Signale und Systeme II1 - antriebstechnik.fh

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Institut für Elektrische Energieübertragung und Hochspannungstechnik
Assistenzprofessur für Netzleittechnik
Prof. Dr. Rainer Bacher
Eidgenössische
Technische Hochschule
Zürich
Prof. Dr. Rainer Bacher, ETH Zürich, ETL I34, CH-8092 Zürich, Switzerland (Email: [email protected])
ETH Zürich, 2.Semester Dept. Elektrotechnik, SS 99
Vorlesungsnummer ETH Zürich: 35-042
Signale und Systeme II1
Prof. Dr. Rainer Bacher
Version 3: 26. Mai 1999
1
überarbeitetes Skript Prof. Dr. Hans Glavitsch
I
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
1
2 Zweipole und Quellen
2.1 Verbraucherzählpfeilsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
2
3
3 Berechnungsverfahren für lineare Netzwerke
3.1 Allgemeines - Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Die topologische Kennzeichnung des Netzwerkes . . . . .
3.3 Die Impedanzen/Admittanzen der Zweige des Netzwerks
3.4 Die Quellen des Netzwerks . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5 Ideale Quellen ohne zugehörige passive Elemente . . . .
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5
5
9
12
13
14
4 Das Überlagerungsgesetz
14
5 Übersicht über die Lösungsverfahren
15
6 Das
6.1
6.2
6.3
16
16
18
Maschen- oder Kreisstromverfahren
Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Vorgabe der unbekannten Ströme mit ihren Zählpfeilrichtungen . . .
Die Rolle des Baumes und der Sehnen bei der Aufstellung der Maschengleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4 Das Aufstellen der Maschengleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.5 Abgekürztes Maschenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.6 Zusammenfassung der Vorgehensweise beim Maschen- (Kreisstrom)Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 Das
7.1
7.2
7.3
19
21
27
27
Knotenpotentialverfahren
Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Formelles Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Direktes Aufstellen der Knotenpunktsadmittanzmatrix . . . . . . . . .
29
29
30
35
8 Vergleich der Lösungsverfahren und Empfehlungen
8.1 Vergleich der Lösungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2 Empfehlungen zur Anwendung der Lösungsverfahren . . . . . . . . .
37
37
38
9 Lösungs- und Rechenverfahren
9.1 Rechenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.2 Die Gauss’sche Elimination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
39
39
10 AC-Netzwerke mit sinusförmigen Quellen, Widerständen (R), Induktivitäten (L) und Kapazitäten (C) im stationären Zustand
41
10.1 Komplexe Rechenoperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
II
10.2 Umrechnung sinusförmiger Zeitgrössen und R, L und C-Elemente in
komplexe Grössen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.3 Komplexe Rechnung bei sinusförmigen Quellen und R, L und C-Elemente
10.4 Verbraucherzählpfeilsystem bei AC-Netzwerken . . . . . . . . . . . . .
10.5 Lösung von linearen Gleichungssystemen mit komplexen Koeffizienten
11 Anwendungen der Verfahren der Netzanalyse von stationären ACNetzwerken
11.1 Rechenbeispiel mit dem Maschen-, Schnittmengen und dem Knotenpotentialverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.1.1 Vorgegebenes Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.1.2 Lösung mit dem Maschenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . .
11.1.3 Lösung mit dem Knotenpotentialverfahren . . . . . . . . . . . .
11.2 Netzreduktion - Ersatznetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.2.1 Elimination von Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.2.2 Elimination eines Knotens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.2.3 Elimination einer Masche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.3 Stern- und Dreieckschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.3.1 Erscheinungsformen und Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . .
11.3.2 Sternschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.3.3 Dreieckschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.3.4 Stern-Dreieck-Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.3.5 Dreieck-Stern-Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.3.6 Π - und T-Schaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.3.7 Behandlung der Quellen in der Stern- und Dreieckschaltung .
11.4 Gegenseitige Induktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.4.1 Kopplung und Punktregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.4.2 Ersatzschaltung von gekoppelten Wicklungen . . . . . . . . . .
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61
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74
77
12 Der Vierpol
12.1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12.2 Matrizenberechnung von zwei verhängten Vierpolen . . . . . . . . . .
81
81
85
13 Dreiphasensysteme
13.1 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13.2 Symmetrischer Betriebszustand . . . . . . . . . . .
13.2.1 Dreiphasensystem und symmetrischer Betrieb
13.2.2 Die Einheitszeiger des Dreiphasensystems . .
13.2.3 Die Entstehung eines Dreiphasensystems . .
13.2.4 Erscheinungsformen (Stern-Dreieck) . . . . .
13.2.5 Leistungen im Dreiphasensystem . . . . . . .
13.3 Unsymmetrische Zustände im Dreiphasensystem . .
13.4 Energieübertragungssysteme . . . . . . . . . . . . . .
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87
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89
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92
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III
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13.4.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13.4.2 Gleichstromleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13.4.3 Drehstromnetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14 Uebergangsverhalten von linearen, zeitinvarianten Systemen
14.1 Betrachtete Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14.1.1 Schaltungen mit einem Speicher . . . . . . . . . . . . . .
14.1.2 Schaltungen mit zwei Speichern . . . . . . . . . . . . . . .
14.2 Quellen, Anregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14.3 Verhalten der passiven Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . .
14.4 Zweck und Ausrichtung der Analyse . . . . . . . . . . . . . . . .
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101
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107
15 Lösung der Differentialgleichungen
107
15.1 e-Potenzenansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
15.2 Einführung: Lösung mit Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
16 Laplace-Transformation
16.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16.2 Definitionen und Interpretationen . . . . . . . . . . . .
16.3 Transformationsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16.3.1 Differentiation einer Funktion im Zeitbereich .
16.3.2 Integration einer Funktion im Zeitbereich . . .
16.4 Lösung von Differentialgleichungen . . . . . . . . . . .
16.5 Partialbruchzerlegung - Rücktransformation . . . . .
16.6 Partialbruchzerlegung: Eine Verallgemeinerung mittels
. . . . . .
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Residuen
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17 Schaltungen mit einem Speicher
17.1 Anwendung der Laplace-Tansformation . . . . . . . . . . . . . . .
17.1.1 Speicher ohne Anfangsbedingungen . . . . . . . . . . . . .
17.1.2 Speicher mit Anfangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . .
17.2 Ersatzschaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.2.1 Ersatzschaltung für die Spule mit Anfangsstrom i0 . . . . .
17.2.2 Ersatzschaltung für den Kondensator mit Anfangsspannung
17.3 Rechenbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.3.1 Beispiel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17.3.2 Beispiel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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18 Schaltungen mit zwei Speichern
18.1 Anwendung der Laplace-Transformation (ohne Anfangsbedingungen)
18.1.1 Beispiel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18.1.2 Beispiel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18.2 Anwendung der Laplace-Transformation (mit Anfangsbedingungen)
18.2.1 Beispiel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18.2.2 Beispiel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV
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111
111
111
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130
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134
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140
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143
146
146
147
18.2.3 Beispiel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
19 Normierte Antwortkurven
151
V
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
1
1
Einführung
In dieser Vorlesung “Signale und Systeme II” im 2. Studiensemester des Dept. Elektrotechnik der ETH Zürich wird die systematische Behandlung von Netzwerken im
stationären Zustand, das Übergangsverhalten von einfachen Schaltungen, sowie deren
Verhalten bei variabler Frequenz dargelegt.
Die Vorlesung baut auf den Grundgesetzen der Elektrotechnik für Gleich- und
Wechselstrom auf. Gleichstromvorgänge werden in der Vorlesung “Elektrotechnik
I”2 eingeführt, Wechselstromvorgänge werden den Studierenden im Rahmen der parallel laufenden Vorlesung “Elektrotechnik II”3 erklärt.
Das Grundelement in dieser Vorlesung “Signale und Systeme II” ist der Zweipol,
der aus den Komponenten Widerstand, Spule und Kondensator zusammengesetzt sein
kann. Kenntnisse der komplexen Rechnung werden nur kurz wiederholt und sind
ab Kapitel 10 weitgehend vorausgesetzt. Ersatzschaltungen und Umwandlungen von
Quellen werden ebenso als bekannt vorausgesetzt. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte wird jedoch in dieser Vorlesung gegeben. Weiters sollten elementare
Grundlagen der Rechnung mit Vektoren und Matrizen bekannt sein.
In einem ersten Teil wird die systematische Berechnung von linearen, zeitinvarianten Netzwerken behandelt. Dazu gehört das Aufstellen der Systemgleichungen,
deren Lösung und die Bestimmung sämtlicher Unbekannten und sekundärer Grössen.
Die Methodik, die anhand von Gleichstromnetzen hergeleitet wird, wird anschliessend
für stationäre Wechselstrombetrachtungen erweitert. In der Anwendung wird auf gekoppelte Wicklungen, Ersatzschaltungen (Ersatznetze) und wichtige systemtechnische
Merkmale des Dreiphasensystems eingegangen.
In einem zweiten Abschnitt wird eine Einführung in die Berechnung von Ausgleichsvorgängen (d.h. transiente Vorgänge) gegeben. Dabei wird von der LaplaceTransformation Gebrauch gemacht. Das Lehrziel ist die Beherrschung von Systemen
bis zu zwei unabhängigen Speichern (Systeme 2. Ordnung) unter beliebiger Anregung
und unter Berücksichtigung von Anfangsbedingungen. Zum besseren begrifflichen
Verständnis werden anschauliche Konzepte, wie Ersatzquellen und Beziehungen zur
komplexen Rechnung eingeführt.
Den Abschluss bildet die Berechnung von Netzwerken bei variabler Frequenz, wobei wieder nur auf Systeme 2. Ordnung eingegangen wird.
Wo immer möglich erläutern Rechenbeispiele die Vorgehensweisen.
Zusätzliche Erklärungen und Beispiele können in [1, 2, 3, 4, 5, 6, 7] nachgelesen
werden.
Dieses Vorlesungsskript basiert weitgehend auf der Vorgängerversion der gleichnamigen Vorlesung von Prof. Dr. Hans Glavitsch. Der vorliegende Text wurde mit
Latex erstellt. Spezieller Dank geht an die Institutsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter
U. Stumkat, L. Maiocchi, T. Orfanogianni, M. Bigatto, A. Karpatchev und meine
2
J.Hugel, Elektrotechnik - Grundlagen und Anwendungen, Teubner Studienbücher, Elektrotechnik,
Stuttgart, Leibzig, 1998, ISBN 3-519-06259-3.
3
siehe Fussnote 2
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35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
2
Sekretärin Frau D. Metzler, welche mit der Eingabe der Figuren und Formeln diesen
Text erst ermöglicht haben.
2
Zweipole und Quellen
In der modellmässigen Beschreibung der Netzwerke wird bei den Grundelementen von
Zweipolen ausgegangen, die entweder passiv sind oder aus Quellen bestehen können.
Die passiven Elemente werden als linear und zeitinvariant vorausgesetzt, was bedeutet,
dass ihre Parameter sich weder mit der Höhe des Stromes oder der Spannung noch
mit der Zeit ändern.
Die Grundelemente können aus Widerständen, Spulen oder Kondensatoren zusammengesetzt sein und ihre Parameter, d.h. die Widerstandswerte, Induktivitäten und
Kapazitäten sind konstant. Quellen werden durch ideale Spannungs- und Stromquellen, sowie Quellenwiderstände dargestellt, wobei der zeitliche Verlauf der Spannungen
und Ströme ein stationäres Verhalten oder ein zeitlich veränderliches Verhalten aufweisen kann. Bei Quellen stellen die Amplituden der Spannungs- bzw. Stromquellen
die konstanten Parameter dar.
Zur Klarstellung der verschiedenen Ansätze von Gleichungen, Vorzeichen und Bezugsrichtungen werden im folgenden einige Festlegungen getroffen bzw. in Erinnerung
gerufen.
2.1
Verbraucherzählpfeilsystem
Aufgrund der vorhandenen Kenntnisse des Studierenden werden vorerst nur DCVerhältnisse (DC: Direct Current; Gleichstrom) erläutert. Eine der grundlegenden
Festlegungen ist die Zählung der Leistung (P: Power) die in einem Widerstand (R:
Resistance) verbraucht wird. Sie wird als positive Grösse aufgefasst. Dementsprechend werden die Zählpfeile am Eingang eines Zweipols festgelegt, siehe Fig. 1.
I
U
P
Gleichstrom
Abbildung 1: Festlegung der Zählpfeile am Eingang eines Zweipols (DC-Zweipole)
Für Gleichstrom gilt sodann
P =U ·I
(1)
c
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Bacher ETHZ
3
Es ist zu beachten, dass die Zählpfeile vorerst Richtungen (Bezugsrichtungen) vorgeben, aber erst die Ergebnisse der Rechnung das Vorzeichen der gesuchten Grössen
festlegen. Demnach werden passive Elemente und Quellen mit den gleichen Zählpfeilen
versehen, die resultierenden bzw. eingeprägten Ströme und Spannungen mit ihren Vorzeichen an den Klemmen sagen dann, ob es sich tatsächlich um eine Leistungsabgabe
oder -aufnahme handelt, siehe auch Fig. 2.
I
U
R
I=
U
R
P = UI =
U2
R
Abbildung 2: Beziehungen zwischen P, U, R, I
2.2
Quellen
Zweipole, die Leistung abgeben, können als Spannungs- oder Stromquellen dargestellt
werden, wobei die eine in die andere äquivalente Darstellung übergeführt werden kann.
Auch hierfür bedarf es einer Festlegung der Zählpfeile und vor allem auch der Richtungen der eingeprägten Grössen.
Ausgangspunkt soll die Spannungsquelle (Thévenin Äquivalent) sein. Die reale
Spannungsquelle ist immer mit einem Quellenwiderstand oder einer Quellenimpedanz
verknüpft, wie sie schematisch in Fig. 3 gezeigt ist.
An der Klemme werden Zählpfeile wie bei einem passiven Zweipol festgelegt. Im
Inneren des Zweipols greift eine elektromotorische Kraft (EMK) an, die selbst eine
Richtung (Vorzeichen) hat, die durch die äusseren Vorgänge nicht beeinflussbar ist und
deshalb auch als “eingeprägt” bezeichnet wird. In der Fig. 3 zeigen die Richtungen
der Klemmenspannung U und der EMK E beide von oben nach unten. Das muss
nicht so sein. Die EMK könnte auch umgekehrt liegen.
Die Spannungsgleichung für die Quelle (siehe Fig. 3) lautet:
U =I·R+E
(2)
Das Vorzeichen des Stromes I und der Leistung P muss sich aus dem Rechenergebnis, d.h. aus der relativen Grösse von U gegenüber E ergeben, siehe Fig. 4.
c
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4
R
I
+
E
U
-
Abbildung 3: Schema der Spannungsquelle (Thévenin Äquivalent)
I
R
+
E
U
-
• P: negativ, wenn E > U
• I: negativ, wenn E > U
• P: positiv, wenn E < U
• I: positiv, wenn E < U
Abbildung 4: Beziehungen zwischen P, E, R, U, I
Bezüglich des Netzes (Klemme) kann die Wirkung der Quelle auch durch eine
Stromquelle dargestellt werden. Dazu wird schematisch eine Festlegung nach Fig. 5
getroffen.
Bei der Stromquelle muss ein Unterschied zwischen Klemmenstrom I und inneren
Quellenstrom Iq gemacht werden. Der Quellenstrom Iq ist eingeprägt und hat mit der
Vorgabe des Zählpfeils eine unveränderliche Richtung. Der Klemmenstrom I ergibt
sich wieder vorzeichenmässig aus den äusseren Verhältnissen.
Für die Umwandlung der Quellen müssen die nachfolgenden Beziehungen gelten.
Dabei ist zu beachten, dass bei der Spannungs- und der Stromquelle von gleichen
Richtungen (Zählpfeilen) der Spannung E und des Quellenstroms Iq ausgegangen wird.
Gemäss Fig. 3 gilt:
U = RI + E
(3)
Bei Fig. 5 gilt:
U = R(I − Iq )
(4)
c
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Bacher ETHZ
5
I
Iq
U
R
Abbildung 5: Schema der Stromquelle (Norton Äquivalent)
Damit beide Quellenschemata identisch gegen aussen wirken, muss gelten:
R(I − Iq ) = RI + E
(5)
Multipliziert man links aus ergibt sich:
RI − RIq = RI + E
(6)
Daraus ergibt sich jetzt folgende wichtige Bedingung zur Umwandlung von identisch gegen aussen wirkenden Spannungs- und Stromquellen mit Innenwiderständen:
E = −RIq
(7)
Iq = − E
R
Man lasse sich nicht durch das negative Vorzeichen des Quellenstromes irritieren.
Es zeigt gegen den Zählpfeil. Aus Gründen der korrekten Zählung der Leistung im Fall
der Leistungsabgabe muss der Strom gegen die Spannung gerichtet sein. Der
Zählpfeil des Quellenstromes ist aus Überlegungen der Einheitlichkeit von Spannungsund Stromzählung in die gleiche Richtung wie die Spannung gelegt worden und ist
eine Frage der Definition (Konvention).
Im Verbraucherzählpfeilsystem muss die verbrauchte Leistung positiv und die erzeugte Leistung negativ sein.
3
3.1
Berechnungsverfahren für lineare Netzwerke
Allgemeines - Problemstellung
Die bisherige Behandlung von Vorgängen in Schaltkreiselementen und Quellen beschränkte sich auf Zweipole, bei denen die Zusammenhänge sich auf einfache Beziehungen zwischen Strom und Spannung zurückführen lassen (Grundgesetze). Werden
nun Zweipole in Serien- und Parallelschaltung zusammengefügt, wobei neue Knoten
entstehen, so erhält man ein Netzwerk, siehe Fig. 6.
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35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
6
Iq
+
Eq
-
Abbildung 6: Netzwerke bestehend aus Zweipolen, Knoten und Quellen
Solange sich ein derartiges Netzwerk durch Parallelschaltung und Serienschaltung
von Zweipolen, sowie durch Quellenumwandlung auf Ersatzquellen und Ersatzimpedanzen zurückführen lässt, kommt man mit den bisherigen Hilfsmitteln für die Ermittlung der Netzgrössen aus, vorausgesetzt, dass man bei den Umwandlungen nicht
die Übersicht verliert.
Ab einer gewissen Komplexität des Netzwerkes wird es jedoch sinnvoll sein, ein
systematisches Verfahren für das Aufstellen der Gleichungen und für die Bestimmung der unbekannten Grössen zu verwenden. Naheliegende Beispiele sind
Brückenschaltungen und die Dreiphasensysteme der Energieübertragung. Eine Systematik ist auch insofern sinnvoll, als sie sich im allgemeinen in ein Computerprogramm
übertragen lässt, das ausgehend von einem Datensatz sämtliche unbekannte Grössen
bestimmt.
Bei den vorgegebenen Grössen sind drei Kategorien zu unterscheiden, die zusammen ein Netzwerk vollständig beschreiben.
Es sind dies
• die Art des Zusammenschlusses der Zweipole (einschliesslich solcher mit eingeprägten Spannungen und Strömen)
• die Impedanzen oder Admittanzen der passiven Elemente
• die Amplituden bzw. zeitlichen Änderungen der Quellen und deren Richtungen.
Bei den unbekannten (gesuchten) Grössen können grundsätzlich alle Variablen
(Ströme, Spannungen) der Zweipole angeführt werden. Wie jedoch durch Parallelund Serienschaltung ersichtlich, müssen nicht immer alle Grössen bestimmt werden.
Impedanzen, Ströme, Spannungen, usw. lassen sich zusammenfassen. Bei Bedarf wird
man auf einzelne Grössen zurückrechnen.
Es stellt sich somit die Frage, wieviele Grössen und welche Beziehungen in den Gleichungssystemen mitgeführt werden müssen und welche substituiert werden können.
Ein einfaches Beispiel soll diese Fragestellung verdeutlichen. In Fig. 7 ist ein
Netzwerk gezeigt, in dem mehrere Widerstände hintereinander- und parallelgeschaltet
sind. Es sind eine Quellenspannung und eine Stromquelle vorhanden und für alle
Widerstände sind Ströme und Spannungen eingezeichnet.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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U1
U3
U5
2
1
R1
7
3
I1
4
I3
R3
I5
R5
I8
I7
Iq2
+
E1
U8
U7
R8
R7
-
I2
R2
R4
I4
R6
7
6
U2
I6
5
U4
U6
Abbildung 7: Beispielnetz
Wie soll man nun vorgehen, um die durch die Quellen angeregten Ströme und
Spannungen auf möglichst effiziente Art zu berechnen? Wieviele Beziehungen sind
zur Beschreibung der Verhältnisse im Netz notwendig? Auf welche Rechenoperationen
muss man sich konzentrieren?
Die zur Lösung des Problems offensichtlich anzuwendenden Grundgesetze sind das
Ohm’sche Gesetz und die Kirchhoff’schen Gesetze. Sollen jedoch alle unbekannten Grössen in einem einzigen Gleichungssystem mitgeführt werden oder kann
man sich auf einige wenige unbekannte Grössen beschränken? Besteht die Gefahr,
dass man in Unkenntnis der Sachlage zuviele Beziehungen verwendet?
Im vorliegenden Fall sind Ströme und Teilspannungen unbekannt. Es sind dies
I1 ...I8 , U1 ...U8. Durch die Serienschaltung sind aber einige Ströme einander gleich,
wodurch ein Teil der Unbekannten eliminiert werden kann. Es bleiben im wesentlichen vier unbekannte Ströme I3 , I5 , I7 , I8 , für die untereinander Beziehungen (Kirchhoff’sche Knotenregel) bestehen.
I5 + I8 − I3 = 0
I7 − I5
(8)
= −Iq2
Es gelten die Identitäten
I1
= I2
I5
= I6
= I3
= I4
(9)
U1 = I1 R1 , U2 = I2 R2 , ... U8 = I8 R8
Ohne zu Parallelschaltungen zu greifen, können nun Spannungsbeziehungen aufgestellt werden (Maschenbeziehungen = Kirchhoff’sche Maschenregel), die zusammen
mit den Strombeziehungen das folgende Gleichungssystem ergeben:
c
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I3 (R1 + R2 + R3 + R4 + R8 ) −I5 R8
−I3 R8
8
= E1
(10)
+I5 (R5 + R6 + R7 + R8 ) = R7 Iq2
Darin scheinen nur mehr zwei unbekannte Ströme auf. Es sind alle passiven Elemente und alle Quellengrössen enthalten. Das Gleichungssystem reicht vollkommen
aus, um die unbekannten Variablen des Netzes zu bestimmen.
Eine zusätzliche Beziehung wie
I3 (R1 + R2 + R3 + R4 ) + I5 (R5 + R6 + R7 ) = E1 + R7 Iq2
(11)
ist überflüssig. Die Information dieser Beziehung ist bereits im obigen Gleichungssystem enthalten. Es bedarf somit eines Hinweises, welche Beziehungen für die Lösung
nutzbar und welche redundant sind.
Hat man das Gleichungssystem auf die notwendige und hinreichende Grösse gebracht, kann die Lösung nach Methoden zur Lösung linearer Gleichungssysteme erfolgen.
Von den zwei im Gleichungssystem verbliebenen Strömen ausgehend lassen sich
alle übrigen Grössen des Netzwerkes bestimmen.
Mit den bekannten Strömen I3 und I5 erhält man
I8 = I3 − I5
(12)
I7 = U5 − Iq2
sowie die Ströme und Spannungen mit (9).
Die aufgeworfenen Fragen lassen sich mit einem systematischen Vorgehen beantworten, das in folgenden Schritten besteht:
1. Topologische Kennzeichnung des Netzwerkes (Nummerieren der Knoten und aller Netzelemente)
2. Vorgabe der passiven Netzelemente (Festlegung der Richtungen der Ströme und
damit auch der Spannungen aller passiven Elemente)
3. Vorgabe der Quellen und ihrer Angriffspunkte (Festlegung der Richtungen der
Ströme der idealen Stromquellen und Spannungen aller idealen Spannungsquellen)
4. Aufstellen des Gleichungssystems
5. Lösen des Gleichungssystems
6. Bestimmen aller unbekannten Grössen (Spannungen, Ströme und Leistungen
aller Netzelemente)
c
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Bacher ETHZ
9
Dieses Vorgehen gilt ohne Einschränkungen für stationäre Zustände (Gleich- und
Wechselstrom (siehe Kap. 10)).
Bei transienten Vorgängen (siehe Kap. 14), wo weder konstante noch sinusförmige
Vorgänge vorliegen, sind noch zusätzliche Bedingungen zu beachten, die zum gegebenen Zeitpunkt behandelt werden.
3.2
Die topologische Kennzeichnung des Netzwerkes
In einer ersten Stufe ist man interessiert, in welcher Weise die Zweipole untereinander
verbunden sind und wie Quellen im Netzwerk eingefügt sind. Da Quellen als Ersatzquellen mit Impedanzen (Innenwiderstände) angegeben werden, müssen letztere
ebenso als Zweipole aufgefasst werden. Es gilt daher, in einer ersten Stufe den Zusammenhang der passiven Elemente zu kennzeichnen und danach die Angriffspunkte
der Quellen (Spannungen und Ströme) festzulegen.
Der Zusammenhang der passiven Elemente wird durch einen Graphen oder eine
Inzidenzmatrix bzw. eine Zweigliste festgelegt. Ein Graph ist ein topologischer
Begriff, der mit Zweigen und Knoten den Zusammenhang der Zweipole
und damit das Netzwerk kennzeichnet.
Der Graph in Fig. 8 charakterisiert das einfache Netzwerk in Fig. 7.
1
1
2
3
3
5
4
2
7
8
4
7
6
6
5
Abbildung 8: Graph
Zur systematischen Bestimmung der Zweige eines beliebigen Netzes werden vorerst die Verbindungen zwischen den Klemmen aller idealer Spannungsquellen kurzgeschlossen. Bei den idealen Stromquellen wird die Verbindung zwischen den Klemmen
inklusive der idealen Stromquelle vollständig entfernt.
Jetzt stellt jeder verbliebene passiven Zweipol einen Zweig dar. Jede Klemme
eines Zweipoles stellt nun einen Knoten dar, wobei immer mehrere Klemmen (von
meherern Zweipolen) zusammen einen Knoten bilden können. Jeder Knoten erhält
eine eindeutige Nummer oder kann mit einem eindeutigen Namen versehen werden.
Um die Berechnung aller Zweiströme und -spannungen vollständig systematisch zu
gestalten, werden auch die Zweige nummeriert.
c
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Bacher ETHZ
10
Nach Anwendung dieser wichtigen Regeln ergeben sich für das Netz der Fig. 8 7
Knoten (mit Nummern 1 ... 7) und 8 Zweige (mit Nummern 1 ... 8). Man beachte,
dass die Nummern für Knoten und Zweige jeweils vorteilhaft mit 1 beginnen und
fortlaufend nummeriert werden sollten.
Nun ist es offensichtlich, dass Zweige geschlossene Linienzüge bilden können, die
als Maschen bezeichnet werden. In Fig. 7 sind zwei mögliche Maschen4 durch offene
Kreise eingezeichnet.
Bei genauerer Betrachtung stellt man fest, dass ein Zusammenhang zwischen der
Anzahl Zweige z, der Anzahl Knoten k und der Anzahl Maschen m besteht, nämlich
m = z − k + 1(Maschen = Zweige-Knoten+1)
(13)
Für die weiteren Untersuchungen bedarf es eines weiteren Begriffes, der ein Netzwerk charakterisiert. Es ist dies der Begriff des Baumes.
1
2
3
4
7
6
5
Abbildung 9: Baum für das Netz in Fig Fig. 8
Ein Baum ist ein Teilgraph, der alle Knoten miteinander verbindet, ohne dass
eine Masche entsteht. In Fig. 9 ist für das erwähnte Netzwerk und somit auch
für den Graphen in Fig. 8 ein möglicher Baum gezeichnet. Für ein und denselben
Graphen, der Maschen enthält, sind mehrere Bäume möglich. Die Anzahl Zweige zB ,
die Äste genannt werden, stehen in einfacher Beziehung zur Anzahl Knoten k, nämlich
zB = k − 1 (zB = Anzahl Äste)
(14)
Nun kann durch Hinzufügen der fehlenden Zweige, welche als Sehnen bezeichnet
werden, der ursprüngliche Graph hergestellt werden. Der durch diese Sehnen-Zweige
charakterisierte Graph wird als Baumkomplement bezeichnet
Eine einfache Überprüfung der Zusammenhänge zwischen Knoten, Zweigen, Maschen und Sehnen zeigt, dass die Anzahl Sehnen s gleich der notwendigen Anzahl von
Maschen m zur eindeutigen Berechnung des Netzes sein muss.
4
Man beachte, dass in diesem Beispiel mehr als diese zwei Maschen eingezeichnet werden können.
Eine dritte Maschen könnte über die Zweige 1, 3, 5, 7, 6, 4 und 2 gelegt werden.
c
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m = z − zB = s (zB : Anzahl Baumzweige; s : Anzahl Sehnen)
11
(15)
Diese Grössen sind für die im folgenden behandelten systematischen Vorgehensweisen zur Berechnung der Spannungen und Ströme aller Zweige von wesentlicher
Bedeutung.
Eine weitere Art der topologischen Kennzeichnung eines Netzwerkes besteht in der
Zweigliste, wobei jeder Zweig durch ein Paar von Knoten (Nummer, Name) charakterisiert wird. Die folgende Zweigliste beschreibt das schon erwähnte Netzwerk auf
ebenso eindeutige Weise wie der Graph in Fig. 8.
Zweignummer
Anf.-Endknoten des Zweiges
1
1-2
2
7-1
3
2-3
4
6-7
5
3-4
6
5-6
7
4-5
8
3-6
Man beachte, dass in dieser Tabelle in der linken Spalte die Nummer des Zweiges
aufgeführt ist, genauso wie in Fig. 9 angenommen wurde. Die Knoten der Zweige
wurden in der zweiten Spalte bewusst so eingetragen, dass der Anfangsknoten des
Zweiges zuerst kommt. Die Anfangs- und Endknoten eines Zweiges werden durch die
Pfeilrichtung für den Strom festgelegt.
Die Anzahl Zweige ist durch die Anzahl Zeilen der Liste (z = 8) gegeben. Durch
Aufzählung der Knotennummern erhält man auch die Anzahl Knoten (k = 7) und
somit auch der notwendigen Anzahl Maschen (m = z − k + 1 = 8 − 7 + 1 = 2). Voraussetzung ist, dass der Graph zusammenhängend ist, was logisch überprüft werden
kann.
Der Vorteil dieser Art der topologischen Kennzeichnung besteht darin, dass die
Zweigliste computerlesbar ist.
Schliesslich lässt sich ein Netz topologisch durch eine Knoten-ZweigInzidenzmatrix5 charakterisieren. Dabei werden Zeilen dieser Matrix den Knoten,
und Spalten der Matrix den Zweigen zugeordnet. Die Verbindung von zwei Knoten
durch einen Zweig wird durch eine positive Eins an einem Knoten und eine negative
Eins am anderen Knoten gekennzeichnet. Vorteilhaft wird die positive 1 demjenigen
5
Beachte: Für jedes Netz können mehrere Typen von Inzidenzmatrizen erstellt werden. Alle
zeichnen sich jedoch dadurch aus, dass sie nur die Elemente 0, 1, -1 enthalten.
c
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12
Knoten zuteilt, bei dem der Stromrichtungspfeil des Zweigelementes beginnt. Die Zahl
−1 wird dem Endknoten des Zweiges zugeteilt.
Die für das Netz in Fig. 7 gültige Knoten-Zweig-Inzidenzmatrix ist nachfolgend
angegeben.
Knoten-Zeig-Inzidenzmatrix (Zeilen: Knoten; Spalten: Zweige)
1−2 7−1 2−3 6−7 3−4 5−6 4−5 3−6 ←
Zweiganfangsund
endknoten
↓ Knoten
1
2
1
1
−1
2
−1
3
4
6
7
8 ←
entsprechende
Zweignummer
1
−1
3
1
1
−1
4
5
1
1
6
7
5
1
1
−1
−1
−1
−1
(16)
3.3
Die Impedanzen/Admittanzen der Zweige des Netzwerks
Wenn jedem Zweig ein Zweipol zugeordnet wird, so kann die entsprechende Zweigimpedanz/Admittanz entweder in den Graphen eingetragen, in den Zeilen der Zweigliste
hinzugefügt oder einfach in einer Liste fortlaufend angeführt werden.
Als Beispiel wird die Zweigliste mit entsprechenden Impedanzen angegeben:
c
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Bacher ETHZ
3.4
Zeignummer
Anf-Endknoten
1
1-2
R1
2
7-1
R2
3
2-3
R3
4
6-7
R4
5
3-4
R5
6
5-6
R6
7
4-5
R7
8
3-6
R8
13
Zeigimpedanz
Die Quellen des Netzwerks
Als Quellen zur Erregung des Netzwerks werden als Ersatzspannungen (Thévenin)
und Ersatzströme (Norton) angenommen. Bei Vorliegen von realen Quellen, wurden
ihre zugehörigen Ersatzimpedanzen bereits ins Netz mit passiven Zweigelementen einbezogen. Um die Wirkung der Quellen zu bestimmen, müssen die idealen Quellen in
die Zweige eingesetzt bzw. an den Knoten korrekt und auf systematische Art und
Weise angesetzt werden.
In der Regel befindet sich eine Spannungsquelle im Zuge eines Zweiges (Reihenschaltung) wie in Fig. 10 gezeigt.
1
0
0
1
-
+
11
00
00
11
Abbildung 10: Einsatz einer Spannungsquelle
Die Spannungsquelle muss mit Vorzeichen (Richtung) versehen werden. Man beachte, dass die Richtung der Quellen nicht mit der Stromrichtung des Zweiges, wo die
Quelle liegt, übereinstimmen muss. Die später diskutierten systematischen Methoden
erlauben ohne Probleme unterschiedliche Richtungen der Quellen und der Zweigströme
und -spannungen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, um das nochmals zu wiederholen,
dass nach Annahme einer Stromrichtung für jeden Zweig die Spannungsrichtung der passiven Zweigelemente in dieselbe Richtung gehen muss wie
die Zweigstromrichtung (Verbraucherzählpfeilsystem).
Eine Stromquelle greift an zwei Knoten an. Sie muss ebenso mit Vorzeichen versehen werden. Die Knoten müssen dabei nicht mit einem passiven Element verbunden,
d.h. benachbart sein. Ein Beispiel gibt die Fig. 11.
c
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1
0
0
1
14
1
0
0
1
Abbildung 11: Einsatz einer Stromquelle
Die Kennzeichnung des Einsatzes der Quellen kann wieder so erfolgen, dass diese
computerlesbar, d.h. systematisch organisiert wird.
Quellenliste (für Netzwerk in Fig. 7)
Zweiganfangsund -endknoten
Quellen im Zweig
Typ der Quelle
7-1
E1
ideale Spannungsquelle
4-5
Iq2
ideale Stromquelle
Man beachte, dass zur systematischen Rechnung ideale Spannungsquellen im Zuge
eines Zweiges liegen müssen. Ideale Stromquellen müssen immer parallel zu einem
Zweig liegen. Wie vorher gesagt, zeichnet sich jeder Zweig dadurch aus, dass sich in
ihm eine passives Element mit zugeordneter Strom- und Spannungsrichtung befindet.
3.5
Ideale Quellen ohne zugehörige passive Elemente
Befindet sich in einem Netzwerk eine ideale Spannungsquelle nicht im Zuge eines Zweiges mit einem passiven Element oder eine ideale Stromquelle nicht parallel zu einem
Zweig mit einem passiven Element, dann müssen spezielle Überlegungen angestellt
werden.
Eine systematische Methode ist diejenige, wo man im Falle der idealen Spannungsquellen künstlich einen Widerstand R im Serie zur Spannungsquelle einführt, die Berechnungen normal symbolisch mit R weiterführt und am Schluss der Berechnungen R
numerisch gegen den Wert gegen Null gehen lässt (R → 0). Bei der idealen Stromquellen ohne paralleles passives Element führt man analog eine parallelen Widerstand R
ein, welcher in den Berechnungen symbolisch mitgeführt wird und welchen man erst
ganz am Schluss der Berechnungen durch Grenzwertberechnungen gegen unendlich
(R → ∞) gehen lässt.
Eine andere Methode zur Lösung des Problems stellt das Überlagerungsgesetz dar,
welches im Kap. 4 erläutert wird.
4
Das Überlagerungsgesetz
Für die folgende Vorgehensweise ist wesentlich, dass alle resultierenden Grössen des
Netzes so entstanden gedacht werden können, als ob die Wirkung jeder einzelnen Quel-
c
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15
le für sich bestimmt würde und danach die Einzelresultate addiert werden. Dies ist
eine Eigenschaft linearer Systeme und wird auch als “Superpositionseigenschaft”
bezeichnet.
Anhand des Beispielnetzes der Fig. 7 kann demnach gesagt werden, dass man
zuerst die eine Quelle auf Null setzt und die Wirkung der anderen Quelle auf alle
Zweigströme und -spannungen berechnet und danach dasselbe für die zweite Quelle durchführt. Am Schluss werden jeweils die Teilströme in den Zweigen addiert,
Spannungen desgleichen womit sich die schlussendlich einstellende Zweigströme und
-spannungen ergeben.
Wenn sich also z.B. die Spannung U3 des Beispielnetzes der Fig. 7 zwei Anteilen
entsprechend
U3 = k1 E1 + k2 Iq2
(17)
(k1 , k2 sind konstante Werte (sog. Koeffizienten, Einflussfaktoren), welche aber erst
noch bestimmt werden müssen) zusammensetzt, so kann das Ergebnis auch dadurch
entstanden gedacht werden, dass sich z.B. die am Zweigelement 3 schlussendlich ein(1)
(2)
stellende Spannung aus zwei Teilspannungen U3 und U3 zusammensetzt:
U3
(1)
U3
(2)
U3
(1)
(1)
(2)
= U3 + U3
= k1 E 1
(bei Iq2 = 0)
= k2 Iq2
(bei E1 = 0)
(18)
(2)
U3 und U3 können getrennt gerechnet und danach summiert werden und die zu
bestimmende Spannung U3 zu berechnen.
Es ist dabei zu beachten, dass die Quellenimpedanzen im Netz unverändert bleiben. Eine Spannungsquelle mit Spannung Null kann durch einen Kurzschluss zwischen den ursprünglichen Klemmen der Spannungsquelle, eine
Stromquelle mit Strom gleich Null kann durch offene Verbindung (d.h.
keine Verbindung) zwischen den ursprünglichen Quellen der Stromquellen
dargestellt werden.
Die im den nachfolgenden Kapiteln 5, 6 und 7 hergeleiteten systematischen Methoden beinhalten die Prinzipien der Überlagerung beliebig vieler Spannungs- und
Stromquellen. Demzufolge wird hier nicht mehr auf die Berechnung der Teilströme
basierend jeweils auf einer (1) aktiven Spannungs- oder Stromquelle eingegangen.
5
Übersicht über die Lösungsverfahren
Als systematische Verfahren zur Erstellung der Systemgleichungen und zur Lösung
derselben kennt man drei Vorgehensweisen. Es sind dies
• das Maschen- und Kreisstromverfahren
c
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16
• das Schnittmengen- oder Trennbündelverfahren
• das Knotenpotentialverfahren
Es sei hier festgehalten, dass selbstverständlich jedes der drei Verfahren für ein
vorgegebenes Netz das gleiche Ergebnis für die Spannungen und Ströme aller Zweige
liefert. Die Anwendung der einen oder anderen Methode richtet sich nach der Effizienz
der Operationen, nach der Aufgabenstellung und nach der Struktur des Netzwerkes
und der darin angegebenen Quellen und passiven Elemente. Wesentlich ist dabei,
dass jedes der Verfahren von einer wohldefinierten Aufgabenstellung ausgeht. Die
Anforderungen sind dabei die folgenden:
• Maschen- oder Kreisstromverfahren: Bei der Anwendung dieses Verfahrens
müssen alle Quellen als Spannungsquellen in den Zweigen des Netzes vorhanden
sein. Stromquellen an den Knoten müssen in Spannungsquellen umgewandelt
werden.
• Schnittmengen - oder Trennbündelverfahren: Das Verfahren verlangt,
dass alle Quellen als Stromquellen zwischen zwei Knoten angesetzt werden.
Spannungsquellen in den Zweigen müssen in Stromquellen umgewandelt werden.
• Knotenpotentialverfahren: Wie beim Schnittmengenverfahren ist es notwendig, alle Quellen als Stromquellen zwischen zwei Knoten wirken zu lassen. Zudem
verlangt das Verfahren die Kennzeichnung eines Bezugsknotens, gegen den alle
Knotenspannungen gezählt werden.
In diesem Text werden nur das Maschen- (siehe Kap. 6 und das Knotenpotentialverfahren (siehe Kap. 7) ausführlich diskutiert. Das erwähnte Schnittmengenverfahren stellt eine weiter Variante dar, welche jedoch wegen der Stärken der beiden
anderen Verfahren nur selten angewendet wird.
6
6.1
Das Maschen- oder Kreisstromverfahren
Problemstellung
Im allgemeinen wird ein Netzwerk, wie schon erwähnt, durch seine topologische Struktur, seine Impedanzen/Admittanzen, sowie durch Quellen, die Strom- oder Spannungsquellen sein können, spezifiert sein. Für das Maschenverfahren muss nun das
Netz so umgewandelt werden, dass nur mehr Spannungsquellen vorhanden sind. In
der Fig. 12 ist ein solches Netz angegeben.
Die gemäss Kap. 3 aufgestellte Regel, dass sich alle Spannungsquellen im Zuge
von Zweigen mit Impedanzen befinden, ist erfüllt. Weiters sind alle Spannungsquellen
durch Richtungen (Vorzeichen) gekennzeichnet. Man beachte auch, dass, gemäss den
in Kap. 3 aufgestellten Regeln, keine expliziten Knoten unten am Widerstand R7 ,
c
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U2
17
U5
1
3
I2
R2
I4
+
I5
R5
+
E1
U4
R4
E2
-
R6
I6
5
6
I1
U1
I7
U6
U8
R1
I3
R7
I8
R3
2
U7
R8
-
+
4
U3
E3
Abbildung 12: Netzwerk geeignet für die Lösung mit dem Maschenverfahren
rechts vom Widerstand R5 und oben am Widerstand R1 eingeführt wurden. Diese
Annahmen basieren darauf (es sei hier nochmals wiederholt), dass zur Bestimmung der
Knoten und deren Nummern, bzw. der Zweige und deren Nummern, alle Spannungsquellen kurzgeschlossen und alle Stromquellen offen gedacht werden müssen. Dann
zeigt sich, dass die Zweigelemente R7 zwischen Knoten 5 und 4, R5 zwischen Knoten
3 und 5 und R1 zwischen Knoten 2 und 1 liegen.
Die Aufgabe besteht nun darin, sämtliche Ströme und Spannungen des Netzwerkes
zu bestimmen.
Es muss hier festgehalten werden, dass das Maschenverfahren in einer ersten Stufe
auf die Bestimmung der Zweigströme ausgerichtet ist. Mit Kenntnis der Impedanzen
und der Zweigströme können die Spannungen auf einfache Art und Weise berechnet
werden.
c
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6.2
18
Vorgabe der unbekannten Ströme mit ihren Zählpfeilrichtungen
Ein erster Schritt in der Behandlung des Netzes besteht in der Eintragung der
Zweigströme mit einer vorgegebenen Zählpfeilrichtung. In der Fig. 12 ist dies bereits geschehen. Dabei wurden die Zweige umnummeriert und die Zweigströme mit
entsprechenden Indizes versehen. Die Knoten haben ebenso Nummern, die jedoch für
das Lösungsverfahren weniger Bedeutung haben.
Für jeden Zweig gilt das Ohmsche Gesetz, wobei in den Zweigen die Spannung
über dem passiven Element von der Quellenspannung zu unterscheiden ist.
Die Spannungen über den passiven Elementen, die ebenso mit Zählpfeilen behaftet
sind, lauten somit
U1 = R1 I1 U5 = R5 I5
U2 = R2 I2 U6 = R6 I6
(19)
U3 = R3 I3 U7 = R7 I7
U4 = R4 I4 U8 = R8 I8
(19) kann auch kurz wie folgt notiert werden:
Ui = Ri Ii ∀i
(20)
wobei das Zeichen ∀i “für alle i” bedeutet oder in matrizieller Form:
Uz = Zz · Iz ;



























U1 
U2
U3
U4
U5
U6
U7
U8











=













 

 R1
























 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
·
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
I1 
R2
R3
R4
R5
R6
R7
R8
I2
I3
I4
I5
I6
I7
I8
























(21)
(21) impliziert, dass pro Impedanzzweig eine Stromrichtung Izij , d.h. von Knoten
i nach Knoten j, festgelegt wurde und die Zweigspannungen Uzij dieselbe Richtung
aufweisen (Verbraucherzählpfeilsystem).
Die Spannungen zwischen Knoten unter Einbeziehung der Quellenspannungen bestimmen sich sodann aus
c
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U12 = E1 − U1
= E 1 − R 1 I1
U13 = U2
= R 2 I2
U24 = −U3
= −R3 I3
U35 = E2 − U5
= E 2 − R 5 I5
U36 = U4
= R 4 I4
U46 = U8
= R 8 I8
19
(22)
U45 = −E3 + U7 = −E3 + R7 I7
U56 = U6
= R 6 I6
Bei diesen letztgenannten Spannungen sind wieder Zählpfeile berücksichtigt, indem die Spannung zwischen zwei Knoten (Uij , i 6= j) entsprechend einer vorgegebenen Richtung (d.h. vom Knoten i zum Knoten j) und die Teilspannungen ebenso
vorzeichengerecht gezählt werden.
Das Maschenverfahren beruht nun im wesentlichen darauf, die in einer Masche
liegenden Spannungen, die durch Ströme hervorgerufen werden und durch Quellenspannungen gegeben sind, entsprechend der Kirchhoff’schen Maschenregel aufzusummieren.
6.3
Die Rolle des Baumes und der Sehnen bei der Aufstellung der
Maschengleichungen
Man benutzt nun den Baum und die Sehnen (Baumkomplement) zur Aufstellung der
notwendigen Anzahl von Maschengleichungen. Es wird dazu für das zu untersuchende
Netzwerk ein Baum6 festgelegt. Für das vorliegende Netz der Fig. 12 ist dies der
Graph in Fig. 13.
In der Fig. 13 sind auch die Sehnen (einfache Linien) gekennzeichnet. Die Pfeile
in den Zweigen (Ästen und Sehnen) sind Zählpfeile der Ströme, genau so, wie sie auch
im Netz der Fig. 12 angenommen wurden. Damit liegt ein gerichteter Graph vor
(Graph mit Zählpfeilrichtungen).
Wird nun das alleine durch den Baum gekennzeichnete Netzwerk betrachtet, so
stehen wohl mehrere Spannungen an, aber es kann noch kein Strom fliessen, da keine
Maschen geschlossen sind.
Fügt man einen Zweipol entsprechend einer der Sehnen ein, so schliesst sich eine
Masche und es kann ein Strom fliessen. Mit dem Einfügen jedes weiteren Zweipols
an Stelle der Sehnen tritt ein neuer Strom hinzu, der jedoch auch die schon vorher
6
Beachte: Der in Fig. 13 gezeichnet Baum ist nicht der einzige korrekte Baum für dieses Netz. Die
einzige Regel, welche immer eingehalten werden muss, ist diejenige, dass zwischen Baumästen keine
geschlossenen Linien (d.h. keine Maschen) entstehen dürfen.
c
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Bacher ETHZ
2
Ast
1
20
3
Sehne
Ast
5
4
Ast
1
6
6
5
Ast
Baum
Ast
8
7
Sehne
Sehne
2
3
4
Abbildung 13: Graph und Baum (Äste: doppelte Linien) für das Netz in Fig. 12
bestehenden Ströme verändert. Die Sehnenströme sind somit wesentlich für das
Netzwerk. Man bezeichnet sie daher auch als unabhängige Ströme.
Mit jeder Sehne ist somit eine Masche festgelegt und es ist sinnvoll, den
in der Sehne auftretenden Zweigstrom, der im ursprünglichen Netzschema, siehe
Fig. 12, schon zählpfeilmässig festgelegt wurde, als Maschenstrom aufzufassen,
der sich über die der Sehne anliegenden Baumzweige schliesst. Die jeweils betrachtete
Sehne mit den anliegenden Baumzweigen bilden somit eine Masche.
Im Netzwerk bestehen noch eine Vielzahl weiterer Maschen, die ebenso für die
folgende Analyse herangezogen werden könnten, die aber auf redundante Lösungen
führen, d.h. nicht unabhängig sind.
Die hier getroffene Festlegung hat den Vorteil, dass der Sehnenstrom gleich dem
Maschenstrom ist, der zugleich Zweigstrom im Zweipol ist, der der Sehne zugeordnet
ist.
Die Zweigströme in den Baumzweigen setzen sich aus mehreren Maschenströmen
zusammen, siehe nachfolgendes Kapitel.
c
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6.4
21
Das Aufstellen der Maschengleichungen
Mit dem Einfügen einer Sehne ist somit die Vorstellung verbunden, dass ein Maschenstrom fliesst, der sich längs der Baumzweige schliesst. Es gibt nur soviele unabhängige
Maschen als Sehnen vorhanden sind. Die Spannungssumme in dieser Masche
ist somit eine unabhängige Systemgleichung des Netzwerkes.
Um diese Gegebenheit zu nutzen, wird ausgehend von der jeweiligen Sehne ein Weg
festgelegt, entlang dem die Spannungen gezählt werden. Dieser stellt die eigentliche
Masche dar.
In Fig. 14 sind die Maschen mit dem Umlaufsinn eingezeichnet, der durch den
Zählpfeil des Sehnenstromes vorgegeben ist.
Sehne mit Stromrichtung
Masche
Masche
Masche
Sehne mit Stromrichtung
Sehne mit Stromrichtung
Abbildung 14: Graph des Netzwerkes mit unabhängigen Maschen
Nun ist ersichtlich, dass sich in den Baumzweigen (d.h. doppelt gezogenen Linien) mehrere Maschenströme überlagern. Da nur m (m = Anzahl der Maschen)
unabhängige Maschengleichungen aufgestellt werden und nur soviele Maschenströme
bestimmt werden können, ist es notwendig, alle Zweigströme (d.h. Ast- und Sehnenströme) durch die Maschenströme auszudrücken.
Diese Beziehungen sind einfach aufzustellen, da die Zweigströme mit ihren Vorzeichen bereits festgelegt sind. Für das vorgegebene Netz lauten sie wie folgt:
c
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22
I 1 = I3
I2 = I 3
I3 = I 3
I4 = I 3
+I5
I5 =
I5
I6 =
−I5 +I7
(23)
I7 =
I7
I8 = −I3
−I7
Schematisch lassen sich
Inzidenzmatrix A ausdrücken:
diese















Iz = 












I1 

























I2
I3
I4
I5
I6
I7
I8











=












Beziehungen
durch
eine
Zweig-Sehnen-

1
0
0 
1
0
0
1
0
0
1
1
0
0
1
0
0 −1
1
0
1
0
−1
0 −1





 



  I3 
 

 
· I 
  5 

 



I7








(24)
oder in Matrixform:
Iz = AIm
mit Vektor der Zweigströme Iz :














Iz = 












I1 


I2 



I3 


I4 



I5 



I6 



I7 


I8
(25)
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
23
mit dem Vektor der Maschenströme Im :

Im

 I1 




=  I5 




I7
und der Zweig-Sehnen-Inzidenzmatrix A:













A=













1
0
0 
1
0
0
1
0
0
1
1
0
0
1
0
0 −1
1
0
1
−1
0
0 −1
























(26)
Diese Zweig-Sehnen-Inzidenzmatrix A stellt in kompakter Form die Topologie des Netzes zusammen mit Richtungen der Ströme in den Zweigen
und Sehnen dar.
Um weitere Herleitung zu ermöglichen, werden die Zweispannungen Uz (d.h. die
Spannungen über den passiven Elementen aller Zweige) wie folgt ausgedrückt:
Uz = Zz Iz
(27)
(27) stellt in Matrixform die Anwendung des Ohmschen Gesetzes auf alle passiven
Elemente des Netzes dar.
In (27) stellt die Matrix Zz eine Diagonalmatrix darstellt, welche die Impedanzen
aller Zweige in der Diagonale aufweist:
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
24

 R1











Zz = 













R2
R3
R4
R5
R6
R7
R8

























(28)
Der kleine Index z deutet an, dass diese Matrix über alle Zweige z des Netzes
geht. Die Reihenfolge der Impedanzen (Widerstände) ist durch die anfänglich gewählte
Reihenfolge der Nummern der Zweige gegeben.
Nun folgt die interessante Tatsache, dass die transponierte Matrix AT in Zusammenhang mit den Zweigspannungen zur Anwendung der Kirchhoff’schen Maschenregel
verwendet werden kann:
AT Uz = Em
(29)
wobei jedes Element von Em genau gleich der durch Zweigspannungsquellen entstehenden “eingeprägten” jeweiligen Maschenspannung sein muss.
Man kann jetzt zeigen, dass dieser Vektor Em auch durch einen Vektor von ZweigQuellen Eqz ausgedrückt werden kann:
Em = −AT Eqz
(30)
Im Beispiel der Fig. 12 ist Eqz (Zweig-Spannungsquellen) wie folgt definiert:

Eqz

 −E1 






0








0





0 



=


 −E 
2 






0 






 −E3 




0
(31)
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
25
Eqz ist der Vektor der Quellenspannungen, dessen Komponenten von der Reihenfolge her durch die Nummerierung der Zweige gegeben sind und vorzeichenmässig durch die Festlegung der Zählung und Vorgabe der Richtung
der Zweigspannungen bestimmt sind:
Man beachte die folgende wichtige Regel7 : Wenn die Richtung der Spannungsquelle gleich der Richtung des Zweigstromes ist, dann wird die
Spannungquelle positiv im Vektor Eqz eingetragen. Wenn die Richtungen
Zweigstrom und Quellenspannung umgekehrt sind, dann muss die Quellenspannung mit einem negativen Vorzeichen im Vektor Eqz eingetragen
werden.
Aus dem Vergleich von (29) und (30) folgt:
AT Uz = −AT Eqz
(32)
(32) stellt das Kirchhoff’sche Gesetz: Summe alle Spannungen in einer
Masche gleich Null, dar.
Verknüpft man nun (32) mit (27) ergibt sich:
AT Zz Iz = −AT Eqz
(33)
Die Zweigströme Iz können über die Zweig-Sehnen-Inzidenzmatrix auch durch die
Maschenströme Im ausgedrückt werden (25):
Iz = AIm
(34)
womit indirekt das Kirchhoff’sche Gesetz: Summe aller Ströme in einem Knoten gleich
Null, zur Anwendung kommt.
Somit entsteht schlussendlich durch Verknüpfung von (33) und (34) das
vollständige Gleichungssystem zur Bestimmung der Maschenströme ergibt:
AT Zz AIm = −AT Eqz
(35)
Damit erhält man ein Gleichungssystem in der Dimension der Anzahl Maschen
mit den Maschen-(Sehnen-)strömen Im als Unbekannte und den Maschenspannungen
auf der rechten Seite, die sich durch die Quellenspannungen Eqz ausdrücken lassen.
Für das Beispiel der Fig. 12 sieht dieses Gleichungssystem folgendermassen aus:
(R1 + R2 + R3 + R4 + R8 )I3 +R4 I5
+R8 I7
= E1
R 4 I3
+(R4 + R5 + R6 )I5 −R6 I7
= E2
R 8 I3
−R6 I5
7
+(R8 + R7 + R6 )I7 = E3
(36)
Erfahrungsgemäss hat sich gezeigt, dass vorallem das Nichtbeachten dieser Regel zusammen mit
der Formulierung von (30) auf Fehler bei der Berechnung konkreter Netzwerke führt.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
26
Die Matrix dieses Systems AT Zz A = Zm hat dabei die Form:


 R1 + R2 + R3 + R4 + R8 R4


 R4


R8
R8
R4 + R5 + R6 −R6
−R6






(37)
R8 + R7 + R6
Die in Erscheinung tretende Matrix (Systemmatrix) ist eine Impedanzmatrix und
wird Maschenimpedanzmatrix Zm genannt. Die Maschenimpedanzmatrix ist (bei
grossen Netzen) schwach besetzt, d.h. wenige Koeffizienten sind ungleich Null oder
viele Koeffizienten sind gleich Null. Der Ort dieser Nicht-Nullelemente hängt von der
Topologie bzw. von den Maschen des Netzwerkes ab.
In Matrizenform gilt anstelle von (35):
Zm Im = Em
(38)
Das Gleichungssystem muss gelöst werden, was formell durch Inversion geschehen
kann.
−1
Im = Zm
Em
(39)
Bei einer Computerimplementierung sind andere Wege möglich. Für eine Lösung
von Hand ist die Elimination nach Gauss, siehe Kap. 9, zu empfehlen.
Mit Kenntnis der Maschenströme Im können die Zweigströme Iz durch (34) bestimmt werden.
Die Zweigströme Iz berechnen sich nun mit (25):
Iz = AIm
(40)
Die totalen Zweigspannungen, welche eine eventuell vorhandene Zweigspannungsquelle und auch den Spannungsabfall über einer vorhandenen Impedanz beinhalten,
berechnen sich nun wie folgt:
Uztotal = Zz Iz + Eqz
(41)
Wären ursprünglich für das Netzwerk Stromquellen zwischen Zweigknoten vorgegeben, so müsste an dieser Stelle die Umwandlung der Spannungsquellen und die
entsprechende Berechnung der wahren Zweigspannungen und -ströme erfolgen:
Stromquelle parallel =
Izwenn
i
Uz
totali
Zzi
(42)
wobei Zzi die Impedanz des ursprünglichen Zweigs (mit paralleler Stromquelle) und
Uz
stellt die mit (41) berechnete totale Zweigspannung dar.
totali
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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6.5
27
Abgekürztes Maschenverfahren
Die Verwendung und Berechnung der Matrix Zm bei der Aufstellung der unabhängigen
Maschengleichungen kann umgangen werden, wenn beim Maschenumlauf anhand des
Graphen in Fig. 14 sofort die Summe der Maschenströme bei der Bildung der Zweigspannungen berücksichtigt wird.
Zur Klarstellung wird dieser Weg für das Netz in Fig. 14 nochmals verfolgt.
(R1 + R2 + R3 )I3 +R4 (I3 + I5 )
+R8 (I3 + I7 ) −E1 = 0
R4 (I3 + I5 )
+R6 (I5 − I7 )
+R5 I5
−E2 = 0
R8 (I3 + I7 )
+R6 (−I5 + I7 ) +R7 I7
−E3 = 0
(43)
Man sieht jetzt, dass die Maschenströme unmittelbar im Gleichungssystem erscheinen. Letzteres muss jetzt geordnet werden und zwar so, dass die jeweiligen Maschenströme nur einmal vorkommen. Das Ergebnis ist wieder das Gleichungssystem mit
der Maschenimpedanzmatrix oder explizit
(R1 + R2 + R3 + R4 + R8 )I3 +R4 I5
+R8 I7
= E1
R 4 I3
+(R4 + R5 + R6 )I5 −R6 I7
= E2
R 8 I3
−R6 I5
+(R8 + R7 + R6 )I7 = E3
(44)
in Übereinstimmung mit (36).
6.6
Zusammenfassung
der
(Kreisstrom)-Verfahren
Vorgehensweise
beim
Maschen-
Ein Netzwerk ist vorgegeben durch seine Topologie, Impedanzen und Quellen. Die
Zweigströme und -spannungen sind gesucht.
Das Lösungsverfahren nach der Maschenmethode kann wie folgt zusammengefasst
werden:
1. Umwandlung eventuell vorhandener Stromquellen in Spannungsquellen.
2. Festlegung eines Baumes und der Sehnen zur Ermittlung der unabhängigen Maschen (zur Kontrolle m = z − k + 1)
3. Nummerieren der Zweige und Eintragen der Zweigströme mit Zählpfeilen in den
Graphen8 .
4. Aufstellen der Diagonalmatrix Zz , welche alle Zweigimpedanzen (-widerstände)
in der im vorangehenden Schritt bestimmten Reihenfolge bestimmt.
8
Hinweis: Vorteilhafterweise werden die Sehnen-Zweige zuerst nummeriert.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
28
5. Eintragen der Maschen mit den Sehnenströmen als Maschenströme und mit einer
Umlaufrichtung in Richtung des Sehnenstroms. Jede Masche umfasst genau 1
Sehne und die entsprechenden Äste des Baumes (Hinweis: Wenn der Baum
korrekt gezeichnet wurde, gibt es zur Bestimmung der Maschen bei gegebenen
Sehnen nur noch genau 1 Lösung für jede Masche).
6. Aufstellen der Zweig-Sehnen-Inzidenzmatrix A, welche Zweigströme durch Maschenströme ausdrückt (Iz = AIm )
7. Bildung der Maschenimpedanzmatrix Zm
Diagonalmatrix Zz :
Zm = AT Zz A
durch
die
Zweigimpedanz-
8. Bildung der eingeprägten Maschenspannungen unter Verwendung der vorzeichenrichtig eingesetzten Zweigspannungsquellen Eqz .
Em = −AT Eqz
9. Lösung des linearen Gleichungssystems Zm Im = Em :
−1
Im = Zm
Em
d.h. Bestimmung der Maschenströme, z.B. durch Gauss’sche Elimination (siehe
Kap. 9)
10. Rückrechnen auf die Zweigströme Iz und totalen Zweigspannungen Uztotal (dh.
inkl. der eventuell vorhandenen Zweigspannungsquellen):
Iz = AIm
Uztotal = Zz Iz + Eqz
Bei kleineren, einfacheren Netzen lassen sich die Maschengleichungen direkt aufstellen, indem beim Maschenumlauf die Zweigspannungen direkt durch die Maschenströme ausgedrückt werden:
1. Umwandlung von Stromquellen in Spannungsquellen, Bestimmung des Baumes,
der Sehnen, der Maschen mit Stromrichtungen.
2. Bestimmung der Maschenimpedanzmatrix - Diagonalelemente Zm (i, i): Summe
aller in der Masche i liegenden Impedanzen (Widerstände)
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
29
3. Bestimmung
der
Maschenimpedanzmatrix
Nebendiagonalelement:
Zm (i, j)(i 6= j) = Summe derjenige ± Zweigimpedanzen, welche gemeinsam von Maschen i und j durchlaufen werden. Das Zeichen ± bedeutet: Wenn
das Element von beiden Maschen i und j im gleichen Sinn durchlaufen wird,
dann das + Zeichen verwenden, sonst das − Zeichen.
4. Bestimmung der rechten Seite: Maschenspannungen: Em (i): Summe aller in der
Masche i liegenden ± Spannungsquellen, wobei eine Spannungsquelle positiv
+ genommen wird, wenn die Spannungquellenrichtung in Gegenrichtung zum
Maschenstrom liegt, sonst negativ −.
Ein Rechenbeispiel ist in Kap. 11 im Vergleich mit anderen Verfahren angegeben.
7
7.1
Das Knotenpotentialverfahren
Problemstellung
Auch das Knotenpotentialverfahren ist für die Lösung einer allgemeinen Netzwerkaufgabe geeignet. Wie bei den vorher beschriebenen Verfahren ist auch hier eine
Aufbereitung der Problemstellung notwendig.
Für das Knotenpotentialverfahren muss das Netzwerk so umgewandelt werden,
dass nur mehr Stromquellen vorhanden sind. Stromquellen sind ursprünglich immer
parallel zu einem Zweig angebracht.
Die Aufgabenstellung stützt sich auf ein Schema eines Netzwerkes ab, wie es in
Fig. 15 gezeigt ist.
Uz12
Uz23
Uz34
3
2
1
G12
4
G34
G23
Iq4
Iq1
G20
G30
Uz10
G10
Uz20
Iq2
Uz30
Iq3
0
Abbildung 15: Netzwerk mit Zweigstromquellen für Knotenpotentialverfahren (0:
Referenzknoten)
Die Gij -Werte stellen Admittanzen [ Ω1 ] dar. Das Verfahren ist in einem ersten
Schritt auf die Bestimmung der Knotenspannungen ausgerichtet. Mit Kenntnis der
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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30
Admittanzen der Zweige, von denen in diesem Verfahren ausgegangen wird, können
alle übrigen Grössen berechnet werden.
7.2
Formelles Vorgehen
Wie bei den vorangehenden Vorgehensweisen ist auch beim Knotenpotentialverfahren ein systematisches, formelles Vorgehen möglich. Die elementaren Operationen
beziehen sich auf den Zusammenhang zwischen Zweigspannungen und Zweigströmen
Auch hier gibt es ein abgekürztes Verfahren, dass - im Gegensatz zum Maschenverfahren - jedoch relativ einfach anzuwenden und sehr zu empfehlen ist. Zuerst wird
jedoch eine dem Maschenverfahren analoge, systematische Vorgehensweise erklärt.
Mit Zweigen sind hier alle Zweige mit Impedanzen und nicht die idealen
Zweigstromquellen, so wie in Fig. 15 gezeichnet, gemeint.
Iz = Yz · Uz
(45)
Mit (45) wird das Ohm’sche Gesetz bei allen passiven Elementen erfasst
und korrekt angewendet.
Der Index z bezieht sich somit auf die impedanzbehafteten Zweige und nicht auf
die Stromquellen-Verbindungen. Die Matrix Yz ist eine sogenannte Diagonalmatrix,
da nur in der Diagonalen der Matrix Nicht-Null-Werte auftreten.
(45) impliziert, dass pro Impedanzzweig eine Stromrichtung Izij , d.h. von Knoten
i nach Knoten j, festgelegt wurde und die Zweigspannungen Uzij dieselbe Richtung
aufweisen.
Für das Beispiel bestimmt sich die Matrix Yz wie folgt:








Yz = 







G10














G20
G30
G12
G23
(46)
G34
Wie erwähnt, bedient sich das Knotenpotentialverfahren sogenannter Knotenspannungen Ui , wobei diese von jedem Knoten i zu einem sogenannten Referenz- oder Bezugsknoten (meist mit der Nummer 0 oder gar nicht nummeriert) angenommen sind.
Der Referenzknoten ist im Prinzip frei wählbar. Genau ein (1) Knoten ist für ein
gegebenes Netz als Referenzknoten zu wählen.
Somit kann zwischen den (vorher definierten, mit Richtung versehenen) Zweigspannungen Uz und den Knotenspannungen U (welche sich also alle auf einen Referenzknoten beziehen) eine Beziehung hergestellt werden:
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
31
Uz = C · U
(47)
(47) ist insofern wichtig, als hier die Kirchhoff’sche Maschenregel (Summe
aller Spannungen in eine Maschen gleich Null) implizit ausgedrückt wird.
Die Matrix C wird als Zweig-Knoten-Inzidenzmatrix bezeichnet und beinhaltet
die Elemente 0, 1, und -1.
Für das Netzwerk in Fig. 15 ist diese Matrix C nachfolgend angegeben. Die
Knotenspannung des Bezugsknotens ist per Definition Null und erscheint
nicht mehr im Vektor U.
















Uz10
Uz20
Uz30
Uz12
Uz23
Uz34


1
 
 
 
 
 
 
 
=
 
  1
 
 
 
 
 


 
 
 
 
·
 
 
 



1
1
−1
1
−1
1


1



U1 
1




U2 


 ; C=


U3 
 1 −1




1
U4


−1














1
−1
1
(48)
−1
Genauso wie im Maschenverfahren die Spannungsquellen pro Zweig in einem
Vektor festgehalten werden, werden beim Knotenpotentialverfahren die ZweigStromquellen, welche parallel zu den Zweigimpedanzen liegen, in einem ZweigStromquellen-Vektor festgehalten, wobei die Regeln dafür die folgenden sind:
• Pro Impedanzweig kann nur ein paralleler Stromquellen-Wert angegeben werden.
Dabei ist als Reihenfolge der Variablen diejenige zu wählen, welche im Vektor
Uz und in der Matrix Yz angenommen wurde.
• In diesem Zweig-Stromquellenvektor wird das Vorzeichen der Stromquelle umgekehrt eingetragen, falls die Stromquellenrichtung entgegengesetzt zur (vorher) gewählten Zweigstromrichtung Iz ist und unverändert, falls die Stromquellenrichtung gleich der gewählten Zweigstromrichtung Iz ist.
Im Beispiel gilt somit für den Zweig-Stromquellenvektor Izq (der Index
Zweig-Quellen an):

Izq







=






−Iq1
Iq2
Iq3
0
0
zq
deutet















(49)
Iq4
Mit diesem gegebenen Zweig-Stromquellenvektor können nun die KnotenStromquellen mit der Inzidenzmatrix C bestimmt werden. Man beachte dabei, dass in
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
32
der gewählten Vorgehensweise alle Knotenstromquellen Ii in den Knoten i hinein zeigen, siehe Fig. 16. Diese Art der Zeichnung von Stromquellen muss wie folgt
verstanden werden: Alle Knotenstromquellen beginnen am Bezugsknoten (0). Da der
Bezugsknoten die Knotenspannung Null aufweist und in der Knotenpotentialmethode
nicht erscheint, werden die Knotenstromquellen in den Ersatzschaltbildern meist am
Bezugsknoten nicht mehr eingezeichnet.
Somit gilt:
I = −CT Izq
(50)
Die Beziehung stellt also den Zusammenhang zwischen den Zweigstromquellen Izq
und den Knotenstromquellen I, welche in die Knoten hinein eingezeichnet werden,
dar.
Die transponierte Matrix C T erlaubt nun zusammen mit (50), das Kirchhoff’sche Gesetz: Summe aller Ströme in einem Knoten ist gleich Null,
systematisch in einer Matrix-Multiplikation zu erfassen:
C T (Iz + Izq ) = 0
(51)
wobei Iz den Vektor aller Zweigströme in den passiven Elementen des Netzes (d.h.
nicht in den Quellen) darstellt. Die Reihenfolge der Elemente in Iz ist identisch mit
der Reihenfolge angenommen in Uz (48).
Für das Beispiel können nun sogenannte Knotenstromquellen I wie folgt berechnet
werden:
I1
I2
I3
3
2
1
G12
4
G23
G10
I4
G20
G34
G30
0
Abbildung 16: Netzwerk mit Knotenstromquellen für Knotenpotentialverfahren
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ

I = −CT Izq
−Iq1




Iq2

= −

 Iq3 + Iq4


−Iq4
33








=




Iq1




−Iq2



 −Iq3 − Iq4












Iq4
(52)
Um nun auf die entscheidende Beziehung zwischen den nun gegebenen Knotenstromquellen I und den unbekannten Knotenspannungen U zu kommen, müssen folgenden Schritte ausgeführt werden:
Verknüpft man (45) und (51), so ergibt sich:
C T Yz Uz − I = 0
(53)
C T Yz CU − I = 0
(54)
Jetzt ergibt (47) mit (53):
(54) muss nun noch (50) gleichgesetzt werden, womit sich ergibt:
CT Yz CU = −CT Izq
(55)
Diese Beziehung beinhaltet also in kompakter Form alle Ohm’schen und
Kirchhoff’schen Gesetze zur Berechnung der Knotenspannungen aus den ZweigStromquellen.
Mit der Definition der Knotenpunktsadmittanzmatrix Y,
Y = CT Y z C
(56)
und unter Verwendung von (50) gilt:
Y·U = I
(57)
Diese Beziehung ist die zentrale Beziehung des Knotenpotentialverfahrens. Mit
ihr können die Knotenspannungen U bestimmt werden bei gegebener Matrix Y und
gegebenem Vektor I.
Die Paarungen der Ströme, die ursprünglich durch Zweig-orientierte (d.h. parallel zum Zweig) Quellen vorgegeben sind, interessieren bei Verwendung von Knotenströmen nicht.
Bei insgesamt k Knoten können k − 1 unabhängige Knotenströme vorgegeben
werden. Entsprechend können k − 1 unabhängige Knotenspannungen bestimmt
werden, die gegen einen Bezugsknoten gezählt werden, der vorhanden sein muss.
Im Vergleich zu den schon besprochenen Verfahren kann eine Knotenspannung die
Summe mehrerer Zweigspannungen umfassen.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
34
Der Strom des Bezugsknotens ist die Summe aller übrigen Knotenströme und geht
nicht explizit in die Rechnung ein. Knotenströme und Knotenspannungen werden mit
Richtungen bzw. Zählpfeilern versehen.
Für das Beispiel gilt:

 G12 + G10


−G12

Y=

0


0

−G12
0
0
G12 + G20 + G23
−G23
0
−G23
G23 + G30 + G34
−G34
0
−G34
G34
und somit Y · U = I:

 G12 + G10


−G12



0


0








 
−G12
0
0
G12 + G20 + G23
−G23
0
−G23
G23 + G30 + G34
−G34
0
−G34
G34
(58)
 
U
Iq1
1
 
 
 
 
  U2  
−Iq2
 
 
·
=
  U   −I − I
  3  
q3
q4
 
 
U4
Iq4









(59)
Sobald die Knotenspannungen U berechnet sind (z.B. durch die Gauss’sche Elimination), können die Zweigspannungen Uz mit (47) berechnet werden.
Der totale Zweigstrom, d.h. der Strom der (eventuell vorhandenen) Zweigstromquelle und der Strom durch die (parallele) Zweigimpedanz berechnet sich wie folgt für
alle Zweige:
Izweig
total
= Iqz + Yz · Uz
(60)
(60) kann auch durch das folgende Ersatzschaltbild für eine einzelne Stromquelle
mit paralleler Admittanz dargestellt werden, siehe Fig. 17.
Iqzi
Izweig
Yzi
total
Uzi
Abbildung 17: Totaler Zweigstrom: Zweigstromquellen parallel zum Strom der Zweigadmittanz
Nun sind alle Zweigspannungen und die totalen Zweigströme gegeben.
c
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7.3
35
Direktes Aufstellen der Knotenpunktsadmittanzmatrix
Da für das Knotenpotentialverfahren die vorgegebenen Knotenströme unmittelbar die
rechte Seite des Gleichungssystems darstellen und die unbekannten Spannungen einfach identifizierbar sind, liegt der Hauptaufwand dieses Verfahrens in der Bildung der
Knotenpunktsadmittanzmatrix (System- oder Admittanzmatrix).
Die Zusammenhänge sind dabei so einfach, dass die Bildung nach wenigen Regeln erfolgen kann, ohne dass dabei Inzidenzmatrizen und Matrizenmultiplikationen
herangezogen werden müssen.
Das Vorgehen soll anhand eines Knotens erläutert werden, der eine Admittanz zum
Bezugsknoten und drei Zweigadmittanzen zu Nachbarknoten aufweist. Es handelt sich
dabei um einen Netzausschnitt, siehe Fig. 18.
I1
y12
2
1
U2
U1
y13
3
U3
y14
y10
4
0
U4
Abbildung 18: Netzausschnitt - Ein Knoten (1) mit Admittanz zum Bezugsknoten
(0) und Verbindungen zu Nachbarknoten (2, 3, 4)
Jeder Knoten des Netzwerks kann so gesehen werden. Für jeden dieser Knoten
lässt sich der von aussen aufgedrückte Knotenstrom durch die Summe der vom Knoten abfliessenden Zweigströme ausdrücken. Schrittweise ergeben sich die folgenden
Beziehungen
I1 = y10 U1 + y12 (U1 − U2 ) + y13 (U1 − U3 ) + y14 (U1 − U4 )
(61)
nach Herausheben der Spannungen.
I1 = (y10 + y12 + y13 + y14 )U1 − y12 U2 − y13 U3 − y14 U4
Jetzt werden neu Yij (6= yij , siehe Fig. 18) eingeführt:
(62)
c
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36
Y11 = y10 + y12 + y13 + y14
Y12 = −y12
(63)
Y13 = −y13
Y14 = −y14
Somit folgt aus (62):
I1 = Y11 U1 + Y12 U2 + Y13 U3 + Y14 U4
(64)
Die Koeffizienten Y11 , Y12 , Y13 , Y14 usw. stellen die Koeffizienten der Knotenpunktsadmittanzmatrix dar.
Für das Netzwerk in Fig. 15 ist die gesamte Matrix Y angegeben:


 Y11


 Y21

Y =

 0


0
Y12 0
0
Y22 Y23 0
Y32 Y33 Y34
0
Y43 Y44










(65)
Die Regeln für die Bildung der Matrix können wie folgt angegeben werden:
• Die Dimension der Matrix Y ist (k − 1) · (k − 1), wobei k die Knotenzahl ist (k
beinhaltet auch den Bezugsknoten).
• Für jeden Knoten i ausser dem Bezugsknoten ist eine Zeile zu bilden, bei der
das Diagonalelement Yii die Summe der Zweig-Admittanzen yij der vom Knoten
ausgehenden Zweige einschliesslich desjenigen zum Bezugsknoten 0 darstellt.
• In den übrigen Positionen j der Zeile i (i 6= j) ist ein Element Yij nur dann
ungleich Null, wenn zum Knoten j, der durch die Spaltennummer j gekennzeichnet ist, ein Zweig vorhanden ist. Das Matrixelement Yij ist gleich der negativen
Zweigadmittanz (d.h. Yij = −yij ) dieser Verbindung.
• Die Matrix ist bei Vorhandensein von passiven Netzelementen symmetrisch.
Bei der computermässigen Bildung der Admittanzmatrix kann direkt von der
Zweigliste ausgegangen werden. Man stelle sich dabei ein “leeres” Netzwerk ohne
Quellen vor. Beim Lesen einer Zeile der Zweigliste wird die Admittanz des Zweiges zum Diagonalelement addiert. Wenn es sich um einen Zweig zum Nachbarknoten
handelt, muss dessen negative Admitttanz noch in die entsprechende Spalte eingesetzt
werden.
Die Knotenpunktsadmittanzmatrix gibt damit anschaulich die Topologie des Netzwerks wieder. Bemerkenswert ist, dass diese Matrix im allgemeinen schwach besetzt
c
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37
ist, da in den wenigsten Fällen ein Knoten viele Verbindungen zu Nachbarknoten aufweisen wird. Bei grossen Netzen (Energieübertragung) wird die Schwachbesetztheit
(sparsity) im Lösungsverfahren ausgenutzt, um auf kurze Rechenzeiten zu kommen.
Zur Illustration ist untenstehend das Besetzungsmuster der Nicht-Nullelemente
einer Knotenpunktsadmittanzmatrix angegeben.













Y =













x x x .
x x .
x .
.
.
.
x .
.
x . 

.
.
x . 

.
x .

x . 

x .
x .
.
.
.
.
x x x
.
.
.
.
x x .
.
x x x x .
.
.
.




.
x .
x 
x
x .


. 



x 



. 


x
In dieser Matrix bedeutet ein “x”, dass an dieser Stelle der Koeffizient ungleich
Null ist. Ein “.” bedeutet, dass der Koeffizient gleich Null ist. Die Matrix ist symmetrisch. Aus dem Besetzungsmuster kann die Topologie des Netzes hergeleitet werden.
Wenn in der dritten Zeile und dort in der siebten Spalte ein “x” steht, so heisst dies,
dass vom Knoten 3 zum Knoten 7 eine Verbindung besteht. Dort steht in der Knotenpunktsadmittanzmatrix Y das Matrizenelement Y37 . In der 7. Zeile steht in der
dritten Spalte Y73 . Dieses Element ist gleich gross wie Y37 (Yij = Yji , i 6= j, ∀ij)9.
8
Vergleich der Lösungsverfahren und Empfehlungen
8.1
Vergleich der Lösungsverfahren
Bei der Durcharbeitung der zwei Lösungsmethoden (Maschenverfahren, Kap. 6; Knotenpotentialverfahren, Kap. 7) ergibt sich unmittelbar die Frage nach Vor- und Nachteilen der einen gegenüber der anderen Methode, bzw. nach einer Eignung der Methoden für bestimmte Aufgabenstellungen. Erste Hinweise in dieser Richtung wurden
bereits bei den Vorbereitungen für Behandlung von Netzwerken mit bestimmten Methoden gegeben. Bevor nun diese Frage eingehender behandelt wird, soll noch ein
systematischer Vergleich zwischen den Methoden angestellt werden.
9
Dies bedeutet: Für alle Kombinationen i und j, wobei i 6= j, ist Yij = Yji
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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38
Vergleich zwischen Maschen- und Knotenpunktsmethode
Maschenmethode
Knotenpunktmethode
Vergleichbare Elemente
Spannungsquelle im Zweig
Stromquelle am Knoten (zum Bezugsknoten)
Strom in Masche
Spannung am Knoten
Sehnenstrom
Knotenspannung
Sehne
Knoten
Impedanz
Admittanz
Maschenimpedanzmatrix
Knotenpunkts-Admittanzmatrix
Bestimmung der Zweigströme mittels Sehnenstrom
Bestimmung der Zweigspannungen mittels Knotenspannungen
Aufsummierungen der Maschenspannungen (inkl. Spannungsquellen) in einer Masche (in einem Umlauf)
Aufsummierung von Knotenströmen (inkl. Stromquellen) in einem Knoten
Der Ausgangspunkt ist bei der Maschenmethode der Baum des Netzwerkes. Bei
der Knotenpunktsmethode spielt der Baum keine Rolle, nur die Topologie des Netzes
ist von Bedeutung.
Beide Verfahren weisen ein zentrales lineares Gleichungssystem auf, wobei bei Matrixdarstellung eine schwachbesetzte - sowohl hinsichtlich Besetzung wie auch aus
numerischer Sicht - symmetrische Matrix auftritt.
Eine schwachbesetzte Matrix bietet Vorteile bei der Computerimplementierung
speziell bei der Lösung linearer Gleichungssysteme wegen der viel geringen Anzahl
von Rechenoperationen im Vergleich mit vollbesetzten Matrizen.
Wie das Maschenverfahren ermöglicht auch das Knotenpotentialverfahren eine systematische Lösung auf einem Computer.
8.2
Empfehlungen zur Anwendung der Lösungsverfahren
Beide Methoden sind jeweils dann zu empfehlen, wenn die Aufgabenstellung den Eigenheiten der Verfahren angepasst ist:
Das Maschenverfahren ist dann angezeigt, wenn die vorgegebenen Quellen als
Spannungsquellen in den Zweigen vorliegen und vornehmlich Zweigströme gefragt sind.
Kleinere Netzwerke lassen sich noch leicht von Hand mit dem Maschenverfahren lösen.
Beispiele sind elektronische Schaltungen, Brückenschaltungen und Messschaltungen.
Das Knotenpotentialverfahren eignet sich für grosse Netzwerke (mehr als 1000
Knoten), bei denen die vorgegebenen Grössen Knotenströme sind und Knotenspan-
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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39
nungen gefragt sind. Beispiele sind die Netze der elektrischen Energieübertragung und
-verteilung.
Das Knotenpotentialverfahren ist dann besonders vorteilhaft, wenn pro Knoten
nur wenige verbundene Zweige vorliegen, wodurch sehr schwachbesetzte Matrizen entstehen. Das Knotenpotentialverfahren - als einziges Verfahren - kommt speziell für
Problemstellungen in Fragen, bei denen am Knoten nichtlineare Randbedingungen
vorliegen, wie es beim Lastfluss im elektrischen Uebertragungsnetz der Fall ist10 .
9
Lösungs- und Rechenverfahren
9.1
Rechenverfahren
Für die Lösung der Netzwerksgleichungen bedarf es Rechenverfahren, die entweder
die Bestimmung der Inversen einer Matrix erlauben oder schrittweise Hilfsvariable
zur Bestimmung der Unbekannten berechnen. Für eine Berechnung von Hand (d.h.
Beispiele mit bis zu 3 oder 4 Variablen) kommen zwei Verfahren in Frage und zwar
• die Gauss’sche Elimination
• ein Austauschverfahren
Im Rahmen dieses Vorlesungstextes wird nur die Gauss’sche Elimination durchgeführt.
Auf Rechnern stehen Umgebungen und Verfahren zur Lösung grosser linearer Gleichungssysteme wie z.B. MATLAB zur Verfügung. Die Benutzung beschränkt sich
dann auf die Eingabe der Matrixkoeffizienten A und der rechten Seite b des Gleichungssystems Ax = b.
9.2
Die Gauss’sche Elimination
Das Verfahren nach Gauss zielt auf die unmittelbare Bestimmung der Unbekannten
ab und erzeugt die Inverse der Systemmatrix nicht. Im Zuge des Verfahrens entstehen
Koeffizienten, die Dreiecksmatrizen zugeordnet werden können, deren Produkt die
ursprüngliche Matrix ergibt.
Das Verfahren lässt sich vorteilhaft bei schwachbesetzten Matrizen anwenden und
hat bei der Lösung grosser Systeme überragende Bedeutung.
Es soll hier anhand der Admittanzmatrix erläutert werden, wobei von der Aufgabe
zur Bestimmung des Spannungsvektors U
Y ·U =I
(66)
bei gegebenen Strömen I und der gegebenen Knotenadmittanzmatrix Y ausgegangen wird.
Explizit wird ein 3 x 3 System betrachtet
10
siehe Vorlesung Prof. R. Bacher, 6. Semester, Dept. Elektrotechnik, ETH Zürich, “Modellierung
und Analyse elektrischer Netze”
c
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40
Y11 U1 +Y12 U2 +Y13 U3 = I1
(67)
Y21 U1 +Y22 U2 +Y23 U3 = I2
Y31 U1 +Y32 U2 +Y33 U3 = I3
wobei alle Koeffizienten Yij und I1 , I2 , I3 numerisch gegeben seien. Gesucht sind die
Werte U1 , U2 , U3 .
Es sollen nun Schritt für Schritt die Spannungen U1 und U2 eliminiert werden bis
eine Gleichung für U3 übrigbleibt.
Man dividiert die erste Gleichung durch Y11 . Der Koeffizient von U1 wird damit
zu 1. Dann multipliziert man diese Gleichung mit Y21 und Y31 und subtrahiert sie von
der 2. bzw. der 3. Gleichung, wodurch die Koeffizienten von U1 in diesen Gleichungen
verschwinden.
Es bleibt folgendes Gleichungssystem
(Y22 − Y12 YY21
)U2 +(Y23 − Y13 YY21
)U3 = I2 − I1 YY21
11
11
11
(Y32 −
Y12 YY31
)U2
11
+(Y33 −
Y13 YY31
)U3
11
= I3 −
(68)
I1 YY31
11
Die Klammerausdrücke sind modifizierte Admittanzen und die rechte Seite modifizierte Ströme. Für die weiteren Schritte werden neue Bezeichnungen eingeführt.
0 = Y − Y Y21
Y22
22
12 Y11
0 = Y − Y Y21
, Y23
23
13 Y11
0 = Y − Y Y31
Y32
32
12 Y11
0 = Y − Y Y31
, Y33
33
13 Y11
I20 = I2 − I1 YY21
11
, I30 = I3 − I1 YY31
11
(69)
womit man erhält
0
0
Y22
U2 +Y23
U3 = I20
0
Y32
U2
0
+Y33
U3
=
I30
(70)
In diesem Gleichungssystem wird nun in analoger Weise U2 eliminiert, wobei nur
eine Gleichung übrigbleibt.
0
0
(Y33
− Y23
0
0
Y32
0
0 Y32
)U
=
I
−
I
3
3
2
0
0
Y22
Y22
(71)
Diese liefert bereits das Ergebnis für U3 . Durch Rückeinsetzen bekommt man aus
(68) die Spannung U2 und entsprechend U1 aus (67).
Das Gauss’sche Eliminationsverfahren besteht somit aus einem Vorwärtsprozess
(Vorwärts-Aufrollen) bis zur Bestimmung der letzten Variablen und einem
Rückwärtsprozess (Rückwärts- Aufrollen) bis zur Bestimmung der ersten Unbekannten.
c
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10
41
AC-Netzwerke mit sinusförmigen Quellen, Widerständen (R), Induktivitäten (L) und Kapazitäten
(C) im stationären Zustand
10.1
Komplexe Rechenoperationen
Ausser der Tatsache, dass AC-Quellen im Gegensatz zu DC-Quellen im zeitlichen
Verlauf nicht konstant sind, sondern einen zeitlich gesehen sinusförmigen Verlauf mit
konstanter Amplitude und Frequenz aufweisen, sind alle Betrachtungen im Vergleich
zu DC-Quellen ähnlich. Aus mathematischer Sicht ändert sich nur die Art der Rechnung: Rechenoperationen mit komplexen Zahlen setzen
j 2 = −1
(72)
voraus.
Damit kann jeder Bruch mit einer komplexen Zahl wieder in eine komplexe Zahl
überführt werden:
1
a
−b
a − jb
a − jb
= 2
+j 2
=
= 2
2
2
a + jb
(a + jb)(a − jb)
a +b
a +b
a + b2
10.2
(73)
Umrechnung sinusförmiger Zeitgrössen und R, L und CElemente in komplexe Grössen
Die Berechnung stationärer Grössen bei sinusförmigen Strom- und Spannungsquellen
in Zusammenhang mit Widerständen R, Induktivitäten L und Kapazitäten C ist in
[1], Kapitel 11 “Wechselgrössen” und Kapitel 12 “Komplexe Berechnung von Wechselstromkreisen” erklärt. Dort wird auch gezeigt, dass die Berechnung stationärer (d.h.
im Zeitbereich sinusförmiger oder konstanter) Vorgänge bei sinusförmigen Quellen und
R, L und C-Elementen durch komplexe Zahlenoperationen unter Annahme komplexer
Impedanzen (für Widerstand: Z = R + j0, Induktivität: Z = jωL und Kapazität:
1
Z = −j ωC
) durchgeführt werden kann.
Zusammenfassend gilt für die Transformation von allgemeinen sinusförmigen
Grössen mit konstanter Kreisfrequenz ω und konstanter Amplitude in komplexe
Grössen:
Zeitbereich
Komplexe Zahlen
√
uq (t) = 2Uq cos(ωt + φ) U q = Uq (cosφ + jsinφ) = Uq ejφ
√
iq (t) = 2Iq cos(ωt + φ) I q = Iq (cosφ + jsinφ) = Iq ejφ
(74)
Man beachte auch, dass
ω = 2πf
(75)
c
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h
42
i
1
mit π = 3.1415926 und f : Frequenz in Hertz sek
.
Für einen Widerstand R, eine Kapazität C und eine Spule L gelten bei sinusförmigen Grössen mit Kreisfrequenz ω:
Element
Zeitbereich
Komplexe
Komplexe
Komplexe
Impedanz
Admittanz
I
Z R = R + j0
YR =
1
R
1
I
YL
Z L = jωL
YL =
1
jωL
1
YC
ZC =
Rechnung
1
YR
Widerstand R
u(t) = Ri(t)
U = RI = ZR I =
Induktivität L
u(t) = Ldi(t)/dt
U = jωLI = Z L I =
Kapazität C
u(t) =
1
C
R
i(t)dt
U=
1
I
jωC
= ZC I =
I
1
jωC
+ j0
Y C = jωC
(76)
Diese Transformationen gelten immer nur für genau eine (1) Frequenz. Für jeweils eine gegebene Frequenz können R, L und C-Elemente beliebig durch komplexe
Impedanzen ersetzt werden und die entsprechenden Ohmschen und Kirchhoff’schen
Gesetze auf die komplexen Impedanzen, bzw. Admittanzen angewendet werden.
10.3
Komplexe Rechnung bei sinusförmigen Quellen und R, L und
C-Elemente
Zwei Signale mit gleicher Frequenz können addiert werden:
Zeitbereich
Komplexe Zahlen
√
x(t) = 2Xm cos(ωt + φx ) X = Xr + jXi = Xm (cosφx + jsinφx)
√
y(t) = 2Ym cos(ωt + φy ) Y = Yr + jYi = Ym (cosφy + jsinφy )
x(t) ± y(t)
(77)
X ± Y = (Xr ± Yr ) + i(Xi ± Yi )
Multiplikation und Division zweier komplexer Zahlen:
XY = Xm Ym 6 (φx + φy )
X
Y
=
Xm 6
Ym
(78)
(φx − φy )
Man beachte noch, dass sich eine Quelle der Form
Usin (t) =
√
2U sin(ωt + φ)
wie folgt in eine Quelle dargestellt mit komplexen Zahlen transformiert:
Mit ±sinα = cos(α ∓ 90◦ ) folgt:
√
Usin (t) = 2U cos(ωt + (φ − 90◦ ))
(79)
(80)
Daraus folgt für die Transformation:
Usin (t) → U 6 (φ − 90◦ ) = U (cos(φ − 90◦ ) + jsin(φ − 90◦ )) = U (sinφ − jcosφ) (81)
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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43
Vorsicht: Computer berechnen sin, cos, tan, etc. basierend auf Radiangrössen.
1◦ =
ˆ
π
3.1415926
[rad] =
[rad] = 0.01745 [rad]
180
180
(82)
Generell dürfen Gleichgrössen, Wechselgrössen und transiente Grössen (siehe Kapitel 14 und nachfolgende Kapitel) bei Verwendung von R, L und C-Elementen und
idealen Spannungs- und Stromquellen überlagert werden.
10.4
Verbraucherzählpfeilsystem bei AC-Netzwerken
Wie bei DC-Netzwerken spielt auch bei AC-Netzwerken die Leistung eine wesentliche
Rolle. Bei DC-Netzen wird die Leistung, welche in einem Widerstand verbraucht
wird, als positive Grösse aufgefasst, siehe Fig. 1. Genau dieselbe Aussage gilt auch
bei AC-Netzwerken: Die Leistung über einem Widerstand wird auch bei sinusförmigen
Grössen u(t) und i(t) als positive Grösse festgelegt.
Bei Induktivitäten und Kapazitäten muss zusätzlich nur gelten, dass das jeweilige
Element eine rein imaginäre Impedanz (Induktivität) oder Admittanz (Kapazität)
aufweist.
I
U
P + jQ
Wechselstrom
Abbildung 19: Festlegung der Zählpfeile am Eingang eines Zweipols mit R, L und C
Elementen
Für Wechselstrom gilt (siehe [1], Seite 268):
Zeitbereich
√
u(t) = 2U cos(ωt)
√
i(t) = 2I cos(ωt − φ)
Komplexe Zahlen
p(t) = u(t)i(t) =
S = P + jQ = U I ∗ =
U = U + j0
I = I (cos φ − j sin φ) = Ie−φ
P (1 + cos(2ωt)) + Q sin(2ωt) U I cos φ + jU I sin(φ)
mit P = U I cos φ
mit P = U I cos φ
mit Q = U I sin φ
mit Q = U I sin φ
(83)
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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44
φ stellt also diejenige Phasenverschiebung dar, um welche die Spannung dem Strom
vorauseilt. Bei einer Spule gilt: Z = jωL und somit ist φ = 90◦ . Bei einem Konden1
sator gilt: Z = −j ωc
und somit ist φ = −90◦ .
U und I stellen Effektivwerte der jeweiligen im Zeitbereich sinusförmigen Spannung u(t) und des Stromes i(t) dar. Allgemein berechnen sich Effektivwerte von
zeitabhängigen Signalen wie folgt:
s
Ueffektiv =
ˆ
Beim Signal
1
t2 − t1
√
Z
t2
u2 (t)dt
2πt
T
ergibt sich als Effektivwert für t1 = 0 und t2 = T :
u(t) =
(84)
t1
2U sin
Ueffektiv = U
(85)
(86)
Per Definition ist P die Wirkleistung
P = Re(U · I ∗ )
(87)
Die Blindleistung Q wird ebenso vorzeichenmässig festgelegt und zwar
Q = Im(U · I ∗ )
(88)
Diese zwei Beziehungen können auch kurz wie folgt dargestellt werden:
S = U · I ∗ = P + jQ
(89)
Man beachte, dass die Blindleistung positiv ist, wenn sich der Zweipol wie eine
Drossel (d.h. induktiv) verhält: Bei der Drossel gilt U = jωLI, somit ist φ = 90◦ ,
womit sich ergibt: Q = U I sin φ > 0.
Ein Kondensator nimmt dementsprechend eine negative Blindleistung auf oder,
anders gesagt, er gibt positive Blindleistung ab: Dort ist φ = −90◦ , womit Q < 0.
Es ist zu beachten, dass die Zählpfeile vorerst Richtungen (Bezugsrichtungen) vorgeben, aber erst die Ergebnisse der Rechnung das Vorzeichen der gesuchten Grössen
festlegen. Demnach werden passive Elemente und Quellen mit den gleichen Zählpfeilen
versehen. Die resultierenden bzw. eingeprägten Ströme und Spannungen mit ihren
Vorzeichen an den Klemmen sagen dann, ob es sich tatsächlich um eine Leistungsabgabe oder -aufnahme handelt.
Zur Illustration der Leistungsbeziehungen werden in den Fig. 20 und 21 zwei Fälle
mit unterschiedlichen Netzelementen angegeben. Es gilt dabei immer die allgemeine
Vorgabe der Zählpfeile nach Fig. 19.
c
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45
I
U
jXL
I=
U
jXL
U
= −j XL ,
∗
P = 0, Q = Im j UXUL
=
|U|2
XL
(90)
Abbildung 20: Zusammenhang P, Q, U, X L , I
I
R
U
−jXc
I=
U
R−jXc
=
U (R+jXc )
R2 +Xc2
P + jQ = U I ∗ =
P =
|U|2 R
,Q
R2 +Xc2
|U|2
(R −
R2 +Xc2
jXc)
(91)
2
|U| XC
= −R
2 +X 2
c
Abbildung 21: Zusammenhang P, Q, U, R, X C , I
10.5
Lösung von linearen Gleichungssystemen mit komplexen Koeffizienten
Im Fall von Wechselstrom sind die bei Maschen- und Knotenpotentialmethoden auftretenden Systemmatrizen (Admittanz, Impedanz) komplex. Die Unbekannten und
die rechten Seiten der linearen Gleichungssysteme sind es ebenso. Formell können alle
bisher gezeigten Operationen auch komplex ausgeführt werden. Die Rechenoperationen werden jedoch recht kompliziert. Man teilt daher die Gleichungen nach Realund Imaginärteil auf. Liegt z.B. eine Impedanzmatrix vor, so spaltet man Spannung,
Impedanz und Strom folgendermassen auf
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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46
Re(U ) + jIm(U ) = (R + jX)(Re(I) + jIm(I)) =
(92)
= R · Re(I) − X · Im(I) + j (X · Re(I) + R · Im(I))
getrennt geschrieben



 

 Re(U )   R −X   Re(I) 

=
·

Im(U )
X
R
(93)
Im(I)
Nach diesem Koeffizientenschema innerhalb der Matrix kann nun auch die gesamte
Impedanzmatrix mit einer Widerstandsmatrix und einer Reaktanzmatrix aufgebaut
werden.
Bei Annahme von lineare Gleichungen mit komplexen Zahlen erhält man auf diese
Weise eine reelle Matrix (Dimension: 2n x 2n), die mit den schon bekannten Verfahren verarbeitet werden kann. Die Vektoren für die Spannungen und die Ströme
enthalten neben dem Realteil-Subvektor auch einen Subvektor für den Imaginärteil
aller Spannungen und Ströme.


 Re(U ) 

U =
(94)
Im(U )


 Re(I) 

I=
(95)
Im(I)
Bei der Lösung ist zu beachten, dass ein Widerstand oder eine Reaktanz des Netzwerkes Null sein kann. Scheint in der Diagonale der Matrix (93) in der 1. Zeile eine
Null auf, so ist eine Vertauschung mit einer anderen Zeile vorzunehmen, damit z.B.
eine Division durch das Diagonalelement durchgeführt werden kann.
11
11.1
11.1.1
Anwendungen der Verfahren der Netzanalyse von stationären AC-Netzwerken
Rechenbeispiel mit dem Maschen-, Schnittmengen und dem
Knotenpotentialverfahren
Vorgegebenes Netzwerk
Das zu behandelnde Netzwerk ist als Schema in Fig. 22 vorgegeben. Die dazugehörigen Parameter und Quellenwerte sind untenstehend angefuehrt.
Gegebene Daten:
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
R1 + jX1
I2
47
jX2
I3
3
2
+
U1
U2
U4
E1
R4
U5
-
jX5
U3
1
4
−jX3
R5
Bemerkung: In diesem Netzwerk ist der Bezugsknoten der Knoten in der Mitte, unten
in der Fig. 22. D.h. die Knotenströme I 2 und I 3 sind auf diesen Bezugsknoten 4
bezogen.
Abbildung 22: Netzwerk (Wechselstrom)
E 1 = 10 + j0
V
I 2 = 0.5 + j0
A
I 3 = −1 + j0.5 A
R1 = 0.8Ω
X1 = 2Ω
(96)
X2 = 3.6Ω
R4 = 8Ω
X3 = 4Ω
R5 = 5Ω
X5 = 2Ω
Zu bestimmen sind alle Zweigströme und -spannungen. Ebenso sind die Knotenspannungen bezogen auf den angegebenen Bezugsknoten zu berechnen.
Es wird für die im folgenden angeführten Lösungswege ein Baum mit Zählpfeilen
für Ströme und Spannungen, sowie eine Knotennumerierung angegeben.
11.1.2
Lösung mit dem Maschenverfahren
Zuerst müssen die Ströme in Spannungsquellen umgewandelt werden. Die Spannungsquelle E 2 berechnet sich mit E 2 = R4 · I 2 durch Umwandlung aus der vom Bezugsknoten kommenden Stromquelle I 2 . Genauso wird die Spannungsquelle E 3 mit
E 3 = I 3 (R5 + jX5 ) durch Umwandlung der vom Bezugsknoten kommenden Stromquelle I 3 bestimmt.
Ihre Einbettung im Netz und ihre Zählpfeile können aus der Fig. 24 entnommen
werden.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
21
0
48
13
0
0
1
0
1
2
1
0
0
1
4
1
5
1
3
1
0
0
1
1
0
0
1
4
Abbildung 23: Graph für das Netzwerk mit Baum (doppelte Linien) und zwei Maschen (Zählpfeile, Knotennummern)
R1 + jX1
jX2
+
E2
+
+
E3
-
-
E1
-
R4
−jX3
jX5
R5
Abbildung 24: Netz mit Spannungsquellen
Die Spannungsquellen betragen
E 2 = 4 + j0
(97)
E 3 = −6 + j0.5
Nach Festlegung aller Zahlenwerte und der Zählrichtungen kann mit dem systematischen Vorgehen begonnen werden. Das Netzwerk hat 4 Knoten, 5 Zweige, 2 Sehnen,
3 Baumzweige (Äste), somit 2 Maschen. Die Sehnen-Zweig-Inzidenzmatrix hat die
folgende Struktur und Eintragungen.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ

49

0 
 1




 0
1 




A=
0 
 −1





 1 −1 




0
(98)
1
wobei die Spalten Sehnenströme darstellen und die Zeilen die Zweigströme repräsentieren.
Die primitive Impedanzmatrix


 0.8 + j2


















Zz = 






j3.6
−j4
8
(99)
5 + j2
Die Maschenimpedanzmatrix bildet sich durch
AT Zz A = Zm
(100)
Zahlenmässig erhält man


 8.8 − j2 −8 + j0 
Zm = 
−8 + j0 13 + j5.6

(101)
Bei der Bildung der Maschenspannungen müssen die Zählpfeilrichtungen der Spannungen in den Zweigen und diejenigen der eingeprägten Spannungen E qz beachtet
werden. Es gilt
E m = −AT E qz
(102)
Die Eintragungen im Vektor Eqz sind dann positiv, wenn die Richtungen
der eingeprägten Spannungen mit den Zählpfeilrichtungen der Zweigspannungen
übereinstimmen. Man erhält den Vektor der eingeprägten Spannungen nach der Fig.
24 für die Zweige 1, 4 und 5. Bei der Multiplikation mit der transponierten Inzidenzmatrix ist jeweils das Vorzeichen der Eintragungen genau zu beachten.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ

E qz
 −E 1


 0


=
 0


 E
2



50







=






 −10 + j0



0



0



 4 + j0


−6 + j0.5
E3














(103)
und als Maschenspannungen


 6
E m = −AT E qz = 
+j0
10 −j0.5


(104)
Für die numerische Behandlung der Maschenimpedanzmatrix werden die Impedanzen in Real- und Imaginäteil aufgespalten. Gemäss (101) (komplexe Matrix) und
der Transformationsregel (93) erhält man

ZmReIm

 8.8 −8


 −8 13

=

 −2 0


2
0



0 −5.6 



8.8 −8 


5.6 −8
0
(105)
13
Der Vektor E m aufgespalten nach Real- und Imaginärteil

EmReIm





=





6
10
0
−0.5










(106)
wobei die ersten zwei Elemente sich auf die Real- und die letzten zwei Elemente auf
die Imaginärteile der zwei komplexen Maschenspannungen E m beziehen.
Nach Anwendung eines der Lösungsverfahren erhält man für die Maschenströme
als Lösung ZmReIm ImReIm = EmReIm :

ImReIm

 2.4033 




 1.7867 


=



 −0.4277 




−1.0713
(107)
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
51
Somit folgt für den komplexen Maschen-/Sehenstromvektor Im :


 2.4033 − j0.4277 
Im = 
1.7867 − j1.0713

(108)
Nun kann auf Zweigströme und Spannungen umgerechnet werden, wobei in einem
ersten Schritt die Grössen des umgewandelten Netzes mit Spannungsquellen bestimmt
werden I z = AI m :
I1 =
2.4033 − j0.4277
I2 =
1.7867 − j1.0713
I 3 = − 2.4033 + j0.4277
I4 =
0.6166 + j0.6436
I5 =
1.7867 − j1.0713
(109)
Die totalen Zweigspannungen (gültig für das Netz mit Spannungsquellen, siehe
Fig. 24) U ztotal = Zz I z + E qz :
Totale
Spannung über Quellen-
Zweigspannung
Zweigimpedanz spannung
= Wert
U z1 =
2.7780 + j4.4644 −10
U z2 =
3.8567 + j6.4321
= 3.8567 + j6.4321
U z3 =
1.7108 + j9.6132
= 1.7108 + j9.6132
U z4 =
4.9328 + j5.1488 +4
U z5 =
11.0761 − j1.7831 −6 + j0.5
= −7.2220 + j4.4644
(110)
= 8.9328 + j5.148
= 5.0761 − j1.2831
Es ist nun interessant zu sehen, wie sich die Zweigströme verändern, wenn auch das
ursprüngliche Netz mit Stromquellen umgerechnet wird. Es ändern sich die Grössen
U
in den Zweigen 4 und 5 mit I z
= Z zi :
zi
original Stromquelle paralleli
I 4 = 1.1166 + j0.6436
(111)
I 5 = 0.7867 − j0.5713
Zur Kontrolle können nun noch die Leistungsbilanzen gerechnet werden. Die komplexen Leistungen werden durch Ausführen der folgenden Operation bestimmt:
Bei den Spannungsquellen gilt:
S i = E i · I ∗i
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
52
Bei den Stromquellen gilt:
S i = U i · I ∗qi
wobei (U i : Spannung vom Knoten i zum Bezugsknoten) und
Quellenleistungen (Sqi = −E1 I1∗ / − Uz2 I2∗ / − U z3I3∗ ):
Spannungsquelle(E1 )
= −24.033 − j4.277
Stromquelle(I2 )
= + 4.466 + j2.574
Stromquelle(I3 )
= − 5.718 − j1.255
Summe der Leistungen
= −22.781 − j5.596
Summe der Verbraucher
(=
11.1.3
P
i:alle
(112)
= 22.781 + j5.598
2
passiven Zweigelemente Z zi |I|zi )
Lösung mit dem Knotenpotentialverfahren
Beim Knotenpotentialverfahren werden alle Spannungen von Knoten zu einem Bezugsknoten positiv gezählt. Alle Quellen müssen in Stromquellen umgewandelt werden,
die in den Knoten angreifen. Der Strom des Bezugsknoten ist redundant und geht
nicht in das Verfahren ein. In der Fig. 25 ist das Schema des Netzwerkes (22) gezeigt,
das mit dem Knotenpotentialverfahren behandelt werden soll. Man beachte, dass neu
die Knotennummer 1 eingeführt wurde in Fig. 22: der Knickpunkt der Line links von
R1 + jX1 ). Die Spannungsquelle E1 der Fig. 22 wird jetzt neu mit dem “Innenwiderstand” −jX3 assoziiert. Diese neue Assoziation mit entsprechender Quellenwandlung
ergibt schliesslich das Netz und die Knotenströme der Fig. 25.
I1
I2
R1 + jX1
I3
jX2
2
1
3
R5 + jX5
−jX3
R4
U2
U1
U3
4
Abbildung 25: Netzwerk geeignet für die Lösung mit dem Knotenpotentialverfahren
Bemerkung: Der Knoten 4 ist der Bezugsknoten.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
53
Der Knoten 4 ist der Bezugsknoten. Die Spannungen der Knoten 1, 2 und 3 sind
auf diesen Knoten bezogen (vom Knoten zum Bezugsknoten positiv). Die Quellen
sind wie verlangt Stromquellen, die an den Knoten angreifen.
Der Wert der Stromquelle I1 ergibt sich durch Wandlung der Spannungsquelle E1 (= 10) und der in Serie liegenden Rektanz −jX3 (= −j4) in eine der Spannungsquelle entgegengerichtete, d.h. in den Knoten 1 hineingerichtete Stromquelle
E
I1 = −jX
= j 10
4 = j2.5.
3
Bei der Aufstellung des Vektors der Knotenströme muss beachtet werden, dass die
Knotenströme Iqz in den Knoten hineingehen müssen. Demnach hat der Stromvektor
die folgenden Komponenten


 0 +j2.5 




I =  0.5





(113)
−1 +j0.5
Für die Aufstellung der Knotenadmittanzmatrix wird das direkte Verfahren
gewählt, siehe Abschnitt 7.3. Man erhält


 0.1724 − j0.1810 −0.1724 + j0.4310


Y =  −0.1724 + j0.4310
0.2974 − j0.7088


0
0 


0 + j0.2778 

0 + j0.2778 0.1724 − j0.3468
(114)

Die Lösung für die Knotenspannungen erhält aus Y U = I:
U = Y −1 I
(115)
Explizit lauten die Knotenspannungen (dh. die Spannungen den Knoten zum
Bezugsknoten):
U 1 = 11.7109 + j9.6132
U 2 = 8.9328 + j5.1488
(116)
U 3 = 5.0761 − j1.2831
Von diesen Spannungen ausgehend lassen sich wieder alle übrigen unbekannten
Grössen des Netzes bestimmen. Durch geeignete Umrechnung der Quellen lassen sich
nun die Ergebnisse der beiden Verfahren miteinander vergleichen. Die Ergebnisse
stimmen überein, Fehler treten nur bedingt durch die Ungenauigkeiten der Eingabe
der Daten und der Matrizeninversion auf.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
11.2
54
Netzreduktion - Ersatznetze
In vielen netzanalytischen Untersuchungen trifft man auf Aufgabenstellungen, bei
der nach einer ersten Berechnung des Netzes dieses als Teil eines grösseren Netzes
weiterverwendet wird. Die Topologie, die Impedanzen und Quellen ändern sich nicht
mehr und das Interesse besteht im Verhalten, wie es von einem Klemmenpaar oder
von wenigen Klemmen aus gesehen wird.
Die Frage geht dann dahin, ob ein solches Netz auf diese Klemmen reduziert werden kann und ob dabei das Klemmenverhalten dem exakten Verhalten des Netzes
entspricht.
Die Antwort auf diese Frage soll mit Hilfe der Lösungsverfahren und durch eine
elektrotechnische Interpretation der Ergebnisse gegeben werden.
11.2.1
Elimination von Variablen
Wenn bei der Gauss’schen Elimination zur Lösung eines Gleichungssystems eine Variable verschwindet bzw. durch Rechenoperationen sozusagen kompensiert wird, entsteht gleichzeitig durch reduzierte Gleichungssysteme ein Netzgebilde, das anschaulich
interpretiert werden kann.
Zum besseren Verständnis soll zuerst der Eliminationsvorgang betrachtet werden.
Es wird dazu ein lineares Gleichungssystem mit Koeffizienten aij , rechten Seiten bi
und Variablen xi herangezogen.
a11 x1 + a12 x2 + a13 x3 = b1
a21 x1 + a22 x2 + a23 x3 = b2
(117)
a31 x1 + a32 x2 + a33 x3 = b3
Die Variable x1 wird durch Division der ersten Zeile durch a11 und nachfolgendes
Substrahieren der Zeile nach Multiplikation mit a21 bzw. a31 von der 2. und 3. Zeile
eliminiert. Es bleiben zwei Gleichungen in x2 und x3 .
(a22 − a12 aa21
)x2 + (a23 − a13 aa21
)x3 = b2 − b1 aa21
11
11
11
(118)
(a32 − a12 aa31
)x2 + (a33 − a13 aa31
)x3 = b3 − b1 aa31
11
11
11
Wenn nun die in Klammern stehenden Ausdrücke wieder als Koeffizienten einer
Systemmatrix aufgefasst werden, so kann ihnen eine Bedeutung als Impedanz oder
Admittanz zugeordnet werden. Damit lassen sich auch Ersatzschaltungen aufstellen, die funktionell genauso verstanden werden können, wie jede andere Schaltung.
Gleichzeitig lassen sich die Beziehungen zwischen den Originalschaltungen und den
Ersatzschaltungen angeben.
Zu beachten ist, dass auch die rechten Seiten modifiziert werden. Die rechten
Seiten beinhalten die Quellen, die nach eineer Elimination die ursprünglichen Quellen
in modifizierter Form aufzeigen.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
55
Die Quellen werden demnach nicht eliminiert, sondern nur umgewandelt.
Dieser Vorgang der Elimination kann nun formell bei beiden Lösungsverfahren zur
Anwendung gelangen. Die Interpretation der Ergebnisse ist jedoch unterschiedlich.
11.2.2
Elimination eines Knotens
Die Elimination eines Knotens soll anhand eines dreiknotigen Netzes veranschaulicht
werden. Die geeignete Netzdarstellung dafür ist die Admittanzmatrix des Knotenpotentialverfahrens. Ein Schema des Netzes ist in Fig. 26 gegeben.
y13
I3
I1
I2
2
3
1
y23
y12
y20
y30
4
Bezugsknoten
Abbildung 26: Beispielnetz für die Knotenelimination
An den drei Knoten wirken Ströme I1 , I2 , I3 . Der Knoten 1 soll eliminiert werden.
Die Netzgleichungen lauten
Y11 · U1 + Y12 · U2 + Y13 · U3 = I1
Y21 · U1 + Y22 · U2 + Y23 · U3 = I2
(119)
Y31 · U1 + Y32 · U2 + Y33 · U3 = I3
P
mit Yij (i 6= j) = −yij und Yii = j∈i,i6=j yij + yi0 .
Nach den erwähnten Operationen erhält man
(Y22 − Y12 YY21
) · U2 + (Y23 − Y13 YY21
) · U3 = I2 − I1 YY21
11
11
11
(120)
(Y32 − Y12 YY31
) · U2 + (Y33 − Y13 YY31
) · U3 = I3 − I1 YY31
11
11
11
Dieses Gleichungssystem steht offensichtlich für ein zweiknotiges Netz. U2 und U3
sind die Knotenspannungen, die rechten Seiten stellen die Knotenströme dar. Die
letzteren setzen sich aus den ursprünglichen Strömen I2 und I3 , sowie aus Anteilen
des Knotenstromes I1 zusammen. Diese Anteile sind vom Knoten 1 auf den Knoten
2 und 3 verlagert worden. Man spricht auch von verworfenen Strömen.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
56
Die Admittanzen des modifizierten Gleichungssystems können auch in Admittanzen eines Netzwerkes umgesetzt werden. So kennzeichnen die neu vorliegenden Terme
in der Nebendiagonale
0
y23
= Y13 YY21
= Y12 YY31
11
11
(121)
die Zweigadmittanz zwischen den Knoten 2 und 3.
Die Diagonalelemente geben per Definition die Summe der vom Knoten aus gesehenen Admittanzen an. Unter Berücksichtigung der Ersatzzweigadmittanz vom Knoten
2 nach 3 setzt sich das Diagonalelement ii wie folgt zusammen:
Aus
• dem ursprünglichen Element vom Knoten zum Bezugsknoten yi0
• dem ursprünglichen Element vom Knoten zum Nachbarknoten yij
0
• der Ersatzzweigadmittanz vom Knoten zum Nachbarknoten yij
(121)
0
• einer neu vorliegenden Ersatzadmittanz vom Knoten zum Bezugsknoten yi0
Die entsprechenden Beziehungen für die beiden Diagonalelemente des zweiknotigen
Ersatznetzes lauten.
0
0
Y22 − Y12 YY21
= y20 + y23 + y23
+ y20
11
Y33 − Y13 YY31
11
= y30 +
0
y32 + y32
0
+ y30
(122)
Die ungestrichenen Admittanzen sind aus der Aufgabenstellung bekannt (y23 =
y32 ). Für die gestrichenen Grössen gilt
0
0
y23
= y32
= Y13
Y21
Y12
= Y31
Y11
Y11
(123)
0 und y 0 müssen somit aus den obigen beiden
Die beiden Ersatzadmittanzen y20
30
Gleichungen bestimmt werden.
0
0
y20
= Y22 − Y12 YY21
− y20 − y23 − y23
11
0 = Y − Y Y31 − y − y − y 0
y30
33
13 Y11
30
32
32
(124)
Für die zusätzlichen Knotenströme I20 und I30 gelten die Werte der rechten Seite
von (120):
I20 = −I1 YY21
11
I30 = −I1 YY31
11
(125)
Das Ersatznetz mit den einzelnen Admittanzen und Stromquellen ist in Fig. 27
veranschaulicht.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
57
0
y23
I20
I30
I2
I3
2
3
y23
0
y20
y20
0
y30
y30
4
Abbildung 27: Ersatznetz mit den verworfenen Knotenströmen
Die Ersatznetzbildung kann beliebig erweitert werden, d.h. ein Netz, das ursprünglich mit k Knoten (einschliesslich Bezugsknoten) gegeben ist, kann so Schritt
um Schritt auf zuletzt einen einzigen Knoten reduziert werden.
Die Systemgleichungen (Knotengleichungen) bleiben formal unverändert. Es
ändert sich die Knotenpunktsadmittanzmatrix und es ändern sich die Knotenströme.
Dabei addieren sich zu den an den l Knoten ursprünglich vorhandenen Knotenströmen
Ersatzströme (verworfene Ströme).
Formal ergibt sich folgendes Gleichungssystem (n < k)


 Y11r


 Y21r



 .


Y12r
Y13r
Y14r
.... Y1nr 
Y22r
Y23r
Y24r
.... Y2nr
.
.
.
.
Yn1r Yn2r Yn3r Yn4r .... Ynnr

 U1
 
 
  U2
 
 · 
 
  .
 
 
Un








=




 I1


 I2



 .


+I1r 
+I2r
.
I3 +I3r









(126)
Dabei ist zu beachten, dass die Knotenspannungen des Ersatznetzes mit denjenigen
Spannungen der Knoten, die nicht eliminiert werden, exakt übereinstimmen.
Ui
= Ui
für die gleichen Knoten i
Ersatznetz
Originalnetz
(127)
Die Admittanzen sind mit einem Index r versehen (reduziert), was andeuten soll,
dass sie modifiziert wurden. Die Knotenströme Ii sind die ursprünglichen Knotenströme, Iir sind die verworfenen Knotenströme.
Ein solches Ersatznetz könnte in ein anderes Netz eingebaut werden, indem man
die Knotenströme und Admittanzen in ein neues Gleichungssystem übernimmt. Durch
eine Quellenraumwandlung kann die eine oder andere Stromquelle in eine Spannungsquelle übergeführt werden.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
11.2.3
58
Elimination einer Masche
In Analogie zur Elimination eines Knotens kann auch eine Masche, genauer ein Maschenstrom, eliminiert werden. Wird ein Knoten eliminiert, so können mehrere Maschen verschwinden. Wird eine Masche eliminiert, so können in Analogie mehrere
Knoten verschwinden. Ein Knotenstrom wird auf mehrere Nachbarknoten verworfen.
Eine Maschenspannung wird auf mehrere Nachbarmaschen verworfen.
Zur Veranschaulichung des Vorgehens wird wieder ein Beispielnetz betrachtet, siehe Fig. 28.
- E1
+
I1
R1
R5
R6
E2
E3
+
+
R4
-
R2
R3
I2
I3
Abbildung 28: Netzwerk geeignet für Maschenelimination
Die Systemgleichungen lauten (1, 2, 3: Sehnen; abgekürztes Verfahren):
(R1 + R5 + R6 )I1
−R5 I2
−R5 I1 +(R2 + R4 + R5 )I2
−R6 I1
−R6 I3 = −E1
−R4 I3
= E2
(128)
−R4 I2 +(R3 + R4 + R6 )I3 = −E3
Die drei Ströme I1 , I2 , I3 sind Maschenströme, die mit den Sehnenströmen I1 ,
I2 , I3 identisch sind. Nun soll der Maschenstrom I1 eliminiert werden und damit die
Masche 1.
Formal geht man gleich wie bei der Knotenelimination vor. Es geht dann um die
Interpretation des Ergebnisses. Für den Eliminationsprozess ist es vorteilhaft, mit
den Symbolen der Maschenimpedanzmatrix zu arbeiten. Es gilt
c
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Bacher ETHZ
Z11 = R1 + R5 + R6 ,
Z12 = −R5 , Z13 = −R6
Z22 = R2 + R4 + R5 ,
Z23 = −R4
Z33 = R3 + R4 + R6 ,
Z21 = Z12 , Z31 = Z13 , Z32 = Z23
Em1 = −E1
Em2 = E2 Em3 = −E3
59
(129)
Es wird hier das Gleichungssystem angeschrieben, das sich nach Elimination des
Maschenstromes I1 ergibt.
Z21
Z21
Z21
(Z22 − Z12 Z
)I2 + (Z23 − Z13 Z
)I3 = Em2 − Em1 Z
11
11
11
(130)
Z31
Z31
Z31
(Z32 − Z12 Z
)I2 + (Z33 − Z13 Z
)I3 = Em3 − Em1 Z
11
11
11
Die beiden Maschenströme I2 und I3 behalten bei diesem Schritt ihre Bedeutung,
ebenso die ursprünglichen Maschenspannungen. Neu scheinen zusätzliche (verworfene)
Maschenspannungen auf, ebenso modifizierte Impedanzen.
Für die Erstellung des 2-Maschen-Ersatznetzes müssen die ursprünglichen Impedanzen des Netzwerkes betrachtet werden.
Z22 − Z12
Z21
R5 2
= R2 + R4 + R5 −
Z11
R1 + R5 + R6
(131)
Ohne hier eine detaillierte Herleitung zu geben, kann gezeigt werden, dass die
Lösung für die Ersatzimpedanzen wie folgt ist:
R04 =
R5 R6
R1 R5
R1 R6
R05 =
R06 =
R1 + R5 + R6
R1 + R5 + R6
R1 + R5 + R6
(132)
Für die verworfenen (zusätzlichen) Maschenspannungen werden entsprechende
Symbole eingeführt:
Z21
R5
E20 = −Em1 Z
= −E1 R1 +R
11
5 +R6
Z31
R6
E30 = −Em1 Z
= −E1 R1 +R
11
5 +R6
(133)
Mit diesen Ersatzgrössen lässt sich ein Ersatznetz angeben, das nur zwei Maschen
enthält. Das Schema mit diesen Grössen ist in Fig. 29 angegeben.
c
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E20
+
60
E30
-
+
R06
R05
R04
+
+
E2
E3
-
R4
R2
R3
I2
I3
Abbildung 29: Reduziertes Ersatznetz mit zwei Maschen
c
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Bacher ETHZ
11.3
11.3.1
61
Stern- und Dreieckschaltung
Erscheinungsformen und Bezeichnungen
In der Elektronik, Kommunikationstechnik und Energieübertragung kommen häufig
Schaltungen vor, die aufgrund ihres Schaltbildes als Stern- und Dreieckschaltungen
bezeichnet werden. Ihre Graphen stellen auch genau einen Stern bzw. ein Dreieck
dar, wie sie in Fig. 30 gezeigt sind.
Abbildung 30: Graphen von Stern- und Dreiecksschaltungen
Ihre Ausstattung mit Impedanzen und Quellen kann vielfältig sein. So können
Stern- und Dreieckschaltungen in Erscheinung treten als
• Stern von drei Impedanzen ohne Quellen (= vierknotiges Netz), siehe Fig. 31,
links.
• Dreieck mit drei Impedanzen ohne Quellen (= dreiknotiges Netz), siehe Fig. 31,
rechts.
1
2
Z1
1
Y12
2
Z2
Y31
Z3
3
Y23
3
Abbildung 31: Stern-Dreieckschaltungen ohne Spannungsquellen
• Stern von drei Impedanzen mit zwei Spannungsquellen in den Zweigen (= vierknotiges Netz), siehe Fig. 32, links.
• Dreieck mit drei Impedanzen mit zwei Spannungsquellen in den Zweigen (=
dreiknotiges Netz), siehe Fig. 32, rechts.
• Die Schaltungen mit Quellen können jeweils auch mit Stromquellen auftreten,
siehe Fig. 33
Die Schaltungen für sich allein betrachtet haben wenig praktische Bedeutung
oder sie bereiten wegen ihrer Einfachheit keine Schwierigkeiten bei der systemanalytischen Behandlung. Dagegen sind sie als eingebettete Elemente in ausgedehnten
c
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Bacher ETHZ
1
E1
E2
62
2
E12
Z1
Y12
1
2
Z2
E31
Z3
Y23
Y31
3
3
Abbildung 32: Stern-Dreieckschaltungen mit Spannungsquellen
I1
Y12
1
Y31
2
I2
Y23
3
I3
Abbildung 33: Stern-Dreieckschaltungen mit Knoten-Stromquellen
Schaltungen von grosser Wichtigkeit. Ein Beispiel ist das Dreiphasensystem der Energieübertragung, das Stern- und Dreieckschaltungen enthält.
Für die weiteren Betrachtungen werden die Stern- und die Dreieckschaltungen als
Netz mit drei zugänglichen Knoten angesehen. Der vierte Knoten, der bei der
Sternschaltung vorhanden ist, soll immer stromlos bleiben.
Dann können die folgenden Aussagen gemacht werden:
• Die Summe der drei von den Schaltungen aufgenommenen Ströme ist Null
• Die drei zwischen den Knoten bestehenden Spannungen ergänzen sich zu Null
Um vorläufig möglichst allgemein zu bleiben, werden Schaltungen betrachtet, bei
denen die drei Knoten Spannungen gegen einen Bezugsknoten aufweisen sollen. Für
die Herleitung der Systemgleichungen werden keine Quellen innerhalb der Schaltungen
betrachtet.
Bei allen nachfolgenden Überlegungen ist das Ziel gesetzt, gegen aussen eine
unveränderte Wirkung der Dreiecks- oder Sternschaltung zu erzielen.
Es wird gezeigt werden, welche äquivalente Schaltungen für passive Stern- oder
c
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Bacher ETHZ
63
Dreieckschaltungen wie auch solche kombiniert mit Strom- oder Spannungsquellen
identisch gegen aussen wirken.
11.3.2
Sternschaltung
Für die Sternschaltung sollen die Impedanzen zwischen den Knoten und dem Sternpunkt gegeben sein, siehe Schema in Fig. 34.
1
2
Z1
Z2
Z3
3
Abbildung 34: Sternschaltung ohne Quellen
Für die Herleitung der Systemgleichungen wird vom vierknotigen Netz ausgegangen. Es gilt eine allgemeine Knotenpunktsadmittanzmatrix
YU = I
(134)
wobei voraussetzungsgemäss der Strom des Sternpunktes gleich Null sein soll, d.h.


 I1 




 I2 


I=



 I3 




(135)
0
Die Spannung des Sternpunktes (U4 )wird vorläufig betrachtet, später jedoch eliminiert.
Die Admittanzen der Y-Matrix bilden sich wie folgt.
Y11 =
1
Z1 , Y12
= 0, Y13 = 0, Y14 = − Z11
Y22 =
1
Z1 , Y21
= 0, Y23 = 0, Y24 = − Z12
Y33 =
1
Z3 , Y31
= 0, Y32 = 0, Y34 = − Z13
Y44 =
1
Z1
+
1
Z2
+
1
Z3 , Y41
(136)
= Y14 , Y42 = Y24 , Y43 = Y34
Die Y-Matrix ist schwachbesetzt, wie aus dem folgenden Schema ersichtlich ist.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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
64

 Y11


 0

Y =

 0


0
0
Y14 
Y22 0
Y24 

0




(137)
Y33 Y34 

Y41 Y42 Y43 Y44

An dieser Stelle ist es sinnvoll, den Sternpunkt (bzw. dessen Knotenspannung U4 )
zu eliminieren:




 U1   I1 

 


 

 U2   I2 

 

Y
=


 

 U3   I3 

 


 

U4
(138)
0
Dabei wird die letzte Zeile durch das Diagonalelement Y44 dividiert und dann,
nach Multiplikation mit Y14 (= Y41 ), Y24 (= Y42 ) und Y34 (= Y43 ) von den Zeilen 1 bis
3 subtrahiert.
Die Y-Matrix des reduzierten dreiknotigen Netzes hat sodann die folgenden Koeffizienten.
11.3.3
Y11 =
Z2 +Z3
Z1 Z2 +Z2 Z3 +Z1 Z3
Y22 =
Z1 +Z3
Z1 Z2 +Z2 Z3 +Z1 Z3
Y33 =
Z1 +Z2
Z1 Z2 +Z2 Z3 +Z1 Z3
Y12 =
−Z3
Z1 Z2 +Z2 Z3 +Z1 Z3
Y13 =
−Z2
Z1 Z2 +Z2 Z3 +Z1 Z3
Y23 =
−Z1
Z1 Z2 +Z2 Z3 +Z1 Z3
(139)
Dreieckschaltung
Für eine Dreieckschaltung sollen die Admittanzen zwischen den Knoten gegeben sein.
Das entsprechende Schema ist in Fig. 35 angegeben.
Die Knotengleichungen sind einfach aufzustellen.
Y11 · U1 + Y12 · U2 + Y13 · U3 = I1
Y21 · U1 + Y22 · U2 + Y23 · U3 = I2
Y31 · U1 + Y32 · U2 + Y33 · U3 = I3
wobei
(140)
c
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1
65
2
y12
y31
y23
3
Abbildung 35: Dreiecksschaltung ohne Quellen
Y11 = y12 + y13 , Y12 = −y12 , Y13 = −y13 ,
Y22 = y12 + y23 , Y23 = −y23 ,
Y33 = y13 + y23 ,
(141)
Y21 = Y12 , Y31 = Y13 , Y32 = Y23
Falls das Netz durch Impedanzen spezifiziert ist, sind die Admittanzen einfach
durch Kehrwertbildung zu bestimmen.
Eine Inverse der Admittanzmatrix, d.h. eine Impedanzmatrix existiert nicht, da
erstere wegen der verschwindenden Stromsumme singulär ist.
11.3.4
Stern-Dreieck-Umwandlung
Durch Vergleich der Admittanzen der Y-Matrix wird es offensichtlich, dass die Admittanzen der Dreieckschaltung eindeutig aus den Impedanzen der Sternschaltung
bestimmt sind und zwar
y12 =
Z3
Z1 Z2 +Z2 Z3 +Z1 Z3
y13 =
Z2
Z1 Z2 +Z2 Z3 +Z1 Z3
y23 =
Z1
Z1 Z2 +Z2 Z3 +Z1 Z3
(142)
Bei vorgegebenen Impedanzen der Sternschaltung sind damit die Admittanzen
(Impedanzen) der Dreieckschaltung bestimmt.
Hier ergibt sich sofort die Frage nach der Umkehrung der Umwandlung, d.h. die
Bestimmung der Sternimpedanzen aus den Dreiecksadmittanzen. Diese Frage kann
durch Vergleich der Koeffizienten der Maschenimpedanzmatrizen beantwortet werden,
die im vorangehenden Abschnitt berechnet wurden.
c
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11.3.5
66
Dreieck-Stern-Umwandlung
Die Umwandlung eines Dreiecks in einen Stern ist der duale Prozess zur Umwandlung
des Sterns in ein Dreieck. Man geht von einer Dreiecksschaltung aus, bei der die innere
Masche als die 4. Masche des Netzwerks aufgefasst wird. Die ersten drei Maschen
sind die äusseren Maschen, die durch die Einbettung des Dreiecks in ein grösseres Netz
entstehen. Dieses äussere Netz muss für die vorliegende Betrachtung nicht detailliert
abgebildet werden. Es wird nur durch die anliegenden Spannungen dargestellt. Ein
Schema für ein solches Dreieck ist in Fig. 36 gegeben.
1
y12
1
2
4
y31
y23
2
3
3
Abbildung 36: Dreiecksschaltung mit äusseren Maschen
Die innere Masche (Masche 4) soll eliminiert werden. Dazu wird die Maschenimpedanzmatrix Zm betrachtet.

Zm

 Z11


 0

=

 0


0
0
Z22 0
0
Z14 
Z24
Z33 Z34
Z41 Z42 Z43 Z44









(143)
Diese hat strukturell die gleiche Gestalt wie die Knotenadmittanzmatrix (137). Es
soll hier auch die letzte Zeile eliminiert werden, daher müssen die gleichen Operationen wie bei der Elimination des 4. Knotens (Sternpunkt) durchgeführt werden und
formal müssen auch die gleichen Ergebnisse resultieren. Durch Vertauschen der Admittanzsymbole durch Impedanzsymbole in den Gleichungen (137) und (142) erhält
man
c
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67
Z1 =
y23
y12 y13 +y13 y23 +y23 y12
Z2 =
y13
y12 y13 +y13 y23 +y23 y12
Z3 =
y12
y12 y13 +y13 y23 +y23 y12
(144)
Damit können bei Kenntnis der Dreiecksadmittanzen die Sternimpedanzen der
äquivalenten Schaltung bestimmt werden.
11.3.6
Π - und T-Schaltungen
In vielen Anwendungen treten Stern- und Dreieckschaltungen nicht als allgemein eingebettetes Netzwerk, sondern als Vierpol (Zweitor) auf. Ein Knoten übernimmt dabei
die Rolle des Bezugsknotens und zwar sowohl für den Eingang als auch für den Ausgang. Damit entsteht ein Klemmenpaar für den Eingang und ein Klemmenpaar für
den Ausgang.
Die Spannungen werden vom Eingangs-, bzw. Ausgangsknoten gegen den Bezugsknoten gezählt. Es interessieren nur die beiden Knotenströme (Eingang und Ausgang).
Die Figuren 37 und 38 zeigen die Schemata dieser Schaltungen.
1 I1
I2
2
y12
U1
y10
y20
U2
3
Abbildung 37: Π-Schaltung
1
I1
I2
Z1
Z2
U1
Z3
2
U2
3
Abbildung 38: T-Schaltung
Für diese Schaltungen können die Systemgleichungen auf jeweils zwei Variablen
reduziert werden. Man erhält sie unmittelbar, wenn man in den Knotengleichungen
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
68
der allgemeinen Form für Stern bzw. Dreieck die Spannung des dritten Knotens (3)
auf Null setzt (der Knoten 3 ist der Bezugsknoten mit Spannung 0).
Y11 U1 +Y12 U2 = I1
(145)
Y21 U1 +Y22 U2 = I2
Die Y-Matrix dieser Schaltungen ist im allgemeinen invertierbar und daher existiert eine Impedanzmatrix (Z-Matrix)
Z11 I1 + Z12 I2 = U1
(146)
Z21 I1 + Z22 I2 = U2
Dieses Gleichungssystem bildet gleichzeitig die Maschengleichungen für die TSchaltung. Die Koeffizienten der Y-Matrix und Z-Matrix werden aus den Zweiggrössen
wie folgt gebildet:
Π - Schaltung:
Y11 = y10 + y12 ,
Y12 = −y12
Y21 = −y12 ,
Y22 = y20 + y12
(147)
Z11 = (y20 + y12 )/∆, Z12 = y12 /∆
Z21 = y12 /∆,
Z22 = (y10 + y20 )
wobei ∆ = y10 y20 + y12 (y10 + y20 )
T-Schaltung:
Y11 = (Z2 + Z3 )/∆z, Y12 = −Z3 /∆z
Y21 = −Z3 /∆z,
(148)
Y22 = (Z1 + Z3 )/∆z
wobei ∆z = Z1 Z2 + Z1 Z3 + Z2 Z3
Π- und T-Schaltungen können damit als Zweiknotennetzwerke (mit den Knoten 1
und 2) für sich betrachtet oder als Ersatzschaltungen in andere Netze eingebaut werden. Eine häufig angewendete Anwendung ist die Reihenschaltung solcher Elemente,
die in der Kommunikationstechnik und in der Energieübertragung eine grosse Rolle
spielen (siehe Kapitel 12).
11.3.7
Behandlung der Quellen in der Stern- und Dreieckschaltung
Im allgemeinen können sich in den Zweigen der Schaltungen Strom- und Spannungsquellen befinden. Ihre Behandlung bei der Aufstellung der Systemgleichungen erfolgt
nach den Regeln der Analyseverfahren.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
69
Bezüglich der Vorgabe der Quellen ist zu erwähnen, dass wohl jeweils drei Quellen
im Stern oder Dreieck vorgegeben werden können, diese sich jedoch immer auf zwei
Quellen reduzieren lassen.
Demnach kann bei Vorhandensein von Quellen von Schaltungen ausgegangen werden, wie sie in Fig. 32 gezeigt werden.
Es sei nochmals festgehalten, dass der Strom im Sternpunkt mit Null angenommen
wird.
Dann gilt folgendes:
• es ist nicht sinnvoll, mehr als zwei Stromquellen an den drei äusseren Knoten
vorzusehen, da sich der dritte Strom aus der Stromsumme gleich Null ermitteln
lässt.
• Knotenströme an einer Sternschaltung vorzugeben, die sonst keinerlei äussere
Verbindung hat, ist nicht sinnvoll, da diese Ströme zugleich Zweigströme sind.
• in der Stern- wie in der Dreiecksschaltung genügt die Vorgabe von zwei Zeigspannungsquellen. Bei Vorgabe von drei Spannungsquellen ist immer eine
Rückführung auf zwei Spannungsquellen möglich.
Die letztgenannte Rückführung wird nun im folgenden behandelt.
Es wird von einer Sternschaltung ausgegangen, bei der in drei Zweigen je eine
Spannungsquelle vorhanden ist, siehe Fig. 39.
E2
+
E1
-
+
-
Z1
Z2
Z3
-
E3
+
Abbildung 39: Sternschaltung mit Spannungsquellen
Die Spannungsquellen dürfen beliebig vorgegeben werden, was in dieser Allgemeinheit dazu führt, dass bei eventueller Umwandlung in Stromquellen am Sternpunkt ein
Nettostrom ungleich Null entstehen würde. Die Konfiguration mit Stromquellen wird
jedoch bei dieser vorläufig nicht betrachtet.
Die Spannungsquellen können nun verschoben werden, solange die Summe der
eingeprägten Spannungen (Maschenspannungen) unverändert bleibt.
In Fig. 40 ist im Zweig 2 die Quelle E2 ein zweites Mal (fett eingetragen) mit
negativem Vorzeichen angebracht. Als Kompensation sind in den Zweigen 1 und 3
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
70
Quellen E2 (auch fett eingetragen) eingefügt worden. Die drei Maschenspannungen
bleiben damit unverändert. Der Hauptunterschied ist aber, dass im Zweig 2 nun aber
die eingeprägte Spannung gleich Null.
E2
E2
-
E2
++
E1
-
++
+
-
E2 − E1
-
Z1
Z2
Z1
Z3
Z2
Z3
=
-
E3
+
+
+
E2
-
E2 − E3
-
Abbildung 40: Gegen aussen identisch zu Fig. 39 wirkende Sternschaltung mit
verschobenen Spannungsquellen
Damit ist gezeigt, dass mit zwei eingeprägten Spannungen die Sternschaltung vollkommen allgemein spezifiziert werden kann.
Die Dreiecksschaltung wird nun in entsprechender Weise behandelt. Dabei wird
von der Schaltung in Fig. 41 ausgegangen.
Die Schaltung beinhaltet drei Spannungsquellen, die in Stromquellen umgewandelt
werden können. Die Ersatzschaltung ist in Fig. 42 angegeben.
Jetzt können die Quellenströme an den Knoten zu Knotenströmen zusammengefasst werden. Mit den Knotenströmen I1 und I2 lassen sich Stromquellen zwischen
den Knoten 1 und 3 sowie zwischen den Knoten 2 und 3 bilden, die wieder in Spannungsquellen umgewandelt werden können. Damit erhält man eine Dreiecksschaltung
mit zwei äquivalenten Spannungsquellen, siehe dazu Fig. 43.
E12
1
+
-
Y12
2
+
Y31
-
E31
E23
Y23
+
3
Abbildung 41: Dreiecksschaltung mit Spannungsquellen
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
I12 = −E12 Y12
Y31
I31 − I12
Y12
Y31
Y23
I31 = −Y31 E31
71
I12 − I23
Y12
Y23
I23 = −E23 Y23
I23 − I31
Abbildung 42: Ersatzschaltung mit Stromquellen für die Anordnung in Fig. 41
Damit ist auch für die Dreiecksschaltung gezeigt, dass mit zwei Spannungsquellen
in den Zweigen die Schaltung ganz allgemein spezifiziert werden kann.
Bei Bedarf kann jeweils auf drei Spannungsquellen umgerechnet werden. Dabei ist
es offensichtlich, dass die Umrechnung auf drei Quellen nicht eindeutig ist. Man hat
somit die Wahl der Spannungshöhe in einem der Zweige.
Y12
Y12
1
1
+
I1 = I12 − I31
2
2
Y23
Y31
-
1
E13 = − YI31
Y23
+
Y31
I2 = −I12 + I23
-
b)
a)
3
2
E23 = − YI23
3
Abbildung 43:
Dreiecksschaltung mit zwei Stromquellen (a) und den zwei
äquivalenten Spannungsquellen (b)
Quellen in der Dreieck- nach Sternumwandlung
Für die Umwandlung einer Dreieck- in eine Sternschaltung mit Quellen wird die
Fig. 41 herangezogen. Im Prinzip werden für die Umwandlung der Schaltung die Maschengleichungen benutzt, ähnlich wie bei der Ableitung der Sternimpedanzen (144).
Es wird die innere Masche 4 eliminiert. In diesem Fall muss die Maschenspannung
auf die verbleibenden Maschen verworfen werden. Dadurch entsteht wie schon vorher
gezeigt, eine Sternschaltung. Dieser Effekt kann nun ausgenutzt werden: In einem ersten Schritt wird von der Schaltung der Fig. 41 auf diejenige der Fig. 42 übergegangen.
Jetzt kann die innere Dreieckschaltung der Impedanzen auf eine äquivalente Sternschaltung gemäss (144) umgewandelt werden, siehe Fig. 44:
Da die Summe der drei Stromquellen gleich Null ist, kann man sich ein Ende jeder
Knotenstromquelle auch im 4. Sternpunkt vorstellen, siehe Fig. 45.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
72
I12
1
2
Z1
Z2
I31
I23
Z3
3
Abbildung 44: Schaltung mit Stern-Impedanzen und drei Stromquellen
Nun können diese drei Stromquellen noch in Spannungsquellen umgewandelt werden, siehe Fig. 46.
In der Fig. 46 sind die Ersatzspannungen E10 , E20 , E30 in den Zweigen eingetragen.
Diese drei Spannungen lassen sich jedoch wieder auf zwei Quellen zurückführen, wie
es auch in den Fig. 39 und 40 gezeigt wurde.
Diese analytische Ableitung zeigt nun auch, dass die Rückumwandlung der Sternspannungen in Dreiecksspannungen nicht eindeutig möglich ist.
1
2
Z1
Z2
I2 = I12 − I23
I1 = I31 − I12
I3 = I23 − I31
Z3
3
Abbildung 45:
Sternpunkt
Schaltung mit Stern-Impedanzen und drei Stromquellen gegen den
c
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Bacher ETHZ
E10 = I1 Z1
+
-
+
-
Z1
E20 = I2 Z2
Z2
Z3
-
+
E30 = I3 Z3
Abbildung 46: Sternschaltung mit drei Ersatzspannungsquellen
73
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
11.4
11.4.1
74
Gegenseitige Induktivitäten
Kopplung und Punktregel
Zwei Spulen, die ein magnetisches Feld umschliessen, d.h. dieses erregen, beeinflussen
sich elektrisch gegenseitig. Grundsätzlich sind elektrische Leiter im Raum magnetisch
gekoppelt. Von gekoppelten Wicklungen oder Spulen spricht man aber nur, wenn sie
sich räumlich nahe nebeneinander befinden. Aber auch Linienleiter, die über weite
Strecken parallel angeordnet sind, weisen eine magnetische Kopplung auf. Der klassische Vertreter einer gekoppelten Spulenanordnung ist jedoch der Transformator.
Zwei Schaltkreise, die eine magnetische Kopplung aufweisen, sind schematisch in
Fig. 47 und Fig. 48 gezeigt.
L1
M
L2
Abbildung 47: Kopplung zweier Stromkreise
M
L2
L1
Abbildung 48: Kopplung innerhalb eines Netzwerkes
In jedem Fall tritt neben der Selbstinduktivität L bzw. Li die Gegeninduktivität
M in Erscheinung. Sie gibt an, in welchem Mass der in der zweiten Wicklung fliessende
Strom auf die erste Wicklung zurückwirkt und zwar im Sinne einer Gegenspannung.
Die Wirkung ist reziprok, d.h. der Strom der ersten Wicklung wirkt ebenso auf die
zweite Wicklung.
Fig. 49 zeigt zwei Spulen, welche über einen gemeinsamen Eisenkern gekoppelt
sind. Dieser Kern führt den magnetischen Fluss Φ. Die Anordnung bewirkt ein
Kopplung. Um die korrekten Vorzeichen für die Spannungen der Gegeninduktivität
zu bestimmen, kann die “rechte-Hand-Regel” auf jede der zwei Spulen angewendet
werden: Wenn man die Finger in derjenigen Stromrichtung, welche in der Anordnung
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
75
eingezeichnet ist, krümmt, zeigt der Daumen in die Richung des magnetischen Flusses. Die daraus resultierenden positiven Richtungen Φ1 und Φ2 sind in der Fig. 49
eingezeichnet.
I1
φ1
φ2
L1
L2
⇒
U1
M
Abbildung 49: Kopplung zweier Stromkreise: Ströme, Flüsse, Induktivitäten
Schematisch wird diese Flussrichtung und die daraus resultierende Gegeninduktivität durch einen Punkt jeweils pro Spule dargestellt. Um diese zwei Punkte einem
Paar gekoppelter Spulen zuzuordnen, geht man wie folgt vor: Man wähle eine Stromrichtung für eine der Spulen und setzt einen Punkt an diejenige Klemmen, an welcher
diese Strom in die Wicklung hineinfliesst. Danach bestimmt man den entsprechenden magnetischen Fluss durch Anwenden der vorher erwähnten “rechte-Hand-Regel”.
Der Fluss der anderen Wicklung ist dann (nach der Lenzschen Regel) entgegengesetzt
zum ersten Fluss. Mit Hilfe der rechte-Hand-Regel findet man danach die Richtung des
natürlichen Stroms, die diesem zweiten Fluss entspricht. Nun setzt man einen Punkt
an diejenige Klemme der zweiten Wicklung, an welcher der natürliche Strom aus der
Wicklung herausfliesst. Diese Klemme ist gleichzeitig mit der Klemme der ersten
Wicklung, bei der der ursprüngliche Strom hineinfliesst, positiv (d.h. die Spannung
geht von der positiven Klemme zur anderen, der negativen). Wenn die momentane
Polarität der gekoppelten Spulen derart durch Punkte angezeigt ist, benötigt man
die graphische Darstellung des Kerns mit seinem Wicklungssinn nicht mehr und die
gekoppelten Spulen können z.B. so wie in Fig. 50 dargestellt werden.
Aus diesen Überlegungen resultiert die wichtige Punktregel:
1. Wenn die angenommenen Ströme zweier gekoppelter Spulen über die mit Punkt
gekennzeichneten Klemmen entweder beide verlassen oder über diese Klemmen
beide hineinfliessen, dann sind die Vorzeichen der M-Terme dieselben wie die
der L-Terme.
2. Wenn ein Strom über eine mit Punkt gekennzeichnete Klemme hineinfliesst und
der andere über eine mit Punkt gekennzeichnete Klemme herausfliesst, dann
sind die Vorzeichen der M-Terme entgegengesetzt zu denen der L-Terme.
Bei diesen Überlegungen wird immer das Verbraucherzählpfeilsystem angenommen,
d.h. die Spannungen U1 und U2 haben die gleiche Richtung wie die angenommenen
Ströme I1 und I2 .
c
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76
Wenn eine oder beide Spannungen sich nicht gemäss dem Verbraucherzählpfeilsystem verhalten, dann müssen die Vorzeichen anschliessend an die obige
Punktregel noch für die entsprechenden Terme verändert werden.
I1
M
U1
L1
L2
U2
I2
Abbildung 50: Beispiel zweier gekoppelter Stromkreisen
Gemäss der Punktregel gilt:
jωL1 I1 +jωM I2 = U1
(149)
jωL2 I2 +jωM I1 = U2
Eine weitere Modellanordnung zur Darstellung der gegenseitigen Beeinflussung
gibt die Fig. 51 wieder
I1
I2
M
R1
U1
R2
L1
L2
U2
Abbildung 51: Gekoppelte Wicklungen
Man beachte die Zählpfeile der Ströme und die beiden Punkte an den Spulensymbolen, die angeben, dass die Spulen gleichsinnig gewickelt sind.
Für diese Anordnung lassen sich zwei Maschengleichungen aufstellen
U1 = R1 I1 + jωL1 I1 + jωM I2
(150)
U2 = R2 I2 + jωL2 I2 + jωM I1
jωL, jωL2 und jωM sind als Reaktanzen aufzufassen. Damit unterscheiden sich
die beiden Maschengleichungen nicht von den bisher behandelten Maschengleichungen.
Die Reaktanz jωM ist den beiden Maschen gemeinsam und kann wie jede andere
diskrete Reaktanz behandelt werden.
c
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77
Diese Ueberlegung ist auch der Ausgangspunkt für die Behandlung von Gegeninduktivitäten mit den beschriebenen Analyseverfahren.
11.4.2
Ersatzschaltung von gekoppelten Wicklungen
Um gekoppelte Wicklungen systematisch behandeln zu können, bedarf es einer Anpassung oder zumindest einer geeigneten Interpretation der obigen Maschengleichungen.
Dabei muss das Ziel die Einbindung von gekoppelten Wicklungen in das Maschenund in das Knotenpotentialverfahren sein.
Maschenverfahren mit gekoppelten Wicklungen Für das Maschenverfahren
ist die Bildung einer Ersatzschaltung mit künstlichen, durch die Gegeninduktivitäten
hervorgerufenen Spannungsquellen ein geeigneter und systematischer Ansatz.
Aus den Figuren des vorangehenden Abschnitts ist ersichtlich, dass die Wirkung
der Gegeninduktivität wie zwei vom Strom der anderen Seite “abhängige Spannungsquellen” dargestellt werden kann, siehe Fig. 52.
Uq2 = jωM I1
I1
U1
L1
L2
U2
I2
Uq1 = jωM I2
Abbildung 52: Beispiel der Fig. 50 dargestellt mit abhängigen Spannungsquellen
In Fig. 52 sind die zwei Kreise “entkoppelt” dargestellt. Die Gegeninduktivität
M ist in den zwei neu eingeführten Spannungsquellen enthalten. Man beachte, dass
diese Spannungsquellen keine unabhängigen Spannungsquellen sind wie bisher angenommen.
In einem ersten Schritt kann nun aber die Vorgehensweisen des Maschenverfahrens
angewendet werden. Die abhängigen Spannungsquellen werden einfach wie “ideale
Spannungsquellen” mitberücksichtigt. Erst in einem zweiten Schritt, d.h. nach Aufstellen der Systemgleichung, werden die abhängigen Quellen eliminiert.
Für das Beispiel der Fig. 52 liegt der Spezialfall vor, dass zwei separate Stromkreise
vorliegen. Die zwei Maschengleichungen links und rechts sehen wie folgt aus:
jωL1 I1 = −Uq1 + U1
jωL2 I2 = −Uq2 + U2
(151)
c
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78
wobei Uq1 = jωM I2 und Uq2 = jωM I1 ist.
(151) stellt die zwei Maschengleichungen dar, wenn alle Spannungsquellen unabhängig wären.
Nun können die zwei abhängigen Spannungsquellenterme eingesetzt und auf die
linke Seite des Gleichheitszeichens genommen werden:
jωL1 I1 +jωM I2 = U1
(152)
jωL2 I2 +jωM I1 = U2
Jetzt muss noch auf matrizielle Schreibweise übergegangen werden:

 



 jωL1 jωM   I1   U1 

·
=

jωM jωL2
I2
U2
(153)
womit ein eindeutig definiertes, lineares Gleichungssystem zur Bestimmung der
zwei Ströme I1 und I2 entsteht.
Die eben angegebene Methode funktioniert auch bei beliebig komplexen, aus unabhängigen Spannungs- und Stromquellen, R, L, C und M-Elementen bestehenden
Schaltungen. Man sollte aber die folgenden Regeln beachten:
• Da bei der Maschenmethode die Sehnenströme zuerst bestimmt werden, sollten
alle Zweige mit abhängigen Spannungsquellen als Sehnen gewählt werden. Nur
in diesem Fall kann der zweite Schritt, d.h. das Einsetzen der abhängigen Spannungsquellen und das anschliessende “auf die linke Seite nehmen” schnell und
problemlos durchgeführt werden.
• Beim Einzeichnen der abhängigen Spannungsquellen muss vorsichtig mit dem
Vorzeichen der Spannungsquellen umgegangen werden. Die einfachste Regel ist
diejenige, dass man jeden Strom jeweils beim Punkt in die jeweilige Spule positiv
hineingehen lässt. Dann treten auf der anderen Seite jeweils positive, abhängige
Spannungsquellen in Richtung der auf dieser Seite angegebenen Stromrichtung
auf. Diese Aussage ist exemplarisch dargestellt, siehe Fig. 53.
Um die Vorgehensweise noch klarer zu machen, wird ein weiteres Beispiel vorgerechnet, siehe Fig. 54.
Wie angedeutet, werden in Fig. 54 beide Ströme I1 und I2 so eingezeichnet, dass
sie beim jeweiligen Punkt in die Spulen hineinfliessen.
Nun können die Kopplungen durch abhängige Spannungsquellen dargestellt werden, siehe Fig. 55.
Jetzt kann ein Baum so eingezeichnet werden, dass die Sehnen von 1 nach 2 und von
1 nach 3 gehen. Man beachte, dass diese beiden Sehnen, wie vorher erwähnt, abhängige
Spannungsquellen enthalten. Nun können mit der abgekürzten Maschenmethode die
Maschengleichungen so aufgestellt werden, als ob die Spannungsquellen unabhängig
wären:
c
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I1
79
I2
L1
L2
Uq1 = jωM I2
Uq2 = jωM I1
Abbildung 53:
Beispiel von gekoppelten Wicklungen dargestellt mit abhängigen
Spannungsquellen
1
I1
L1
R1
2
M
I2
R3
E
L2
R2
3
R4
Abbildung 54: Gekoppelte Wicklungen, zwei Stromkreise


 jωL1 + R1 + R3 + R4

R4





  I1   E − Uq1   E − jωM I2 
·
=
=

R4
jωL2 + R2 + R4
I2
E − Uq2
E − jωM I1
(154)
Jetzt können die entsprechenden Terme nach links genommen werden:

 
 jωL1 + R1 + R3 + R4 R4 + jωM

R4 + jωM



  I1   E 
·
=

E
I2
jωL2 + R2 + R4
(155)
Damit lassen sich nun die zwei Sehnenströme und anschliessend alle Zweigspannungen
und Ströme genau nach den Regeln des Maschenverfahrens einfach bestimmen.
Knotenpotentialverfahren mit gekoppelten Wicklungen Das Knotenpotentialverfahren kann genauso angewendet werden. Dazu müssen jedoch alle gekoppelten
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L1
I1
1
80
Uq1 = jωM I2
R1
2
I2
Uq2 = jωM I1
E
L2
R3
R2
3
R4
Abbildung 55: Abhängige Spannungsquellen, zwei Stromkreise
Wicklungen in andere, äquivalente Schaltungen nur mit passiven Elementen umgewandelt werden.
Das Prinzip dieser Umwandlung ist wieder mit der Fig. 51 dargestellt. Jetzt wird
aber eine andere Vorgehensweise gewählt, welche die Bildung einer Ersatzschaltung
ohne Kopplungen und ohne abhängige Spannungsquellen wählt.
Zu diesem Zweck werden die Maschengleichungen aus (150) umgeformt.
U1 = R1 I1 + jω(L1 − M )I1 + jωM (I1 + I2 )
(156)
U2 = R2 I2 + jω(L2 − M )I2 + jωM (I1 + I2 )
Diese Form lässt die Interpretation zu, dass in einer Ersatzschaltung das Element
M gemeinsam von den beiden Strömen durchflossen wird. Daneben gibt es Zweige,
die nur von einem oder vom anderen Strom durchflossen sind. Die Ersatzschaltung
ist dann offensichtlich, wie sie in Fig. 56 gezeigt ist
I1
I2
R1
L1 − M
L2 − M
R2
M
Abbildung 56: Ersatzschaltung gekoppelte Wicklungen
Die Ersatzschaltung weist ein galvanisch verbundenes Netzwerk auf (Stern- bzw.
T-Schaltung). Es tritt ein neuer Knoten in Erscheinung, der im Knotenpotentialver-
c
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81
fahren jedoch problemlos genutzt werden kann. Selbstverständlich kann jetzt auch
eine Stern-Dreieckumwandlung der Impedanzen mit (142) durchgeführt werden, wodurch der neue Knoten eliminiert wird. Jetzt wird auch offensichtlich, dass zwei
gekoppelten Wicklungen (siehe Fig. 51) auch durch eine (komplexe) 3x3 Y-Matrix
mit Nicht-Nullwerten an allen 9 Matrixorten dargestellt werden kann.
Nach Umwandlung von gekoppelten Wicklungen in derartige Ersatzschaltungen
kann das Knotenpotentialverfahren routinemässig angewendet werden.
12
Der Vierpol
12.1
Problemstellung
Das Konzept des sogenannten Vierpols wurde, ohne es explizit zu nennen, schon in
Kapitel 11 eingeführt um Stern- und Dreiecksschaltungen überzuführen, bzw. um die
gekoppelten Induktivitäten bzw. dazugehörige Ersatzschaltbilder herzuleiten.
Bevor auf den Vierpol eingegangen wird, soll hier erwähnt werden, dass das sogenannte Eintor (Zweipol) wiefolgt dargestellt wird:
I
+
Elektrische Schaltung
aus R, L und C-Elementen
U
-
I
Abbildung 57: Zweipol/Eintor - Darstellung
Bei Verwendung der Netzimpedanzen gilt beim Zweipol/Eintor:
U =Z·I
(157)
Diese Beziehung kann auch wiefolgt formuliert werden:
1
·U
(158)
Z
Dieses Zweipolelement wurde in den vorangehenden Abschnitten in vielfältigster
Form verwendet.
Im Gegensatz zum Zweipol ist das Vierpol-Element wiefolgt darstellbar:
I =Y ·U =
Elektrische Schaltung aus R, L und C-Elementen
+
I1
+
I2
U1
-
I1
U2
I2
Abbildung 58: Vierpol - Darstellung
c
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82
Im Vierpol wird normalerweise angenommen, dass der Strom, der am oberen Knoten eintritt, in genau gleicher Grösse am unteren Knoten wieder austritt. Dies gilt
sowohl für die linke wie auch die rechte Seite, siehe Fig. 58.
Damit ist offensichtlich, dass von den vier Parametern U1 , I1 , U2 und I2 nur zwei
unabhängig sind. Die verbleibenden zwei sind abhängig von den anderen Grössen
und zwar werden diese Abhängigkeiten durch die Schaltung der elektrischen Elemente
hergestellt. Somit kann ein Vierpol genau durch 2 Gleichungen, dargestellt
werden.
Insgesamt bestehen 6 Möglichkeiten, diese zwei Gleichungen zu formulieren:
U1 = Z11 I1 + Z12 I2
U2 = Z21 I1 + Z22 I2
I1
= Y11 U1 + Y12 U2
I2
= Y21 U1 + Y22 U2
U1 = A11 U2 − A12 I2
I1
= A21 U2 − A22 I2
(159)
U2 = B11 U1 − B12 I1
I2
= B21 U1 − B22 I1
U1 = H11 I1 + H12 U2
I2
= H21 I1 + H22 U2
I1
= G11 U1 + G12 I2
U2 = G21 U1 + G22 I2
Diese Koeffizienten werden als die Z, Y, A, B, H und G-Parameter bzw. Matrizen
bezeichnet. Diese 6 Gleichungspaare (159) können auch in jeweils einer Matrixform
geschrieben werden, wobei hier als Beispiel vier Formen dargestellt werden:



 
 U1   Z11

=
U2
Z21

Z12   I1 
·

Z22
I2
(160)
oder



 
 I1   Y11

=
I2
Y21

Y12   U1 
·

Y22
U2
(161)
Man beachte, dass die entsprechenden Matrizenelemente immer alle positiv genommen werden müssen. Also gilt z.B.:
c
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


 U1   A11

=
I1
oder

83


A12   U2



A21 A22


 U2   B11

=
I2
−I2


B12   U1



B21 B22
−I1
(162)
(163)
Die Z-Parameter werden oft als Impedanz-Parameter bezeichnet, während die
Y-Parameter meist als Admittanz-Parameter bezeichnet werden. Die A- und BParameter werden als Übertragungsparameter bezeichnet, die G- und H-Parameter
werden als hybride Parameter bezeichnet.
T- und Π-Vierpole Um die Bedeutung der Vierpole bzw. der Gleichungen zu
verstehen, werden am Beispiel des T-und des Π-Vierpol-Ersatzschemas die Parameter
bestimmt werden.
I1
I2
ZA
ZB
U1
ZC
U2
Abbildung 59: T-Vierpol - Darstellung
Die Z-Parameter des T-Vierpols (siehe Fig. 59) lassen sich einfach bestimmen:
U1 = ZA I1 + ZC (I1 + I2 ) = (ZA + ZC )I1 + ZC I2
(164)
U2 = ZC (I1 + I2 ) + ZB I2 = ZC I1 + (ZB + ZC )I2
Die entsprechend Z-Vierpolmatrix sieht nun wie folgt aus:


 ZA + ZC
Z=
ZC
ZC 

ZB + ZC
Für den Π-Vierpol gilt Fig. 60.
Beim Π-Vierpol lassen sich die Y-Parameter einfach bestimmen:
(165)
c
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ZC
I1
U1
84
I2
ZA
ZB
U2
Abbildung 60: Π-Vierpol - Darstellung
I1 = U1 /ZA + (U1 − U2 )/ZC
= (1/ZA + 1/ZC )U1 − (1/ZC )U2
(166)
I2 = (U2 − U1 )/ZC + U2 /ZB = −(1/ZC )U1 + (1/ZB + 1/ZC )U2
Die Y-Vierpolparameter-Matrix bestimmt sich somit wie folgt:

 1/ZA + 1/ZC
Y=
−1/ZC

−1/ZC


(167)
1/ZB + 1/ZC
Die entsprechenden anderen Vierpol-Darstellungen lassen sich ebenso berechnen.
Es sei hier vermerkt, dass die einzelnen Darstellungen, bzw. Parameter, sich untereinander durch sogenannte Parameter-Konversionsformeln umwandeln lassen.
Bedeutung der Vierpolparameter Die Vierpolparameter haben insofern eine
spezielle Bedeutung, als dass sie durch Kurzschluss- und Leerlaufversuche ermittelt
werden können.
Aus den Gleichungen bezogen auf die Y-Parameter ist ersichtlich, dass
Y11 =
Y12 =
I1 U1 U =0
2
I1 U2 U =0
1
Y21 =
Y22 =
I2 U1 U =0
2
I2 U2 U =0
1
(168)
Die vier Y-Parameter können also durch Kurzschlussversuche (d.h. U1 = 0
oder U2 = 0) an jeweils einer der beiden Seiten des Vierpols ermittelt werden.
Die vier Z-Parameter können durch Leerlaufversuche (d.h. I1 = 0 oder I2 = 0)
an jeweils einer der beiden Seiten des Vierpols ermittelt werden:
Z11 =
Z12 =
U1 I1 I =0
2
U1 I2 I =0
1
Z21 =
Z22 =
U2 I1 I =0
2
U2 I2 I =0
1
(169)
c
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85
Die vier A-Parameter werden durch zwei rechtsseitige Leerlaufversuche (I2 = 0)
und zwei rechtsseitige Kurzschlussversuche (U2 = 0) ermittelt:
A11 =
U1 U2 I =0
2
A12 = −
U1 I2 U =0
2
A21 =
I1 U2 I =0
2
A22 = −
I1 I2 U =0
2
(170)
Mit rechtsseitigen Kurz- und einem linksseitigen Leerlaufversuchen können auch
die H-Parameter bestimmt werden.
12.2
Matrizenberechnung von zwei verhängten Vierpolen
Die eben diskutierten matriziellen Vierpoldarstellungen eignen sich speziell bei der
Analyse von zwei miteinander verhängten Vierpolen. Die wichtigsten Kombinationen
von Vierpolen sind wiefolgt:
• Serieschaltung
• Kaskadenschaltung
• Parallelschaltung
• Spezielle Hybridschaltungen
Diese zusammengeschalteten zwei Vierpole zeichnen sich bei diesen Schaltungen
dadurch aus, dass wieder vier Pole, d.h. Anschlüsse gegen aussen existieren.
Diese Schaltungen werden im folgenden detaillierter betrachtet. Das Ziel der gesamthaften Betrachtung ist jeweils die Vierpoldarstellung der zwei verhängten Vierpole als ein (1) neues Vierpol-Element.
Serieschaltung Vierpole können in Serieschaltung (siehe Fig. 61) am besten durch
die Verwendung der Z-Matrix analysiert werden. Diese Situation ist in Fig. 61 dargestellt.
Offensichtlich gilt:
ZSerie = Z1 + Z2
(171)
wobei Z1 und Z2 die Z-Matrizen der zwei einzelnen Vierpole darstellen.
Kaskadenschaltung Vierpole können hintereinander in Kaskadenschaltung (siehe
Fig. 62) angeordnet sein.
Diese Schaltung kann am besten durch die Verwendung der A-Matrix analysiert
werden.
Es gilt:
AKaskade = A1 · A2
wobei A1 und A2 die A-Matrizen der zwei einzelnen Vierpole darstellen.
(172)
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I1
86
I2
Z1
U1
U2
Z2
I1
ZSerie
I2
Abbildung 61: Serie-verbundene Vierpole
I1
U1
I2
A1
A2
U2
I2
I1
AKaskade
Abbildung 62: In Kaskade geschaltete Vierpole
Parallelschaltung Vierpole werden häufig parallel geschaltet (siehe Fig. 63).
Diese Situation wird am besten durch die Verwendung der Y -Matrix analysiert
werden.
Es gilt:
YP arallel = Y1 + Y2
(173)
wobei Y1 und Y2 die Y -Matrizen der zwei einzelnen Vierpole darstellen.
H-Matrix - Hybridschaltung Die Fig. 64 zeigt eine spezielle Schaltung zweier
Vierpole, welche ideal mit Addition von zwei H-Matrizen durch einen Vierpol ersetzt
werden kann.
Für den neu entstehenden Vierpols gilt:
HHybrid = H1 + H2
(174)
wobei H1 und H2 die H-Matrizen der zwei einzelnen Vierpole darstellen.
Mischschaltungen Die anderen Matrizendarstellungen (B, G) können ebenfalls
durch spezielle Schaltungen von zwei Vierpolen direkt angewendet werden. Die Idee
ist immer, zwei Matrizen des gleichen Typs miteinander zu addieren oder zu multiplizieren um den Effekt der zwei zusammengeschalteten Vierpole zu erzielen.
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87
I2
I1
Y1
U1
I1
U2
Y2
I2
YP arallel
Abbildung 63: Parallel geschaltete Vierpole
I1
I2
H1
U1
U2
H2
I2
I1
HHybrid
Abbildung 64: Hybrid-Schaltung geeignet für H-Matrix-Betrachtung
13
13.1
Dreiphasensysteme
Aufbau
Dreiphasensysteme sind Verteil- und Übertragungssysteme für elektrische Energie, die
von drei symmetrischen Spannungen gespeist werden. Die drei Spannungen werden
meist in rotierenden Maschinen (Generatoren) erzeugt. Sie entstehen durch die Rotation eines Magnetfeldes und werden an drei Wicklungen abgenommen. Die Anordnung
der Wicklungen erfolgte so, dass die drei Spannungen eine zeitliche Sinusform aufweisen und jeweils um eine Drittelperiode phasenverschoben sind. Es handelt sich also
um drei Wechselspannungen, die in Europa 50 Hz (in USA 60 Hz) aufweisen. In einem
Zeigerdiagramm (komplexe Ebene) bilden die drei Spannungen einen Stern, siehe Fig.
65.
Für die vorliegenden Betrachtungen werden diese Spannungen als ideale Spannungsquellen vorausgesetzt.
Das Dreiphasensystem basiert darauf, dass die Ströme, die durch diese Spannungen
c
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88
+j
UT
120◦
UR
+
−120◦
US
Abbildung 65: Zeigerdiagramm von drei symmetrischen Wechselspannungen (Drehspannungen)
hervorgerufen werden, mit diesen eine konstante Leistung (zeitlich konstant) ergeben.
Das bedeutet für den Generator, der Spannungen und Ströme erzeugt, ein konstantes
Drehmoment.
Das Übertragungssystem (Hochspannung) besteht aus drei Leitern, auf der Verteilebene (Hausinstallation) aus vier Leitern. Auf der Verbraucherseite können die
Lasten im Dreieck oder im Stern geschaltet sein.
Eine typische Anordnung eines Dreiphasensystems ist schematisch in Fig. 66 gezeigt.
Erzeugung
Übertragung
UR
Verbraucher
ZL
ZL
UT
US
ZL
Abbildung 66: Schematische Anordnung eines Dreiphasensystems
In dieser Anordnung sind die Quellenspannungen im Stern geschaltet. Die
Übertragung besteht aus drei Leitern und die Last ist im Dreieck geschaltet.
Man nennt den Knoten, an dem in der Sternschaltung die drei Zweige zusammengeschlossen sind, den Sternpunkt. In den praktischen Anlagen kann dieser Sternpunkt
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
89
offen sein, d.h. es besteht keine Verbindung zu irgendwelchen Elementen, er kann mit
der Erde verbunden sein oder es kann eine Verbindung zu einem oder mehreren Sternpunkten anderer dreiphasiger Schaltungen bestehen.
Die letztgenannte Verbindung wird als Nulleiter bezeichnet. Dieser kann auch mit
der Erde verbunden sein, wie es in Niederspannungsnetzen der Fall ist.
Einphasige Lasten werden meist zwischen einer Phase und dem Nulleiter angeschlossen, motorische Lasten oder grössere Lasten im allgemeinen an die drei Phasen.
Das Dreiphasensystem stellt ein mehrmaschiges Netzwerk dar, das nach den Regeln, wie sie in den vorangegangenen Abschnitten dargelegt wurden, analysiert werden
kann. Sind die Phasen symmetrisch, d.h. sind die Spannungen im Betrag gleich gross
und 120◦ phasenverschoben, sind die Impedanzen der Übertragungsstrecke gleich gross
und sind die Impedanzen der Last (im Dreieck oder Stern) gleich gross, so ergibt sich
eine vereinfachte Analyse pro Phase, wie sie weiter unten noch erläutert wird.
13.2
13.2.1
Symmetrischer Betriebszustand
Dreiphasensystem und symmetrischer Betrieb
Das Ziel von Planung und Betrieb des Dreiphasennetzes ist der symmetrische Betrieb. Daher werden im folgenden die Besonderheiten dieses Betriebszustandes und
die darausfolgenden Vereinfachungen hervorgehoben.
13.2.2
Die Einheitszeiger des Dreiphasensystems
Um die Phasengrössen komplex vereinfacht darstellen zu können, bedient man sich
einer besonderen Symbolik. Die Phasenverschiebung um 120◦ wird durch einen Zeiger
a dargestellt.
1
◦
1√
a = − +j
3 = ej120
2
2
Damit können die folgenden Operationen ausgeführt werden
(175)
√
◦
a · a = a2 = − 12 − j 12 3 = e−j120
a · a · a = a3 = 1 = ej0
1
a
= a2 ,
1
a2
◦
(176)
=a
Es muss gelten
1 + a + a2 = 0
(177)
Die Spannungen eines Dreiphasensystems lassen sich damit einfach darstellen.
Man gibt einer der drei Spannungen eine Bezugsphasenlage
U R = UR ejφR
(178)
c
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90
wobei häufig φR = 0, d.h. man legt diese Spannung in die reelle Achse.
Die Phasenbezeichnung ist wie folgt
• 1. Phase: Phase R
• 2. Phase: Phase S
• 3. Phase: Phase T
Die Spannungen der Phasen S und T bilden sich wie folgt
U S = a2 U R = a2 · UR ejφR
(179)
U T = aU R = a · UR ejφR
13.2.3
Die Entstehung eines Dreiphasensystems
Man denke sich in einer ersten Aufbauphase ein Dreiphasensystem aus drei identischen
Maschen mit gleichen Impedanzen aufgebaut. Die drei Maschen sind in der Fig. 67
schematisch so gezeichnet, dass die Rückleitung gebündelt erscheint.
IR
jX
UR
UT
RL + jXL
“Bündel”
US
RL + jXL
RL + jXL
jX
IS
jX
IT
Abbildung 67: Drei Maschen mit identischen Impedanzen, gespeist von symmetrischen Drehspannungen
Die drei Maschen (Schaltkreise) sind getrennt, d.h. isoliert voneinander.
Die Ströme in den Maschen müssen sein
c
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IR =
UR
jX+jXL +RL
IS =
US
jX+jXL +RL
IT =
UT
jX+jXL +RL
91
(180)
Unter Ausnutzung der Symmetrieeigenschaften der Spannungen ergibt sich
IS =
US
jX+jXL +RL
= a2 I R
IT =
UT
jX+jXL +RL
= aI R
(181)
und damit
IR + IS + I T = 0
(182)
d.h. die drei Phasenströme ergänzen sich zu Null. Die drei Rückleitungen können
somit galvanisch miteinander verbunden und schliesslich entfernt werden. Sofern die
Sternpunkte bestehen bleiben (Sternverbindung auf der Quellen- und auf der Lastseite), ändert sich am Lastzustand nichts. Ein Dreiphasensystem kann somit ohne
Rückleiter im Sternpunkt betrieben werden, was bei Mittel- und Hochspannung den
Normalfall darstellt. Das dreiphasige Netz der Fig. 67 ist in Fig. 68 nochmals gezeichnet, diesmal ohne Rückleitung.
IR
jX
RL + jXL
UR
UT
RL + jXL
US
RL + jXL
jX
IS
jX
IT
Abbildung 68: Dreiphasensystem ohne Rückleitung (Nulleiter)
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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92
Es führt die gleichen Ströme und weist die gleichen Spannungen wie das Netz in
Fig. 67 auf. Die Spannung zwischen den Sternpunkten ist Null.
Ein typisches Zeigerdiagramm von Spannungen und Strömen ist in Fig. 69 gezeigt
UT
IT
UR
IR
IS
US
Abbildung 69:
stems
Zeigerdiagramm von Spannungen und Strömen eines Dreiphasensy-
Ein symmetrisches Dreiphasensystem kann somit auf einfache Weise durch Betrachtung einer Phase allein analysiert werden.
Ausgehend von der Phase R bekommt die Phasengrösse der Phasen S und T durch
Verdrehung mit a2 bzw. a.
13.2.4
Erscheinungsformen (Stern-Dreieck)
Die Quellenseite und Lastseite können offensichtlich jeweils in ein Dreieck umgewandelt werden.
Es wird vorerst die Lastseite betrachtet, wofür die Umrechnungen des Kapitels 11
angewendet werden können. Es handelt sich bei der Last in Fig. 68 um einen Stern
ohne Quellen. Die Sternimpedanzen sind einander gleich.
Die äquivalenten Dreiecksimpedanzen sind nach (142) dreimal so gross.
Z∆ = 3ZStern
oder
(183)
c
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93
ZRS = 3(RL + jXL)
(184)
ZST = 3(RL + jXL)
ZT R = 3(RL + jXL)
Die Umrechnung von Dreiecksimpedanzen auf Sternimpedanzen erfolgt entsprechend.
1
ZStern = Z∆
(185)
3
Für die Quellenseite bedarf es noch der Festlegung von Zählungsrichtungen der
Dreiecksspannungen. Dazu wird auf die Fig. 70 und Fig. 71 verwiesen.
R
UR
U RS
UTR
UT
T
S
US
U ST
Abbildung 70: Spannungen an der Quelle
Die Zählpfeile in den beiden Figuren machen klar, wie die Spannungen zwischen
Phasenleiter und Sternpunkt, sowie zwischen den Leitern gezählt werden.
Die Spannungen zwischen den Leitern, die auch als verkettete Spannungen bezeichnet werden, bilden sich einfach durch einen Maschenumlauf.


 U RS


 U ST


  UR − US
 
 
 =  US − UT
 
 
UTR

UT − UR





=








 
1 −1
0
−1

0   UR 
 
 


 

·

1 −1 
  US 
0
1
UT
(186)
c
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94
R
UTR
U RS
S
U ST
T
Abbildung 71: Spannungen zwischen Leitern
Die Umwandlung von Sternspannungen in Dreiecksspannungen lässt sich immer
durchführen und ist eindeutig, auch wenn die Sternspannungen unsymmetrisch sind.
Bei symmetrischen Sternspannungen (178) (179) ergibt sich
U R (1 − a2 )
U RS =
U ST = a2 · U R (1 − a2 )
UTR =
(187)
a · U R (1 − a2 )
Wird
U RS = U R (1 − a2 )
(188)
als Referenzzeiger aufgefasst, so wird offensichtlich, dass die verketteten Spannungen wieder ein symmetrisches Zeigersystem bilden. Nach der Kirchhoff’schen Maschenregel müssen sie sich auch zu Null ergänzen
U RS + U ST + U T R = 0
(189)
Diese Beziehungen gelten immer, d.h. auch für ein unsymmetrisches Dreiphasensystem.
Die Umwandlung von Dreiecksspannungen (sog. verketteten Spannungen) in
Sternspannungen bedarf nun zusätzlicher Festlegungen, da sie sonst nicht eindeutig
durchzuführen ist. Dass diese Umwandlung nicht eindeutig ist, zeigt die Matrix des
Gleichungssystems (186). Letztere ist singulär, was bedeutet, dass die Umkehrung
(Inversion) der Operation (186) nicht möglich ist.
Das kann leicht anhand der ersten Beziehung von (187) gezeigt werden
U RS = U R (1 − a2 )
(190)
oder
UR =
U RS
1 − a2
(191)
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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95
Der Nenner kann anders geschrieben werden.
1 − a2 = 1 +
√
√
1
1
1√
1√
3 = −j 3(− + j
3) = −j 3a
+j
2
2
2
2
(192)
eingesetzt
UR =
U
◦
U RS
U
√ = ja2 √RS = √RS e−j30
−ja 3
3
3
(193)
Bei Symmetrie bestimmen sich die übrigen Sternspannungen entsprechend, d.h.
√
man dividiere den Zeiger der verketteten Spannung durch 3 und verschiebe den
verkürzten Zeiger um -30◦ .
Die Fig. 72 gibt die Beziehungen zwischen verketteten Spannungen und Sternspannungen in einem Zeigerdiagramm wieder.
UTR
UT
UR
U ST
US
U RS
Abbildung 72: Zeigerdiagramm der verketteten Spannungen und Sternspannungen
einer symmetrischen Dreiphasenquelle
Sind die verketteten Spannungen unsymmetrisch, so sind äquivalente Sternspannungen nicht eindeutig bestimmbar.
Eine sternförmigen Last führt auf eindeutige verketteten Spannungen: Die auftretenden Sternspannungen sind exakt durch die Impedanzen des Sterns bestimmt.
Diese Tatsache wird in der Messtechnik durch einen sogenannten künstlichen
Sternpunkt ausgenutzt. Ein solcher ist gegeben durch die Anordnung drei gleicher
Widerstände im Stern (Sternwiderstand = R). Die Sternspannungen, die jeweils von
der Phase zum Sternpunkt auftreten, bestimmen sich aus den verketteten Spannungen
wie folgt
UR =
1
3 (2U RS
+ U ST )
US =
1
3 (2U ST
+ U T R)
UT =
1
3 (2U T R
+ U RS )
Die Beziehungen gelten selbstverständlich auch im symmetrischen Fall.
(194)
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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13.2.5
96
Leistungen im Dreiphasensystem
Im Dreiphasensystem werden grundsätzlich die Leistungen der drei Phasen addiert.
Bei sternförmigen Quellen oder Lasten gilt
P + jQ = U R I ∗R + U S I ∗S + U T I ∗ T
(195)
Bei dreiecksförmigen Quellen oder Lasten gilt
P + jQ = U RS I ∗ RS + U ST I ∗ ST + U T R I ∗ T R
(196)
Die übertragene Leistung kann in jedem Punkt der Übertragungsstrecke durch
Phasenströme und Sternspannungen ausgedrückt werden, wenn ein Nulleiter (Erde)
vorhanden ist. Es ist dafür die Beziehung (182) anzuwenden.
Ist kein Nulleiter vorhanden, wird die Tatsache ausgenutzt, dass die Phasenströme
sich zu Null ergänzen.
Man setze dazu IT = −IR − IS ein.
P + jQ = U R I ∗R + U S I ∗S − U T (I ∗R + I ∗S ) =
= (U R − U T )I ∗R + (U S − U T )I ∗S =
= U ST I ∗S + U RT I ∗R =
(197)
= U ST I ∗S − U T R I ∗R
Die Leistungen werden hier durch verkettete Spannungen und Phasenströme ausgedrückt (=Grundlage für die Aronschaltung in der Messtechnik).
13.3
Unsymmetrische Zustände im Dreiphasensystem
Unsymmetrische Zustände im Dreiphasensystem entstehen durch
• unsymmetrische Quellenspannungen
• unsymmetrische Lastimpedanzen
• ungleiche Leiterimpedanzen
• Kurzschlüsse zwischen den Phasen
• Kurzschlüsse zwischen Phase und Sternpunkt (Erdschluss)
Eine Netzanalyse des unsymmetrischen Drehstromsystems muss sich einer der angeführten Methoden bedienen (Stand dieser Vorlesung), wobei die Maschenmethode
am besten geeignet ist.
In der Energieübertragung wird eine Zerlegung des Systems verwendet, die besonders bei stark gekoppelten Systemen vorteilhaft ist und die erlaubt, Unsymmetriezustände einfacher zu berechnen. Es handelt sich dabei um die Methode der symmetrischen Komponenten (Eigenwertzerlegung), die in dieser Vorlesung nicht behandelt
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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97
wird. Bei Kurzschlüssen ist gegebenenfalls eine Umwandlung von Quellen oder Impedanzen angebracht, so dass damit das Netz vereinfacht wird.
Dazu wird als Beispiel ein Kurzschluss auf der Lastseite in einem dreiphasigen
Netz betrachtet, siehe Fig. 73.
jX
R
IR
Kurzschluss
UR
jX
S
R
R1 ⇒ 0
IS
R
UT
US
jX
T
IT
Abbildung 73: Netz mit Kurzschluss über dem Lastwiderstand der Phase R
Bei Kurzschluss wandert der Sternpunkt der Last an die Phase R. Zur einfacheren
Berechnung der Kurzschlussströme wende man das Maschenverfahren an, wobei in
der nachfolgenden Berechnung R1 mitgeführt wird und flexibel nach der allgemeinen
Rechnung auf Null (=satter Kurzschluss) gesetzt werden kann.
Dabei werden der obere (IR ) und der mittlere Zweig (IS ) als Sehnen angenommen.
Das lineare Gleichungssystem zur Bestimmung der Maschenströme lautet wie folgt:


 R1 + R + j2X




 UR − UT 
=

R + jX   IR 
R + jX 2R + j2X

IS
(198)
US − UT
Von diesen Sehnenströmen kann auf die anderen Grössen des Dreiphasensystems
zurückgerechnet werden.
Tritt ein Leitungsunterbruch auf, so entsteht häufig ein Netz, das nur von einer
Quelle gespeist wird. Dann müssen nur die Impedanzen auf eine einphasige Belastung
umgerechnet werden. Ein Leitungsunterbruch der Phase R in der Schaltung der Fig.
73 bedeutet, dass nur die Impedanz j2X + 2R an der Spannung US − UT hängt. Es
muss nur der Strom einer Masche berechnet werden.
13.4
13.4.1
Energieübertragungssysteme
Allgemeines
Was die Übertragung elektrischer Energie betrifft, so ist auf den ersten Blick kein
wesentlicher Unterschied zwischen Gleichstrom und Wechselstrom. Wenn jedoch das
gesamte System einbezogen wird, so ist das Wechselstromsystem, genauer das Drehstromsystem die bevorzugte Lösung.
Für das Drehstromsystem sprechen die folgenden Punkte
• die Umformung und Erzeugung grosser elektrischer Leistung in rotierenden Maschinen
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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98
• die Transformation auf beliebige Spannungen
• die Vermaschung der Netze
• die selektive Trennung von gestörten Komponenten
Bei näherer Betrachtung der Auslegung der Übertragungssysteme, d.h. unter
Berücksichtigung der Anforderungen der Isolationskoordination ist die Gleichstromleitung von Vorteil.
13.4.2
Gleichstromleitungen
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, existieren heute Gleichstromleitungen nur als
Punkt-Punkt-Verbindungen, und zwar auf den höchsten Spannungsebenen. Die Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) wird überall dort eingesetzt, wo grosse
Leistungen über weite Entfernungen übertragen werden müssen. Ein anderes Einsatzgebiet ist die asynchrone Kupplung von Drehstromnetzen (HGÜ-Kurzkupplung).
Gleichstromleitungen werden mit zwei Leitern mit positiver und negativer Spannung
gegen Erde gebaut und betrieben. Typische Betriebsdaten sind
• ± 400 kV mit 1000 A Betriebsstrom
• ± 500 kV mit 1000 A Betriebsstrom
• (600 kV mit 1200 A Betriebsstrom technisch möglich)
Von der Struktur her handelt es sich um ein Zweiphasensystem (zwei Maschen),
bei dem die Leiter durch den ohmschen Widerstand dargestellt werden und die Umformerstationen durch Ersatzspannungen. Überwiegt die Spannung auf der einen Seite
gegenüber der anderen, so wird Leistung von dieser Seite zur anderen übertragen. Ein
entsprechendes Schema zeigt die Fig. 74.
Leitung
Uq1
UL1
Uq2
UL2
Abbildung 74: Schema eines HGÜ-Systems
Die Analyse der HGÜ, soweit es sich um die Leitung handelt, ist einfach. Ein
bedeutender Vorteil der HGÜ liegt darin, dass bei Ausfall eines Leiters ein Betrieb
mit dem zweiten Leiter und der Erdrückleitung möglich ist.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
13.4.3
99
Drehstromnetze
Drehstromnetze auf verschiedenen Spannungsebenen dienen der Übertragung und
Verteilung elektrischer Energie. Der Vermaschungsgrad ist unterschiedlich. Auf der
Übertragungsebene (hohe Spannungen) ist das Netz vermascht, womit auch bei Ausfall von Leitungen eine hohe Versorgungssicherheit erreicht wird. Auf der Verteilebene
findet man vorallem aus Kostengründen (offene) Ring- oder Strahlennetze mit nur geringer Vermaschung.
Vom Standpunkt der Netzanalysemethoden ist das vermaschte Netz, wie es heute
auf der Übertragungsebene besteht, von besonderem Interesse. Dabei ist jeweils
• der symmetrische Betrieb und der
• unsymmetrische Störzustand
zu unterscheiden.
Im symmetrischen Betrieb kann von der einphasigen Darstellung des Netzes Gebrauch gemacht werden, siehe Abschnitt 13.2.3. Die Komplexität des Netzes ist durch
die Vielzahl der Knoten (Schaltstationen und Generatoreinspeisungen) und die dazwischenliegenden Verbindungen gegeben.
Eine typische Netzanalyse behandelt Netzgebilde mit 500 - 1000 Knoten und 800
- 1500 Leitungen. Die Leitungen werden durch π-Ersatzschaltungen dargestellt, die
Lasten an den Knoten durch konstante Leistungen (P,Q) und die Generatorknoten
durch Leistungen P und die Generatorspannung U. Die bevorzugte Analysemethode
ist die Knotenpunktsmethode, bei der die Knotenspannungen die gesuchten Grössen
sind. Die Problemstellung ist grundsätzlich eine nichtlineare (P + jQ = U I ∗ sind
Produkte von Strom und Spannung). Auf dem Lösungsweg verwendet man jedoch
die Konzepte der linearen Analyse. Die Knotenpunktsadmittanzmatrix spielt eine
zentrale Rolle.
Wegen der relativ geringen Anzahl der Leitungen zwischen den Knoten (im Durchschnitt drei Anschlüsse pro Knoten) ist die Knotenpunktsadmittanzmatrix äusserst
schwach besetzt. Ein Muster der Besetzung der Y-Matrix ist in (199) angegeben.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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100






































1
2
3
1 X X
4
5
6
7
8
9
X
2 X X X X X X
3
X X
X
4 X X
X X
5
X
X X X
X X
6
X X
X X
X
7
X
X
X X
8
X
9
X X
10
X
X X X
X X
10 





















X 













(199)
X
Es handelt sich dabei um eine Matrix für ein 10-Knotennetz mit 16 Verbindungen.
Die Hauptdiagonale ist selbstverständlich immer besetzt. Die Besetzung ist symmetrisch.
Für die Behandlung solcher Systeme wurden leistungsfähige Algorithmen entwickelt, die die Knoten so ordnen, dass ein Minimum an Rechenoperationen bei der
Lösung des Gleichungssystems resultiert. Man ist heute so weit, dass die Rechenzeit praktisch linear mit der Anzahl der Knoten ansteigt, was von der Kenntnis des
Aufwandes für die Matrizeninversion (∼ n3 ) nicht selbstverständlich ist.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
14
14.1
101
Uebergangsverhalten von linearen, zeitinvarianten
Systemen
Betrachtete Systeme
Innerhalb der Kategorien von linearen, zeitinvarianten Systemen befindet sich eine
Vielzahl von elektrischen und elektronischen Komponenten und Subsystemen. Ein
guter Teil der erfolgreichen Anwendung der Elektrotechnik überhaupt basiert auf der
analytischen Behandlung solcher Systeme. Hier soll eine Einführung in Ausgleichsvorgänge in Systemen, die mit passiven Elementen aufgebaut sind, gegeben werden.
Es werden dabei der Widerstand, die Spule und der Kondensator betrachtet (R, L,
C). Die Spule und der Kondensator speichern Energie, daher spricht man auch von
Systemen mit einer bestimmten Anzahl Speichern.
Es werden vorerst Schaltungen mit einem Speicher behandelt werden. Danach folgt
eine Erweiterung auf zwei Speicher. Mehrere Speicher werden nicht mehr eingehend
untersucht. Ihre Analyse lässt sich jedoch einfach aufgrund der einfacheren Systeme
ableiten.
14.1.1
Schaltungen mit einem Speicher
Als Speicherelemente werden nur die Spule und der Kondensator betrachtet, die sodann mit Widerständen zu Schaltkreisen zusammengefügt werden. Lässt man nur
einen Widerstand zu, so ist die Anzahl Schaltkombination gering, siehe Fig. 75 und
Fig. 76.
R
C
R
L
Abbildung 75: Serienschaltung RL und RC
In diesen Figuren sind Serien- und Parallelschaltung gegenübergestellt und zwar
nicht nur wegen der unterschiedlichen Schaltung, sondern auch wegen der Dualität
der entsprechenden Schaltung.
Die jeweils gegenübergestellten Schaltungen haben unterschiedliche Energiespeicher, sie gehorchen jedoch den gleichen Systemgleichungen, wenn Strom mit Span-
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
R
R
102
L
C
Abbildung 76: Parallelschaltung RL und RC
nung, Widerstand mit Leitwert, usw. vertauscht wird.
Die obigen Schaltungen können noch mit zusätzlichen Widerständen ergänzt werden. Man hat damit wohl technisch ein anderes System vor sich, im grundsätzlichen
Verhalten tritt aber keine Veränderung ein. Beispiele solcher Schaltungen sind in der
Fig. 77 und Fig. 78 angeführt.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
103
R1
R2
C
R2
L
R1
Abbildung 77: Erweiterung mit parallelen Widerständen
R2
R1
L
R2
R1
C
Abbildung 78: Erweiterung mit Reihenwiderständen
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
104
Die hier angeführten Speicherelemente sind ideal gedacht. Ein realer Kondensator
muss somit durch eine ideale Kapazität und einen parallelen Widerstand dargestellt
werden. Die reale Spule hat einen Serienwiderstand.
14.1.2
Schaltungen mit zwei Speichern
Es interessieren Anordnungen mit zwei unabhängigen Speichern, die mit zwei Spulen,
zwei Kondensatoren oder mit einer Spule und einem Kondensator gebildet werden
können. Die Unabhängigkeit der Speicher ist dann gegeben, wenn sich die Spulen oder
Kondensator durch Umformung der Schaltung nicht parallel oder in Reihe erhalten
lassen. Spule und Kondensator in einer Schaltung stellen zwei unabhängige Speicher
dar. Beispiele solcher Schaltungen finden sich in den Figuren 79, 80 und 81.
R1
L1
R2
L2
R2
R1
L2
L1
Abbildung 79: Schaltungen mit zwei Speichern bestehend aus Spulen
R1
C1
R2
R1
C2
R2
C1
C2
Abbildung 80: Schaltungen mit zwei Speichern bestehend aus Kondensatoren
Diese Schaltungen könnten nun mit weiteren Widerständen ergänzt werden. Die
Anzahl unabhängiger Speicher wird dadurch nicht verändert.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
105
L
R
C
R
C
L
Abbildung 81: Schaltungen mit zwei Speichern bestehend aus Spule und Kondensator
14.2
Quellen, Anregung
Man spricht vom Uebergangsverhalten der soeben beschriebenen Systeme, wenn eine
Spannungs- oder Stromquelle zugeschaltet wird, wobei die Systeme vor dem Einschaltzeitpunkt spannungs- und stromlos sind oder mit Anfangsbedingungen versehen sein
können. Der Einschaltzeitpunkt wird mit t = 0 festgelegt.
Die Quellen können auch so dargestellt werden, dass ihre Amplituden für t < 0
auf Null gesetzt werden. Die Betrachtung der Vorgänge umfasst grundsätzlich den
Zeitraum t > 0.
Die Form der Spannung oder des Stromes kann grundsätzlich beliebig sein. Für
das später eingeführte Vorgehen werden Rechtecksformen, angeschnittene Sinuswellen,
Rampen und Exponentialfunktionen vorausgesetzt.
Beispiele von Spannungsformen sind in der Fig. 82 wiedergegeben.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
0
106
t
0
t
0
t
0
t
Abbildung 82: Formen der Spannungs- oder Stromquellen
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
14.3
107
Verhalten der passiven Komponenten
Das Verhalten der drei Arten von Komponenten (R, L, C) wird entsprechend den
physikalischen Gegebenheiten durch finite Gleichungen bzw. Differentialgleichungen
beschrieben.
Widerstand (Leitwert):
u(t) = i(t)R i(t) = Gu(t)
(200)
Spule (Induktivität)
u(t) = Ldi(t)/dt i(t) =
1
L
Z
u(t)dt
(201)
Kondensator (Kapazität)
Z
1
i(t)dt i(t) = Cdu(t)/dt
(202)
C
Gegebenenfalls muss beim Kondensator eine Anfangsladung (Anfangsspannung)
und bei der Spule ein Anfangsstrom berücksichtigt werden.
u(t) =
14.4
Zweck und Ausrichtung der Analyse
Gleichstrom - und Wechselstromanalyse betrachten jeweils nur stationäre Zustände
in Netzwerken bzw. in Systemen im allgemeinen. Mit der Analyse der Ausgleichsvorgänge beherrscht der Elektroingenieur das Geschehen in einem Netzwerk oder in
einem System in jedem Zeitpunkt. Das Interesse ist hier vielfältig. Es reicht vom Anstieg einer Netzgrösse, bis diese den Stationärzustand erreicht hat, bis zur Stabilität
eines Systems. Eine Kernfrage dabei ist die Dämpfung, d.h. das Mass des Abklingens
des Ausgleichsvorganges, das auch gleichzeitig ein Kennzeichen der Stabilität ist. Im
Extremfall kann es zum unbegrenzten Ansteigen einer Systemgrösse kommen, was ein
instabiles Verhalten darstellt.
In der Signalverarbeitung ist der Ausgleichsvorgang der normale Vorgang, indem
sich Sprach- und Bildsignale, Impulse, usw. fortwährend ändern. Der Ausgleichsvorgang kennzeichnet die Qualität des Signals. In der Energieübertragung ist der
Ausgleichsvorgang bestimmend für die Isolation eines Übertragungssystems. Atmoshpärische Störungen und Schatltvorgänge verursachen Ausgleichsvorgänge, die der
planende Ingenieur sehr genau kennen muss, da sie kostenbestimmend sind. Ausgleichsvorgänge sind somit ein wesentlicher Teil der Elektrotechnik und im weiteren
der Systemtechnik.
15
15.1
Lösung der Differentialgleichungen
e-Potenzenansatz
Der klassische Lösungsweg in der Berechnung von Ausgleichsvorgängen in linearen,
zeitinvarianten Systemen besteht in einem Ansatz mit e-Potenzen. Er ist dadurch
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
108
berechtigt, dass Lösungen dieser Systeme immer aus Summen von Exponentialfunktionen mit reellen oder komplexen Parametern bestehen.
Das Vorgehen besteht darin, dass die gesuchte Grösse als Exponentialfunktion
angenommen wird, z.B.
i(t) = Ae−αt
(203)
in der Differentialgleichung eingesetzt wird und dass die Amplitude A und die
Parameter α aus Randbedingungen oder aus der Differentialgleichung selbst bestimmt
werden.
Als Beispiel wird der Ladestrom eines RC-Kreises beim Einschalten auf eine Gleichspannung berechnet.
Das Schema des Schaltkreises ist in Fig. 83 gegeben. Die Gleichspannung wird
zum
t=0
R
E
C
Abbildung 83: RC-Schaltkreis
Zeitpunkt t = 0 durch Schliessen des Schalters aufgeschaltet. Für t > 0 gilt die
folgende Spannungsbeziehung
E = Ri(t) +
1
C
Z
i(t)dt;
dE
di(t) i(t)
=R
+
dt
dt
C
(204)
Es wird der Ansatz gemacht
i(t) = Ae−αt
(205)
der unmittelbar in obige Gleichung eingesetzt werden könnte. Dieser Weg verlangt Zusatzkenntnisse und ist nicht zu empfehlen. Es wird daher die differenzierte
Gleichung in (204) genommen und dann erst eingesetzt.
0 = R di(t)
dt +
1
C i(t)
0 = −Rα +
1
C
−αt
Ae
(206)
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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109
Da nicht davon auszugehen ist, dass die Stromamplitude Null ist, muss der Klammerausdruck Null sein.
0 = −αR +
1
C
(207)
oder
1
RC
RC hat die Dimension Zeit und wird als Zeitkonstante
α=
(208)
T = RC
(209)
bezeichnet. Der Begriff Zeitkonstante ist berechtigt, das R und C feste Parameter des
Systems sind.
Nun muss noch die Amplitude A bestimmt werden, was anhand einer Anfangsbedingung geschehen kann.
Für den Kondensator wurde keine Anfangsladung vorausgesetzt, daher muss seine
Spannung für t = 0 gleich Null sein. Die gesamte aufgedrückte Spannung muss deshalb
über dem Widerstand abfallen.
E = RAe−αt |t=0 = RA
A =
(210)
E
R
Damit ist der Stromverlauf bestimmt.
Der Strom springt im Einschaltzeitpunkt auf den Wert E/R und klingt dann mit
der Zeitkonstante T = RC auf Null ab. Die Spannung über dem Widerstand hat ein
proportionales Verhalten
uR (t) = Ee− RC
t
(211)
und entsprechend der Spannungssumme muss die Kondensatorspannung gleich
uC (t) = E 1 − e− RC
t
(212)
sein, was sich durch Einsetzen des Stromes und durch Auswerten des Integrals
leicht überprüfen lässt.
In der Fig. 84 sind Strom und Spannungen als Funktion der Zeit gezeigt.
Zusammenfassung der Vorgehensweise:
1. Aufstellen der Differentialgleichungen
2. Ansatz für die Lösung (Exponentialfunktion)
3. Umformung und Einsetzen der Exponentialfunktion11
11
im allgemeinen ist noch die stationäre Lösung hinzufügen
c
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110
UC (t)
i(t)
T = RC
t
: Tangenten an die nichtlinearen Kurven
Abbildung 84: Zeitlicher Verlauf von Strom und Spannungen des Einschaltvorganges
4. Bestimmung von α (im allgemeinen n Lösungen, wenn n gleich der Anzahl unabhängiger Speicher)
5. Bestimmung der Amplitude mit Hilfe der Anfangsbedingungen
Dieses Vorgehen bedarf eines gewissen Geschicks und einiger Vorkenntnisse, um
alle Schaltungsvarianten zu beherrschen. Bei einer allgemeinen Anregung (z.B. periodisch) kompliziert sich die Vorgehensweise durch den Einbezug der stationären
Lösung.
Dieser Lösungsweg wird daher nicht allgemein empfohlen und entspricht auch nicht
dem heutigen Stand der Netzwerkanalyse.
15.2
Einführung: Lösung mit Operatoren
Das einfache Beispiel (RC-Schaltung) zeigt, dass wegen der Linearität und Zeitinvarianz alle Spannungen von gesuchten Strom entweder durch Multiplikation mit einem
Faktor oder durch Linearkombination entsprechender Teilspannungen abgeleitet werden können. Es kann auch so ausgedrückt werden, dass jedes Schaltelement (R, L, C)
auf den Strom eine Operation (d/dt, Integral, Faktor) ausübt.
Von der Wechselstromanalyse ist ein solcher Mechanismus schon bekannt. Wenn
die Gleichspannung im obigen Beispiel (Fig. 83) durch eine Wechselspannung ersetzt
wird, erhält man
E(jω) = RI(jω) +
1
I(jω)
jωC
(213)
E(jω) und I(jω) sind komplexe Grössen. Der resultierende Strom wird mit den
1
Operatoren R und jωC
multipliziert, die jeweils für eine bestimmte Netzkomponente
stehen.
c
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111
Es stellt sich also die Frage, ob bei nichtsinusförmiger Anregung und speziell für
eine Form, die für t > 0 endliche Wert annimmt, eine Operatorendarstellung möglich
ist.
Die Antwort ist positiv und zwar liegt der Weg zu einer solchen Vorgehensweise in
einer Transformation der Zeitfunktionen.
Die geeignete Transformation ist die Laplace-Transformation. Man spricht heute
nicht mehr von Operatorenrechnung (historisch), sondern von einer Transformation
in einen Unterbereich.
16
Laplace-Transformation
16.1
Einführung
Im Kapitel 10 wurde gezeigt, wie bei Annahmen von sinusförmigen Quellen und R-, Lund C-Elementen anstelle der Rechnung im Zeitbereich die Rechnung mit komplexen
Zahlen so durchgeführt werden kann, dass nach Rücktransformation in den Zeitbereich identische Resultate entstehen. Die Rechnung mit komplexen Grössen hat den
grossen Vorteil gegenüber der Rechnung im Zeitbereich, dass keine expliziten Integrale
oder Ableitungen (Differentiale) von Strömen oder Spannungen durchgeführt werden
müssen und so AC-Netzwerke bis auf die Verwendung komplexer Grössen (j 2 = −1)
mit genau dieselben Methoden (Maschen- und Knotenpotentialmethoden) gelöst werden können wie DC-Netwerke nur mit Widerständen (R).
Die Laplace-Transformation, benannt nach dem Französischen Mathematiker Pierre Simon, Marquis de Laplace (1749-1827), erlaubt eine systematische Transformation
von gewissen zeitabhängigen Signaltypen mit mehr Parametern oder Freiheitsgraden
als die puren Sinussignale cos(ωt + φ).
16.2
Definitionen und Interpretationen
Die Laplace-Transformation ist eine Integraloperation, die über den Zeitbereich t > 0
ausgeführt wird, wobei die Zeitfunktion mit einer Gewichtsfunktion e−st multipliziert
wird. Die Laplace- Transformierte F (s) von f (t) ist definiert als
Z
F (s) =
∞
0
f (t)e−st dt
(214)
Da über den gesamten Zeitbereich integriert12 wird, muss die Zeit als Variable
verschwinden. Das Ergebnis ist offensichtlich eine Korrelation zwischen der Zeitfunktion f (t) und der Gewichtsfunktion e−st . Da der Parameter s vorläufig noch nicht
bestimmt ist, erhält man in F (s) eine von s abhängige Funktion.
12
Generell gilt:
Z
Z
b
f (x)dx = F (b) − F (a)
f (x)dx = F (x) ;
a
c
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112
Die inverse Transformation, d.h. F (s) zurück in den Zeitbereich f (t) kann auch
durch ein Integral dargestellt werden.
Es ist jedoch empfehlenswert und einfacher, wie nachfolgend gezeigt wird, die
Rücktransformation durch eine Partialbruchzerlegung von Ausdrücken F (s) und eine
anschliessende Rücktransformation aufgrund schon bekannter Ausdrücke F (s) in den
Zeitbereich f (t) zu erreichen.
Mathematiker haben gezeigt, dass unter gewissen Bedingungen keine zwei Funktionen die gleiche Laplace-transformierte Funktion und umgekehrt aufweisen. Diese Eigenschaft deutet an, dass die Laplace-Transformation und deren Rücktransformation
(die sog. inverse Laplace-Transformation) eineindeutig sind.
Wenn jetzt für die Zeitfunktion f (t) Exponentialfunktionen (z.B. e−αt oder deren
Summen) vorausgesetzt werden, so ergibt das Produkt derselben mit einer Gewichtsfunktion A wieder eine Exponentialfunktion, deren Verlauf durch s und durch die
jeweiligen α’s (Parameter) bestimmt sind.
Z
0
∞
Af (t)e−st dt = A
Z
0
∞
f (t)e−st dt = AF (s)
(215)
s und α charakterisieren somit den zeitlichen Verlauf der Funktion im LaplaceBereich. Die Zeit selbst verschwindet. Wegen der Linearität der Verhältnisse transformiert sich die Amplitude vom Zeitbereich unverändert in den transformierten Bereich.
(216) enthält einige wichtige Integrale, welche oft im Zusammenhang mit der
Laplace-Transformation verwendet werden:
c
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R
f (t)
113
f (t)dt
−αt
e−αt
−e α
sin(ωt + φ)
−
cos(ωt + φ)
sin(ωt+φ)
ω
sin2 (at)
t
2
−
sin(2at)
4a
cos2 (at)
t
2
+
sin(2at)
4a
t sin(at)
sin(at)−at cos(at)
a2
t cos(at)
cos(at)+at sin(at)
a2
t2 sin(at)
−a2 t2 cos(at)+2 cos(at)+2 at sin(at)
a3
t2 cos(at)
a2 t2 sin(at)−2 sin(at)+2 at cos(at)
a3
eat sin(bt)
eat
a2 +b2
(a sin(bt) − b cos(bt))
eat cos(bt)
eat
a2 +b2
(a cos(bt) + b sin(bt))
teat
eat
a2
t2 eat
eat
a3
cos(ωt+φ)
ω
(216)
(at − 1)
a2 t2 − 2at + 2
Zur Illustration der Laplace-Transformation wird eine zeitabhängige Exponentialfunktion betrachtet.
f (t)
= 2e−3t (0 < t < ∞)
F (s) =
∞
R
0
2e−3t e−st dt = 2
−3t e
= lim −2 e
t→∞
−st
3+s
R∞
0
e−(3+s)t dt = −2
2
− − 3+s
∞
e−3t e−st 3+s 0
(217)
Die Auswertung des Integrals liefert somit
F (s) =
2
3+s
(218)
Mit dem Zähler ist die Amplitude festgelegt, mit der Form des Nenners die Form
der Funktion und mit dem Parameter 3 die Zeitkonstante (T = 13 ).
1
Aus dem Argument der Gewichtsfunktion ist ersichtlich, dass s die Dimension sec
haben muss, d.h. es handelt sich um eine Frequenz (verallgemeinert). Da das Argument einer Exponentialfunktion auch komplex sein kann, muss davon ausgegangen
werden, dass s Real- und Imaginärteil haben kann.
s = σ + jω
(219)
Damit stellt eine nach Laplace transformierte Funktion eine über der komplexen
Ebene sich verändernde komplexe Funktion dar.
c
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Die Laplace-Transformation führt somit eine Funktion über der reellen Zeitachse (Halbachse), die als Oberbereich definiert ist, in eine komplexe Funktion in der
komplexen Ebene über, die als Unterbereich definiert ist.
F (s) kann somit auch als Funktion einer komplexen Frequenz angesehen werden.
Oberbereich
Unterbereich
0<t<∞
s = σ + jω
t: reell
s: komplex
f(t): reelle Funktion in t
F(s): komplexe Funktion in s
Bezüglich der Existenz der Transformation muss festgehalten werden, dass eine
entsprechende Funktion F (s) im Unterbereich nur definiert ist, wenn |f (t)|e−σt endlich
ist. Bezüglich des Gültigkeitsbereiches von F (s) über der komplexen Ebene muss
daher die Einschränkung gemacht werden, dass σ > 0 sein muss.
Mathematisch heisst das, dass eine Transformation existiert, wenn das Integral
Z∞
|f (t)|e−σt dt
(220)
0
existiert.
Für das Verständnis der Laplace-Transformation sei festgehalten, dass eine Zeitfunktion f (t) im Oberbereich durch die Art der Funktion in s F (s) charakterisiert
wird. Die Parameter der Zeitfunktion sind durch Argumente gegeben, die in der
Funktion F (s) wieder auftreten. Amplituden gehen 1 : 1 vom Oberbereich in den
Unterbereich über.
16.3
Transformationsregeln
Für die Einführung der Laplace-Transformation in elektrischen Netzwerken mit konzentrierten Elementen (linear, zeitinvariant) genügt es, die Transformation der folgenden Funktionen zu kennen.
c
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Typ der Funktion
Zeitbereich(t > 0)
Einheitsstoss
f (t) = 1
1
s
Rampenfunktion
f (t) = at
a
s2
Sinusfunktion
f (t) = sin(ωt + φ)
s sin(φ)+ω cos(φ)
s2 +ω 2
Cosinusfunktion
f (t) = cos(ωt + φ)
s cos(φ)−ω sin(φ)
s2 +ω 2
Exponentialfunktion
f (t) = e−αt
Abklingende Cosinusfunktion
f (t) = e−αt cos(ωt + φ)
(s+α) cos(φ)−ω sin(φ)
(s+α)2 +ω 2
Abklingende Sinusfunktion
f (t) = e−αt sin(ωt + φ)
(s+α) sin(φ)+ω cos(φ)
(s+α)2 +ω 2
Laplace-Unterbereich
1
s+α
(221)
Für alle Funktionen gilt 0 < t < ∞. Die Parameter a, ω, φ, α sind Konstante.
Die Transformationen lassen sich durch elementare Integrale bestimmen, wenn
einige Hilfssätze der Integralrechnung und Darstellungen der trigonometrischen Funktionen durch Exponentialfunktionen herangezogen werden.
sin(x) =
ejx −e−jx
j2
cos(x) =
ejx +e−jx
2
Entsprechende Paarungen finden sich in der Tabelle (234). Damit ist es möglich,
eine Reihe von Zeitfunktionen, die Quellenspannungen oder -ströme charakterisieren,
als Laplace- Transformierte darzustellen.
Entsprechend den oben erwähnten Operatoren müssen nun die Multiplikation mit
einer Konstanten, die Differentiation und die Integration behandelt werden.
Auf die Analyse einer Übergangsfunktion in einer Schaltung bezogen, ist es nun
wesentlich zu erkennen, wie die unbekannte Funktion aus dem Oberbereich in den
Unterbereich übergeführt wird und auch zu sehen, wie sich z.B. die Differentiation an
der unbekannten Funktion auswirkt.
Solange die Funktion unbekannt ist, kann nur von F(s) gesprochen werden. Das
heisst, bei der Transformation einer Differentialgleichung wird der Strom oder die
Spannung als I(s) oder U (s) angeschrieben.
16.3.1
Differentiation einer Funktion im Zeitbereich
Was bei elektrischen Netzen interessiert, ist die Auswirkung der Transformation auf
die Ableitung einer Funktion, d.h. auf dfdt(t) .
Dies soll durch die Diskussion des Integrals
Z
0
∞
df (t) −st
e dt
dt
(222)
c
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untersucht werden.
Zur Herleitung wird vorteilhaft wiefolgt vorgegangen, wobei f und g beliebige
Funktionen seien:
(f g)0 = f 0 g + f g 0
Daraus folgt:
f 0 g = (f g)0 − f g 0
Somit gilt auch
Z
b
Z
0
b
(f g) =
a
a
Z
0
(f g) −
0
b
(f g)|ba
fg =
a
−
Z
b
(f g 0 )
a
Somit gilt:
v
= e−st
df (t)
dt dt
dw =
und man erhält
Z
b
a
(223)
= df (t)
v dw = v w |ba −
Z
b
wdv
(224)
a
Die Auswertung an den Grenzen ergibt
Z
0
∞
∞
df (t) −st
e dt = f (t)e−st + s
0
dt
Z
∞
0
f (t)e−st dt = −f (0) + sF (s)
(225)
Damit ergibt sich als Transformationspaar
f (t) F (s)
df (t)
dt
16.3.2
(226)
sF (s) − f (0)
Integration einer Funktion im Zeitbereich
Für die Integration einer Funktion im Zeitbereich wird wieder die partielle Integration
benutzt. Es soll das Integral
Z
t
0
f (x)dx
(227)
transformiert werden.
Wir benützen dabei die Tatsache, dass die Ableitung eines Integrals einer Funktion
wieder die Funktion ergibt:
d
f (t) =
dt
Zt
f (τ )dτ
(228)
t=0
Nun kann die Differentiationsregel (226) angewendet werden:

F (s) = L(f (t)) = L 
d
dt
Zt
t=0


f (τ )dτ  = sL 
Zt
t=0

f (τ )dτ  −
Z0
f (τ )dτ
0
(229)
c
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117
Der letzte Term in (229) ist Null, somit folgt bei Division auf beiden Seiten des
Gleichheitszeichens durch s:

L
Zt

f (τ )dτ  =
t=0
F (s)
s
(230)
Das heisst, die Integration im Zeitbereich (Oberbereich) drückt sich durch eine Division der Laplace-Transformierten durch s aus. Als Transformationspaar ergibt sich
daher
f (t)
Rt
0
f (τ )dτ
F (s)
1
s F (s)
(231)
Für das praktische Arbeiten mit Netzwerken sind noch zwei Theoreme von Wichtigkeit, die Identitäten zwischen Oberbereich und Unterbereich darstellen. Es sind
dies das Anfangswerttheorem
f (t = 0) = lim sF (s)
(232)
f (t → ∞) = lim sF (s)
(233)
s→∞
und das Endwerttheorem
s→0
Diese Formel (233) setzt voraus, dass f (t → ∞) auch tatsächlich als endlicher Wert
existiert.
Damit kann auf einfache Weise der Anfangs- und der Endwert der unbekannten
Funktion überprüft werden.
c
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118
Transformationspaare - Laplace Transformation
f(t)
F(s)
1 (für t > 0, vorher 0)
1
s
t
1
s2
e−αt
1
s+α
te−αt
1
(s+α)2
cos(ωt)
s
s2 +ω 2
sin(ωt)
ω
s2 +ω 2
e−αt cos(ωt)
s+α
(s+α)2 +ω 2
e−αt sin(ωt)
ω
(s+α)2 +ω 2
cos(ωt + φ)
s cos φ−ω sin φ
s2 +ω 2
sin(ωt + φ)
ω cos φ+s sin φ
s2 +ω 2
e−αt cos(ωt + φ)
(s+α) cos φ−ω sin φ
(s+α)2 +ω 2
e−αt sin(ωt + φ)
ω cos φ+(s+α) sin φ
(s+α)2 +ω 2
sinh(ωt)
ω
s2 −ω 2
cosh(ωt)
s
s2 −ω 2
df (t)
dt
sF (s) − f (0− )
d2 f (t)
dt2
Rt
0
=
d
df (t)
dt
dt
f (τ )dτ
s2 F (s) − sf (0− ) −
F (s)
s
f (t − t1 )
e−t1 s F (s)
tf (t)
− dFds(s)
f (t)
t
c1 f1 (t) + c2 f2 (t)
Rt
0
f1 (τ )f2 (t − τ )dτ
tn−1
(n−1)!
df (0−)
dt
R∞
F (s)ds
s
c1 F1 (s) + c2 F2 (s)
F1 (s)F2 (s)
1
sn
(234)
c
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16.4
119
Lösung von Differentialgleichungen
Die Betrachtungen hier sind auf lineare Differentialgleichungen beschränkt, wie sie
bei der Lösung elektrischer Netzwerke vorkommen. Dabei kann eine anregende Quelle
(Inhomogenität) oder eine Anfangsbedingung vorhanden sein.
Es wird zur Illustration die RC-Schaltung mit einer Gleichspannung als Anregung
betrachtet, siehe Fig. 83.
Die Spannungsgleichung lautet
1
E = Ri(t) +
C
Z
i(t)dt
(235)
Durch Laplace-Transformation erhält man
E
s
= RI(s) +
I(s) =
CE
1+sRC
1
sC I(s)
=
= I(s) 1+sRC
sC
(236)
1
E
R s+ 1
RC
Die gesuchte Funktion F (s) in transformierter Form zeigt eine Amplitude
Funktion, die den zeitlichen Verlauf charakterisiert, nämlich
E
R
1
1
1 = s+α
s + RC
und eine
(237)
wofür sofort die entsprechende Zeitfunktion angegeben werden kann, nämlich e−αt .
Die Lösung lautet demnach
E − t
e RC
R
Der Lösungsvorgang lässt sich daher wie folgt zusammenfassen
f (t) = i(t) =
(238)
1. Aufstellen der Differentialgleichung
2. Anwendung der Laplace-Transformation
• die Quellenfunktion geht in eine algebraische Funktion in s über
• die Unbekannte erscheint als I(s) oder U (s)
• die für die Netzkomponenten charakteristischen Operationen drücken sich
durch algebraische Ausdrücke aus
3. Umformung des algebraischen Ausdrucks, die Unbekannte wird modifiziert durch
die Quellenfunktion in einem algebraischen Ausdruck dargestellt.
4. Identifikation der Amplitude(n) und der algebraischen Ausdrücke, die die Zeitfunktion(en) kennzeichnen.
5. Rücktransformation in den Zeitbereich anhand der Transformationspaare (234).
c
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120
Die Regeln können beim genannten Beispiel einfach angewendet werden. Der
resultierende algebraische Ausdruck ist unmittelbar anhand der Tabelle (234) am Ende
des vorangehenden Abschnitts identifizierbar.
Im allgemeinen tritt jedoch an dieser Stelle eine Schwierigkeit auf, da die algebraischen Ausdrücke komplizierter ausfallen. Ein Beispiel soll dies erläutern. Es soll der
Einschaltvorgang bei einem RL-Kreis berechnet werden. Der Schaltkreis ist in Fig.
85 gezeigt.
t=0
R
i(t)
+
E
L
-
Abbildung 85: RL-Schaltkreis (E: Gleichspannungsquelle)
Die Differentialgleichung lautet
E = Ri(t) + L
di(t)
dt
(239)
Laplace transformiert
E
= RI(s) + sLI(s) = I(s)(R + sL)
s
oder
I(s) =
E
E
1
=
s(R + sL)
L s(s +
(240)
(241)
R
L)
Hier zeigt sich, dass der algebraische Ausdruck, der die Zeitfunktion charakterisiert,
sich aus einem Faktor, der von der Quellenfunktion stammt (= 1s ), und einem Faktor
zusammensetzt, der sich aus dem passiven Netz ableitet ( s+1 R = Systemfunktion). Das
L
Resultat kann so nicht ohne weiteres interpretiert werden. Wenn es jedoch gelingt,
den algebraischen Ausdruck geschickt zu zerlegen, können die Anteile anhand der
Transformationspaare rücktransformiert werden.
16.5
Partialbruchzerlegung - Rücktransformation
Der Weg zur Identifikation der Anteile der algebraischen Funktion besteht in der
sogenannten Partialbruchzerlegung.
c
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121
Liegt eine rationale gebrochene Funktion
Z(s)
N (s)
(242)
vor und ist der Grad des Nennerpolynoms N (s) höher als der Grad des
Zählerpolynoms Z(s), so lässt sich die Funktion unter gewissen Bedingungen (siehe
auch nachfolgendes Kapitel) in eine Summe von Ausdrücken aufspalten
Z(s)
A1
A2
A3
An
A
+
+
+
+ ...
=
N (s)
s + α1
s + α1
s + α2 s + α3
s + αn
(243)
Die Anzahl der Ausdrücke ist gleich dem Grad des Nennerpolynoms, d.h. n.
Als erster Schritt bei der praktischen Durchführung muss das Nennerpolynom in
seine Faktoren zerlegt werden.
N (s) = (s + α1 )(s + α2 )(s + α3 )...(s + αn )
(244)
Die α’s sind dabei die Wurzeln des Polynoms.
Dadurch, dass man die Summe der einfachen Ausdrücke wieder auf den gleichen
Nenner bringt, entsteht im Zähler ein Polynom mit den unbekannten Koeffizienten
A1 , A2 , A3 , usw. Diese können danach durch Koeffizientenvergleich bestimmt werden.
Dieser Vorgang soll anhand des Ergebnisses für den LR-Kreis gezeigt werden.
1
s(s +
R
L)
=
A(s + R
B
A
L ) + Bs
=
+
=
R
s
s+ L
s(s + R
L)
AR
L
+ s(A + B)
s(s + R
L)
(245)
Koeffizientengleich (Koeffizienten gleicher Potenzen)
s0 : 1 = A R
L
(246)
1
s : 0 = A+B
Die Koeffizienten A und B haben somit die folgenden Werte
A=
L
L
; B=−
R
R
(247)
Der Strom I(s) ergibt sich damit aus (241) zu
E
I(s) =
R
1
1
−
s s+ R
L
!
(248)
und rücktransformiert mit (234):
i(t) =
R
E
1 − e− L t
R
Aus diesem Ergebnis erkennt man, dass das Verhältnis
darstellt:
L
T =
R
(249)
L
R
wieder eine Zeitkonstante
(250)
c
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122
in
t
E
1 − e− T
(251)
R
T hat die gleiche Bedeutung wie die Zeitkonstante des RC-Kreises. In jedem Fall
charakterisiert die Zeitkonstante den Verlauf der Exponentialfunktion unabhängig von
der Amplitude der Quelle E.
Nur bei Schaltungen mit einem Speicher bilden sich die Zeitkonstanten auf diese
einfache Weise. Zeitkonstanten scheinen aber auch in komplexeren Schaltungen auf
und sind Kehrwerte der reellen Wurzeln des Nennerpolynoms, siehe (244).
Weitere Beispiele werden in den nachfolgenden Abschnitten diskutiert.
i(t) =
16.6
Partialbruchzerlegung: Eine Verallgemeinerung mittels Residuen
Die Partialbruchzerlegung, so wie im letzten Unterkapitel diskutiert, ist nicht die einzige Art, die Koeffizienten A1 , A2 , ...An zu bestimmen. Aus der Analysis sind diese
Koeffizienten als “Residuen” (komplexe Analysis) bekannt. Durch die folgende Grenzwertbetrachtung lassen sich diese Koeffizienten ohne Zerlegung des Quotienten und
anschliessender Koeffizientenvergleich berechnen. Das Vorgehen ist allgemein, so dass
auch Residuen bei Mehrfachwurzeln bestimmt werden können.
Das (für diese Vorlesung) allgemeinste Nennerpolynom kann wie folgt dargestellt
werden:
F (s) =
Z(s)
Z(s)
=
N (s)
s(s − p1 )(s − p2 ) ((s − p3 )(s − p∗3 )) (s − p4 )2
(252)
In dieser allgemeinen Formel seien p1 6= p2 6= p4 6= 0 (alles reelle Zahlen) und p3
und p∗3 seien zwei konjugiert komplexe Zahlen 6= 0 und alle seien numerisch gegeben.
Der Klammerausdruck ((s − p3 )(s − p∗3 )) deutet an, dass hier zwei konjugiert komplexe Pole oder Nullstellen vorliegen.
Die Partialbruchzerlegung für diesen Ausdruck gilt unter der Voraussetzung,
dass der höchste Polynomkoeffizient des Zählers kleiner ist als der höchste NennerPolynomkoeffizient (unter der Annahme, dass beide Polynome ausmultipliziert wurden):
Z(s)
C
A
B
+
+
= +
N (s)
s
s − p1 s − p2
D
D∗
+
s − p3 s − p∗3
E
F
+
2
(s − p4 )
s − p4
(253)
Man beachte auch hier die speziell zusammengehörigen Klammerausdrücke.
Dieser Ansatz hat bei einem nachfolgenden Koeffizientenvergleich (Vorgehen siehe
z.B. (245) und (246)) und unter den genannten Voraussetzungen genau eine Lösung
für A, B, C, D, E und F. Man beachte dass der Koeffizient D, bzw. dessen konjugiertkomplexe Darstellung D∗ , komplexe Zahlen darstellen. Alle anderen Koeffizienten
sind reelle Zahlen.
F (s) =
+
c
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123
Die Koeffizienten können aber auch mit den Residuenansatz bestimmt werden,
dessen Anwendung (ohne Herleitung) auf folgende Lösungsansätze führt:
A = sF (s)|s=0 =
Z(0)
Z(0)
=
∗
2
(−p1 )(−p2 )(−p3 )(−p3 )(−p4 )
(−p1 )(−p2 )(|p3 |2 )(−p4 )2
(254)
B = (s − p1 )F (s)|s=p1 =
Z(p1 )
p1 (p1 − p2 )(p1 − p3 )(p1 − p∗3 )(p1 − p4 )2
(255)
C = (s − p2 )F (s)|s=p2 =
Z(p2 )
p2 (p2 − p1 )(p2 − p3 )(p2 − p∗3 )(p2 − p4 )2
(256)
D = (komplexe Zahl) = (s − p3 )F (s)|s=p3 =
E = (s − p4 )2 F (s)
s=p4
=
Z(p3 )
p3 (p3 − p1 )(p3 − p2 )(p3 − p∗3 )(p3 − p4 )2
(257)
Z(p4 )
p4 (p4 − p1 )(p4 − p2 )(p4 − p3 )(p4 − p∗3 )
∂ (s − p4 )2 F (s)
F =
∂s
(258)
(259)
s=p4
Man beachte, dass aufgrund der doppelten Nullstelle p4 der Koeffizient F mit
relativ komplizierten Formeln bestimmt werden muss (Man muss noch die Ableitung
von (a · b)0 = a0 b + b0 a anwenden, wobei a = (s − p4 )2 und b = F (s) ist.).
Es soll jedoch nochmals betont werden, dass diese schnelle Vorgehensweise genauso
durch den Koeffizientenvergleich ersetzt werden kann. Beide führen bei korrekter
Rechnung auf genau das gleiche Resultat.
Die Rücktransformation dieses allgemeinen Ausdrucks F (s) (253) in den Zeitbereich ist wie folgt:
f (t) = A + Bep1 t + Cep2 t + 2|D|eα3t cos (β3 t + 6 (D)) + (E · t + F )ep4 t
(260)
wobei
6
α3 = Realteil(p3 )
(261)
β3 = Imaginärteil(p3 )
(262)
|D| = Betrag der komplexen Zahl D
(263)
(D) = Winkel der komplexen Zahl D
(264)
c
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17
124
Schaltungen mit einem Speicher
17.1
Anwendung der Laplace-Tansformation
17.1.1
Speicher ohne Anfangsbedingungen
Schaltungen mit einem unabhängigen Speicher enthalten entweder eine Spule oder
einen Kondensator. Daneben können noch Widerstände parallel- oder seriengeschalet
vorhanden sein. Sind keine Anfangsbedingungen (Ladung, Spannung oder Strom)
vorhanden, so können die Regeln nach Abschnitt 16.4 ohne besondere Umformungen
angewendet werden. Es werden zwei Beispiele betrachtet.
Beispiel 1 Das erste Beispiel ist durch einen LR-Schaltkreis gegeben, der durch eine
Wechselspannung angeregt wird, siehe Schema in Fig. 86.
t=0
R
i(t)
+
E cos(ωt)
L
-
Abbildung 86: LR-Kreis angeregt mit einer Wechselspannung
Der Schalter schliesst im Zeitpunkt t = 0. Die Spannungsgleichung lautet
E cos ωt = Ri(t) + L
di(t)
dt
(265)
Laplace-transformiert
s2
Es
= RI(s) + sLI(s) = I(s)(R + sL)
+ ω2
(266)
Die Lösung für I(s) im Unterbereich
I(s) =
Es
E
s
=
(s2 + ω 2 )(R + sL)
L (s2 + ω 2 )( R
L + s)
(267)
Dieser algebraische Ausdruck muss nun in eine geeignete Form gebracht werden, so
dass eine Rücktransformation mit einfachen Mitteln (234) möglich wird. Dies geschieht durch eine Partialbruchzerlegung, wie im Kapitel 16.6 erläutert wurde. Sie
führt auf die folgende Art der Koeffizientenbestimmung:
F (s) =
s
2
2
(s + ω )(s +
R
L)
=
s
(s + jω)(s − jω)(s +
R
L)
=
A∗
C
A
+
+
s + jω s − jω s + R
L
(268)
c
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125
Nun folgt mit Anwendung der im vorangehenden Kapitel (257) erläuterten Ansätze:
A = (s + jω)F (s) |s=−jω =
−jω
2(−jω)(−jω +
R
L)
=
1
2(−jω +
R
L)
(269)
Da später bei der Rücktransformation in den Zeitbereich noch der Betrag und der
Winkel benötigt werden, seien diese hier hergeleitet:
|A| =
1
1
q
2 ω2 +
(270)
R2
L2
und
ωL
R
C wird nun gemäss (255) oder (256) wie folgt bestimmt:
6
C=
(A) = arctan
(271)
s+
R
R
F (s) |s=− R = − R2 L
L
L
+ ω2
L2
(272)
Man beachte, dass eine direkte Rücktransformation von F (s) in den Zeitbereich
möglich ist:
A
C
A∗
F (s) =
+
(273)
+
∗
s−p s−p
s+ R
L
Der in den Zeitbereich rücktransformierte Ausdruck ist wie folgt:
f (t) = 2|A|eαt cos(βt + 6 (A)) + Ce− L t
(274)
α = Realteil(p)
(275)
β = Imaginärteil(p)
(276)
|A| = Betrag der komplexen Zahl A
(277)
(A) = Winkel der komplexen Zahl A
(278)
R
wobei
6
Somit ist die Rücktransformation von I(s) in (267) verknüpft mit (268)
I(s) =
E
F (s)
L
mit α = 0 (275) (d.h. kein exponentieller Verlauf) und β = −ω (276) wie folgt:

E
1
i(t) =  q
L
ω2 +
R2
L2
ωL
· cos −ωt + arctan
R
−
R2
L2
R
L
+ ω2

−R
t
L
e

(279)
Dieser Ausdruck kann wegen cos(−x) = cos(x) auch folgendermassen ausgedrückt
werden:
c
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
E
1
i(t) =  q
L
ω2 +
R2
L2
ωL
· cos ωt − arctan
R
126
−
R2
L2

R
L
+ ω2
−R
t
L 
e
(280)
Aus diesem Ergebnis ist nun ersichtlich, dass bei der Anregung mit einer Wechselgrösse im Stationärzustand ein Wechselstrom auftritt, der auch nur durch die bekannte komplexe Rechnung hätte bestimmt werden können.
L
Das Exponentialglied klingt mit der Zeitkonstanten T = R
ab. Sein Vorzeichen
ist dem Anfangswert des Cosinusgliedes entgegengesetzt, d.h. dass der Strom zur Zeit
t = 0 Null sein muss.
Beispiel 2 Das zweite Beispiel ist durch einen RC-Kreis gegeben, der durch eine
Exponentialfunktion angeregt wird.
t=0
R
i(t)
+
Ee−αt
C
-
Abbildung 87: RC-Kreis angeregt durch eine exponentiell abfallende Spannung
Die anregende Spannung hat die Form
e(t) = Ee−αt
(281)
Die Spannungsgleichung für den Kreis lautet
e(t) = R i(t) +
1
C
Z
i(t)dt
(282)
Laplace-transformiert
1
1
1
E
= RI(s) +
I(s) = I(s) R +
s+α
sC
sC
(283)
und daraus I(s)
I(s) =
E
(s + α)(R +
1
sC )
=
Es
(s + α)(sR +
1
C)
=
Es
R(s + α)(s +
1
RC )
(284)
Partialbruchverlegung
s
(s + α)(s +
1
RC )
=
1
) + B(s + α)
A(s + RC
B
A
=
+
1
1
s + α s + RC
(s + α)(s + RC
)
(285)
c
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127
Koeffizientenvergleich
s1 : 1 = A + B
s0 : 0 =
A
RC
(286)
+ Bα
Daraus ergibt sich
B =1−A
A = − −α+α
B =
1
RC
(287)
1
RC
1
−α+ RC
Die Rücktransformation liefert zwei Exponentialfunktionen
i(t) = −
α
−α +
1
RC
1
E −αt
E − 1 t
RC
+
e
e RC
1
R
−α + RC R
(288)
Der Anfangswert des Stromes ist gleich E
R , der Endwert ist Null.
Charakteristisch ist, dass die Lösung eine Zeitfunktion enthält, die mit derjenigen
der Quelle übereinstimmt, sowie eine zweite aufweist, die von den Parametern des
Systems abhängig ist (RC).
Wenn man nur die Zahlenwerte der Lösung vor sich hat, ist nicht mehr zu erkennen, welcher Anteil von der anregenden Funktion stammt und welcher Anteil von
der Schaltung (passiver Teil). Diese Feststellung gilt ganz allgemein und führt in
der Signalverarbeitung dazu, dass Signale ohne Rückschlüsse auf ihre Entstehung mit
verschiedenen Transformationsmethoden behandelt werden.
17.1.2
Speicher mit Anfangsbedingungen
Speicher können im Zeitpunkt des Einschaltens eine Anfangsladung oder einen
Anfangsstrom haben, die bei der Verwendung des Exponentialansatzes zusätzliche
Überlegungen verlangen.
Bei Anwendung der Laplace-Transformation wird die Anfangsbedingung bei der
Transformation der Differentialgleichung mitberücksichtigt. Voraussetzung ist, dass
du(t)
bei einer Spule die Spannung L di(t)
dt und bei einem Kondensator der Strom C dt
transformiert wird.
Beispiel 3 Um ein Beispiel zur Erläuterung zu geben, wird der LR-Kreis aus Fig.
88 betrachtet.
In diesem Fall soll die Spule einen Anfangsstrom i0 haben. (Da die Analyse für
t > 0 gilt, spielt es keine Rolle, dass der Schalter für t < 0 offen steht und somit kein
Strom fliessen könnte).
Zur Vereinfachung wird jetzt ein Einheitssprung mal einer Spannung E als anregende Funktion angenommen. Es gilt für t > 0:
E(t) = E = Ri(t) + L
di(t)
dt
(289)
c
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t=0
128
R
i(t)
+
i0
E(t) = E
L
-
Abbildung 88: LR-Kreis angeregt mit einer Gleichspannung (i0 : Anfangsstrom in
der Spule) (E(t): Gleichspannung E)
Die transformierte Spannungsgleichung lautet dann gemäss (226):
E
= RI(s) + sLI(s) − Li0
s
Der Strom muss wiefolgt ausgedrückt werden:
I(s) =
(290)
E
1
E + sLi0
+ Li0
=
s
R + sL
s(R + sL)
(291)
Für die Rücktransformation muss der Ausdruck in Partialbrüche verlegt werden.
E + sLi0
1
I(s) =
=
R
L
Ls( L + s)
A
B
+
s
s+ R
L
Gleichsetzen der Zähler
E + sLi0 = A(s +
R
) + Bs
L
!
(292)
(293)
und Koeffizientenvergleich
s1 : Li0 = A + B
0
s : E
Daraus erhält man
A=
=
(294)
AR
L
EL
EL
, B = Li0 −
R
R
(295)
eingesetzt in I(s) (292)
I(s) =
E
R
s
+
i0 − E
R
R
s+ L
(296)
Der Strom I(s) lässt sich einfach rücktransformieren
i(t) =
E
E −R t
e L
+ i0 −
R
R
(297)
Der Anfangsstrom ist also auf systematische Art in die Analyse einbezogen worden.
Wie zu erwarten, klingt dieser mit der Zeitkonstante des Schaltkreises ab. Würde man
die Spannung entsprechend abstimmen, so könnte man den Ausgleichsstrom vollkommen unterdrücken, d.h. wenn
E
i0 −
=0
(298)
R
c
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129
Beispiel 4 In einem RC-Kreis muss nun beachtet werden, dass bei der Transformation der Kondensatorstromes die Anfangsspannung mitberücksichtigt wird.
Es wird dazu die Schaltung in Fig. 89 betrachtet, wobei jetzt der Kondensator
eine Anfangsspannung uC0 haben soll.
t=0
i(t)
R
+
uC0
E(t) = E
C
-
Abbildung 89: RC-Kreis angeregt durch eine Gleichspannung (uC0 : Anfangsspannung am Kondensator)(E(t) = E: Gleichspannung)
Die Spannungsgleichung muss nun in folgender Form geschrieben werden
E(t) = Ri(t) + uC (t)
(299)
mit uC (t): Kondensatorspannung
Für den Strom i(t) gilt
duC (t)
dt
Beide Beziehungen werden transformiert (u.a. mit (226))
i(t) = C
E(s) = RI(s) + UC (s)
I(s)
(300)
(301)
= sCUC (s) − CuC0
Man beachte, dass uC0 in die gleiche Richtung gezählt wird wie UC .
Eingesetzt ergibt sich:
E(s) = R (sCUC (s) − CuC0 ) + UC (s) = UC (s) (sRC + 1) − RCuC0
(302)
Daraus lässt sich die Kondensatorspannung bestimmen
UC (s) =
E(s) + RCuC0
1 E(s) + RCuC0
=
1
1 + sRC
RC
s + RC
(303)
Der Einfachheit halber wird für die weitere Rechnung für E(s) eine Sprungfunktion
eingesetzt
E
E(s) =
(304)
s
Die Partialbruchzerlegung muss sodann angewendet werden auf
UC (s) =
E
RC
+ suC0
B
A
= +
1
1
s
s(s + RC )
s + RC
(305)
c
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130
Das ist formell die gleiche Aufgabe wie beim RL-Kreis der Fig. 88, (292). Das analoge
Ergebnis kann somit von dort übernommen werden.
A = E, B = uC0 − E, UC (s) =
E uC0 − E
+
1
s
s + RC
(306)
Um den Strom I(s) (301) zu bestimmen, ist es vorteilhafter, den ersten Ausdruck in
(305) für UC (s) in die Beziehung für den Strom I(s) einzusetzen.
E
+ suC0
E
sCuC0
1
I(s) = sC RC
+
− CuC0 =
1
1
1 − CuC0
R s + RC
s(s + RC )
s + RC
oder
I(s) =
E
uC0
1
1
−
1
1
R s + RC
R s + RC
(307)
(308)
Die Rücktransformation kann nun vollzogen werden
i(t) =
E − 1 t uC0 − 1 t
e RC −
e RC
R
R
oder
i(t) =
E uC0
−
R
R
(309)
1
e− RC t
(310)
Der zeitliche Verlauf weist nur eine Exponentialfunktion mit der Zeitkonstante T =
RC auf, wobei die Amplitude von der relativen Grösse der Anfangsspannung des
Kondensators gegenüber der aufgedrückten Gleichspannung uC0 abhängt.
Hätte man eine andere Spannungsform aufgeschaltet, so würde ebenso eine Exponentialfunktion in Erscheinung treten. Darüber hinaus würde man die Wirkung der
stationären Anregung, z.B. einer Cosinus-Funktion feststellen.
17.2
Ersatzschaltungen
Bei der Ausarbeitung von Ersatzschaltungen im Zusammenhang mit Speichern geht es
nicht um eine Reduktion des Netzes auf ein Klemmenpaar, sondern um die Darstellung
der Anfangsbedingungen, d.h. des Stromes in der Spule und der Spannung über
dem Kondensator.
Es werden dazu wieder die elementaren Beziehungen betrachtet.
17.2.1
Ersatzschaltung für die Spule mit Anfangsstrom i0
Es wird die Spannung über der Spule
u(t) = L
di(t)
dt
(311)
transformiert, wofür man erhält
U (s) = sLi(s) − Li0 = sL I(s) −
i0
s
(312)
c
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131
Der Ausdruck in der Klammer besagt, dass der Strom, der die Spannung erzeugt,
sich aus dem aussen fliessenden Strom und einer inneren Stromquelle zusammensetzt.
Die Stromquelle wirkt dabei wie eine Sprungfunktion. Es lässt sich dafür eine anschauliche Ersatzschaltung angeben, die sich aus einer Spule und einer an deren Klemmen
angeschlossenen Stromquelle zusammensetzt, wie sie in Fig. 90 gezeigt ist.
L
iL (t)
I(s)
i0 (t = 0− )
t=0
U (s)
Z = sL
=
i0
s
Abbildung 90: Ersatzschaltung für eine Spule mit Anfangsstrom (i0 : Anfangsstrom
in Richtung von IL (t) für t = 0− ) im Zeitbereich (links) und Laplace-Bereich (rechts)
Bei dieser Schaltung sind die Zählpfeile zu beachten. Massgebend ist der obige Klammerausdruck, der den Strom durch die Spule wiedergibt. Danach muss der
Quellenstrom ( is0 ) vom Strom I(s) subtrahiert werden.
Die Richtigkeit dieser Überlegung lässt sich anhand eines einfachen Beispiels
überprüfen.
Eine Spule mit Anfangsstrom wird auf einen Widerstand geschalten, wofür ein
vereinfachtes Schaltbild in Fig. 91 gezeigt ist.
i(t)
i0 (t = 0−)
Abbildung 91:
Richtung)
L
t=0
R
Zeitbereich: Entladung einer Spule (i0 (t = 0−): Anfangsstrom mit
Die Schaltung ist nur für den Zeitbereich t > 0 gültig. Wie der Anfangsstrom
zustandekommt ist für diese Aufgabe nicht relevant.
Die nach Laplace transformierte Spannungsgleichung sieht dann folgendermassen
aus
i0
I(s)(sL + R) = i0 L; → 0 = sL I(s) −
+ RI(s)
(313)
s
c
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132
Die Lösung für den Strom lautet
I(s) =
Li0
i0
=
R + sL
s+ R
L
(314)
bzw. im Zeitbereich
i(t) = i0 e− L t
R
(315)
Basierend auf den Überlegungen der Fig. 90 kann auch mit einer Ersatzschaltung
nach Fig. 92 gearbeitet werden, die den Entladevorgang der Anordnung der Fig. 91
beschreibt.
I(s)
IL (s)
U (s)
i0
s
Z = sL
R
Abbildung 92: Laplace-Ersatzschaltung für die Entladung einer Spule mit geschalteter Stromquelle (Achtung: IL (s) ist nur der Strom im s-Bereich, welcher durch Z = sL
fliesst)
Für die Fig. 92 gelten die folgenden Beziehungen
i0
s
= IL (s) + IR (s)
(316)
U (s) = sLIL (s) = RIR (s)
Hier ist zu beachten, dass der Spulenstrom keinen Anfangswert enthält. Die Bestimmung des Stromes IR (s) bzw. iR (t) geschieht wie folgt:
i0
=
s
R
i0
+ 1 I(s); I(s) =
sL
s+ R
L
(317)
d.h. i(t) = i0 e− L t
Dieser Lösungsweg zeigt, dass die Ersatzschaltung mit einer geschalteten Stromquelle an Stelle des Anfangsstromes die gleiche Lösung wie ein Vorgehen liefert, bei
dem L di(t)
dt transformiert wird.
R
17.2.2
Ersatzschaltung für den Kondensator mit Anfangsspannung
Besitzt ein Kondensator eine Anfangsspannung uC0 (Anfangsladung), so muss von der
Beziehung
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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133
duC (t)
dt
ausgegangen werden. Transformiert erhält man gemäss (226)
i(t) = C
I(s) = sCUC (s) − CuC0 = sC(UC (s) −
(318)
uC0
)
s
(319)
Der Ausdruck in der Klammer besagt wieder, dass der Kondensatorstrom durch eine
Änderung einer Differenz von Spannungen entsteht. Diese Differenz entsteht durch
Subtraktion der Anfangsspannung von der Gesamtkondensatorspannung. Damit lässt
sich wieder sofort eine Ersatzspannung angeben, siehe Fig. 93.
C
t=0
+
Z=
1
sC
+
−
uC0 (t = 0−)
−
uC 0
s
Abbildung 93: Ersatzschaltung für den Kondensator mit Vorladung (uc0 : Anfangsspannung für t = 0−) (links: Zeitbereich, rechts: Laplace-Ersatzschema)
Diese Schaltung soll nun anhand der Entladung des Kondensators über einen Widerstand erprobt werden. Ein entsprechendes Schema ist in Fig. 94 gezeigt.
i(t)
iR (t)
t=0
+
uC0 (t = 0−)
C
R
-
Abbildung 94:
für t = 0−)
Zeitbereich: Entladung eines Kondensators (uc0 : Anfangsspannung
Nun bestehen wieder zwei Möglichkeiten der Verwendung des Ersatzschaltbildes.
Entweder man nutzt die Beziehung (319) und bildet aus dem Kondensatorstrom den
Spannungsabfall über dem Widerstand
− RI(s) = UR (s) = UC (s) = −sRC(UC (s) −
woraus
UC (s) = UR (s) =
uC0
1
s + RC
uC0
)
s
(320)
(321)
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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I(s)
134
IR (s)
Z=
1
sC
UC (s)
UR (s)
R
+
uC 0
s
−
Abbildung 95: Laplace: Ersatzschaltung entsprechend Fig. 94 für die Entladung
eines Kondensators
resultiert oder man betrachtet die Anfangsspannung als externe Quelle, die zum Zeitpunkt t = 0 zugeschaltet wird, siehe Fig. 95.
Für den Fall der Fig. 95 gelten die folgenden Beziehungen:
uC0
1
uC0
uC0
= IR (s)(R +
); IR (s) =
; UR (s) =
1
1
s
sC
R(s + RC )
s + RC
(322)
Zu beachten ist hier, dass die Kondensatorspannung sich aus
uC0
IR (s)
−
s
sC
(323)
zusammensetzt, die letztlich wieder UR (s) ergibt. Die Spannung IRsC(s) ist nicht gleich
der gesamten Kondensatorspannung, sondern entspricht eher einer inneren Spannung.
Wie bei der Spule kann die Ersatzschaltung für t > 0 somit mit einer geschalteten
Spannungsquelle aufgebaut gedacht werden, siehe Fig. 95.
17.3
17.3.1
Rechenbeispiele
Beispiel 1
Als erstes Beispiel wird das Parallelschalten eines Widerstandes und einer stromdurchflossenen Spule untersucht.
Die Spule nach Fig. 96 wird vor dem Schalten von einer Gleichspannung gespeist.
Zur Zeit t = 0 wird der Schalter geschlossen. Der Strom durch den Widerstand RL
soll berechnet werden.
Der vor dem Schliessen des Schalters gültige stationäre Strom i0 ist einfach bestimmt durch
E
i0 =
(324)
R1 + RL
Für die Berechnung des Ausgleichsvorganges nach dem Schliessen des Schalters wird
die Ersatzschaltung mit geschalteter Stromquelle verwendet, siehe Fig. 97.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
135
R1
RL
t=0
L
R2
+
E(t)
-
i0 (t = 0−)
iL(t)
E(t)
bedeutet: E liegt schon lange vor
t=0 an
E
0
t
Abbildung 96: Spule mit Anfangsstrom (i0 : Anfangsstrom in der Spule für t = 0−).
Der Verlauf des Spulenstromes iL nach dem Zuschalten des Widerstandes R2 soll
bestimmt werden.
Bei diesem Beispiel soll das Überlagerungsprinzip angewendet werden, d.h. zuerst
wird die Wirkung der Spannungsquelle E(s) = Es , dann wird diejenige der Stromquelle
i0
s berechnet. Danach werden beide Anteile summiert.
Spannungsquelle E(s) Für die Wirkung der Spannungsquelle gilt
• die anregende Spannung = E/s
• die Stromquelle wird weggenommen (Innenwiderstand = ∞)
Unter diesen Bedingungen erhält man für den Strom I1 (s)
I1 (s) =
E(R2 + RL + sL)
s(R1 (R2 + RL + sL) + R2 (RL + sL))
(325)
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
R1
136
IR (s)
I1 (s)
IL (s)
RL
E(s) =
R2
E
s
Z = sL
i0
s
Abbildung 97: Laplace-Ersatzschaltung (siehe Fig. 96) mit geschalteter Stromquelle
Der Spulenstrom ist von I1 (s) abhängig und kann durch diesen ausgedrückt werden
IL (s) = I1 (s)
R2
R2 + RL + sL
(326)
Nach Einsetzen von I1 (s) entsprechend der Beziehung (325) lässt sich der gesamte
Ausdruck auf eine einfache Form bringen, die im folgenden angegeben ist.
IL (s) =
aE
sL(s + α)
(327)
wobei
R2
R0
R1 R2
; α=
(328)
; R0 = RL +
R1 + R2
L
R1 + R2
Bevor auf die Lösung im Zeitbereich eingegangen wird, sollen die obigen Parameter
etwas interpretiert werden.
a=
• R0 ist der Widerstand, der von der Spule aus gesehen wird
• α ist der Kehrwert der Zeitkonstanten des Schaltkreises. Sie kann unmittelbar
aus R0 und L gebildet werden.
• a ist ein Stromteilfaktor; er geht gegen 1, wenn der Widerstand R2 gegen unendlich geht (keine Teilung des Stromes)
Der zeitliche Verlauf von iL (t) lässt sich nun durch Partialbruchzerlegung und
Rücktransformation von (327) ermitteln.
aE
(1 − e−αt )
R0
(= Anteil der Wirkung der Spannungsquelle)
iL (t) =
(329)
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
Stromquelle
i0
s
137
Für die Wirkung der Stromquelle gilt
• anregender Strom = i0 /s
• Spannungsquelle kurzgeschlossen (Innenwiderstand Null)
Unter diesen Bedingungen erhält man für den Spulenstrom
IL (s) =
i0
sLR0
i0 L
i0
= 0
=
0
0
0
s R (R + sL)
R + sL
s + RL
(330)
und somit für den zeitlichen Verlauf
iL (t) = i0 e−αt
(331)
(= Anteil der Wirkung der Stromquelle)
Die Wirkung beider Quellen ergibt sich durch Summation der beiden Anteile.
iL (t) =
aE
aE
+ i0 − 0
0
R
R
e−αt
(332)
(332) ist in Fig. 98 dargestellt.
iL (t)
i0
aE
R0
L
R0
t=0
t
Abbildung 98: Zeitlicher Verlauf des Spulenstroms iL (t)
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
17.3.2
138
Beispiel 2
Als zweites Beispiel soll das Einschalten einer Wechselspannungsquelle auf einen RCKreis untersucht werden. In der Schaltung in Fig. 99 hat der Kondensator eine
Anfangsspannung.
R1
t=0
+
+
E(t)
−
R2
C
−
uC0
Abbildung 99: Zeitbereich: Einschalten einer Wechselspannung auf einen RC-Kreis
(Kondensator mit Anfangsspannung uC0 für t = 0−)
Für die Berechnung des Verlaufs der Kondensatorspannung wird die Ersatzschaltung mit geschalteter Spannungsquelle verwendet. Dabei ist es nützlich, die Wechselspannung zuerst in eine Stromquelle und dann wieder in eine Spannungsquelle umzuwandeln. Die resultierende Ersatzschaltung ist in Fig. 100 (Laplace-Ersatzschema A)
und 101 (Laplace-Ersatzschema B) gegeben.
R1
R2
+
E(s) = L (E cos(ωt)) =
Z=
1
sC
Es
s2 +ω 2
-
+
uC0
s
-
Abbildung 100: Laplace: Ersatzschaltung A für den Schaltkreis in Fig. 99
Die Ersatzgrössen E 0 und R0 bezogen auf die Fig. 101 seien:
E0 = E
R2
R1 R2
; R0 =
R1 + R2
R1 + R2
(333)
Anhand dieser Ersatzschaltung ist die Kondensatorspannung nach dem Prinzip der
Spannungsteilung einfach bestimmbar. Es wird zuerst der Spannungsabfall UC0 (s)
über dem Kondensator (ohne die Anfangsspannung) berechnet.
UC0 (s) =
E 0 (s) − uC0
1
sE 0
0
s
·
(s)
=
;
E
1
sC
s2 + ω 2
R0 + sC
(334)
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
Z=
0
− E(s)
R1
139
1
sC
R = R1 //R2
=
R1 R2
R1 +R2
+
uC0
s
-
R0 = R1 //R2 =
2
E(s) R1R//R
1
=
R1 R2
R1 +R2
u0C (s)
Z=
2
E(s) R1R+R
2
1
sC
+
uC0
s
-
Abbildung 101: Laplace: Ersatzschaltung B für den Schaltkreis in Fig. 99
Eingesetzt und vereinfacht erhält man
UC0 (s) =
s2 (E 0 − uC0 ) − uC0 ω 2
R0 Cs(s2 + ω 2 )(s + α)
(335)
mit
1
R0 C
Die Partialbruchzerlegung wird mit vereinfachten Koeffizienten durchgeführt
α=
F (s) =
s(s2
as2 + b
D
A Bs + C
+
= + 2
+ ω 2 )(s + α)
s
s + ω2
s+α
(336)
(337)
wobei
E 0 − uC0
−uC0 ω 2
,
b
=
R0 C
R0 C
Die Rücktransformation von (337) in den Zeitbereich ergibt gemäss (234):
a=
1
C sin(ωt) + De−αt
ω
Man findet für die Koeffizienten der Partialbruchzerlegung
f (t) = A + B cos(ωt) +
A
= −uC0
B
=
E 0 α2
ω 2 +α2
C
=
E 0 ω2 α
ω 2 +α2
D =
−E 0 α2
ω 2 +α2
(338)
(339)
(340)
+ uC0
c
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Bacher ETHZ
140
Der zeitliche Verlauf der Spannung u0C (t) über dem Kondensator (ohne die Anfangsspannung) lautet:
u0C (t) = −uC0 + E 0
α2
αω
α2
0
0
cos
ωt
+
E
sin
ωt
+
(u
−
E
)e−αt (341)
C0
ω 2 + α2
ω 2 + α2
ω 2 + α2
Wird nun die oben gerechnete Spannung mit der Anfangsspannung uC0 des Kondensators aufsummiert, erhält man den wahren Verlauf der Kondensatorspannung
uC (t) = E 0
α2
αω
α2
0
0
cos
ωt
+
E
sin
ωt
+
(u
−
E
)e−αt
C0
ω 2 + α2
ω 2 + α2
ω 2 + α2
(342)
Anhand dieser Lösung können die folgenden Beobachtungen gemacht werden.
• die sinus- und cosinusförmigen Anteile sind die stationären Lösungen. Sie hätten
auch durch die komplexe Rechnung ermittelt werden können
• die Amplitude des exponentiellen Anteils lässt sich bei Kenntnis der stationären sinus- bzw. cosinusförmigen Lösung durch die einfache Überlegung (ohne
Laplace-Transformation) bestimmen, da die Kondensatorspannung im Zeitpunkt
des Schaltens sich nicht ändert. Im obigen Fall ist sie gleich uC0 . Im Zeitpunkt
t = 0 hat die Kondensatorspannung durch den Cosinusanteil eine Amplitude,
daher muss diese mit negativem Vorzeichen im Exponentialteil auftreten.
Im einfachen Fall, wenn der Kondensator keine Anfangsspannung hat, ist die Spannung Null zur Zeit t = 0, so dass die Amplitude des exponentiellen Anteils gleich der
negativen Amplitude des Cosinusanteils sein muss.
Diese Überlegung lässt sich auch auf die Spule übertragen. Entsprechend muss
dort die Amplitude des Exponentialanteils des Spulenstromes gleich der negativen
Amplitude des Cosinusanteils des Spulenstromes sein.
18
Schaltungen mit zwei Speichern
18.1
Anwendung der Laplace-Transformation (ohne Anfangsbedingungen)
In Erweiterung der Betrachtungen von Schaltungen mit einem Speicher werden nun
Kombinationen von
• zwei Drosselspulen mit Widerständen
• zwei Kondensatoren mit Widerständen
• eine Drosselspule und ein Kondensator mit Widerständen
untersucht. Der Einbezug von Widerständen ist wesentlich, damit die Unabhängigkeit
der beiden Speicher (zwei Drosselspulen, zwei Kondensatoren) gewährleistet ist.
Beispiele von Schaltungen mit zwei Speichern sind aus der Fig. 102 ersichtlich.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
R1
L1
R1
R2
R1
L2
R2
L1
C1
C2
L
L2
R2
R1
R2
R
141
C1
C2
L
C
R
C
Abbildung 102: Schaltungen mit zwei Speichern
Vom Prinzip her ändert sich in der Vorgehensweise bei der Analyse dieser Schaltungen nichts gegenüber derjenigen für Schaltungen mit einem Speicher. Die Unterschiede
treten erst in der Art der Lösung in Erscheinung.
Um das Wesentliche möglichst einfach zeigen zu können, werden vorerst zwei Schaltungen ohne Anfangsbedingungen betrachtet, die in unterschiedlichen Lösungen resultieren.
18.1.1
Beispiel 1
Die erste Schaltung soll zwei Kondensatoren mit Widerständen beinhalten, siehe Fig.
103. i(t) (Fig. 103) bzw. I(s) (Fig. 105) soll berechnet werden.
I(s) =
E
sZ(s)
Z(s) = R1 +
=
1
sC1
+
R2
1+sC2 R2
= R1 +
1+sR2 C1 +sR2 C2
sC1 (1+sC2 R2 )
(343)
sR1 C1 (1+sC2 R2 )+s(R2 C1 +R2 C2 )+1
sC1 (1+sC2 R2 )
Der Strom I(s) berechnet sich dann zu
I(s) =
1
EC1 (1 + sC2 R2 )
E s + R2 C2
=
1 + s(R1 C1 + R2 C1 + C2 R2 ) + s2 R1 C1 R2 C2
R1 s2 + as + b
(344)
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
R1
i(t)
142
C1
t=0
+
C2
R2
E(t)
-
Abbildung 103: Zeitbereich: Schaltung mit zwei Kondensatoren (zwei unabhängige
Speicher) (Beachte: C1 und C2 weisen keine Anfangsspannung auf)
E(t)
E
0
t
Abbildung 104: Spannungsquellenverhalten in der Schaltung der Fig. 103
wobei
a =
R1 C1 +R2 (C1 +C2 )
R1 C1 R2 C2
b
1
R1 C1 R2 C2
=
(345)
Die Art der Lösung wird durch die Wurzeln des Nennerpolynoms bestimmt. Und zwar
ergibt sich
p
0.25(R1C1 + R2 (C1 + C2 ))2 − R1 C1 R2 C2
R1 C1 R2 C2
(346)
Wie ersichtlich, resultieren zwei reelle Wurzeln, so dass für den Strom geschrieben
werden kann
E
s+β
I(s) =
(347)
R1 (s + α1 )(s + α2 )
α1/2 = −
wobei β =
0.5(R1C1 + R2 (C1 + C2 )) ±
1
R2 C2 .
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
Z=
R1
143
1
sC1
I(s)
E(s) =
E
s
Z=
R2
1
sC2
Abbildung 105: Laplace-Schaltung der Figur 103
Die Partialbruchzerlegung liefert
s+β
(s+α1 )(s+α2 )
=
A
s+α1
+
B
s+α2
1= A+B
(348)
β = Aα1 + Bα2
→A=
α1 −β
α1 −α2 , B
=
β−α2
α1 −α2
Der Stromverlauf im Zeitbereich ist dann
E
i(t) =
R1
α1 − β −α1 t
β − α2 −α2 t
e
+
e
α1 − α2
α1 − α2
(349)
Dieses Beispiel ist charakteristisch für Schaltungen mit zwei gleichartigen Speichern
(L oder C).
Schaltungen mit zwei gleichartigen Speichern weisen immer zwei reelle Wurzeln
auf und damit erhält der zeitliche Verlauf zwei Exponentialfunktionen.
18.1.2
Beispiel 2
Die zweite Schaltung soll sich aus einer Drosselspule und einem Kondensator zusammensetzen, siehe Fig. 106.
Es wird wieder eine Gleichspannung zugeschaltet und es soll der Strom berechnet
werden.
Z(s) = R + sL +
1
E
; I(s) =
sC
s(R + sL +
1
sC )
=
E
L(s2 + s R
L +
1
LC )
(350)
Die Art der Lösung wird, wie schon oben angeführt, durch die Wurzeln des Nenners
bestimmt.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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R
144
L
t=0
+
C
E(t)
-
Abbildung 106: Zeitbereich: Schaltung mit einer Drosselspule und einem Kondensator (Beachte: L hat keinen Anfangsstrom; C hat keine Anfangsspannung)
E(t)
E
0
t
Abbildung 107: Quelle im Zeitbereich für Schaltung der Fig. 106
Entweder der Nenner kann in
R
1
+
= (s + α1 )(s + α2 ); α1 , α2 = reell
L LC
(351)
R
1
+
= (s + α + jω)(s + α − jω) = (s + α)2 + ω 2
L LC
(352)
s2 + s
oder in
s2 + s
zerlegt werden.
Die Zerlegung ist abhängig von folgendem Ausdruck
1
LC
2
1
LC
−
R
2L
2
und zwar wenn
R
− 2L
negativ, sind zwei reelle Wurzeln α1 , α2 vorhanden, wenn
positiv, so ist ein paar komplexer Wurzeln vorhanden.
R
Z = sL
+
E(s) =
E
s
Z=
-
Abbildung 108: Laplace-Schaltung der Figur 106
1
sC
1
LC
−
R
2L
2
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
145
Zwei reelle Wurzeln führen zu einem ähnlichen Ergebnis wie bei Schaltungen mit
zwei gleichartigen Speichern. Bei Vorhandensein von komplexen Wurzeln lässt sich
der Strom I(s) auf die folgende Form bringen
I(s) =
wobei α =
R
2L
E
ω
ωL (s + α)2 + ω 2
s
ω=
1
−
LC
R
2L
(353)
2
(354)
Die Rücktransformation des Stromes ergibt
i(t) =
E −αt
sin ωt
e
ωL
(355)
Die Lösung ist also oszillatorisch (sinsförmig) und ist gedämpft. Eine Sinusform,
die mit einer exponentiell abklingenden Gewichtsfunktion multipliziert wird, bezeichnet man als gedämpfte Sinusschwingung.
In diesem Beispiel ist zu beachten, dass der Strom bei t = 0 mit Null beginnt.
Dies ist auch physikalisch richtig, denn die Schaltung enthält eine Drosselspule und
der Strom der Drosselspule kann sich nicht plötzlich ändern.
Ein solcher Stromverlauf ist in Fig. 109 gezeigt.
0.8
0.6
0.4
0.2
0
0.05
0.1
0.15
t
0.2
0.25
0.3
-0.2
-0.4
-0.6
-0.8
Abbildung 109:
2 · π · 50)
E
Stromverlauf in der Schaltung der Fig. 106 ( ωL
= 1, α = 10, ω =
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
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18.2
146
Anwendung der Laplace-Transformation (mit Anfangsbedingungen)
18.2.1
Beispiel 3
Zur Berücksichtigung von Anfangsbedingungen (Strom in der Drosselspule, Spannung
auf dem Kondensator) müssen die Regeln angewendet werden, die bei Schaltungen
mit einem Speicher abgeleitet wurden.
Es wird zur Erläuterung wieder die Schaltung in Fig. 106, diesmal mit einem
Anfangsstrom in der Drosselspule und einer Anfangsspannung auf dem Kondensator
betrachtet, siehe Fig. 110.
Die Spannungsgleichungen lauten wie folgt
E
= I(s)R + I(s)sL − Li0 + UC (s); I(s) = sCUC (s) − CUC0
s
R
L
t=0
iL(t)
i0 (t = 0− )
+
+
uC0 (t = 0− )
C
E(t)
(356)
-
-
Abbildung 110: Zeitbereich: Schaltung mit zwei Speichern, jeweils mit Anfangsbedingungen (uC0 : Anfangsspannung bei t = 0− , i0 : Anfangsstrom bei t = 0− )
E(t)
E
0
t
Abbildung 111: Quelle im Zeitbereich für Schaltung der Fig. 110
Es soll wieder der Strom I(s) berechnet werden. Dazu wird UC (s) aus der ersten
Gleichung in die zweite eingesetzt.
I(s) = sC( Es − I(s)R − I(s)sL + Li0 ) − CuC0
I(s)(1 + sRC + s2 LC) = sCLio − Cuco + EC
(357)
In der Lösung des Stromes können nun drei Komponenten unterschieden werden.
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
R
Z = sL
-
147
+
I(s)
L · i0
Z=
+
E(s) =
E
s
+
-
1
sC
uC0
s
-
Abbildung 112: Laplace-Schaltung der Figur 110
I(s) =
L(s2
E
+ sR
L +
1
LC )
−
L(s2
uco
+ sR
L +
1
LC )
+
s2
sio
+ sR
L +
1
LC
(358)
Die erste Komponente ist identisch mit der Stromform, die für die Schaltung Fig.
109 ermittelt wurde.
Die zweite Komponente ist von der Anfangsspannung des Kondensators abhängig.
Sie ergibt die gleiche Stromform wie die erste Komponente, wobei das Vorzeichen von
der Polarität der Anfangsspannung abhängt.
Die dritte Komponente gibt den Einfluss des Anfangsstromes wieder. Der zeitliche
Verlauf dieser Komponente ist cosinusförmig, da der Strom i(t) zur Zeit t = 0 mit der
Amplitude i0 beginnen muss.
Der gesamte Stromverlauf muss demnach sein
i(t) =
18.2.2
E − uco − io R
L −αt
sin ωt + io e−αt cos ωt
e
ωL
(359)
Beispiel 3
Es soll die Entladung eines Kondensators in einem Schaltkreis zeigen, der noch einen
zweiten Kondensator beinhaltet. Das Schema ist in Fig. 113 gegeben.
C1
R1
i(t)
-
+
uC0
t=0
R2
C2
Abbildung 113: Zeitbereich: Schaltung mit Kondensatoren als Speicher-Entladung
(uc0 : Anfangsspannung bei C1 ; C2 weist keine Anfangsspannung auf)
Nach dem Schliessen des Schalters gilt
I(s) R1 +
1
sC1
−
uC0
R2
=0
+ I(s)
s
1 + sR2 C2
(360)
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
Z=
R1
I(s)
148
1
sC1
-
+
uC0
s
R2
Z=
1
sC2
Abbildung 114: Laplace-Schaltung der Figur 113
oder neu geordnet
uC0
1
R2
+
)
= I(s)(R1 +
s
sC1
1 + sR2 C2
Der Klammerausdruck auf einen gemeinsamen Nenner gebracht ergibt:
s2 R1 C1 R2 C2 + s(R1 C1 + R2 C2 + R2 C1 ) + 1
sC1 (1 + sC2 R2 )
(361)
(362)
In einem weiteren Schritt wird der Strom I(s) durch die Anfangsspannung uC0 und
den obigen Quotienten ausgedrückt. Dabei wird die untenstehende Form erreicht.
I(s) =
uC0
s + α3
· 2
R1 s + as + b
(363)
wobei die folgenden Substitutionen vorgenommen wurden:
α3 =
1
R1 C1 + R2 C2 + R2 C1
1
; a=
; b=
R1 C1
R1 C1 R2 C2
R1 C1 R2 C2
(364)
Von hier aus gilt es, den mit s behafteten Ausdruck in (363) in Partialbrüche zu
zerlegen.
s2
s + α3
B
s + α3
A
+
=
=
+ as + b
(s + α1 )(s + α2 )
s + α1
s + α2
(365)
wobei A und B aus
s + α3 = A(s + α2 ) + B(s + α1 )
(366)
zu bestimmen sind. Die Wurzeln α1 und α2 werden aus dem Polynom ermittelt.
An diesem Punkt ist es sinnvoll, die gegebenen Zahlenwerte einzusetzen, wobei
man erhält:
α3
= 4166.7
α1
= 5260
a
= 5458
α2
= 199
b
= 1.0416.106
A = 0.216
B = 0.784
Damit erhält man für den zeitlichen Verlauf des Stromes
i(t) = 0.4167(0.216e−5260t + 0.784e−199t)
(367)
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
149
Durch Kontrolle des Anfangszustandes und Endzustandes kann das Ergebnis
überprüft werden. Der Anfangsstrom nach dem Schliessen des Schalters ist nur durch
die Spannung über dem Kondensator und durch den Widerstand R1 bestimmt.
i(t = 0) =
uC0
= 0.4167A
R1
(368)
Im Endzustand muss der Strom Null werden, was aus dem Ergebnis (367) ersichtlich ist. Eine weitere Kontrolle ist durch eine Bilanz der Energien möglich. So
muss die anfänglich auf dem Kondensator C1 gespeicherte Energie in den beiden Widerständen als Verlustarbeit verbraucht werden. Letztere kann durch Integration der
Verlustleistungen bestimmt werden.
18.2.3
Beispiel 4
Als weiteres Beispiel wird das Einschalten einer Wechselspannung auf einen RLC-Kreis
untersucht, wofür in Fig. 115 ein entsprechendes Schema angegeben ist.
R
t=0
+
Ecos(ωt)
L
C
-
Abbildung 115: Zeitbereich: Schaltung mit R-, L- und C-Elementen (kein Anfangsstrom (L) und keine Anfangsspannung (C))
Die Daten der Aufgabe der Fig. 115 sind wie folgt:
R = 200Ω
L = 0.24H
C = 6.8µF
f = 200Hz
E = 48V
Gefragt ist der von der Schaltung aufgenommene Strom. Da in diesem Fall keine
Anfangswerte in den Speichern vorgegeben sind, ermittelt sich der Strom auf einfache
Weise durch Spannung dividiert durch die Impedanz des Kreises.
In transformierter Form gilt
E(s) =
Es
s2 + ω 2
(369)
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
1
1
RC s + LC
1
s2 + LC
R s2 +
Z(s) =
150
(370)
Daraus rechnet sich der gesuchte Strom I(s) wie folgt
1
Es s2 + LC
E(s)
I(s) =
=
1
Z(s)
R(s2 + ω 2 ) s2 + RC
s+
1
LC
(371)
der in Partialbrüche zerlegt werden muss. Dabei sei vorausgeschickt, dass die Daten so
gewählt wurden, dass der Ausgleichsvorgang in einer schwachgedämpften Schwingung
resultiert. Für die Partialbruchzerlegung kann demnach der folgende Ansatz gemacht
werden, wobei die Stromamplitude E/R vorerst getrennt wird.
As + Bω C(s + α) + Dω1
+
s2 + ω 2
(s + α)2 + ω12
(372)
wobei α und ω1 aus (371) zu ermitteln ist.
1
α=
, ω1 =
2RC
s
1
1
−
LC
(2RC)2
(373)
Die Koeffizienten A, B, C, D werden durch Koeffizientenvergleich errechnet, wobei der
Ausdruck im Zähler von (371) herangezogen wird.
s3 1
=A+C
s2 0
= 2αA + Bω + Cα + Dω1
1
s
1
LC
s0 0
=
A(ω12
2
+ α ) + 2αωB + Cω
2
(374)
= B(ω12 + α2 ) + Cωα + Dωω1
Um nun die Koeffizienten numerisch zu bestimmen, ist es sinnvoll, die Werte für
α, ω und ω1 in das entsprechende Gleichungssystem einzusetzen und dieses mit Hilfe
eines Rechenprogramms aufzulösen. Das Ergebnis dieser Operationen sieht wie folgt
aus:
• A = 0.5224
• B = -0.4995
• C = 0.4776
• D = 0.0983
Die Lösung für den Strom erhält man, wenn man diese Werte mit der Amplitude
E/R multiplizert. Dies ergibt
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
151
i(t) = 0.1254 cos ωt − 0.1199 sin ωt + e−367.6t(0.1146 cos ω1 t + 0.0236 sin ω1 t)
= 0.1735 cos(ωt + 43.7◦) + e−367.7t0.117 cos(ω1 t − 11.6◦)
(375)
wobei
• ω = 1256.6 rad/s
• ω1 = 691.1 rad/s
• α = 367.6 1/s
Die Lösung besteht somit aus einer stationären Sinusschwingung mit der Frequenz
200 Hz und einer abklingenden Sinusschwingung mit 110 Hz.
Zur Kontrolle lassen sich die folgenden Überlegungen anstellen. Die Sinus- und
Cosinusglieder der Frequenz ω sind die stationären Lösungen, die man auch erhalten
hätte, wenn man nur eine Wechselstromanalyse ausgeführt hätte. Der anfängliche
Stromstoss E/R setzt sich aus der Amplitude des stationären Cosinusgliedes und eines ergänzenden Cosinusgliedes der Frequenz ω1 zusammen. Kennt man den ersten
Stromstoss und die stationäre Lösung, so kann die Amplitude des Cosinusgliedes für
ω1 ohne eine Partialbruchzerlegung ermittelt werden bzw. der Koeffizientenvergleich
reduziert sich auf die Bestimmung der Koeffizienten B und D.
19
Normierte Antwortkurven
Bei den bisher behandelten Schaltungen und Systemen mit zwei Speichern zeigt sich
immer wieder in der transformierten Lösung für den Strom oder die Spannung, aber
auch in der Impedanz-, Admittanz- und Übertragungsfunktion ein Polynom zweiten
Grades. Nach der Partialbruchzerlegung erscheint eine Komponente mit diesem Polynom, die im Zeitbereich entweder einer abklingenden Sinusfunktion oder einer Summe
zweier Exponentialfunktionen entspricht. Diese Funktion bzw. dieser Lösungsanteil
kann eindeutig den passiven Komponenten der Schaltung zugeordnet werden und zwar
gleichgültig, ob die Schaltung durch einen Stoss, einen Impuls oder eine Sinusfunktion
angeregt wird. Eine Trennung von Anteilen mit Polynomen zweiten Grades ist auch
bei komplexeren Schaltungen möglich und damit gelten die folgenden Überlegungen
auch für allgemeinere Schaltungsanordnungen.
Ein Beispiel soll den Sachverhalt verdeutlichen. Dazu wird eine Reihenschaltung
von Widerstand, Spule und Kondensator mit einer Rechtecksspannung beaufschlagt.
Die Schaltung ist in Fig. 116 gegeben. Gesucht ist der Strom in der Schaltung. Es
könnte aber genauso gut nach der Spannung über dem Kondensator gefragt werden.
Die Rechnung mit transformierten Variablen ergibt das nachstehende Ergebnis.
Die rechtecksförmige Spannung resultiert in der folgenden transformierten Form:
c
35-042 - Version: 26. Mai 1999- R.
Bacher ETHZ
C
L
R
152
i(t)
u(t)
Abbildung 116: Reihenschaltung von Widerstand, Spule und Kondensator
U
s
Die Eingangsimpedanz für den Schaltkreis lautet
(376)
U (s) =
Z(s) = R + sL +
1
sC
(377)
Damit ergibt sich der Strom im Schaltkreis zu
I(s) =
U (s)
U
=
Z(s)
s(R + sL +
1
sC )
=
U
UC
L
=
1 + sRC + s2 LC
s2 + s R
L +
1
LC
(378)
Würde man eine Parallelschaltung von Widerstand, Spule und Kondensator mit
einem Stromstoss anregen, siehe Fig. 117, so entsteht über der Anordnung eine Spannung von der Form, wenn I(s) = Is
U (s) =
s2 +
I
C
1
s RC
+
(379)
1
LC
i(t)
R
C
L
Bezugsknoten
Abbildung 117: Parallelschaltung von Widerstand, Spule und Kondensator
c
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Wie erwähnt, lassen sich bei andersgearteten Anregungsfunktionen Komponenten
mit einem Nennerpolynom zweiter Ordnung in entsprechender Form abspalten.
Das Nennerpolynom lässt sich in der Form
s2 + 2ζωn s + ωn2
(380)
darstellen. Dabei ist ωn eine Frequenz, die als die Resonanzfrequenz der ungedämpften
Schaltung interpretiert werden kann. Der Koeffizient ζ ist dimensionslos.
Stromberechnung in Abhängigkeit von ζ
lässt sich damit folgendermassen darstellen.
I(s) =
Der Strom in der Schaltung Fig. 116
U
U
1
1
=
2
2
L s + 2ζωN s + ωN
L (s − p1 )(s − p2 )
(381)
Hier stellen p1 und p2 die zwei Nullstellen des Nennerpolynoms dar.
Diese Nullstellen berechnen sich allgemein wie folgt:
p1,2 =
−2ζωN ±
q
2 − 4ω 2
4ζ 2 ωN
N
2
= −ζωN ± ωN
q
ζ2 − 1
(382)
FALL 1: Für ζ 2 > 1 ergeben sich 2 reelle Pole:
p1,2 = −ζωN ± ωN
q
ζ2
− 1 = ωN −ζ ±
q
ζ2
−1
(383)
FALL 2: Für ζ 2 < 1 ergeben sich 2 konjugiert komplexe Pole:
p1 , p∗1 = −ζωN ± jωN
q
q
1 − ζ 2 = ωN −ζ ± j 1 − ζ 2
(384)
Für Fall 1 muss der Ansatz nun wie folgt gewählt werden:
I(s)F ALL
1
=
A
B
+
s − p1 s − p2
(385)
während für Fall 2 wegen der konjugiert komplexen Pole der folgende Ansatz gewählt
wird:
C
C∗
I(s)F ALL 2 =
+
(386)
s − p1 s − p∗1
Beim Fall 1 bestimmen sich die Koeffizienten A und B gemäss (255):
U
U
1
1
p
=
L p1 − p2
L 2ωN ζ 2 − 1
(387)
U
U
1
1
p
=−
= −A
L p2 − p1
L 2ωN ζ 2 − 1
(388)
A = (s − p1 )I(s)|s=p1 =
B = (s − p2 )I(s)|s=p2 =
Somit gilt für den Fall 1 im Zeitbereich:
i(t) = Aep1 t + Bep2 t
U
1
p
=
e
L 2ωN ζ 2 − 1
−ζωN +ωN
√
ζ 2 −1 t
−e
−ζωN −ωN
√
!
ζ 2 −1 t
(389)
c
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Fall 2 ist ein wenig komplizierter, wird jedoch genauso bearbeitet, siehe (257):
C = (s − p1 )I(s)|s=p1 =
U
U
jU
1
1
1
p
p
=
=−
∗
2
L p1 − p1
L 2jωN 1 − ζ
L 2ωN 1 − ζ 2
(390)
Für Fall 2 bestimmt sich somit die Zeitfunktion i(t) wie folgt:
q
q
U
U
p
e−ζωN t cos(ωN 1 − ζ 2 t−90o ) =
e−ζωN t sin(ωN 1 − ζ 2 t)
ωN L 1 − ζ 2
ωN L 1 − ζ 2
(391)
Diese Funktion ist normiert für U = 1 in Fig. 118 und Fig. 119, obere Graphenschar,
dargestellt und zwar für den variierenden Parameter ζ.
Aus dem Koeffizientenvergleich von (378) und (381) kann man herauslesen, dass
i(t) =
p
2
ωN
=
1
LC
und
(392)
s
R
R
ζ=
=
2LωN
2
C
L
(393)
Die Variation des Parameters
ζ bedeutet also bezogen auf die Schaltung der Fig. 116,
q
R
C
dass sich der Faktor 2 L ändert.
Im nachfolgenden Text wird angenommen dass
U = 1; ωN = 1
womit z.B. L = 1, C = 1 gewählt wird. Bei dieser Wahl von L und C wird ζ =
R
2.
Spannungsberechnung in Abhängigkeit von ζ Genauso wie der zeitliche Verlauf des Stromes der Fig. 116 diskutiert wurde, kann auch die Spannung uc (t), d.h.
die Spannung über der Kapazität analysiert werden.
Uc (s) =
1
U
1
I(s) =
sC
LC s(s − p1 )(s − p2 )
(394)
Auch hier ergeben sich zwei Fälle, da der Wurzelausdruck für die Pole p1 und p2
grösser oder kleiner als Null werden kann.
In Analogie zum vorher diskutierten Fall 1 (ζ 2 > 1) gilt für die Spannung Uc (s):
Uc (s)F ALL
1
=
D
F
E
+
+
s
s − p1 s − p2
D = sUc (s)|s=0 =
E = (s − p1 )Uc (s)|s=p1 =
U 1
=U
LC p1 p2
U
U
1
1
= p
p
LC p1 (p1 − p2 )
2 ζ 2 − 1 −ζ + ζ 2 − 1
(395)
(396)
(397)
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und
F = (s − p2 )Uc (s)|s=p2 =
U
1
U
1
= p
p
LC p2 (p2 − p1 )
2 ζ2 − 1 ζ + ζ2 − 1
(398)
Die entsprechende Zeitfunktion ist nun:
uc (t) = D + Eep1 t + F ep2 t
wobei
p1 = ωN −ζ +
und
p2 = ωN −ζ −
q
q
ζ2
(399)
−1
ζ2 − 1
(400)
(401)
Für den Fall 2 (ζ 2 < 1) gilt:
Uc (s)F ALL
2
=
U
1
LC s(s − p1 )(s − p∗1 )
(402)
In Analogie zum vorher diskutierten Fall 2 (ζ 2 < 1) gilt für die Spannung Uc (s):
Uc(s)F ALL
2
=
G
H∗
H
+
+
s
s − p1 s − p∗1
mit
q
p1,2 = ωN −ζ ± j 1
(403)
− ζ2
G und H bestimmen sich wie folgt:
G = sUc (s)|s=0 =
U 1
=U
LC p1 p∗1
(404)
und
H = (s − p1 )Uc (s)|s=p1
q
U
1
U
p
=
−
1 − ζ 2 + jζ
=
LC p1 (p1 − p∗1 )
2 1 − ζ2
(405)
Somit folgt:
U
|H| = p
2 1 − ζ2
und
6
(H) = 180o − arctan p
(406)
ζ
1 − ζ2
(407)
Die entsprechende Zeitfunktion ist nun:
uc (t) = G + 2|H|eαtcos (β · t + 6 (H))
(408)
α = Realteil(p1 ) = −ζωN
(409)
wobei
c
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und
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q
β = Imaginärteil(p1 ) = ωN
1 − ζ2
(410)
Diese vom Parameter ζ abhängigen Zeitfunktionen der Spannung uc (t) sind in der
Graphenschar der Fig. 119 eingezeichnet mit der Annahme von U = 1, ωN = 1, L =
1, C = 1.
Die Antwortfunktion, sei es Strom oder Spannung, lässt sich auf diese Weise im
wesentlichen durch den Parameter ζ charakterisieren. Er bestimmt die Dämpfung der
Schaltung und damit die Form der Antwortfunktion. Daher wird dieser Parameter
auch als Dämpfungsverhältnis bezeichnet. Bezieht man noch dazu das Polynom auf
die ungedämpfte Resonanzfrequenz ωN , so lassen sich genormte Antwortfunktionen in
einem Diagramm zeichnen, die sich nur durch das Dämpfungsverhältnis ζ voneinander
unterscheiden, siehe Fig. 118 und 119. Das Dämpfungsverhältnis kennzeichnet die
Antwort auf eine sehr deutliche Art und Weise. Ist ζ sehr klein, so schwingt die
Antwort mit geringer Dämpfung, bewegt sich ζ in die Nähe von 1, so wird die Antwort
stark gedämpft und nähert sich einer aperiodischen Form. Ist ζ grösser als 1, so
entsteht eine abklingende Form ohne Schwingung.
1
0.5
0
5
10
t
15
20
-0.5
-1
Abbildung 118: Normierte Strom-Antwortkurven - System mit zwei Speichern (ζ
< 1 unterkritische Dämpfung, ζ = 1 kritische Dämpfung, ζ > 1 überkritische
Dämpfung)
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157
2
1.5
1
0.5
0
5
10
t
15
20
Abbildung 119: Normierte Spannungs-Antwortkurven - System mit zwei Speichern
(ζ < 1 unterkritische Dämpfung, ζ = 1 kritische Dämpfung, ζ > 1 überkritische
Dämpfung)
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Literatur
[1] J.Hugel. Elektrotechnik - Grundlagen und Anwendungen. Teubner Studienbuecher,
Elektrotechnik, Stuttgart, Leibzig, 1998, ISBN, 3-519-06259-3.
[2] Sergio Franco. Electric Circuit Fundamentals. International Edition; Saunders
College Publishing, Harcout Brace College Publishers, 1995, ISBN 0-03-072307-8.
[3] Joseph A. Edminster. Elektrische Netzwerke. Schaum’s Outline - McGraw-Hill
Book Co. (deutsche Ausgabe 1989).
[4] R. Yorke. Electric Circuit Theory. Pergamon Press 1986, 2nd. Edition.
[5] David E. Johnson, Johnny R. Johnson, and John L. Hilburn. Electric Circuit
Analysis. Prentice-Hall International Editions 1989.
[6] H. Fricke and P. Vaske. Grundlagen der Elektrotechnik, Teil. 1: Elektrische Netzwerke. B. G. Teubner Stuttgart 1982.
[7] James A. Reynolds. Applied Transformed Circuit Theory for Technology. John
Wiley and Sons 1985.
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