Institut für Elektrische Energieübertragung und Hochspannungstechnik Assistenzprofessur für Netzleittechnik Prof. Dr. Rainer Bacher Eidgenössische Technische Hochschule Zürich Prof. Dr. Rainer Bacher, ETH Zürich, ETL I34, CH-8092 Zürich, Switzerland (Email: [email protected]) ETH Zürich, 2.Semester Dept. Elektrotechnik, SS 99 Vorlesungsnummer ETH Zürich: 35-042 Signale und Systeme II1 Prof. Dr. Rainer Bacher Version 3: 26. Mai 1999 1 überarbeitetes Skript Prof. Dr. Hans Glavitsch I Inhaltsverzeichnis 1 Einführung 1 2 Zweipole und Quellen 2.1 Verbraucherzählpfeilsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2 3 3 Berechnungsverfahren für lineare Netzwerke 3.1 Allgemeines - Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Die topologische Kennzeichnung des Netzwerkes . . . . . 3.3 Die Impedanzen/Admittanzen der Zweige des Netzwerks 3.4 Die Quellen des Netzwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Ideale Quellen ohne zugehörige passive Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 9 12 13 14 4 Das Überlagerungsgesetz 14 5 Übersicht über die Lösungsverfahren 15 6 Das 6.1 6.2 6.3 16 16 18 Maschen- oder Kreisstromverfahren Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgabe der unbekannten Ströme mit ihren Zählpfeilrichtungen . . . Die Rolle des Baumes und der Sehnen bei der Aufstellung der Maschengleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Das Aufstellen der Maschengleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Abgekürztes Maschenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Zusammenfassung der Vorgehensweise beim Maschen- (Kreisstrom)Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Das 7.1 7.2 7.3 19 21 27 27 Knotenpotentialverfahren Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formelles Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Direktes Aufstellen der Knotenpunktsadmittanzmatrix . . . . . . . . . 29 29 30 35 8 Vergleich der Lösungsverfahren und Empfehlungen 8.1 Vergleich der Lösungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Empfehlungen zur Anwendung der Lösungsverfahren . . . . . . . . . 37 37 38 9 Lösungs- und Rechenverfahren 9.1 Rechenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Die Gauss’sche Elimination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 39 39 10 AC-Netzwerke mit sinusförmigen Quellen, Widerständen (R), Induktivitäten (L) und Kapazitäten (C) im stationären Zustand 41 10.1 Komplexe Rechenoperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II 10.2 Umrechnung sinusförmiger Zeitgrössen und R, L und C-Elemente in komplexe Grössen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Komplexe Rechnung bei sinusförmigen Quellen und R, L und C-Elemente 10.4 Verbraucherzählpfeilsystem bei AC-Netzwerken . . . . . . . . . . . . . 10.5 Lösung von linearen Gleichungssystemen mit komplexen Koeffizienten 11 Anwendungen der Verfahren der Netzanalyse von stationären ACNetzwerken 11.1 Rechenbeispiel mit dem Maschen-, Schnittmengen und dem Knotenpotentialverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.1 Vorgegebenes Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.2 Lösung mit dem Maschenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.3 Lösung mit dem Knotenpotentialverfahren . . . . . . . . . . . . 11.2 Netzreduktion - Ersatznetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.1 Elimination von Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2 Elimination eines Knotens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.3 Elimination einer Masche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Stern- und Dreieckschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.1 Erscheinungsformen und Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . 11.3.2 Sternschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.3 Dreieckschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.4 Stern-Dreieck-Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.5 Dreieck-Stern-Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.6 Π - und T-Schaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.7 Behandlung der Quellen in der Stern- und Dreieckschaltung . 11.4 Gegenseitige Induktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.1 Kopplung und Punktregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.2 Ersatzschaltung von gekoppelten Wicklungen . . . . . . . . . . 41 42 43 45 46 46 46 47 52 54 54 55 58 61 61 63 64 65 66 67 68 74 74 77 12 Der Vierpol 12.1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Matrizenberechnung von zwei verhängten Vierpolen . . . . . . . . . . 81 81 85 13 Dreiphasensysteme 13.1 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2 Symmetrischer Betriebszustand . . . . . . . . . . . 13.2.1 Dreiphasensystem und symmetrischer Betrieb 13.2.2 Die Einheitszeiger des Dreiphasensystems . . 13.2.3 Die Entstehung eines Dreiphasensystems . . 13.2.4 Erscheinungsformen (Stern-Dreieck) . . . . . 13.2.5 Leistungen im Dreiphasensystem . . . . . . . 13.3 Unsymmetrische Zustände im Dreiphasensystem . . 13.4 Energieübertragungssysteme . . . . . . . . . . . . . . 87 87 89 89 89 90 92 96 96 97 III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.4.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.4.2 Gleichstromleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.4.3 Drehstromnetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Uebergangsverhalten von linearen, zeitinvarianten Systemen 14.1 Betrachtete Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.1 Schaltungen mit einem Speicher . . . . . . . . . . . . . . 14.1.2 Schaltungen mit zwei Speichern . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Quellen, Anregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3 Verhalten der passiven Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4 Zweck und Ausrichtung der Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 98 99 101 101 101 104 105 107 107 15 Lösung der Differentialgleichungen 107 15.1 e-Potenzenansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 15.2 Einführung: Lösung mit Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 16 Laplace-Transformation 16.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2 Definitionen und Interpretationen . . . . . . . . . . . . 16.3 Transformationsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.1 Differentiation einer Funktion im Zeitbereich . 16.3.2 Integration einer Funktion im Zeitbereich . . . 16.4 Lösung von Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . 16.5 Partialbruchzerlegung - Rücktransformation . . . . . 16.6 Partialbruchzerlegung: Eine Verallgemeinerung mittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Residuen . . . . . . . . 17 Schaltungen mit einem Speicher 17.1 Anwendung der Laplace-Tansformation . . . . . . . . . . . . . . . 17.1.1 Speicher ohne Anfangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . 17.1.2 Speicher mit Anfangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 17.2 Ersatzschaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.1 Ersatzschaltung für die Spule mit Anfangsstrom i0 . . . . . 17.2.2 Ersatzschaltung für den Kondensator mit Anfangsspannung 17.3 Rechenbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3.1 Beispiel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3.2 Beispiel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Schaltungen mit zwei Speichern 18.1 Anwendung der Laplace-Transformation (ohne Anfangsbedingungen) 18.1.1 Beispiel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.1.2 Beispiel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.2 Anwendung der Laplace-Transformation (mit Anfangsbedingungen) 18.2.1 Beispiel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.2.2 Beispiel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV . . . . . . . . 111 111 111 114 115 116 119 120 122 . . . . . . . . . 124 124 124 127 130 130 132 134 134 138 . . . . . . 140 140 141 143 146 146 147 18.2.3 Beispiel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 19 Normierte Antwortkurven 151 V c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 1 1 Einführung In dieser Vorlesung “Signale und Systeme II” im 2. Studiensemester des Dept. Elektrotechnik der ETH Zürich wird die systematische Behandlung von Netzwerken im stationären Zustand, das Übergangsverhalten von einfachen Schaltungen, sowie deren Verhalten bei variabler Frequenz dargelegt. Die Vorlesung baut auf den Grundgesetzen der Elektrotechnik für Gleich- und Wechselstrom auf. Gleichstromvorgänge werden in der Vorlesung “Elektrotechnik I”2 eingeführt, Wechselstromvorgänge werden den Studierenden im Rahmen der parallel laufenden Vorlesung “Elektrotechnik II”3 erklärt. Das Grundelement in dieser Vorlesung “Signale und Systeme II” ist der Zweipol, der aus den Komponenten Widerstand, Spule und Kondensator zusammengesetzt sein kann. Kenntnisse der komplexen Rechnung werden nur kurz wiederholt und sind ab Kapitel 10 weitgehend vorausgesetzt. Ersatzschaltungen und Umwandlungen von Quellen werden ebenso als bekannt vorausgesetzt. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte wird jedoch in dieser Vorlesung gegeben. Weiters sollten elementare Grundlagen der Rechnung mit Vektoren und Matrizen bekannt sein. In einem ersten Teil wird die systematische Berechnung von linearen, zeitinvarianten Netzwerken behandelt. Dazu gehört das Aufstellen der Systemgleichungen, deren Lösung und die Bestimmung sämtlicher Unbekannten und sekundärer Grössen. Die Methodik, die anhand von Gleichstromnetzen hergeleitet wird, wird anschliessend für stationäre Wechselstrombetrachtungen erweitert. In der Anwendung wird auf gekoppelte Wicklungen, Ersatzschaltungen (Ersatznetze) und wichtige systemtechnische Merkmale des Dreiphasensystems eingegangen. In einem zweiten Abschnitt wird eine Einführung in die Berechnung von Ausgleichsvorgängen (d.h. transiente Vorgänge) gegeben. Dabei wird von der LaplaceTransformation Gebrauch gemacht. Das Lehrziel ist die Beherrschung von Systemen bis zu zwei unabhängigen Speichern (Systeme 2. Ordnung) unter beliebiger Anregung und unter Berücksichtigung von Anfangsbedingungen. Zum besseren begrifflichen Verständnis werden anschauliche Konzepte, wie Ersatzquellen und Beziehungen zur komplexen Rechnung eingeführt. Den Abschluss bildet die Berechnung von Netzwerken bei variabler Frequenz, wobei wieder nur auf Systeme 2. Ordnung eingegangen wird. Wo immer möglich erläutern Rechenbeispiele die Vorgehensweisen. Zusätzliche Erklärungen und Beispiele können in [1, 2, 3, 4, 5, 6, 7] nachgelesen werden. Dieses Vorlesungsskript basiert weitgehend auf der Vorgängerversion der gleichnamigen Vorlesung von Prof. Dr. Hans Glavitsch. Der vorliegende Text wurde mit Latex erstellt. Spezieller Dank geht an die Institutsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter U. Stumkat, L. Maiocchi, T. Orfanogianni, M. Bigatto, A. Karpatchev und meine 2 J.Hugel, Elektrotechnik - Grundlagen und Anwendungen, Teubner Studienbücher, Elektrotechnik, Stuttgart, Leibzig, 1998, ISBN 3-519-06259-3. 3 siehe Fussnote 2 c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 2 Sekretärin Frau D. Metzler, welche mit der Eingabe der Figuren und Formeln diesen Text erst ermöglicht haben. 2 Zweipole und Quellen In der modellmässigen Beschreibung der Netzwerke wird bei den Grundelementen von Zweipolen ausgegangen, die entweder passiv sind oder aus Quellen bestehen können. Die passiven Elemente werden als linear und zeitinvariant vorausgesetzt, was bedeutet, dass ihre Parameter sich weder mit der Höhe des Stromes oder der Spannung noch mit der Zeit ändern. Die Grundelemente können aus Widerständen, Spulen oder Kondensatoren zusammengesetzt sein und ihre Parameter, d.h. die Widerstandswerte, Induktivitäten und Kapazitäten sind konstant. Quellen werden durch ideale Spannungs- und Stromquellen, sowie Quellenwiderstände dargestellt, wobei der zeitliche Verlauf der Spannungen und Ströme ein stationäres Verhalten oder ein zeitlich veränderliches Verhalten aufweisen kann. Bei Quellen stellen die Amplituden der Spannungs- bzw. Stromquellen die konstanten Parameter dar. Zur Klarstellung der verschiedenen Ansätze von Gleichungen, Vorzeichen und Bezugsrichtungen werden im folgenden einige Festlegungen getroffen bzw. in Erinnerung gerufen. 2.1 Verbraucherzählpfeilsystem Aufgrund der vorhandenen Kenntnisse des Studierenden werden vorerst nur DCVerhältnisse (DC: Direct Current; Gleichstrom) erläutert. Eine der grundlegenden Festlegungen ist die Zählung der Leistung (P: Power) die in einem Widerstand (R: Resistance) verbraucht wird. Sie wird als positive Grösse aufgefasst. Dementsprechend werden die Zählpfeile am Eingang eines Zweipols festgelegt, siehe Fig. 1. I U P Gleichstrom Abbildung 1: Festlegung der Zählpfeile am Eingang eines Zweipols (DC-Zweipole) Für Gleichstrom gilt sodann P =U ·I (1) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 3 Es ist zu beachten, dass die Zählpfeile vorerst Richtungen (Bezugsrichtungen) vorgeben, aber erst die Ergebnisse der Rechnung das Vorzeichen der gesuchten Grössen festlegen. Demnach werden passive Elemente und Quellen mit den gleichen Zählpfeilen versehen, die resultierenden bzw. eingeprägten Ströme und Spannungen mit ihren Vorzeichen an den Klemmen sagen dann, ob es sich tatsächlich um eine Leistungsabgabe oder -aufnahme handelt, siehe auch Fig. 2. I U R I= U R P = UI = U2 R Abbildung 2: Beziehungen zwischen P, U, R, I 2.2 Quellen Zweipole, die Leistung abgeben, können als Spannungs- oder Stromquellen dargestellt werden, wobei die eine in die andere äquivalente Darstellung übergeführt werden kann. Auch hierfür bedarf es einer Festlegung der Zählpfeile und vor allem auch der Richtungen der eingeprägten Grössen. Ausgangspunkt soll die Spannungsquelle (Thévenin Äquivalent) sein. Die reale Spannungsquelle ist immer mit einem Quellenwiderstand oder einer Quellenimpedanz verknüpft, wie sie schematisch in Fig. 3 gezeigt ist. An der Klemme werden Zählpfeile wie bei einem passiven Zweipol festgelegt. Im Inneren des Zweipols greift eine elektromotorische Kraft (EMK) an, die selbst eine Richtung (Vorzeichen) hat, die durch die äusseren Vorgänge nicht beeinflussbar ist und deshalb auch als “eingeprägt” bezeichnet wird. In der Fig. 3 zeigen die Richtungen der Klemmenspannung U und der EMK E beide von oben nach unten. Das muss nicht so sein. Die EMK könnte auch umgekehrt liegen. Die Spannungsgleichung für die Quelle (siehe Fig. 3) lautet: U =I·R+E (2) Das Vorzeichen des Stromes I und der Leistung P muss sich aus dem Rechenergebnis, d.h. aus der relativen Grösse von U gegenüber E ergeben, siehe Fig. 4. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 4 R I + E U - Abbildung 3: Schema der Spannungsquelle (Thévenin Äquivalent) I R + E U - • P: negativ, wenn E > U • I: negativ, wenn E > U • P: positiv, wenn E < U • I: positiv, wenn E < U Abbildung 4: Beziehungen zwischen P, E, R, U, I Bezüglich des Netzes (Klemme) kann die Wirkung der Quelle auch durch eine Stromquelle dargestellt werden. Dazu wird schematisch eine Festlegung nach Fig. 5 getroffen. Bei der Stromquelle muss ein Unterschied zwischen Klemmenstrom I und inneren Quellenstrom Iq gemacht werden. Der Quellenstrom Iq ist eingeprägt und hat mit der Vorgabe des Zählpfeils eine unveränderliche Richtung. Der Klemmenstrom I ergibt sich wieder vorzeichenmässig aus den äusseren Verhältnissen. Für die Umwandlung der Quellen müssen die nachfolgenden Beziehungen gelten. Dabei ist zu beachten, dass bei der Spannungs- und der Stromquelle von gleichen Richtungen (Zählpfeilen) der Spannung E und des Quellenstroms Iq ausgegangen wird. Gemäss Fig. 3 gilt: U = RI + E (3) Bei Fig. 5 gilt: U = R(I − Iq ) (4) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 5 I Iq U R Abbildung 5: Schema der Stromquelle (Norton Äquivalent) Damit beide Quellenschemata identisch gegen aussen wirken, muss gelten: R(I − Iq ) = RI + E (5) Multipliziert man links aus ergibt sich: RI − RIq = RI + E (6) Daraus ergibt sich jetzt folgende wichtige Bedingung zur Umwandlung von identisch gegen aussen wirkenden Spannungs- und Stromquellen mit Innenwiderständen: E = −RIq (7) Iq = − E R Man lasse sich nicht durch das negative Vorzeichen des Quellenstromes irritieren. Es zeigt gegen den Zählpfeil. Aus Gründen der korrekten Zählung der Leistung im Fall der Leistungsabgabe muss der Strom gegen die Spannung gerichtet sein. Der Zählpfeil des Quellenstromes ist aus Überlegungen der Einheitlichkeit von Spannungsund Stromzählung in die gleiche Richtung wie die Spannung gelegt worden und ist eine Frage der Definition (Konvention). Im Verbraucherzählpfeilsystem muss die verbrauchte Leistung positiv und die erzeugte Leistung negativ sein. 3 3.1 Berechnungsverfahren für lineare Netzwerke Allgemeines - Problemstellung Die bisherige Behandlung von Vorgängen in Schaltkreiselementen und Quellen beschränkte sich auf Zweipole, bei denen die Zusammenhänge sich auf einfache Beziehungen zwischen Strom und Spannung zurückführen lassen (Grundgesetze). Werden nun Zweipole in Serien- und Parallelschaltung zusammengefügt, wobei neue Knoten entstehen, so erhält man ein Netzwerk, siehe Fig. 6. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 6 Iq + Eq - Abbildung 6: Netzwerke bestehend aus Zweipolen, Knoten und Quellen Solange sich ein derartiges Netzwerk durch Parallelschaltung und Serienschaltung von Zweipolen, sowie durch Quellenumwandlung auf Ersatzquellen und Ersatzimpedanzen zurückführen lässt, kommt man mit den bisherigen Hilfsmitteln für die Ermittlung der Netzgrössen aus, vorausgesetzt, dass man bei den Umwandlungen nicht die Übersicht verliert. Ab einer gewissen Komplexität des Netzwerkes wird es jedoch sinnvoll sein, ein systematisches Verfahren für das Aufstellen der Gleichungen und für die Bestimmung der unbekannten Grössen zu verwenden. Naheliegende Beispiele sind Brückenschaltungen und die Dreiphasensysteme der Energieübertragung. Eine Systematik ist auch insofern sinnvoll, als sie sich im allgemeinen in ein Computerprogramm übertragen lässt, das ausgehend von einem Datensatz sämtliche unbekannte Grössen bestimmt. Bei den vorgegebenen Grössen sind drei Kategorien zu unterscheiden, die zusammen ein Netzwerk vollständig beschreiben. Es sind dies • die Art des Zusammenschlusses der Zweipole (einschliesslich solcher mit eingeprägten Spannungen und Strömen) • die Impedanzen oder Admittanzen der passiven Elemente • die Amplituden bzw. zeitlichen Änderungen der Quellen und deren Richtungen. Bei den unbekannten (gesuchten) Grössen können grundsätzlich alle Variablen (Ströme, Spannungen) der Zweipole angeführt werden. Wie jedoch durch Parallelund Serienschaltung ersichtlich, müssen nicht immer alle Grössen bestimmt werden. Impedanzen, Ströme, Spannungen, usw. lassen sich zusammenfassen. Bei Bedarf wird man auf einzelne Grössen zurückrechnen. Es stellt sich somit die Frage, wieviele Grössen und welche Beziehungen in den Gleichungssystemen mitgeführt werden müssen und welche substituiert werden können. Ein einfaches Beispiel soll diese Fragestellung verdeutlichen. In Fig. 7 ist ein Netzwerk gezeigt, in dem mehrere Widerstände hintereinander- und parallelgeschaltet sind. Es sind eine Quellenspannung und eine Stromquelle vorhanden und für alle Widerstände sind Ströme und Spannungen eingezeichnet. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ U1 U3 U5 2 1 R1 7 3 I1 4 I3 R3 I5 R5 I8 I7 Iq2 + E1 U8 U7 R8 R7 - I2 R2 R4 I4 R6 7 6 U2 I6 5 U4 U6 Abbildung 7: Beispielnetz Wie soll man nun vorgehen, um die durch die Quellen angeregten Ströme und Spannungen auf möglichst effiziente Art zu berechnen? Wieviele Beziehungen sind zur Beschreibung der Verhältnisse im Netz notwendig? Auf welche Rechenoperationen muss man sich konzentrieren? Die zur Lösung des Problems offensichtlich anzuwendenden Grundgesetze sind das Ohm’sche Gesetz und die Kirchhoff’schen Gesetze. Sollen jedoch alle unbekannten Grössen in einem einzigen Gleichungssystem mitgeführt werden oder kann man sich auf einige wenige unbekannte Grössen beschränken? Besteht die Gefahr, dass man in Unkenntnis der Sachlage zuviele Beziehungen verwendet? Im vorliegenden Fall sind Ströme und Teilspannungen unbekannt. Es sind dies I1 ...I8 , U1 ...U8. Durch die Serienschaltung sind aber einige Ströme einander gleich, wodurch ein Teil der Unbekannten eliminiert werden kann. Es bleiben im wesentlichen vier unbekannte Ströme I3 , I5 , I7 , I8 , für die untereinander Beziehungen (Kirchhoff’sche Knotenregel) bestehen. I5 + I8 − I3 = 0 I7 − I5 (8) = −Iq2 Es gelten die Identitäten I1 = I2 I5 = I6 = I3 = I4 (9) U1 = I1 R1 , U2 = I2 R2 , ... U8 = I8 R8 Ohne zu Parallelschaltungen zu greifen, können nun Spannungsbeziehungen aufgestellt werden (Maschenbeziehungen = Kirchhoff’sche Maschenregel), die zusammen mit den Strombeziehungen das folgende Gleichungssystem ergeben: c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ I3 (R1 + R2 + R3 + R4 + R8 ) −I5 R8 −I3 R8 8 = E1 (10) +I5 (R5 + R6 + R7 + R8 ) = R7 Iq2 Darin scheinen nur mehr zwei unbekannte Ströme auf. Es sind alle passiven Elemente und alle Quellengrössen enthalten. Das Gleichungssystem reicht vollkommen aus, um die unbekannten Variablen des Netzes zu bestimmen. Eine zusätzliche Beziehung wie I3 (R1 + R2 + R3 + R4 ) + I5 (R5 + R6 + R7 ) = E1 + R7 Iq2 (11) ist überflüssig. Die Information dieser Beziehung ist bereits im obigen Gleichungssystem enthalten. Es bedarf somit eines Hinweises, welche Beziehungen für die Lösung nutzbar und welche redundant sind. Hat man das Gleichungssystem auf die notwendige und hinreichende Grösse gebracht, kann die Lösung nach Methoden zur Lösung linearer Gleichungssysteme erfolgen. Von den zwei im Gleichungssystem verbliebenen Strömen ausgehend lassen sich alle übrigen Grössen des Netzwerkes bestimmen. Mit den bekannten Strömen I3 und I5 erhält man I8 = I3 − I5 (12) I7 = U5 − Iq2 sowie die Ströme und Spannungen mit (9). Die aufgeworfenen Fragen lassen sich mit einem systematischen Vorgehen beantworten, das in folgenden Schritten besteht: 1. Topologische Kennzeichnung des Netzwerkes (Nummerieren der Knoten und aller Netzelemente) 2. Vorgabe der passiven Netzelemente (Festlegung der Richtungen der Ströme und damit auch der Spannungen aller passiven Elemente) 3. Vorgabe der Quellen und ihrer Angriffspunkte (Festlegung der Richtungen der Ströme der idealen Stromquellen und Spannungen aller idealen Spannungsquellen) 4. Aufstellen des Gleichungssystems 5. Lösen des Gleichungssystems 6. Bestimmen aller unbekannten Grössen (Spannungen, Ströme und Leistungen aller Netzelemente) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 9 Dieses Vorgehen gilt ohne Einschränkungen für stationäre Zustände (Gleich- und Wechselstrom (siehe Kap. 10)). Bei transienten Vorgängen (siehe Kap. 14), wo weder konstante noch sinusförmige Vorgänge vorliegen, sind noch zusätzliche Bedingungen zu beachten, die zum gegebenen Zeitpunkt behandelt werden. 3.2 Die topologische Kennzeichnung des Netzwerkes In einer ersten Stufe ist man interessiert, in welcher Weise die Zweipole untereinander verbunden sind und wie Quellen im Netzwerk eingefügt sind. Da Quellen als Ersatzquellen mit Impedanzen (Innenwiderstände) angegeben werden, müssen letztere ebenso als Zweipole aufgefasst werden. Es gilt daher, in einer ersten Stufe den Zusammenhang der passiven Elemente zu kennzeichnen und danach die Angriffspunkte der Quellen (Spannungen und Ströme) festzulegen. Der Zusammenhang der passiven Elemente wird durch einen Graphen oder eine Inzidenzmatrix bzw. eine Zweigliste festgelegt. Ein Graph ist ein topologischer Begriff, der mit Zweigen und Knoten den Zusammenhang der Zweipole und damit das Netzwerk kennzeichnet. Der Graph in Fig. 8 charakterisiert das einfache Netzwerk in Fig. 7. 1 1 2 3 3 5 4 2 7 8 4 7 6 6 5 Abbildung 8: Graph Zur systematischen Bestimmung der Zweige eines beliebigen Netzes werden vorerst die Verbindungen zwischen den Klemmen aller idealer Spannungsquellen kurzgeschlossen. Bei den idealen Stromquellen wird die Verbindung zwischen den Klemmen inklusive der idealen Stromquelle vollständig entfernt. Jetzt stellt jeder verbliebene passiven Zweipol einen Zweig dar. Jede Klemme eines Zweipoles stellt nun einen Knoten dar, wobei immer mehrere Klemmen (von meherern Zweipolen) zusammen einen Knoten bilden können. Jeder Knoten erhält eine eindeutige Nummer oder kann mit einem eindeutigen Namen versehen werden. Um die Berechnung aller Zweiströme und -spannungen vollständig systematisch zu gestalten, werden auch die Zweige nummeriert. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 10 Nach Anwendung dieser wichtigen Regeln ergeben sich für das Netz der Fig. 8 7 Knoten (mit Nummern 1 ... 7) und 8 Zweige (mit Nummern 1 ... 8). Man beachte, dass die Nummern für Knoten und Zweige jeweils vorteilhaft mit 1 beginnen und fortlaufend nummeriert werden sollten. Nun ist es offensichtlich, dass Zweige geschlossene Linienzüge bilden können, die als Maschen bezeichnet werden. In Fig. 7 sind zwei mögliche Maschen4 durch offene Kreise eingezeichnet. Bei genauerer Betrachtung stellt man fest, dass ein Zusammenhang zwischen der Anzahl Zweige z, der Anzahl Knoten k und der Anzahl Maschen m besteht, nämlich m = z − k + 1(Maschen = Zweige-Knoten+1) (13) Für die weiteren Untersuchungen bedarf es eines weiteren Begriffes, der ein Netzwerk charakterisiert. Es ist dies der Begriff des Baumes. 1 2 3 4 7 6 5 Abbildung 9: Baum für das Netz in Fig Fig. 8 Ein Baum ist ein Teilgraph, der alle Knoten miteinander verbindet, ohne dass eine Masche entsteht. In Fig. 9 ist für das erwähnte Netzwerk und somit auch für den Graphen in Fig. 8 ein möglicher Baum gezeichnet. Für ein und denselben Graphen, der Maschen enthält, sind mehrere Bäume möglich. Die Anzahl Zweige zB , die Äste genannt werden, stehen in einfacher Beziehung zur Anzahl Knoten k, nämlich zB = k − 1 (zB = Anzahl Äste) (14) Nun kann durch Hinzufügen der fehlenden Zweige, welche als Sehnen bezeichnet werden, der ursprüngliche Graph hergestellt werden. Der durch diese Sehnen-Zweige charakterisierte Graph wird als Baumkomplement bezeichnet Eine einfache Überprüfung der Zusammenhänge zwischen Knoten, Zweigen, Maschen und Sehnen zeigt, dass die Anzahl Sehnen s gleich der notwendigen Anzahl von Maschen m zur eindeutigen Berechnung des Netzes sein muss. 4 Man beachte, dass in diesem Beispiel mehr als diese zwei Maschen eingezeichnet werden können. Eine dritte Maschen könnte über die Zweige 1, 3, 5, 7, 6, 4 und 2 gelegt werden. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ m = z − zB = s (zB : Anzahl Baumzweige; s : Anzahl Sehnen) 11 (15) Diese Grössen sind für die im folgenden behandelten systematischen Vorgehensweisen zur Berechnung der Spannungen und Ströme aller Zweige von wesentlicher Bedeutung. Eine weitere Art der topologischen Kennzeichnung eines Netzwerkes besteht in der Zweigliste, wobei jeder Zweig durch ein Paar von Knoten (Nummer, Name) charakterisiert wird. Die folgende Zweigliste beschreibt das schon erwähnte Netzwerk auf ebenso eindeutige Weise wie der Graph in Fig. 8. Zweignummer Anf.-Endknoten des Zweiges 1 1-2 2 7-1 3 2-3 4 6-7 5 3-4 6 5-6 7 4-5 8 3-6 Man beachte, dass in dieser Tabelle in der linken Spalte die Nummer des Zweiges aufgeführt ist, genauso wie in Fig. 9 angenommen wurde. Die Knoten der Zweige wurden in der zweiten Spalte bewusst so eingetragen, dass der Anfangsknoten des Zweiges zuerst kommt. Die Anfangs- und Endknoten eines Zweiges werden durch die Pfeilrichtung für den Strom festgelegt. Die Anzahl Zweige ist durch die Anzahl Zeilen der Liste (z = 8) gegeben. Durch Aufzählung der Knotennummern erhält man auch die Anzahl Knoten (k = 7) und somit auch der notwendigen Anzahl Maschen (m = z − k + 1 = 8 − 7 + 1 = 2). Voraussetzung ist, dass der Graph zusammenhängend ist, was logisch überprüft werden kann. Der Vorteil dieser Art der topologischen Kennzeichnung besteht darin, dass die Zweigliste computerlesbar ist. Schliesslich lässt sich ein Netz topologisch durch eine Knoten-ZweigInzidenzmatrix5 charakterisieren. Dabei werden Zeilen dieser Matrix den Knoten, und Spalten der Matrix den Zweigen zugeordnet. Die Verbindung von zwei Knoten durch einen Zweig wird durch eine positive Eins an einem Knoten und eine negative Eins am anderen Knoten gekennzeichnet. Vorteilhaft wird die positive 1 demjenigen 5 Beachte: Für jedes Netz können mehrere Typen von Inzidenzmatrizen erstellt werden. Alle zeichnen sich jedoch dadurch aus, dass sie nur die Elemente 0, 1, -1 enthalten. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 12 Knoten zuteilt, bei dem der Stromrichtungspfeil des Zweigelementes beginnt. Die Zahl −1 wird dem Endknoten des Zweiges zugeteilt. Die für das Netz in Fig. 7 gültige Knoten-Zweig-Inzidenzmatrix ist nachfolgend angegeben. Knoten-Zeig-Inzidenzmatrix (Zeilen: Knoten; Spalten: Zweige) 1−2 7−1 2−3 6−7 3−4 5−6 4−5 3−6 ← Zweiganfangsund endknoten ↓ Knoten 1 2 1 1 −1 2 −1 3 4 6 7 8 ← entsprechende Zweignummer 1 −1 3 1 1 −1 4 5 1 1 6 7 5 1 1 −1 −1 −1 −1 (16) 3.3 Die Impedanzen/Admittanzen der Zweige des Netzwerks Wenn jedem Zweig ein Zweipol zugeordnet wird, so kann die entsprechende Zweigimpedanz/Admittanz entweder in den Graphen eingetragen, in den Zeilen der Zweigliste hinzugefügt oder einfach in einer Liste fortlaufend angeführt werden. Als Beispiel wird die Zweigliste mit entsprechenden Impedanzen angegeben: c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 3.4 Zeignummer Anf-Endknoten 1 1-2 R1 2 7-1 R2 3 2-3 R3 4 6-7 R4 5 3-4 R5 6 5-6 R6 7 4-5 R7 8 3-6 R8 13 Zeigimpedanz Die Quellen des Netzwerks Als Quellen zur Erregung des Netzwerks werden als Ersatzspannungen (Thévenin) und Ersatzströme (Norton) angenommen. Bei Vorliegen von realen Quellen, wurden ihre zugehörigen Ersatzimpedanzen bereits ins Netz mit passiven Zweigelementen einbezogen. Um die Wirkung der Quellen zu bestimmen, müssen die idealen Quellen in die Zweige eingesetzt bzw. an den Knoten korrekt und auf systematische Art und Weise angesetzt werden. In der Regel befindet sich eine Spannungsquelle im Zuge eines Zweiges (Reihenschaltung) wie in Fig. 10 gezeigt. 1 0 0 1 - + 11 00 00 11 Abbildung 10: Einsatz einer Spannungsquelle Die Spannungsquelle muss mit Vorzeichen (Richtung) versehen werden. Man beachte, dass die Richtung der Quellen nicht mit der Stromrichtung des Zweiges, wo die Quelle liegt, übereinstimmen muss. Die später diskutierten systematischen Methoden erlauben ohne Probleme unterschiedliche Richtungen der Quellen und der Zweigströme und -spannungen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, um das nochmals zu wiederholen, dass nach Annahme einer Stromrichtung für jeden Zweig die Spannungsrichtung der passiven Zweigelemente in dieselbe Richtung gehen muss wie die Zweigstromrichtung (Verbraucherzählpfeilsystem). Eine Stromquelle greift an zwei Knoten an. Sie muss ebenso mit Vorzeichen versehen werden. Die Knoten müssen dabei nicht mit einem passiven Element verbunden, d.h. benachbart sein. Ein Beispiel gibt die Fig. 11. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 1 0 0 1 14 1 0 0 1 Abbildung 11: Einsatz einer Stromquelle Die Kennzeichnung des Einsatzes der Quellen kann wieder so erfolgen, dass diese computerlesbar, d.h. systematisch organisiert wird. Quellenliste (für Netzwerk in Fig. 7) Zweiganfangsund -endknoten Quellen im Zweig Typ der Quelle 7-1 E1 ideale Spannungsquelle 4-5 Iq2 ideale Stromquelle Man beachte, dass zur systematischen Rechnung ideale Spannungsquellen im Zuge eines Zweiges liegen müssen. Ideale Stromquellen müssen immer parallel zu einem Zweig liegen. Wie vorher gesagt, zeichnet sich jeder Zweig dadurch aus, dass sich in ihm eine passives Element mit zugeordneter Strom- und Spannungsrichtung befindet. 3.5 Ideale Quellen ohne zugehörige passive Elemente Befindet sich in einem Netzwerk eine ideale Spannungsquelle nicht im Zuge eines Zweiges mit einem passiven Element oder eine ideale Stromquelle nicht parallel zu einem Zweig mit einem passiven Element, dann müssen spezielle Überlegungen angestellt werden. Eine systematische Methode ist diejenige, wo man im Falle der idealen Spannungsquellen künstlich einen Widerstand R im Serie zur Spannungsquelle einführt, die Berechnungen normal symbolisch mit R weiterführt und am Schluss der Berechnungen R numerisch gegen den Wert gegen Null gehen lässt (R → 0). Bei der idealen Stromquellen ohne paralleles passives Element führt man analog eine parallelen Widerstand R ein, welcher in den Berechnungen symbolisch mitgeführt wird und welchen man erst ganz am Schluss der Berechnungen durch Grenzwertberechnungen gegen unendlich (R → ∞) gehen lässt. Eine andere Methode zur Lösung des Problems stellt das Überlagerungsgesetz dar, welches im Kap. 4 erläutert wird. 4 Das Überlagerungsgesetz Für die folgende Vorgehensweise ist wesentlich, dass alle resultierenden Grössen des Netzes so entstanden gedacht werden können, als ob die Wirkung jeder einzelnen Quel- c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 15 le für sich bestimmt würde und danach die Einzelresultate addiert werden. Dies ist eine Eigenschaft linearer Systeme und wird auch als “Superpositionseigenschaft” bezeichnet. Anhand des Beispielnetzes der Fig. 7 kann demnach gesagt werden, dass man zuerst die eine Quelle auf Null setzt und die Wirkung der anderen Quelle auf alle Zweigströme und -spannungen berechnet und danach dasselbe für die zweite Quelle durchführt. Am Schluss werden jeweils die Teilströme in den Zweigen addiert, Spannungen desgleichen womit sich die schlussendlich einstellende Zweigströme und -spannungen ergeben. Wenn sich also z.B. die Spannung U3 des Beispielnetzes der Fig. 7 zwei Anteilen entsprechend U3 = k1 E1 + k2 Iq2 (17) (k1 , k2 sind konstante Werte (sog. Koeffizienten, Einflussfaktoren), welche aber erst noch bestimmt werden müssen) zusammensetzt, so kann das Ergebnis auch dadurch entstanden gedacht werden, dass sich z.B. die am Zweigelement 3 schlussendlich ein(1) (2) stellende Spannung aus zwei Teilspannungen U3 und U3 zusammensetzt: U3 (1) U3 (2) U3 (1) (1) (2) = U3 + U3 = k1 E 1 (bei Iq2 = 0) = k2 Iq2 (bei E1 = 0) (18) (2) U3 und U3 können getrennt gerechnet und danach summiert werden und die zu bestimmende Spannung U3 zu berechnen. Es ist dabei zu beachten, dass die Quellenimpedanzen im Netz unverändert bleiben. Eine Spannungsquelle mit Spannung Null kann durch einen Kurzschluss zwischen den ursprünglichen Klemmen der Spannungsquelle, eine Stromquelle mit Strom gleich Null kann durch offene Verbindung (d.h. keine Verbindung) zwischen den ursprünglichen Quellen der Stromquellen dargestellt werden. Die im den nachfolgenden Kapiteln 5, 6 und 7 hergeleiteten systematischen Methoden beinhalten die Prinzipien der Überlagerung beliebig vieler Spannungs- und Stromquellen. Demzufolge wird hier nicht mehr auf die Berechnung der Teilströme basierend jeweils auf einer (1) aktiven Spannungs- oder Stromquelle eingegangen. 5 Übersicht über die Lösungsverfahren Als systematische Verfahren zur Erstellung der Systemgleichungen und zur Lösung derselben kennt man drei Vorgehensweisen. Es sind dies • das Maschen- und Kreisstromverfahren c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 16 • das Schnittmengen- oder Trennbündelverfahren • das Knotenpotentialverfahren Es sei hier festgehalten, dass selbstverständlich jedes der drei Verfahren für ein vorgegebenes Netz das gleiche Ergebnis für die Spannungen und Ströme aller Zweige liefert. Die Anwendung der einen oder anderen Methode richtet sich nach der Effizienz der Operationen, nach der Aufgabenstellung und nach der Struktur des Netzwerkes und der darin angegebenen Quellen und passiven Elemente. Wesentlich ist dabei, dass jedes der Verfahren von einer wohldefinierten Aufgabenstellung ausgeht. Die Anforderungen sind dabei die folgenden: • Maschen- oder Kreisstromverfahren: Bei der Anwendung dieses Verfahrens müssen alle Quellen als Spannungsquellen in den Zweigen des Netzes vorhanden sein. Stromquellen an den Knoten müssen in Spannungsquellen umgewandelt werden. • Schnittmengen - oder Trennbündelverfahren: Das Verfahren verlangt, dass alle Quellen als Stromquellen zwischen zwei Knoten angesetzt werden. Spannungsquellen in den Zweigen müssen in Stromquellen umgewandelt werden. • Knotenpotentialverfahren: Wie beim Schnittmengenverfahren ist es notwendig, alle Quellen als Stromquellen zwischen zwei Knoten wirken zu lassen. Zudem verlangt das Verfahren die Kennzeichnung eines Bezugsknotens, gegen den alle Knotenspannungen gezählt werden. In diesem Text werden nur das Maschen- (siehe Kap. 6 und das Knotenpotentialverfahren (siehe Kap. 7) ausführlich diskutiert. Das erwähnte Schnittmengenverfahren stellt eine weiter Variante dar, welche jedoch wegen der Stärken der beiden anderen Verfahren nur selten angewendet wird. 6 6.1 Das Maschen- oder Kreisstromverfahren Problemstellung Im allgemeinen wird ein Netzwerk, wie schon erwähnt, durch seine topologische Struktur, seine Impedanzen/Admittanzen, sowie durch Quellen, die Strom- oder Spannungsquellen sein können, spezifiert sein. Für das Maschenverfahren muss nun das Netz so umgewandelt werden, dass nur mehr Spannungsquellen vorhanden sind. In der Fig. 12 ist ein solches Netz angegeben. Die gemäss Kap. 3 aufgestellte Regel, dass sich alle Spannungsquellen im Zuge von Zweigen mit Impedanzen befinden, ist erfüllt. Weiters sind alle Spannungsquellen durch Richtungen (Vorzeichen) gekennzeichnet. Man beachte auch, dass, gemäss den in Kap. 3 aufgestellten Regeln, keine expliziten Knoten unten am Widerstand R7 , c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ U2 17 U5 1 3 I2 R2 I4 + I5 R5 + E1 U4 R4 E2 - R6 I6 5 6 I1 U1 I7 U6 U8 R1 I3 R7 I8 R3 2 U7 R8 - + 4 U3 E3 Abbildung 12: Netzwerk geeignet für die Lösung mit dem Maschenverfahren rechts vom Widerstand R5 und oben am Widerstand R1 eingeführt wurden. Diese Annahmen basieren darauf (es sei hier nochmals wiederholt), dass zur Bestimmung der Knoten und deren Nummern, bzw. der Zweige und deren Nummern, alle Spannungsquellen kurzgeschlossen und alle Stromquellen offen gedacht werden müssen. Dann zeigt sich, dass die Zweigelemente R7 zwischen Knoten 5 und 4, R5 zwischen Knoten 3 und 5 und R1 zwischen Knoten 2 und 1 liegen. Die Aufgabe besteht nun darin, sämtliche Ströme und Spannungen des Netzwerkes zu bestimmen. Es muss hier festgehalten werden, dass das Maschenverfahren in einer ersten Stufe auf die Bestimmung der Zweigströme ausgerichtet ist. Mit Kenntnis der Impedanzen und der Zweigströme können die Spannungen auf einfache Art und Weise berechnet werden. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 6.2 18 Vorgabe der unbekannten Ströme mit ihren Zählpfeilrichtungen Ein erster Schritt in der Behandlung des Netzes besteht in der Eintragung der Zweigströme mit einer vorgegebenen Zählpfeilrichtung. In der Fig. 12 ist dies bereits geschehen. Dabei wurden die Zweige umnummeriert und die Zweigströme mit entsprechenden Indizes versehen. Die Knoten haben ebenso Nummern, die jedoch für das Lösungsverfahren weniger Bedeutung haben. Für jeden Zweig gilt das Ohmsche Gesetz, wobei in den Zweigen die Spannung über dem passiven Element von der Quellenspannung zu unterscheiden ist. Die Spannungen über den passiven Elementen, die ebenso mit Zählpfeilen behaftet sind, lauten somit U1 = R1 I1 U5 = R5 I5 U2 = R2 I2 U6 = R6 I6 (19) U3 = R3 I3 U7 = R7 I7 U4 = R4 I4 U8 = R8 I8 (19) kann auch kurz wie folgt notiert werden: Ui = Ri Ii ∀i (20) wobei das Zeichen ∀i “für alle i” bedeutet oder in matrizieller Form: Uz = Zz · Iz ; U1 U2 U3 U4 U5 U6 U7 U8 = R1 · I1 R2 R3 R4 R5 R6 R7 R8 I2 I3 I4 I5 I6 I7 I8 (21) (21) impliziert, dass pro Impedanzzweig eine Stromrichtung Izij , d.h. von Knoten i nach Knoten j, festgelegt wurde und die Zweigspannungen Uzij dieselbe Richtung aufweisen (Verbraucherzählpfeilsystem). Die Spannungen zwischen Knoten unter Einbeziehung der Quellenspannungen bestimmen sich sodann aus c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ U12 = E1 − U1 = E 1 − R 1 I1 U13 = U2 = R 2 I2 U24 = −U3 = −R3 I3 U35 = E2 − U5 = E 2 − R 5 I5 U36 = U4 = R 4 I4 U46 = U8 = R 8 I8 19 (22) U45 = −E3 + U7 = −E3 + R7 I7 U56 = U6 = R 6 I6 Bei diesen letztgenannten Spannungen sind wieder Zählpfeile berücksichtigt, indem die Spannung zwischen zwei Knoten (Uij , i 6= j) entsprechend einer vorgegebenen Richtung (d.h. vom Knoten i zum Knoten j) und die Teilspannungen ebenso vorzeichengerecht gezählt werden. Das Maschenverfahren beruht nun im wesentlichen darauf, die in einer Masche liegenden Spannungen, die durch Ströme hervorgerufen werden und durch Quellenspannungen gegeben sind, entsprechend der Kirchhoff’schen Maschenregel aufzusummieren. 6.3 Die Rolle des Baumes und der Sehnen bei der Aufstellung der Maschengleichungen Man benutzt nun den Baum und die Sehnen (Baumkomplement) zur Aufstellung der notwendigen Anzahl von Maschengleichungen. Es wird dazu für das zu untersuchende Netzwerk ein Baum6 festgelegt. Für das vorliegende Netz der Fig. 12 ist dies der Graph in Fig. 13. In der Fig. 13 sind auch die Sehnen (einfache Linien) gekennzeichnet. Die Pfeile in den Zweigen (Ästen und Sehnen) sind Zählpfeile der Ströme, genau so, wie sie auch im Netz der Fig. 12 angenommen wurden. Damit liegt ein gerichteter Graph vor (Graph mit Zählpfeilrichtungen). Wird nun das alleine durch den Baum gekennzeichnete Netzwerk betrachtet, so stehen wohl mehrere Spannungen an, aber es kann noch kein Strom fliessen, da keine Maschen geschlossen sind. Fügt man einen Zweipol entsprechend einer der Sehnen ein, so schliesst sich eine Masche und es kann ein Strom fliessen. Mit dem Einfügen jedes weiteren Zweipols an Stelle der Sehnen tritt ein neuer Strom hinzu, der jedoch auch die schon vorher 6 Beachte: Der in Fig. 13 gezeichnet Baum ist nicht der einzige korrekte Baum für dieses Netz. Die einzige Regel, welche immer eingehalten werden muss, ist diejenige, dass zwischen Baumästen keine geschlossenen Linien (d.h. keine Maschen) entstehen dürfen. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 2 Ast 1 20 3 Sehne Ast 5 4 Ast 1 6 6 5 Ast Baum Ast 8 7 Sehne Sehne 2 3 4 Abbildung 13: Graph und Baum (Äste: doppelte Linien) für das Netz in Fig. 12 bestehenden Ströme verändert. Die Sehnenströme sind somit wesentlich für das Netzwerk. Man bezeichnet sie daher auch als unabhängige Ströme. Mit jeder Sehne ist somit eine Masche festgelegt und es ist sinnvoll, den in der Sehne auftretenden Zweigstrom, der im ursprünglichen Netzschema, siehe Fig. 12, schon zählpfeilmässig festgelegt wurde, als Maschenstrom aufzufassen, der sich über die der Sehne anliegenden Baumzweige schliesst. Die jeweils betrachtete Sehne mit den anliegenden Baumzweigen bilden somit eine Masche. Im Netzwerk bestehen noch eine Vielzahl weiterer Maschen, die ebenso für die folgende Analyse herangezogen werden könnten, die aber auf redundante Lösungen führen, d.h. nicht unabhängig sind. Die hier getroffene Festlegung hat den Vorteil, dass der Sehnenstrom gleich dem Maschenstrom ist, der zugleich Zweigstrom im Zweipol ist, der der Sehne zugeordnet ist. Die Zweigströme in den Baumzweigen setzen sich aus mehreren Maschenströmen zusammen, siehe nachfolgendes Kapitel. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 6.4 21 Das Aufstellen der Maschengleichungen Mit dem Einfügen einer Sehne ist somit die Vorstellung verbunden, dass ein Maschenstrom fliesst, der sich längs der Baumzweige schliesst. Es gibt nur soviele unabhängige Maschen als Sehnen vorhanden sind. Die Spannungssumme in dieser Masche ist somit eine unabhängige Systemgleichung des Netzwerkes. Um diese Gegebenheit zu nutzen, wird ausgehend von der jeweiligen Sehne ein Weg festgelegt, entlang dem die Spannungen gezählt werden. Dieser stellt die eigentliche Masche dar. In Fig. 14 sind die Maschen mit dem Umlaufsinn eingezeichnet, der durch den Zählpfeil des Sehnenstromes vorgegeben ist. Sehne mit Stromrichtung Masche Masche Masche Sehne mit Stromrichtung Sehne mit Stromrichtung Abbildung 14: Graph des Netzwerkes mit unabhängigen Maschen Nun ist ersichtlich, dass sich in den Baumzweigen (d.h. doppelt gezogenen Linien) mehrere Maschenströme überlagern. Da nur m (m = Anzahl der Maschen) unabhängige Maschengleichungen aufgestellt werden und nur soviele Maschenströme bestimmt werden können, ist es notwendig, alle Zweigströme (d.h. Ast- und Sehnenströme) durch die Maschenströme auszudrücken. Diese Beziehungen sind einfach aufzustellen, da die Zweigströme mit ihren Vorzeichen bereits festgelegt sind. Für das vorgegebene Netz lauten sie wie folgt: c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 22 I 1 = I3 I2 = I 3 I3 = I 3 I4 = I 3 +I5 I5 = I5 I6 = −I5 +I7 (23) I7 = I7 I8 = −I3 −I7 Schematisch lassen sich Inzidenzmatrix A ausdrücken: diese Iz = I1 I2 I3 I4 I5 I6 I7 I8 = Beziehungen durch eine Zweig-Sehnen- 1 0 0 1 0 0 1 0 0 1 1 0 0 1 0 0 −1 1 0 1 0 −1 0 −1 I3 · I 5 I7 (24) oder in Matrixform: Iz = AIm mit Vektor der Zweigströme Iz : Iz = I1 I2 I3 I4 I5 I6 I7 I8 (25) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 23 mit dem Vektor der Maschenströme Im : Im I1 = I5 I7 und der Zweig-Sehnen-Inzidenzmatrix A: A= 1 0 0 1 0 0 1 0 0 1 1 0 0 1 0 0 −1 1 0 1 −1 0 0 −1 (26) Diese Zweig-Sehnen-Inzidenzmatrix A stellt in kompakter Form die Topologie des Netzes zusammen mit Richtungen der Ströme in den Zweigen und Sehnen dar. Um weitere Herleitung zu ermöglichen, werden die Zweispannungen Uz (d.h. die Spannungen über den passiven Elementen aller Zweige) wie folgt ausgedrückt: Uz = Zz Iz (27) (27) stellt in Matrixform die Anwendung des Ohmschen Gesetzes auf alle passiven Elemente des Netzes dar. In (27) stellt die Matrix Zz eine Diagonalmatrix darstellt, welche die Impedanzen aller Zweige in der Diagonale aufweist: c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 24 R1 Zz = R2 R3 R4 R5 R6 R7 R8 (28) Der kleine Index z deutet an, dass diese Matrix über alle Zweige z des Netzes geht. Die Reihenfolge der Impedanzen (Widerstände) ist durch die anfänglich gewählte Reihenfolge der Nummern der Zweige gegeben. Nun folgt die interessante Tatsache, dass die transponierte Matrix AT in Zusammenhang mit den Zweigspannungen zur Anwendung der Kirchhoff’schen Maschenregel verwendet werden kann: AT Uz = Em (29) wobei jedes Element von Em genau gleich der durch Zweigspannungsquellen entstehenden “eingeprägten” jeweiligen Maschenspannung sein muss. Man kann jetzt zeigen, dass dieser Vektor Em auch durch einen Vektor von ZweigQuellen Eqz ausgedrückt werden kann: Em = −AT Eqz (30) Im Beispiel der Fig. 12 ist Eqz (Zweig-Spannungsquellen) wie folgt definiert: Eqz −E1 0 0 0 = −E 2 0 −E3 0 (31) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 25 Eqz ist der Vektor der Quellenspannungen, dessen Komponenten von der Reihenfolge her durch die Nummerierung der Zweige gegeben sind und vorzeichenmässig durch die Festlegung der Zählung und Vorgabe der Richtung der Zweigspannungen bestimmt sind: Man beachte die folgende wichtige Regel7 : Wenn die Richtung der Spannungsquelle gleich der Richtung des Zweigstromes ist, dann wird die Spannungquelle positiv im Vektor Eqz eingetragen. Wenn die Richtungen Zweigstrom und Quellenspannung umgekehrt sind, dann muss die Quellenspannung mit einem negativen Vorzeichen im Vektor Eqz eingetragen werden. Aus dem Vergleich von (29) und (30) folgt: AT Uz = −AT Eqz (32) (32) stellt das Kirchhoff’sche Gesetz: Summe alle Spannungen in einer Masche gleich Null, dar. Verknüpft man nun (32) mit (27) ergibt sich: AT Zz Iz = −AT Eqz (33) Die Zweigströme Iz können über die Zweig-Sehnen-Inzidenzmatrix auch durch die Maschenströme Im ausgedrückt werden (25): Iz = AIm (34) womit indirekt das Kirchhoff’sche Gesetz: Summe aller Ströme in einem Knoten gleich Null, zur Anwendung kommt. Somit entsteht schlussendlich durch Verknüpfung von (33) und (34) das vollständige Gleichungssystem zur Bestimmung der Maschenströme ergibt: AT Zz AIm = −AT Eqz (35) Damit erhält man ein Gleichungssystem in der Dimension der Anzahl Maschen mit den Maschen-(Sehnen-)strömen Im als Unbekannte und den Maschenspannungen auf der rechten Seite, die sich durch die Quellenspannungen Eqz ausdrücken lassen. Für das Beispiel der Fig. 12 sieht dieses Gleichungssystem folgendermassen aus: (R1 + R2 + R3 + R4 + R8 )I3 +R4 I5 +R8 I7 = E1 R 4 I3 +(R4 + R5 + R6 )I5 −R6 I7 = E2 R 8 I3 −R6 I5 7 +(R8 + R7 + R6 )I7 = E3 (36) Erfahrungsgemäss hat sich gezeigt, dass vorallem das Nichtbeachten dieser Regel zusammen mit der Formulierung von (30) auf Fehler bei der Berechnung konkreter Netzwerke führt. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 26 Die Matrix dieses Systems AT Zz A = Zm hat dabei die Form: R1 + R2 + R3 + R4 + R8 R4 R4 R8 R8 R4 + R5 + R6 −R6 −R6 (37) R8 + R7 + R6 Die in Erscheinung tretende Matrix (Systemmatrix) ist eine Impedanzmatrix und wird Maschenimpedanzmatrix Zm genannt. Die Maschenimpedanzmatrix ist (bei grossen Netzen) schwach besetzt, d.h. wenige Koeffizienten sind ungleich Null oder viele Koeffizienten sind gleich Null. Der Ort dieser Nicht-Nullelemente hängt von der Topologie bzw. von den Maschen des Netzwerkes ab. In Matrizenform gilt anstelle von (35): Zm Im = Em (38) Das Gleichungssystem muss gelöst werden, was formell durch Inversion geschehen kann. −1 Im = Zm Em (39) Bei einer Computerimplementierung sind andere Wege möglich. Für eine Lösung von Hand ist die Elimination nach Gauss, siehe Kap. 9, zu empfehlen. Mit Kenntnis der Maschenströme Im können die Zweigströme Iz durch (34) bestimmt werden. Die Zweigströme Iz berechnen sich nun mit (25): Iz = AIm (40) Die totalen Zweigspannungen, welche eine eventuell vorhandene Zweigspannungsquelle und auch den Spannungsabfall über einer vorhandenen Impedanz beinhalten, berechnen sich nun wie folgt: Uztotal = Zz Iz + Eqz (41) Wären ursprünglich für das Netzwerk Stromquellen zwischen Zweigknoten vorgegeben, so müsste an dieser Stelle die Umwandlung der Spannungsquellen und die entsprechende Berechnung der wahren Zweigspannungen und -ströme erfolgen: Stromquelle parallel = Izwenn i Uz totali Zzi (42) wobei Zzi die Impedanz des ursprünglichen Zweigs (mit paralleler Stromquelle) und Uz stellt die mit (41) berechnete totale Zweigspannung dar. totali c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 6.5 27 Abgekürztes Maschenverfahren Die Verwendung und Berechnung der Matrix Zm bei der Aufstellung der unabhängigen Maschengleichungen kann umgangen werden, wenn beim Maschenumlauf anhand des Graphen in Fig. 14 sofort die Summe der Maschenströme bei der Bildung der Zweigspannungen berücksichtigt wird. Zur Klarstellung wird dieser Weg für das Netz in Fig. 14 nochmals verfolgt. (R1 + R2 + R3 )I3 +R4 (I3 + I5 ) +R8 (I3 + I7 ) −E1 = 0 R4 (I3 + I5 ) +R6 (I5 − I7 ) +R5 I5 −E2 = 0 R8 (I3 + I7 ) +R6 (−I5 + I7 ) +R7 I7 −E3 = 0 (43) Man sieht jetzt, dass die Maschenströme unmittelbar im Gleichungssystem erscheinen. Letzteres muss jetzt geordnet werden und zwar so, dass die jeweiligen Maschenströme nur einmal vorkommen. Das Ergebnis ist wieder das Gleichungssystem mit der Maschenimpedanzmatrix oder explizit (R1 + R2 + R3 + R4 + R8 )I3 +R4 I5 +R8 I7 = E1 R 4 I3 +(R4 + R5 + R6 )I5 −R6 I7 = E2 R 8 I3 −R6 I5 +(R8 + R7 + R6 )I7 = E3 (44) in Übereinstimmung mit (36). 6.6 Zusammenfassung der (Kreisstrom)-Verfahren Vorgehensweise beim Maschen- Ein Netzwerk ist vorgegeben durch seine Topologie, Impedanzen und Quellen. Die Zweigströme und -spannungen sind gesucht. Das Lösungsverfahren nach der Maschenmethode kann wie folgt zusammengefasst werden: 1. Umwandlung eventuell vorhandener Stromquellen in Spannungsquellen. 2. Festlegung eines Baumes und der Sehnen zur Ermittlung der unabhängigen Maschen (zur Kontrolle m = z − k + 1) 3. Nummerieren der Zweige und Eintragen der Zweigströme mit Zählpfeilen in den Graphen8 . 4. Aufstellen der Diagonalmatrix Zz , welche alle Zweigimpedanzen (-widerstände) in der im vorangehenden Schritt bestimmten Reihenfolge bestimmt. 8 Hinweis: Vorteilhafterweise werden die Sehnen-Zweige zuerst nummeriert. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 28 5. Eintragen der Maschen mit den Sehnenströmen als Maschenströme und mit einer Umlaufrichtung in Richtung des Sehnenstroms. Jede Masche umfasst genau 1 Sehne und die entsprechenden Äste des Baumes (Hinweis: Wenn der Baum korrekt gezeichnet wurde, gibt es zur Bestimmung der Maschen bei gegebenen Sehnen nur noch genau 1 Lösung für jede Masche). 6. Aufstellen der Zweig-Sehnen-Inzidenzmatrix A, welche Zweigströme durch Maschenströme ausdrückt (Iz = AIm ) 7. Bildung der Maschenimpedanzmatrix Zm Diagonalmatrix Zz : Zm = AT Zz A durch die Zweigimpedanz- 8. Bildung der eingeprägten Maschenspannungen unter Verwendung der vorzeichenrichtig eingesetzten Zweigspannungsquellen Eqz . Em = −AT Eqz 9. Lösung des linearen Gleichungssystems Zm Im = Em : −1 Im = Zm Em d.h. Bestimmung der Maschenströme, z.B. durch Gauss’sche Elimination (siehe Kap. 9) 10. Rückrechnen auf die Zweigströme Iz und totalen Zweigspannungen Uztotal (dh. inkl. der eventuell vorhandenen Zweigspannungsquellen): Iz = AIm Uztotal = Zz Iz + Eqz Bei kleineren, einfacheren Netzen lassen sich die Maschengleichungen direkt aufstellen, indem beim Maschenumlauf die Zweigspannungen direkt durch die Maschenströme ausgedrückt werden: 1. Umwandlung von Stromquellen in Spannungsquellen, Bestimmung des Baumes, der Sehnen, der Maschen mit Stromrichtungen. 2. Bestimmung der Maschenimpedanzmatrix - Diagonalelemente Zm (i, i): Summe aller in der Masche i liegenden Impedanzen (Widerstände) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 29 3. Bestimmung der Maschenimpedanzmatrix Nebendiagonalelement: Zm (i, j)(i 6= j) = Summe derjenige ± Zweigimpedanzen, welche gemeinsam von Maschen i und j durchlaufen werden. Das Zeichen ± bedeutet: Wenn das Element von beiden Maschen i und j im gleichen Sinn durchlaufen wird, dann das + Zeichen verwenden, sonst das − Zeichen. 4. Bestimmung der rechten Seite: Maschenspannungen: Em (i): Summe aller in der Masche i liegenden ± Spannungsquellen, wobei eine Spannungsquelle positiv + genommen wird, wenn die Spannungquellenrichtung in Gegenrichtung zum Maschenstrom liegt, sonst negativ −. Ein Rechenbeispiel ist in Kap. 11 im Vergleich mit anderen Verfahren angegeben. 7 7.1 Das Knotenpotentialverfahren Problemstellung Auch das Knotenpotentialverfahren ist für die Lösung einer allgemeinen Netzwerkaufgabe geeignet. Wie bei den vorher beschriebenen Verfahren ist auch hier eine Aufbereitung der Problemstellung notwendig. Für das Knotenpotentialverfahren muss das Netzwerk so umgewandelt werden, dass nur mehr Stromquellen vorhanden sind. Stromquellen sind ursprünglich immer parallel zu einem Zweig angebracht. Die Aufgabenstellung stützt sich auf ein Schema eines Netzwerkes ab, wie es in Fig. 15 gezeigt ist. Uz12 Uz23 Uz34 3 2 1 G12 4 G34 G23 Iq4 Iq1 G20 G30 Uz10 G10 Uz20 Iq2 Uz30 Iq3 0 Abbildung 15: Netzwerk mit Zweigstromquellen für Knotenpotentialverfahren (0: Referenzknoten) Die Gij -Werte stellen Admittanzen [ Ω1 ] dar. Das Verfahren ist in einem ersten Schritt auf die Bestimmung der Knotenspannungen ausgerichtet. Mit Kenntnis der c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 30 Admittanzen der Zweige, von denen in diesem Verfahren ausgegangen wird, können alle übrigen Grössen berechnet werden. 7.2 Formelles Vorgehen Wie bei den vorangehenden Vorgehensweisen ist auch beim Knotenpotentialverfahren ein systematisches, formelles Vorgehen möglich. Die elementaren Operationen beziehen sich auf den Zusammenhang zwischen Zweigspannungen und Zweigströmen Auch hier gibt es ein abgekürztes Verfahren, dass - im Gegensatz zum Maschenverfahren - jedoch relativ einfach anzuwenden und sehr zu empfehlen ist. Zuerst wird jedoch eine dem Maschenverfahren analoge, systematische Vorgehensweise erklärt. Mit Zweigen sind hier alle Zweige mit Impedanzen und nicht die idealen Zweigstromquellen, so wie in Fig. 15 gezeichnet, gemeint. Iz = Yz · Uz (45) Mit (45) wird das Ohm’sche Gesetz bei allen passiven Elementen erfasst und korrekt angewendet. Der Index z bezieht sich somit auf die impedanzbehafteten Zweige und nicht auf die Stromquellen-Verbindungen. Die Matrix Yz ist eine sogenannte Diagonalmatrix, da nur in der Diagonalen der Matrix Nicht-Null-Werte auftreten. (45) impliziert, dass pro Impedanzzweig eine Stromrichtung Izij , d.h. von Knoten i nach Knoten j, festgelegt wurde und die Zweigspannungen Uzij dieselbe Richtung aufweisen. Für das Beispiel bestimmt sich die Matrix Yz wie folgt: Yz = G10 G20 G30 G12 G23 (46) G34 Wie erwähnt, bedient sich das Knotenpotentialverfahren sogenannter Knotenspannungen Ui , wobei diese von jedem Knoten i zu einem sogenannten Referenz- oder Bezugsknoten (meist mit der Nummer 0 oder gar nicht nummeriert) angenommen sind. Der Referenzknoten ist im Prinzip frei wählbar. Genau ein (1) Knoten ist für ein gegebenes Netz als Referenzknoten zu wählen. Somit kann zwischen den (vorher definierten, mit Richtung versehenen) Zweigspannungen Uz und den Knotenspannungen U (welche sich also alle auf einen Referenzknoten beziehen) eine Beziehung hergestellt werden: c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 31 Uz = C · U (47) (47) ist insofern wichtig, als hier die Kirchhoff’sche Maschenregel (Summe aller Spannungen in eine Maschen gleich Null) implizit ausgedrückt wird. Die Matrix C wird als Zweig-Knoten-Inzidenzmatrix bezeichnet und beinhaltet die Elemente 0, 1, und -1. Für das Netzwerk in Fig. 15 ist diese Matrix C nachfolgend angegeben. Die Knotenspannung des Bezugsknotens ist per Definition Null und erscheint nicht mehr im Vektor U. Uz10 Uz20 Uz30 Uz12 Uz23 Uz34 1 = 1 · 1 1 −1 1 −1 1 1 U1 1 U2 ; C= U3 1 −1 1 U4 −1 1 −1 1 (48) −1 Genauso wie im Maschenverfahren die Spannungsquellen pro Zweig in einem Vektor festgehalten werden, werden beim Knotenpotentialverfahren die ZweigStromquellen, welche parallel zu den Zweigimpedanzen liegen, in einem ZweigStromquellen-Vektor festgehalten, wobei die Regeln dafür die folgenden sind: • Pro Impedanzweig kann nur ein paralleler Stromquellen-Wert angegeben werden. Dabei ist als Reihenfolge der Variablen diejenige zu wählen, welche im Vektor Uz und in der Matrix Yz angenommen wurde. • In diesem Zweig-Stromquellenvektor wird das Vorzeichen der Stromquelle umgekehrt eingetragen, falls die Stromquellenrichtung entgegengesetzt zur (vorher) gewählten Zweigstromrichtung Iz ist und unverändert, falls die Stromquellenrichtung gleich der gewählten Zweigstromrichtung Iz ist. Im Beispiel gilt somit für den Zweig-Stromquellenvektor Izq (der Index Zweig-Quellen an): Izq = −Iq1 Iq2 Iq3 0 0 zq deutet (49) Iq4 Mit diesem gegebenen Zweig-Stromquellenvektor können nun die KnotenStromquellen mit der Inzidenzmatrix C bestimmt werden. Man beachte dabei, dass in c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 32 der gewählten Vorgehensweise alle Knotenstromquellen Ii in den Knoten i hinein zeigen, siehe Fig. 16. Diese Art der Zeichnung von Stromquellen muss wie folgt verstanden werden: Alle Knotenstromquellen beginnen am Bezugsknoten (0). Da der Bezugsknoten die Knotenspannung Null aufweist und in der Knotenpotentialmethode nicht erscheint, werden die Knotenstromquellen in den Ersatzschaltbildern meist am Bezugsknoten nicht mehr eingezeichnet. Somit gilt: I = −CT Izq (50) Die Beziehung stellt also den Zusammenhang zwischen den Zweigstromquellen Izq und den Knotenstromquellen I, welche in die Knoten hinein eingezeichnet werden, dar. Die transponierte Matrix C T erlaubt nun zusammen mit (50), das Kirchhoff’sche Gesetz: Summe aller Ströme in einem Knoten ist gleich Null, systematisch in einer Matrix-Multiplikation zu erfassen: C T (Iz + Izq ) = 0 (51) wobei Iz den Vektor aller Zweigströme in den passiven Elementen des Netzes (d.h. nicht in den Quellen) darstellt. Die Reihenfolge der Elemente in Iz ist identisch mit der Reihenfolge angenommen in Uz (48). Für das Beispiel können nun sogenannte Knotenstromquellen I wie folgt berechnet werden: I1 I2 I3 3 2 1 G12 4 G23 G10 I4 G20 G34 G30 0 Abbildung 16: Netzwerk mit Knotenstromquellen für Knotenpotentialverfahren c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ I = −CT Izq −Iq1 Iq2 = − Iq3 + Iq4 −Iq4 33 = Iq1 −Iq2 −Iq3 − Iq4 Iq4 (52) Um nun auf die entscheidende Beziehung zwischen den nun gegebenen Knotenstromquellen I und den unbekannten Knotenspannungen U zu kommen, müssen folgenden Schritte ausgeführt werden: Verknüpft man (45) und (51), so ergibt sich: C T Yz Uz − I = 0 (53) C T Yz CU − I = 0 (54) Jetzt ergibt (47) mit (53): (54) muss nun noch (50) gleichgesetzt werden, womit sich ergibt: CT Yz CU = −CT Izq (55) Diese Beziehung beinhaltet also in kompakter Form alle Ohm’schen und Kirchhoff’schen Gesetze zur Berechnung der Knotenspannungen aus den ZweigStromquellen. Mit der Definition der Knotenpunktsadmittanzmatrix Y, Y = CT Y z C (56) und unter Verwendung von (50) gilt: Y·U = I (57) Diese Beziehung ist die zentrale Beziehung des Knotenpotentialverfahrens. Mit ihr können die Knotenspannungen U bestimmt werden bei gegebener Matrix Y und gegebenem Vektor I. Die Paarungen der Ströme, die ursprünglich durch Zweig-orientierte (d.h. parallel zum Zweig) Quellen vorgegeben sind, interessieren bei Verwendung von Knotenströmen nicht. Bei insgesamt k Knoten können k − 1 unabhängige Knotenströme vorgegeben werden. Entsprechend können k − 1 unabhängige Knotenspannungen bestimmt werden, die gegen einen Bezugsknoten gezählt werden, der vorhanden sein muss. Im Vergleich zu den schon besprochenen Verfahren kann eine Knotenspannung die Summe mehrerer Zweigspannungen umfassen. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 34 Der Strom des Bezugsknotens ist die Summe aller übrigen Knotenströme und geht nicht explizit in die Rechnung ein. Knotenströme und Knotenspannungen werden mit Richtungen bzw. Zählpfeilern versehen. Für das Beispiel gilt: G12 + G10 −G12 Y= 0 0 −G12 0 0 G12 + G20 + G23 −G23 0 −G23 G23 + G30 + G34 −G34 0 −G34 G34 und somit Y · U = I: G12 + G10 −G12 0 0 −G12 0 0 G12 + G20 + G23 −G23 0 −G23 G23 + G30 + G34 −G34 0 −G34 G34 (58) U Iq1 1 U2 −Iq2 · = U −I − I 3 q3 q4 U4 Iq4 (59) Sobald die Knotenspannungen U berechnet sind (z.B. durch die Gauss’sche Elimination), können die Zweigspannungen Uz mit (47) berechnet werden. Der totale Zweigstrom, d.h. der Strom der (eventuell vorhandenen) Zweigstromquelle und der Strom durch die (parallele) Zweigimpedanz berechnet sich wie folgt für alle Zweige: Izweig total = Iqz + Yz · Uz (60) (60) kann auch durch das folgende Ersatzschaltbild für eine einzelne Stromquelle mit paralleler Admittanz dargestellt werden, siehe Fig. 17. Iqzi Izweig Yzi total Uzi Abbildung 17: Totaler Zweigstrom: Zweigstromquellen parallel zum Strom der Zweigadmittanz Nun sind alle Zweigspannungen und die totalen Zweigströme gegeben. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 7.3 35 Direktes Aufstellen der Knotenpunktsadmittanzmatrix Da für das Knotenpotentialverfahren die vorgegebenen Knotenströme unmittelbar die rechte Seite des Gleichungssystems darstellen und die unbekannten Spannungen einfach identifizierbar sind, liegt der Hauptaufwand dieses Verfahrens in der Bildung der Knotenpunktsadmittanzmatrix (System- oder Admittanzmatrix). Die Zusammenhänge sind dabei so einfach, dass die Bildung nach wenigen Regeln erfolgen kann, ohne dass dabei Inzidenzmatrizen und Matrizenmultiplikationen herangezogen werden müssen. Das Vorgehen soll anhand eines Knotens erläutert werden, der eine Admittanz zum Bezugsknoten und drei Zweigadmittanzen zu Nachbarknoten aufweist. Es handelt sich dabei um einen Netzausschnitt, siehe Fig. 18. I1 y12 2 1 U2 U1 y13 3 U3 y14 y10 4 0 U4 Abbildung 18: Netzausschnitt - Ein Knoten (1) mit Admittanz zum Bezugsknoten (0) und Verbindungen zu Nachbarknoten (2, 3, 4) Jeder Knoten des Netzwerks kann so gesehen werden. Für jeden dieser Knoten lässt sich der von aussen aufgedrückte Knotenstrom durch die Summe der vom Knoten abfliessenden Zweigströme ausdrücken. Schrittweise ergeben sich die folgenden Beziehungen I1 = y10 U1 + y12 (U1 − U2 ) + y13 (U1 − U3 ) + y14 (U1 − U4 ) (61) nach Herausheben der Spannungen. I1 = (y10 + y12 + y13 + y14 )U1 − y12 U2 − y13 U3 − y14 U4 Jetzt werden neu Yij (6= yij , siehe Fig. 18) eingeführt: (62) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 36 Y11 = y10 + y12 + y13 + y14 Y12 = −y12 (63) Y13 = −y13 Y14 = −y14 Somit folgt aus (62): I1 = Y11 U1 + Y12 U2 + Y13 U3 + Y14 U4 (64) Die Koeffizienten Y11 , Y12 , Y13 , Y14 usw. stellen die Koeffizienten der Knotenpunktsadmittanzmatrix dar. Für das Netzwerk in Fig. 15 ist die gesamte Matrix Y angegeben: Y11 Y21 Y = 0 0 Y12 0 0 Y22 Y23 0 Y32 Y33 Y34 0 Y43 Y44 (65) Die Regeln für die Bildung der Matrix können wie folgt angegeben werden: • Die Dimension der Matrix Y ist (k − 1) · (k − 1), wobei k die Knotenzahl ist (k beinhaltet auch den Bezugsknoten). • Für jeden Knoten i ausser dem Bezugsknoten ist eine Zeile zu bilden, bei der das Diagonalelement Yii die Summe der Zweig-Admittanzen yij der vom Knoten ausgehenden Zweige einschliesslich desjenigen zum Bezugsknoten 0 darstellt. • In den übrigen Positionen j der Zeile i (i 6= j) ist ein Element Yij nur dann ungleich Null, wenn zum Knoten j, der durch die Spaltennummer j gekennzeichnet ist, ein Zweig vorhanden ist. Das Matrixelement Yij ist gleich der negativen Zweigadmittanz (d.h. Yij = −yij ) dieser Verbindung. • Die Matrix ist bei Vorhandensein von passiven Netzelementen symmetrisch. Bei der computermässigen Bildung der Admittanzmatrix kann direkt von der Zweigliste ausgegangen werden. Man stelle sich dabei ein “leeres” Netzwerk ohne Quellen vor. Beim Lesen einer Zeile der Zweigliste wird die Admittanz des Zweiges zum Diagonalelement addiert. Wenn es sich um einen Zweig zum Nachbarknoten handelt, muss dessen negative Admitttanz noch in die entsprechende Spalte eingesetzt werden. Die Knotenpunktsadmittanzmatrix gibt damit anschaulich die Topologie des Netzwerks wieder. Bemerkenswert ist, dass diese Matrix im allgemeinen schwach besetzt c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 37 ist, da in den wenigsten Fällen ein Knoten viele Verbindungen zu Nachbarknoten aufweisen wird. Bei grossen Netzen (Energieübertragung) wird die Schwachbesetztheit (sparsity) im Lösungsverfahren ausgenutzt, um auf kurze Rechenzeiten zu kommen. Zur Illustration ist untenstehend das Besetzungsmuster der Nicht-Nullelemente einer Knotenpunktsadmittanzmatrix angegeben. Y = x x x . x x . x . . . . x . . x . . . x . . x . x . x . x . . . . . x x x . . . . x x . . x x x x . . . . . x . x x x . . x . x In dieser Matrix bedeutet ein “x”, dass an dieser Stelle der Koeffizient ungleich Null ist. Ein “.” bedeutet, dass der Koeffizient gleich Null ist. Die Matrix ist symmetrisch. Aus dem Besetzungsmuster kann die Topologie des Netzes hergeleitet werden. Wenn in der dritten Zeile und dort in der siebten Spalte ein “x” steht, so heisst dies, dass vom Knoten 3 zum Knoten 7 eine Verbindung besteht. Dort steht in der Knotenpunktsadmittanzmatrix Y das Matrizenelement Y37 . In der 7. Zeile steht in der dritten Spalte Y73 . Dieses Element ist gleich gross wie Y37 (Yij = Yji , i 6= j, ∀ij)9. 8 Vergleich der Lösungsverfahren und Empfehlungen 8.1 Vergleich der Lösungsverfahren Bei der Durcharbeitung der zwei Lösungsmethoden (Maschenverfahren, Kap. 6; Knotenpotentialverfahren, Kap. 7) ergibt sich unmittelbar die Frage nach Vor- und Nachteilen der einen gegenüber der anderen Methode, bzw. nach einer Eignung der Methoden für bestimmte Aufgabenstellungen. Erste Hinweise in dieser Richtung wurden bereits bei den Vorbereitungen für Behandlung von Netzwerken mit bestimmten Methoden gegeben. Bevor nun diese Frage eingehender behandelt wird, soll noch ein systematischer Vergleich zwischen den Methoden angestellt werden. 9 Dies bedeutet: Für alle Kombinationen i und j, wobei i 6= j, ist Yij = Yji c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 38 Vergleich zwischen Maschen- und Knotenpunktsmethode Maschenmethode Knotenpunktmethode Vergleichbare Elemente Spannungsquelle im Zweig Stromquelle am Knoten (zum Bezugsknoten) Strom in Masche Spannung am Knoten Sehnenstrom Knotenspannung Sehne Knoten Impedanz Admittanz Maschenimpedanzmatrix Knotenpunkts-Admittanzmatrix Bestimmung der Zweigströme mittels Sehnenstrom Bestimmung der Zweigspannungen mittels Knotenspannungen Aufsummierungen der Maschenspannungen (inkl. Spannungsquellen) in einer Masche (in einem Umlauf) Aufsummierung von Knotenströmen (inkl. Stromquellen) in einem Knoten Der Ausgangspunkt ist bei der Maschenmethode der Baum des Netzwerkes. Bei der Knotenpunktsmethode spielt der Baum keine Rolle, nur die Topologie des Netzes ist von Bedeutung. Beide Verfahren weisen ein zentrales lineares Gleichungssystem auf, wobei bei Matrixdarstellung eine schwachbesetzte - sowohl hinsichtlich Besetzung wie auch aus numerischer Sicht - symmetrische Matrix auftritt. Eine schwachbesetzte Matrix bietet Vorteile bei der Computerimplementierung speziell bei der Lösung linearer Gleichungssysteme wegen der viel geringen Anzahl von Rechenoperationen im Vergleich mit vollbesetzten Matrizen. Wie das Maschenverfahren ermöglicht auch das Knotenpotentialverfahren eine systematische Lösung auf einem Computer. 8.2 Empfehlungen zur Anwendung der Lösungsverfahren Beide Methoden sind jeweils dann zu empfehlen, wenn die Aufgabenstellung den Eigenheiten der Verfahren angepasst ist: Das Maschenverfahren ist dann angezeigt, wenn die vorgegebenen Quellen als Spannungsquellen in den Zweigen vorliegen und vornehmlich Zweigströme gefragt sind. Kleinere Netzwerke lassen sich noch leicht von Hand mit dem Maschenverfahren lösen. Beispiele sind elektronische Schaltungen, Brückenschaltungen und Messschaltungen. Das Knotenpotentialverfahren eignet sich für grosse Netzwerke (mehr als 1000 Knoten), bei denen die vorgegebenen Grössen Knotenströme sind und Knotenspan- c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 39 nungen gefragt sind. Beispiele sind die Netze der elektrischen Energieübertragung und -verteilung. Das Knotenpotentialverfahren ist dann besonders vorteilhaft, wenn pro Knoten nur wenige verbundene Zweige vorliegen, wodurch sehr schwachbesetzte Matrizen entstehen. Das Knotenpotentialverfahren - als einziges Verfahren - kommt speziell für Problemstellungen in Fragen, bei denen am Knoten nichtlineare Randbedingungen vorliegen, wie es beim Lastfluss im elektrischen Uebertragungsnetz der Fall ist10 . 9 Lösungs- und Rechenverfahren 9.1 Rechenverfahren Für die Lösung der Netzwerksgleichungen bedarf es Rechenverfahren, die entweder die Bestimmung der Inversen einer Matrix erlauben oder schrittweise Hilfsvariable zur Bestimmung der Unbekannten berechnen. Für eine Berechnung von Hand (d.h. Beispiele mit bis zu 3 oder 4 Variablen) kommen zwei Verfahren in Frage und zwar • die Gauss’sche Elimination • ein Austauschverfahren Im Rahmen dieses Vorlesungstextes wird nur die Gauss’sche Elimination durchgeführt. Auf Rechnern stehen Umgebungen und Verfahren zur Lösung grosser linearer Gleichungssysteme wie z.B. MATLAB zur Verfügung. Die Benutzung beschränkt sich dann auf die Eingabe der Matrixkoeffizienten A und der rechten Seite b des Gleichungssystems Ax = b. 9.2 Die Gauss’sche Elimination Das Verfahren nach Gauss zielt auf die unmittelbare Bestimmung der Unbekannten ab und erzeugt die Inverse der Systemmatrix nicht. Im Zuge des Verfahrens entstehen Koeffizienten, die Dreiecksmatrizen zugeordnet werden können, deren Produkt die ursprüngliche Matrix ergibt. Das Verfahren lässt sich vorteilhaft bei schwachbesetzten Matrizen anwenden und hat bei der Lösung grosser Systeme überragende Bedeutung. Es soll hier anhand der Admittanzmatrix erläutert werden, wobei von der Aufgabe zur Bestimmung des Spannungsvektors U Y ·U =I (66) bei gegebenen Strömen I und der gegebenen Knotenadmittanzmatrix Y ausgegangen wird. Explizit wird ein 3 x 3 System betrachtet 10 siehe Vorlesung Prof. R. Bacher, 6. Semester, Dept. Elektrotechnik, ETH Zürich, “Modellierung und Analyse elektrischer Netze” c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 40 Y11 U1 +Y12 U2 +Y13 U3 = I1 (67) Y21 U1 +Y22 U2 +Y23 U3 = I2 Y31 U1 +Y32 U2 +Y33 U3 = I3 wobei alle Koeffizienten Yij und I1 , I2 , I3 numerisch gegeben seien. Gesucht sind die Werte U1 , U2 , U3 . Es sollen nun Schritt für Schritt die Spannungen U1 und U2 eliminiert werden bis eine Gleichung für U3 übrigbleibt. Man dividiert die erste Gleichung durch Y11 . Der Koeffizient von U1 wird damit zu 1. Dann multipliziert man diese Gleichung mit Y21 und Y31 und subtrahiert sie von der 2. bzw. der 3. Gleichung, wodurch die Koeffizienten von U1 in diesen Gleichungen verschwinden. Es bleibt folgendes Gleichungssystem (Y22 − Y12 YY21 )U2 +(Y23 − Y13 YY21 )U3 = I2 − I1 YY21 11 11 11 (Y32 − Y12 YY31 )U2 11 +(Y33 − Y13 YY31 )U3 11 = I3 − (68) I1 YY31 11 Die Klammerausdrücke sind modifizierte Admittanzen und die rechte Seite modifizierte Ströme. Für die weiteren Schritte werden neue Bezeichnungen eingeführt. 0 = Y − Y Y21 Y22 22 12 Y11 0 = Y − Y Y21 , Y23 23 13 Y11 0 = Y − Y Y31 Y32 32 12 Y11 0 = Y − Y Y31 , Y33 33 13 Y11 I20 = I2 − I1 YY21 11 , I30 = I3 − I1 YY31 11 (69) womit man erhält 0 0 Y22 U2 +Y23 U3 = I20 0 Y32 U2 0 +Y33 U3 = I30 (70) In diesem Gleichungssystem wird nun in analoger Weise U2 eliminiert, wobei nur eine Gleichung übrigbleibt. 0 0 (Y33 − Y23 0 0 Y32 0 0 Y32 )U = I − I 3 3 2 0 0 Y22 Y22 (71) Diese liefert bereits das Ergebnis für U3 . Durch Rückeinsetzen bekommt man aus (68) die Spannung U2 und entsprechend U1 aus (67). Das Gauss’sche Eliminationsverfahren besteht somit aus einem Vorwärtsprozess (Vorwärts-Aufrollen) bis zur Bestimmung der letzten Variablen und einem Rückwärtsprozess (Rückwärts- Aufrollen) bis zur Bestimmung der ersten Unbekannten. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 10 41 AC-Netzwerke mit sinusförmigen Quellen, Widerständen (R), Induktivitäten (L) und Kapazitäten (C) im stationären Zustand 10.1 Komplexe Rechenoperationen Ausser der Tatsache, dass AC-Quellen im Gegensatz zu DC-Quellen im zeitlichen Verlauf nicht konstant sind, sondern einen zeitlich gesehen sinusförmigen Verlauf mit konstanter Amplitude und Frequenz aufweisen, sind alle Betrachtungen im Vergleich zu DC-Quellen ähnlich. Aus mathematischer Sicht ändert sich nur die Art der Rechnung: Rechenoperationen mit komplexen Zahlen setzen j 2 = −1 (72) voraus. Damit kann jeder Bruch mit einer komplexen Zahl wieder in eine komplexe Zahl überführt werden: 1 a −b a − jb a − jb = 2 +j 2 = = 2 2 2 a + jb (a + jb)(a − jb) a +b a +b a + b2 10.2 (73) Umrechnung sinusförmiger Zeitgrössen und R, L und CElemente in komplexe Grössen Die Berechnung stationärer Grössen bei sinusförmigen Strom- und Spannungsquellen in Zusammenhang mit Widerständen R, Induktivitäten L und Kapazitäten C ist in [1], Kapitel 11 “Wechselgrössen” und Kapitel 12 “Komplexe Berechnung von Wechselstromkreisen” erklärt. Dort wird auch gezeigt, dass die Berechnung stationärer (d.h. im Zeitbereich sinusförmiger oder konstanter) Vorgänge bei sinusförmigen Quellen und R, L und C-Elementen durch komplexe Zahlenoperationen unter Annahme komplexer Impedanzen (für Widerstand: Z = R + j0, Induktivität: Z = jωL und Kapazität: 1 Z = −j ωC ) durchgeführt werden kann. Zusammenfassend gilt für die Transformation von allgemeinen sinusförmigen Grössen mit konstanter Kreisfrequenz ω und konstanter Amplitude in komplexe Grössen: Zeitbereich Komplexe Zahlen √ uq (t) = 2Uq cos(ωt + φ) U q = Uq (cosφ + jsinφ) = Uq ejφ √ iq (t) = 2Iq cos(ωt + φ) I q = Iq (cosφ + jsinφ) = Iq ejφ (74) Man beachte auch, dass ω = 2πf (75) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ h 42 i 1 mit π = 3.1415926 und f : Frequenz in Hertz sek . Für einen Widerstand R, eine Kapazität C und eine Spule L gelten bei sinusförmigen Grössen mit Kreisfrequenz ω: Element Zeitbereich Komplexe Komplexe Komplexe Impedanz Admittanz I Z R = R + j0 YR = 1 R 1 I YL Z L = jωL YL = 1 jωL 1 YC ZC = Rechnung 1 YR Widerstand R u(t) = Ri(t) U = RI = ZR I = Induktivität L u(t) = Ldi(t)/dt U = jωLI = Z L I = Kapazität C u(t) = 1 C R i(t)dt U= 1 I jωC = ZC I = I 1 jωC + j0 Y C = jωC (76) Diese Transformationen gelten immer nur für genau eine (1) Frequenz. Für jeweils eine gegebene Frequenz können R, L und C-Elemente beliebig durch komplexe Impedanzen ersetzt werden und die entsprechenden Ohmschen und Kirchhoff’schen Gesetze auf die komplexen Impedanzen, bzw. Admittanzen angewendet werden. 10.3 Komplexe Rechnung bei sinusförmigen Quellen und R, L und C-Elemente Zwei Signale mit gleicher Frequenz können addiert werden: Zeitbereich Komplexe Zahlen √ x(t) = 2Xm cos(ωt + φx ) X = Xr + jXi = Xm (cosφx + jsinφx) √ y(t) = 2Ym cos(ωt + φy ) Y = Yr + jYi = Ym (cosφy + jsinφy ) x(t) ± y(t) (77) X ± Y = (Xr ± Yr ) + i(Xi ± Yi ) Multiplikation und Division zweier komplexer Zahlen: XY = Xm Ym 6 (φx + φy ) X Y = Xm 6 Ym (78) (φx − φy ) Man beachte noch, dass sich eine Quelle der Form Usin (t) = √ 2U sin(ωt + φ) wie folgt in eine Quelle dargestellt mit komplexen Zahlen transformiert: Mit ±sinα = cos(α ∓ 90◦ ) folgt: √ Usin (t) = 2U cos(ωt + (φ − 90◦ )) (79) (80) Daraus folgt für die Transformation: Usin (t) → U 6 (φ − 90◦ ) = U (cos(φ − 90◦ ) + jsin(φ − 90◦ )) = U (sinφ − jcosφ) (81) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 43 Vorsicht: Computer berechnen sin, cos, tan, etc. basierend auf Radiangrössen. 1◦ = ˆ π 3.1415926 [rad] = [rad] = 0.01745 [rad] 180 180 (82) Generell dürfen Gleichgrössen, Wechselgrössen und transiente Grössen (siehe Kapitel 14 und nachfolgende Kapitel) bei Verwendung von R, L und C-Elementen und idealen Spannungs- und Stromquellen überlagert werden. 10.4 Verbraucherzählpfeilsystem bei AC-Netzwerken Wie bei DC-Netzwerken spielt auch bei AC-Netzwerken die Leistung eine wesentliche Rolle. Bei DC-Netzen wird die Leistung, welche in einem Widerstand verbraucht wird, als positive Grösse aufgefasst, siehe Fig. 1. Genau dieselbe Aussage gilt auch bei AC-Netzwerken: Die Leistung über einem Widerstand wird auch bei sinusförmigen Grössen u(t) und i(t) als positive Grösse festgelegt. Bei Induktivitäten und Kapazitäten muss zusätzlich nur gelten, dass das jeweilige Element eine rein imaginäre Impedanz (Induktivität) oder Admittanz (Kapazität) aufweist. I U P + jQ Wechselstrom Abbildung 19: Festlegung der Zählpfeile am Eingang eines Zweipols mit R, L und C Elementen Für Wechselstrom gilt (siehe [1], Seite 268): Zeitbereich √ u(t) = 2U cos(ωt) √ i(t) = 2I cos(ωt − φ) Komplexe Zahlen p(t) = u(t)i(t) = S = P + jQ = U I ∗ = U = U + j0 I = I (cos φ − j sin φ) = Ie−φ P (1 + cos(2ωt)) + Q sin(2ωt) U I cos φ + jU I sin(φ) mit P = U I cos φ mit P = U I cos φ mit Q = U I sin φ mit Q = U I sin φ (83) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 44 φ stellt also diejenige Phasenverschiebung dar, um welche die Spannung dem Strom vorauseilt. Bei einer Spule gilt: Z = jωL und somit ist φ = 90◦ . Bei einem Konden1 sator gilt: Z = −j ωc und somit ist φ = −90◦ . U und I stellen Effektivwerte der jeweiligen im Zeitbereich sinusförmigen Spannung u(t) und des Stromes i(t) dar. Allgemein berechnen sich Effektivwerte von zeitabhängigen Signalen wie folgt: s Ueffektiv = ˆ Beim Signal 1 t2 − t1 √ Z t2 u2 (t)dt 2πt T ergibt sich als Effektivwert für t1 = 0 und t2 = T : u(t) = (84) t1 2U sin Ueffektiv = U (85) (86) Per Definition ist P die Wirkleistung P = Re(U · I ∗ ) (87) Die Blindleistung Q wird ebenso vorzeichenmässig festgelegt und zwar Q = Im(U · I ∗ ) (88) Diese zwei Beziehungen können auch kurz wie folgt dargestellt werden: S = U · I ∗ = P + jQ (89) Man beachte, dass die Blindleistung positiv ist, wenn sich der Zweipol wie eine Drossel (d.h. induktiv) verhält: Bei der Drossel gilt U = jωLI, somit ist φ = 90◦ , womit sich ergibt: Q = U I sin φ > 0. Ein Kondensator nimmt dementsprechend eine negative Blindleistung auf oder, anders gesagt, er gibt positive Blindleistung ab: Dort ist φ = −90◦ , womit Q < 0. Es ist zu beachten, dass die Zählpfeile vorerst Richtungen (Bezugsrichtungen) vorgeben, aber erst die Ergebnisse der Rechnung das Vorzeichen der gesuchten Grössen festlegen. Demnach werden passive Elemente und Quellen mit den gleichen Zählpfeilen versehen. Die resultierenden bzw. eingeprägten Ströme und Spannungen mit ihren Vorzeichen an den Klemmen sagen dann, ob es sich tatsächlich um eine Leistungsabgabe oder -aufnahme handelt. Zur Illustration der Leistungsbeziehungen werden in den Fig. 20 und 21 zwei Fälle mit unterschiedlichen Netzelementen angegeben. Es gilt dabei immer die allgemeine Vorgabe der Zählpfeile nach Fig. 19. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 45 I U jXL I= U jXL U = −j XL , ∗ P = 0, Q = Im j UXUL = |U|2 XL (90) Abbildung 20: Zusammenhang P, Q, U, X L , I I R U −jXc I= U R−jXc = U (R+jXc ) R2 +Xc2 P + jQ = U I ∗ = P = |U|2 R ,Q R2 +Xc2 |U|2 (R − R2 +Xc2 jXc) (91) 2 |U| XC = −R 2 +X 2 c Abbildung 21: Zusammenhang P, Q, U, R, X C , I 10.5 Lösung von linearen Gleichungssystemen mit komplexen Koeffizienten Im Fall von Wechselstrom sind die bei Maschen- und Knotenpotentialmethoden auftretenden Systemmatrizen (Admittanz, Impedanz) komplex. Die Unbekannten und die rechten Seiten der linearen Gleichungssysteme sind es ebenso. Formell können alle bisher gezeigten Operationen auch komplex ausgeführt werden. Die Rechenoperationen werden jedoch recht kompliziert. Man teilt daher die Gleichungen nach Realund Imaginärteil auf. Liegt z.B. eine Impedanzmatrix vor, so spaltet man Spannung, Impedanz und Strom folgendermassen auf c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 46 Re(U ) + jIm(U ) = (R + jX)(Re(I) + jIm(I)) = (92) = R · Re(I) − X · Im(I) + j (X · Re(I) + R · Im(I)) getrennt geschrieben Re(U ) R −X Re(I) = · Im(U ) X R (93) Im(I) Nach diesem Koeffizientenschema innerhalb der Matrix kann nun auch die gesamte Impedanzmatrix mit einer Widerstandsmatrix und einer Reaktanzmatrix aufgebaut werden. Bei Annahme von lineare Gleichungen mit komplexen Zahlen erhält man auf diese Weise eine reelle Matrix (Dimension: 2n x 2n), die mit den schon bekannten Verfahren verarbeitet werden kann. Die Vektoren für die Spannungen und die Ströme enthalten neben dem Realteil-Subvektor auch einen Subvektor für den Imaginärteil aller Spannungen und Ströme. Re(U ) U = (94) Im(U ) Re(I) I= (95) Im(I) Bei der Lösung ist zu beachten, dass ein Widerstand oder eine Reaktanz des Netzwerkes Null sein kann. Scheint in der Diagonale der Matrix (93) in der 1. Zeile eine Null auf, so ist eine Vertauschung mit einer anderen Zeile vorzunehmen, damit z.B. eine Division durch das Diagonalelement durchgeführt werden kann. 11 11.1 11.1.1 Anwendungen der Verfahren der Netzanalyse von stationären AC-Netzwerken Rechenbeispiel mit dem Maschen-, Schnittmengen und dem Knotenpotentialverfahren Vorgegebenes Netzwerk Das zu behandelnde Netzwerk ist als Schema in Fig. 22 vorgegeben. Die dazugehörigen Parameter und Quellenwerte sind untenstehend angefuehrt. Gegebene Daten: c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ R1 + jX1 I2 47 jX2 I3 3 2 + U1 U2 U4 E1 R4 U5 - jX5 U3 1 4 −jX3 R5 Bemerkung: In diesem Netzwerk ist der Bezugsknoten der Knoten in der Mitte, unten in der Fig. 22. D.h. die Knotenströme I 2 und I 3 sind auf diesen Bezugsknoten 4 bezogen. Abbildung 22: Netzwerk (Wechselstrom) E 1 = 10 + j0 V I 2 = 0.5 + j0 A I 3 = −1 + j0.5 A R1 = 0.8Ω X1 = 2Ω (96) X2 = 3.6Ω R4 = 8Ω X3 = 4Ω R5 = 5Ω X5 = 2Ω Zu bestimmen sind alle Zweigströme und -spannungen. Ebenso sind die Knotenspannungen bezogen auf den angegebenen Bezugsknoten zu berechnen. Es wird für die im folgenden angeführten Lösungswege ein Baum mit Zählpfeilen für Ströme und Spannungen, sowie eine Knotennumerierung angegeben. 11.1.2 Lösung mit dem Maschenverfahren Zuerst müssen die Ströme in Spannungsquellen umgewandelt werden. Die Spannungsquelle E 2 berechnet sich mit E 2 = R4 · I 2 durch Umwandlung aus der vom Bezugsknoten kommenden Stromquelle I 2 . Genauso wird die Spannungsquelle E 3 mit E 3 = I 3 (R5 + jX5 ) durch Umwandlung der vom Bezugsknoten kommenden Stromquelle I 3 bestimmt. Ihre Einbettung im Netz und ihre Zählpfeile können aus der Fig. 24 entnommen werden. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 21 0 48 13 0 0 1 0 1 2 1 0 0 1 4 1 5 1 3 1 0 0 1 1 0 0 1 4 Abbildung 23: Graph für das Netzwerk mit Baum (doppelte Linien) und zwei Maschen (Zählpfeile, Knotennummern) R1 + jX1 jX2 + E2 + + E3 - - E1 - R4 −jX3 jX5 R5 Abbildung 24: Netz mit Spannungsquellen Die Spannungsquellen betragen E 2 = 4 + j0 (97) E 3 = −6 + j0.5 Nach Festlegung aller Zahlenwerte und der Zählrichtungen kann mit dem systematischen Vorgehen begonnen werden. Das Netzwerk hat 4 Knoten, 5 Zweige, 2 Sehnen, 3 Baumzweige (Äste), somit 2 Maschen. Die Sehnen-Zweig-Inzidenzmatrix hat die folgende Struktur und Eintragungen. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 49 0 1 0 1 A= 0 −1 1 −1 0 (98) 1 wobei die Spalten Sehnenströme darstellen und die Zeilen die Zweigströme repräsentieren. Die primitive Impedanzmatrix 0.8 + j2 Zz = j3.6 −j4 8 (99) 5 + j2 Die Maschenimpedanzmatrix bildet sich durch AT Zz A = Zm (100) Zahlenmässig erhält man 8.8 − j2 −8 + j0 Zm = −8 + j0 13 + j5.6 (101) Bei der Bildung der Maschenspannungen müssen die Zählpfeilrichtungen der Spannungen in den Zweigen und diejenigen der eingeprägten Spannungen E qz beachtet werden. Es gilt E m = −AT E qz (102) Die Eintragungen im Vektor Eqz sind dann positiv, wenn die Richtungen der eingeprägten Spannungen mit den Zählpfeilrichtungen der Zweigspannungen übereinstimmen. Man erhält den Vektor der eingeprägten Spannungen nach der Fig. 24 für die Zweige 1, 4 und 5. Bei der Multiplikation mit der transponierten Inzidenzmatrix ist jeweils das Vorzeichen der Eintragungen genau zu beachten. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ E qz −E 1 0 = 0 E 2 50 = −10 + j0 0 0 4 + j0 −6 + j0.5 E3 (103) und als Maschenspannungen 6 E m = −AT E qz = +j0 10 −j0.5 (104) Für die numerische Behandlung der Maschenimpedanzmatrix werden die Impedanzen in Real- und Imaginäteil aufgespalten. Gemäss (101) (komplexe Matrix) und der Transformationsregel (93) erhält man ZmReIm 8.8 −8 −8 13 = −2 0 2 0 0 −5.6 8.8 −8 5.6 −8 0 (105) 13 Der Vektor E m aufgespalten nach Real- und Imaginärteil EmReIm = 6 10 0 −0.5 (106) wobei die ersten zwei Elemente sich auf die Real- und die letzten zwei Elemente auf die Imaginärteile der zwei komplexen Maschenspannungen E m beziehen. Nach Anwendung eines der Lösungsverfahren erhält man für die Maschenströme als Lösung ZmReIm ImReIm = EmReIm : ImReIm 2.4033 1.7867 = −0.4277 −1.0713 (107) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 51 Somit folgt für den komplexen Maschen-/Sehenstromvektor Im : 2.4033 − j0.4277 Im = 1.7867 − j1.0713 (108) Nun kann auf Zweigströme und Spannungen umgerechnet werden, wobei in einem ersten Schritt die Grössen des umgewandelten Netzes mit Spannungsquellen bestimmt werden I z = AI m : I1 = 2.4033 − j0.4277 I2 = 1.7867 − j1.0713 I 3 = − 2.4033 + j0.4277 I4 = 0.6166 + j0.6436 I5 = 1.7867 − j1.0713 (109) Die totalen Zweigspannungen (gültig für das Netz mit Spannungsquellen, siehe Fig. 24) U ztotal = Zz I z + E qz : Totale Spannung über Quellen- Zweigspannung Zweigimpedanz spannung = Wert U z1 = 2.7780 + j4.4644 −10 U z2 = 3.8567 + j6.4321 = 3.8567 + j6.4321 U z3 = 1.7108 + j9.6132 = 1.7108 + j9.6132 U z4 = 4.9328 + j5.1488 +4 U z5 = 11.0761 − j1.7831 −6 + j0.5 = −7.2220 + j4.4644 (110) = 8.9328 + j5.148 = 5.0761 − j1.2831 Es ist nun interessant zu sehen, wie sich die Zweigströme verändern, wenn auch das ursprüngliche Netz mit Stromquellen umgerechnet wird. Es ändern sich die Grössen U in den Zweigen 4 und 5 mit I z = Z zi : zi original Stromquelle paralleli I 4 = 1.1166 + j0.6436 (111) I 5 = 0.7867 − j0.5713 Zur Kontrolle können nun noch die Leistungsbilanzen gerechnet werden. Die komplexen Leistungen werden durch Ausführen der folgenden Operation bestimmt: Bei den Spannungsquellen gilt: S i = E i · I ∗i c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 52 Bei den Stromquellen gilt: S i = U i · I ∗qi wobei (U i : Spannung vom Knoten i zum Bezugsknoten) und Quellenleistungen (Sqi = −E1 I1∗ / − Uz2 I2∗ / − U z3I3∗ ): Spannungsquelle(E1 ) = −24.033 − j4.277 Stromquelle(I2 ) = + 4.466 + j2.574 Stromquelle(I3 ) = − 5.718 − j1.255 Summe der Leistungen = −22.781 − j5.596 Summe der Verbraucher (= 11.1.3 P i:alle (112) = 22.781 + j5.598 2 passiven Zweigelemente Z zi |I|zi ) Lösung mit dem Knotenpotentialverfahren Beim Knotenpotentialverfahren werden alle Spannungen von Knoten zu einem Bezugsknoten positiv gezählt. Alle Quellen müssen in Stromquellen umgewandelt werden, die in den Knoten angreifen. Der Strom des Bezugsknoten ist redundant und geht nicht in das Verfahren ein. In der Fig. 25 ist das Schema des Netzwerkes (22) gezeigt, das mit dem Knotenpotentialverfahren behandelt werden soll. Man beachte, dass neu die Knotennummer 1 eingeführt wurde in Fig. 22: der Knickpunkt der Line links von R1 + jX1 ). Die Spannungsquelle E1 der Fig. 22 wird jetzt neu mit dem “Innenwiderstand” −jX3 assoziiert. Diese neue Assoziation mit entsprechender Quellenwandlung ergibt schliesslich das Netz und die Knotenströme der Fig. 25. I1 I2 R1 + jX1 I3 jX2 2 1 3 R5 + jX5 −jX3 R4 U2 U1 U3 4 Abbildung 25: Netzwerk geeignet für die Lösung mit dem Knotenpotentialverfahren Bemerkung: Der Knoten 4 ist der Bezugsknoten. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 53 Der Knoten 4 ist der Bezugsknoten. Die Spannungen der Knoten 1, 2 und 3 sind auf diesen Knoten bezogen (vom Knoten zum Bezugsknoten positiv). Die Quellen sind wie verlangt Stromquellen, die an den Knoten angreifen. Der Wert der Stromquelle I1 ergibt sich durch Wandlung der Spannungsquelle E1 (= 10) und der in Serie liegenden Rektanz −jX3 (= −j4) in eine der Spannungsquelle entgegengerichtete, d.h. in den Knoten 1 hineingerichtete Stromquelle E I1 = −jX = j 10 4 = j2.5. 3 Bei der Aufstellung des Vektors der Knotenströme muss beachtet werden, dass die Knotenströme Iqz in den Knoten hineingehen müssen. Demnach hat der Stromvektor die folgenden Komponenten 0 +j2.5 I = 0.5 (113) −1 +j0.5 Für die Aufstellung der Knotenadmittanzmatrix wird das direkte Verfahren gewählt, siehe Abschnitt 7.3. Man erhält 0.1724 − j0.1810 −0.1724 + j0.4310 Y = −0.1724 + j0.4310 0.2974 − j0.7088 0 0 0 + j0.2778 0 + j0.2778 0.1724 − j0.3468 (114) Die Lösung für die Knotenspannungen erhält aus Y U = I: U = Y −1 I (115) Explizit lauten die Knotenspannungen (dh. die Spannungen den Knoten zum Bezugsknoten): U 1 = 11.7109 + j9.6132 U 2 = 8.9328 + j5.1488 (116) U 3 = 5.0761 − j1.2831 Von diesen Spannungen ausgehend lassen sich wieder alle übrigen unbekannten Grössen des Netzes bestimmen. Durch geeignete Umrechnung der Quellen lassen sich nun die Ergebnisse der beiden Verfahren miteinander vergleichen. Die Ergebnisse stimmen überein, Fehler treten nur bedingt durch die Ungenauigkeiten der Eingabe der Daten und der Matrizeninversion auf. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 11.2 54 Netzreduktion - Ersatznetze In vielen netzanalytischen Untersuchungen trifft man auf Aufgabenstellungen, bei der nach einer ersten Berechnung des Netzes dieses als Teil eines grösseren Netzes weiterverwendet wird. Die Topologie, die Impedanzen und Quellen ändern sich nicht mehr und das Interesse besteht im Verhalten, wie es von einem Klemmenpaar oder von wenigen Klemmen aus gesehen wird. Die Frage geht dann dahin, ob ein solches Netz auf diese Klemmen reduziert werden kann und ob dabei das Klemmenverhalten dem exakten Verhalten des Netzes entspricht. Die Antwort auf diese Frage soll mit Hilfe der Lösungsverfahren und durch eine elektrotechnische Interpretation der Ergebnisse gegeben werden. 11.2.1 Elimination von Variablen Wenn bei der Gauss’schen Elimination zur Lösung eines Gleichungssystems eine Variable verschwindet bzw. durch Rechenoperationen sozusagen kompensiert wird, entsteht gleichzeitig durch reduzierte Gleichungssysteme ein Netzgebilde, das anschaulich interpretiert werden kann. Zum besseren Verständnis soll zuerst der Eliminationsvorgang betrachtet werden. Es wird dazu ein lineares Gleichungssystem mit Koeffizienten aij , rechten Seiten bi und Variablen xi herangezogen. a11 x1 + a12 x2 + a13 x3 = b1 a21 x1 + a22 x2 + a23 x3 = b2 (117) a31 x1 + a32 x2 + a33 x3 = b3 Die Variable x1 wird durch Division der ersten Zeile durch a11 und nachfolgendes Substrahieren der Zeile nach Multiplikation mit a21 bzw. a31 von der 2. und 3. Zeile eliminiert. Es bleiben zwei Gleichungen in x2 und x3 . (a22 − a12 aa21 )x2 + (a23 − a13 aa21 )x3 = b2 − b1 aa21 11 11 11 (118) (a32 − a12 aa31 )x2 + (a33 − a13 aa31 )x3 = b3 − b1 aa31 11 11 11 Wenn nun die in Klammern stehenden Ausdrücke wieder als Koeffizienten einer Systemmatrix aufgefasst werden, so kann ihnen eine Bedeutung als Impedanz oder Admittanz zugeordnet werden. Damit lassen sich auch Ersatzschaltungen aufstellen, die funktionell genauso verstanden werden können, wie jede andere Schaltung. Gleichzeitig lassen sich die Beziehungen zwischen den Originalschaltungen und den Ersatzschaltungen angeben. Zu beachten ist, dass auch die rechten Seiten modifiziert werden. Die rechten Seiten beinhalten die Quellen, die nach eineer Elimination die ursprünglichen Quellen in modifizierter Form aufzeigen. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 55 Die Quellen werden demnach nicht eliminiert, sondern nur umgewandelt. Dieser Vorgang der Elimination kann nun formell bei beiden Lösungsverfahren zur Anwendung gelangen. Die Interpretation der Ergebnisse ist jedoch unterschiedlich. 11.2.2 Elimination eines Knotens Die Elimination eines Knotens soll anhand eines dreiknotigen Netzes veranschaulicht werden. Die geeignete Netzdarstellung dafür ist die Admittanzmatrix des Knotenpotentialverfahrens. Ein Schema des Netzes ist in Fig. 26 gegeben. y13 I3 I1 I2 2 3 1 y23 y12 y20 y30 4 Bezugsknoten Abbildung 26: Beispielnetz für die Knotenelimination An den drei Knoten wirken Ströme I1 , I2 , I3 . Der Knoten 1 soll eliminiert werden. Die Netzgleichungen lauten Y11 · U1 + Y12 · U2 + Y13 · U3 = I1 Y21 · U1 + Y22 · U2 + Y23 · U3 = I2 (119) Y31 · U1 + Y32 · U2 + Y33 · U3 = I3 P mit Yij (i 6= j) = −yij und Yii = j∈i,i6=j yij + yi0 . Nach den erwähnten Operationen erhält man (Y22 − Y12 YY21 ) · U2 + (Y23 − Y13 YY21 ) · U3 = I2 − I1 YY21 11 11 11 (120) (Y32 − Y12 YY31 ) · U2 + (Y33 − Y13 YY31 ) · U3 = I3 − I1 YY31 11 11 11 Dieses Gleichungssystem steht offensichtlich für ein zweiknotiges Netz. U2 und U3 sind die Knotenspannungen, die rechten Seiten stellen die Knotenströme dar. Die letzteren setzen sich aus den ursprünglichen Strömen I2 und I3 , sowie aus Anteilen des Knotenstromes I1 zusammen. Diese Anteile sind vom Knoten 1 auf den Knoten 2 und 3 verlagert worden. Man spricht auch von verworfenen Strömen. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 56 Die Admittanzen des modifizierten Gleichungssystems können auch in Admittanzen eines Netzwerkes umgesetzt werden. So kennzeichnen die neu vorliegenden Terme in der Nebendiagonale 0 y23 = Y13 YY21 = Y12 YY31 11 11 (121) die Zweigadmittanz zwischen den Knoten 2 und 3. Die Diagonalelemente geben per Definition die Summe der vom Knoten aus gesehenen Admittanzen an. Unter Berücksichtigung der Ersatzzweigadmittanz vom Knoten 2 nach 3 setzt sich das Diagonalelement ii wie folgt zusammen: Aus • dem ursprünglichen Element vom Knoten zum Bezugsknoten yi0 • dem ursprünglichen Element vom Knoten zum Nachbarknoten yij 0 • der Ersatzzweigadmittanz vom Knoten zum Nachbarknoten yij (121) 0 • einer neu vorliegenden Ersatzadmittanz vom Knoten zum Bezugsknoten yi0 Die entsprechenden Beziehungen für die beiden Diagonalelemente des zweiknotigen Ersatznetzes lauten. 0 0 Y22 − Y12 YY21 = y20 + y23 + y23 + y20 11 Y33 − Y13 YY31 11 = y30 + 0 y32 + y32 0 + y30 (122) Die ungestrichenen Admittanzen sind aus der Aufgabenstellung bekannt (y23 = y32 ). Für die gestrichenen Grössen gilt 0 0 y23 = y32 = Y13 Y21 Y12 = Y31 Y11 Y11 (123) 0 und y 0 müssen somit aus den obigen beiden Die beiden Ersatzadmittanzen y20 30 Gleichungen bestimmt werden. 0 0 y20 = Y22 − Y12 YY21 − y20 − y23 − y23 11 0 = Y − Y Y31 − y − y − y 0 y30 33 13 Y11 30 32 32 (124) Für die zusätzlichen Knotenströme I20 und I30 gelten die Werte der rechten Seite von (120): I20 = −I1 YY21 11 I30 = −I1 YY31 11 (125) Das Ersatznetz mit den einzelnen Admittanzen und Stromquellen ist in Fig. 27 veranschaulicht. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 57 0 y23 I20 I30 I2 I3 2 3 y23 0 y20 y20 0 y30 y30 4 Abbildung 27: Ersatznetz mit den verworfenen Knotenströmen Die Ersatznetzbildung kann beliebig erweitert werden, d.h. ein Netz, das ursprünglich mit k Knoten (einschliesslich Bezugsknoten) gegeben ist, kann so Schritt um Schritt auf zuletzt einen einzigen Knoten reduziert werden. Die Systemgleichungen (Knotengleichungen) bleiben formal unverändert. Es ändert sich die Knotenpunktsadmittanzmatrix und es ändern sich die Knotenströme. Dabei addieren sich zu den an den l Knoten ursprünglich vorhandenen Knotenströmen Ersatzströme (verworfene Ströme). Formal ergibt sich folgendes Gleichungssystem (n < k) Y11r Y21r . Y12r Y13r Y14r .... Y1nr Y22r Y23r Y24r .... Y2nr . . . . Yn1r Yn2r Yn3r Yn4r .... Ynnr U1 U2 · . Un = I1 I2 . +I1r +I2r . I3 +I3r (126) Dabei ist zu beachten, dass die Knotenspannungen des Ersatznetzes mit denjenigen Spannungen der Knoten, die nicht eliminiert werden, exakt übereinstimmen. Ui = Ui für die gleichen Knoten i Ersatznetz Originalnetz (127) Die Admittanzen sind mit einem Index r versehen (reduziert), was andeuten soll, dass sie modifiziert wurden. Die Knotenströme Ii sind die ursprünglichen Knotenströme, Iir sind die verworfenen Knotenströme. Ein solches Ersatznetz könnte in ein anderes Netz eingebaut werden, indem man die Knotenströme und Admittanzen in ein neues Gleichungssystem übernimmt. Durch eine Quellenraumwandlung kann die eine oder andere Stromquelle in eine Spannungsquelle übergeführt werden. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 11.2.3 58 Elimination einer Masche In Analogie zur Elimination eines Knotens kann auch eine Masche, genauer ein Maschenstrom, eliminiert werden. Wird ein Knoten eliminiert, so können mehrere Maschen verschwinden. Wird eine Masche eliminiert, so können in Analogie mehrere Knoten verschwinden. Ein Knotenstrom wird auf mehrere Nachbarknoten verworfen. Eine Maschenspannung wird auf mehrere Nachbarmaschen verworfen. Zur Veranschaulichung des Vorgehens wird wieder ein Beispielnetz betrachtet, siehe Fig. 28. - E1 + I1 R1 R5 R6 E2 E3 + + R4 - R2 R3 I2 I3 Abbildung 28: Netzwerk geeignet für Maschenelimination Die Systemgleichungen lauten (1, 2, 3: Sehnen; abgekürztes Verfahren): (R1 + R5 + R6 )I1 −R5 I2 −R5 I1 +(R2 + R4 + R5 )I2 −R6 I1 −R6 I3 = −E1 −R4 I3 = E2 (128) −R4 I2 +(R3 + R4 + R6 )I3 = −E3 Die drei Ströme I1 , I2 , I3 sind Maschenströme, die mit den Sehnenströmen I1 , I2 , I3 identisch sind. Nun soll der Maschenstrom I1 eliminiert werden und damit die Masche 1. Formal geht man gleich wie bei der Knotenelimination vor. Es geht dann um die Interpretation des Ergebnisses. Für den Eliminationsprozess ist es vorteilhaft, mit den Symbolen der Maschenimpedanzmatrix zu arbeiten. Es gilt c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ Z11 = R1 + R5 + R6 , Z12 = −R5 , Z13 = −R6 Z22 = R2 + R4 + R5 , Z23 = −R4 Z33 = R3 + R4 + R6 , Z21 = Z12 , Z31 = Z13 , Z32 = Z23 Em1 = −E1 Em2 = E2 Em3 = −E3 59 (129) Es wird hier das Gleichungssystem angeschrieben, das sich nach Elimination des Maschenstromes I1 ergibt. Z21 Z21 Z21 (Z22 − Z12 Z )I2 + (Z23 − Z13 Z )I3 = Em2 − Em1 Z 11 11 11 (130) Z31 Z31 Z31 (Z32 − Z12 Z )I2 + (Z33 − Z13 Z )I3 = Em3 − Em1 Z 11 11 11 Die beiden Maschenströme I2 und I3 behalten bei diesem Schritt ihre Bedeutung, ebenso die ursprünglichen Maschenspannungen. Neu scheinen zusätzliche (verworfene) Maschenspannungen auf, ebenso modifizierte Impedanzen. Für die Erstellung des 2-Maschen-Ersatznetzes müssen die ursprünglichen Impedanzen des Netzwerkes betrachtet werden. Z22 − Z12 Z21 R5 2 = R2 + R4 + R5 − Z11 R1 + R5 + R6 (131) Ohne hier eine detaillierte Herleitung zu geben, kann gezeigt werden, dass die Lösung für die Ersatzimpedanzen wie folgt ist: R04 = R5 R6 R1 R5 R1 R6 R05 = R06 = R1 + R5 + R6 R1 + R5 + R6 R1 + R5 + R6 (132) Für die verworfenen (zusätzlichen) Maschenspannungen werden entsprechende Symbole eingeführt: Z21 R5 E20 = −Em1 Z = −E1 R1 +R 11 5 +R6 Z31 R6 E30 = −Em1 Z = −E1 R1 +R 11 5 +R6 (133) Mit diesen Ersatzgrössen lässt sich ein Ersatznetz angeben, das nur zwei Maschen enthält. Das Schema mit diesen Grössen ist in Fig. 29 angegeben. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ E20 + 60 E30 - + R06 R05 R04 + + E2 E3 - R4 R2 R3 I2 I3 Abbildung 29: Reduziertes Ersatznetz mit zwei Maschen c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 11.3 11.3.1 61 Stern- und Dreieckschaltung Erscheinungsformen und Bezeichnungen In der Elektronik, Kommunikationstechnik und Energieübertragung kommen häufig Schaltungen vor, die aufgrund ihres Schaltbildes als Stern- und Dreieckschaltungen bezeichnet werden. Ihre Graphen stellen auch genau einen Stern bzw. ein Dreieck dar, wie sie in Fig. 30 gezeigt sind. Abbildung 30: Graphen von Stern- und Dreiecksschaltungen Ihre Ausstattung mit Impedanzen und Quellen kann vielfältig sein. So können Stern- und Dreieckschaltungen in Erscheinung treten als • Stern von drei Impedanzen ohne Quellen (= vierknotiges Netz), siehe Fig. 31, links. • Dreieck mit drei Impedanzen ohne Quellen (= dreiknotiges Netz), siehe Fig. 31, rechts. 1 2 Z1 1 Y12 2 Z2 Y31 Z3 3 Y23 3 Abbildung 31: Stern-Dreieckschaltungen ohne Spannungsquellen • Stern von drei Impedanzen mit zwei Spannungsquellen in den Zweigen (= vierknotiges Netz), siehe Fig. 32, links. • Dreieck mit drei Impedanzen mit zwei Spannungsquellen in den Zweigen (= dreiknotiges Netz), siehe Fig. 32, rechts. • Die Schaltungen mit Quellen können jeweils auch mit Stromquellen auftreten, siehe Fig. 33 Die Schaltungen für sich allein betrachtet haben wenig praktische Bedeutung oder sie bereiten wegen ihrer Einfachheit keine Schwierigkeiten bei der systemanalytischen Behandlung. Dagegen sind sie als eingebettete Elemente in ausgedehnten c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 1 E1 E2 62 2 E12 Z1 Y12 1 2 Z2 E31 Z3 Y23 Y31 3 3 Abbildung 32: Stern-Dreieckschaltungen mit Spannungsquellen I1 Y12 1 Y31 2 I2 Y23 3 I3 Abbildung 33: Stern-Dreieckschaltungen mit Knoten-Stromquellen Schaltungen von grosser Wichtigkeit. Ein Beispiel ist das Dreiphasensystem der Energieübertragung, das Stern- und Dreieckschaltungen enthält. Für die weiteren Betrachtungen werden die Stern- und die Dreieckschaltungen als Netz mit drei zugänglichen Knoten angesehen. Der vierte Knoten, der bei der Sternschaltung vorhanden ist, soll immer stromlos bleiben. Dann können die folgenden Aussagen gemacht werden: • Die Summe der drei von den Schaltungen aufgenommenen Ströme ist Null • Die drei zwischen den Knoten bestehenden Spannungen ergänzen sich zu Null Um vorläufig möglichst allgemein zu bleiben, werden Schaltungen betrachtet, bei denen die drei Knoten Spannungen gegen einen Bezugsknoten aufweisen sollen. Für die Herleitung der Systemgleichungen werden keine Quellen innerhalb der Schaltungen betrachtet. Bei allen nachfolgenden Überlegungen ist das Ziel gesetzt, gegen aussen eine unveränderte Wirkung der Dreiecks- oder Sternschaltung zu erzielen. Es wird gezeigt werden, welche äquivalente Schaltungen für passive Stern- oder c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 63 Dreieckschaltungen wie auch solche kombiniert mit Strom- oder Spannungsquellen identisch gegen aussen wirken. 11.3.2 Sternschaltung Für die Sternschaltung sollen die Impedanzen zwischen den Knoten und dem Sternpunkt gegeben sein, siehe Schema in Fig. 34. 1 2 Z1 Z2 Z3 3 Abbildung 34: Sternschaltung ohne Quellen Für die Herleitung der Systemgleichungen wird vom vierknotigen Netz ausgegangen. Es gilt eine allgemeine Knotenpunktsadmittanzmatrix YU = I (134) wobei voraussetzungsgemäss der Strom des Sternpunktes gleich Null sein soll, d.h. I1 I2 I= I3 (135) 0 Die Spannung des Sternpunktes (U4 )wird vorläufig betrachtet, später jedoch eliminiert. Die Admittanzen der Y-Matrix bilden sich wie folgt. Y11 = 1 Z1 , Y12 = 0, Y13 = 0, Y14 = − Z11 Y22 = 1 Z1 , Y21 = 0, Y23 = 0, Y24 = − Z12 Y33 = 1 Z3 , Y31 = 0, Y32 = 0, Y34 = − Z13 Y44 = 1 Z1 + 1 Z2 + 1 Z3 , Y41 (136) = Y14 , Y42 = Y24 , Y43 = Y34 Die Y-Matrix ist schwachbesetzt, wie aus dem folgenden Schema ersichtlich ist. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 64 Y11 0 Y = 0 0 0 Y14 Y22 0 Y24 0 (137) Y33 Y34 Y41 Y42 Y43 Y44 An dieser Stelle ist es sinnvoll, den Sternpunkt (bzw. dessen Knotenspannung U4 ) zu eliminieren: U1 I1 U2 I2 Y = U3 I3 U4 (138) 0 Dabei wird die letzte Zeile durch das Diagonalelement Y44 dividiert und dann, nach Multiplikation mit Y14 (= Y41 ), Y24 (= Y42 ) und Y34 (= Y43 ) von den Zeilen 1 bis 3 subtrahiert. Die Y-Matrix des reduzierten dreiknotigen Netzes hat sodann die folgenden Koeffizienten. 11.3.3 Y11 = Z2 +Z3 Z1 Z2 +Z2 Z3 +Z1 Z3 Y22 = Z1 +Z3 Z1 Z2 +Z2 Z3 +Z1 Z3 Y33 = Z1 +Z2 Z1 Z2 +Z2 Z3 +Z1 Z3 Y12 = −Z3 Z1 Z2 +Z2 Z3 +Z1 Z3 Y13 = −Z2 Z1 Z2 +Z2 Z3 +Z1 Z3 Y23 = −Z1 Z1 Z2 +Z2 Z3 +Z1 Z3 (139) Dreieckschaltung Für eine Dreieckschaltung sollen die Admittanzen zwischen den Knoten gegeben sein. Das entsprechende Schema ist in Fig. 35 angegeben. Die Knotengleichungen sind einfach aufzustellen. Y11 · U1 + Y12 · U2 + Y13 · U3 = I1 Y21 · U1 + Y22 · U2 + Y23 · U3 = I2 Y31 · U1 + Y32 · U2 + Y33 · U3 = I3 wobei (140) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 1 65 2 y12 y31 y23 3 Abbildung 35: Dreiecksschaltung ohne Quellen Y11 = y12 + y13 , Y12 = −y12 , Y13 = −y13 , Y22 = y12 + y23 , Y23 = −y23 , Y33 = y13 + y23 , (141) Y21 = Y12 , Y31 = Y13 , Y32 = Y23 Falls das Netz durch Impedanzen spezifiziert ist, sind die Admittanzen einfach durch Kehrwertbildung zu bestimmen. Eine Inverse der Admittanzmatrix, d.h. eine Impedanzmatrix existiert nicht, da erstere wegen der verschwindenden Stromsumme singulär ist. 11.3.4 Stern-Dreieck-Umwandlung Durch Vergleich der Admittanzen der Y-Matrix wird es offensichtlich, dass die Admittanzen der Dreieckschaltung eindeutig aus den Impedanzen der Sternschaltung bestimmt sind und zwar y12 = Z3 Z1 Z2 +Z2 Z3 +Z1 Z3 y13 = Z2 Z1 Z2 +Z2 Z3 +Z1 Z3 y23 = Z1 Z1 Z2 +Z2 Z3 +Z1 Z3 (142) Bei vorgegebenen Impedanzen der Sternschaltung sind damit die Admittanzen (Impedanzen) der Dreieckschaltung bestimmt. Hier ergibt sich sofort die Frage nach der Umkehrung der Umwandlung, d.h. die Bestimmung der Sternimpedanzen aus den Dreiecksadmittanzen. Diese Frage kann durch Vergleich der Koeffizienten der Maschenimpedanzmatrizen beantwortet werden, die im vorangehenden Abschnitt berechnet wurden. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 11.3.5 66 Dreieck-Stern-Umwandlung Die Umwandlung eines Dreiecks in einen Stern ist der duale Prozess zur Umwandlung des Sterns in ein Dreieck. Man geht von einer Dreiecksschaltung aus, bei der die innere Masche als die 4. Masche des Netzwerks aufgefasst wird. Die ersten drei Maschen sind die äusseren Maschen, die durch die Einbettung des Dreiecks in ein grösseres Netz entstehen. Dieses äussere Netz muss für die vorliegende Betrachtung nicht detailliert abgebildet werden. Es wird nur durch die anliegenden Spannungen dargestellt. Ein Schema für ein solches Dreieck ist in Fig. 36 gegeben. 1 y12 1 2 4 y31 y23 2 3 3 Abbildung 36: Dreiecksschaltung mit äusseren Maschen Die innere Masche (Masche 4) soll eliminiert werden. Dazu wird die Maschenimpedanzmatrix Zm betrachtet. Zm Z11 0 = 0 0 0 Z22 0 0 Z14 Z24 Z33 Z34 Z41 Z42 Z43 Z44 (143) Diese hat strukturell die gleiche Gestalt wie die Knotenadmittanzmatrix (137). Es soll hier auch die letzte Zeile eliminiert werden, daher müssen die gleichen Operationen wie bei der Elimination des 4. Knotens (Sternpunkt) durchgeführt werden und formal müssen auch die gleichen Ergebnisse resultieren. Durch Vertauschen der Admittanzsymbole durch Impedanzsymbole in den Gleichungen (137) und (142) erhält man c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 67 Z1 = y23 y12 y13 +y13 y23 +y23 y12 Z2 = y13 y12 y13 +y13 y23 +y23 y12 Z3 = y12 y12 y13 +y13 y23 +y23 y12 (144) Damit können bei Kenntnis der Dreiecksadmittanzen die Sternimpedanzen der äquivalenten Schaltung bestimmt werden. 11.3.6 Π - und T-Schaltungen In vielen Anwendungen treten Stern- und Dreieckschaltungen nicht als allgemein eingebettetes Netzwerk, sondern als Vierpol (Zweitor) auf. Ein Knoten übernimmt dabei die Rolle des Bezugsknotens und zwar sowohl für den Eingang als auch für den Ausgang. Damit entsteht ein Klemmenpaar für den Eingang und ein Klemmenpaar für den Ausgang. Die Spannungen werden vom Eingangs-, bzw. Ausgangsknoten gegen den Bezugsknoten gezählt. Es interessieren nur die beiden Knotenströme (Eingang und Ausgang). Die Figuren 37 und 38 zeigen die Schemata dieser Schaltungen. 1 I1 I2 2 y12 U1 y10 y20 U2 3 Abbildung 37: Π-Schaltung 1 I1 I2 Z1 Z2 U1 Z3 2 U2 3 Abbildung 38: T-Schaltung Für diese Schaltungen können die Systemgleichungen auf jeweils zwei Variablen reduziert werden. Man erhält sie unmittelbar, wenn man in den Knotengleichungen c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 68 der allgemeinen Form für Stern bzw. Dreieck die Spannung des dritten Knotens (3) auf Null setzt (der Knoten 3 ist der Bezugsknoten mit Spannung 0). Y11 U1 +Y12 U2 = I1 (145) Y21 U1 +Y22 U2 = I2 Die Y-Matrix dieser Schaltungen ist im allgemeinen invertierbar und daher existiert eine Impedanzmatrix (Z-Matrix) Z11 I1 + Z12 I2 = U1 (146) Z21 I1 + Z22 I2 = U2 Dieses Gleichungssystem bildet gleichzeitig die Maschengleichungen für die TSchaltung. Die Koeffizienten der Y-Matrix und Z-Matrix werden aus den Zweiggrössen wie folgt gebildet: Π - Schaltung: Y11 = y10 + y12 , Y12 = −y12 Y21 = −y12 , Y22 = y20 + y12 (147) Z11 = (y20 + y12 )/∆, Z12 = y12 /∆ Z21 = y12 /∆, Z22 = (y10 + y20 ) wobei ∆ = y10 y20 + y12 (y10 + y20 ) T-Schaltung: Y11 = (Z2 + Z3 )/∆z, Y12 = −Z3 /∆z Y21 = −Z3 /∆z, (148) Y22 = (Z1 + Z3 )/∆z wobei ∆z = Z1 Z2 + Z1 Z3 + Z2 Z3 Π- und T-Schaltungen können damit als Zweiknotennetzwerke (mit den Knoten 1 und 2) für sich betrachtet oder als Ersatzschaltungen in andere Netze eingebaut werden. Eine häufig angewendete Anwendung ist die Reihenschaltung solcher Elemente, die in der Kommunikationstechnik und in der Energieübertragung eine grosse Rolle spielen (siehe Kapitel 12). 11.3.7 Behandlung der Quellen in der Stern- und Dreieckschaltung Im allgemeinen können sich in den Zweigen der Schaltungen Strom- und Spannungsquellen befinden. Ihre Behandlung bei der Aufstellung der Systemgleichungen erfolgt nach den Regeln der Analyseverfahren. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 69 Bezüglich der Vorgabe der Quellen ist zu erwähnen, dass wohl jeweils drei Quellen im Stern oder Dreieck vorgegeben werden können, diese sich jedoch immer auf zwei Quellen reduzieren lassen. Demnach kann bei Vorhandensein von Quellen von Schaltungen ausgegangen werden, wie sie in Fig. 32 gezeigt werden. Es sei nochmals festgehalten, dass der Strom im Sternpunkt mit Null angenommen wird. Dann gilt folgendes: • es ist nicht sinnvoll, mehr als zwei Stromquellen an den drei äusseren Knoten vorzusehen, da sich der dritte Strom aus der Stromsumme gleich Null ermitteln lässt. • Knotenströme an einer Sternschaltung vorzugeben, die sonst keinerlei äussere Verbindung hat, ist nicht sinnvoll, da diese Ströme zugleich Zweigströme sind. • in der Stern- wie in der Dreiecksschaltung genügt die Vorgabe von zwei Zeigspannungsquellen. Bei Vorgabe von drei Spannungsquellen ist immer eine Rückführung auf zwei Spannungsquellen möglich. Die letztgenannte Rückführung wird nun im folgenden behandelt. Es wird von einer Sternschaltung ausgegangen, bei der in drei Zweigen je eine Spannungsquelle vorhanden ist, siehe Fig. 39. E2 + E1 - + - Z1 Z2 Z3 - E3 + Abbildung 39: Sternschaltung mit Spannungsquellen Die Spannungsquellen dürfen beliebig vorgegeben werden, was in dieser Allgemeinheit dazu führt, dass bei eventueller Umwandlung in Stromquellen am Sternpunkt ein Nettostrom ungleich Null entstehen würde. Die Konfiguration mit Stromquellen wird jedoch bei dieser vorläufig nicht betrachtet. Die Spannungsquellen können nun verschoben werden, solange die Summe der eingeprägten Spannungen (Maschenspannungen) unverändert bleibt. In Fig. 40 ist im Zweig 2 die Quelle E2 ein zweites Mal (fett eingetragen) mit negativem Vorzeichen angebracht. Als Kompensation sind in den Zweigen 1 und 3 c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 70 Quellen E2 (auch fett eingetragen) eingefügt worden. Die drei Maschenspannungen bleiben damit unverändert. Der Hauptunterschied ist aber, dass im Zweig 2 nun aber die eingeprägte Spannung gleich Null. E2 E2 - E2 ++ E1 - ++ + - E2 − E1 - Z1 Z2 Z1 Z3 Z2 Z3 = - E3 + + + E2 - E2 − E3 - Abbildung 40: Gegen aussen identisch zu Fig. 39 wirkende Sternschaltung mit verschobenen Spannungsquellen Damit ist gezeigt, dass mit zwei eingeprägten Spannungen die Sternschaltung vollkommen allgemein spezifiziert werden kann. Die Dreiecksschaltung wird nun in entsprechender Weise behandelt. Dabei wird von der Schaltung in Fig. 41 ausgegangen. Die Schaltung beinhaltet drei Spannungsquellen, die in Stromquellen umgewandelt werden können. Die Ersatzschaltung ist in Fig. 42 angegeben. Jetzt können die Quellenströme an den Knoten zu Knotenströmen zusammengefasst werden. Mit den Knotenströmen I1 und I2 lassen sich Stromquellen zwischen den Knoten 1 und 3 sowie zwischen den Knoten 2 und 3 bilden, die wieder in Spannungsquellen umgewandelt werden können. Damit erhält man eine Dreiecksschaltung mit zwei äquivalenten Spannungsquellen, siehe dazu Fig. 43. E12 1 + - Y12 2 + Y31 - E31 E23 Y23 + 3 Abbildung 41: Dreiecksschaltung mit Spannungsquellen c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ I12 = −E12 Y12 Y31 I31 − I12 Y12 Y31 Y23 I31 = −Y31 E31 71 I12 − I23 Y12 Y23 I23 = −E23 Y23 I23 − I31 Abbildung 42: Ersatzschaltung mit Stromquellen für die Anordnung in Fig. 41 Damit ist auch für die Dreiecksschaltung gezeigt, dass mit zwei Spannungsquellen in den Zweigen die Schaltung ganz allgemein spezifiziert werden kann. Bei Bedarf kann jeweils auf drei Spannungsquellen umgerechnet werden. Dabei ist es offensichtlich, dass die Umrechnung auf drei Quellen nicht eindeutig ist. Man hat somit die Wahl der Spannungshöhe in einem der Zweige. Y12 Y12 1 1 + I1 = I12 − I31 2 2 Y23 Y31 - 1 E13 = − YI31 Y23 + Y31 I2 = −I12 + I23 - b) a) 3 2 E23 = − YI23 3 Abbildung 43: Dreiecksschaltung mit zwei Stromquellen (a) und den zwei äquivalenten Spannungsquellen (b) Quellen in der Dreieck- nach Sternumwandlung Für die Umwandlung einer Dreieck- in eine Sternschaltung mit Quellen wird die Fig. 41 herangezogen. Im Prinzip werden für die Umwandlung der Schaltung die Maschengleichungen benutzt, ähnlich wie bei der Ableitung der Sternimpedanzen (144). Es wird die innere Masche 4 eliminiert. In diesem Fall muss die Maschenspannung auf die verbleibenden Maschen verworfen werden. Dadurch entsteht wie schon vorher gezeigt, eine Sternschaltung. Dieser Effekt kann nun ausgenutzt werden: In einem ersten Schritt wird von der Schaltung der Fig. 41 auf diejenige der Fig. 42 übergegangen. Jetzt kann die innere Dreieckschaltung der Impedanzen auf eine äquivalente Sternschaltung gemäss (144) umgewandelt werden, siehe Fig. 44: Da die Summe der drei Stromquellen gleich Null ist, kann man sich ein Ende jeder Knotenstromquelle auch im 4. Sternpunkt vorstellen, siehe Fig. 45. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 72 I12 1 2 Z1 Z2 I31 I23 Z3 3 Abbildung 44: Schaltung mit Stern-Impedanzen und drei Stromquellen Nun können diese drei Stromquellen noch in Spannungsquellen umgewandelt werden, siehe Fig. 46. In der Fig. 46 sind die Ersatzspannungen E10 , E20 , E30 in den Zweigen eingetragen. Diese drei Spannungen lassen sich jedoch wieder auf zwei Quellen zurückführen, wie es auch in den Fig. 39 und 40 gezeigt wurde. Diese analytische Ableitung zeigt nun auch, dass die Rückumwandlung der Sternspannungen in Dreiecksspannungen nicht eindeutig möglich ist. 1 2 Z1 Z2 I2 = I12 − I23 I1 = I31 − I12 I3 = I23 − I31 Z3 3 Abbildung 45: Sternpunkt Schaltung mit Stern-Impedanzen und drei Stromquellen gegen den c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ E10 = I1 Z1 + - + - Z1 E20 = I2 Z2 Z2 Z3 - + E30 = I3 Z3 Abbildung 46: Sternschaltung mit drei Ersatzspannungsquellen 73 c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 11.4 11.4.1 74 Gegenseitige Induktivitäten Kopplung und Punktregel Zwei Spulen, die ein magnetisches Feld umschliessen, d.h. dieses erregen, beeinflussen sich elektrisch gegenseitig. Grundsätzlich sind elektrische Leiter im Raum magnetisch gekoppelt. Von gekoppelten Wicklungen oder Spulen spricht man aber nur, wenn sie sich räumlich nahe nebeneinander befinden. Aber auch Linienleiter, die über weite Strecken parallel angeordnet sind, weisen eine magnetische Kopplung auf. Der klassische Vertreter einer gekoppelten Spulenanordnung ist jedoch der Transformator. Zwei Schaltkreise, die eine magnetische Kopplung aufweisen, sind schematisch in Fig. 47 und Fig. 48 gezeigt. L1 M L2 Abbildung 47: Kopplung zweier Stromkreise M L2 L1 Abbildung 48: Kopplung innerhalb eines Netzwerkes In jedem Fall tritt neben der Selbstinduktivität L bzw. Li die Gegeninduktivität M in Erscheinung. Sie gibt an, in welchem Mass der in der zweiten Wicklung fliessende Strom auf die erste Wicklung zurückwirkt und zwar im Sinne einer Gegenspannung. Die Wirkung ist reziprok, d.h. der Strom der ersten Wicklung wirkt ebenso auf die zweite Wicklung. Fig. 49 zeigt zwei Spulen, welche über einen gemeinsamen Eisenkern gekoppelt sind. Dieser Kern führt den magnetischen Fluss Φ. Die Anordnung bewirkt ein Kopplung. Um die korrekten Vorzeichen für die Spannungen der Gegeninduktivität zu bestimmen, kann die “rechte-Hand-Regel” auf jede der zwei Spulen angewendet werden: Wenn man die Finger in derjenigen Stromrichtung, welche in der Anordnung c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 75 eingezeichnet ist, krümmt, zeigt der Daumen in die Richung des magnetischen Flusses. Die daraus resultierenden positiven Richtungen Φ1 und Φ2 sind in der Fig. 49 eingezeichnet. I1 φ1 φ2 L1 L2 ⇒ U1 M Abbildung 49: Kopplung zweier Stromkreise: Ströme, Flüsse, Induktivitäten Schematisch wird diese Flussrichtung und die daraus resultierende Gegeninduktivität durch einen Punkt jeweils pro Spule dargestellt. Um diese zwei Punkte einem Paar gekoppelter Spulen zuzuordnen, geht man wie folgt vor: Man wähle eine Stromrichtung für eine der Spulen und setzt einen Punkt an diejenige Klemmen, an welcher diese Strom in die Wicklung hineinfliesst. Danach bestimmt man den entsprechenden magnetischen Fluss durch Anwenden der vorher erwähnten “rechte-Hand-Regel”. Der Fluss der anderen Wicklung ist dann (nach der Lenzschen Regel) entgegengesetzt zum ersten Fluss. Mit Hilfe der rechte-Hand-Regel findet man danach die Richtung des natürlichen Stroms, die diesem zweiten Fluss entspricht. Nun setzt man einen Punkt an diejenige Klemme der zweiten Wicklung, an welcher der natürliche Strom aus der Wicklung herausfliesst. Diese Klemme ist gleichzeitig mit der Klemme der ersten Wicklung, bei der der ursprüngliche Strom hineinfliesst, positiv (d.h. die Spannung geht von der positiven Klemme zur anderen, der negativen). Wenn die momentane Polarität der gekoppelten Spulen derart durch Punkte angezeigt ist, benötigt man die graphische Darstellung des Kerns mit seinem Wicklungssinn nicht mehr und die gekoppelten Spulen können z.B. so wie in Fig. 50 dargestellt werden. Aus diesen Überlegungen resultiert die wichtige Punktregel: 1. Wenn die angenommenen Ströme zweier gekoppelter Spulen über die mit Punkt gekennzeichneten Klemmen entweder beide verlassen oder über diese Klemmen beide hineinfliessen, dann sind die Vorzeichen der M-Terme dieselben wie die der L-Terme. 2. Wenn ein Strom über eine mit Punkt gekennzeichnete Klemme hineinfliesst und der andere über eine mit Punkt gekennzeichnete Klemme herausfliesst, dann sind die Vorzeichen der M-Terme entgegengesetzt zu denen der L-Terme. Bei diesen Überlegungen wird immer das Verbraucherzählpfeilsystem angenommen, d.h. die Spannungen U1 und U2 haben die gleiche Richtung wie die angenommenen Ströme I1 und I2 . c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 76 Wenn eine oder beide Spannungen sich nicht gemäss dem Verbraucherzählpfeilsystem verhalten, dann müssen die Vorzeichen anschliessend an die obige Punktregel noch für die entsprechenden Terme verändert werden. I1 M U1 L1 L2 U2 I2 Abbildung 50: Beispiel zweier gekoppelter Stromkreisen Gemäss der Punktregel gilt: jωL1 I1 +jωM I2 = U1 (149) jωL2 I2 +jωM I1 = U2 Eine weitere Modellanordnung zur Darstellung der gegenseitigen Beeinflussung gibt die Fig. 51 wieder I1 I2 M R1 U1 R2 L1 L2 U2 Abbildung 51: Gekoppelte Wicklungen Man beachte die Zählpfeile der Ströme und die beiden Punkte an den Spulensymbolen, die angeben, dass die Spulen gleichsinnig gewickelt sind. Für diese Anordnung lassen sich zwei Maschengleichungen aufstellen U1 = R1 I1 + jωL1 I1 + jωM I2 (150) U2 = R2 I2 + jωL2 I2 + jωM I1 jωL, jωL2 und jωM sind als Reaktanzen aufzufassen. Damit unterscheiden sich die beiden Maschengleichungen nicht von den bisher behandelten Maschengleichungen. Die Reaktanz jωM ist den beiden Maschen gemeinsam und kann wie jede andere diskrete Reaktanz behandelt werden. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 77 Diese Ueberlegung ist auch der Ausgangspunkt für die Behandlung von Gegeninduktivitäten mit den beschriebenen Analyseverfahren. 11.4.2 Ersatzschaltung von gekoppelten Wicklungen Um gekoppelte Wicklungen systematisch behandeln zu können, bedarf es einer Anpassung oder zumindest einer geeigneten Interpretation der obigen Maschengleichungen. Dabei muss das Ziel die Einbindung von gekoppelten Wicklungen in das Maschenund in das Knotenpotentialverfahren sein. Maschenverfahren mit gekoppelten Wicklungen Für das Maschenverfahren ist die Bildung einer Ersatzschaltung mit künstlichen, durch die Gegeninduktivitäten hervorgerufenen Spannungsquellen ein geeigneter und systematischer Ansatz. Aus den Figuren des vorangehenden Abschnitts ist ersichtlich, dass die Wirkung der Gegeninduktivität wie zwei vom Strom der anderen Seite “abhängige Spannungsquellen” dargestellt werden kann, siehe Fig. 52. Uq2 = jωM I1 I1 U1 L1 L2 U2 I2 Uq1 = jωM I2 Abbildung 52: Beispiel der Fig. 50 dargestellt mit abhängigen Spannungsquellen In Fig. 52 sind die zwei Kreise “entkoppelt” dargestellt. Die Gegeninduktivität M ist in den zwei neu eingeführten Spannungsquellen enthalten. Man beachte, dass diese Spannungsquellen keine unabhängigen Spannungsquellen sind wie bisher angenommen. In einem ersten Schritt kann nun aber die Vorgehensweisen des Maschenverfahrens angewendet werden. Die abhängigen Spannungsquellen werden einfach wie “ideale Spannungsquellen” mitberücksichtigt. Erst in einem zweiten Schritt, d.h. nach Aufstellen der Systemgleichung, werden die abhängigen Quellen eliminiert. Für das Beispiel der Fig. 52 liegt der Spezialfall vor, dass zwei separate Stromkreise vorliegen. Die zwei Maschengleichungen links und rechts sehen wie folgt aus: jωL1 I1 = −Uq1 + U1 jωL2 I2 = −Uq2 + U2 (151) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 78 wobei Uq1 = jωM I2 und Uq2 = jωM I1 ist. (151) stellt die zwei Maschengleichungen dar, wenn alle Spannungsquellen unabhängig wären. Nun können die zwei abhängigen Spannungsquellenterme eingesetzt und auf die linke Seite des Gleichheitszeichens genommen werden: jωL1 I1 +jωM I2 = U1 (152) jωL2 I2 +jωM I1 = U2 Jetzt muss noch auf matrizielle Schreibweise übergegangen werden: jωL1 jωM I1 U1 · = jωM jωL2 I2 U2 (153) womit ein eindeutig definiertes, lineares Gleichungssystem zur Bestimmung der zwei Ströme I1 und I2 entsteht. Die eben angegebene Methode funktioniert auch bei beliebig komplexen, aus unabhängigen Spannungs- und Stromquellen, R, L, C und M-Elementen bestehenden Schaltungen. Man sollte aber die folgenden Regeln beachten: • Da bei der Maschenmethode die Sehnenströme zuerst bestimmt werden, sollten alle Zweige mit abhängigen Spannungsquellen als Sehnen gewählt werden. Nur in diesem Fall kann der zweite Schritt, d.h. das Einsetzen der abhängigen Spannungsquellen und das anschliessende “auf die linke Seite nehmen” schnell und problemlos durchgeführt werden. • Beim Einzeichnen der abhängigen Spannungsquellen muss vorsichtig mit dem Vorzeichen der Spannungsquellen umgegangen werden. Die einfachste Regel ist diejenige, dass man jeden Strom jeweils beim Punkt in die jeweilige Spule positiv hineingehen lässt. Dann treten auf der anderen Seite jeweils positive, abhängige Spannungsquellen in Richtung der auf dieser Seite angegebenen Stromrichtung auf. Diese Aussage ist exemplarisch dargestellt, siehe Fig. 53. Um die Vorgehensweise noch klarer zu machen, wird ein weiteres Beispiel vorgerechnet, siehe Fig. 54. Wie angedeutet, werden in Fig. 54 beide Ströme I1 und I2 so eingezeichnet, dass sie beim jeweiligen Punkt in die Spulen hineinfliessen. Nun können die Kopplungen durch abhängige Spannungsquellen dargestellt werden, siehe Fig. 55. Jetzt kann ein Baum so eingezeichnet werden, dass die Sehnen von 1 nach 2 und von 1 nach 3 gehen. Man beachte, dass diese beiden Sehnen, wie vorher erwähnt, abhängige Spannungsquellen enthalten. Nun können mit der abgekürzten Maschenmethode die Maschengleichungen so aufgestellt werden, als ob die Spannungsquellen unabhängig wären: c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ I1 79 I2 L1 L2 Uq1 = jωM I2 Uq2 = jωM I1 Abbildung 53: Beispiel von gekoppelten Wicklungen dargestellt mit abhängigen Spannungsquellen 1 I1 L1 R1 2 M I2 R3 E L2 R2 3 R4 Abbildung 54: Gekoppelte Wicklungen, zwei Stromkreise jωL1 + R1 + R3 + R4 R4 I1 E − Uq1 E − jωM I2 · = = R4 jωL2 + R2 + R4 I2 E − Uq2 E − jωM I1 (154) Jetzt können die entsprechenden Terme nach links genommen werden: jωL1 + R1 + R3 + R4 R4 + jωM R4 + jωM I1 E · = E I2 jωL2 + R2 + R4 (155) Damit lassen sich nun die zwei Sehnenströme und anschliessend alle Zweigspannungen und Ströme genau nach den Regeln des Maschenverfahrens einfach bestimmen. Knotenpotentialverfahren mit gekoppelten Wicklungen Das Knotenpotentialverfahren kann genauso angewendet werden. Dazu müssen jedoch alle gekoppelten c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ L1 I1 1 80 Uq1 = jωM I2 R1 2 I2 Uq2 = jωM I1 E L2 R3 R2 3 R4 Abbildung 55: Abhängige Spannungsquellen, zwei Stromkreise Wicklungen in andere, äquivalente Schaltungen nur mit passiven Elementen umgewandelt werden. Das Prinzip dieser Umwandlung ist wieder mit der Fig. 51 dargestellt. Jetzt wird aber eine andere Vorgehensweise gewählt, welche die Bildung einer Ersatzschaltung ohne Kopplungen und ohne abhängige Spannungsquellen wählt. Zu diesem Zweck werden die Maschengleichungen aus (150) umgeformt. U1 = R1 I1 + jω(L1 − M )I1 + jωM (I1 + I2 ) (156) U2 = R2 I2 + jω(L2 − M )I2 + jωM (I1 + I2 ) Diese Form lässt die Interpretation zu, dass in einer Ersatzschaltung das Element M gemeinsam von den beiden Strömen durchflossen wird. Daneben gibt es Zweige, die nur von einem oder vom anderen Strom durchflossen sind. Die Ersatzschaltung ist dann offensichtlich, wie sie in Fig. 56 gezeigt ist I1 I2 R1 L1 − M L2 − M R2 M Abbildung 56: Ersatzschaltung gekoppelte Wicklungen Die Ersatzschaltung weist ein galvanisch verbundenes Netzwerk auf (Stern- bzw. T-Schaltung). Es tritt ein neuer Knoten in Erscheinung, der im Knotenpotentialver- c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 81 fahren jedoch problemlos genutzt werden kann. Selbstverständlich kann jetzt auch eine Stern-Dreieckumwandlung der Impedanzen mit (142) durchgeführt werden, wodurch der neue Knoten eliminiert wird. Jetzt wird auch offensichtlich, dass zwei gekoppelten Wicklungen (siehe Fig. 51) auch durch eine (komplexe) 3x3 Y-Matrix mit Nicht-Nullwerten an allen 9 Matrixorten dargestellt werden kann. Nach Umwandlung von gekoppelten Wicklungen in derartige Ersatzschaltungen kann das Knotenpotentialverfahren routinemässig angewendet werden. 12 Der Vierpol 12.1 Problemstellung Das Konzept des sogenannten Vierpols wurde, ohne es explizit zu nennen, schon in Kapitel 11 eingeführt um Stern- und Dreiecksschaltungen überzuführen, bzw. um die gekoppelten Induktivitäten bzw. dazugehörige Ersatzschaltbilder herzuleiten. Bevor auf den Vierpol eingegangen wird, soll hier erwähnt werden, dass das sogenannte Eintor (Zweipol) wiefolgt dargestellt wird: I + Elektrische Schaltung aus R, L und C-Elementen U - I Abbildung 57: Zweipol/Eintor - Darstellung Bei Verwendung der Netzimpedanzen gilt beim Zweipol/Eintor: U =Z·I (157) Diese Beziehung kann auch wiefolgt formuliert werden: 1 ·U (158) Z Dieses Zweipolelement wurde in den vorangehenden Abschnitten in vielfältigster Form verwendet. Im Gegensatz zum Zweipol ist das Vierpol-Element wiefolgt darstellbar: I =Y ·U = Elektrische Schaltung aus R, L und C-Elementen + I1 + I2 U1 - I1 U2 I2 Abbildung 58: Vierpol - Darstellung c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 82 Im Vierpol wird normalerweise angenommen, dass der Strom, der am oberen Knoten eintritt, in genau gleicher Grösse am unteren Knoten wieder austritt. Dies gilt sowohl für die linke wie auch die rechte Seite, siehe Fig. 58. Damit ist offensichtlich, dass von den vier Parametern U1 , I1 , U2 und I2 nur zwei unabhängig sind. Die verbleibenden zwei sind abhängig von den anderen Grössen und zwar werden diese Abhängigkeiten durch die Schaltung der elektrischen Elemente hergestellt. Somit kann ein Vierpol genau durch 2 Gleichungen, dargestellt werden. Insgesamt bestehen 6 Möglichkeiten, diese zwei Gleichungen zu formulieren: U1 = Z11 I1 + Z12 I2 U2 = Z21 I1 + Z22 I2 I1 = Y11 U1 + Y12 U2 I2 = Y21 U1 + Y22 U2 U1 = A11 U2 − A12 I2 I1 = A21 U2 − A22 I2 (159) U2 = B11 U1 − B12 I1 I2 = B21 U1 − B22 I1 U1 = H11 I1 + H12 U2 I2 = H21 I1 + H22 U2 I1 = G11 U1 + G12 I2 U2 = G21 U1 + G22 I2 Diese Koeffizienten werden als die Z, Y, A, B, H und G-Parameter bzw. Matrizen bezeichnet. Diese 6 Gleichungspaare (159) können auch in jeweils einer Matrixform geschrieben werden, wobei hier als Beispiel vier Formen dargestellt werden: U1 Z11 = U2 Z21 Z12 I1 · Z22 I2 (160) oder I1 Y11 = I2 Y21 Y12 U1 · Y22 U2 (161) Man beachte, dass die entsprechenden Matrizenelemente immer alle positiv genommen werden müssen. Also gilt z.B.: c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ U1 A11 = I1 oder 83 A12 U2 A21 A22 U2 B11 = I2 −I2 B12 U1 B21 B22 −I1 (162) (163) Die Z-Parameter werden oft als Impedanz-Parameter bezeichnet, während die Y-Parameter meist als Admittanz-Parameter bezeichnet werden. Die A- und BParameter werden als Übertragungsparameter bezeichnet, die G- und H-Parameter werden als hybride Parameter bezeichnet. T- und Π-Vierpole Um die Bedeutung der Vierpole bzw. der Gleichungen zu verstehen, werden am Beispiel des T-und des Π-Vierpol-Ersatzschemas die Parameter bestimmt werden. I1 I2 ZA ZB U1 ZC U2 Abbildung 59: T-Vierpol - Darstellung Die Z-Parameter des T-Vierpols (siehe Fig. 59) lassen sich einfach bestimmen: U1 = ZA I1 + ZC (I1 + I2 ) = (ZA + ZC )I1 + ZC I2 (164) U2 = ZC (I1 + I2 ) + ZB I2 = ZC I1 + (ZB + ZC )I2 Die entsprechend Z-Vierpolmatrix sieht nun wie folgt aus: ZA + ZC Z= ZC ZC ZB + ZC Für den Π-Vierpol gilt Fig. 60. Beim Π-Vierpol lassen sich die Y-Parameter einfach bestimmen: (165) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ ZC I1 U1 84 I2 ZA ZB U2 Abbildung 60: Π-Vierpol - Darstellung I1 = U1 /ZA + (U1 − U2 )/ZC = (1/ZA + 1/ZC )U1 − (1/ZC )U2 (166) I2 = (U2 − U1 )/ZC + U2 /ZB = −(1/ZC )U1 + (1/ZB + 1/ZC )U2 Die Y-Vierpolparameter-Matrix bestimmt sich somit wie folgt: 1/ZA + 1/ZC Y= −1/ZC −1/ZC (167) 1/ZB + 1/ZC Die entsprechenden anderen Vierpol-Darstellungen lassen sich ebenso berechnen. Es sei hier vermerkt, dass die einzelnen Darstellungen, bzw. Parameter, sich untereinander durch sogenannte Parameter-Konversionsformeln umwandeln lassen. Bedeutung der Vierpolparameter Die Vierpolparameter haben insofern eine spezielle Bedeutung, als dass sie durch Kurzschluss- und Leerlaufversuche ermittelt werden können. Aus den Gleichungen bezogen auf die Y-Parameter ist ersichtlich, dass Y11 = Y12 = I1 U1 U =0 2 I1 U2 U =0 1 Y21 = Y22 = I2 U1 U =0 2 I2 U2 U =0 1 (168) Die vier Y-Parameter können also durch Kurzschlussversuche (d.h. U1 = 0 oder U2 = 0) an jeweils einer der beiden Seiten des Vierpols ermittelt werden. Die vier Z-Parameter können durch Leerlaufversuche (d.h. I1 = 0 oder I2 = 0) an jeweils einer der beiden Seiten des Vierpols ermittelt werden: Z11 = Z12 = U1 I1 I =0 2 U1 I2 I =0 1 Z21 = Z22 = U2 I1 I =0 2 U2 I2 I =0 1 (169) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 85 Die vier A-Parameter werden durch zwei rechtsseitige Leerlaufversuche (I2 = 0) und zwei rechtsseitige Kurzschlussversuche (U2 = 0) ermittelt: A11 = U1 U2 I =0 2 A12 = − U1 I2 U =0 2 A21 = I1 U2 I =0 2 A22 = − I1 I2 U =0 2 (170) Mit rechtsseitigen Kurz- und einem linksseitigen Leerlaufversuchen können auch die H-Parameter bestimmt werden. 12.2 Matrizenberechnung von zwei verhängten Vierpolen Die eben diskutierten matriziellen Vierpoldarstellungen eignen sich speziell bei der Analyse von zwei miteinander verhängten Vierpolen. Die wichtigsten Kombinationen von Vierpolen sind wiefolgt: • Serieschaltung • Kaskadenschaltung • Parallelschaltung • Spezielle Hybridschaltungen Diese zusammengeschalteten zwei Vierpole zeichnen sich bei diesen Schaltungen dadurch aus, dass wieder vier Pole, d.h. Anschlüsse gegen aussen existieren. Diese Schaltungen werden im folgenden detaillierter betrachtet. Das Ziel der gesamthaften Betrachtung ist jeweils die Vierpoldarstellung der zwei verhängten Vierpole als ein (1) neues Vierpol-Element. Serieschaltung Vierpole können in Serieschaltung (siehe Fig. 61) am besten durch die Verwendung der Z-Matrix analysiert werden. Diese Situation ist in Fig. 61 dargestellt. Offensichtlich gilt: ZSerie = Z1 + Z2 (171) wobei Z1 und Z2 die Z-Matrizen der zwei einzelnen Vierpole darstellen. Kaskadenschaltung Vierpole können hintereinander in Kaskadenschaltung (siehe Fig. 62) angeordnet sein. Diese Schaltung kann am besten durch die Verwendung der A-Matrix analysiert werden. Es gilt: AKaskade = A1 · A2 wobei A1 und A2 die A-Matrizen der zwei einzelnen Vierpole darstellen. (172) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ I1 86 I2 Z1 U1 U2 Z2 I1 ZSerie I2 Abbildung 61: Serie-verbundene Vierpole I1 U1 I2 A1 A2 U2 I2 I1 AKaskade Abbildung 62: In Kaskade geschaltete Vierpole Parallelschaltung Vierpole werden häufig parallel geschaltet (siehe Fig. 63). Diese Situation wird am besten durch die Verwendung der Y -Matrix analysiert werden. Es gilt: YP arallel = Y1 + Y2 (173) wobei Y1 und Y2 die Y -Matrizen der zwei einzelnen Vierpole darstellen. H-Matrix - Hybridschaltung Die Fig. 64 zeigt eine spezielle Schaltung zweier Vierpole, welche ideal mit Addition von zwei H-Matrizen durch einen Vierpol ersetzt werden kann. Für den neu entstehenden Vierpols gilt: HHybrid = H1 + H2 (174) wobei H1 und H2 die H-Matrizen der zwei einzelnen Vierpole darstellen. Mischschaltungen Die anderen Matrizendarstellungen (B, G) können ebenfalls durch spezielle Schaltungen von zwei Vierpolen direkt angewendet werden. Die Idee ist immer, zwei Matrizen des gleichen Typs miteinander zu addieren oder zu multiplizieren um den Effekt der zwei zusammengeschalteten Vierpole zu erzielen. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 87 I2 I1 Y1 U1 I1 U2 Y2 I2 YP arallel Abbildung 63: Parallel geschaltete Vierpole I1 I2 H1 U1 U2 H2 I2 I1 HHybrid Abbildung 64: Hybrid-Schaltung geeignet für H-Matrix-Betrachtung 13 13.1 Dreiphasensysteme Aufbau Dreiphasensysteme sind Verteil- und Übertragungssysteme für elektrische Energie, die von drei symmetrischen Spannungen gespeist werden. Die drei Spannungen werden meist in rotierenden Maschinen (Generatoren) erzeugt. Sie entstehen durch die Rotation eines Magnetfeldes und werden an drei Wicklungen abgenommen. Die Anordnung der Wicklungen erfolgte so, dass die drei Spannungen eine zeitliche Sinusform aufweisen und jeweils um eine Drittelperiode phasenverschoben sind. Es handelt sich also um drei Wechselspannungen, die in Europa 50 Hz (in USA 60 Hz) aufweisen. In einem Zeigerdiagramm (komplexe Ebene) bilden die drei Spannungen einen Stern, siehe Fig. 65. Für die vorliegenden Betrachtungen werden diese Spannungen als ideale Spannungsquellen vorausgesetzt. Das Dreiphasensystem basiert darauf, dass die Ströme, die durch diese Spannungen c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 88 +j UT 120◦ UR + −120◦ US Abbildung 65: Zeigerdiagramm von drei symmetrischen Wechselspannungen (Drehspannungen) hervorgerufen werden, mit diesen eine konstante Leistung (zeitlich konstant) ergeben. Das bedeutet für den Generator, der Spannungen und Ströme erzeugt, ein konstantes Drehmoment. Das Übertragungssystem (Hochspannung) besteht aus drei Leitern, auf der Verteilebene (Hausinstallation) aus vier Leitern. Auf der Verbraucherseite können die Lasten im Dreieck oder im Stern geschaltet sein. Eine typische Anordnung eines Dreiphasensystems ist schematisch in Fig. 66 gezeigt. Erzeugung Übertragung UR Verbraucher ZL ZL UT US ZL Abbildung 66: Schematische Anordnung eines Dreiphasensystems In dieser Anordnung sind die Quellenspannungen im Stern geschaltet. Die Übertragung besteht aus drei Leitern und die Last ist im Dreieck geschaltet. Man nennt den Knoten, an dem in der Sternschaltung die drei Zweige zusammengeschlossen sind, den Sternpunkt. In den praktischen Anlagen kann dieser Sternpunkt c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 89 offen sein, d.h. es besteht keine Verbindung zu irgendwelchen Elementen, er kann mit der Erde verbunden sein oder es kann eine Verbindung zu einem oder mehreren Sternpunkten anderer dreiphasiger Schaltungen bestehen. Die letztgenannte Verbindung wird als Nulleiter bezeichnet. Dieser kann auch mit der Erde verbunden sein, wie es in Niederspannungsnetzen der Fall ist. Einphasige Lasten werden meist zwischen einer Phase und dem Nulleiter angeschlossen, motorische Lasten oder grössere Lasten im allgemeinen an die drei Phasen. Das Dreiphasensystem stellt ein mehrmaschiges Netzwerk dar, das nach den Regeln, wie sie in den vorangegangenen Abschnitten dargelegt wurden, analysiert werden kann. Sind die Phasen symmetrisch, d.h. sind die Spannungen im Betrag gleich gross und 120◦ phasenverschoben, sind die Impedanzen der Übertragungsstrecke gleich gross und sind die Impedanzen der Last (im Dreieck oder Stern) gleich gross, so ergibt sich eine vereinfachte Analyse pro Phase, wie sie weiter unten noch erläutert wird. 13.2 13.2.1 Symmetrischer Betriebszustand Dreiphasensystem und symmetrischer Betrieb Das Ziel von Planung und Betrieb des Dreiphasennetzes ist der symmetrische Betrieb. Daher werden im folgenden die Besonderheiten dieses Betriebszustandes und die darausfolgenden Vereinfachungen hervorgehoben. 13.2.2 Die Einheitszeiger des Dreiphasensystems Um die Phasengrössen komplex vereinfacht darstellen zu können, bedient man sich einer besonderen Symbolik. Die Phasenverschiebung um 120◦ wird durch einen Zeiger a dargestellt. 1 ◦ 1√ a = − +j 3 = ej120 2 2 Damit können die folgenden Operationen ausgeführt werden (175) √ ◦ a · a = a2 = − 12 − j 12 3 = e−j120 a · a · a = a3 = 1 = ej0 1 a = a2 , 1 a2 ◦ (176) =a Es muss gelten 1 + a + a2 = 0 (177) Die Spannungen eines Dreiphasensystems lassen sich damit einfach darstellen. Man gibt einer der drei Spannungen eine Bezugsphasenlage U R = UR ejφR (178) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 90 wobei häufig φR = 0, d.h. man legt diese Spannung in die reelle Achse. Die Phasenbezeichnung ist wie folgt • 1. Phase: Phase R • 2. Phase: Phase S • 3. Phase: Phase T Die Spannungen der Phasen S und T bilden sich wie folgt U S = a2 U R = a2 · UR ejφR (179) U T = aU R = a · UR ejφR 13.2.3 Die Entstehung eines Dreiphasensystems Man denke sich in einer ersten Aufbauphase ein Dreiphasensystem aus drei identischen Maschen mit gleichen Impedanzen aufgebaut. Die drei Maschen sind in der Fig. 67 schematisch so gezeichnet, dass die Rückleitung gebündelt erscheint. IR jX UR UT RL + jXL “Bündel” US RL + jXL RL + jXL jX IS jX IT Abbildung 67: Drei Maschen mit identischen Impedanzen, gespeist von symmetrischen Drehspannungen Die drei Maschen (Schaltkreise) sind getrennt, d.h. isoliert voneinander. Die Ströme in den Maschen müssen sein c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ IR = UR jX+jXL +RL IS = US jX+jXL +RL IT = UT jX+jXL +RL 91 (180) Unter Ausnutzung der Symmetrieeigenschaften der Spannungen ergibt sich IS = US jX+jXL +RL = a2 I R IT = UT jX+jXL +RL = aI R (181) und damit IR + IS + I T = 0 (182) d.h. die drei Phasenströme ergänzen sich zu Null. Die drei Rückleitungen können somit galvanisch miteinander verbunden und schliesslich entfernt werden. Sofern die Sternpunkte bestehen bleiben (Sternverbindung auf der Quellen- und auf der Lastseite), ändert sich am Lastzustand nichts. Ein Dreiphasensystem kann somit ohne Rückleiter im Sternpunkt betrieben werden, was bei Mittel- und Hochspannung den Normalfall darstellt. Das dreiphasige Netz der Fig. 67 ist in Fig. 68 nochmals gezeichnet, diesmal ohne Rückleitung. IR jX RL + jXL UR UT RL + jXL US RL + jXL jX IS jX IT Abbildung 68: Dreiphasensystem ohne Rückleitung (Nulleiter) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 92 Es führt die gleichen Ströme und weist die gleichen Spannungen wie das Netz in Fig. 67 auf. Die Spannung zwischen den Sternpunkten ist Null. Ein typisches Zeigerdiagramm von Spannungen und Strömen ist in Fig. 69 gezeigt UT IT UR IR IS US Abbildung 69: stems Zeigerdiagramm von Spannungen und Strömen eines Dreiphasensy- Ein symmetrisches Dreiphasensystem kann somit auf einfache Weise durch Betrachtung einer Phase allein analysiert werden. Ausgehend von der Phase R bekommt die Phasengrösse der Phasen S und T durch Verdrehung mit a2 bzw. a. 13.2.4 Erscheinungsformen (Stern-Dreieck) Die Quellenseite und Lastseite können offensichtlich jeweils in ein Dreieck umgewandelt werden. Es wird vorerst die Lastseite betrachtet, wofür die Umrechnungen des Kapitels 11 angewendet werden können. Es handelt sich bei der Last in Fig. 68 um einen Stern ohne Quellen. Die Sternimpedanzen sind einander gleich. Die äquivalenten Dreiecksimpedanzen sind nach (142) dreimal so gross. Z∆ = 3ZStern oder (183) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 93 ZRS = 3(RL + jXL) (184) ZST = 3(RL + jXL) ZT R = 3(RL + jXL) Die Umrechnung von Dreiecksimpedanzen auf Sternimpedanzen erfolgt entsprechend. 1 ZStern = Z∆ (185) 3 Für die Quellenseite bedarf es noch der Festlegung von Zählungsrichtungen der Dreiecksspannungen. Dazu wird auf die Fig. 70 und Fig. 71 verwiesen. R UR U RS UTR UT T S US U ST Abbildung 70: Spannungen an der Quelle Die Zählpfeile in den beiden Figuren machen klar, wie die Spannungen zwischen Phasenleiter und Sternpunkt, sowie zwischen den Leitern gezählt werden. Die Spannungen zwischen den Leitern, die auch als verkettete Spannungen bezeichnet werden, bilden sich einfach durch einen Maschenumlauf. U RS U ST UR − US = US − UT UTR UT − UR = 1 −1 0 −1 0 UR · 1 −1 US 0 1 UT (186) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 94 R UTR U RS S U ST T Abbildung 71: Spannungen zwischen Leitern Die Umwandlung von Sternspannungen in Dreiecksspannungen lässt sich immer durchführen und ist eindeutig, auch wenn die Sternspannungen unsymmetrisch sind. Bei symmetrischen Sternspannungen (178) (179) ergibt sich U R (1 − a2 ) U RS = U ST = a2 · U R (1 − a2 ) UTR = (187) a · U R (1 − a2 ) Wird U RS = U R (1 − a2 ) (188) als Referenzzeiger aufgefasst, so wird offensichtlich, dass die verketteten Spannungen wieder ein symmetrisches Zeigersystem bilden. Nach der Kirchhoff’schen Maschenregel müssen sie sich auch zu Null ergänzen U RS + U ST + U T R = 0 (189) Diese Beziehungen gelten immer, d.h. auch für ein unsymmetrisches Dreiphasensystem. Die Umwandlung von Dreiecksspannungen (sog. verketteten Spannungen) in Sternspannungen bedarf nun zusätzlicher Festlegungen, da sie sonst nicht eindeutig durchzuführen ist. Dass diese Umwandlung nicht eindeutig ist, zeigt die Matrix des Gleichungssystems (186). Letztere ist singulär, was bedeutet, dass die Umkehrung (Inversion) der Operation (186) nicht möglich ist. Das kann leicht anhand der ersten Beziehung von (187) gezeigt werden U RS = U R (1 − a2 ) (190) oder UR = U RS 1 − a2 (191) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 95 Der Nenner kann anders geschrieben werden. 1 − a2 = 1 + √ √ 1 1 1√ 1√ 3 = −j 3(− + j 3) = −j 3a +j 2 2 2 2 (192) eingesetzt UR = U ◦ U RS U √ = ja2 √RS = √RS e−j30 −ja 3 3 3 (193) Bei Symmetrie bestimmen sich die übrigen Sternspannungen entsprechend, d.h. √ man dividiere den Zeiger der verketteten Spannung durch 3 und verschiebe den verkürzten Zeiger um -30◦ . Die Fig. 72 gibt die Beziehungen zwischen verketteten Spannungen und Sternspannungen in einem Zeigerdiagramm wieder. UTR UT UR U ST US U RS Abbildung 72: Zeigerdiagramm der verketteten Spannungen und Sternspannungen einer symmetrischen Dreiphasenquelle Sind die verketteten Spannungen unsymmetrisch, so sind äquivalente Sternspannungen nicht eindeutig bestimmbar. Eine sternförmigen Last führt auf eindeutige verketteten Spannungen: Die auftretenden Sternspannungen sind exakt durch die Impedanzen des Sterns bestimmt. Diese Tatsache wird in der Messtechnik durch einen sogenannten künstlichen Sternpunkt ausgenutzt. Ein solcher ist gegeben durch die Anordnung drei gleicher Widerstände im Stern (Sternwiderstand = R). Die Sternspannungen, die jeweils von der Phase zum Sternpunkt auftreten, bestimmen sich aus den verketteten Spannungen wie folgt UR = 1 3 (2U RS + U ST ) US = 1 3 (2U ST + U T R) UT = 1 3 (2U T R + U RS ) Die Beziehungen gelten selbstverständlich auch im symmetrischen Fall. (194) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 13.2.5 96 Leistungen im Dreiphasensystem Im Dreiphasensystem werden grundsätzlich die Leistungen der drei Phasen addiert. Bei sternförmigen Quellen oder Lasten gilt P + jQ = U R I ∗R + U S I ∗S + U T I ∗ T (195) Bei dreiecksförmigen Quellen oder Lasten gilt P + jQ = U RS I ∗ RS + U ST I ∗ ST + U T R I ∗ T R (196) Die übertragene Leistung kann in jedem Punkt der Übertragungsstrecke durch Phasenströme und Sternspannungen ausgedrückt werden, wenn ein Nulleiter (Erde) vorhanden ist. Es ist dafür die Beziehung (182) anzuwenden. Ist kein Nulleiter vorhanden, wird die Tatsache ausgenutzt, dass die Phasenströme sich zu Null ergänzen. Man setze dazu IT = −IR − IS ein. P + jQ = U R I ∗R + U S I ∗S − U T (I ∗R + I ∗S ) = = (U R − U T )I ∗R + (U S − U T )I ∗S = = U ST I ∗S + U RT I ∗R = (197) = U ST I ∗S − U T R I ∗R Die Leistungen werden hier durch verkettete Spannungen und Phasenströme ausgedrückt (=Grundlage für die Aronschaltung in der Messtechnik). 13.3 Unsymmetrische Zustände im Dreiphasensystem Unsymmetrische Zustände im Dreiphasensystem entstehen durch • unsymmetrische Quellenspannungen • unsymmetrische Lastimpedanzen • ungleiche Leiterimpedanzen • Kurzschlüsse zwischen den Phasen • Kurzschlüsse zwischen Phase und Sternpunkt (Erdschluss) Eine Netzanalyse des unsymmetrischen Drehstromsystems muss sich einer der angeführten Methoden bedienen (Stand dieser Vorlesung), wobei die Maschenmethode am besten geeignet ist. In der Energieübertragung wird eine Zerlegung des Systems verwendet, die besonders bei stark gekoppelten Systemen vorteilhaft ist und die erlaubt, Unsymmetriezustände einfacher zu berechnen. Es handelt sich dabei um die Methode der symmetrischen Komponenten (Eigenwertzerlegung), die in dieser Vorlesung nicht behandelt c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 97 wird. Bei Kurzschlüssen ist gegebenenfalls eine Umwandlung von Quellen oder Impedanzen angebracht, so dass damit das Netz vereinfacht wird. Dazu wird als Beispiel ein Kurzschluss auf der Lastseite in einem dreiphasigen Netz betrachtet, siehe Fig. 73. jX R IR Kurzschluss UR jX S R R1 ⇒ 0 IS R UT US jX T IT Abbildung 73: Netz mit Kurzschluss über dem Lastwiderstand der Phase R Bei Kurzschluss wandert der Sternpunkt der Last an die Phase R. Zur einfacheren Berechnung der Kurzschlussströme wende man das Maschenverfahren an, wobei in der nachfolgenden Berechnung R1 mitgeführt wird und flexibel nach der allgemeinen Rechnung auf Null (=satter Kurzschluss) gesetzt werden kann. Dabei werden der obere (IR ) und der mittlere Zweig (IS ) als Sehnen angenommen. Das lineare Gleichungssystem zur Bestimmung der Maschenströme lautet wie folgt: R1 + R + j2X UR − UT = R + jX IR R + jX 2R + j2X IS (198) US − UT Von diesen Sehnenströmen kann auf die anderen Grössen des Dreiphasensystems zurückgerechnet werden. Tritt ein Leitungsunterbruch auf, so entsteht häufig ein Netz, das nur von einer Quelle gespeist wird. Dann müssen nur die Impedanzen auf eine einphasige Belastung umgerechnet werden. Ein Leitungsunterbruch der Phase R in der Schaltung der Fig. 73 bedeutet, dass nur die Impedanz j2X + 2R an der Spannung US − UT hängt. Es muss nur der Strom einer Masche berechnet werden. 13.4 13.4.1 Energieübertragungssysteme Allgemeines Was die Übertragung elektrischer Energie betrifft, so ist auf den ersten Blick kein wesentlicher Unterschied zwischen Gleichstrom und Wechselstrom. Wenn jedoch das gesamte System einbezogen wird, so ist das Wechselstromsystem, genauer das Drehstromsystem die bevorzugte Lösung. Für das Drehstromsystem sprechen die folgenden Punkte • die Umformung und Erzeugung grosser elektrischer Leistung in rotierenden Maschinen c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 98 • die Transformation auf beliebige Spannungen • die Vermaschung der Netze • die selektive Trennung von gestörten Komponenten Bei näherer Betrachtung der Auslegung der Übertragungssysteme, d.h. unter Berücksichtigung der Anforderungen der Isolationskoordination ist die Gleichstromleitung von Vorteil. 13.4.2 Gleichstromleitungen Von wenigen Ausnahmen abgesehen, existieren heute Gleichstromleitungen nur als Punkt-Punkt-Verbindungen, und zwar auf den höchsten Spannungsebenen. Die Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) wird überall dort eingesetzt, wo grosse Leistungen über weite Entfernungen übertragen werden müssen. Ein anderes Einsatzgebiet ist die asynchrone Kupplung von Drehstromnetzen (HGÜ-Kurzkupplung). Gleichstromleitungen werden mit zwei Leitern mit positiver und negativer Spannung gegen Erde gebaut und betrieben. Typische Betriebsdaten sind • ± 400 kV mit 1000 A Betriebsstrom • ± 500 kV mit 1000 A Betriebsstrom • (600 kV mit 1200 A Betriebsstrom technisch möglich) Von der Struktur her handelt es sich um ein Zweiphasensystem (zwei Maschen), bei dem die Leiter durch den ohmschen Widerstand dargestellt werden und die Umformerstationen durch Ersatzspannungen. Überwiegt die Spannung auf der einen Seite gegenüber der anderen, so wird Leistung von dieser Seite zur anderen übertragen. Ein entsprechendes Schema zeigt die Fig. 74. Leitung Uq1 UL1 Uq2 UL2 Abbildung 74: Schema eines HGÜ-Systems Die Analyse der HGÜ, soweit es sich um die Leitung handelt, ist einfach. Ein bedeutender Vorteil der HGÜ liegt darin, dass bei Ausfall eines Leiters ein Betrieb mit dem zweiten Leiter und der Erdrückleitung möglich ist. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 13.4.3 99 Drehstromnetze Drehstromnetze auf verschiedenen Spannungsebenen dienen der Übertragung und Verteilung elektrischer Energie. Der Vermaschungsgrad ist unterschiedlich. Auf der Übertragungsebene (hohe Spannungen) ist das Netz vermascht, womit auch bei Ausfall von Leitungen eine hohe Versorgungssicherheit erreicht wird. Auf der Verteilebene findet man vorallem aus Kostengründen (offene) Ring- oder Strahlennetze mit nur geringer Vermaschung. Vom Standpunkt der Netzanalysemethoden ist das vermaschte Netz, wie es heute auf der Übertragungsebene besteht, von besonderem Interesse. Dabei ist jeweils • der symmetrische Betrieb und der • unsymmetrische Störzustand zu unterscheiden. Im symmetrischen Betrieb kann von der einphasigen Darstellung des Netzes Gebrauch gemacht werden, siehe Abschnitt 13.2.3. Die Komplexität des Netzes ist durch die Vielzahl der Knoten (Schaltstationen und Generatoreinspeisungen) und die dazwischenliegenden Verbindungen gegeben. Eine typische Netzanalyse behandelt Netzgebilde mit 500 - 1000 Knoten und 800 - 1500 Leitungen. Die Leitungen werden durch π-Ersatzschaltungen dargestellt, die Lasten an den Knoten durch konstante Leistungen (P,Q) und die Generatorknoten durch Leistungen P und die Generatorspannung U. Die bevorzugte Analysemethode ist die Knotenpunktsmethode, bei der die Knotenspannungen die gesuchten Grössen sind. Die Problemstellung ist grundsätzlich eine nichtlineare (P + jQ = U I ∗ sind Produkte von Strom und Spannung). Auf dem Lösungsweg verwendet man jedoch die Konzepte der linearen Analyse. Die Knotenpunktsadmittanzmatrix spielt eine zentrale Rolle. Wegen der relativ geringen Anzahl der Leitungen zwischen den Knoten (im Durchschnitt drei Anschlüsse pro Knoten) ist die Knotenpunktsadmittanzmatrix äusserst schwach besetzt. Ein Muster der Besetzung der Y-Matrix ist in (199) angegeben. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 100 1 2 3 1 X X 4 5 6 7 8 9 X 2 X X X X X X 3 X X X 4 X X X X 5 X X X X X X 6 X X X X X 7 X X X X 8 X 9 X X 10 X X X X X X 10 X (199) X Es handelt sich dabei um eine Matrix für ein 10-Knotennetz mit 16 Verbindungen. Die Hauptdiagonale ist selbstverständlich immer besetzt. Die Besetzung ist symmetrisch. Für die Behandlung solcher Systeme wurden leistungsfähige Algorithmen entwickelt, die die Knoten so ordnen, dass ein Minimum an Rechenoperationen bei der Lösung des Gleichungssystems resultiert. Man ist heute so weit, dass die Rechenzeit praktisch linear mit der Anzahl der Knoten ansteigt, was von der Kenntnis des Aufwandes für die Matrizeninversion (∼ n3 ) nicht selbstverständlich ist. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 14 14.1 101 Uebergangsverhalten von linearen, zeitinvarianten Systemen Betrachtete Systeme Innerhalb der Kategorien von linearen, zeitinvarianten Systemen befindet sich eine Vielzahl von elektrischen und elektronischen Komponenten und Subsystemen. Ein guter Teil der erfolgreichen Anwendung der Elektrotechnik überhaupt basiert auf der analytischen Behandlung solcher Systeme. Hier soll eine Einführung in Ausgleichsvorgänge in Systemen, die mit passiven Elementen aufgebaut sind, gegeben werden. Es werden dabei der Widerstand, die Spule und der Kondensator betrachtet (R, L, C). Die Spule und der Kondensator speichern Energie, daher spricht man auch von Systemen mit einer bestimmten Anzahl Speichern. Es werden vorerst Schaltungen mit einem Speicher behandelt werden. Danach folgt eine Erweiterung auf zwei Speicher. Mehrere Speicher werden nicht mehr eingehend untersucht. Ihre Analyse lässt sich jedoch einfach aufgrund der einfacheren Systeme ableiten. 14.1.1 Schaltungen mit einem Speicher Als Speicherelemente werden nur die Spule und der Kondensator betrachtet, die sodann mit Widerständen zu Schaltkreisen zusammengefügt werden. Lässt man nur einen Widerstand zu, so ist die Anzahl Schaltkombination gering, siehe Fig. 75 und Fig. 76. R C R L Abbildung 75: Serienschaltung RL und RC In diesen Figuren sind Serien- und Parallelschaltung gegenübergestellt und zwar nicht nur wegen der unterschiedlichen Schaltung, sondern auch wegen der Dualität der entsprechenden Schaltung. Die jeweils gegenübergestellten Schaltungen haben unterschiedliche Energiespeicher, sie gehorchen jedoch den gleichen Systemgleichungen, wenn Strom mit Span- c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ R R 102 L C Abbildung 76: Parallelschaltung RL und RC nung, Widerstand mit Leitwert, usw. vertauscht wird. Die obigen Schaltungen können noch mit zusätzlichen Widerständen ergänzt werden. Man hat damit wohl technisch ein anderes System vor sich, im grundsätzlichen Verhalten tritt aber keine Veränderung ein. Beispiele solcher Schaltungen sind in der Fig. 77 und Fig. 78 angeführt. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 103 R1 R2 C R2 L R1 Abbildung 77: Erweiterung mit parallelen Widerständen R2 R1 L R2 R1 C Abbildung 78: Erweiterung mit Reihenwiderständen c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 104 Die hier angeführten Speicherelemente sind ideal gedacht. Ein realer Kondensator muss somit durch eine ideale Kapazität und einen parallelen Widerstand dargestellt werden. Die reale Spule hat einen Serienwiderstand. 14.1.2 Schaltungen mit zwei Speichern Es interessieren Anordnungen mit zwei unabhängigen Speichern, die mit zwei Spulen, zwei Kondensatoren oder mit einer Spule und einem Kondensator gebildet werden können. Die Unabhängigkeit der Speicher ist dann gegeben, wenn sich die Spulen oder Kondensator durch Umformung der Schaltung nicht parallel oder in Reihe erhalten lassen. Spule und Kondensator in einer Schaltung stellen zwei unabhängige Speicher dar. Beispiele solcher Schaltungen finden sich in den Figuren 79, 80 und 81. R1 L1 R2 L2 R2 R1 L2 L1 Abbildung 79: Schaltungen mit zwei Speichern bestehend aus Spulen R1 C1 R2 R1 C2 R2 C1 C2 Abbildung 80: Schaltungen mit zwei Speichern bestehend aus Kondensatoren Diese Schaltungen könnten nun mit weiteren Widerständen ergänzt werden. Die Anzahl unabhängiger Speicher wird dadurch nicht verändert. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 105 L R C R C L Abbildung 81: Schaltungen mit zwei Speichern bestehend aus Spule und Kondensator 14.2 Quellen, Anregung Man spricht vom Uebergangsverhalten der soeben beschriebenen Systeme, wenn eine Spannungs- oder Stromquelle zugeschaltet wird, wobei die Systeme vor dem Einschaltzeitpunkt spannungs- und stromlos sind oder mit Anfangsbedingungen versehen sein können. Der Einschaltzeitpunkt wird mit t = 0 festgelegt. Die Quellen können auch so dargestellt werden, dass ihre Amplituden für t < 0 auf Null gesetzt werden. Die Betrachtung der Vorgänge umfasst grundsätzlich den Zeitraum t > 0. Die Form der Spannung oder des Stromes kann grundsätzlich beliebig sein. Für das später eingeführte Vorgehen werden Rechtecksformen, angeschnittene Sinuswellen, Rampen und Exponentialfunktionen vorausgesetzt. Beispiele von Spannungsformen sind in der Fig. 82 wiedergegeben. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 0 106 t 0 t 0 t 0 t Abbildung 82: Formen der Spannungs- oder Stromquellen c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 14.3 107 Verhalten der passiven Komponenten Das Verhalten der drei Arten von Komponenten (R, L, C) wird entsprechend den physikalischen Gegebenheiten durch finite Gleichungen bzw. Differentialgleichungen beschrieben. Widerstand (Leitwert): u(t) = i(t)R i(t) = Gu(t) (200) Spule (Induktivität) u(t) = Ldi(t)/dt i(t) = 1 L Z u(t)dt (201) Kondensator (Kapazität) Z 1 i(t)dt i(t) = Cdu(t)/dt (202) C Gegebenenfalls muss beim Kondensator eine Anfangsladung (Anfangsspannung) und bei der Spule ein Anfangsstrom berücksichtigt werden. u(t) = 14.4 Zweck und Ausrichtung der Analyse Gleichstrom - und Wechselstromanalyse betrachten jeweils nur stationäre Zustände in Netzwerken bzw. in Systemen im allgemeinen. Mit der Analyse der Ausgleichsvorgänge beherrscht der Elektroingenieur das Geschehen in einem Netzwerk oder in einem System in jedem Zeitpunkt. Das Interesse ist hier vielfältig. Es reicht vom Anstieg einer Netzgrösse, bis diese den Stationärzustand erreicht hat, bis zur Stabilität eines Systems. Eine Kernfrage dabei ist die Dämpfung, d.h. das Mass des Abklingens des Ausgleichsvorganges, das auch gleichzeitig ein Kennzeichen der Stabilität ist. Im Extremfall kann es zum unbegrenzten Ansteigen einer Systemgrösse kommen, was ein instabiles Verhalten darstellt. In der Signalverarbeitung ist der Ausgleichsvorgang der normale Vorgang, indem sich Sprach- und Bildsignale, Impulse, usw. fortwährend ändern. Der Ausgleichsvorgang kennzeichnet die Qualität des Signals. In der Energieübertragung ist der Ausgleichsvorgang bestimmend für die Isolation eines Übertragungssystems. Atmoshpärische Störungen und Schatltvorgänge verursachen Ausgleichsvorgänge, die der planende Ingenieur sehr genau kennen muss, da sie kostenbestimmend sind. Ausgleichsvorgänge sind somit ein wesentlicher Teil der Elektrotechnik und im weiteren der Systemtechnik. 15 15.1 Lösung der Differentialgleichungen e-Potenzenansatz Der klassische Lösungsweg in der Berechnung von Ausgleichsvorgängen in linearen, zeitinvarianten Systemen besteht in einem Ansatz mit e-Potenzen. Er ist dadurch c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 108 berechtigt, dass Lösungen dieser Systeme immer aus Summen von Exponentialfunktionen mit reellen oder komplexen Parametern bestehen. Das Vorgehen besteht darin, dass die gesuchte Grösse als Exponentialfunktion angenommen wird, z.B. i(t) = Ae−αt (203) in der Differentialgleichung eingesetzt wird und dass die Amplitude A und die Parameter α aus Randbedingungen oder aus der Differentialgleichung selbst bestimmt werden. Als Beispiel wird der Ladestrom eines RC-Kreises beim Einschalten auf eine Gleichspannung berechnet. Das Schema des Schaltkreises ist in Fig. 83 gegeben. Die Gleichspannung wird zum t=0 R E C Abbildung 83: RC-Schaltkreis Zeitpunkt t = 0 durch Schliessen des Schalters aufgeschaltet. Für t > 0 gilt die folgende Spannungsbeziehung E = Ri(t) + 1 C Z i(t)dt; dE di(t) i(t) =R + dt dt C (204) Es wird der Ansatz gemacht i(t) = Ae−αt (205) der unmittelbar in obige Gleichung eingesetzt werden könnte. Dieser Weg verlangt Zusatzkenntnisse und ist nicht zu empfehlen. Es wird daher die differenzierte Gleichung in (204) genommen und dann erst eingesetzt. 0 = R di(t) dt + 1 C i(t) 0 = −Rα + 1 C −αt Ae (206) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 109 Da nicht davon auszugehen ist, dass die Stromamplitude Null ist, muss der Klammerausdruck Null sein. 0 = −αR + 1 C (207) oder 1 RC RC hat die Dimension Zeit und wird als Zeitkonstante α= (208) T = RC (209) bezeichnet. Der Begriff Zeitkonstante ist berechtigt, das R und C feste Parameter des Systems sind. Nun muss noch die Amplitude A bestimmt werden, was anhand einer Anfangsbedingung geschehen kann. Für den Kondensator wurde keine Anfangsladung vorausgesetzt, daher muss seine Spannung für t = 0 gleich Null sein. Die gesamte aufgedrückte Spannung muss deshalb über dem Widerstand abfallen. E = RAe−αt |t=0 = RA A = (210) E R Damit ist der Stromverlauf bestimmt. Der Strom springt im Einschaltzeitpunkt auf den Wert E/R und klingt dann mit der Zeitkonstante T = RC auf Null ab. Die Spannung über dem Widerstand hat ein proportionales Verhalten uR (t) = Ee− RC t (211) und entsprechend der Spannungssumme muss die Kondensatorspannung gleich uC (t) = E 1 − e− RC t (212) sein, was sich durch Einsetzen des Stromes und durch Auswerten des Integrals leicht überprüfen lässt. In der Fig. 84 sind Strom und Spannungen als Funktion der Zeit gezeigt. Zusammenfassung der Vorgehensweise: 1. Aufstellen der Differentialgleichungen 2. Ansatz für die Lösung (Exponentialfunktion) 3. Umformung und Einsetzen der Exponentialfunktion11 11 im allgemeinen ist noch die stationäre Lösung hinzufügen c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 110 UC (t) i(t) T = RC t : Tangenten an die nichtlinearen Kurven Abbildung 84: Zeitlicher Verlauf von Strom und Spannungen des Einschaltvorganges 4. Bestimmung von α (im allgemeinen n Lösungen, wenn n gleich der Anzahl unabhängiger Speicher) 5. Bestimmung der Amplitude mit Hilfe der Anfangsbedingungen Dieses Vorgehen bedarf eines gewissen Geschicks und einiger Vorkenntnisse, um alle Schaltungsvarianten zu beherrschen. Bei einer allgemeinen Anregung (z.B. periodisch) kompliziert sich die Vorgehensweise durch den Einbezug der stationären Lösung. Dieser Lösungsweg wird daher nicht allgemein empfohlen und entspricht auch nicht dem heutigen Stand der Netzwerkanalyse. 15.2 Einführung: Lösung mit Operatoren Das einfache Beispiel (RC-Schaltung) zeigt, dass wegen der Linearität und Zeitinvarianz alle Spannungen von gesuchten Strom entweder durch Multiplikation mit einem Faktor oder durch Linearkombination entsprechender Teilspannungen abgeleitet werden können. Es kann auch so ausgedrückt werden, dass jedes Schaltelement (R, L, C) auf den Strom eine Operation (d/dt, Integral, Faktor) ausübt. Von der Wechselstromanalyse ist ein solcher Mechanismus schon bekannt. Wenn die Gleichspannung im obigen Beispiel (Fig. 83) durch eine Wechselspannung ersetzt wird, erhält man E(jω) = RI(jω) + 1 I(jω) jωC (213) E(jω) und I(jω) sind komplexe Grössen. Der resultierende Strom wird mit den 1 Operatoren R und jωC multipliziert, die jeweils für eine bestimmte Netzkomponente stehen. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 111 Es stellt sich also die Frage, ob bei nichtsinusförmiger Anregung und speziell für eine Form, die für t > 0 endliche Wert annimmt, eine Operatorendarstellung möglich ist. Die Antwort ist positiv und zwar liegt der Weg zu einer solchen Vorgehensweise in einer Transformation der Zeitfunktionen. Die geeignete Transformation ist die Laplace-Transformation. Man spricht heute nicht mehr von Operatorenrechnung (historisch), sondern von einer Transformation in einen Unterbereich. 16 Laplace-Transformation 16.1 Einführung Im Kapitel 10 wurde gezeigt, wie bei Annahmen von sinusförmigen Quellen und R-, Lund C-Elementen anstelle der Rechnung im Zeitbereich die Rechnung mit komplexen Zahlen so durchgeführt werden kann, dass nach Rücktransformation in den Zeitbereich identische Resultate entstehen. Die Rechnung mit komplexen Grössen hat den grossen Vorteil gegenüber der Rechnung im Zeitbereich, dass keine expliziten Integrale oder Ableitungen (Differentiale) von Strömen oder Spannungen durchgeführt werden müssen und so AC-Netzwerke bis auf die Verwendung komplexer Grössen (j 2 = −1) mit genau dieselben Methoden (Maschen- und Knotenpotentialmethoden) gelöst werden können wie DC-Netwerke nur mit Widerständen (R). Die Laplace-Transformation, benannt nach dem Französischen Mathematiker Pierre Simon, Marquis de Laplace (1749-1827), erlaubt eine systematische Transformation von gewissen zeitabhängigen Signaltypen mit mehr Parametern oder Freiheitsgraden als die puren Sinussignale cos(ωt + φ). 16.2 Definitionen und Interpretationen Die Laplace-Transformation ist eine Integraloperation, die über den Zeitbereich t > 0 ausgeführt wird, wobei die Zeitfunktion mit einer Gewichtsfunktion e−st multipliziert wird. Die Laplace- Transformierte F (s) von f (t) ist definiert als Z F (s) = ∞ 0 f (t)e−st dt (214) Da über den gesamten Zeitbereich integriert12 wird, muss die Zeit als Variable verschwinden. Das Ergebnis ist offensichtlich eine Korrelation zwischen der Zeitfunktion f (t) und der Gewichtsfunktion e−st . Da der Parameter s vorläufig noch nicht bestimmt ist, erhält man in F (s) eine von s abhängige Funktion. 12 Generell gilt: Z Z b f (x)dx = F (b) − F (a) f (x)dx = F (x) ; a c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 112 Die inverse Transformation, d.h. F (s) zurück in den Zeitbereich f (t) kann auch durch ein Integral dargestellt werden. Es ist jedoch empfehlenswert und einfacher, wie nachfolgend gezeigt wird, die Rücktransformation durch eine Partialbruchzerlegung von Ausdrücken F (s) und eine anschliessende Rücktransformation aufgrund schon bekannter Ausdrücke F (s) in den Zeitbereich f (t) zu erreichen. Mathematiker haben gezeigt, dass unter gewissen Bedingungen keine zwei Funktionen die gleiche Laplace-transformierte Funktion und umgekehrt aufweisen. Diese Eigenschaft deutet an, dass die Laplace-Transformation und deren Rücktransformation (die sog. inverse Laplace-Transformation) eineindeutig sind. Wenn jetzt für die Zeitfunktion f (t) Exponentialfunktionen (z.B. e−αt oder deren Summen) vorausgesetzt werden, so ergibt das Produkt derselben mit einer Gewichtsfunktion A wieder eine Exponentialfunktion, deren Verlauf durch s und durch die jeweiligen α’s (Parameter) bestimmt sind. Z 0 ∞ Af (t)e−st dt = A Z 0 ∞ f (t)e−st dt = AF (s) (215) s und α charakterisieren somit den zeitlichen Verlauf der Funktion im LaplaceBereich. Die Zeit selbst verschwindet. Wegen der Linearität der Verhältnisse transformiert sich die Amplitude vom Zeitbereich unverändert in den transformierten Bereich. (216) enthält einige wichtige Integrale, welche oft im Zusammenhang mit der Laplace-Transformation verwendet werden: c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ R f (t) 113 f (t)dt −αt e−αt −e α sin(ωt + φ) − cos(ωt + φ) sin(ωt+φ) ω sin2 (at) t 2 − sin(2at) 4a cos2 (at) t 2 + sin(2at) 4a t sin(at) sin(at)−at cos(at) a2 t cos(at) cos(at)+at sin(at) a2 t2 sin(at) −a2 t2 cos(at)+2 cos(at)+2 at sin(at) a3 t2 cos(at) a2 t2 sin(at)−2 sin(at)+2 at cos(at) a3 eat sin(bt) eat a2 +b2 (a sin(bt) − b cos(bt)) eat cos(bt) eat a2 +b2 (a cos(bt) + b sin(bt)) teat eat a2 t2 eat eat a3 cos(ωt+φ) ω (216) (at − 1) a2 t2 − 2at + 2 Zur Illustration der Laplace-Transformation wird eine zeitabhängige Exponentialfunktion betrachtet. f (t) = 2e−3t (0 < t < ∞) F (s) = ∞ R 0 2e−3t e−st dt = 2 −3t e = lim −2 e t→∞ −st 3+s R∞ 0 e−(3+s)t dt = −2 2 − − 3+s ∞ e−3t e−st 3+s 0 (217) Die Auswertung des Integrals liefert somit F (s) = 2 3+s (218) Mit dem Zähler ist die Amplitude festgelegt, mit der Form des Nenners die Form der Funktion und mit dem Parameter 3 die Zeitkonstante (T = 13 ). 1 Aus dem Argument der Gewichtsfunktion ist ersichtlich, dass s die Dimension sec haben muss, d.h. es handelt sich um eine Frequenz (verallgemeinert). Da das Argument einer Exponentialfunktion auch komplex sein kann, muss davon ausgegangen werden, dass s Real- und Imaginärteil haben kann. s = σ + jω (219) Damit stellt eine nach Laplace transformierte Funktion eine über der komplexen Ebene sich verändernde komplexe Funktion dar. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 114 Die Laplace-Transformation führt somit eine Funktion über der reellen Zeitachse (Halbachse), die als Oberbereich definiert ist, in eine komplexe Funktion in der komplexen Ebene über, die als Unterbereich definiert ist. F (s) kann somit auch als Funktion einer komplexen Frequenz angesehen werden. Oberbereich Unterbereich 0<t<∞ s = σ + jω t: reell s: komplex f(t): reelle Funktion in t F(s): komplexe Funktion in s Bezüglich der Existenz der Transformation muss festgehalten werden, dass eine entsprechende Funktion F (s) im Unterbereich nur definiert ist, wenn |f (t)|e−σt endlich ist. Bezüglich des Gültigkeitsbereiches von F (s) über der komplexen Ebene muss daher die Einschränkung gemacht werden, dass σ > 0 sein muss. Mathematisch heisst das, dass eine Transformation existiert, wenn das Integral Z∞ |f (t)|e−σt dt (220) 0 existiert. Für das Verständnis der Laplace-Transformation sei festgehalten, dass eine Zeitfunktion f (t) im Oberbereich durch die Art der Funktion in s F (s) charakterisiert wird. Die Parameter der Zeitfunktion sind durch Argumente gegeben, die in der Funktion F (s) wieder auftreten. Amplituden gehen 1 : 1 vom Oberbereich in den Unterbereich über. 16.3 Transformationsregeln Für die Einführung der Laplace-Transformation in elektrischen Netzwerken mit konzentrierten Elementen (linear, zeitinvariant) genügt es, die Transformation der folgenden Funktionen zu kennen. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 115 Typ der Funktion Zeitbereich(t > 0) Einheitsstoss f (t) = 1 1 s Rampenfunktion f (t) = at a s2 Sinusfunktion f (t) = sin(ωt + φ) s sin(φ)+ω cos(φ) s2 +ω 2 Cosinusfunktion f (t) = cos(ωt + φ) s cos(φ)−ω sin(φ) s2 +ω 2 Exponentialfunktion f (t) = e−αt Abklingende Cosinusfunktion f (t) = e−αt cos(ωt + φ) (s+α) cos(φ)−ω sin(φ) (s+α)2 +ω 2 Abklingende Sinusfunktion f (t) = e−αt sin(ωt + φ) (s+α) sin(φ)+ω cos(φ) (s+α)2 +ω 2 Laplace-Unterbereich 1 s+α (221) Für alle Funktionen gilt 0 < t < ∞. Die Parameter a, ω, φ, α sind Konstante. Die Transformationen lassen sich durch elementare Integrale bestimmen, wenn einige Hilfssätze der Integralrechnung und Darstellungen der trigonometrischen Funktionen durch Exponentialfunktionen herangezogen werden. sin(x) = ejx −e−jx j2 cos(x) = ejx +e−jx 2 Entsprechende Paarungen finden sich in der Tabelle (234). Damit ist es möglich, eine Reihe von Zeitfunktionen, die Quellenspannungen oder -ströme charakterisieren, als Laplace- Transformierte darzustellen. Entsprechend den oben erwähnten Operatoren müssen nun die Multiplikation mit einer Konstanten, die Differentiation und die Integration behandelt werden. Auf die Analyse einer Übergangsfunktion in einer Schaltung bezogen, ist es nun wesentlich zu erkennen, wie die unbekannte Funktion aus dem Oberbereich in den Unterbereich übergeführt wird und auch zu sehen, wie sich z.B. die Differentiation an der unbekannten Funktion auswirkt. Solange die Funktion unbekannt ist, kann nur von F(s) gesprochen werden. Das heisst, bei der Transformation einer Differentialgleichung wird der Strom oder die Spannung als I(s) oder U (s) angeschrieben. 16.3.1 Differentiation einer Funktion im Zeitbereich Was bei elektrischen Netzen interessiert, ist die Auswirkung der Transformation auf die Ableitung einer Funktion, d.h. auf dfdt(t) . Dies soll durch die Diskussion des Integrals Z 0 ∞ df (t) −st e dt dt (222) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 116 untersucht werden. Zur Herleitung wird vorteilhaft wiefolgt vorgegangen, wobei f und g beliebige Funktionen seien: (f g)0 = f 0 g + f g 0 Daraus folgt: f 0 g = (f g)0 − f g 0 Somit gilt auch Z b Z 0 b (f g) = a a Z 0 (f g) − 0 b (f g)|ba fg = a − Z b (f g 0 ) a Somit gilt: v = e−st df (t) dt dt dw = und man erhält Z b a (223) = df (t) v dw = v w |ba − Z b wdv (224) a Die Auswertung an den Grenzen ergibt Z 0 ∞ ∞ df (t) −st e dt = f (t)e−st + s 0 dt Z ∞ 0 f (t)e−st dt = −f (0) + sF (s) (225) Damit ergibt sich als Transformationspaar f (t) F (s) df (t) dt 16.3.2 (226) sF (s) − f (0) Integration einer Funktion im Zeitbereich Für die Integration einer Funktion im Zeitbereich wird wieder die partielle Integration benutzt. Es soll das Integral Z t 0 f (x)dx (227) transformiert werden. Wir benützen dabei die Tatsache, dass die Ableitung eines Integrals einer Funktion wieder die Funktion ergibt: d f (t) = dt Zt f (τ )dτ (228) t=0 Nun kann die Differentiationsregel (226) angewendet werden: F (s) = L(f (t)) = L d dt Zt t=0 f (τ )dτ = sL Zt t=0 f (τ )dτ − Z0 f (τ )dτ 0 (229) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 117 Der letzte Term in (229) ist Null, somit folgt bei Division auf beiden Seiten des Gleichheitszeichens durch s: L Zt f (τ )dτ = t=0 F (s) s (230) Das heisst, die Integration im Zeitbereich (Oberbereich) drückt sich durch eine Division der Laplace-Transformierten durch s aus. Als Transformationspaar ergibt sich daher f (t) Rt 0 f (τ )dτ F (s) 1 s F (s) (231) Für das praktische Arbeiten mit Netzwerken sind noch zwei Theoreme von Wichtigkeit, die Identitäten zwischen Oberbereich und Unterbereich darstellen. Es sind dies das Anfangswerttheorem f (t = 0) = lim sF (s) (232) f (t → ∞) = lim sF (s) (233) s→∞ und das Endwerttheorem s→0 Diese Formel (233) setzt voraus, dass f (t → ∞) auch tatsächlich als endlicher Wert existiert. Damit kann auf einfache Weise der Anfangs- und der Endwert der unbekannten Funktion überprüft werden. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 118 Transformationspaare - Laplace Transformation f(t) F(s) 1 (für t > 0, vorher 0) 1 s t 1 s2 e−αt 1 s+α te−αt 1 (s+α)2 cos(ωt) s s2 +ω 2 sin(ωt) ω s2 +ω 2 e−αt cos(ωt) s+α (s+α)2 +ω 2 e−αt sin(ωt) ω (s+α)2 +ω 2 cos(ωt + φ) s cos φ−ω sin φ s2 +ω 2 sin(ωt + φ) ω cos φ+s sin φ s2 +ω 2 e−αt cos(ωt + φ) (s+α) cos φ−ω sin φ (s+α)2 +ω 2 e−αt sin(ωt + φ) ω cos φ+(s+α) sin φ (s+α)2 +ω 2 sinh(ωt) ω s2 −ω 2 cosh(ωt) s s2 −ω 2 df (t) dt sF (s) − f (0− ) d2 f (t) dt2 Rt 0 = d df (t) dt dt f (τ )dτ s2 F (s) − sf (0− ) − F (s) s f (t − t1 ) e−t1 s F (s) tf (t) − dFds(s) f (t) t c1 f1 (t) + c2 f2 (t) Rt 0 f1 (τ )f2 (t − τ )dτ tn−1 (n−1)! df (0−) dt R∞ F (s)ds s c1 F1 (s) + c2 F2 (s) F1 (s)F2 (s) 1 sn (234) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 16.4 119 Lösung von Differentialgleichungen Die Betrachtungen hier sind auf lineare Differentialgleichungen beschränkt, wie sie bei der Lösung elektrischer Netzwerke vorkommen. Dabei kann eine anregende Quelle (Inhomogenität) oder eine Anfangsbedingung vorhanden sein. Es wird zur Illustration die RC-Schaltung mit einer Gleichspannung als Anregung betrachtet, siehe Fig. 83. Die Spannungsgleichung lautet 1 E = Ri(t) + C Z i(t)dt (235) Durch Laplace-Transformation erhält man E s = RI(s) + I(s) = CE 1+sRC 1 sC I(s) = = I(s) 1+sRC sC (236) 1 E R s+ 1 RC Die gesuchte Funktion F (s) in transformierter Form zeigt eine Amplitude Funktion, die den zeitlichen Verlauf charakterisiert, nämlich E R 1 1 1 = s+α s + RC und eine (237) wofür sofort die entsprechende Zeitfunktion angegeben werden kann, nämlich e−αt . Die Lösung lautet demnach E − t e RC R Der Lösungsvorgang lässt sich daher wie folgt zusammenfassen f (t) = i(t) = (238) 1. Aufstellen der Differentialgleichung 2. Anwendung der Laplace-Transformation • die Quellenfunktion geht in eine algebraische Funktion in s über • die Unbekannte erscheint als I(s) oder U (s) • die für die Netzkomponenten charakteristischen Operationen drücken sich durch algebraische Ausdrücke aus 3. Umformung des algebraischen Ausdrucks, die Unbekannte wird modifiziert durch die Quellenfunktion in einem algebraischen Ausdruck dargestellt. 4. Identifikation der Amplitude(n) und der algebraischen Ausdrücke, die die Zeitfunktion(en) kennzeichnen. 5. Rücktransformation in den Zeitbereich anhand der Transformationspaare (234). c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 120 Die Regeln können beim genannten Beispiel einfach angewendet werden. Der resultierende algebraische Ausdruck ist unmittelbar anhand der Tabelle (234) am Ende des vorangehenden Abschnitts identifizierbar. Im allgemeinen tritt jedoch an dieser Stelle eine Schwierigkeit auf, da die algebraischen Ausdrücke komplizierter ausfallen. Ein Beispiel soll dies erläutern. Es soll der Einschaltvorgang bei einem RL-Kreis berechnet werden. Der Schaltkreis ist in Fig. 85 gezeigt. t=0 R i(t) + E L - Abbildung 85: RL-Schaltkreis (E: Gleichspannungsquelle) Die Differentialgleichung lautet E = Ri(t) + L di(t) dt (239) Laplace transformiert E = RI(s) + sLI(s) = I(s)(R + sL) s oder I(s) = E E 1 = s(R + sL) L s(s + (240) (241) R L) Hier zeigt sich, dass der algebraische Ausdruck, der die Zeitfunktion charakterisiert, sich aus einem Faktor, der von der Quellenfunktion stammt (= 1s ), und einem Faktor zusammensetzt, der sich aus dem passiven Netz ableitet ( s+1 R = Systemfunktion). Das L Resultat kann so nicht ohne weiteres interpretiert werden. Wenn es jedoch gelingt, den algebraischen Ausdruck geschickt zu zerlegen, können die Anteile anhand der Transformationspaare rücktransformiert werden. 16.5 Partialbruchzerlegung - Rücktransformation Der Weg zur Identifikation der Anteile der algebraischen Funktion besteht in der sogenannten Partialbruchzerlegung. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 121 Liegt eine rationale gebrochene Funktion Z(s) N (s) (242) vor und ist der Grad des Nennerpolynoms N (s) höher als der Grad des Zählerpolynoms Z(s), so lässt sich die Funktion unter gewissen Bedingungen (siehe auch nachfolgendes Kapitel) in eine Summe von Ausdrücken aufspalten Z(s) A1 A2 A3 An A + + + + ... = N (s) s + α1 s + α1 s + α2 s + α3 s + αn (243) Die Anzahl der Ausdrücke ist gleich dem Grad des Nennerpolynoms, d.h. n. Als erster Schritt bei der praktischen Durchführung muss das Nennerpolynom in seine Faktoren zerlegt werden. N (s) = (s + α1 )(s + α2 )(s + α3 )...(s + αn ) (244) Die α’s sind dabei die Wurzeln des Polynoms. Dadurch, dass man die Summe der einfachen Ausdrücke wieder auf den gleichen Nenner bringt, entsteht im Zähler ein Polynom mit den unbekannten Koeffizienten A1 , A2 , A3 , usw. Diese können danach durch Koeffizientenvergleich bestimmt werden. Dieser Vorgang soll anhand des Ergebnisses für den LR-Kreis gezeigt werden. 1 s(s + R L) = A(s + R B A L ) + Bs = + = R s s+ L s(s + R L) AR L + s(A + B) s(s + R L) (245) Koeffizientengleich (Koeffizienten gleicher Potenzen) s0 : 1 = A R L (246) 1 s : 0 = A+B Die Koeffizienten A und B haben somit die folgenden Werte A= L L ; B=− R R (247) Der Strom I(s) ergibt sich damit aus (241) zu E I(s) = R 1 1 − s s+ R L ! (248) und rücktransformiert mit (234): i(t) = R E 1 − e− L t R Aus diesem Ergebnis erkennt man, dass das Verhältnis darstellt: L T = R (249) L R wieder eine Zeitkonstante (250) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 122 in t E 1 − e− T (251) R T hat die gleiche Bedeutung wie die Zeitkonstante des RC-Kreises. In jedem Fall charakterisiert die Zeitkonstante den Verlauf der Exponentialfunktion unabhängig von der Amplitude der Quelle E. Nur bei Schaltungen mit einem Speicher bilden sich die Zeitkonstanten auf diese einfache Weise. Zeitkonstanten scheinen aber auch in komplexeren Schaltungen auf und sind Kehrwerte der reellen Wurzeln des Nennerpolynoms, siehe (244). Weitere Beispiele werden in den nachfolgenden Abschnitten diskutiert. i(t) = 16.6 Partialbruchzerlegung: Eine Verallgemeinerung mittels Residuen Die Partialbruchzerlegung, so wie im letzten Unterkapitel diskutiert, ist nicht die einzige Art, die Koeffizienten A1 , A2 , ...An zu bestimmen. Aus der Analysis sind diese Koeffizienten als “Residuen” (komplexe Analysis) bekannt. Durch die folgende Grenzwertbetrachtung lassen sich diese Koeffizienten ohne Zerlegung des Quotienten und anschliessender Koeffizientenvergleich berechnen. Das Vorgehen ist allgemein, so dass auch Residuen bei Mehrfachwurzeln bestimmt werden können. Das (für diese Vorlesung) allgemeinste Nennerpolynom kann wie folgt dargestellt werden: F (s) = Z(s) Z(s) = N (s) s(s − p1 )(s − p2 ) ((s − p3 )(s − p∗3 )) (s − p4 )2 (252) In dieser allgemeinen Formel seien p1 6= p2 6= p4 6= 0 (alles reelle Zahlen) und p3 und p∗3 seien zwei konjugiert komplexe Zahlen 6= 0 und alle seien numerisch gegeben. Der Klammerausdruck ((s − p3 )(s − p∗3 )) deutet an, dass hier zwei konjugiert komplexe Pole oder Nullstellen vorliegen. Die Partialbruchzerlegung für diesen Ausdruck gilt unter der Voraussetzung, dass der höchste Polynomkoeffizient des Zählers kleiner ist als der höchste NennerPolynomkoeffizient (unter der Annahme, dass beide Polynome ausmultipliziert wurden): Z(s) C A B + + = + N (s) s s − p1 s − p2 D D∗ + s − p3 s − p∗3 E F + 2 (s − p4 ) s − p4 (253) Man beachte auch hier die speziell zusammengehörigen Klammerausdrücke. Dieser Ansatz hat bei einem nachfolgenden Koeffizientenvergleich (Vorgehen siehe z.B. (245) und (246)) und unter den genannten Voraussetzungen genau eine Lösung für A, B, C, D, E und F. Man beachte dass der Koeffizient D, bzw. dessen konjugiertkomplexe Darstellung D∗ , komplexe Zahlen darstellen. Alle anderen Koeffizienten sind reelle Zahlen. F (s) = + c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 123 Die Koeffizienten können aber auch mit den Residuenansatz bestimmt werden, dessen Anwendung (ohne Herleitung) auf folgende Lösungsansätze führt: A = sF (s)|s=0 = Z(0) Z(0) = ∗ 2 (−p1 )(−p2 )(−p3 )(−p3 )(−p4 ) (−p1 )(−p2 )(|p3 |2 )(−p4 )2 (254) B = (s − p1 )F (s)|s=p1 = Z(p1 ) p1 (p1 − p2 )(p1 − p3 )(p1 − p∗3 )(p1 − p4 )2 (255) C = (s − p2 )F (s)|s=p2 = Z(p2 ) p2 (p2 − p1 )(p2 − p3 )(p2 − p∗3 )(p2 − p4 )2 (256) D = (komplexe Zahl) = (s − p3 )F (s)|s=p3 = E = (s − p4 )2 F (s) s=p4 = Z(p3 ) p3 (p3 − p1 )(p3 − p2 )(p3 − p∗3 )(p3 − p4 )2 (257) Z(p4 ) p4 (p4 − p1 )(p4 − p2 )(p4 − p3 )(p4 − p∗3 ) ∂ (s − p4 )2 F (s) F = ∂s (258) (259) s=p4 Man beachte, dass aufgrund der doppelten Nullstelle p4 der Koeffizient F mit relativ komplizierten Formeln bestimmt werden muss (Man muss noch die Ableitung von (a · b)0 = a0 b + b0 a anwenden, wobei a = (s − p4 )2 und b = F (s) ist.). Es soll jedoch nochmals betont werden, dass diese schnelle Vorgehensweise genauso durch den Koeffizientenvergleich ersetzt werden kann. Beide führen bei korrekter Rechnung auf genau das gleiche Resultat. Die Rücktransformation dieses allgemeinen Ausdrucks F (s) (253) in den Zeitbereich ist wie folgt: f (t) = A + Bep1 t + Cep2 t + 2|D|eα3t cos (β3 t + 6 (D)) + (E · t + F )ep4 t (260) wobei 6 α3 = Realteil(p3 ) (261) β3 = Imaginärteil(p3 ) (262) |D| = Betrag der komplexen Zahl D (263) (D) = Winkel der komplexen Zahl D (264) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 17 124 Schaltungen mit einem Speicher 17.1 Anwendung der Laplace-Tansformation 17.1.1 Speicher ohne Anfangsbedingungen Schaltungen mit einem unabhängigen Speicher enthalten entweder eine Spule oder einen Kondensator. Daneben können noch Widerstände parallel- oder seriengeschalet vorhanden sein. Sind keine Anfangsbedingungen (Ladung, Spannung oder Strom) vorhanden, so können die Regeln nach Abschnitt 16.4 ohne besondere Umformungen angewendet werden. Es werden zwei Beispiele betrachtet. Beispiel 1 Das erste Beispiel ist durch einen LR-Schaltkreis gegeben, der durch eine Wechselspannung angeregt wird, siehe Schema in Fig. 86. t=0 R i(t) + E cos(ωt) L - Abbildung 86: LR-Kreis angeregt mit einer Wechselspannung Der Schalter schliesst im Zeitpunkt t = 0. Die Spannungsgleichung lautet E cos ωt = Ri(t) + L di(t) dt (265) Laplace-transformiert s2 Es = RI(s) + sLI(s) = I(s)(R + sL) + ω2 (266) Die Lösung für I(s) im Unterbereich I(s) = Es E s = (s2 + ω 2 )(R + sL) L (s2 + ω 2 )( R L + s) (267) Dieser algebraische Ausdruck muss nun in eine geeignete Form gebracht werden, so dass eine Rücktransformation mit einfachen Mitteln (234) möglich wird. Dies geschieht durch eine Partialbruchzerlegung, wie im Kapitel 16.6 erläutert wurde. Sie führt auf die folgende Art der Koeffizientenbestimmung: F (s) = s 2 2 (s + ω )(s + R L) = s (s + jω)(s − jω)(s + R L) = A∗ C A + + s + jω s − jω s + R L (268) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 125 Nun folgt mit Anwendung der im vorangehenden Kapitel (257) erläuterten Ansätze: A = (s + jω)F (s) |s=−jω = −jω 2(−jω)(−jω + R L) = 1 2(−jω + R L) (269) Da später bei der Rücktransformation in den Zeitbereich noch der Betrag und der Winkel benötigt werden, seien diese hier hergeleitet: |A| = 1 1 q 2 ω2 + (270) R2 L2 und ωL R C wird nun gemäss (255) oder (256) wie folgt bestimmt: 6 C= (A) = arctan (271) s+ R R F (s) |s=− R = − R2 L L L + ω2 L2 (272) Man beachte, dass eine direkte Rücktransformation von F (s) in den Zeitbereich möglich ist: A C A∗ F (s) = + (273) + ∗ s−p s−p s+ R L Der in den Zeitbereich rücktransformierte Ausdruck ist wie folgt: f (t) = 2|A|eαt cos(βt + 6 (A)) + Ce− L t (274) α = Realteil(p) (275) β = Imaginärteil(p) (276) |A| = Betrag der komplexen Zahl A (277) (A) = Winkel der komplexen Zahl A (278) R wobei 6 Somit ist die Rücktransformation von I(s) in (267) verknüpft mit (268) I(s) = E F (s) L mit α = 0 (275) (d.h. kein exponentieller Verlauf) und β = −ω (276) wie folgt: E 1 i(t) = q L ω2 + R2 L2 ωL · cos −ωt + arctan R − R2 L2 R L + ω2 −R t L e (279) Dieser Ausdruck kann wegen cos(−x) = cos(x) auch folgendermassen ausgedrückt werden: c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ E 1 i(t) = q L ω2 + R2 L2 ωL · cos ωt − arctan R 126 − R2 L2 R L + ω2 −R t L e (280) Aus diesem Ergebnis ist nun ersichtlich, dass bei der Anregung mit einer Wechselgrösse im Stationärzustand ein Wechselstrom auftritt, der auch nur durch die bekannte komplexe Rechnung hätte bestimmt werden können. L Das Exponentialglied klingt mit der Zeitkonstanten T = R ab. Sein Vorzeichen ist dem Anfangswert des Cosinusgliedes entgegengesetzt, d.h. dass der Strom zur Zeit t = 0 Null sein muss. Beispiel 2 Das zweite Beispiel ist durch einen RC-Kreis gegeben, der durch eine Exponentialfunktion angeregt wird. t=0 R i(t) + Ee−αt C - Abbildung 87: RC-Kreis angeregt durch eine exponentiell abfallende Spannung Die anregende Spannung hat die Form e(t) = Ee−αt (281) Die Spannungsgleichung für den Kreis lautet e(t) = R i(t) + 1 C Z i(t)dt (282) Laplace-transformiert 1 1 1 E = RI(s) + I(s) = I(s) R + s+α sC sC (283) und daraus I(s) I(s) = E (s + α)(R + 1 sC ) = Es (s + α)(sR + 1 C) = Es R(s + α)(s + 1 RC ) (284) Partialbruchverlegung s (s + α)(s + 1 RC ) = 1 ) + B(s + α) A(s + RC B A = + 1 1 s + α s + RC (s + α)(s + RC ) (285) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 127 Koeffizientenvergleich s1 : 1 = A + B s0 : 0 = A RC (286) + Bα Daraus ergibt sich B =1−A A = − −α+α B = 1 RC (287) 1 RC 1 −α+ RC Die Rücktransformation liefert zwei Exponentialfunktionen i(t) = − α −α + 1 RC 1 E −αt E − 1 t RC + e e RC 1 R −α + RC R (288) Der Anfangswert des Stromes ist gleich E R , der Endwert ist Null. Charakteristisch ist, dass die Lösung eine Zeitfunktion enthält, die mit derjenigen der Quelle übereinstimmt, sowie eine zweite aufweist, die von den Parametern des Systems abhängig ist (RC). Wenn man nur die Zahlenwerte der Lösung vor sich hat, ist nicht mehr zu erkennen, welcher Anteil von der anregenden Funktion stammt und welcher Anteil von der Schaltung (passiver Teil). Diese Feststellung gilt ganz allgemein und führt in der Signalverarbeitung dazu, dass Signale ohne Rückschlüsse auf ihre Entstehung mit verschiedenen Transformationsmethoden behandelt werden. 17.1.2 Speicher mit Anfangsbedingungen Speicher können im Zeitpunkt des Einschaltens eine Anfangsladung oder einen Anfangsstrom haben, die bei der Verwendung des Exponentialansatzes zusätzliche Überlegungen verlangen. Bei Anwendung der Laplace-Transformation wird die Anfangsbedingung bei der Transformation der Differentialgleichung mitberücksichtigt. Voraussetzung ist, dass du(t) bei einer Spule die Spannung L di(t) dt und bei einem Kondensator der Strom C dt transformiert wird. Beispiel 3 Um ein Beispiel zur Erläuterung zu geben, wird der LR-Kreis aus Fig. 88 betrachtet. In diesem Fall soll die Spule einen Anfangsstrom i0 haben. (Da die Analyse für t > 0 gilt, spielt es keine Rolle, dass der Schalter für t < 0 offen steht und somit kein Strom fliessen könnte). Zur Vereinfachung wird jetzt ein Einheitssprung mal einer Spannung E als anregende Funktion angenommen. Es gilt für t > 0: E(t) = E = Ri(t) + L di(t) dt (289) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ t=0 128 R i(t) + i0 E(t) = E L - Abbildung 88: LR-Kreis angeregt mit einer Gleichspannung (i0 : Anfangsstrom in der Spule) (E(t): Gleichspannung E) Die transformierte Spannungsgleichung lautet dann gemäss (226): E = RI(s) + sLI(s) − Li0 s Der Strom muss wiefolgt ausgedrückt werden: I(s) = (290) E 1 E + sLi0 + Li0 = s R + sL s(R + sL) (291) Für die Rücktransformation muss der Ausdruck in Partialbrüche verlegt werden. E + sLi0 1 I(s) = = R L Ls( L + s) A B + s s+ R L Gleichsetzen der Zähler E + sLi0 = A(s + R ) + Bs L ! (292) (293) und Koeffizientenvergleich s1 : Li0 = A + B 0 s : E Daraus erhält man A= = (294) AR L EL EL , B = Li0 − R R (295) eingesetzt in I(s) (292) I(s) = E R s + i0 − E R R s+ L (296) Der Strom I(s) lässt sich einfach rücktransformieren i(t) = E E −R t e L + i0 − R R (297) Der Anfangsstrom ist also auf systematische Art in die Analyse einbezogen worden. Wie zu erwarten, klingt dieser mit der Zeitkonstante des Schaltkreises ab. Würde man die Spannung entsprechend abstimmen, so könnte man den Ausgleichsstrom vollkommen unterdrücken, d.h. wenn E i0 − =0 (298) R c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 129 Beispiel 4 In einem RC-Kreis muss nun beachtet werden, dass bei der Transformation der Kondensatorstromes die Anfangsspannung mitberücksichtigt wird. Es wird dazu die Schaltung in Fig. 89 betrachtet, wobei jetzt der Kondensator eine Anfangsspannung uC0 haben soll. t=0 i(t) R + uC0 E(t) = E C - Abbildung 89: RC-Kreis angeregt durch eine Gleichspannung (uC0 : Anfangsspannung am Kondensator)(E(t) = E: Gleichspannung) Die Spannungsgleichung muss nun in folgender Form geschrieben werden E(t) = Ri(t) + uC (t) (299) mit uC (t): Kondensatorspannung Für den Strom i(t) gilt duC (t) dt Beide Beziehungen werden transformiert (u.a. mit (226)) i(t) = C E(s) = RI(s) + UC (s) I(s) (300) (301) = sCUC (s) − CuC0 Man beachte, dass uC0 in die gleiche Richtung gezählt wird wie UC . Eingesetzt ergibt sich: E(s) = R (sCUC (s) − CuC0 ) + UC (s) = UC (s) (sRC + 1) − RCuC0 (302) Daraus lässt sich die Kondensatorspannung bestimmen UC (s) = E(s) + RCuC0 1 E(s) + RCuC0 = 1 1 + sRC RC s + RC (303) Der Einfachheit halber wird für die weitere Rechnung für E(s) eine Sprungfunktion eingesetzt E E(s) = (304) s Die Partialbruchzerlegung muss sodann angewendet werden auf UC (s) = E RC + suC0 B A = + 1 1 s s(s + RC ) s + RC (305) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 130 Das ist formell die gleiche Aufgabe wie beim RL-Kreis der Fig. 88, (292). Das analoge Ergebnis kann somit von dort übernommen werden. A = E, B = uC0 − E, UC (s) = E uC0 − E + 1 s s + RC (306) Um den Strom I(s) (301) zu bestimmen, ist es vorteilhafter, den ersten Ausdruck in (305) für UC (s) in die Beziehung für den Strom I(s) einzusetzen. E + suC0 E sCuC0 1 I(s) = sC RC + − CuC0 = 1 1 1 − CuC0 R s + RC s(s + RC ) s + RC oder I(s) = E uC0 1 1 − 1 1 R s + RC R s + RC (307) (308) Die Rücktransformation kann nun vollzogen werden i(t) = E − 1 t uC0 − 1 t e RC − e RC R R oder i(t) = E uC0 − R R (309) 1 e− RC t (310) Der zeitliche Verlauf weist nur eine Exponentialfunktion mit der Zeitkonstante T = RC auf, wobei die Amplitude von der relativen Grösse der Anfangsspannung des Kondensators gegenüber der aufgedrückten Gleichspannung uC0 abhängt. Hätte man eine andere Spannungsform aufgeschaltet, so würde ebenso eine Exponentialfunktion in Erscheinung treten. Darüber hinaus würde man die Wirkung der stationären Anregung, z.B. einer Cosinus-Funktion feststellen. 17.2 Ersatzschaltungen Bei der Ausarbeitung von Ersatzschaltungen im Zusammenhang mit Speichern geht es nicht um eine Reduktion des Netzes auf ein Klemmenpaar, sondern um die Darstellung der Anfangsbedingungen, d.h. des Stromes in der Spule und der Spannung über dem Kondensator. Es werden dazu wieder die elementaren Beziehungen betrachtet. 17.2.1 Ersatzschaltung für die Spule mit Anfangsstrom i0 Es wird die Spannung über der Spule u(t) = L di(t) dt (311) transformiert, wofür man erhält U (s) = sLi(s) − Li0 = sL I(s) − i0 s (312) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 131 Der Ausdruck in der Klammer besagt, dass der Strom, der die Spannung erzeugt, sich aus dem aussen fliessenden Strom und einer inneren Stromquelle zusammensetzt. Die Stromquelle wirkt dabei wie eine Sprungfunktion. Es lässt sich dafür eine anschauliche Ersatzschaltung angeben, die sich aus einer Spule und einer an deren Klemmen angeschlossenen Stromquelle zusammensetzt, wie sie in Fig. 90 gezeigt ist. L iL (t) I(s) i0 (t = 0− ) t=0 U (s) Z = sL = i0 s Abbildung 90: Ersatzschaltung für eine Spule mit Anfangsstrom (i0 : Anfangsstrom in Richtung von IL (t) für t = 0− ) im Zeitbereich (links) und Laplace-Bereich (rechts) Bei dieser Schaltung sind die Zählpfeile zu beachten. Massgebend ist der obige Klammerausdruck, der den Strom durch die Spule wiedergibt. Danach muss der Quellenstrom ( is0 ) vom Strom I(s) subtrahiert werden. Die Richtigkeit dieser Überlegung lässt sich anhand eines einfachen Beispiels überprüfen. Eine Spule mit Anfangsstrom wird auf einen Widerstand geschalten, wofür ein vereinfachtes Schaltbild in Fig. 91 gezeigt ist. i(t) i0 (t = 0−) Abbildung 91: Richtung) L t=0 R Zeitbereich: Entladung einer Spule (i0 (t = 0−): Anfangsstrom mit Die Schaltung ist nur für den Zeitbereich t > 0 gültig. Wie der Anfangsstrom zustandekommt ist für diese Aufgabe nicht relevant. Die nach Laplace transformierte Spannungsgleichung sieht dann folgendermassen aus i0 I(s)(sL + R) = i0 L; → 0 = sL I(s) − + RI(s) (313) s c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 132 Die Lösung für den Strom lautet I(s) = Li0 i0 = R + sL s+ R L (314) bzw. im Zeitbereich i(t) = i0 e− L t R (315) Basierend auf den Überlegungen der Fig. 90 kann auch mit einer Ersatzschaltung nach Fig. 92 gearbeitet werden, die den Entladevorgang der Anordnung der Fig. 91 beschreibt. I(s) IL (s) U (s) i0 s Z = sL R Abbildung 92: Laplace-Ersatzschaltung für die Entladung einer Spule mit geschalteter Stromquelle (Achtung: IL (s) ist nur der Strom im s-Bereich, welcher durch Z = sL fliesst) Für die Fig. 92 gelten die folgenden Beziehungen i0 s = IL (s) + IR (s) (316) U (s) = sLIL (s) = RIR (s) Hier ist zu beachten, dass der Spulenstrom keinen Anfangswert enthält. Die Bestimmung des Stromes IR (s) bzw. iR (t) geschieht wie folgt: i0 = s R i0 + 1 I(s); I(s) = sL s+ R L (317) d.h. i(t) = i0 e− L t Dieser Lösungsweg zeigt, dass die Ersatzschaltung mit einer geschalteten Stromquelle an Stelle des Anfangsstromes die gleiche Lösung wie ein Vorgehen liefert, bei dem L di(t) dt transformiert wird. R 17.2.2 Ersatzschaltung für den Kondensator mit Anfangsspannung Besitzt ein Kondensator eine Anfangsspannung uC0 (Anfangsladung), so muss von der Beziehung c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 133 duC (t) dt ausgegangen werden. Transformiert erhält man gemäss (226) i(t) = C I(s) = sCUC (s) − CuC0 = sC(UC (s) − (318) uC0 ) s (319) Der Ausdruck in der Klammer besagt wieder, dass der Kondensatorstrom durch eine Änderung einer Differenz von Spannungen entsteht. Diese Differenz entsteht durch Subtraktion der Anfangsspannung von der Gesamtkondensatorspannung. Damit lässt sich wieder sofort eine Ersatzspannung angeben, siehe Fig. 93. C t=0 + Z= 1 sC + − uC0 (t = 0−) − uC 0 s Abbildung 93: Ersatzschaltung für den Kondensator mit Vorladung (uc0 : Anfangsspannung für t = 0−) (links: Zeitbereich, rechts: Laplace-Ersatzschema) Diese Schaltung soll nun anhand der Entladung des Kondensators über einen Widerstand erprobt werden. Ein entsprechendes Schema ist in Fig. 94 gezeigt. i(t) iR (t) t=0 + uC0 (t = 0−) C R - Abbildung 94: für t = 0−) Zeitbereich: Entladung eines Kondensators (uc0 : Anfangsspannung Nun bestehen wieder zwei Möglichkeiten der Verwendung des Ersatzschaltbildes. Entweder man nutzt die Beziehung (319) und bildet aus dem Kondensatorstrom den Spannungsabfall über dem Widerstand − RI(s) = UR (s) = UC (s) = −sRC(UC (s) − woraus UC (s) = UR (s) = uC0 1 s + RC uC0 ) s (320) (321) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ I(s) 134 IR (s) Z= 1 sC UC (s) UR (s) R + uC 0 s − Abbildung 95: Laplace: Ersatzschaltung entsprechend Fig. 94 für die Entladung eines Kondensators resultiert oder man betrachtet die Anfangsspannung als externe Quelle, die zum Zeitpunkt t = 0 zugeschaltet wird, siehe Fig. 95. Für den Fall der Fig. 95 gelten die folgenden Beziehungen: uC0 1 uC0 uC0 = IR (s)(R + ); IR (s) = ; UR (s) = 1 1 s sC R(s + RC ) s + RC (322) Zu beachten ist hier, dass die Kondensatorspannung sich aus uC0 IR (s) − s sC (323) zusammensetzt, die letztlich wieder UR (s) ergibt. Die Spannung IRsC(s) ist nicht gleich der gesamten Kondensatorspannung, sondern entspricht eher einer inneren Spannung. Wie bei der Spule kann die Ersatzschaltung für t > 0 somit mit einer geschalteten Spannungsquelle aufgebaut gedacht werden, siehe Fig. 95. 17.3 17.3.1 Rechenbeispiele Beispiel 1 Als erstes Beispiel wird das Parallelschalten eines Widerstandes und einer stromdurchflossenen Spule untersucht. Die Spule nach Fig. 96 wird vor dem Schalten von einer Gleichspannung gespeist. Zur Zeit t = 0 wird der Schalter geschlossen. Der Strom durch den Widerstand RL soll berechnet werden. Der vor dem Schliessen des Schalters gültige stationäre Strom i0 ist einfach bestimmt durch E i0 = (324) R1 + RL Für die Berechnung des Ausgleichsvorganges nach dem Schliessen des Schalters wird die Ersatzschaltung mit geschalteter Stromquelle verwendet, siehe Fig. 97. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 135 R1 RL t=0 L R2 + E(t) - i0 (t = 0−) iL(t) E(t) bedeutet: E liegt schon lange vor t=0 an E 0 t Abbildung 96: Spule mit Anfangsstrom (i0 : Anfangsstrom in der Spule für t = 0−). Der Verlauf des Spulenstromes iL nach dem Zuschalten des Widerstandes R2 soll bestimmt werden. Bei diesem Beispiel soll das Überlagerungsprinzip angewendet werden, d.h. zuerst wird die Wirkung der Spannungsquelle E(s) = Es , dann wird diejenige der Stromquelle i0 s berechnet. Danach werden beide Anteile summiert. Spannungsquelle E(s) Für die Wirkung der Spannungsquelle gilt • die anregende Spannung = E/s • die Stromquelle wird weggenommen (Innenwiderstand = ∞) Unter diesen Bedingungen erhält man für den Strom I1 (s) I1 (s) = E(R2 + RL + sL) s(R1 (R2 + RL + sL) + R2 (RL + sL)) (325) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ R1 136 IR (s) I1 (s) IL (s) RL E(s) = R2 E s Z = sL i0 s Abbildung 97: Laplace-Ersatzschaltung (siehe Fig. 96) mit geschalteter Stromquelle Der Spulenstrom ist von I1 (s) abhängig und kann durch diesen ausgedrückt werden IL (s) = I1 (s) R2 R2 + RL + sL (326) Nach Einsetzen von I1 (s) entsprechend der Beziehung (325) lässt sich der gesamte Ausdruck auf eine einfache Form bringen, die im folgenden angegeben ist. IL (s) = aE sL(s + α) (327) wobei R2 R0 R1 R2 ; α= (328) ; R0 = RL + R1 + R2 L R1 + R2 Bevor auf die Lösung im Zeitbereich eingegangen wird, sollen die obigen Parameter etwas interpretiert werden. a= • R0 ist der Widerstand, der von der Spule aus gesehen wird • α ist der Kehrwert der Zeitkonstanten des Schaltkreises. Sie kann unmittelbar aus R0 und L gebildet werden. • a ist ein Stromteilfaktor; er geht gegen 1, wenn der Widerstand R2 gegen unendlich geht (keine Teilung des Stromes) Der zeitliche Verlauf von iL (t) lässt sich nun durch Partialbruchzerlegung und Rücktransformation von (327) ermitteln. aE (1 − e−αt ) R0 (= Anteil der Wirkung der Spannungsquelle) iL (t) = (329) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ Stromquelle i0 s 137 Für die Wirkung der Stromquelle gilt • anregender Strom = i0 /s • Spannungsquelle kurzgeschlossen (Innenwiderstand Null) Unter diesen Bedingungen erhält man für den Spulenstrom IL (s) = i0 sLR0 i0 L i0 = 0 = 0 0 0 s R (R + sL) R + sL s + RL (330) und somit für den zeitlichen Verlauf iL (t) = i0 e−αt (331) (= Anteil der Wirkung der Stromquelle) Die Wirkung beider Quellen ergibt sich durch Summation der beiden Anteile. iL (t) = aE aE + i0 − 0 0 R R e−αt (332) (332) ist in Fig. 98 dargestellt. iL (t) i0 aE R0 L R0 t=0 t Abbildung 98: Zeitlicher Verlauf des Spulenstroms iL (t) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 17.3.2 138 Beispiel 2 Als zweites Beispiel soll das Einschalten einer Wechselspannungsquelle auf einen RCKreis untersucht werden. In der Schaltung in Fig. 99 hat der Kondensator eine Anfangsspannung. R1 t=0 + + E(t) − R2 C − uC0 Abbildung 99: Zeitbereich: Einschalten einer Wechselspannung auf einen RC-Kreis (Kondensator mit Anfangsspannung uC0 für t = 0−) Für die Berechnung des Verlaufs der Kondensatorspannung wird die Ersatzschaltung mit geschalteter Spannungsquelle verwendet. Dabei ist es nützlich, die Wechselspannung zuerst in eine Stromquelle und dann wieder in eine Spannungsquelle umzuwandeln. Die resultierende Ersatzschaltung ist in Fig. 100 (Laplace-Ersatzschema A) und 101 (Laplace-Ersatzschema B) gegeben. R1 R2 + E(s) = L (E cos(ωt)) = Z= 1 sC Es s2 +ω 2 - + uC0 s - Abbildung 100: Laplace: Ersatzschaltung A für den Schaltkreis in Fig. 99 Die Ersatzgrössen E 0 und R0 bezogen auf die Fig. 101 seien: E0 = E R2 R1 R2 ; R0 = R1 + R2 R1 + R2 (333) Anhand dieser Ersatzschaltung ist die Kondensatorspannung nach dem Prinzip der Spannungsteilung einfach bestimmbar. Es wird zuerst der Spannungsabfall UC0 (s) über dem Kondensator (ohne die Anfangsspannung) berechnet. UC0 (s) = E 0 (s) − uC0 1 sE 0 0 s · (s) = ; E 1 sC s2 + ω 2 R0 + sC (334) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ Z= 0 − E(s) R1 139 1 sC R = R1 //R2 = R1 R2 R1 +R2 + uC0 s - R0 = R1 //R2 = 2 E(s) R1R//R 1 = R1 R2 R1 +R2 u0C (s) Z= 2 E(s) R1R+R 2 1 sC + uC0 s - Abbildung 101: Laplace: Ersatzschaltung B für den Schaltkreis in Fig. 99 Eingesetzt und vereinfacht erhält man UC0 (s) = s2 (E 0 − uC0 ) − uC0 ω 2 R0 Cs(s2 + ω 2 )(s + α) (335) mit 1 R0 C Die Partialbruchzerlegung wird mit vereinfachten Koeffizienten durchgeführt α= F (s) = s(s2 as2 + b D A Bs + C + = + 2 + ω 2 )(s + α) s s + ω2 s+α (336) (337) wobei E 0 − uC0 −uC0 ω 2 , b = R0 C R0 C Die Rücktransformation von (337) in den Zeitbereich ergibt gemäss (234): a= 1 C sin(ωt) + De−αt ω Man findet für die Koeffizienten der Partialbruchzerlegung f (t) = A + B cos(ωt) + A = −uC0 B = E 0 α2 ω 2 +α2 C = E 0 ω2 α ω 2 +α2 D = −E 0 α2 ω 2 +α2 (338) (339) (340) + uC0 c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 140 Der zeitliche Verlauf der Spannung u0C (t) über dem Kondensator (ohne die Anfangsspannung) lautet: u0C (t) = −uC0 + E 0 α2 αω α2 0 0 cos ωt + E sin ωt + (u − E )e−αt (341) C0 ω 2 + α2 ω 2 + α2 ω 2 + α2 Wird nun die oben gerechnete Spannung mit der Anfangsspannung uC0 des Kondensators aufsummiert, erhält man den wahren Verlauf der Kondensatorspannung uC (t) = E 0 α2 αω α2 0 0 cos ωt + E sin ωt + (u − E )e−αt C0 ω 2 + α2 ω 2 + α2 ω 2 + α2 (342) Anhand dieser Lösung können die folgenden Beobachtungen gemacht werden. • die sinus- und cosinusförmigen Anteile sind die stationären Lösungen. Sie hätten auch durch die komplexe Rechnung ermittelt werden können • die Amplitude des exponentiellen Anteils lässt sich bei Kenntnis der stationären sinus- bzw. cosinusförmigen Lösung durch die einfache Überlegung (ohne Laplace-Transformation) bestimmen, da die Kondensatorspannung im Zeitpunkt des Schaltens sich nicht ändert. Im obigen Fall ist sie gleich uC0 . Im Zeitpunkt t = 0 hat die Kondensatorspannung durch den Cosinusanteil eine Amplitude, daher muss diese mit negativem Vorzeichen im Exponentialteil auftreten. Im einfachen Fall, wenn der Kondensator keine Anfangsspannung hat, ist die Spannung Null zur Zeit t = 0, so dass die Amplitude des exponentiellen Anteils gleich der negativen Amplitude des Cosinusanteils sein muss. Diese Überlegung lässt sich auch auf die Spule übertragen. Entsprechend muss dort die Amplitude des Exponentialanteils des Spulenstromes gleich der negativen Amplitude des Cosinusanteils des Spulenstromes sein. 18 Schaltungen mit zwei Speichern 18.1 Anwendung der Laplace-Transformation (ohne Anfangsbedingungen) In Erweiterung der Betrachtungen von Schaltungen mit einem Speicher werden nun Kombinationen von • zwei Drosselspulen mit Widerständen • zwei Kondensatoren mit Widerständen • eine Drosselspule und ein Kondensator mit Widerständen untersucht. Der Einbezug von Widerständen ist wesentlich, damit die Unabhängigkeit der beiden Speicher (zwei Drosselspulen, zwei Kondensatoren) gewährleistet ist. Beispiele von Schaltungen mit zwei Speichern sind aus der Fig. 102 ersichtlich. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ R1 L1 R1 R2 R1 L2 R2 L1 C1 C2 L L2 R2 R1 R2 R 141 C1 C2 L C R C Abbildung 102: Schaltungen mit zwei Speichern Vom Prinzip her ändert sich in der Vorgehensweise bei der Analyse dieser Schaltungen nichts gegenüber derjenigen für Schaltungen mit einem Speicher. Die Unterschiede treten erst in der Art der Lösung in Erscheinung. Um das Wesentliche möglichst einfach zeigen zu können, werden vorerst zwei Schaltungen ohne Anfangsbedingungen betrachtet, die in unterschiedlichen Lösungen resultieren. 18.1.1 Beispiel 1 Die erste Schaltung soll zwei Kondensatoren mit Widerständen beinhalten, siehe Fig. 103. i(t) (Fig. 103) bzw. I(s) (Fig. 105) soll berechnet werden. I(s) = E sZ(s) Z(s) = R1 + = 1 sC1 + R2 1+sC2 R2 = R1 + 1+sR2 C1 +sR2 C2 sC1 (1+sC2 R2 ) (343) sR1 C1 (1+sC2 R2 )+s(R2 C1 +R2 C2 )+1 sC1 (1+sC2 R2 ) Der Strom I(s) berechnet sich dann zu I(s) = 1 EC1 (1 + sC2 R2 ) E s + R2 C2 = 1 + s(R1 C1 + R2 C1 + C2 R2 ) + s2 R1 C1 R2 C2 R1 s2 + as + b (344) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ R1 i(t) 142 C1 t=0 + C2 R2 E(t) - Abbildung 103: Zeitbereich: Schaltung mit zwei Kondensatoren (zwei unabhängige Speicher) (Beachte: C1 und C2 weisen keine Anfangsspannung auf) E(t) E 0 t Abbildung 104: Spannungsquellenverhalten in der Schaltung der Fig. 103 wobei a = R1 C1 +R2 (C1 +C2 ) R1 C1 R2 C2 b 1 R1 C1 R2 C2 = (345) Die Art der Lösung wird durch die Wurzeln des Nennerpolynoms bestimmt. Und zwar ergibt sich p 0.25(R1C1 + R2 (C1 + C2 ))2 − R1 C1 R2 C2 R1 C1 R2 C2 (346) Wie ersichtlich, resultieren zwei reelle Wurzeln, so dass für den Strom geschrieben werden kann E s+β I(s) = (347) R1 (s + α1 )(s + α2 ) α1/2 = − wobei β = 0.5(R1C1 + R2 (C1 + C2 )) ± 1 R2 C2 . c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ Z= R1 143 1 sC1 I(s) E(s) = E s Z= R2 1 sC2 Abbildung 105: Laplace-Schaltung der Figur 103 Die Partialbruchzerlegung liefert s+β (s+α1 )(s+α2 ) = A s+α1 + B s+α2 1= A+B (348) β = Aα1 + Bα2 →A= α1 −β α1 −α2 , B = β−α2 α1 −α2 Der Stromverlauf im Zeitbereich ist dann E i(t) = R1 α1 − β −α1 t β − α2 −α2 t e + e α1 − α2 α1 − α2 (349) Dieses Beispiel ist charakteristisch für Schaltungen mit zwei gleichartigen Speichern (L oder C). Schaltungen mit zwei gleichartigen Speichern weisen immer zwei reelle Wurzeln auf und damit erhält der zeitliche Verlauf zwei Exponentialfunktionen. 18.1.2 Beispiel 2 Die zweite Schaltung soll sich aus einer Drosselspule und einem Kondensator zusammensetzen, siehe Fig. 106. Es wird wieder eine Gleichspannung zugeschaltet und es soll der Strom berechnet werden. Z(s) = R + sL + 1 E ; I(s) = sC s(R + sL + 1 sC ) = E L(s2 + s R L + 1 LC ) (350) Die Art der Lösung wird, wie schon oben angeführt, durch die Wurzeln des Nenners bestimmt. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ R 144 L t=0 + C E(t) - Abbildung 106: Zeitbereich: Schaltung mit einer Drosselspule und einem Kondensator (Beachte: L hat keinen Anfangsstrom; C hat keine Anfangsspannung) E(t) E 0 t Abbildung 107: Quelle im Zeitbereich für Schaltung der Fig. 106 Entweder der Nenner kann in R 1 + = (s + α1 )(s + α2 ); α1 , α2 = reell L LC (351) R 1 + = (s + α + jω)(s + α − jω) = (s + α)2 + ω 2 L LC (352) s2 + s oder in s2 + s zerlegt werden. Die Zerlegung ist abhängig von folgendem Ausdruck 1 LC 2 1 LC − R 2L 2 und zwar wenn R − 2L negativ, sind zwei reelle Wurzeln α1 , α2 vorhanden, wenn positiv, so ist ein paar komplexer Wurzeln vorhanden. R Z = sL + E(s) = E s Z= - Abbildung 108: Laplace-Schaltung der Figur 106 1 sC 1 LC − R 2L 2 c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 145 Zwei reelle Wurzeln führen zu einem ähnlichen Ergebnis wie bei Schaltungen mit zwei gleichartigen Speichern. Bei Vorhandensein von komplexen Wurzeln lässt sich der Strom I(s) auf die folgende Form bringen I(s) = wobei α = R 2L E ω ωL (s + α)2 + ω 2 s ω= 1 − LC R 2L (353) 2 (354) Die Rücktransformation des Stromes ergibt i(t) = E −αt sin ωt e ωL (355) Die Lösung ist also oszillatorisch (sinsförmig) und ist gedämpft. Eine Sinusform, die mit einer exponentiell abklingenden Gewichtsfunktion multipliziert wird, bezeichnet man als gedämpfte Sinusschwingung. In diesem Beispiel ist zu beachten, dass der Strom bei t = 0 mit Null beginnt. Dies ist auch physikalisch richtig, denn die Schaltung enthält eine Drosselspule und der Strom der Drosselspule kann sich nicht plötzlich ändern. Ein solcher Stromverlauf ist in Fig. 109 gezeigt. 0.8 0.6 0.4 0.2 0 0.05 0.1 0.15 t 0.2 0.25 0.3 -0.2 -0.4 -0.6 -0.8 Abbildung 109: 2 · π · 50) E Stromverlauf in der Schaltung der Fig. 106 ( ωL = 1, α = 10, ω = c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 18.2 146 Anwendung der Laplace-Transformation (mit Anfangsbedingungen) 18.2.1 Beispiel 3 Zur Berücksichtigung von Anfangsbedingungen (Strom in der Drosselspule, Spannung auf dem Kondensator) müssen die Regeln angewendet werden, die bei Schaltungen mit einem Speicher abgeleitet wurden. Es wird zur Erläuterung wieder die Schaltung in Fig. 106, diesmal mit einem Anfangsstrom in der Drosselspule und einer Anfangsspannung auf dem Kondensator betrachtet, siehe Fig. 110. Die Spannungsgleichungen lauten wie folgt E = I(s)R + I(s)sL − Li0 + UC (s); I(s) = sCUC (s) − CUC0 s R L t=0 iL(t) i0 (t = 0− ) + + uC0 (t = 0− ) C E(t) (356) - - Abbildung 110: Zeitbereich: Schaltung mit zwei Speichern, jeweils mit Anfangsbedingungen (uC0 : Anfangsspannung bei t = 0− , i0 : Anfangsstrom bei t = 0− ) E(t) E 0 t Abbildung 111: Quelle im Zeitbereich für Schaltung der Fig. 110 Es soll wieder der Strom I(s) berechnet werden. Dazu wird UC (s) aus der ersten Gleichung in die zweite eingesetzt. I(s) = sC( Es − I(s)R − I(s)sL + Li0 ) − CuC0 I(s)(1 + sRC + s2 LC) = sCLio − Cuco + EC (357) In der Lösung des Stromes können nun drei Komponenten unterschieden werden. c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ R Z = sL - 147 + I(s) L · i0 Z= + E(s) = E s + - 1 sC uC0 s - Abbildung 112: Laplace-Schaltung der Figur 110 I(s) = L(s2 E + sR L + 1 LC ) − L(s2 uco + sR L + 1 LC ) + s2 sio + sR L + 1 LC (358) Die erste Komponente ist identisch mit der Stromform, die für die Schaltung Fig. 109 ermittelt wurde. Die zweite Komponente ist von der Anfangsspannung des Kondensators abhängig. Sie ergibt die gleiche Stromform wie die erste Komponente, wobei das Vorzeichen von der Polarität der Anfangsspannung abhängt. Die dritte Komponente gibt den Einfluss des Anfangsstromes wieder. Der zeitliche Verlauf dieser Komponente ist cosinusförmig, da der Strom i(t) zur Zeit t = 0 mit der Amplitude i0 beginnen muss. Der gesamte Stromverlauf muss demnach sein i(t) = 18.2.2 E − uco − io R L −αt sin ωt + io e−αt cos ωt e ωL (359) Beispiel 3 Es soll die Entladung eines Kondensators in einem Schaltkreis zeigen, der noch einen zweiten Kondensator beinhaltet. Das Schema ist in Fig. 113 gegeben. C1 R1 i(t) - + uC0 t=0 R2 C2 Abbildung 113: Zeitbereich: Schaltung mit Kondensatoren als Speicher-Entladung (uc0 : Anfangsspannung bei C1 ; C2 weist keine Anfangsspannung auf) Nach dem Schliessen des Schalters gilt I(s) R1 + 1 sC1 − uC0 R2 =0 + I(s) s 1 + sR2 C2 (360) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ Z= R1 I(s) 148 1 sC1 - + uC0 s R2 Z= 1 sC2 Abbildung 114: Laplace-Schaltung der Figur 113 oder neu geordnet uC0 1 R2 + ) = I(s)(R1 + s sC1 1 + sR2 C2 Der Klammerausdruck auf einen gemeinsamen Nenner gebracht ergibt: s2 R1 C1 R2 C2 + s(R1 C1 + R2 C2 + R2 C1 ) + 1 sC1 (1 + sC2 R2 ) (361) (362) In einem weiteren Schritt wird der Strom I(s) durch die Anfangsspannung uC0 und den obigen Quotienten ausgedrückt. Dabei wird die untenstehende Form erreicht. I(s) = uC0 s + α3 · 2 R1 s + as + b (363) wobei die folgenden Substitutionen vorgenommen wurden: α3 = 1 R1 C1 + R2 C2 + R2 C1 1 ; a= ; b= R1 C1 R1 C1 R2 C2 R1 C1 R2 C2 (364) Von hier aus gilt es, den mit s behafteten Ausdruck in (363) in Partialbrüche zu zerlegen. s2 s + α3 B s + α3 A + = = + as + b (s + α1 )(s + α2 ) s + α1 s + α2 (365) wobei A und B aus s + α3 = A(s + α2 ) + B(s + α1 ) (366) zu bestimmen sind. Die Wurzeln α1 und α2 werden aus dem Polynom ermittelt. An diesem Punkt ist es sinnvoll, die gegebenen Zahlenwerte einzusetzen, wobei man erhält: α3 = 4166.7 α1 = 5260 a = 5458 α2 = 199 b = 1.0416.106 A = 0.216 B = 0.784 Damit erhält man für den zeitlichen Verlauf des Stromes i(t) = 0.4167(0.216e−5260t + 0.784e−199t) (367) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 149 Durch Kontrolle des Anfangszustandes und Endzustandes kann das Ergebnis überprüft werden. Der Anfangsstrom nach dem Schliessen des Schalters ist nur durch die Spannung über dem Kondensator und durch den Widerstand R1 bestimmt. i(t = 0) = uC0 = 0.4167A R1 (368) Im Endzustand muss der Strom Null werden, was aus dem Ergebnis (367) ersichtlich ist. Eine weitere Kontrolle ist durch eine Bilanz der Energien möglich. So muss die anfänglich auf dem Kondensator C1 gespeicherte Energie in den beiden Widerständen als Verlustarbeit verbraucht werden. Letztere kann durch Integration der Verlustleistungen bestimmt werden. 18.2.3 Beispiel 4 Als weiteres Beispiel wird das Einschalten einer Wechselspannung auf einen RLC-Kreis untersucht, wofür in Fig. 115 ein entsprechendes Schema angegeben ist. R t=0 + Ecos(ωt) L C - Abbildung 115: Zeitbereich: Schaltung mit R-, L- und C-Elementen (kein Anfangsstrom (L) und keine Anfangsspannung (C)) Die Daten der Aufgabe der Fig. 115 sind wie folgt: R = 200Ω L = 0.24H C = 6.8µF f = 200Hz E = 48V Gefragt ist der von der Schaltung aufgenommene Strom. Da in diesem Fall keine Anfangswerte in den Speichern vorgegeben sind, ermittelt sich der Strom auf einfache Weise durch Spannung dividiert durch die Impedanz des Kreises. In transformierter Form gilt E(s) = Es s2 + ω 2 (369) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 1 1 RC s + LC 1 s2 + LC R s2 + Z(s) = 150 (370) Daraus rechnet sich der gesuchte Strom I(s) wie folgt 1 Es s2 + LC E(s) I(s) = = 1 Z(s) R(s2 + ω 2 ) s2 + RC s+ 1 LC (371) der in Partialbrüche zerlegt werden muss. Dabei sei vorausgeschickt, dass die Daten so gewählt wurden, dass der Ausgleichsvorgang in einer schwachgedämpften Schwingung resultiert. Für die Partialbruchzerlegung kann demnach der folgende Ansatz gemacht werden, wobei die Stromamplitude E/R vorerst getrennt wird. As + Bω C(s + α) + Dω1 + s2 + ω 2 (s + α)2 + ω12 (372) wobei α und ω1 aus (371) zu ermitteln ist. 1 α= , ω1 = 2RC s 1 1 − LC (2RC)2 (373) Die Koeffizienten A, B, C, D werden durch Koeffizientenvergleich errechnet, wobei der Ausdruck im Zähler von (371) herangezogen wird. s3 1 =A+C s2 0 = 2αA + Bω + Cα + Dω1 1 s 1 LC s0 0 = A(ω12 2 + α ) + 2αωB + Cω 2 (374) = B(ω12 + α2 ) + Cωα + Dωω1 Um nun die Koeffizienten numerisch zu bestimmen, ist es sinnvoll, die Werte für α, ω und ω1 in das entsprechende Gleichungssystem einzusetzen und dieses mit Hilfe eines Rechenprogramms aufzulösen. Das Ergebnis dieser Operationen sieht wie folgt aus: • A = 0.5224 • B = -0.4995 • C = 0.4776 • D = 0.0983 Die Lösung für den Strom erhält man, wenn man diese Werte mit der Amplitude E/R multiplizert. Dies ergibt c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 151 i(t) = 0.1254 cos ωt − 0.1199 sin ωt + e−367.6t(0.1146 cos ω1 t + 0.0236 sin ω1 t) = 0.1735 cos(ωt + 43.7◦) + e−367.7t0.117 cos(ω1 t − 11.6◦) (375) wobei • ω = 1256.6 rad/s • ω1 = 691.1 rad/s • α = 367.6 1/s Die Lösung besteht somit aus einer stationären Sinusschwingung mit der Frequenz 200 Hz und einer abklingenden Sinusschwingung mit 110 Hz. Zur Kontrolle lassen sich die folgenden Überlegungen anstellen. Die Sinus- und Cosinusglieder der Frequenz ω sind die stationären Lösungen, die man auch erhalten hätte, wenn man nur eine Wechselstromanalyse ausgeführt hätte. Der anfängliche Stromstoss E/R setzt sich aus der Amplitude des stationären Cosinusgliedes und eines ergänzenden Cosinusgliedes der Frequenz ω1 zusammen. Kennt man den ersten Stromstoss und die stationäre Lösung, so kann die Amplitude des Cosinusgliedes für ω1 ohne eine Partialbruchzerlegung ermittelt werden bzw. der Koeffizientenvergleich reduziert sich auf die Bestimmung der Koeffizienten B und D. 19 Normierte Antwortkurven Bei den bisher behandelten Schaltungen und Systemen mit zwei Speichern zeigt sich immer wieder in der transformierten Lösung für den Strom oder die Spannung, aber auch in der Impedanz-, Admittanz- und Übertragungsfunktion ein Polynom zweiten Grades. Nach der Partialbruchzerlegung erscheint eine Komponente mit diesem Polynom, die im Zeitbereich entweder einer abklingenden Sinusfunktion oder einer Summe zweier Exponentialfunktionen entspricht. Diese Funktion bzw. dieser Lösungsanteil kann eindeutig den passiven Komponenten der Schaltung zugeordnet werden und zwar gleichgültig, ob die Schaltung durch einen Stoss, einen Impuls oder eine Sinusfunktion angeregt wird. Eine Trennung von Anteilen mit Polynomen zweiten Grades ist auch bei komplexeren Schaltungen möglich und damit gelten die folgenden Überlegungen auch für allgemeinere Schaltungsanordnungen. Ein Beispiel soll den Sachverhalt verdeutlichen. Dazu wird eine Reihenschaltung von Widerstand, Spule und Kondensator mit einer Rechtecksspannung beaufschlagt. Die Schaltung ist in Fig. 116 gegeben. Gesucht ist der Strom in der Schaltung. Es könnte aber genauso gut nach der Spannung über dem Kondensator gefragt werden. Die Rechnung mit transformierten Variablen ergibt das nachstehende Ergebnis. Die rechtecksförmige Spannung resultiert in der folgenden transformierten Form: c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ C L R 152 i(t) u(t) Abbildung 116: Reihenschaltung von Widerstand, Spule und Kondensator U s Die Eingangsimpedanz für den Schaltkreis lautet (376) U (s) = Z(s) = R + sL + 1 sC (377) Damit ergibt sich der Strom im Schaltkreis zu I(s) = U (s) U = Z(s) s(R + sL + 1 sC ) = U UC L = 1 + sRC + s2 LC s2 + s R L + 1 LC (378) Würde man eine Parallelschaltung von Widerstand, Spule und Kondensator mit einem Stromstoss anregen, siehe Fig. 117, so entsteht über der Anordnung eine Spannung von der Form, wenn I(s) = Is U (s) = s2 + I C 1 s RC + (379) 1 LC i(t) R C L Bezugsknoten Abbildung 117: Parallelschaltung von Widerstand, Spule und Kondensator c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 153 Wie erwähnt, lassen sich bei andersgearteten Anregungsfunktionen Komponenten mit einem Nennerpolynom zweiter Ordnung in entsprechender Form abspalten. Das Nennerpolynom lässt sich in der Form s2 + 2ζωn s + ωn2 (380) darstellen. Dabei ist ωn eine Frequenz, die als die Resonanzfrequenz der ungedämpften Schaltung interpretiert werden kann. Der Koeffizient ζ ist dimensionslos. Stromberechnung in Abhängigkeit von ζ lässt sich damit folgendermassen darstellen. I(s) = Der Strom in der Schaltung Fig. 116 U U 1 1 = 2 2 L s + 2ζωN s + ωN L (s − p1 )(s − p2 ) (381) Hier stellen p1 und p2 die zwei Nullstellen des Nennerpolynoms dar. Diese Nullstellen berechnen sich allgemein wie folgt: p1,2 = −2ζωN ± q 2 − 4ω 2 4ζ 2 ωN N 2 = −ζωN ± ωN q ζ2 − 1 (382) FALL 1: Für ζ 2 > 1 ergeben sich 2 reelle Pole: p1,2 = −ζωN ± ωN q ζ2 − 1 = ωN −ζ ± q ζ2 −1 (383) FALL 2: Für ζ 2 < 1 ergeben sich 2 konjugiert komplexe Pole: p1 , p∗1 = −ζωN ± jωN q q 1 − ζ 2 = ωN −ζ ± j 1 − ζ 2 (384) Für Fall 1 muss der Ansatz nun wie folgt gewählt werden: I(s)F ALL 1 = A B + s − p1 s − p2 (385) während für Fall 2 wegen der konjugiert komplexen Pole der folgende Ansatz gewählt wird: C C∗ I(s)F ALL 2 = + (386) s − p1 s − p∗1 Beim Fall 1 bestimmen sich die Koeffizienten A und B gemäss (255): U U 1 1 p = L p1 − p2 L 2ωN ζ 2 − 1 (387) U U 1 1 p =− = −A L p2 − p1 L 2ωN ζ 2 − 1 (388) A = (s − p1 )I(s)|s=p1 = B = (s − p2 )I(s)|s=p2 = Somit gilt für den Fall 1 im Zeitbereich: i(t) = Aep1 t + Bep2 t U 1 p = e L 2ωN ζ 2 − 1 −ζωN +ωN √ ζ 2 −1 t −e −ζωN −ωN √ ! ζ 2 −1 t (389) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 154 Fall 2 ist ein wenig komplizierter, wird jedoch genauso bearbeitet, siehe (257): C = (s − p1 )I(s)|s=p1 = U U jU 1 1 1 p p = =− ∗ 2 L p1 − p1 L 2jωN 1 − ζ L 2ωN 1 − ζ 2 (390) Für Fall 2 bestimmt sich somit die Zeitfunktion i(t) wie folgt: q q U U p e−ζωN t cos(ωN 1 − ζ 2 t−90o ) = e−ζωN t sin(ωN 1 − ζ 2 t) ωN L 1 − ζ 2 ωN L 1 − ζ 2 (391) Diese Funktion ist normiert für U = 1 in Fig. 118 und Fig. 119, obere Graphenschar, dargestellt und zwar für den variierenden Parameter ζ. Aus dem Koeffizientenvergleich von (378) und (381) kann man herauslesen, dass i(t) = p 2 ωN = 1 LC und (392) s R R ζ= = 2LωN 2 C L (393) Die Variation des Parameters ζ bedeutet also bezogen auf die Schaltung der Fig. 116, q R C dass sich der Faktor 2 L ändert. Im nachfolgenden Text wird angenommen dass U = 1; ωN = 1 womit z.B. L = 1, C = 1 gewählt wird. Bei dieser Wahl von L und C wird ζ = R 2. Spannungsberechnung in Abhängigkeit von ζ Genauso wie der zeitliche Verlauf des Stromes der Fig. 116 diskutiert wurde, kann auch die Spannung uc (t), d.h. die Spannung über der Kapazität analysiert werden. Uc (s) = 1 U 1 I(s) = sC LC s(s − p1 )(s − p2 ) (394) Auch hier ergeben sich zwei Fälle, da der Wurzelausdruck für die Pole p1 und p2 grösser oder kleiner als Null werden kann. In Analogie zum vorher diskutierten Fall 1 (ζ 2 > 1) gilt für die Spannung Uc (s): Uc (s)F ALL 1 = D F E + + s s − p1 s − p2 D = sUc (s)|s=0 = E = (s − p1 )Uc (s)|s=p1 = U 1 =U LC p1 p2 U U 1 1 = p p LC p1 (p1 − p2 ) 2 ζ 2 − 1 −ζ + ζ 2 − 1 (395) (396) (397) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 155 und F = (s − p2 )Uc (s)|s=p2 = U 1 U 1 = p p LC p2 (p2 − p1 ) 2 ζ2 − 1 ζ + ζ2 − 1 (398) Die entsprechende Zeitfunktion ist nun: uc (t) = D + Eep1 t + F ep2 t wobei p1 = ωN −ζ + und p2 = ωN −ζ − q q ζ2 (399) −1 ζ2 − 1 (400) (401) Für den Fall 2 (ζ 2 < 1) gilt: Uc (s)F ALL 2 = U 1 LC s(s − p1 )(s − p∗1 ) (402) In Analogie zum vorher diskutierten Fall 2 (ζ 2 < 1) gilt für die Spannung Uc (s): Uc(s)F ALL 2 = G H∗ H + + s s − p1 s − p∗1 mit q p1,2 = ωN −ζ ± j 1 (403) − ζ2 G und H bestimmen sich wie folgt: G = sUc (s)|s=0 = U 1 =U LC p1 p∗1 (404) und H = (s − p1 )Uc (s)|s=p1 q U 1 U p = − 1 − ζ 2 + jζ = LC p1 (p1 − p∗1 ) 2 1 − ζ2 (405) Somit folgt: U |H| = p 2 1 − ζ2 und 6 (H) = 180o − arctan p (406) ζ 1 − ζ2 (407) Die entsprechende Zeitfunktion ist nun: uc (t) = G + 2|H|eαtcos (β · t + 6 (H)) (408) α = Realteil(p1 ) = −ζωN (409) wobei c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ und 156 q β = Imaginärteil(p1 ) = ωN 1 − ζ2 (410) Diese vom Parameter ζ abhängigen Zeitfunktionen der Spannung uc (t) sind in der Graphenschar der Fig. 119 eingezeichnet mit der Annahme von U = 1, ωN = 1, L = 1, C = 1. Die Antwortfunktion, sei es Strom oder Spannung, lässt sich auf diese Weise im wesentlichen durch den Parameter ζ charakterisieren. Er bestimmt die Dämpfung der Schaltung und damit die Form der Antwortfunktion. Daher wird dieser Parameter auch als Dämpfungsverhältnis bezeichnet. Bezieht man noch dazu das Polynom auf die ungedämpfte Resonanzfrequenz ωN , so lassen sich genormte Antwortfunktionen in einem Diagramm zeichnen, die sich nur durch das Dämpfungsverhältnis ζ voneinander unterscheiden, siehe Fig. 118 und 119. Das Dämpfungsverhältnis kennzeichnet die Antwort auf eine sehr deutliche Art und Weise. Ist ζ sehr klein, so schwingt die Antwort mit geringer Dämpfung, bewegt sich ζ in die Nähe von 1, so wird die Antwort stark gedämpft und nähert sich einer aperiodischen Form. Ist ζ grösser als 1, so entsteht eine abklingende Form ohne Schwingung. 1 0.5 0 5 10 t 15 20 -0.5 -1 Abbildung 118: Normierte Strom-Antwortkurven - System mit zwei Speichern (ζ < 1 unterkritische Dämpfung, ζ = 1 kritische Dämpfung, ζ > 1 überkritische Dämpfung) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 157 2 1.5 1 0.5 0 5 10 t 15 20 Abbildung 119: Normierte Spannungs-Antwortkurven - System mit zwei Speichern (ζ < 1 unterkritische Dämpfung, ζ = 1 kritische Dämpfung, ζ > 1 überkritische Dämpfung) c 35-042 - Version: 26. Mai 1999- R. Bacher ETHZ 158 Literatur [1] J.Hugel. Elektrotechnik - Grundlagen und Anwendungen. Teubner Studienbuecher, Elektrotechnik, Stuttgart, Leibzig, 1998, ISBN, 3-519-06259-3. [2] Sergio Franco. Electric Circuit Fundamentals. 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