertungen im unteren Expositionsbereich durchgeführt.
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Trinkwasser als bestüberwachtes Lebensmittel – toxikologisch sicher?!
Dr. Tamara Grummt, Umweltbundesamt, Dienstgebäude Bad Elster, Fachgebiet
„Toxikologie des Trink- und Badebeckenwassers“, Heinrich-Heine-Str. 12, 08645 Bad
Elster, Email: [email protected]
Trinkwasser, das Lebensmittel Nr. 1, hat hinsichtlich seiner Qualität höchste Anforderungen zu
erfüllen. Die entsprechenden Grenzwerte, Anforderungen und die Überwachungsaufgabe sind
in der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) geregelt.
Aus dem aktuellen Bericht des BMG/UBA an den Verbraucher geht hervor, dass Trinkwasser
eine sehr gute Qualität besitzt. Mit mehr als 99 % werden die mikrobiologischen und
chemischen Parameter der TrinkwV 2001 eingehalten.
Trotz dieser gut dokumentierten Sicherheit hat Trinkwasser in der Öffentlichkeit ein großes
Imageproblem. Eine Ursache dafür sind die sogenannten anthropogenen Spurenstoffe (z. B.
Arzneimittelrückstände, Haushaltschemikalien und Kosmetika), die nicht zuletzt aufgrund der
Entwicklung der analytischen Messtechnik in immer geringeren Konzentrationen und in großer
Vielzahl im Wasserkreislauf nachgewiesen werden.
Die problematischen Stoffeigenschaften (Polarität, Persistenz und Mobilität) bedingen die
Trinkwassergängigkeit dieser Substanzen. Eine toxikologische Bewertung im klassischen Sinne
kann aufgrund der mangelnden toxikologischen Datenlage nicht vorgenommen werden. Mit
anderen Worten, für die anthropogenen Spurenstoffe überwiegt derzeit das toxikologische
Nichtwissen.
Im Falle des Trinkwassers tritt aus anthropozentrischer Sicht eine ästhetische Dimension hinzu:
Trinkwasser muss rein und genusstauglich sein. Deshalb fordert die Trinkwasserverordnung ein
Wasser für den menschlichen Gebrauch, das durch seinen Genuss oder Gebrauch eine
Schädigung
der
Qualitätsanspruch
menschlichen
zum
Gesundheit
Ausdruck, der
nicht
nicht
besorgen
allein
auf
die
lässt.
Darin
Abwehr
kommt
bekannter
ein
und
wissenschaftlich quantifizierbarer Gefährdungspotenziale abstellt, sondern zugleich die
Vorsorge gegen solche Gefährdungspotenziale einfordert.
Mit der UBA-Empfehlung „Bewertung der Anwesenheit teil- oder nicht bewertbarer Stoffe im
Trinkwasser aus gesundheitlicher Sicht”, (Bundesgesundheitsblatt 2003, 46: 245-248) existiert
ein theoretischer Ansatz zur Ableitung des gesundheitlichen Orientierungswertes (GOW), der
auf den verfügbaren Daten für spezifische Wirkmechanismen (Gentoxizität, Neurotoxizität,
Immuntoxizität) basiert.
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Da sich aus der Höhe des GOW (abhängig von der Datenlage und dem Wirkmechanismus in
einer Spannbreite von 0,01 µg/l bis 3 µg/l) die jeweiligen Maßnahmen im Risikomanagement
ergeben, wird derzeit ein methodisches Instrumentarium zur Erhebung toxikologischer Daten
mittels hierarchischer Teststrategien für die jeweiligen Endpunkte entwickelt.
Für die experimentelle Umsetzung heißt das, den Nachweis von primären Wirkmechanismen
auf zellulärer Ebene zu führen. Die Anwendung des GOW-Konzeptes hat sich in der Praxis als
pragmatischer
Ansatz
bewährt
und
führt
langfristig
Trinkwasserversorgung im Sinne des Vorsorgeprinzips.
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zur
Sicherstellung
der
Alkohol: Ein Risikofaktor in der Ernährung
Prof. Dr. Ina Bergheim, Universität Hohenheim Fg. Ernährungsmedizin/Prävention und
Genderforschung, Verfügungsgebäude 022, Fruwirthstraße 12, 70599 Stuttgart
Alkoholmissbrauch ist in Deutschland und vielen anderen Industrieländern auch heute noch
eine der häufigsten Ursachen chronischer Lebererkrankungen und zählt zu den führenden
Morbiditäts- und Mortalitätsursachen unter der erwerbsfähigen Bevölkerung. Alkohol bedingt
sowohl akute als auch chronische Leberschäden, die von einer alkoholischen Fettleber über
eine akute Hepatitis/ Steatohepatitis bis hin zum Endstadium der Leberzirrhose reichen. Hierbei
korreliert die Höhe des durchschnittlichen täglichen Alkoholkonsums eng mit der Ausprägung
der alkoholinduzierten Lebererkrankung. In allen Stadien der Leberschädigung sind neben
Hepatozyten auch inflammatorische Zellen (z.B. Kupffer Zellen, Lymphozyten, Neutrophile) und
aktivierte Sternzellen involviert. Die Gesamtzahl der Menschen mit alkoholinduzierten
Lebererkrankungen, das heißt von der Fettleber über die Alkoholhepatitis bis zur Zirrhose, wird
in Deutschland derzeit auf ca. 4 – 6 Millionen Menschen geschätzt. Jedoch weisen eine Reihe
von epidemiologischen Studien darauf hin, dass es bei identischer Konsummenge deutliche
interindividuelle Unterschiede bezüglich der Empfindlichkeit gegenüber Alkohol gibt. Bisher ist
die Ursache dieser interindividuellen Empfindlichkeit gegenüber den schädigenden Effekten des
Alkoholkonsums sowie auch die molekularen Mechanismen die der alkoholbedingten
Leberschädigung zugrunde liegen nicht vollständig geklärt. Neuere Studien weisen außerdem
darauf hin, dass der moderate Konsum von vor allem nicht-destillierten alkoholischen
Getränken wie Bier und Wein die Gesamtmortalität und –Morbidität senkt. Bisher ist jedoch
auch hier nicht geklärt, welche Mechanismen bzw. Inhaltsstoffe der nicht-destillierten
alkoholischen Getränke in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind.
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Lebensmitteltoxikologische Betrachtung von Mykotoxinen
Pablo Steinberg, Institut für Lebensmitteltoxikologie und Chemische Analytik, Stiftung
Tierärztliche Hochschule Hannover, Bischofsholer Damm 15, 30173 Hannover
Unter dem Begriff Mykotoxine versteht man Substanzen, die von Schimmelpilzen als
Stoffwechselprodukte gebildet werden und eine gesundheitsschädigende Wirkung auf den
Menschen und andere Lebewesen ausüben können. Im Rahmen dieses Vortrags werden die
aus lebensmitteltoxikologischer Sicht relevantesten Mykotoxine, nämlich Aflatoxine, Ochratoxin
A, Fusarientoxine, Ergot-Alkaloide, Patulin und Citrinin, vorgestellt. Die Aflatoxine sind
Stoffwechselprodukte der Schimmelpilze Aspergillus flavus, Aspergillus parasiticus und
Aspergillus oryzae.Von den verschiedenen Aflatoxinen besitzt Aflatoxin B1 das höchste
kanzerogene Potenzial und führt vorwiegend zu Lebertumoren. Ochratoxin A wird von
mehreren Aspergillus-Arten, u. a. Aspergillus ochraceus, produziert und induziert Nierentumore
in Ratten. Eine erstmals in den 1950er Jahren beschriebene Nierenerkrankung, die sogenannte
„endemische Nephropathie des Balkans“, wurde mit einer chronischen Exposition gegenüber
Ochratoxin A in Verbindung gebracht. Allerdings ist bis heute nicht eindeutig geklärt, ob
Ochratoxin A für den Ausbruch des oben genannten Krankheitsbildes verantwortlich war. Zu der
Gruppe der Fusarientoxine gehören das Zearalenon, die Trichothecene und die Fumonisine.
Zearalenonkontaminiert Getreide und Getreideerzeugnisse und ist aufgrund seiner Struktur in
der Lage, an Östrogenrezeptoren in Uterus, Hypothalamus und Hypophyse zu binden und somit
ausgeprägte östrogene Wirkungen zu entfachen. Ob das Zearalenonin der Vergangenheit für
das epidemieartige Auftreten vorzeitiger Pubertätserscheinungen bei sehr jungen Mädchen
verantwortlich war, ist bis heute nicht geklärt worden. Zu der Gruppe der Trichothecene
gehören Deoxynivalenol, Nivalenol und das T2-Toxin. Sie kontaminieren vorwiegend Getreide,
wirken stark zytotoxisch und führen bei oraler Aufnahme zu starken Schleimhautirritationen im
Mund und Darm (Übelkeit, Erbrechen, blutige Durchfälle), bei lokaler Aufnahme zu einer
starken Reizung und Entzündung der äußeren Haut. Fumonisinefinden sich fast ausschließlich
auf Mais und greifen in die Biosynthese von Sphingolipiden, die in allen eukaryontischen Zellen
zum Aufbau von Zellstrukturenund zur Regulation verschiedener Zellfunktionen benötigt
werden, ein. Bei Nagern führen sie zu Missbildungen und wirken krebserregend, beim
Menschen
stehen
sie
im
Verdacht,
Speiseröhrenkrebs
hervorzurufen.
Der
Pilz
Clavicepspurpurea, bekannt als „Mutterkorn“, wächst in feuchten Jahrenparasitisch auf
Getreide, vor allem Roggen. Symptome einer akuten Intoxikation mit Mutterkorn-Alkaloiden sind
Durstgefühl, Bauchschmerzen, Übelkeit, Kopfschmerzen, Parästhesien, Krämpfe und Toddurch
Atemlähmung oder Kreislauf-versagen; häufig sind Uterusblutungen und Aborte beschrieben
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worden. Aufgrund der stark ausgeprägten Toxizität der Mutterkornalkaloide und aus Gründen
des vorsorgenden Verbraucherschutzes sollteGetreide weitestgehend frei von Mutterkorn zur
Verarbeitung bzw. direkt an den Verbrauchergelangen. Patulin, das von Aspergillus clavatus,
Aspergillus giganteus, Penicilliumpatulinum, Penicilliumexpansum und Penicilliumurticae
erzeugt und in Apfelsäfte vorkommen kann, führt zu Schleimhautreizungen im Intestinaltrakt,
Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.Im Vergleich zu den Aflatoxinen beinhaltet Patulin ein nur
geringes gesundheitliches Risiko; trotzdem sollten keine verschimmelte Äpfel zur Herstellung
von Apfelsäften verwendet werden. In letzter Zeit wird Citrinin, das von verschiedenen
Penicillium-, Aspergillus- und Monascus-Stämmen gebildet wird und nierenschädigend wirkt,
zunehmend in Getreideproben festgestellt.
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Fleisch – Ein Stück Lebenskraft?
Michael Glei, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Lehrstuhl für Ernährungstoxikologie,
Dornburger Str. 24, 07743 Jena
Über 97 % aller Deutschen konsumieren mehr oder weniger regelmäßig Fleisch und
Fleischprodukte. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen vom guten Geschmack bis hin zu
den wertgebenden Inhaltsstoffen. Fleisch ist nicht nur eine vollwertige Eiweißquelle, sondern
auch Lieferant für Vitamine (z. B. B12) und Mineralstoffe (z. B. Eisen und Zink). Deutsche
Männer verzehren im Mittel täglich mehr als 100 g Fleisch und Fleischprodukte, die Frauen
etwa die Hälfte. Gleichwohl die Deutschen im weltweiten Vergleich damit keine Spitzenposition
einnehmen, essen viele von uns deutlich mehr Fleisch als Fachgesellschaften (z. B. DGE,
WCRF) empfehlen. Demnach sollten am Tag nicht mehr 70 g Fleisch und Wurst konsumiert
werden. Die Begründung dafür liegt klar auf der Hand. Vor allem rotes Fleisch (Schwein, Rind,
Schaf) reichlich genossen, kann das Risiko für eine Vielzahl an Krankheiten, wie z. B. Krebs,
Diabetes Typ 2 oder Herz-Kreislauferkrankungen, erhöhen. Obwohl die Hinweise vorrangig aus
prospektiven Kohortenstudien stammen, die Korrelationen aufzeigen, aber keine kausalen
Zusammenhänge begründen, ist die Datenlage inzwischen recht robust und eindeutig. Die
Ursachen für diese potentiell negativen Effekte sind vielfältig. So ist Fleisch natürlicherweise
reich
an
gesättigten
Fettsäuren,
Cholesterin
und
Eisen.
Bei
der
Herstellung
von
Fleischprodukten finden Koch- und Pökelsalze reichliche Verwendung und bei der Zubereitung
(v. a. Braten, Grillen, Backen) entstehen zusätzlich toxische Verbindungen (polyzyklische
aromatische
Kohlenwasserstoffe,
heterozyklische
aromatische
Amine
und
N-
Nitrosoverbindungen). Gemeinsam tragen diese Stoffe dazu bei, dass der Verzehr von Fleisch
auch unerwünschte Nebeneffekte haben kann, die zu einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko
führen. So hat eine aktuelle Auswertung von 2 Kohortenstudien mit fast 40.000 Männern, über
80.000 Frauen und annähernd 25.000 Todesfällen im Beobachtungszeitraum ergeben, dass
sich das Mortalitätsrisiko je mehr verzehrter Portion an Fleischprodukten im Mittel um 20 %
erhöht. Interessanterweise wurde dabei aber auch deutlich, dass durch den Ersatz jeweils einer
Fleischmahlzeit durch andere Proteinquellen, wie Nüsse, Leguminosen oder magere
Milchprodukte, das Risiko merklich reduzierbar war. Noch deutlichere Zusammenhänge wurden
zum Einfluss auf das Diabetes Typ 2-Risiko berichtet. Im Mittel einer Metaanalyse mit fast
450.000 Teilnehmern ergab sich je 50 g verarbeitetes Fleisch am Tag mehr, ein um 50 %
erhöhtes Erkrankungsrisiko. Auch das Risiko für verschiedene Tumorformen steigt mit
erhöhtem
Fleischkonsum.
Dabei
gelten
die
Zusammenhänge
zwischen
Fleisch/verarbeitetem Fleisch und Kolonkrebs schon länger als überzeugend bewiesen.
10
rotem
Was kann bzw. was sollte jeder tun, um solche Risiken zu minimieren? Es ist eigentlich ganz
einfach: Fleisch als Bestandteil einer gesunden Ernährung genießen, dabei aber auf die
tägliche Menge achten und bewusst weniger konsumieren sowie an ein bis zwei Tagen je
Woche ganz auf Fleischprodukte verzichten.
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Oxidativer Stress, Antioxidantien und Altern
Prof.
Dr.
Tilmann
Grune,
Friedrich-Schiller-Universität
Jena,
Lehrstuhl
für
Ernährungstoxikologie, Dornburger Str. 24, 07743 Jena
Zahlreiche Beiträge in der Presse beschäftigen sich mit der Thematik einer alternden
Gesellschaft und der Tatsache dass Menschen immer älter werden. Dabei muss man sich
fragen, inwieweit das so stimmt und ob sich dieser Prozess weiter fortsetzten wird. Ohne jeden
Zweifel sind heute weltweit demographische Veränderungen zu beobachten, die ihre Ursachen
in der Weiterentwicklung von Wissenschaft und Medizin haben und unsere Gesellschaft vor
neue Herausforderungen stellen. Zur Lösung dieser Herausforderungen gibt es eine Vielzahl
intensiver Untersuchungen und Studien zu den Ursachen des Alterungsprozesses.
Heute wird das als oxidativer Stress bezeichnete Phänomen als eine der Hauptursachen für
den gesunden Alterungsprozess angesehen. Dieses Phänomen wurde in den letzten Jahren
intensiv untersucht und erforscht. So wurde eine Vielzahl von Erkenntnissen auf molekularer,
zellulärer
und
Organismen-Ebene
gewonnen.
Interessanterweise
hat
man
über
die
vergangenen Jahrzehnte angenommen, dass eine konsequente Unterdrückung oxidativen
Stresses durch Antioxidantien eine Verbesserung des Gesundheitszustandes bzw. eine
Verlangsamung der Alterung hervorrufen kann. Von dieser Absicht ist man heute weitestgehend
abgekommen und sieht Antioxidantien als eine Gruppe biologisch wirksamer Substanzen, die
mit der Nahrung zugeführt werden können und in der Lage sind, oxidativen Stress zu
modulieren. Da oxidativer Stress nicht mehr als durchweg negatives Phänomen angesehen
werden kann, erscheint auch seine vollständige Unterdrückung durch Ernährungs- oder
pharmakologische Intervention nicht wünschenswert. Somit gelten andere nutritive Faktoren,
wie kalorische Mangelernährung und Vitaminmangel, für die Erhaltung der Gesundheit im
hohen Alter als beachtenswerter und wichtiger.
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