AAAC_NF Kapitel 13

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EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362)
IM WS 2011/2012
Kapitel 13: Die „frühen“ Übergangsmetalle
(Gruppe 3 bis 7 und Lanthanide)
13.1 Übersicht
3. Gruppe
4. Gruppe
Scandium Sc
Titan Ti
(21)
(22)
Yttrium Y
Zirkonium Zr
(39)
(40)
Lanthan La
Hafnium Hf
(57)
(72)
Anzahl der Valenzelektronen 1
3
4
2
Oxidationsstufen
2, 3
3, 4
5. Gruppe
Vanadium V
(23)
Niob Nb
(41)
Tantal Ta
(73)
6. Gruppe
Chrom Cr
(24)
Molybdän Mo
(42)
Wolfram W
(74)
7. Gruppe
Mangan Mn
(25)
Technetium Tc
(43)
Rhenium Re
(75)
5
6
7
2, 3, 4, 5
1, 2, 3, 4, 5, 6
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7
1
Die Unterteilung in n s und (n-1) d-Elektronen ist unterschiedlich in den Gruppen und ist nur für
die Elemente von Bedeutung. Für chemische Verbindungen sind die Valenzelektronen immer dElektronen, deswegen heißen die Elemente auch d-Block-Elemente. Das ist auch sehr hilfreich, so
ist z.B. die Valenzelektronenkonfiguration von Cr(II) = [Ar]3d4 und von Mn(II) = [Ar]3d5. 2 In
arabischen Zahlen (ausnahmsweise), in Fettschrift = wichtige Oxidationsstufen
Lanthan und die Lanthaniden
Ce
Pr
La
2
1
2 2
6s 4f
6s24f3
6s 5d
Lanthan Cer
Praseodym
(57)
(58)
(59)
Tb
Dy
6s24f9
6s24f10
Terbium
Dysprosium
(65)
(66)
•
•
•
Nd
6s24f4
Neodym
(60)
Ho
6s24f11
Holmium
(67)
Pm
6s24f5
Promethium
(61)
Er
6s24f12
Erbium
(68)
Sm
6s24f6
Samarium
(62)
Tm
6s24f13
Thulium
(69)
Eu
6s24f7
Europium
(63)
Yb
6s24f14
Ytterbium
(70)
Gd
6s25d14f7
Gadolinium
(64)
Lu
6s25d14f14
Lutetium
(71)
3. und 4. Gruppe, sowie Lantanide sind stark elektropositive Elemente (reagieren teilweise
heftig mit Wasser, bilden bevorzugt Oxide)
Oxidationsstufen bei den d-Block-Elementen nahezu beliebig bis zur maximalen
Oxidationsstufe = Gruppennummer (in den Nebengruppen: Stabilität der höchsten
Oxidationsstufe nimmt nach unten hin zu!)
Oxidationsstufen bei den Lanthaniden = +3 (daneben auch: +2 ⇒ Eu, Yb und +4 ⇒ Ce)
13.2 Vorkommen, Darstellung und Verwendung
Häufigkeit der Lanthanoide und frühe Übergangsmetalle (in ppm)
3. Gruppe
4. Gruppe
5. Gruppe
6. Gruppe
Sc 25
Ti 6320
V 136
Cr 122
Y 31
Zr 162
Nb 20
Mo 1,2
La 35
Hf 2,8
Ta 1,7
W 1,2
125
7. Gruppe
Mn 1060
Tc 5.10–16 a
Re 0,0007
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a
Zusätzlich sind weltweit sind mehrere hundert Kilogramm 99Tc gelagert.
Häufigkeit der Lanthanide (Seltenerd-Elemente) (in ppm)
Ce 66
Pr 9.1
Nd 40
Pm 4,5.10–20 Sm 7,0
Tb 1,2
Dy 4,5
Ho 1,4
Er 3,5
Tm 0,5
Im Vergleich dazu:
Fe 62000
Cu 68
Ru 0,0001
Rh 0,0001
Ir 0,001
Eu 2,1
Yb 3,1
Gd 6,1
Lu 0,8
Au 0,004
Hg 0,08
Lanthanoide: Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium und die Lanthanide: Die
Lanthanide
werden auch Seltenerdelemente genannt. Tatsächlich sind die entsprechenden Oxide dieser
Elemente nicht sehr selten in der Erdkruste sondern eher auffallend homogen verteilt, was ihre
Identifikation lange Zeit erschwert hat. Konzentrierte Vorkommen gibt es in Skandinavien im
Speziellen in der Nähe von Ytterby (Schweden), daher auch die Häufung skandinavischer Namen:
Scandium, Yttrium, Terbium, Holmium, Erbium, Thulium, Ytterbium.
Vorkommen der Lanthanide Ln: Es gibt ca. 100 Minerale, zwei davon von wirtschaftlicher
BedeutungMonazit MPO4, Bastnäsit M(CO3)F (M = La, Th, Ln)
Darstellung: Reduktion von LnF3 mit Ca (Bildung von CaF2) oder Elektrolyse von LnCl3Schmelzen
Verwendung:
• Metalle als Legierungsbestandteile für Stähle
• Mischmetall (Stahl + 1% Ln) als Feuersteine
• Eu-Verbindungen als Leuchtstoffe in Bildschirmen (Röhren und LED)
• Ln2O3 als Katalysatoren beim Cracken von Erdöl
• LnX2 (vor allem SmI2) als Reduktionsmittel (E0 ~ –1,6 V)
Titan: Häufiges Element (6320 ppm); Titan ist der Name eines Jupitermondes; Mythologisch ist
ein Titan ein Nachkomme der Gaia und des Uranos. Einer von ihnen heißt Kronos und ist der Vater
von Zeus.
Vorkommen: Die wichtigsten Mineralien sind Ilmenit (FeTiO3) und Rutil (TiO2).
Darstellung: Die Reduktion der Metalloxide der 3.-7. Gruppe mit Kohlenstoff wie beim Eisen ist
nicht einfach möglich (→ Carbidbildung). Die Elemente sind teilweise sehr reaktiv gegenüber O2
und H2O → Elektrolyse schwierig
Kroll-Verfahren (für Ti):
2 FeTiO3 + 7 Cl2 + 6 C –(900°C)→ 2 TiCl4 + 2 FeCl3 + 6 CO
TiCl4 wird destillativ abgetrennt und dann zersetzt:
TiCl4 + 2 Mg –(950-1150°C)→ Ti + 2 MgCl2 (unter Argon als Schutzgas)
Für Zr, Hf, V, Nb und Ta existieren analoge Verfahren.
********************************************************************************
<EXKURS: DAS VAN-ARKEL-DE-BOER-VERFAHREN ZUR REINIGUNG DER GRUPPE 4 - 6 METALLE>
Ti (s) + 2 I2 –(500°)→ TiI4 (g)
TiI4 (g) –(1200°)→ Ti (s) + 2 I2
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Transportreaktion: Bei 500° reagiert Titan mit Iod unter Bildung von flüchtigem TiI4,
Verunreinigungen bleiben zurück. Dieses TiI4 ist im heißen Bereich (1200°) des Reaktors nicht
stabil und wird dort zersetzt. Somit wird Titan in Richtung des Temperaturgradienten (hier
ansteigend) „transportiert“.
Und was hat die Glühlampe damit zu tun?
an der rel. kalten Glasoberfläche
kondensieren die verdampften W-Atome
Schutzgas
(Argon)
.
. . . ..
. . .. . .
.
..
Verdampfendes W reagiert mit X2 zu WX4
an der heißen
Glühwendel
zersetzt sich
WX4 zu W
und X2 (Transport)
X2-Gas
W-Draht
W-Draht
Normale Glühbirne
Halogenlampe
Während bei der normalen Glühbirne die Wolfram-Glühwendel während des Betriebs an Substanz
verliert (was dann letztendlich zum Wendel-Bruch führt), wird verdampfendes W in der
Halogenlampe durch die Transportreaktion wieder "recycelt". Die X2-Lampe kann daher mit einer
höheren Leistung betrieben werden, wodurch sie heißer ist und somit heller leuchtet, ohne früher
durchzubrennen.
Die Chemie ist etwas anders als beim Van Arkel / de Boer – Verfahren. Vereinfacht:
W + 2 I2 + O2 WI4O2
/
WI4O2 WI4 + O2 W + 2 I2 + O2
********************************************************************************
Verwendung von Titan (Ti):
• Metallisches Titan und seine Legierungen sind zur Herstellung von technischen
Gegenständen, bei denen es auf geringes Gewicht und hohe mechanische Belastbarkeit
und chemisches Inertität (Passiverung) ankommt, von großer Bedeutung. Daher finden sie
im Fahr- und Flugzeugbau, in der Weltraumfahrt, im Schiffs- und U-Bootbau, im
Anlagenbau und im chemischen Apparatebau, z.B. bei der Salpetersäureherstellung
vielfältige Anwendungen. In der Medizintechnik werden Schrauben, Prothesen und
künstliche Gelenke aus Titan und Titanlegierungen hergestellt. Das Metall wird auch in
Brillenfassungen, Uhren und Schmuck verwendet.
künstliches Hüftgelenk aus Ti/Nb-Legierung
Uhr mit Titangehäuse
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Eigentlich ist Titan aufgrund seiner geringen elektronegativität ein sehr reaktives Metall und sollte
mit O2 oder H2O rasch und heftig reagieren. Es passiviert indes sehr effektiv unter Bildung von sehr
stabilen und unreaktiven Überzügen mit TiO2.
•
•
TiO2 ist industriell das wichtigste Weißpigment (Anstrichfarben, Papier, Sonnencreme ...).
TiCl4 ist ein wichtiger Heterogen-Katalysator für die Polymerisation von Ethylen und
Propylen (Polyethylen, Polypropylen)
Vanadium: Häufiges Element (136 ppm); sehr häufig in der Biosphäre und essentiell
Vorkommen: Viele Minerale, wenige davon haben wirtschaftliche Bedeutung, z.B. Vanadinit
Pb5(VO4)3Cl (isomorph mit Apatit Ca5(PO4)3(F,Cl,OH). Die wesentlichen Mengen werden aus
Rohöl gewonnen.
Darstellung: Durch Reduktion. A) V2O5 + 5 Ca –(950° C)→ 2 V + 5 CaO; B) VCl5 mit H2 oder
Mg.
Verwendung:
• V-Metall als Stahlzusatz
• V2O5 als Oxidationskatalysator (Kontaktverfahren)
• V-abhängige Oxigenasen
Niob und Tantal:
Vorkommen: wichtigstes Mineral: Kolumbit oder Tantalit (Fe,Mn)M2O6 (auch Coltan genannt).
Darstellung: Nb und Ta durch Schmelzelektrolyse aus K2[NbOF5] bzw. K2[TaF7] oder durch
Reduktion mit C bei 1700 – 2300°C: M2O5 + 5 C 2 M + 5 CO. Hochreines Nb und Ta durch
Reduktion mit Na.
Verwendung: Produktion von Nb, Ta bis ca. 1990 einige t/a Verwendung in Legierungen. Seit ca.
1995 werden von Ta einige 100000t/a hergestellt, Tendenz stark steigend. Verwendung als
Kondensatoren in Mobiltelefonen, Mikrocomputer, Spielekonsolen etc. Der Preis von Ta ist dabei
von ca. 100 €/kg auf 600 – 700 € in 2001 und 2002 hochgeschnellt. Er sinkt gerade wieder stark (ca.
80€/kg) weil mittlerweile Nb erfolgreicher eingesetzt wird. Hauptfundgebiete von Ta sind u.a.
Kongo, Uganda, Nigeria. Hauptfundgebiet von Nb ist Brasilien.
Chrom – Molybdän - Wolfram:
Vorkommen:
• Oxid: Cr2O3 (grün); Chromit FeCr2O4 (Chromeisenstein) – sehr häufig; Färbung von
Edelsteinen: Smaragd (grün): Cr(III), V(III); Rubin (rot): Cr(III); Amethyst (violett): Cr(III),
Ti(IV) (Grundstruktur Al2O3!);
• Chromalaun: K2AlCr(SO4)4; (auch hier zusammen mit Al!)
• Chromate: Krokoit PbCrO4
• Sulfide: Molybdänit: MoS2
• Molybdate, Wolframate: Wulfenit: PbMoO4; Powellit: Ca(MO4) (M = Mo, W); Scheelit:
CaWO4; Wolframit: (Fe,Mn)WO4
Darstellung von metallischem Chrom:
128
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•
•
•
Thermit-Verfahren: Cr2O3 + 2 Al Al2O3 + 2 Cr.
Reduktion mit Silicium: 2 Cr2O3 + 3 Si 4 Cr + 3 SiO2 (hochreines Chrom).
Elektrolytisch zur Darstellung von Chrom-Überzügen (für verchromte Metallteile als
Korrosionsschutz und wegen der Optik → bläulicher Glanz):
Cr3+ + 3e− Cr
oder CrO42− + 8 H+ + 6e− Cr + 4 H2O
Darstellung von Wolfram oder Molybdän: MO3 + 3 H2 –(850°C)→ M + 3 H2O
Verwendung der Metalle:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Ferrochrom (ca. 60% Cr) als Ausgangsmaterial für Chromstähle:
z.B. V2A-Stahl: 71% Fe, 20% Cr, 2% Ni, je 0,2% Mn, Si, C.
CrO2 in Magnetbändern als magnetisches Speichermaterial
In Chrom-Beschichtungen („Verchromen“): verchromte Metallteile als Korrosionsschutz
und wegen der Optik (bläulicher Glanz)
Molybdän in Stählen
Molybdänverbindungen (z.B. MoS2) als Katalysatoren für die Dehydrosulfurierung und
Dehydronitrogenierung von Erdöl
MoS2 als Schmiermittel
Wolfram als Glühfaden in Glühbirnen (s. oben)
Wolframcarbid WC: extrem hartes Material → Werkzeuge. WO3 + 4 C → WC + 3 CO
Mangan:
Vorkommen:
• Oxid: Pyrolusit MnO2 (Braunstein); Manganit Mn2O3; Hausmannit Mn3O4
• Carbonat: Rhodochrosit MnCO3
• Manganknollen: Oxide/Hydroxide von Mn (27 – 30%), Fe (6%), Al, Ni, Cu, Co …
Darstellung:
•
•
•
Ferromangan: aus MnO2 + Fe2O3 + Koks (im Hochofen).
Reines Mangan: Aluminothermisch 3 Mn3O4 + 8 Al → 9 Mn + 4 Al2O3
Reines Mn elektrolytisch aus MnSO4
Verwendung:
•
•
Ferromangan; Mangan in Stählen: Schwefel würde in Form von FeS das Material spröde
machen. Mn dient als S-Fänger und bindet S in Form von MnS. Sauerstoff O2 im Eisen führt
zu Blasenbildung und Rissbildung beim Abkühlen. Mn bindet O in Form von MnO2 und
verhindert die Bildung von molekularem O2.
Mangan ist essentiell. Besonders wichtig im Wasser-oxidierenden Zentrum (WOC) bei der
Produktion von O2 in grünen Pflanzen: 2 H2O O2 + 4e– + 4 H+
13.3 Verbindungen und Reaktionen
13.3.1 Titan(IV)
TiCl4 ist sehr hydrolyseempfindlich: TiCl4 + 4H2O [Ti(OH)4] + 4 HCl
[Ti(OH)4] ist in dieser Form nicht existent und zerfällt zu TiO2.2H2O (vgl. SiCl4 und Si(OH)4).
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Versuch: Hydrolyse von TiCl4
13.3.2 Titan(IV)/Titan(III)
Versuch: Reduktion von Titan(IV)in wässriger Lösung: Ti(SO4)2 + Zn,HCl → [Ti(H2O)6]3+
(rotviolett)
********************************************************************************
<EXKURS: KOORDINATIONSVERBINDUNGEN – KOMPLEXE>
Eine typische Eigenschaft von Übergangsmetallen (ÜM) ist die Bildung von
Koordinationsverbindungen (auch Komplexe genannt). Diese Eigenschaft unterscheidet sie ganz
wesentlich von den Hauptgruppen-Metallen. Im Folgenden soll daher näher darauf eingegangen
werden.
Historische Entwicklung
Der Begriff Komplex stammt aus dem 19. Jhd.
Verbindungen 1. Ordnung = Verbindungen aus einzelnen Atomen gebildet. In ihnen stimmt die
Anzahl der an ein zentrales Atom gebundenen weiteren Atome mit der Wertigkeit überein. Zum
Beispiel die „Hydride“ der 2. Periode:
LiH, BeH2, BH3, CH4, NH3, OH2 FH (8-N-Regel; N = Hauptgruppennummer)
Oder auch die „Chloride“ der 3. Periode:
NaCl, MgCl2, AlCl3, SiCl4, PCl3, SCl2, Cl2 (8-N-Regel)
Das alles folgt der von van’t Hoff (Jacobus Henricus van’t Hoff 1852 – 1911 N.P.1901) und Le Bel
(Joseph Le Bel (1847 – 1930) entwickelten Theorie des vierwertigen Kohlenstoffs
(Valenztheorie). Die Valenz als fundamentale Konstante eines Atoms bestimmt die Anzahl und
Anordnung (Stereochemie) der umgebenden (gebundenen) Atome.
Verbindungen höherer Ordnung = Verbindungen die anscheinend durch Zusammenschluss von
Molekülen entstehen (damals auch Molekülverbindung genannt; Friedrich August Kekulé, 1929 1896). Hier kommt es dazu, dass die Anzahl der angebundenen Moleküle (Atome) die Wertigkeit
eines zentralen Atoms übersteigt.
PCl5 = PCl3.Cl2 sog. Punktformeln
Kupfersulfat Pentahydrat = CuSO4.5H2O
Hexammincobaltchlorid = CoCl3.6NH3
...
Vor allem die letzte Verbindung war schwierig zu verstehen, weil es mehrere Verbindungen gab,
die zwar diese Zusammensetzung hatten, aber unterschiedliche Farben (und weitere Eigenschaften):
Farbe
gelb
purpur-rot
rosa-rot
grün
violett-blau
Nomenklatur-Präfix
Nach Frémy
Luteo
Purpureo
Roseo
Praseo
Violeo
Tatsächliche Formel
nach Werner
[Co(NH3)6]Cl3
[Co(NH3)5Cl]Cl2.NH3
[Co(NH3)5(H2O)]Cl3.NH3
trans-[Co(NH3)4Cl2]Cl.2NH3
cis-[Co(NH3)4Cl2]Cl.2NH3
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(Edmond Frémy, 1814 – 1894)
Alfred Werner (1866 – 1919, N.P. 1913) erkannte, deren wahre Bindungsverhältnisse und nannte
sie Koordinationsverbindungen, bestehend aus einem Zentral-Metallatom und einer bestimmten
Zahl an Liganden.
... Wir sind ausgegangen von den Metallammoniaksalzen und sind hiermit zu
denselben zurückgekehrt. Ihre eingehende Betrachtung und ihre Beziehungen
zu anderen Verbindungen haben uns zur Erkenntnis eines neuen, den Atomen
innewohnenden Zahlenbegriffes geführt. Derselbe ist vielleicht berufen als
Grundlage für die Lehre von der Konstitution der anorganischen
Verbindungen zu dienen, wie die Valenzlehre die Basis der
Konstitutionslehre der Kohlenstoffverbindungen gebildet hat ... (A. Werner,
Z. Anorg. Chem. 1893, 3, 267.)
Zur selben Zeit untersuchten Frémy und Jørgensen (Jørgensen, Sophus Mads,
1837-1914) Ammincobalt-Verbindungen und versuchten die Fülle verschiedener Verbindungen
(verschiedene Farben und Kristalle bei teilweise gleicher Zusammensetzung) zu systematisieren (→
Farbnomenklatur von Frémy). Bei den Konstitutionsisomeren Ammincobaltchloridkomplexen
lassen sich Jørgensens und Werners Vorschlag gut vergleichen:
#
1
2
3
Jørgensen
Co
Co
Co
Co
Werner
Oktaeder
[Co(NH3)6]Cl3
H3
N
H3
N
H3
N
H3
N
H3
N
H3
N
H3
N
H3
N
H3
N
Cl
Cl
[Co(NH3)5Cl]Cl2
Cl
Cl
N
H3
Cl
4
(“Kettentheorie”)
H3
N
Cl
H3
N
Cl
H3
N
N
H3
Cl
H3
N
Cl
H3
N
N
H3
Cl
[Co(NH3)4Cl2]Cl
Cl
Cl
N
H3
[Co(NH3)3Cl3]
Jørgensens “Kettentheorie” rettet die Valenz und sie erklärt (wie auch Werners Beschreibung) die
Tatsache, dass sich aus der Verbindung 1 mittels Silbersalzen 3 Chloridatome aus der Verbindung 2
2 Chloridatome, aus der Verbindung 3 1 Chloridatom leicht entfernen kann. Bei der Verbindung 4
scheitert die Theorie. Werners Theorie stimmt mit den Beobachtungen: Austauschbarkeit von ClAnionen und Zersetzung unter Abgabe von 6,5,4 bzw. 3 Molekülen Ammoniak (immer komplett)
vollständig überein.
Werners letztendlicher Beweis war die Messung der Leitfähigkeiten.
131
EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362)
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Ungelöst war nun nur noch die räumliche Anordnung der Liganden. Für sechs Liganden ist unter
der (sinnvollen) Annahme einer relativ hohen Symmetrie (bzw. chemischen Äquivalenz der
Liganden) drei verschiedene Anordnungen möglich:
Oktaeder
Sechseck
Prisma
Aus der Zahl der Isomere von Komplexen des Typs [M(A)4(B)2] ergibt sich die korrekte
Geometrie
A
A
B
A
B
A
A
B
A
B
A
B
A
A
A
A
B
A
A
B
A
A
B
A
A
B
A
A
A
A
A
A
A
B
B
B
A
A
A
B
A
B
A
B
A
B
A
A
= 3 Isomere
2 Isomere
3 Isomere
Werner konnte zeigen dass von solchen Komplexen je 2 Isomere existieren.
Wenn aber die Oktaeder-Geometrie korrekt
ist, dann sollten bei Verwendung von
Chelatliganden auch Stereoisomere möglich
sein.1899 bereits postuliert gelang es erst
1911 Werner Doktorand Victor L. King ein
entsprechendendes Racemat getrennt zu
kristallisieren (V. L. King, J. Chem. Educ.
1942, 19, 345.
NH2
H2N
Cl
H2N
H2N
Cl
M
M
NH3
H3N
NH2
H2N
m
1913 erhielt Alfred Werner den Nobelpreis für Chemie
Bis zu seinem Tod 1919 gelangen ihm und seinen Mitarbeitern noch ca. weitere 40
Enantiomerentrennungen.
132
NH2
NH2
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Anwendungsgebiete/Vorkommen von Komplexena
Analytik
Biochemie,
Bioanorganische Chemie
Medizin (Therapie, Diagnostik)
Umwelt
Metallgewinnung
Katalyse
Elektronik
EDTA-Komplexe, Sensoren
Metallhaltige Enzyme, Transportmoleküle (Häm etc.)
Tc-, Ln-Präparate zur Tomographie, Pt-Komplexe in der
Krebstherapie, Au-Präparate in der Rheumabehandlung
Schwermetalle: Fixierung und Mobilisierung
Raffination von PGM, Trennung von Ln, Ac,
CVD von Organometallkomplexen
Homogenkatalyse (Wilkinsons Katalysator)
Photovoltaik-Zellen, Molekulare Schalter, Holographische
Speichermaterialien
Beispiel Hämoglobin:
Biochemische Funktion:
• Transport von O2 im
Blut, Übergabe an Mb
• 2 × 141 AS, 2 × 146 AS,
4 Häm
• Tetramer mit je zwei
α und β Untereinheiten
(Erste StrukturAufklärung 1938 von M.
F. Perutz)
Fe-Koordination im Häm:
•
•
•
•
133
{N4}-Koordination durch das
Protoporphyrin
Proximaler Steuerligand (in Mb und Hb:
His)
Distales Histidin in der Proteintasche
(von oben im Bild rechts)
Desoxy-Form: high-spin FeII (S = 2)
Fe etwas außerhalb der {N4}-Ebene
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O2-Bindung
physiologisch):
Desoxi-Hb, T-Form
(bläuliche Farbe)
Oxi-Hb, R-Form
(rote Farbe)
Die beiden Zustände
(bistabil) sorgen für
hohe Bindungsaffinität
Beschreibung der
O2‒Fe-Bindung:
Entweder
Fe2+‒1O2
(Pauling)
der
Fe3+‒(O2‒)
(Weiss)
Zum Verständinis ist es wichtig welche Oxidationsstufe, welchen Spinzustand und welche
Koordinationszahl (Anzahl der Liganden) und Koordinationsumgebung das Eisen aufweist.
Definitionen
Komplexe:
Z + n L [ZLn]
Z: Zentralatom,; Lewis-Säure; Akzeptor (= Elektronenakzeptor)
L: Ligand; Lewis-Base; Donor (= Elektronendonor)
Die Wechselwirkung zwischen dem Metall und seinen Liganden in Verbindungen wie [Ti(H2O)6]3+,
[Fe(CN)6]3–, [MnO4]–, [FeCl3(H2O)3], [Ni(CO)4], [PtCl4]2– oder [Cu(NH3)4]2+ kann mittels
verschiedener Modelle erklärt werden
• als eine Lewis-Säure-Lewis-Base-Wechselwirkung (oder DonorL
Akzeptor Wechselwikrung)
• Bisweilen wird die Bindung von Ligand(Donor) an das L
L
M
Metall(Akzeptor) mittels eines Pfeiles dargestellt: L→M. Man nennt
L
eine solche Bindung auch eine dative Bindung oder eine L
Koordinationsbindung. Dies sind nur erklärende Begriffe, die mit den
L
gängigen Bezeichnungen für Bindungen: kovalent / polare
134
EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362)
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•
Atombindung / ionische Bindung / Wasserstoff-Brücken-Bindung … nichts zu tun haben.
Daher ist diese Beschreibung eher irreführend.
Am besten werden die polar kovalenten M–L Bindungen durch die MO-Theorie
beschrieben. Liganden sind fast immer Nichtmetalle und elektronegativer als das Metall.
Eigenschaften von Komplexen
A ÜM in Komplexen können in mehreren stabilen und zahlreichen weniger stabilen
Oxidationstufen vorkommen
z.B.
Mn(–III)
Mn(–II)
Mn(–I)
Mn(0)
Mn(I)
Mn(II)
Mn(III)
Mn(IV)
Mn(V)
Mn(VI)
Mn(VII)
d10
d9
d8
d7
d6
d5
d4
d3
d2
d1
d0
[Mn(NO)3(CO)]
[Mn(Phthalocyanin)]2–
[Mn(CO)5]–
[Mn2(CO)10]
[Mn(CN)6]–
[Mn(H2O)6]2+
[Mn(CN)6]3–
[MnF6]2–
[MnO4]3–
[MnO4]2–
[MnO4]–
Wichtig 1: Es gibt auch negative Oxidationsstufen (bei geeigneten Liganden). Beispielsweise
Mn(−III) ist aber eine recht vernünftige Beschreibung, geht sie doch von der Füllung der 3dOrbitale aus. In diesem Sinne ist Mn(−III) ähnlich wie Ni(0), Cu(I), Zn(II), Ga(III)
Wichtig 2: Komplexe können neutral, anionisch oder kationisch sein. In den letzten beiden Fällen
müssen natürlich Gegenionen vorhanden sein, damit von einer chemischen Verbindung gesprochen
werden kann, daher ist aber die Bezeichnung der [Komplex]-Klammer für die komplexe Einheit so
wichtig. Beispiele:
[Ni(CO)4] = neutraler, tetraedrisch konfigurierter Komplex, leicht verdampfbar
(NEt4)2[TiCl6] = dianionischer Komplex [TiCl6]2− + 2 Et4N+ Kationen
K2[PtCl6] = dianionischer Komplex [PtCl6]2− + 2 K+ Kationen. Ist eine salzartige Verbindung und
kristallisiert im Anti-Fluorit-Typ.
(NH4)3[Fe(CN)6] = trianionischer Komplex [Fe(CN)6]3− + 3 NH4+ Kationen
K4[Fe(CN)6] (gelbes Blutlaugensalz) = tetraanionischer Komplex [Fe(CN)6]4− + 4 K+ Kationen
K3[Fe(CN)6] (rotes Blutlaugensalz) = trianionischer Komplex [Fe(CN)6]3− + 3 K+ Kationen
[Mn(H2O)6]Br2 = dikationischer Komplex [Mn(H2O)6]2+ + 2 Br− Anionen
[(Ru(bpy)3](BF4)2 = [Ru(bpy)3]2+ + 2 [BF4]−
Versuch Berlinerblau;
1: Fe(III)-Lösung + K4[Fe(CN)6] → blaue Lösung = [Fe(III)Fe(II)(CN)6]−
2: Fe(II)-Lösung + K3[Fe(CN)6] → blaue Lösung = [Fe(III)Fe(II)(CN)6]−
3: Bei entsprechender Stöchiometrie erhält man das unlösliche Berliner Blau
Fe(III)[Fe(III)Fe(II)(CN)6]3↓
135
Berliner Blau
Turnbulls Blau
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IM WS 2011/2012
Struktur von Berliner Blau (violett = C-Atom („weich“) der Cyanid-Ionen, grün =N-Atom („hart“)
der Cyanid-Ionen,, rot = Fe3+ („hart“), blau = Fe2+ („weich“). Die Lücken sind durch
Kristallwasser und/oder weitere Kationen gefüllt z.B. K+). Das unlösliche Berliner Blau
(Fe[Fe(II)Fe(II)(CN)6]) dient als Blau-Pigment in der Malerei (hier Picasso).
Wichtig 3: In Lösung bleibt die komplexe Einheit intakt, während Ionen (so vorhanden) separiert
werden, wie üblich bei Salzen. Daher spricht man von den chemischen oder pyhsikalischen
Eigenschaften (z.B. Farben) von Komplexen und meint damit die komplexe Einheit [M(L)n]m+/−.
Das ist auch bei komplexen Ionen der Nichtmetalle so: PO43−, SO42−, CO32−, ClO4− ... Dass diese
nicht in [Klammern] geschrieben werden ist in gewisser Weise inkonsequent.
Wichtig 4: Besonders wichtig ist die Angabe der komplexen Einheiten in den folgenden Fällen
isomerer Verbindungen:
a) Serie von Hydratations-Isomeren
[Cr(OH2)6]Cl3
[Cr(OH2)5Cl]Cl2.H2O
[Cr(OH2)4Cl2]Cl.2H2O [Cr(OH2)3Cl3].3H2O
violett
hellblau-grün
dunkelgrün
dunkelgrün
Alle Verbindungen haben identische atomare Zusammensetzung, die komplexe Einheit ist
unterschiedlich und daher auch die Eigenschaften.
Versuch Hydratationsisomere
b) [Cr(NH3)6][Cr(NCS)6] oder [Cr(NH3)4(NCS)2][Cr(NH3)2(NCS)4]
c) [Cl2Pt(NH3)2] oder [Pt(NH3)4][PtCl4]
In b) und c) treten Verbindungen auf, in denen Kationen und Anionen vorliegen die jeweils
Übergangsmetallkomplexe sind.
B Komplexe zeigen eine große Variationsmöglichkeiten von Metallen und Liganden sowie
eine große Variabilität bei Koordinationszahlen und –polyedern
136
EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362)
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Die Koordinationszahl (KZ) ist die Zahl der mit dem Metall verbundenen Liganden. Aus ihr
ergeben sich unabhängig von der Natur der Liganden eine oder mehrere (meist möglichst hoch
symmetrische) Varianten zur geometrischen Anordnung der Liganden (Koordinationspolyeder).
KZ
2
3
4
5
6
7
8
Anordnung
der Liganden
linear
gewinkelt
trigonal planar
trigonal pyramidal
tetraedrisch
quadratisch planar
trigonal bipyramidal
quadratisch pyramidal
oktaedrisch
trigonal prismatisch
pentagonal bipyramidal
überkappt trigonal
primatisch
überkappt oktaedrisch
dodekaedrisch
Beispiele
[CuCl2]–, [Ag(NH3)2]+, [Au(CN)2]–
[Sm(Cp*)2], [Yb(C(SiMe3)3)2]
[Cu(SPMe3)3]+, [Pt(PPh3)3]
[Au(PPh3)3]+ ansonsten sehr selten
[TiCl4], [MnO4]–, [OsO4], [Co(CO)4]–, [Ni(CO)4]
[Cl2Pt(NH3)2], [PdCl4]2–, [PdCl2]n a, [Ni(Me6-acac)2]
[CuCl5]3–, [Fe(CO)5], [(dppe)2CoCl]+
[Ni(CN)5]3–, [(dppe)2CoCl]+
[Ti(H2O)6]3+, [Ni(H2O)6]2+, [Ru(bpy)3]2+, [Mo(CO)6]
[Re(S2C2Ph2)3], [W(Me)6], [MS2]n a
[(Dmpazbi)Fe(SCN)2
[NbF7]2–
[(Ph2-acac)3Ho(H2O)], [W(CO)4Br3]–
[Zr(acac)4], [Mo(CN)8]3–
antiprismatisch
[Zr(ox)4]
kubisch
[La(bpyO2)4]+, [CsCl]n a
9
dreifach überkappt
prismatisch
12
doppelt oktaedrisch
a = Festkörperstrukturen
[ReH9]2–
[Ce(NO3)6]3–, hcp a, ccp a
Es gibt selbstverständlich auch die Koordinationszahlen 10, 11, 13 und auch noch höhere. Am
wichtigsten sind jedoch 4 (ca. 15%), 5 (ca. 10%) und 6 (ca. 74% aller Komplexe), der Rest = 1%
die Koordinationszahl wird bestimmt durch:
• Größe des Zentralatoms; besser gesagt durch das Radienverhältnis Ligand/Metall
• Sterische WW der Liganden (sterisch anspruchsvolle Liganden ermöglichen niedere KZ)
• Elektronische WW: höhere KZ bei frühen und niedere KZ bei späten ÜM)
137
EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362)
IM WS 2011/2012
Liganden
Liganden sind lauf obiger Definition Atome, Ionen oder Moleküle die einen gewissen
Elektronenüberschuss (meist ein freies Elektronenpaar) aufweisen, denn sie im Fall einer Bindung
zu einem Metall in die Metall-Ligand-Bindung mit einbringen.
********************************************************************************
<EXKURS IM EXKURS: KOORDINATIVE BINDUNG – KOVALENTE BINDUNG>
Die Beschreibung von Metall-Ligand-Bindungen als koordinative Bindung (M←L) und damit
unterschiedlich zur kovalenten Bindung (M−L) ist schon aufgrund der vergleichbaren
Bindungseigenschaften (Stärke, Reaktivität etc.) nicht gerechtfertigt. Ein Vergleich zeigt, dass die
koordinative Bindung allenfalls aus didaktischen Gründen ihre Berechtigung haben mag.
E Atom A
Atom A
Atom A
Atom B
Ligand
Metall
Ψ*
Ψ*
Ψ*
Ψ
Ψ
Ψ
Bindung A−A
Bindung A−B
Bindung M−L
Schematische Darstellung einer homoatomaren Bindung (unpolaren) A−A, einer heteroatomaren
polaren Bindung A−B (A ist das elektronegativere Element) und einer Metall−Ligand-Bindung
(Ligand-Donoratom ist elekronegativer als das Metall).
********************************************************************************
Es gibt verschiedene Möglichkeiten Liganden zu klassifizieren, hier soll dies anhand der
Zähnigkeit geschehen:
1-zähnige Liganden (binden über ein Atom (Ligatoratom):
Beispiele:
anionische Liganden: H− (Hydrid), CN− (Cyanid), Cl− (Chlorid), Br− (Bromid), OH− (Hydroxid),
OR− (Alkoxid), NH2− (Amid), NR2− (Dialkyl(aryl)amid), SCN− (Thiocyanat), CH3− (Methyl), CR3−
(Alkyl(Aryl)) ....
Versuch Fe3+ + SCN− rot
neutrale Liganden: CO (Kohlenmonooxid = Carbonyl), OH2 (Wasser), OR2 (Ether), NH3
(Ammoniak), NR3 (Trialkyl(aryl)ammin), PR3 (Trialkyl(aryl)phosphan), Pyridin, ...
kationische Liganden: NO+ (Nitrosyl), Me-V+ (N-Methyl-4,4‘-bipyridin) ...
(Anmerkung: kationische Liganden gibt es naturgemäß wenige)
138
EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362)
IM WS 2011/2012
2-zähnige Liganden (binden über 2 Atome desselben Liganden):
2-zähnige Liganden werden auch Chelat-Liganden genannt, nach Chele (griech.) die Klaue. Der
Ligand nimmt also das Metall „in die Zange“. Ergeben sich dadurch Ringe mit 5 oder 6 Gliedern ist
die Bildung solcher Komplexe gegenüber der Bilddung eines Komplexes mit einzähnigen Liganden
entropisch begünstigt und die Verbindungen entsprechend stabil. Dies nennt man den ChelatEffekt. Man kann sich das wie folgt klarmachen: Ist das erste Ligatoratom an das Metall geknüpft,
kann der Rest des Liganden sich relativ rasch so orientieren, dass auch das zweite Ligatoratom
anknüpft. Die Reaktionswahrscheinlichkeit ist also wesentlich höher als für einen weiteren
einzähnigen Liganden. Umgekehrt gilt das auch für den Zerfall. Solange noch ein Arm angeknüpft
ist, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der zweite Arm wieder dran geht. Erst wenn beide weg
sind, kann der Chelatligand wirklich wegdiffundieren (damit er nicht wieder anknüpft).
D
D
M
D
M
M
D
D
M
M
D
D
u.U. Ringspannung
D
D
M
D
D
D
optimale Ring-Größe
nachlassender Chelateffekt
Bei kleineren Ringen wird der Effekt durch die auftretenden Ringspannung wieder vernichtet. Bei
steigender Ringgröße lässt der Effekt naturgemäß nach.
Beispiele:
H H
Me
Me
Ph Ph
S
O
H
H
Me Me
Ph
tmeda
en
O
P
N
N
O
O
O
P
N
N
Me
O
N
O
O
O
Me
Ph
dppe
NO3−
SO42−
dme
Einige einfache 2-zähnige Liganden, rot markiert sind die Elektronenpaare, die zur Bindung an das
Metall betätigt werden. En = Ethylendiammin, 1,2-Diamminoethan, tmeda = N,N,N‘,N‘Tetramethyl-ethylendiammin, dppe = Bis-1,2-diphenylphophinoethan, dme = 1,2-Dimethoxyethan,
SO42– = Sulfat, NO3− = Nitrat.
Me Me
Me
O
O
O
N
N
As
O
O
O
N
N
As
Me
Me
Me
Oxalat
acac
phen
bpy
diars
Weitere wichtige 2-zähnige Liganden, rot markiert sind die Elektronenpaare, die zur Bindung an
das Metall betätigt werden. Acac = Acetylacetonat(−), Oxalat = Oxalat(2−), bpy = 2,2‘-Bipyridin,
phen = 1,10-Phenanthrolin, diars = o-Phenylen-bis(dimethylarsan)
Versuch: künstliches Blut: Fe2+ + 3 phen = [Fe(phen)3]2+
3-zähnige Liganden (binden über 3 Atome desselben Liganden):
139
EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362)
IM WS 2011/2012
hier ist natürlich der Chelateffekt noch größer. Beispiele:
H
H3C
N
N
N
N
N
dien
CH3
N
N
N
N
N
N
H3C
N
N
B
N
N
+
tacn
terpy
tris
Einige wichtige 3-zähnige Liganden, rot markiert sind die Elektronenpaare, die zur Bindung an das
Metall betätigt werden. Dien = Diethylentriammin, terpy = 2,2‘,6‘‘-Terpyridin, tacn = 1,4,7Trimethyl-1,4,7-Triazacyclononan, tris = Trispyrazolylborat
4-zähnige Liganden (binden über 4 Atome desselben Liganden):
Beispiele:
N
O
N
N
N
O
N
O
N
N
N
N
N
N
O
O
O
N
N
N
tren
12-crown-4
Por
salen
Einige gebräuchliche 4-zähnige Liganden. Tren = Triethylentetrammin, 12-crown-4 =
Kronenether 12-Krone-4, salen = Bis(salicylaldehyd)ethylendiimin, Por = stellvertretend für
allePhthalocyanine, Corrine und Porphyrine
6-zähnige Liganden (binden über 6 Atome desselben Liganden):
Beispiel:
Ethylendiamintetraacetat EDTA4– ist ein 6-zähniger
Ligand und bindet zwei und dreiwertige Metallionen
sehr stark (Verwendung in der Analytik):
[Fe(EDTA)]–; [Zn(EDTA)]2–
C Komplexe sind hervorragend für die homogene Katalyse geeignet: a) Komplexe können
einzelne Liganden abspalten und werden so koordinativ ungesättigt. b) solche koordinativ
ungesättigten Komplexe können nun spezifisch einzelne (kleine) Moleküle koordinieren und
aktivieren um sie reaktiver zu machen, oder c) Komplexe können zwei Reaktanden zugleich in ihrer
Koordinationssphäre binden und so maximal nahe bringen. Dadurch wird die Aktivierungenergie
erheblich gesenkt.
D Die besondere Valenzorbitalsituation führt bei ÜM und Lanthaniden zu besonderen
optischen (Farben) und magnetischen Eigenschaften
140
EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362)
IM WS 2011/2012
E Schwere ÜM und Ln zeigen relativistische Effekte und hohe Spin-Bahn-Kopplungen
********************************************************************************
13.3.3 Titan(IV)oxid TiO2
•
•
•
•
kristallisiert in 3 polymorphen Formen: Rutil, Anatas, Brookit.
Rutil ist ein eigener Strukturtyp.
TiO2 dient in reiner Form als anorganisches Weißpigment, hat damit das bisherige Bleiweiß
Pb(CO3)2.Pb(OH)2 ersetzt. Bekommt in jüngster Zeit jedoch Konkurrenz von der pyrogenen
Kieselsäure (SiO2 aus SiCl4 + O2 + H2)
Verwendung als (Photo)Halbleiter (Anatas)
13.3.4 Vanadium(V): Vanadat [VO4]3–
Versuch Reaktion mit Säuren
pH13-8
pH7
pH6-2
pH2
pH<2
[VO4]3–
farblos
gelb
gelb
orange - rot braun. Nds.
blassgelb
[VO2]+
[H2VO4] –
[H3VO4]
V2O5.H2O [VO2(H2O)4]+
[HVO4]2–
+ H+ →
– H2O ↓↑
– H2O ↓↑
– H2O ↓↑
2–
[V2O7]
Metavanadate
Dekavanadate
Polyvanadate z.B. [HV10O28]5+
Polyvanadate: entstehen im Prinzip durch die Kondensationsreaktion von teilprotonierten Spezies
wie HVO42–, z.B. 2 HVO42– → V2O72– + H2O. Der Kondensationsgrad ist natürlich vom pHabhängig.
Versuch: Reduktion von Polyvanadaten V(V)
V(V)
→ V(IV)
→ V(III)
gelb
himmelblau
grün
→ V(II)
violett
13.3.5 Metallate am Beispiel von Chromat und Dichromat
Chromat CrO42−
Dichromat Cr2O72−
-
Kondensationsreaktion:
2 HCrO4−
Protolyse
Protolyse
H2O + H2CrO4
H2O + HCrO4−
vgl.
Struktur wie SO42− (Sulfat)
Struktur wie S2O72− (Disulfat)
H2O + Cr2O72−
H3O+ + HCrO4−
H3O+ + CrO42−
pKS(1) = −0,61
pKS(2) = 6,49
2 H2O H3O+ + OHpKB = 15,74
pKS = –1,32 (in H2O)
HNO3
H3O+
pKs = –1,74
Noch negativer: die starken Säuren H2SO4, HCl, HBr, HI, HClO4
bei weiterer Protonenzugabe: 2 Cr2O72– + 2 H3O+
Cr4O132– (Tetrachromat) + 3 H2O
→ Polymetallate (sehr ausgeprägt bei V, Nb, Mo, W, vgl. B, Si, P)
141
EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362)
IM WS 2011/2012
13.3.6 Oxidationswirkung von Chrom(VI)-Verbindungen
K2Cr2O7 + 3 H2O2 + 8 H+ → 2 K+ + 2 Cr3+ + 3 O2 + 7 H2O
(Cr3+ in wässriger Lsg.: [Cr(H2O)6]3+)
Bei dieser Reaktion keine Salzsäure (HCl) verwenden, da sonst Cl2 gebildet wird.
Auch Salpetersäure (HNO3) darf nicht eingesetzt werden, da sich sonst nitrose Gase (NOx) bilden.
Versuch: (NH4)2Cr2O7 + Aceton → Cr2O3, N2, H2O, CO2
Versuch: CrO3 + Aceton → Cr2O3, H2O, CO2
13.3.7 Umkehrung von Reaktion 13.3.6 (im Alkalischen)
2 Cr3+ + 3 H2O2 + 10 OH– → 2 CrO42– + 8 H2O (gelbe Farbe)
gleichzeitig: CrO42– + 2 H2O2 → [Cr(O)2(O2)2]2– + 2 H2O (rote Farbe)
⇒ insgesamt: gelb-orange Farbe
13.3.8 Oxidationsstufen des Mangan
Versuch: Reduktion von [MnO4]−
Mn(VII)
Mn(VI)
Mn(V)
[MnO4]−
[MnO4]2−
[MnO4]3−
violett
grün
blau
Mn(IV)
Mn(III)
Mn(II)
3+
[Mn(H2O)6]2+
[MnO4]4− / MnO2 [Mn(H2O)6]
rosa
farblos
braun
13.3.9 Oxidationswirkung von Permanganat
Versuch: KMnO4 + Mg + Glycerin
Hochoxidierte Verbindungen wie Permanganate und Chromate werden in der organischen Chemie
als Oxidationsmittel (Oxigenierungsmittel) eingesetzt.
13.3.10 Technetium in medizinischer Diagnostik und Behandlung
Das stabilste Tc-Isotop ist 98Tc (HWZ: 4.106 a; β–-Emitter, medizinisch Verwendung findet
aber 99mTc. Der Index m bedeutet metastabil. Bei 99mTc handelt es sich um ein Isotop in
einem kernangeregten Zustand.
-
Isotop
95
Tc
Tc
97
Tc
98
Tc
99
Tc
99m
Tc
96
-
t1/2
20 h
4,28 d
2,6·106 a
4,2·106 a
211100 a
6h
Mechanismus
Energie MeV
Elektroneneinfang 1,691
Elektroneneinfang 2,973
Elektroneneinfang 0,320
β– Emission
1,796
–
β Emission
0,294
0,140
γ Emission
Tochter-Nuklid
Mo
96
Mo
97
Mo
98
Ru
99
Ru
99
Tc
95
Tc kommt natürlich nicht vor, da das primordial gebildete Tc aufgrund seiner
Zerfallsreaktionen seit Entstehung unseres Sonnensystems zerfallen ist.
142
EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362)
IM WS 2011/2012
-
Spaltung von Uran liefert u.a. 99Tc (2,1.105 a, β-Emitter) mit einer Ausbeute von ca. 6%.
Daher übersteigt der weltweite Vorrat an Tc den der seltenen und teuren Elemente Re, Rh,
oder Pd bei weitem und der Preis ist entsprechend niedriger als der von Re, Au oder den
Platinmetallen (~ 60 $/g in 2002)
-
Für radiomedzinische Anwendungen (ca. 85% aller radiomedizinischen Anwendungen)ist
lediglich das Isotop 99mTc interessant (HWZ: 6 h, reine γ-Emission, ca. 140 keV. Das
Tochternuklid 99Tc ist ein β-Emitter und stört daher nicht die Detektion der γ-Emission von
99m
Tc).
Tc wird aus 99Mo (als MoO42‒, HWZ: 66 h) hergestellt, dieses wird durch
Neutroneneinfang aus 98Mo dargestellt:
- .
- β-γ
+n
- β99
99m
99
98
99
Tc
Tc
Ru
Mo
Mo
-
HWZ:
-
99m
66 h
6h
210000 a
Dies wird in sogenannten Technetium-Reaktoren oder –Generatoren kurz vor der
medizinischen Anwendung gemacht. Da meist 99mTcO4– das Produkt ist, spricht man auch
von Pertechnat-Reactoren. Die Isolation des Pertechnate (Trennung von MoO42–) erfolgt
mittels Extraktions-Methoden. Das Ionenpaar [Na(18-Krone-6)][TcO4] wird mittels sog.
Kronenether-Liganden in
physiologischer NaCl-Lösung von Ionentauscher-Säulen
extrahiert.
143
EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362)
IM WS 2011/2012
Solche 99Mo/99mTc-Generatoren wurden erstmals in den
1960er am Brookhaven National Laboratory (USA)
entwickelt.
Der links gezeigt Modellgenerator besteht au seiner
Chromatographie-Säule [1], gefüllt mit Al2O3. Das
Säulen-Material enthält 99Mo welches aus der
Kernspaltung von U stammt (Kernreaktoren). Zum Schutz
vor Strahlung ist der Reaktor mit Blei ummantelt [2].
Während das Mutter-Nuklid 99Mo in der Form von
Molybdat (MoO42–) fest am Al2O3-Trägermaterial
gebunden ist, lässt sich das Pertechnat (TcO4–) leicht
extrahieren (siehe oben). Am unteren Ende der Säule
befindet sich ein Vorratsgefäß für die Elutions-Lösung
[3]. Für die Entnahme von 99mTcO4‒ können
Septenflaschen [4] direkt über eine Nadel [5] befüllt
werden. Unter vermindertem Druck wird die NaClLösung von unten nach oben durch die Säule gepresst.
Metabolismus von Tc:
Tc(VII) als TcO4‒ ist chemisch recht stabil und nur schwach oxidierend. In wäßrigen Lösungen sind
nur TcO4– (colourless), TcO2.nH2O (schlecht löslich) und Tc(0) stabil. In Gegenwart von O-, oder
N-Donor-Ligands, Phosphaten oder Phosphinen (siehe unten) sind andere Oxidationsstufen
erreichbar (+I to +V). Die Reduktion von Tc(VII) zu niedrigeren Oxidationsstufen wird meist mit
Sn(II) bewerkstelligt.
Beispiele für medizinisch eingesetzte Tc-Komplexe
Anwendungen:
-
Für die Diagnose von Knochenmaterial werden polymere Komplexe von Tc mit
Diphosphonat-Ligandens 2‒O3P-CR2-PO32‒ (R = H, CH3, OH) eingesetzt. Diphosphonate
sind Polyphosphaten sehr ähnlich und verhalten sich ähnlich den biologischen CollagenHydroxylapatite-Hybridmaterialien (vulgo Knochen). Die Bindung an Hydroxylapatit stellt
man sich so vor:
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EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362)
IM WS 2011/2012
Hypothetische Bindung eines TcKomplexes an die 001-Ebene von
Hydroxylapatit durch Koordination des
HydroxymethylendiphosphonateLiganden: 2−O3P−CH(OH)−PO32− an
die Ca2+-Ionen. (nach Clarke and
Podbielski, Coord. Chem. Rev. 1987,
78, 253.)
Das
Tc-Szintigramm
links
zeigt
Metastasen in der Schulter und der
99m
Wirbelsäule.
Die
Tc-markierten
Lösungen warden in den Patient injiziert.
Der Marker wird vor allem dort
akkumuliert
wo
stärkeres
Knochenwachstum bzw. –Stoffwechsel
erfolgt.
-
Normale = Einkernige Tc-Komplexe warden zur Abbildung der Organe verwendet die für
den Metabolismus und Ausscheidung zuständig sind: Nieren, Leber, Milz.
-
Aufgrund seiner Ähnlichkeit mit I– (Größe und Ladung) wird TcO4– auch für die Diagnose
der Schilddrüse verwendet.
-
Monokationische Komplexes des Tc in niedrigen Oxidations-Stufen wie +I oder +III mit πAkzeptor-Liganden wie Phosphinen, Arsinen, Dioximen oder Isonitrilen können in der
Herz-Diagnose eingesetzt werden. Analog zu den großen Kationen 81Rb+ oder 201Tl+
welche selektiv anstelle von K+ in die Herzmuskulatur transportiert werden, können auch
große kationische Komplexe wie [Tc(CNR)6]+ selektiv eingebaut werden.
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