Prof. Dr. Andreas Zimmermann Sommersemester 2008 Übung im

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Prof. Dr. Andreas Zimmermann
Sommersemester 2008
Übung im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene
Vorlaufhausarbeit
Lösung
Allgemeine Hinweise / Problemschwerpunkte
Grundsätzlich dürfte die Aufgabe als schwierig einzuordnen sein. Insbesondere die Fülle der
enthaltenen Probleme und die Begrenzung der zugelassenen Seitenanzahl auf eine relativ geringe
Anzahl dürften es den Bearbeitern und Bearbeiterinnen zusätzlich erschweren, die Aufgabe richtig und
vollständig zu bearbeiten.
Allerdings ist die Begrenzung der Seitenzahl auch wiederum nötig, um die Bearbeiter dazu zu bringen,
Probleme und deren Lösungen kurz und prägnant anzugehen, als sich in endlosen Problem- und
Theorieschilderungen zu verlieren, und sich so von der eigentlichen Aufgabenlösung zu entfernen. Die
konsequente Lösung des Falles stand also klar im Vordergrund.
Diesem Umstand sollte bei der Bewertung Rechnung getragen werden. Es sollte daher bei der Vergabe
der Punkte eher wohlwollend verfahren werden. Insbesondere sollten nicht nur für die richtige Lösung
eines Problems Punkte vergeben werden. Auch das Erkennen und Darstellen von Problemen sollte
honoriert werden.
Zu den Formalia:
Die Formalia bei der Anfertigung einer Hausarbeit sollten den Teilnehmern an einer
Fortgeschrittenenübung hinreichend bekannt sein. Es ist daher auf die Einhaltung dieser Regeln auch
konsequent zu achten.
Das Literaturverzeichnis sollte umfangreich sein und mindestens alle Standardwerke zum allgemeinen
Verwaltungsrecht, zum Kommunalrecht, zum Staatsrecht (Art. 28 GG) und zu den Grundrechten
enthalten.
In den Fußnoten sollte, sofern möglich, Rechtsprechung und Literatur berücksichtigt werden.
Zum Inhalt:
Im ersten Teil (Widerspruch der ÖL) lag in der Zulässigkeit der einzige Schwerpunkt auf der Frage
nach der Statthaftigkeit des Widerspruchs. Innerhalb der Begründetheit war vor allem eine Prüfung
eines möglichen Anspruchs der ÖL aus § 18 I GO SH zu prüfen. Wer diesen übersah sollte in der
Regel die Hausarbeit nicht mehr bestehen können.
Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt lag auf der Prüfung eines Anspruchs der ÖL aus § 5 PartG sowie
auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Die Ansprüche aus Art. 3 I GG sowie aus Art. 8 I GG hatten
keine so hohe Priorität.
Im zweiten Teil (einstweiliger Rechtsschutz) war in der Zulässigkeit kein Problem vorhanden. Die
Schwerpunkte in der Begründetheit lagen erneut auf der Prüfung eines Anspruchs der ÖL aus § 18 I
GO SH. Besonders wichtig war hier, dass die Bearbeiter erkannten, dass Gerichte im Gegensatz zur
Widerspruchsbehörde eine Verwerfungskompetenz hinsichtlich Satzungen haben. Auf diese
Unterscheidung musste auch die weitere Prüfung aufbauen.
Der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung sollte auch im zweiten Teil geprüft werden.
Allerdings hatte er hier nicht ein so hohes Gewicht wie im ersten.
Zu den Einzelheiten vgl. Anmerkungen in der ausführlichen Lösungsskizze.
1
Teil 1: Entscheidung über den Widerspruch
Der Widerspruch der ÖL wird Erfolg haben, wenn er zulässig und begründet ist.
A. Zulässigkeit
I.
Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
Die §§ 68 ff. VwGO verlangen das Vorverfahren für die verwaltungsgerichtliche Klage. Daher muss
für den Streit um einen Verwaltungsakt, sollte dieser gerichtlich anhängig werden, der
Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein1.
Weder aufdrängende noch abdrängende Sonderzuweisungen sind ersichtlich. Die Eröffnung des
Verwaltungsrechtswegs richtet sich somit nach § 40 I 1 VwGO. Da es sich im vorliegenden Fall um
ein Widerspruchsverfahren handelt, § 40 I VwGO jedoch auf Klagen bezogen ist, muss 40 I VwGO
analog angewandt werden2.
Dieses setzt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art voraus. Öffentlichrechtlich sind solche Streitigkeiten, deren Entscheidung aufgrund von Normen des öffentlichen Rechts
erfolgt. Nach der gängigen Sonderrechtslehre sind solche Normen öffentlich-rechtlicher Natur, die
einseitig den Träger hoheitlicher Gewalt berechtigen oder verpflichten. Streitentscheidend sind hier
einerseits § 18 GO SH sowie andererseits § 5 PartG. Diese verpflichten einseitig den Träger
öffentlicher Gewalt, sind also öffentlich-rechtlicher Natur.
Eine verfassungsrechtliche Streitigkeit setzt die „doppelte Verfassungsunmittelbarkeit“ voraus, also
einen Streit zweier Verfassungsorgane um Rechte aus der Verfassung. Weder die ÖL noch die Stadt S
sind Verfassungsorgane. Es liegt somit eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vor. Der Verwaltungsrechtsweg ist daher gem. § 40 I 1 VwGO analog
eröffnet.
II.
Statthaftigkeit des Widerspruchs
§ 68 VwGO normiert zwei Arten des Widerspruchs: den Anfechtungswiderspruch (§ 68 I VwGO) und
den Verpflichtungswiderspruch (§ 68 II VwGO). Der Anfechtungswiderspruch setzt voraus, dass ein
belastender Verwaltungsakt ergangen ist, gegen den sich der Widerspruchsführer wendet. Der
Verpflichtungswiderspruch hingegen ist statthaft, wenn der Widerspruchsführer sich gegen die
Entscheidung wendet, einen ihn begünstigenden Verwaltungsakt nicht zu erlassen3.
Hier kommt lediglich ein Verpflichtungswiderspruch i.S.d. § 68 II VwGO in Betracht. Dieses setzt
voraus, dass es sich bei der von der ÖL beantragten Zulassung zur Nutzung des Jugendzentrums um
einen die ÖL begünstigenden Verwaltungsakt handelt.
Ein Verwaltungsakt setzt gem. § 106 I LVwG SH voraus, dass es sich um ein Handeln einer Behörde
auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzelfalls mit Außenwirkung handelt.
Hier sollten die Bearbeiter erkennen, dass das LVwG SH anzuwenden ist und nicht das VwVfG. Es wird von
Kommunalbehörden in Schleswig-Holstein gehandelt.
Zunächst scheint die Entscheidung über die Zulassung zur Nutzung des Jugendzentrums alle nötigen
Voraussetzungen zu erfüllen. Allerdings besteht bei der Frage nach der rechtlichen Einordnung der
Entscheidung über die Zulassung zur Nutzung einer öffentlichen Einrichtung eine
Meinungsverschiedenheit. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen den Vertretern der sog. Zwei-StufenTheorie und denen des öffentlich-rechtlichen Einheitsmodells.
1. Zwei-Stufen-Theorie
Nach der Zwei-Stufen-Theorie ist bei Fragen der Zulassung zur Nutzung öffentlicher Einrichtungen
die Entscheidung über die Zulassung öffentlich-rechtlich zu beurteilen. Die Abwicklung kann dann
1
Schmalz, Allg. VerwRt., Rn.1067.
Hufen, VerwProzRt., § 6, Rn.1.
3
Schmalz, Allg. VerwRt., Rn.1068/1070.
2
2
auch privatrechtlich ausgestaltet werden4. Es werden also zwei Stufen – Entscheidung über das „Ob“
und das „Wie“ der Nutzung – gesondert betrachtet. Hier wird über das „Ob“ gestritten. Insofern wäre
nach dieser Ansicht die Zulassung zur Nutzung einer öffentlichen Einrichtung ein Verwaltungsakt.
Auch im vorliegenden Fall stellt die Entscheidung der S über die Zulassung der ÖL zur Nutzung des
JKZ somit nach dieser Ansicht einen Verwaltungsakt dar.
2. Öffentlich-rechtliche Einheitslösung
Nach der zweiten Ansicht sind Zulassung und konkrete Ausgestaltung der Nutzung nicht gesondert
betrachtbar, sondern müssen als ein einheitlicher Vorgang gewertet werden. Dieses kann durch einen
Verwaltungsakt, der sowohl Zulassung als auch Nutzungsausgestaltung regelt geschehen. Denkbar ist
aber auch ein diese Bereiche regelnder öffentlich-rechtlicher Vertrag5. Dieses wird damit begründet,
dass die Unterscheidung zwischen der Entscheidung über das „Ob“ und das „Wie“ einen einheitlichen
Lebensvorgang fiktiv in zwei Teile spaltet und insbesondere bei alltäglichen Nutzungsvorgängen, wie
z.B. dem Besuch eines kommunalen Schwimmbads, überkonstruiert erscheint6. Weiterhin ergäben
sich immer wieder Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen der ersten und der zweiten Stufe7.
Hier ist also im vorliegenden Fall sowohl denkbar, dass ein Verwaltungsakt gegeben ist. Möglich
erscheint aber auch, dass zwischen S und der ÖL zunächst ein öffentlich-rechtlicher Vertrag
geschlossen werden müsste.
3. Stellungnahme
Auf die Unterscheidung zwischen der Zwei-Stufen-Theorie und der öffentlich-rechtlichen
Einheitslösung kommt es hier nicht an, soweit beide Ansichten in der Entscheidung der S über die
Zulassung der ÖL zur Nutzung des JKZ einen Verwaltungsakt sehen. Unterschiede in der Lösung
ergeben sich lediglich bei der Annahme eines öffentlich-rechtlichen Vertrags. In diesem Falle wäre der
Widerspruch nicht statthaft.
Für die Annahme eines Verwaltungsakts spricht, dass auf Verwaltungsakte öffentlich-rechtliche
Ansprüche bestehen können, z.B. nach § 18 GO SH. Solche Ansprüche sind mit der
Verpflichtungsklage gem. § 42 I 2. Var. VwGO einklagbar. Der Widerspruch hat gem. § 68 VwGO
die Funktion, der Verwaltung eine erneute Selbstkontrolle zu ermöglichen. Er ist allerdings auch einer
möglichen Klage des Bürgers im Falle der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zwingend
vorgeschaltet. Stellt also auch eine Ergänzung des Rechtsschutzes des Bürgers8 dar und soll diesem die
sofortige Klage ersparen. Er erfüllt damit aber auch die Funktion, einen einer Klage vergleichbaren
Rechtsschutz für den Bürger zu ermöglichen. Insofern erscheint die Lösung, in der Zulassung einen
Verwaltungsakt zu sehen als die für den Bürger günstigere Entscheidung. Er kann dann mit Hilfe des
Widerspruchs und gegebenenfalls der Verpflichtungsklage die Erfüllung seines Anspruchs
durchsetzen.
Auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags besteht ein solcher Anspruch nicht. Insofern
wird dann der Rechtsschutz des Bürgers beschnitten. Gegen die Verweigerung des Abschlusses eines
solchen Vertrags bliebe dem Bürger lediglich die allgemeine Leistungsklage und damit das (Kosten-)
Risiko einer sofortigen Klage. Da eine solche kein Widerspruchsverfahren erfordert, müsste der
Bürger sofort den gerichtlichen Weg einschlagen. Es wäre ihm also das schnellere
Widerspruchsverfahren genommen. Sein Rechtsschutz wäre verkürzt. Weiterhin bestünde für die
Verwaltungs nicht mehr die Möglichkeit einer erneuten Selbstkontrolle.
Schließlich sind die Fälle schwierig zu behandeln, in denen die Behörde zwar generell zum Abschluss
eines solchen Vertrags bereit ist, sich mit dem Bürger jedoch nicht über einzelne Punkte dieses
Vertrags einigen kann.
All dieses spricht für die Ansicht, in der Entscheidung über die Zulassung zu einer öffentlichen
Einrichtung einen Verwaltungsakt zu sehen9.
4
BVerwGE 32, 333 (334); BVerwG NVwZ 1991, 59.
Pappermann, JZ 1969, 485 487; Ossenbühl, DVBl. 1973, 292; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 54, Rn.6.2.
6
Schmidt-Aßmann in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, Kommunalrecht, Rn.112.
7
Maurer, Allg. VerwRt., § 17, Rn.14-16.
8
Schmalz, Allg. VerwRt., Rn.1066.
9
Maurer, Allg. VerwRt., § 17, Rn.25/26.
5
3
Hier bleibt als Ergebnis daher festzuhalten, dass die beantragte Zulassung zur Nutzung des JKZ ein
Verwaltungsakt i.S.d. § 106 LVwG SH darstellt.
Der Verpflichtungswiderspruch gem. § 68 II VwGO der ÖL ist somit statthaft.
Die Frage nach der Rechtsnatur solchen Verwaltungshandelns gehört seit vielen Jahren zu den „Klassikern“ der
Verwaltungsrechts. Insofern konnte von den Bearbeitern eine gue Lösung erwartet werden. Sofern ein Verwaltungsakt
abgelehnt wurde, musste der Bewerber die Prüfung an dieser Stelle abbrechen und den Widerspruch als unstatthaft
annehmen. Die Begründetheit musste dann hilfsgutachterlich geprüft werden.
III.
Einlegung bei der zuständigen Behörde
Der Widerspruch müsste von der ÖL bei der zuständigen Behörde eingelegt worden sein. Gem. § 70 I
1 VwGO ist der Widerspruch bei der Behörde einzulegen, die den Verwaltungsakt erlassen hat bzw.
nicht erlassen hat. Dieses ist in diesem Fall die S. Möglich ist gem. § 70 I 2 VwGO aber auch die
Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat. Dieses ist gem. § 73 I 2 Nr.
3 VwGO in Selbstverwaltungsangelegenheiten die Selbstverwaltungsbehörde. Bei der Entscheidung
über die Zulassung zur Nutzung einer öffentlichen Einrichtung der Gemeinde handelt es sich um eine
Entscheidung in Selbstverwaltungsangelegenheiten. Zuständig ist also die Selbstverwaltungsbehörde.
Dieses ist im vorliegenden Fall der Bürgermeister der Stadt S, B. Der Widerspruch wurde somit bei
der zuständigen Behörde eingelegt.
IV.
Beteiligtenfähigkeit der Widerspruchsführerin
Die Beteiligtenfähigkeit der ÖL als Widerspruchsführerin richtet sich nach §§ 76, 119 LVwG SH.
Da es sich hier um ein Widerspruchsverfahren, also ein Verwaltungsverfahren, handelt, sind nicht die Normen der
VwGO (§§ 62, 63) anwendbar. Diese beziehen sich auf das gerichtliche Verfahren. Eine analoge Anwendung ist mangels
einer entsprechenden Regelungslücke ebenfalls nicht möglich.
Die ÖL ist kein eingetragener Verein noch sonst eine juristische oder natürliche Person. Ihre
Beteiligtenfähigkeit kann sich also nur aus § 76 Nr. 2 LVwG SH ergeben. Dazu müsste es sich bei ihr
um eine Vereinigung handeln, der ein Recht zustehen kann. Eine Vereinigung ist die ÖL. Zustehen
kann ihr ferner das Recht auf Zulassung zur Nutzung des JKZ gem. § 18 I GO SH. Sie ist somit
beteiligtenfähig gem. § 76 Nr. 2 LVwG SH.
V.
Handlungsfähigkeit
Die Handlungsfähigkeit der ÖL bemisst sich nach § 77 I Nr. 3 LVwG SH. Sie handelt durch ihren
gesetzlichen Vertreter. Dieses ist ihr ordnungsgemäß gewählter Vorsitzender V.
VI.
Widerspruchsbefugnis
Die ÖL müsste weiterhin widerspruchsbefugt sein. Dieses setzt voraus, dass ein Anspruch auf den
begehrten und nicht erlassenen Verwaltungsakt zumindest möglich erscheint. Abgeleitet wird diese
Voraussetzung aus der Formulierung „der Beschwerte“ in § 70 I VwGO10. Diese Formulierung passt
zwar besser für die Anfechtung eines belastenden Verwaltungsakts. Allerdings kann sich eine solche
Beschwer aus daraus ergeben, dass dem Betroffenen eine Vergünstigung, auf die er einen Anspruch
hat, nicht gewährt werden soll11.
Ein solcher könnte sich aus § 18 GO SH ergeben. Die Erfüllung der Voraussetzungen eines solchen
Anspruchs durch die ÖL erscheint im vorliegenden Fall zumindest nicht ausgeschlossen. Somit ist sie
widerspruchsbefugt.
Hier war es dem Bearbeiter freigestellt, wie ausführlich er an dieser Stelle schon die einzelnen Voraussetzungen des § 18
GO SH prüfen wollte. Da es sich bei der Prüfung der Widerspruchsbefugnis allerdings nur um eine oberflächliche
handelt, sollte hier keine zu tiefgehende Prüfung erfolgen. Dieses sollte aus aufbautechnischen Gründen besser in der
Begründetheit geschehen. Sofern der Bearbeiter es allerdings schon hier tat, sollte dieses nicht zu seinem Nachteil
gereichen. Ein Hinweis sollte aber ergehen.
10
11
Schmalz, Allg. VerwRt., Rn.1079.
Hufen, VerwProzRt., § 6, Rn.24.
4
VII.
Widerspruchsinteresse / Abhilfeverfahren
Gem. § 72 VwGO folgt der Einlegung des Widerspruchs zunächst ein Abhilfeverfahren, in dem die
Behörde Recht- und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts bzw. des Nicht-Erlasses des
Verwaltungsakts noch einmal überprüft. Ein solches hat hier nicht stattgefunden. Aus der Systematik
der §§ 72 und 73 I Nr. 1 VwGO ergibt sich jedoch, dass im Abhilfeverfahren unterschiedliche
Behörden tätig sind12. Sind Widerspruchsbehörde und Erstbehörde dagegen identisch – wie in den
Fällen des § 73 I Nr. 2+3 VwGO – so ist ein Abhilfeverfahren nicht nötig13. Dieses ist hier der Fall:
Erstbehörde sowie Widerspruchsbehörde ist die Stadt S, hierbei ihr Bürgermeister B. Ein
Abhilfeverfahren brauchte im vorliegenden Fall also nicht durchgeführt werden.
Das Widerspruchsinteresse des Widersprechenden ist dann gegeben, wenn ihm kein leichterer Weg
zum Erfolg möglich ist14. Ein solcher ist nicht erkennbar. Für die ÖL liegt also auch das
Widerspruchesinteresse vor.
VIII. Ordnungsgemäße Widerspruchserhebung
Die Einhaltung aller Frist- und Formvorschriften ist zu unterstellen.
IX.
Zwischenergebnis
Alle Zulässigkeitsvoraussetzungen sind erfüllt. Der Widerspruch der ÖL ist somit zulässig.
B. Begründetheit
Ein Verpflichtungswiderspruch ist gem. § 68 II, I VwGO dann begründet, wenn die Verweigerung des
Erlasses eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist und der Widerspruchsführer dadurch in seinen
Rechten verletzt ist, bzw. bei Ermessensentscheidungen das Nicht-Erlassen unzweckmäßig und damit
ermessensfehlerhaft ist. Es gilt insofern der gleiche Maßstab wie bei der Prüfung einer
Verpflichtungsklage15.
Hier müsste also die Nicht-Genehmigung der Nutzung des JKZ durch die ÖL unrechtmäßig gewesen
sein. Dieses setzt zunächst voraus, dass die ÖL einen Anspruch auf die begehrte Zulassung oder auf
zumindest eine entsprechende ermessensfehlerfreie Entscheidung hat.
I.
Anspruch auf Zulassung
Ein Anspruch der ÖL auf Zulassung zur Nutzung des JKZ für ihre Veranstaltung könnte sich aus § 5 I
PartG sowie aus § 18 GO SH aber auch aus Art. 3 I GG und Art. 8 I GG ergeben.
1. Anspruch aus § 18 I GO SH
a) Öffentliche Einrichtung
Ein Anspruch der ÖL auf Zulassung zur Nutzung des JKZ der Stadt S aus § 18 I GO SH setzt zunächst
voraus, dass es sich bei dem JKZ um eine öffentliche Einrichtung handelt.
Eine öffentliche Einrichtung ist ein Zusammenschluss von Personen oder Sachen, der durch Widmung
und in Wahrnehmung der Selbstverwaltungsangelegenheiten einer Gemeinde der Allgemeinheit zur
Benutzung für einen Bestimmten Zweck offen steht16.
§§ 1 und 2 der Benutzungs- und Kostensatzung für das JKZ sehen vor, dass das JKZ zu den dort
beschriebenen Zwecken benutzt werden darf. Hierbei werden die Räume den verschiedensten
Gruppierungen zur Benutzung freigegeben. Es existiert somit eine Widmung, die das Jugendzentrum
für bestimmte Zwecke der Allgemeinheit zugänglich macht. Dieses wird von der Stadt S in eigener
12
Hufen, VerwProzRt., § 6, Rn.55.
BVerwGE 70, 4 (12); Schmalz, Rn.1081.
14
Hufen, VerwProzRt., § 6, Rn.48.
15
Hufen, VerwProzRt., § 7, Rn.13.
16
Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn.528; von Mutius, Kommunalrecht, Rn. 497/637-639.
13
5
Verantwortung geregelt. Es geschieht also in Ausübung der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 II
GG). Das JKZ ist somit eine öffentliche Einrichtung i.S.d. § 18 I GO SH.
b) „der Gemeinde“
Weiterhin muss es sich bei dem JKZ um eine Einrichtung der Gemeinde, hier also der Stadt S,
handeln. Mangels gegenteiliger Angaben ist davon auszugehen, dass das JKZ im Eigentum der Stadt S
steht. Einrichtungen, die im Eigentum einer Gemeinde stehen, sind als Einrichtungen „der Gemeinde“
i.S.d. § 18 I GO SH anzusehen17. Das JKZ ist also auch eine öffentliche Einrichtung der Stadt S.
c) Einwohnereigenschaft der ÖL
§ 18 I GO SH gewährt den Zugangs- und Nutzungsanspruch für öffentliche Einrichtungen nur den
Enwohnern der Gemeinde. Hierzu zählen nicht nur die innerhalb der Stadtgrenzen der Gemeinde
wohnenden natürlichen Personen. Juristische Personen, Organisationen und Personenvereinigungen,
die ihren Hauptsitz in der Gemeinde haben, sind den Einwohnern gleichgestellt18. Die ÖL ist auf
lokaler Ebene tätig. Es ist also anzunehmen, dass sie ihren Hauptsitz in S hat. Sie ist somit den
Einwohnern von S gleichgestellt.
d) „im Rahmen der bestehenden Vorschriften“
Die geplante Benutzung des JKZ durch die S müsste schließlich im Rahmen der bestehenden
Vorschriften erfolgen, um einen Anspruch aus § 18 I GO SH zu begründen.
Als bestehende Vorschrift, die hier geeignet wäre, einen Anspruch der ÖL auf Zulassung zur Nutzung
des JKZ zu vereiteln, kommt hier § 2 der Benutzungs- und Kostensatzung für das JKZ in Betracht.
Sofern die Voraussetzungen für einen dort normierten Versagungsgrund erfüllt sind, besteht kein
Anspruch der ÖL.
aa) § 2 Benutzungs- und Kostensatzung
(1) Zulassungsberechtigte Gruppe
Zunächst müsste die ÖL zu denen in § 2 der Satzung genannten zulassungsberechtigten Gruppen
gehören. § 2 der Satzung definiert in Gruppe II politische Vereinigungen als zulassungsberechtigt.
Hierunter fällt auch die ÖL als kommunale Wählergemeinschaft.
(2) Zulassungsfähiges Vorhaben
Weiterhin müsste die von der ÖL geplante Veranstaltung ein zulassungsfähiges Vorhaben sein. Hierzu
normiert § 2 der Satzung, dass bei Vorträgen und Diskussionen zu politischen Themen die Nutzung
des JKZ nur bei Ausschluss der Öffentlichkeit zulässig ist. Die ÖL will eine öffentliche Veranstaltung
durchführen. Es kommt also darauf an, ob die Veranstaltung ein politisches Thema hat oder nicht.
Sofern das Thema als politisch einzuordnen ist, wäre die geplante öffentliche Veranstaltung nicht
zulassungsfähig.
Die Veranstaltung der ÖL steht im Zusammenhang mit der nächsten Kommunalwahl. Sie betrifft ein
Thema, das zur Zeit auch in Politik und Gesellschaft intensiv behandelt wird – vgl. z.B. die
Diskussionen um den Verbraucherschutz sowie die Frage der Öffnung der Märkte der EU für
genmanipulierte Produkte aus den USA. Insofern ist das von der ÖL gewählte Thema als politisch
einzustufen. Es sollen hierzu sowohl ein Vortrag als auch eine Diskussion stattfinden.
Bei der von der ÖL geplanten Veranstaltung handelt es sich somit nicht um ein zulassungsfähiges
Thema i.S.d. § 2 der Benutzungs- und Kostensatzung für das JKZ.
Hier konnte der Bearbeiter auch die Ansicht vertreten, dass es sich bei der von der ÖL geplanten Veranstaltung nicht um
eine Veranstaltung zu einem politischen Thema handelt. Dieses musste allerdings gut begründet werden. Insbesondere ist
dieses aus „hausarbeitstaktischen“ Gründen nicht sinnvoll, da sich der Bearbeiter so um die Gelegenheit brachte, die
sich hieran anschließenden Fragen zur Gültigkeit der Satzung zu behandeln.
17
18
von Mutius, Kommunalrecht, Rn.637.
von Mutius, Kommunalrecht, Rn.636.
6
Somit würde sich die von der ÖL geplante Nutzung nicht im Rahmen der bestehenden Vorschriften
abspielen. Ein Anspruch der ÖL auf Zulassung zur Nutzung des JKZ bestünde daher nicht.
bb) Gültigkeit von § 2 Benutzungs- und Kostensatzung
Fraglich ist allerdings ob § 2 Benutzungs- und Kostensatzung gültig ist. Sofern dieses nicht der Fall
wäre, wäre § 2 auch nicht geeignet, als bestehende Vorschrift die Benutzung des JKZ durch die ÖL zu
begrenzen.
(1) Verwerfungskompetenz des Bürgermeisters
Als Vorfrage hierzu ist jedoch zu klären, ob im anhängigen Widerspruchsverfahren der Bürgermeister
als Widerspruchsbehörde die Kompetenz besitzt, § 2 der Benutzungs- und Kostensatzung
gegebenenfalls zu verwerfen und für ungültig zu erklären. Sofern eine solche Kompetenz nicht
besteht, wäre B gehalten, seine Entscheidung im Rahmen der Satzung zu treffen und den
Zulassungsanspruch der ÖL aus § 18 I GO SH zu verneinen. Er könnte dem Widerspruch dann nicht
stattgeben.
Aus Art. 100 I GG ergibt sich, dass allein die Landesverfassungsgerichte und das
Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit haben, Gesetze zu verwerfen. § 47 I Nr. 2 VwGO ordnet in
Schleswig-Holstein i.V.m. § 5 AG VwGO SH an, dass die Oberverwaltungsgerichte zur Überprüfung
der Gültigkeit von unter dem Landesgesetz stehenden Normen zuständig sind. Hieraus lässt sich
schließen, dass allein die Gerichte über die Gültigkeit einer Norm entscheiden dürfen sollen. Nur
ihnen steht eine entsprechende Verwerfungskompetenz zu19. Weiterhin gibt § 43 GO SH dem
Bürgermeister für den Fall, dass ein Beschluss der Gemeindeversammlung das Recht verletzt lediglich
ein Beanstandungsrecht aber keine Verwerfungskompetenz. Es ist somit festzustellen, dass der
Bürgermeister als Widerspruchsbehörde keine Verwerfungskompetenz hinsichtlich einer Satzung
besitzt20. Dieses gilt damit auch für B.
Die korrekte Beantwortung der Frage nach der Verwerfungskompetenz des Bürgermeisters stellt einen wichtigen Punkt
bei der Bearbeitung der Aufgabe dar. Nur wer hier das richtige Ergebnis erzielte, konnte im zweiten Teil sinnvoll den
Unterschied zwischen dem gerichtlichen und dem Widerspruchsverfahren darstellen.
(2) Zwischenergebnis
B kann die Satzung nicht für ungültig erklären. Er ist daher an sie gebunden und muss auf Grund der
darin enthaltenen Vorschriften entscheiden. Da die von der ÖL geplante Veranstaltung somit nicht
zulassungsfähig ist, bewegt sie sich auch nicht im Rahmen der bestehenden Vorschriften. Für die ÖL
besteht daher kein Anspruch auf Zulassung zur Nutzung des JKZ aus § 18 I GO SH.
Der Anspruch aus § 18 I GO SH gehört zum examensrelevanten Stoff des Kommunalrechts. Insofern sollten die
Bearbeiter hier auch insgesamt eine gut strukturierte und lesbare Lösung abliefern.
2. Anspruch aus § 5 I PartG
a) Parteieigenschaft der ÖL
Ein Anspruch der ÖL auf Zulassung zur Nutzung des JKZ aus § 5 I PartG setzt zunächst voraus, dass
es sich bei der ÖL um eine Partei i.S.d. Parteiengesetzes handelt.
Der Begriff der politischen Partei ist in § 2 I PartG legaldefiniert. Dort heisst es: „Parteien sind
Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines
Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im
Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der
tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der
Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für
die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten.“
19
20
Schmalz, Allg. VerwRt., Rn.612.
Hufen, VerwProzRt., § 7, Rn.17.
7
Die ÖL ist eine Bürgervereinigung, die die Absicht hat, auf die politische Meinungsbildung Einfluss
zu nehmen. An der Dauerhaftigkeit dieses Ziels sowie an der Ernsthaftigkeit kann mangels
gegenteiliger Angaben nicht gezweifelt werden.
Allerdings ist die ÖL lediglich eine kommunale Wählergemeinschaft. Sie hat in der Vergangenheit nur
an Kommunalwahlen teilgenommen und plant dieses offenbar auch weiterhin. Eine angestrebte
Teilnahme an Bundestags- oder Landtagswahlen ist nicht ersichtlich. Insofern könnte die ÖL
möglicherweise nicht unter die Definition des § 2 I PartG fallen. Dieses hätte wiederum zur Folge,
dass sich für sie ein Anspruch aus § 5 PartG nicht ableiten ließe. Dieser bezieht sich ausdrücklich nur
auf „Parteien“.
Fraglich ist allerdings, ob § 2 I PartG in dieser Form verfassungsgemäß ist. Insbesondere das
Erfordernis des Beteiligungswillens bzgl. Landtags- und Bundestagswahlen könnte eine
verfassungswidrige Differenzierung hinsichtlich der Definition politischer Parteien sein. Wäre dies der
Fall, so würde der nicht vorhandene Beteiligungswille der ÖL an Landtags- und Bundestagswahlen
nicht schaden, so dass die ÖL als Partei anzusehen wäre. In diesem Fall erschiene ein Anspruch auf
Nutzung des JKZ aus § 5 I PartG weiterhin möglich.
aa) Verfassungsmäßigkeit von § 2 I PartG
Eine Verfassungswidrigkeit von § 2 I PartG wegen des hierin enthaltenen Erfordernisses des
Beteiligungswillens bzgl. Landtags- oder Bundestagswahlen könnte sich aus einem Verstoß gegen Art.
21 I GG ergeben. Dieser verlangt von einer Partei lediglich die Mitwirkung an der politischen
Willensbildung des Volkes und eine den demokratischen Grundsätzen entsprechende innere Ordnung.
Eine Unterscheidung zwischen solchen Vereinigungen, die an Bundestags- bzw. Landtagswahlen
teilnehmen wollen und solchen, die lediglich auf kommunaler Ebene tätig sind, wird dort nicht
getroffen.
Allerdings könnte es sich bei der Definition in § 2 I PartG auch um eine verfassungskonforme
Ausformung des Inhalts von Art. 21 I GG handeln.
Die „großen“ Parteien, die an Bundestags- oder Landtagswahlen teilnehmen, haben im Verlaufe der
Geschichte der Bundesrepublik auch auf kommunaler Ebene immer stärker Fuß gefasst. Ihnen kommt
mittlerweile auch bei der Kommunalpolitik eine Führungsrolle zu21. Insofern lässt sich feststellen, dass
das politische Leben in der Bundesrepublick mittlerweile fast ausschließlich von Parteien bestimmt
wird, die auf allen Ebenen der politischen Willensbildung aktiv sind. Dieses spricht dafür, kommunale
Wählergemeinschaften aus der Definition in § 2 I PartG herauszunehmen, da ihnen die entsprechende
Wichtigkeit fehlt.
Weiterhin wird von den Vertretern dieser Ansicht vorgebracht, dass auf Ebene der Kommunen keine
eigentlich politischen Entscheidungen fallen22. Diese spielten sich erst auf Ebene der Landtage ab.
Insofern seien die kommunalen Wählergemeinschaften an der politischen Willensbildung des Volkes
nicht beteiligt und daher keine Parteien i.S.d. Art. 21 I GG.
Schließlich lässt sich argumentieren, dass die Gemeindevertretungen keine gesetzgebenden
Körperschaften im Sinne eines „echten“ Parlaments sind. Sie können also die politische Entwicklung
nicht in dem Maße beeinflussen, wie dies durch Landtage und den Bundestag geschieht. Auch dies
spricht für ein Ausnehmen der kommunalen Wählergemeinschaften aus dem Parteienbegriff.
Diese Argumente sprechen dafür, in § 2 I PartG lediglich eine verfassungskonforme Ausformung von
Art. 21 GG zu sehen23.
Gegen diese Ansicht spricht allerdings, dass im Zuge der weitergehenden Dezentralisierung die
Erfüllung von immer mehr Aufgaben auf die Kommunen übertragen wird. Diese sind dann z.B. durch
Erlass von Satzungen dazu gezwungen, dieser neuen Aufgabenflut Herr zu werden. Insbesondere bei
großen Städten wird somit auch die Kommunalwahl immer stärker zu einer politischen Wahl24. Die
Zusammensetzung der Gemeindevertretung kann in großen Gemeinden starke Auswirkungen auf das
21
BVerfGE 6, 367 (373).
BVerfGE 2,1 (76).
23
Degenhart, Staatsrecht I, Rn.77.
24
Preuß in: AK-GG, Bd.1, Art.21, Rn.27.
22
8
dortige Leben haben. Die alte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die kommunale
Wählergemeinschaften aus der Definition der Parteien herausnahm und somit § 2 I PartG legitimierte,
ist fast 50 Jahre später nicht mehr haltbar25. Insbesondere ist nicht verständlich, warum das
Bundesverfassungsgericht bereits im 6. Band die politische Bedeutung der Kommunalwahl
anerkannte, den kommunalen Wählergemeinschaften allerdings den Schutz des Art. 21 I GG weiter
versagte26. Der Hinweis, dass auch dieser Bereich des politischen Lebens mittlerweile weitgehend von
den „großen“ politischen Parteien besetzt sei, lässt nicht zwingend darauf schließen, dass nur diese den
Schutz des Art. 21 I GG genießen sollten. Wenn eine Wahl insgesamt politische Bedeutung hat, so
sind auch alle zur Wahl stehenden Gruppierungen darauf ausgelegt, die politische Willensbildung zu
beeinflussen, vor allem dann, wenn auch Gruppierungen wie kommunale Wählergemeinschaften
Chancen haben, in die jeweiligen Gemeindeversammlungen einzuziehen, wie dieses durchaus häufig
vorkommt. Wählergemeinschaften können dem Bürger darüber hinaus auch als Alternative zu den
großen etablierten Parteien gelten. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist in dieser
Hinsicht heute wohl als veraltet anzusehen27.
Weiterhin erscheint eine Unterscheidung zwischen politischen Entscheidungen und nicht-politischen
Entscheidungen, die in gewählten Versammlungen fallen kaum rational machbar28. Die Grenze
zwischen politischer Entscheidung und nicht-politischer Entscheidung an der Ebene, auf der sie fällt,
festzumachen, erscheint insofern willkürlich.
Schließlich spricht für eine solche Lösung auch, dass Entscheidungsprozesse sich auch innerhalb
überregionaler Parteien „von unten nach oben“ vollziehen und der politische Einfluss sich zuerst auf
kommunaler Ebene und dann weiter entwickelt29.
Insofern sprechen die besseren Argumente dafür, die Beschränkung des Parteienbegriffs auf solche
Gruppierungen, die an Landtags- oder Bundestagswahlen teilnehmen, und der damit einhergehende a
priori Ausschluss kommunaler Wählergemeinschaften als nicht mit Art. 21 I GG vereinbar
anzusehen30.
Gemäß dem Grundsatz, dass (verfassungskonforme) Auslegung vor Aufhebung zu ergehen hat31, ist §
2 I PartG damit allerdings nicht als nichtig anzusehen. Vielmehr ist er verfassungskonform
auszulegen. Dieses muss in der Weise erfolgen, dass das Merkmal der Teilnahme an Wahlen nicht
mehr als auf Bundestags- oder Landtagswahlen beschränkt anzusehen ist32.
bb) Zwischenergebnis
Insofern erfüllt die ÖL somit alle Erfordernisse der Definition einer Partei. Sie ist somit als politische
Partei i.S.d. § 5 I PartG anzusehen.
Hier war auch die Ansicht vertretbar, kommunale Wählergemeinschaften aus dem Parteienbegriff herauszunehmen. In
diesem Fall wäre die Prüfung eines Anspruchs aus § 5 PartG an dieser Stelle abzubrechen. Ein Hilfsgutachten musste in
diesem Fall folgen. Allerdings musste eine solche Annahme mit guten Argumenten begründet werden. Der bloße Hinweis
auf die Rechtsprechung des BVerfG konnte dazu nicht ausreichen. Insbesondere eine gründliche Auseinandersetzung mit
den Argumenten der Gegenseite war gefordert. Dieses gilt natürlich aber auch insgesamt.
Die Punkte sollten hier also vor allem für die Auseinandersetzung mit dem Problem vergeben werden.
b) Ungleichbehandlung
§ 5 I PartG legt den Trägern öffentlicher Gewalt die Verpflichtung auf, alle Parteien bei der ZurVerfügung-Stellung von Einrichtungen gleich zu behandeln. Sollte also im Ausschluss der ÖL von der
25
Streinz in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.2, Art.21, Rn.59.
BVerfGE 6, 367 (372/373).
27
Streinz in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.2, Art.21, Rn.59.
28
Kunig in: von Münch, GG, Bd.2, Art.21, Rn.20.
29
Kunig in: von Münch, GG, Bd.2, Art.21, Rn.20.
30
So wohl die jetzt h. M.: Preuß in: AK-GG, Bd.1, Art.21, Rn.27; Streinz in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG,
Bd.2, Art.21, Rn.59; Kunig in: von Münch, GG, Bd.2, Art.21, Rn.20; Morlok in: Dreier, GG, Bd.2, Art.21,
Rn.36; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, Art.21, Rn.7; Ipsen in: Sachs, GG, Art.21, Rn.19.
31
Degenhart, Staatsrecht I, Rn.633.
32
Kunig in: von Münch, GG, Bd.2, Art.21. Rn.20.
26
9
Benutzung des JKZ eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung liegen, so wäre ein Anspruch auf
Nutzung des JKZ für sie gegeben.
Allerdings gewährt § 2 der Satzung allen politischen Vereinigungen Zugang zum JKZ lediglich für
nicht-öffentliche Veranstaltungen. Das Verbot, das JKZ für öffentliche Veranstaltungen zu nutzen,
trifft also sowohl „echte“ Parteien als auch kommunale Wählergemeinschaften. Es liegt somit keine
Ungleichbehandlung vor.
c) Zwischenergebnis
Ein Anspruch der ÖL auf Zulassung zur Nutzung des JKZ aus § 5 I PartG ist somit nicht gegeben.
3. Anspruch aus Art. 3 I GG i.V.m. dem Demokratieprinzip (Art. 21 I GG, Art. 28 I 2 GG, Art.
38 I 1 GG)
Auch aus Art. 3 I GG i.V.m. dem Demokratieprinzip könnte sich ein Anspruch der ÖL auf Zulassung
zur Nutzung des JKZ ergeben. Dieser wäre dann vorhanden, wenn die Nicht-Zulassung der ÖL eine
ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem wäre.
a) Wesentlich Gleiches
Zunächst sind die Gruppen festzulegen, die man im Hinblick auf eine mögliche Ungleichbehandlung
zu untersuchen hat. Hier kommen politische Parteien einerseits und kommunale
Wählergemeinschaften andererseits in Betracht. Fraglich ist, ob diese wesentlich gleich sind.
Wie oben festgestellt werden kommunale Wählergemeinschaften und Parteien nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf den Schutz durch Art. 21 I GG nicht
gleichgestellt. Hiernach wären sie also keine wesentlich gleichen Gruppierungen. Allerdings macht
diese Rechtsprechung im Hinblick auf die Chancengleichheit der kommunalen Wählervereinigungen
im Vorfeld von Kommunalwahlen eine Ausnahme vom Grundsatz der Nicht-Gleichbehandlung. Im
Vorfeld von Kommunalwahlen und bei deren Durchführung wird kommunalen Wählergemeinschaften
die Chancengleichheit ebenfalls zugestanden33. Insofern kommt es hier auf den Streit, ob kommunale
Wählergemeinschaften Parteien i.S.d. PartG sind, nicht an.
Die Chancengleichheit ergibt sich aus Art. 3 I GG i.V.m. Art. 21 I, 28 I 2 GG und Art. 38 I 1 GG34.
Sie ist Ausdruck der Bedeutung, die der Freiheit der Gründung von Parteien und dem
Mehrparteienprinzip für die freiheitliche Demokratie zukommt35. Sie ist notwendige Folge der
Gründungsfreiheit und Bedingung der Parteienfreiheit insgesamt und daher auch unmittelbar mit dem
Demokratieprinzip verbunden bzw. Voraussetzung für dessen Verwirklichung36.
Wegen der Besonderheit der Kommunalwahl gilt das Prinzip der Chancengleichheit bei diesen auch
für kommunale Wählergemeinschaften, die nur an solchen teilnehmen37. Sie gilt auch hier nicht nur
für den eigentlichen Wahlvorgang, sondern auch für das Vorfeld der Wahl38.
Kommunale Wählergemeinschaften und Parteien sind im Hinblick auf Kommunalwahlen also
wesentlich gleich. Beide genießen den Schutz des aus Art. 3 I GG i.V.m. Art. 21 I GG, Art. 28 I 2 GG,
Art. 38 I 1 GG abzuleitenden Prinzips der Chancengleichheit.
Im vorliegenden Fall plant die ÖL die Teilnahme an der nächsten Kommunalwahl. Die von ihr
geplante Veranstaltung, zu der sie das JKZ nutzen will, steht hiermit im Zusammenhang. Sie genießt
also den Schutz des Prinzips der Chancengleichheit. Insofern ist sie als wesentlich gleich gegenüber
Parteien anzusehen.
b) Ungleichbehandlung
Weiterhin müsste eine Ungleichbehandlung vorliegen. Die Chancengleichheit bezieht sich auch auf
die Zur-Verfügung-Stellung öffentlicher Einrichtungen39. Wie bereits festgestellt werden Parteien und
33
BVerfG NVwZ 1999, 400.
BVerfGE 6, 273 (280); Gubelt in: von Münch, GG, Bd.1, Art.3, Rn.62.
35
Kunig in: von Münch, GG, Bd.2, Art.21, Rn.34.
36
BVerfG NVwZ 1999, 400; Kunig in: von Münch, GG, Bd.2, Art.21, Rn.34.
37
BVerfG NJW 1989, 285; BVerfG NVwZ 1999, 400; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, Art.21, Rn.7; Streinz in:
von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.2, Art.21, Rn.59; Kunig in: von Münch, GG, Bd.2, Art.21, Rn.20.
38
BVerfG NJW 1989, 285; BVerfG NVwZ 1999, 400.
39
Kunig in: von Münch, GG, Bd.2, Art.21, Rn.35.
34
10
kommunale Wählervereinigungen durch die Satzung für das JKZ allerdings nicht ungleich behandelt.
Beide haben gleich Zugangsrechte und dürfen politische Veranstaltungen nur nicht-öffentlich
abhalten.
Eine Ungleichbehandlung liegt somit nicht vor. Ein Anspruch aus Art. 3 I GG i.V.m. dem
Demokratieprinzip ist daher nicht gegeben.
Hier erscheint es etwas gekünstelt, erst eine relativ ausführliche Prüfung der Geltung des Prinzips der
Chancengleichheit, dessen Herleitung und dessen Bedeutung für das Demokratieprinzip vorzunehmen, um dann bei der
Prüfung der Ungleichbehandlung schnell zu dem gleichen Ergebnis wie bei der Prüfung eines Anspruchs aus § 5 I PartG
zu kommen. Insofern sollte es dem Bearbeiter nicht zu Nachteil gereichen, wenn er die Geltung des Prinzips der
Chancengleichheit und seinen Inhalt lediglich kurz dargestellt hat, um dann im Ergebnis nach oben zu verweisen. Daher
ist für diesen Teil der Bearbeitung auch lediglich 1 Punkt vorgesehen. Sofern die Prüfung einer möglichen
Ungleichbehandlung in der Arbeit allerdings noch nicht vorgenommen wurde, sollte auch die Prüfung des Prinzips der
Chancengleichheit entsprechend ausführlich ausfallen.
4. Anspruch aus Art. 8 I GG
Ein Anspruch der ÖL auf Zulassung zur Nutzung des JKZ könnte sich weiterhin aus Art. 8 I GG
ergeben. Der Schutzbereich erfasst in persönlicher Hinsicht nicht nur natürliche Personen, sondern
auch juristische Personen (i.V.m. Art. 19 III GG). Hierzu gehören auch nicht rechtsfähige
Personenvereinigungen wie z.B. politische Parteien unabhängig von ihrer Rechtsform, also auch
kommunale Wählergemeinschaften40. Auch die ÖL kann also grundsätzlich den Schutz des Art. 8 I
GG für sich in Anspruch nehmen.
Fraglich ist, ob Art. 8 I GG in sachlicher Hinsicht nicht nur vor Eingriffen in die
Versammlungsfreiheit schützt, sondern auch einen Anspruch auf Nutzung bestimmter Räumlichkeiten
für die Versammlung gewährt.
Art. 8 I GG garantiert die Versammlungsfreiheit. Diese stellt für die freiheitlich-demokratische
Grundordnung der Bundesrepublik ein hohes Gut dar. Sie ermöglicht die öffentliche Einflussnahme
auf die politische Willensbildung und ist daher als ein „Stück (...) unmittelbarer Demokratie“
anzusehen41. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sind somit in vielen Fällen auch mit
Erschwerungen im demokratischen Meinungsbildungsprozess verbunden. Insofern darf Art. 8 I GG als
klassisches Abwehrrecht verstanden werden.
Eine darüber hinaus gehende Interpretation, die sogar darauf abzielt, durch Art. 8 I GG einen
Anspruch auf Nutzung bestimmter Räumlichkeiten für Veranstaltungen zu erhalten, stellt allerdings
eine Überdehnung dieses Rechts dar.
Insofern entsteht aus Art. 8 I GG in sachlicher Hinsicht kein Anspruch der ÖL auf Zulassung zur
Nutzung des JKZ in S.
5. Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung / Anspruch auf Sondernutzung
a) Anspruchsgrundlage
Grundsätzlich steht die Benutzung öffentlicher Einrichtungen der Gemeinden den Einwohnern nur
innerhalb des festgelegten Widmungszwecks („der bestehenden Vorschriften“) zu. Aus diesem
Grunde ist ein Anspruch der ÖL auf Zulassung zur Nutzung des JKZ aus § 18 I GO SH abzulehnen.
Besteht der Wunsch nach einer Nutzung einer öffentlichen Einrichtung, die über den Widmungszweck
hinausgeht, so kann die Gemeinde diesem Wunsch entsprechen, sie muss es aber nicht. Es besteht in
diesem Fall nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung42.
Sofern die Entscheidung der S, die Nutzung des JKZ durch die ÖL nicht zuzulassen,
ermessensfehlerhaft war, bestünde daher ein Anspruch der ÖL auf Zulassung. Dies entspräche einer
Sondernutzung des JKZ durch die ÖL.
Fraglich ist in einer solchen Konstellation aber, ob eine Sondernutzung in dieser Weise nicht einem
Privileg gleichkommt, auf dessen Einräumung kein Anspruch bestehen kann. Einzige Ausnahme nach
der diesen Ansatz bejahenden Meinung wäre, wenn die Sondernutzung durch Art. 3 I GG geboten
40
Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, Art.8, Rn.9; Kunig in: von Münch, GG, Bd.1, Art.8, Rn.10.
BVerfGE 69, 315 (344); Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, Art.8, Rn.1.
42
Schmidt-Aßmann in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, Kommunalrecht, Rn.108.
41
11
wäre. Da hier ein solcher Anspruch aus Art. 3 I GG bereits abgelehnt worden ist, könnte für die ÖL
hier auch kein Anspruch auf Sondernutzung bestehen.
Die Gegenansicht hingegen fragt, ob die Sondernutzung noch am individualrechtlich ausgerichteten
Leistungszweck der Einrichtung selbst teilhat. Hier entspricht die geplante Nutzung des JKZ noch
zumindest ansatzweise noch dem in der Benutzungs- und Kostensatzung festgelegten Zweck, wonach
das JKZ auch der Erziehung zu demokratischem Verhalten dienen soll.
Unter der Berücksichtigung, dass § 18 I GO SH grundsätzlich einen Anspruch für alle Einwohner auf
Nutzung der öffentlichen Einrichtungen einer Gemeinde hat, und dass es der Verwaltung
grundsätzlich möglich ist, auch wenn eine geplante Veranstaltung nicht den Vorgaben entspricht,
Ermessen auszuüben, erscheint die zweite Ansicht vorzugswürdig. Ein Anspruch der ÖL auf
ermessensfehlerfreie Entscheidung bzw. Sondernutzung besteht also, wenn dessen Voraussetzungen
erfüllt sind.
Dieses schwierige und kaum bekannte Problem der theoretischen Anspruchsbegründung konnte von den Bearbeitern kurz
bearbeitet werden. Eine andere Ansicht war vertretbar. Allerdings hätte dann hilfsgutachterlich weitergeprüft werden
müssen. Wichtig war vielmehr eine gute Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen.
b) Anspruchsvoraussetzungen
aa) Widmungszweck
Für eine Sondernutzung ist zunächst Voraussetzung, dass die geplante Nutzung nicht völlig außerhalb
des Widmungszwecks liegt. Hier bestimmt § 1 der Benutzungs- und Kostensatzung für das JKZ, dass
dieses auch der Erziehung zu demokratischem Verhalten dienen soll.
Die von der ÖL geplante Veranstaltung soll im Vorfeld der Kommunalwahl den Bürgern die
Gelegenheit bieten, sich über ein wichtiges gesundheitspolitisches Thema zu informieren und im
Anschluss hieran Meinungen auszutauschen. Das Verarbeiten von Informationen im mündlichen
Diskurs ist eines der Grundprinzipien einer demokratischen Gesellschaft. Insofern dient die
Veranstaltung der ÖL der Erziehung zu demokratischem Verhalten.
bb) Einschränkungen
Die wichtigste Grenze auch des Sondernutzungsrechts ist die Kapazität. Die Gemeinde ist nicht
verpflichtet, bei Engpässen neue Einrichtungen zu schaffen. Solche Engpässe gehen zu Lasten des
Anspruchsstellers. Gleiches gilt für den Fall, dass eine Zur-Verfügung-Stellung der Einrichtung für die
Gemeinde finanziell nicht tragbar ist43.
Kapazitätsengpässe bzw. finanzielle Schwierigkeiten sind hier nicht erkennbar. Somit sind keine
Einschränkungen ersichtlich, die gegen eine Sondernutzung des JKZ durch die ÖL sprechen.
c) Rechtsfolge
Es ist somit zu prüfen, ob die Entscheidung der S, die ÖL nicht zur Nutzung des JKZ zuzulassen,
ermessensfehlerhaft oder unzweckmäßig war.
aa) Ermessensfehler
Weder ein Ermessensfehlgebrauch, noch ein Ermessensnichtgebrauch sind ersichtlich. Es wurden in
der Ablehnung durch S offenkundig keine sachfremden Erwägungen angestellt. Weiterhin wurde
ausdrücklich auf den Willen des Satzungsgebers, keine Veranstaltungen des politischen
Meinungskampfes zuzulassen, hingewiesen.
Fraglich ist allerdings, ob die Ablehnung aufgrund einer Ermessensüberschreitung erging, also
insbesondere unverhältnismäßig war.
Als Zweck der Ablehnung ist hier das Heraushalten des JKZ aus dem politischen Meinungsstreit
angegeben. Insbesondere bei einem Jugendzentrum erscheint dieser Zweck als legitim. Die Maßnahme
ist geeignet und mangels gleich geeigneter milderer Maßnahmen auch erforderlich.
Jugendliche sollen durch die Ablehnung der Nutzung des JKZ für öffentliche politische
Veranstaltungen vor zu früher politischer Indoktrination geschützt werden. Weiterhin wird so
vermieden, dass sich politische Meinungsverschiedenheiten auch in der alltäglichen Benutzung des
JKZ durch die Jugendlichen niederschlagen und dadurch dort Unfrieden entsteht. Schließlich ist davon
43
Schmidt-Aßmann in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, Kommunalrecht, Rn.108.
12
auszugehen, dass es in einer Stadt auch andere Möglichkeiten vergleichbarer Größe gibt, in denen sich
eine wie von der ÖL geplante Veranstaltung durchführen lässt, z.B. Gaststätten oder Vereinsheime.
Die Nicht-Genehmigung ist daher auch angemessen und somit nicht ermessensfehlerhaft.
bb) Unzweckmäßigkeit
Auch Gründe, die gegen die Zweckmäßigkeit der Nicht-Genehmigung sprechen, sind nicht erkennbar.
Die Maßnahme ist daher auch nicht unzweckmäßig.
d) Zwischenergebnis
Die Entscheidung der S, die ÖL nicht wie von dieser geplant zur Nutzung des JKZ zuzulassen,
unterliegt keinen Ermessensfehlern. Somit besteht für die ÖL auch kein Anspruch auf
ermessensfehlerfreie Entscheidung bzw. Sondernutzung.
II.
Zwischenergebnis
Weitere Anspruchsgrundlagen für einen Anspruch der ÖL auf Nutzung des JKZ sind nicht ersichtlich.
Sie hat daher keinen solchen Anspruch. Der Widerspruch ist unbegründet.
C. Ergebnis zu Teil 1
Der Widerspruch der ÖL ist zulässig aber nicht begründet. Er wird daher keinen Erfolg haben.
Teil 2: Entscheidung des Gerichts (einstweiliger Rechtsschutz)
Für das Begehren der ÖL, in kurzer Zeit gerichtlich zu erreichen, dass ihr die Nutzung des JKZ doch
noch genehmigt wird, kann nur im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erfolgen. Dieses Verfahren
hat Erfolg, wenn der verwaltungsgerichtliche Rechtsweg eröffnet ist. Weiterhin muss der Antrag der
ÖL zulässig und begründet sein.
A. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
Mangels auf- oder abdrängender Sonderzuweisungen richtet sich die Eröffnung des
Verwaltungsrechtswegs nach § 40 I VwGO. Hinsichtlich der Erfüllung der dort normierten
Voraussetzungen ergeben sich keine Unterschiede zu den Ausführungen zu Teil 1. Der
verwaltungsgerichtliche Rechtsweg ist daher eröffnet.
B. Zulässigkeit
Der für die Zulässigkeit hier zu vergebende Punkt soll dann vergeben werden, wenn die Zulässigkeit insgesamt gut und
vollständig geprüft wurde. Einen speziellen Schwerpunkt gibt es hier nicht. Sofern allerdings ein wichtiger Aspekt der
Zulässigkeit fehlt, sollte für diese auch kein Punkt vergeben werden.
I.
Beteiligten- und Prozessfähigkeit
Die Beteiligtenfähigkeit der ÖL richtet sich nach § 61 Nr. 2 VwGO. Sie ist eine Personenvereinigung,
der ein Recht, z.B. das auf Zulassung zur Nutzung des JKZ aus § 18 I GO SH zustehen kann. Im
Prozess muss sie gem. § 62 III VwGO von ihrem Vorsitzenden V vertreten werden.
Die Stadt S ist als juristische Person des öffentlichen Rechts beteiligtenfähig gem. § 61 Nr. 1 VwGO.
Sie wird im Prozess gem. § 62 III VwGO i.V.m. § 64 GO SH durch den Bürgermeister B vertreten.
Da es sich hier um ein gerichtliches Verfahren handelt, sind die Normen der VwGO und nicht die des LVwG SH
anzuwenden. Auch dieses sollte von den Teilnehmern erkannt werden.
II.
Zulässige Antragsart
Die VwGO kennt zwei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, das nach § 80 V VwGO und das
nach § 123 VwGO.
13
Ein Verfahren nach § 80 V VwGO ist statthaft, wenn in der Hauptsache die Anfechtungsklage
statthafte Klageart ist. Das Verfahren nach § 123 VwGO ist bei allen anderen Klagearten in der
Hauptsache statthaft44.
Die von der ÖL begehrte Zulassung zur Nutzung des JKZ stellt einen Verwaltungsakt dar. Um diesen
zu erlangen müsste die ÖL im Hauptsacheverfahren eine Verpflichtungsklage gem. § 42 I 2. Var.
VwGO erheben. Im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz ist daher ein Antrag nach § 123 VwGO
zulässig. Eine Unstatthaftigkeit tritt daher auch nicht nach § 123 V VwGO ein.
III.
Zuständiges Gericht
Nach § 123 II VwGO ist für das Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz das Gericht der Hauptsache
zuständig. Dies ist im vorliegenden Fall das VG Schleswig.
IV.
Antragsbefugnis
Ist in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage zu erheben, so muss der Antragssteller analog § 42 II
VwGO antragsbefugt sein45. Er muss also geltend machen können, dass ihm ein Recht zukommen
könnte und die Regelungsanordnung erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden46.
Die ÖL hat offenbar bereits die Vortragenden eingeladen. Weiterhin erscheint wegen der Kürze der
Zeit auch die Möglichkeit der ÖL kurzfristig auf einen anderen Veranstaltungsort auszuweichen, nicht
wahrscheinlich. Zwischen Zugang des ablehnenden Bescheids und dem Termin der geplanten
Veranstaltung liegen gerade einmal 3 Tage.
Es erscheint darüber hinaus nicht vollständig unmöglich, dass die ÖL gerichtlich doch Erfolg haben
könnte. Insofern könnte der ÖL ein Recht zukommen. Sofern die einstweilige Anordnung nicht
erginge, könnte die ÖL ihre Veranstaltung nicht mehr durchführen, was u.U. Auswirkungen auf die
Wahrnehmung der Wählervereinigung durch die Bürger im Wahlkampf haben könnte. Es besteht
somit auch ein Bedürfnis zur Regelungsanordnung, um wesentliche Nachteile abzuwenden.
Die ÖL ist daher antragsbefugt.
Andere Ansicht (dann folgendes Hilfsgutachten) vertretbar.
V.
Ordnungsgemäßer Antrag
Von der Stellung eines ordnungsgemäßen Antrags der ÖL ist auszugehen.
VI.
Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
Schließlich muss für die ÖL ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis bestehen. Dieses fehlt, wenn der
Antragssteller den begehrten Verwaltungsakt nicht vor Antragsstellung bei der Behörde beantragt hat.
Weiterhin muss die Sache eilbedürftig sein47.
Die ÖL hat die Zulassung im Voraus bei der Stadt S beantragt. Die Sache ist wegen der Kürze der Zeit
bis zur geplanten Veranstaltung auch eilbedürftig. Ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis der ÖL liegt
daher vor.
VII.
Antragsgegner
Gem. § 78 I Nr. 1 VwGO wäre im Hauptsacheverfahren die Klage gegen die Stadt S, deren Behörde
den begehrten Verwaltungsakt nicht erlassen hat, zu richten. Dieses gilt auch für das Verfahren auf
einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO.
Hier durfte die Klage nicht gegen die Behörde selbst gerichtet werden. Zwar ermöglicht § 78 I Nr. 2 VwGO dieses für die
Behörden, bei denen das Landesrecht dieses bestimmt. § 6 AG VwVO SH beschränkt den Kreis dieser Behörden
allerdings auf Landesbehörden. Bei der hier handelnden Behörde der Stadt S handelt es sich um eine kommulane
Ordnungsbehörde, so dass § 6 AG VwGO SH nicht zur Anwendung kommen kann.
44
Schenke, VerwProzRt., Rn.936; Schmalz, Allg. VerwRt., Rn.1107.
Schmalz, Allg. VerwRt., Rn.1154.
46
Schenke, VerwProzRt., Rn.1031.
47
Schmalz, Allg. VerwRt., Rn.1154.
45
14
VIII. Zwischenergebnis
Alle Zulässigkeitsvoraussetzungen sind erfüllt. Der Antrag der ÖL auf einstweiligen Rechtsschutz
nach § 123 VwGO ist zulässig.
C. Begründetheit
Ein Verfahren nach § 123 I kann in zweierlei Hinsicht erfolgen, Sicherungsanordnung (§ 123 I 1
VwGO) und Regelungsanordnung (§ 123 I 2 VwGO)48.
Hier will die ÖL nicht die Festschreibung eines status quo erlangen. Hierfür wäre eine
Sicherungsanordnung tauglich49. Sie will vielmehr eine vorläufige Einräumung einer Rechtsposition,
die Anordnung der Zulassung zur Benutzung des JKZ. Hierfür kommt die Regelungsanordnung nach §
123 I 2 VwGO in Betracht.
Diese setzt die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs sowie eines Anordnungsgrundes
voraus.
I.
Anordnungsanspruch / Glaubhaftmachung
Nach § 123 I 2 VwGO muss zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis streitig sein. Aus dem sich
hieraus ergebenden Recht kann sich der Anordnungsanspruch ergeben50. Dieser liegt vor, wenn in der
Hauptsache überwiegende Erfolgsaussichten bestehen.
1. Zulassungsanspruch aus § 18 I, III GO SH (Recht der ÖL)
a) Überprüfungskompetenz des VG bzgl der Rechtswirksamkeit der Benutzungs- und Kostensatzung
für das JKZ (1 Punkt)
In Teil 1 war ein Anspruch der ÖL aus § 18 I GO SH aus dem Grunde abgelehnt worden, dass die von
der ÖL angestrebte Nutzung nicht im Einklang mit § 2 der Benutzungs- und Kostensatzung für das
JKZ stand und damit nicht im Rahmen der bestehenden Vorschriften erfolgen sollte. Eine
Überprüfungskompetenz des Bürgermeisters hinsichtlich der Gültigkeit der Satzung war verneint
worden, so dass auch eine eventuell bestehende Rechtswidrigkeit der Satzung an der Entscheidung im
Widerspruchsverfahren nichts geändert hätte. Sofern die Satzung weiterhin Gültigkeit besitzt kann
sich auch im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz kein Anordnungsanspruch aus § 18 I GO SH
ergeben.
Im Gegensatz zum Bürgermeister könnte das Verwaltungsgericht allerdings die Kompetenz zur
Überprüfung der Rechtswirksamkeit des § 2 der Benutzungs- und Kostensatzung haben. Sofern dies
der Fall ist, könnte eine mögliche Rechtswidrigkeit der Satzung zu deren Verwerfung führen. In
diesem Fall könnte ein Anspruch aus § 18 I GO SH für die ÖL gegeben sein.
Grundsätzlich liegt die Kompetenz für die abstrakte Überprüfung von Normen, die im Rang unter den
Landesgesetzen stehen, bei den Oberverwaltungsgerichten (§ 47 VwGO). Allerdings steht zur
Überprüfung der Rechtswirksamkeit einer solchen Norm auch die sogenannte Inzidenter-Überprüfung
zur Verfügung. Bei dieser wird in erster Linie die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts überprüft.
Im Rahmen dieser Prüfung wird dann die Rechtsmäßigkeit und Rechtswirksamkeit seiner Grundlage
mit überprüft. Dieses kann auch eine Satzung sein51.
Es besteht für das VG also eine Kompetenz zur Überprüfung der Rechtswirksamkeit des § 2
Benutzungs- und Kostensatzung für das JKZ.
Bei diesem Prüfungspunkt kam es darauf an, dass die Bearbeiter den Unterschied zwischen der nicht gegebenen
Verwerfungskompetenz des Bürgermeisters und des Verwaltungsgerichts erkannten. Ein bloßes Verweisen auf die in Teil
1 erzielten Ergebnisse war daher falsch.
48
Schenke, VerwProzRt., Rn.1025; Schmalz, Allg. VerwRt., Rn.1156.
Schmalz, Allg. VerwRt., Rn.1156.
50
Schmalz, Allg. VerwRt., Rn.1162.
51
Maurer, Allg. VerwRt., § 4, Rn.45; Schmalz, Allg. VerwRt., Rn.611.
49
15
b) Rechtmäßigkeit der Satzung
Sollte § 2 Benutzungs- und Kostensatzung nicht rechtmäßig sein, so könnte sich eine Verwerfung
dieser Norm anschließen. In diesem Falle wäre ein Anspruch der ÖL auf Zulassung zur Nutzung des
JKZ aus § 18 I GO SH möglich.
Fraglich ist daher, ob § 2 Benutzungs- und Kostensatzung rechtmäßig ist.
aa) Formelle Rechtmäßigkeit
Von der formellen Rechtmäßigkeit der Satzung ist nach der entsprechenden Information des
Sachverhalts auszugehen.
bb) Materielle Rechtmäßigkeit
Die materielle Rechtmäßigkeit der Satzung setzt voraus, dass diese auf Grund einer
Ermächtigungsgrundlage erlassen wurde, dass deren Voraussetzungen erfüllt sind und die Satzung
nicht gegen höherrangiges Recht verstößt.
(1) Ermächtigungsgrundlage
In Art. 28 II GG wird den Gemeinden das Recht garantiert, ihre Angelegenheiten in eigener
Verantwortung zu regeln. In Art. 46 I LVerf SH wird dieses ausdrücklich bestätigt.
Für kommunale Satzungen reicht eine solche Generalermächtigung zur Regelung aller eigenen
Angelegenheiten als Ermächtigung zum Erlass von Satzungen aus52.
Für S bestand somit mit Art. 28 II GG i.V.m. Art. 46 I LVerf SH eine taugliche
Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Benutzungs- und Kostensatzung für das JKZ.
(2) Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen
Als einzige Tatbestandsvoraussetzung zum Erlass einer Satzung ergibt sich aus Art. 28 II GG i.V.m.
Art. 46 I LVerf SH, dass es sich um eine Maßnahme im Rahmen der eigenen Angelegenheiten der
örtlichen Gemeinschaft der Gemeinde handeln muss. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft
sind solche, die Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft ihre Wurzeln haben
oder auf sie einen spezifischen bezug haben, also gerade die Gemeindeeinwohner als solche
betreffen53.
Das JKZ stellt eine öffentliche Einrichtung der Stadt S dar. Die Regelung seiner Benutzung und die
damit verbundenen Kosten beziehen sich somit auf eine Angelegenheit, die lediglich Auswirkungen
auf das Leben in S hat. Es ist also eine Angelegenheit der S i.S.d. Art. 28 II GG i.V.m. Art. 46 I LVerf
SH. Die Tatbestandsvoraussetzungen sind daher erfüllt.
(3) Verstoß gegen höherrangiges Recht
Schließlich darf eine Satzung nicht gegen höherrangiges Recht vestoßen. Hierzu gehören sowohl
Normen des GG also auch formelle Gesetze54.
(a) Verstoß gegen Art. 3 I GG
Zunächst könnte § 2 Benutzungs- und Kostensatzung gegen Art. 3 I GG verstoßen. Dieses setzt
zunächst eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem voraus.
Hier könnte zunächst eine Ungleichbehandlung der Angehörigen der Gruppe I im Vergleich mit den
Angehörigen der Gruppe II vorliegen. Angehörige der Gruppe I unterliegen nicht der Bestimmung, bei
politischen Veranstaltungen die Öffentlichkeit auszuschließen. Allerdings besteht zwischen den in
Gruppe I genannten Vereinigungen und denen in Gruppe II ein großer Unterschied. Während es sich
bei den in Gruppe I genannten um Vereinigungen handelt, die sich dem Sport, der Kunst, der Bildung
oder der Religion verschrieben haben, handelt es sich bei den Vereinigungen der Gruppe II um
politische. Auch die Veranstaltungen der Angehörigen der Gruppe II dürften also in erster Linie
politischen Charakter haben. Die Veranstalten der Vereinigungen der Gruppe I werden eher
52
Nierhaus in: Sachs, GG, Art. 28, Rn.44; Schmalz, Allg. VerwRt., Rn.607.
BVerfGE 52, 95 (120); 79, 127 (151/152); Nierhaus in: Sachs, GG, Art.28, Rn.40.
54
Schmalz, Allg. VerwRt., Rn.609.
53
16
unpolitisch sein. Insofern sind die Angehörigen der Gruppe I und II nicht wesentlich gleich. Eine
Ungleichbehandlung dieser verstößt somit nicht gegen Art. 3 I GG.
Die einzelnen in Gruppe II genannten Vereinigungen können zwar als wesentlich gleich verstanden
werden. Allerdings unterliegen diese alle der in § 2 Benutzungs- und Kostenordnung normierten
Beschränkung hinsicht der Nicht-Öffentlichkeit politischer Veranstaltungen. Insofern liegt hier keine
Ungleichbehandlung durch die Satzung vor. Art. 3 I GG wird auch dadurch nicht verletzt.
Ein Verstoß gegen Art. 3 I GG kommt daher nicht in Betracht.
Hier war vom Bearbeiter weniger das Behandeln von Theorien gfordert. Vielmehr war wichtig, exakte
Vergleichsgruppen zu bilden und genau festzustellen, ob Ungleichbehandlungen vorliegen oder nicht.
(b) Verstoß gegen § 18 I GO SH
Weiterhin könnte § 2 Benutzungs- und Kostenordnung auch gegen § 18 I GO SH verstoßen. Dieser
räumt Einwohnern einer Gemeinde Zugang zu deren Einrichtungen ein. Da die Benutzungs- und
Kostensazung für das JKZ ebenfalls diese Materie berührt, muss sie den Anforderungen des § 18 I GO
SH entsprechen. Die Formulierung des § 18 I GO SH „sind berechtigt“ stellt dabei klar, dass es sich
bei der Entscheidung über den Zugang zu einer solchen Einrichtung um eine gebundene Entscheidung
handelt.
§ 2 Benutzungs- und Kostensatzung eröffnet der Behörde bei ihrer Entscheidung dagegen Ermessen
hinsichtlich der Erteilung einer Zugangsgenehmigung („können zugelassen werden“). Er relativiert
somit das in § 18 I GO SH festgelegte Zugangsrecht.
Dieses kann nicht als eine zulässige Ausformung des § 18 I GO SH angesehen werden („im Rahmen
der bestehenden Vorschriften“). Die dortigen Vorschriften müssen, insbesondere wenn sie im Rang
unter dem formellen Gesetz, wie § 18 GO SH eines ist, stehen, dessen Anforderungen entsprechen.
§ 2 Benutzungs- und Kostensatzung verstößt daher gegen § 18 I GO SH und damit gegen
höherrangiges Recht.
Fraglich ist, ob sich dieser Verstoß rechtfertigen lässt. Eine mögliche Rechtfertigung könnte sich
ergeben, wenn § 18 I GO SH selbst gegen höherrangiges Recht, also insbesondere Verfassungsrecht
verstößt und damit nichtig wäre.
Als einziger möglicher Verstoß gegen höherrangiges Recht kommt hier ein Verstoß gegen Art. 28 II
GG in Betracht. Dieser garantiert den Gemeinden Autonomie bei der Regelung ihrer eigenen
Angelegenheiten. Hierzu gehört auch die Satzungsautonomie55. Wenn die Vorgabe in § 18 I GO SH
die Satzungsautonomie in unzulässiger Weise beschränken würde, wäre er als gegen höherrangiges
Recht verstoßend und damit als nichtig anzusehen.
Allerdings ist die Beschränkung der Satzungsautonomie durch § 18 I GO SH nicht gravierend. Er
nimmt den Gemeinden nicht die Möglichkeit, generell Satzungen zu erlassen. Weiterhin bleibt den
Gemeinden auch die Möglichkeit, die Benutzung ihrer Einrichtungen und insbesondere die dafür zu
erhebenden Kosten, durch Satzung zu regeln. Lediglich die Frage des Benutzerkreises wird
vordefiniert.
Damit greift § 18 I GO SH nicht in den Kernbereich der Satzungsautonomie und damit auch nicht in
den Kernbereich des in Art. 28 II GG garantierten Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden ein. Er
verstößt somit nicht gegen höherrangiges Recht und ist daher auch nicht nichtig.
Andere Ansicht vertretbar. Dann musste Hilfsgutachten folgen.
Es kann hieraus also auch keine Rechtfertigung für den Verstoß des § 2 Benutzungs- und
Kostensatzung gegen § 18 GO SH begründet werden. § 2 verstößt damit gegen höherrangiges Recht.
Die Unterscheidung zwischen gebundener Entscheidung in § 18 I GO SH und Ermessensentscheidung in § 2 Benutzungsund Kostensatzung war nicht leicht zu erkennen. Allerdings dürfte es eine wirkliche Spitzenarbeit auszeichnen, wenn
dieses Problem erkannt wurde. Insofern sollte dieser Punkt auch nur vergeben werden, wenn das Problem zumindest mit
zufriedenstellender Ausführlichkeit behandelt wurde. Dasselbe gilt für die Frage, ob die Rechtswidrigkeit der Satzung
wegen eines Verstoßes gegen § 18 I GO SH entfallen kann, wenn dieser selbst rechtswidrig ist.
55
Schmalz, Allg. VerwRt., Rn.607; Nierhaus in: Sachs, GG, Art.28, Rn.44.
17
(4) Zwischenergebnis
§ 2 Benutzungs- und Kostensatzung verstößt gegen höherrangiges Recht und ist daher materiell
rechtswidrig.
cc) Rechtsfolge der materiellen Rechtswidrigkeit
Unter der Geltung der Grundregel, dass Auslegung vor Nichtigkeit zu erfolgen hat, muss versucht
werden, § 2 Benutzungs- und Kostenordnung durch Auslegung in Konformität mit dem formellen
Recht und dem Landesrecht zu bringen, und auf diese Weise die Vorgaben des § 18 I GO SH zu
erfüllen.
Da § 18 I GO SH eine gebundene Entscheidung hinsichtlich der Zulassung zur Nutzung öffentlicher
Einrichtungen vorschreibt, kann dieses nur bedeuten, dass § 2 Benutzungs- und Kostensatzung in
gleicher Weise zu interpretieren ist. Das würde bedeuten, dass bei Erfüllung der dort normierten
Voraussetzungen eine gebundene Entscheidung hinsichtlich der Zulassung zur Nutzung des JKZ
ergehen muss.
Allerdings erfüllt auch in diesem Fall die von der ÖL geplante Veranstaltung die Vorgaben des § 2
Benutzungs- und Kostenordnung nicht. Öffentliche politische Veranstaltungen bleiben weiterhin im
JKZ nicht durchführbar. Insoweit ist an der Gültigkeit der Bestimmungen der Satzung nicht zu
zweifeln. Die Voraussetzungen für einen Anspruch der ÖL auf Zulassung zur Nutzung des JKZ nach §
18 I GO SH liegen also weiterhin nicht vor.
Hier war von den Bearbeitern gefordert, den Grundsatz „Auslegung vor Nichtigkeit“ zu erkennen und anzuwenden.
Danach war zu erkennen, dass es im vorliegenden Fall der Verstoß von § 2 Benutzungs- und Kostensatzung gegen § 18 I
GO SH keine Relevanz hat, da er sich nicht auf die für die ÖL relevanten Teile bezieht. Ein Ergebnis, dass wohl nur von
Spitzenarbeiten zu erwarten war. Daher sollte dieser Punkt auch nur vergeben werden, wenn das Problem wenigstens
erkannt und zumindest kurz gelöst wurde.
dd) Zwischenergebnis
Die ÖL hat keinen Zulassungsanspruch aus § 18 I GO SH.
2. Anspruch auf Sondernutzung / Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (1 Punkt)
Schließlich könnte sich ein Anordnungsanspruch der ÖL noch aus einem Anspruch auf Sondernutzung
des JKZ bzw. auf ermessensfehlerfreie Entscheidung ergeben.
Hier stellt sich die Frage, ob das Verwaltungsgericht eine solche Entscheidung treffen darf. Bei dem
Zulassungsanspruch nach § 18 I GO SH handelt es sich um eine gebundene Entscheidung. Hierüber
kann das VG befinden. Bei der Entscheidung über eine Sondernutzung handelt es sich um eine
Ermessensentscheidung der Behörde. In einem Hauptsacheverfahren würde das Gericht eine solche
Entscheidung auf Ermessensfehler überprüfen und gegebenenfalls dem Kläger einen Anspruch auf
ermessensfehlerfreie Neubescheidung zusprechen. Im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz kann
nichts Anderes gelten56.
Das Gericht kann also auch die Ablehnung der Nutzung des JKZ durch die ÖL im Sinne einer
Sondernutzung auf Ermessensfehler überprüfen und der ÖL gegebenenfalls einen Anspruch auf
ermessensfehlerfreie Neubescheidung und damit u.U. auf Genehmigung der Sondernutzung
zusprechen.
Da allerdings die Entscheidung der Stadt S hinsichtlich der Sondernutzung keinerlei Ermessensfehler
unterlaufen sind57, würde das Gericht auch hier den Antrag der ÖL zurückweisen.
Auch hieraus kann sich also kein Zulassungsanspruch und damit kein Anordnungsanspruch der ÖL
ergeben.
3. Zwischenergebnis
Die ÖL hat keinen Zulassungsanspruch. Daher hat sie auch keinen Anordnungsanspruch im Verfahren
nach § 123 VwGO.
56
57
Schenke, VerwProzRt., Rn.1034.
S.o. Teil 1, B. I. 5..
18
II.
Anordnungsgrund (Hilfsgutachten)
Ein Anordnungsgrund setzt voraus, dass eine vorläufige Regelung nötig ist. Dieses ergibt sich aus
einer Interessenabwägung zwischen den Folgen, die sich für den Antragssteller aus der Nichterlassung
einer einstweiligen Anordnung ergeben und den Folgen, die sich für den Antragsgegner aus der
Anordnung ergeben58. Je stärker dabei dem Antragssteller dabei die Gefahr droht, dass der
Rechtsschutz in der Hauptsache zu spät eintritt und ihm daraus unzumutbare Nachteile entstehen, die
auch durch ein späteres Obsiegen in der Hauptsache nicht ausgeglichen werden können, desto stärker
sind bei der Abwägung seine Interessen zu berücksichtigen59.
Hier droht der ÖL, dass bei einer Zurückweisung ihres Antrags die Veranstaltung nicht wie geplant
stattfinden kann. Innerhalb von 3 Tagen ist eine Entscheidung in der Hauptsache nicht zu erwarten.
Weiterhin hat die ÖL offenbar schon Dispositionen hinsichtlich der Veranstaltung getroffen. Sie hat
sicher zumindest die Vortragenden eingeladen. Weiterhin steht die Veranstaltung im Zusammenhang
mit der Kommunalwahl, an der die ÖL teilnehmen will. Sollte keine einstweilige Anordnung ergehen,
so besteht die Gefahr, dass sich das Hauptsacheverfahren bis nach der Wahl hinzieht. Somit wäre der
ÖL eine wichtige Quelle politischer Popularität verloren gegangen. Der Nachteil für die Stadt S, der
sich aus einer einstweiligen Anordnung im Sinne der ÖL ergeben würde, erscheint dagegen als gering.
Das Interesse der ÖL am Erlass einer einstweiligen Anordnung überwiegt daher, so dass ein
Anordnungsgrund besteht.
Da die ÖL allerdings keinen Anordnungsanspruch hat, nützt ihr dieses nicht.
Diese Prüfung konnte von den Bearbeitern, da es sich lediglich um ein Hilfsgutachten, dass sich auf einen nicht
wesentlichen Teil der Arbeit bezog, handelte, kurz gehalten werden.
III.
Zwischenergebnis
Für die ÖL besteht kein Anordnungsanspruch. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123
VwGO ist daher nicht begründet.
D. Ergebnis zu Teil 2
Für den Antrag der ÖL nach § 123 VwGO ist der verwaltungsgerichtliche Rechtsweg eröffnet. Er ist
auch zulässig. Da er allerdings nicht begründet ist, hat er keine Erfolgsaussichten.
Weitere Wege stehen der ÖL hier nicht zur Verfügung. Sie kann daher ihr Ziel, die Zulassung zur
Nutzung des JKZ für die von ihr geplante Veranstaltung bis zum 16. Juni gerichtlich zu erreichen,
nicht erlangen.
58
59
Schmalz, Allg. VerwRt., Rn.1163; Schenke, VerwProzRt., Rn.1032.
Schenke, VerwProzRt., Rn.1033.
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