Ethikkommission des Landes Kärnten Jahresbericht 2003 6. Recht und Ethik am Anfang des Lebens Ethikkommission des Landes Kärnten Vorsitzender: Prim. Univ. Doz. Dr. med. Peter Lind Abteilung für Nuklearmedizin & Endokrinologie – PET/CT Zentrum LKH Klagenfurt, St. Veiter Str.47; A-9020 Klagenfurt Tel: 0043 463 538 29100 oder -29103; Fax 0043 463 538-23184 E-mail: [email protected] 6. Recht und Ethik am Anfang des Lebens Dr. Michael Kopetz Die Entwicklungen der Fortpflanzungsmedizin haben in den letzten 15 Jahren oder genauer seit der ersten In-Vitro-Fertilisation im Jahr 1978 zu einer Fülle von rechtlichen und ethischen Fragen geführt, die nicht abschließend beantwortet werden können. Dieser Beitrag soll einerseits in Kurzform die verschiedenen Begriffe darstellen und die rechtliche Beurteilung aus der Sicht des österreichischen Rechts sowie ethische Überlegungen vor Augen führen. Rechtliche Situation Seit den 90-iger Jahren wurden in den verschiedenen Staaten gesetzliche Regelungen über die Einzelbereiche der Fortpflanzungsmedizin getroffen. Wie nachfolgende Tabelle zeigt, haben die deutschsprechenden Länder besonders restriktive Regelungen. Tabelle: Überblick über gesetzliche Regelungen zur Fortpflanzungsmedizin in Europa SamenSpende (ohne Eigewinnung) In-VitroFertilisation & Embryotransfer Eizellspende Leihmutterschaft Forschung am Embryo In-Vitro PID (reproduktives) Klonen Belgien - - - - - - - Dänemark R R R V R R V (R) R V V V (V) V Frankreich R R R - R R - Großbritannien R R R R R R (V) Italien - - - - - - - Niederlande - - - (V) - - - Norwegen R R V V V R - Österreich R R V V V V (V) Spanien R R R V R R V Schweden R R V - R - - Schweiz R R V V V V V Land Deutschland Erläuterung: V = Verbot, (V) = indirektes bzw. zweifelhaftes Verbot, R = Regelung vorhanden, (R) = fragmentarische Regelung vorhanden, - = keine Regelung. Quelle: Aus der Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“ B 27/2001, Univ.-Prof. Hans-Georg Koch, „Fortpflanzungsmedizin im europäischen Rechtsvergleich“. In Österreich wurden Regelungen durch das so genannte Fortpflanzungsmedizingesetz und das Gentechnikgesetz getroffen. Durch diese Gesetze wurde festgelegt, dass die so genannte Leihmutterschaft verboten ist. Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung ist nur in einer Ehe oder einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zulässig und nur dann, wenn sich andere Möglichkeiten zur Herbeiführung einer Schwangerschaft trotz Behandlung als erfolglos oder aussichtslos erwiesen haben. Für die medizinisch unterstützte Fortpflanzung dürfen nur Eizellen und Samen der Partner verwendet werden, außer wenn der Partner nicht fortpflanzungsfähig ist. Eizellen dürfen nur bei der Frau verwendet werden, von der sie stammen. Im Übrigen regelt dieses Gesetz noch detailliert, welche medizinischen Einrichtungen befugt sind, diese Maßnahmen durchzuführen, da jeder medizinisch 12 unterstützten Fortpflanzung eine ausführliche Beratung vorauszugehen hat und welche Formvorschriften hiefür einzuhalten sind. Weiters ist in diesem Gesetz auch geregelt, dass entwicklungsfähige Zellen nur für Zwecke medizinisch unterstützter Fortpflanzung verwendet werden dürfen. Dies gilt auch für Samen oder Eizellen und bedeutet das Verbot der embryonalen Stammzellenforschung in Österreich, aber auch der Präimplantationsdiagnostik. Es dürfen bei der exkorporalen Befruchtung nicht mehr Eizellen befruchtet werden, als für die medizinisch unterstützte Fortpflanzung notwendig erscheinen. Dies bedeutet auch, dass keine so genannten überflüssigen Embryonalzellen für Forschungszwecke verwendet werden dürfen. In Österreich verboten ist auch die Vermittlung von Samen und Eizellen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung sowie die Vermittlung von entwicklungsfähigen Zellen. Verboten ist auch jeder Eingriff in die menschliche Keimbahn. Übertretungen gegen die im Fortpflanzungsmedizingesetz aufgestellten Verbote und Vorschriften sind strafbar. Besonders umstritten sind die Fragen der Zulassung der Präimplantationsdiagnostik und der Stammzellenforschung. Ethische Argumente zur Präimplantationsdiagnostik Die ethische Diskussion dreht sich im Wesentlichen darum, dass zwar ein Embryo In-Vitro gezeugt wird, aber im Falle des Nachweises einer genetischen Schädigung nicht in die Gebärmutter transferiert sondern vernichtet wird. Weiters sind für die Präimplantationsdiagnostik entwicklungsfähige Zellen notwendig, die bei einer Untersuchung zerstört werden. Vertreter der römisch-katholischen Kirche sprechen sich generell gegen jede Präimplantationsdiagnostik aus. Pro-Argumente Kontra-Argumente Für Eltern mit Erbkrankheiten wird ein Weg zum gesunden Kind geöffnet. Es gibt kein Recht auf ein gesundes Kind. Sorge der Eltern um gesunde Kinder. Embryos haben ein Lebensrecht. Präimplantationsdiagnostik ist nichts anderes als vorverlegte und erlaubte Pränataldiagnostik. Welche Kriterien rechtfertigen das Vernichten des Embryos. In vielen Ländern ist PID erlaubt Die Gefahr eugenischer Selektion. Ausgrenzung behinderter und kranker Menschen, die durch PID selektioniert worden wären. Argumente zur Stammzellenforschung Der Beschluss der Bioethikkommission beim österreichischen Bundeskanzleramt vom 8. Mai 2002 macht deutlich, wie umstritten Positionen zu diesen Fragen auch in Österreich sind. Dieser Beschluss nämlich hat einen allgemeinen Teil, der von allen Mitgliedern getragen wird und einen zweiten Teil, der zwei Positionen, nämlich die eingeschränkte Befürwortung der Stammzellenforschung und die generelle Ablehnung der Stammzellenforschung enthält. 11 Mitglieder der Kommission haben sich für die erste Position und 8 Mitglieder für die zweite Position entschieden. Bei den Befürwortern wird vor allem dafür plädiert, dass die Forschung an bereits existierenden embryonalen Stammzell-Linien unter strengen wissenschaftlichen und formellen Auflagen erlaubt wird. 13 Es gibt ja in Österreich wie in Deutschland die eigenartige Rechtssituation, dass Embryonalstammzellen zwar nicht hergestellt, sehr wohl aber importiert werden dürfen. Die zweite Position, welche die Stammzellenforschung ablehnt, stellt vor allem die Schutzwürdigkeit jeglicher Form menschlichen Lebens und die nicht abschätzbaren Risken unter sozial-ethischen Gesichtspunkten in den Vordergrund. Als umstritten wurde in der Bioethikkommission unter anderem festgestellt, ob ein moralischer und rechtlicher Unterschied gemacht werden darf zwischen solchen Embryonen, welche durch Fertilisation d.h. durch Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entstehen und solchen, die durch Transfer eines somatischen Zellkerns in eine entkernte Eizelle (Klonen) erzeugt werden. Umstritten ist aber vor allem, welchen moralischen und rechtlichen Status ein Embryo hat, ob ihm der Status der Person mit Lebensrecht und Menschenwürde zukommt und wenn ja, ab welchem Zeitpunkt. Aktuelles Gesetzvorhaben Im Februar 2004 wurde ein Entwurf des Fortpflanzungsmedizingesetzes zur Begutachtung ausgesandt, der das Klonen eindeutig verbietet: § 9 Abs. 2: „Das Herstellen entwicklungsfähiger Zellen durch Klonen sowie Eingriffe in die Keimzellbahn sind unzulässig.“ Aus den Erläuterungen dazu darf folgendes zitiert werden: „Das reproduktive Klonen zielt auf die Vervielfältigung ganzer Organismen ab, der hergestellte Klon wird daher in die Gebärmutter einer Frau eingepflanzt und soll zu einem Kind heranwachsen. Diese Form des Klonens wird sowohl international als auch von einer breiten Mehrheit in Österreich abgelehnt. Beim therapeutischen Klonen wird nach der Herstellung eines Klons durch Nukleustransfer dieser nicht in die Gebärmutter einer Frau eingepflanzt, sondern bis zu einem bestimmten Entwicklungsstadium kultiviert. In der Folge werden unter Zerstörung des Embryos embryonale Stammzellen gewonnen. Forscher hoffen in der Zukunft mit Hilfe solcher embryonalen Stammzellen bisher unheilbare Krankheiten therapieren zu können. Erwähnt sei, dass das von Österreich noch nicht ratifizierte Zusatzprotokoll des Europarates zum Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin über das Verbot des Klonens von menschlichen Lebewesen ebenfalls ein umfassendes Verbot des Klonens vorsieht. Bei der Ausarbeitung des Zusatzprotokolls wurde darauf geachtet, dass nur das Herstellen von totipotenten Zellen durch Klonen erfasst wird. Wenn auch schon die geltende Regelung des FMedG wohl nicht anders als im Sinne eines umfassenden Klonverbotes verstanden werden kann, so soll die vorgeschlagene Novelle zum Anlass genommen werden, im Einklang mit der bisher auch im internationalen Zusammenhang vertretenen österreichischen Haltung festzulegen, dass das Herstellen von entwicklungsfähigen Zellen durch Klonen – zu welchem Zweck auch immer – unzulässig ist. Damit ist auch klargestellt, dass das schon jetzt bestehende Verbot verbrauchender Embryonenforschung auch für durch Klonen hergestellte Embryonen gilt.“ 14 Begriffe IVF Ö In-Vitro-Fertilisation – Extrakorporale Befruchtung durch verschiedene Methoden. Stammzellen Ö Eine Stammzelle ist eine Art Urzelle, aus der sich alle anderen Zelltypen des Körpers (Muskel, Nerven etc.) entwickeln können. Diese Stammzellen werden als pluripotent oder totipotent bezeichnet, je nach ihren Entwicklungsmöglichkeiten. Nach der Herkunft unterscheidet man embryonale (aus dem Embryo), fötale (aus dem Fötus) und adulte Stammzellen. Präimplantationsdiagnostik Ö Mit diesem Begriff wird die Diagnostik an einem außerhalb des mütterlichen Organismus sich befindenden Embryo bezeichnet. Dem nach einer IVF sich entwickelnden Embryo werden Zellen zur Diagnose entnommen und bei diesen Untersuchungsverfahren zerstört. Keimbahn Ö Ist die in der Entwicklung des Menschen ablaufende Zellfolge, aus der die Keimzellen (generative Zellen) hervorgehen und die Grundlage weiterer Reproduktion der Art darstellen. Reproduktives Klonen Ö Bedeutet die Herstellung identer Lebewesen durch Zellkernersatz. Leihmutterschaft Ö Austragung einer Schwangerschaft, die auf einer nicht der Schwangeren entnommenen Eizelle beruht. Eizellspende Ö Gewinnung einer Eizelle und Übertragung an eine andere Frau Samenspende Ö Ist die Zurverfügungstellung von Samen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung. Pränataldiagnostik Ö Diagnostische Maßnahmen während der Schwangerschaft Früherkennung von Erb- und anderen Krankheiten insbesondere zur Quellen im Internet www.bka.gv.at/bioethik Information zur Tätigkeit der österreichischen Bioethikkommission http://science.orf.at/science/ Aktueller Diskussionsstand zur Präimplantationsdiagnostik www.bpb.de/publikationen Guter Überblick über die Stammzellenforschung – Stand und ethische Problemstellungen www.gyn.de/kinderwunsch/pid.php3 Pro und Contra der Präimplantationsdiagnostik www.studgen.unimainz.de/manuskripte/hufen.pdf Prof. Dr. Wilhelm Hufen: Pränatal- und Präimplantationsdiagnostik: Das Dilemma der vorgeburtlichen Auslese www.bundesaerztekammer.de/30/ Richtlinien Umfassender Diskussionsentwurf zur Präimplantationsdiagnostik 15