Praktikum Grundlagen der Elektrotechnik Versuch: Elektrolytischer Trog Versuchsanleitung 0. Allgemeines Eine sinnvolle Teilnahme am Praktikum ist nur durch eine gute Vorbereitung auf dem jeweiligen Stoffgebiet möglich. Von den Teilnehmern wird daher eine intensive Beschäftigung mit der erforderlichen Theorie sowie mit der Aufgabenstellung bzw. ihrem Zweck vorausgesetzt. Es gelten die allgemeinen Verhaltensvorschriften der Hochschule, insbesondere die • Laborordnung des Fachbereiches Elektrotechnik und die • Arbeitsordnung für das Praktikum „Grundlagen der Elektrotechnik“. 08/2011 -1 - 1. Versuchsziel Kennen lernen einer experimentellen Methode für die Modellierung und messtechnische Erfassung elektrischer (und stationärer magnetischer) Felder. 2. Grundlagen 2.1. Stationäres elektrisches Strömungsfeld Die räumliche elektrische Strömung in leitfähigen Stoffen wird durch zwei vektorielle Feldgrößen quantitativ beschrieben, die eine Kennzeichnung der Strömung in jedem Punkt des StrömungsgebietesG nach Größe und Richtung gestatten. Es sind dies die elektrische Stromdichte S und die JG 1damit und mit der elektrischen Spannung in Beziehung stehende Feldstärke E . Die Gesamtheit aller Werte der jeweiligen Feldgröße ergibt das Vektorfeld der elektrischen Strömung. Das elektrische Feld kann in jedem Punkt des Raumes auch durch eine skalare Größe, das elektrische Potential ϕ, beschrieben werden (Diese Möglichkeit resultiert aus der weiter unten erläuterten Wirbelfreiheit des elektrischen Feldes). Definitionen: Stromdichte: G dI S =S= ; dA ⊥ G JG I= ∫ SdA (1) A Die Stromdichte in einem Punkt des Raumes gibt den Stromfluss je senkrecht durchströmtes Flächenelement dA ⊥ an und zeigt in die Strömungsrichtung (Bewegungsrichtung positiver Ladungsträger). Feldstärke: G JG F E= Q (2) Als elektrische Feldstärke wird die auf die Ladungseinheit bezogene Kraftwirkung in einem Punkt des elektrischen Feldes bezeichnet. Potential: ϕ = (x, y,z) Das Potential ist die Arbeit, die gegen die Feldkräfte zu leisten ist, um eine Ladung Q (als Probeladung bezeichnet) von einem Punkt P0 (Bezugspunkt des Potentials) zum Punkt P (Feldpunkt) zu bringen, bezogen auf die Größe Q der Probeladung. 1 Diesen Größen kommt im Strömungsfeld eine ähnliche Bedeutung zu wie der Stromstärke und der Spannung im Falle linienhafter Leiter (elektrische Netzwerke). -2- ϕ= Daraus folgt: WP0 ,P Q JG G = − ∫ Eds ; P P0 JG dϕ G 0 ∂ϕ G ∂ϕ G ∂ϕ G E = −gradϕ = ex − e y − ez = − n dn ∂x ∂y ∂z (3) G0 Dabei ist dn ein Wegelement in Normalenrichtung und n der Einheitsvektor in Normalenrichtung zur Äquipotentialfläche ϕ=const. in dem betrachteten Punkt. JG G U1,2 = ϕ1 − ϕ2 = ∫ Eds P2 Spannung: (4) P1 Die Spannung zwischen zwei Punkten des Feldes entspricht der Potentialdifferenz oder dem Linienintegral der elektrischen Feldstärke zwischen den betrachteten Punkten (Begründung ergibt sich aus der Potentialdefinition!). Grundlegende Gesetze: Ohmsches Gesetz: G JG S = κE (5) Bei vielen leitfähigen Stoffen sind Stromdichte und Feldstärke einander proportional und haben die gleiche Richtung (räumliches Ohmsches Gesetz); dabei ist κ die elektrische Leitfähigkeit des Mediums. Stromkontinuität: G JG SdA v∫ = 0 (6) A Das Feld der Stromdichte ist quellenfrei; Stromlinien haben keinen Anfang und kein Ende (entspricht dem Kirchhoffschen Knotensatz bei Netzwerken). Wirbelfreiheit: JG G Eds v∫ = 0 (7) s Das Linienintegral der Feldstärke auf jedem geschlossenen Weg ist gleich Null; dadurch wird die Einführung des skalaren Potentials ϕ, zur Beschreibung des Feldes möglich (entspricht dem Kirchhoffschen Maschensatz bei Netzwerken). Brechungsgesetz: An den Grenzflächen zweier Medien ( κ1 ≠ κ 2 ) erfährt die Strömung im Allgemeinen eine Richtungsänderung. Für die Normalund Tangentialkomponenten der Stromdichte gilt das Brechungsgesetz (siehe Abb. 1). -3- Sn1 = Sn 2 (8a) St1 κ1 (8b) = St 2 κ 2 tan α1 κ1 (8c) = tan α 2 κ 2 κ2 α2 G S2 G Sn1 α1 G S1 κ1 G St1 Abb. 1: Brechung von Stromlinien Zwei Spezialfälle sollen gesondert betrachtet werden: Fall 1: κ1 κ 2 (z.B. Übergang Metallelektrode - schwach leitfähiger Elektrolyt). κ Wegen tan α 2 = 2 tan α1 wird der Austrittswinkel α2 nahezu Null, d.h. die κ1 Stromlinien treten senkrecht aus dem Gebiet mit α1 (Metallelektrode) aus. Fall 2: κ1 ≠ 0, κ 2 = 0 (Übergang Leiter - Nichtleiter) Für den Nichtleiter gilt wegen κ 2 = 0 für die Stromdichte S = 0 und damit auch Sn2=0. Wegen Gl. (8a) folgt daraus Sn1=0, d.h. die Strömung an der Grenzfläche zum Nichtleiter kann nur eine Tangentialkomponente haben. 2.2. Darstellung des Feldbildes Zur Veranschaulichung des zweidimensionalen Potentialfeldes ϕ = ϕ(x, y) können Äquipotentiallinien dienen. Zweckmäßigerweise wählt man diese so, dass zwischen allen benachbarten Linien die gleiche Potentialdifferenz Δϕ herrscht (ausgewählte Äquipotentiallinien). Die Feldstärkevektoren (und in isotropen Medien damit auch die Vektoren der Stromdichte S) sind in jedem Punkt einer Äquipotentiallinie senkrecht zu dieser gerichtet, und zwar in Richtung der größten Potentialabnahme. Zur übersichtlichen Darstellung des Vektorfeldes der Stromdichte S bedient man sich sog. Strömungslinien, d.h. Linien, die in jedem Punkt von Stromdichtevektoren tangiert werden. Damit gibt die Tangente an einen Punkt der Strömungslinie die Richtung des Stromdichtevektors an; der Betrag dieses Vektors kann aus der Dichte der Strömungslinien bestimmt werden. Der Teilstrom ΔI, der zwischen zwei benachbarten Strömungslinien fließt, ist konstant; zweckmäßigerweise wird er zwischen allen Strömungslinien gleich groß gewählt (ausgewählte Strömungslinien). Strömungs- und Potentiallinien schneiden einander senkrecht, so dass bei geeigneter Wahl von Δϕ und ΔI die Strömungsebene in ein Netz quadratähnlicher Figuren zerlegt wird. -4- 2.3. Analogie zwischen stationärem Strömungsfeld, elektrostatischem Feld und Magnetfeld Zwischen den Definitionen und Gesetzmäßigkeiten des stationären Strömungsfeldes und des elektrostatisches Feldes sowie des Magnetfeldes besteht eine weitgehende formale Analogie: Potential Feldstärke Strömungsgröße Strömungsdichte Materialgleichung Kontinuitätssatz Stationäres Strömungsfeld ϕ JG E = −gradϕ dϕ JJG0 =− n dn I dI S= dA ⊥ G JG S = κE G JG SdA v∫ = 0 JG G Eds v∫ = 0 A Wirbel des Feldstärkevektors Brechungsgesetz Elektrostatisches Feld ϕ JG E = −gradϕ dϕ JJG0 =− n dn Ψ dΨ D= dA JG JG⊥ D = εE JG JG DdA =0 v∫ JG G Eds v∫ = 0 A s s tan α1 κ1 = tan α 2 κ 2 tan α1 ε1 = tan α 2 ε 2 Magnetfeld ψ JG H = −gradΨ dΨ JJG0 =− n dn Φ dΦ B= dA ⊥ JG JG B = μH JG JG BdA =0 v∫ JG G Hds v∫ = Θ A s tan α1 μ1 = tan α 2 μ 2 Auf Grund dieser formalen Übereinstimmungen zeigen die Felder weitgehend analoges Verhalten. Damit bleibt die experimentelle Methode der Feldermittlung im elektrolytischen Trog nicht allein auf das stationäre Strömungsfeld beschränkt. Durch entsprechende Zuordnung der Feldgrößen können die Ergebnisse des Strömungsfeldes auch auf das elektrostatische und das Magnetfeld übertragen werden. Anmerkung: Beim elektrostatischen Feld gilt die Analogie vollständig, wenn Gebiete außerhalb von Elektroden (Q=0) betrachtet werden. Die Darstellung des magnetischen Feldes durch ein skalares Potential Ψ ist nur in Gebieten möglich, in denen für jeden beliebigen geschlossenen Integrationsweg die Summe der umfassten Ströme Null ergibt (Θ=0); dazu ist notwendig, dass das Gebiet frei von (makroskopischen) Strömen ist. -5- 2.4. Prinzipschaltung des elektrolytischen Troges Das Ausmessen des Spannungsfeldes erfolgt im elektrolytischen Trog mit Hilfe einer Brückenschaltung (Abb. 2). Durch die Speisung mit Wechselspannung werden Polarisationserscheinungen an den Grenzflächen zwischen den Elektroden und dem Elektrolyten verhindert, die die Messergebnisse verfälschen könnten. Bei konstanter Brückeneinstellung (Abgriff an R) wird in mehreren Feldbereichen mit der beweglichen Tastsonde der Brückenabgleich herbeigeführt. Die so ermittelten Feldpunkte liegen auf einer Linie gleicher Spannung (Äquipotentiallinie). Der Brückenabgleich wird von einem Nullindikator angezeigt (akustisch oder optisch). A R B Abb. 2 : Brückenschaltung zur Ermittlung des Potentials -6- 3. Vorbereitungsaufgaben 3.1. Gegeben ist eine Elektrodenanordnung nach Abb. 3. An der Zylinderelektrode liegt ein positives Potential ϕ=10V, der Metallrand sei geerdet. Zeichnen Sie ausgewählte Strömungs- und Äquipotentiallinien so ein, dass quadratähnliche Schnittfiguren entstehen. d Abmessungen: a=10cm, d=1cm a κ a Abb. 3:Elektrodenanordnung Zylinder – quadratischer Rand 3.2. Gegeben ist eine konzentrische Leiteranordnung (Abb. 4) mit ri=1,5 cm, ra=15 cm und h=2cm. Bei einem spezifischen elektrischen Leitwert κ = 10-4S/cm soll ein Strom I=0,1A vom Innen- zum Außenleiter fließen. Das Potential am Außenleiter sei ϕ=0. 3.2.1. Berechnen Sie die Stromdichte S(r), die Feldstärke E(r), das Potential ϕ(r), den Widerstand R zwischen Innen- und Außenleiter sowie die Spannung U. 3.2.2. Zeichnen Sie maßstäblich für die in Abb. 4 gegebene Elektrodenanordnung S(r) , Smax Uq E(r) E max und ϕ(r) U h ri Abb. 4 : Konzentrische Elektrodenanordnung -7- ra 4. Messaufgaben 4.1. Nehmen Sie die ausgewählten Äquipotentiallinien für zwei symmetrisch im Trog aufgestellte Zylinderelektroden gleichen Durchmessers (D=3cm) bei folgenden, Randbedingungen auf: a) Rand ist Leiter; b) Rand ist Nichtleiter. Wählen Sie Δϕ =0,1⋅U. Zeichnen Sie den Spannungsverlauf längs der Verbindungsgeraden beider Elektroden (Spannungsgebirge). 4.2. Ermitteln Sie den gestörten Verlauf der Äquipotentiallinien, wenn in das Feld der Anordnung 4.1.b) ein geschlossener Leiter (Ring) eingebracht wird ( Δϕ =0,1⋅U). Überzeugen Sie sich von der elektrostatischen Abschirmung des eingeschlossenen Feldraumes durch den Leiter. 4.3. Setzen Sie die Elektrode mit dem Durchmesser D=10cm in die Achsenmitte der Trogfläche und nehmen Sie die Äquipotentiallinien auf. Zeichnen Sie den Spannungsverlauf längs der Verbindungsgeraden beider Elektroden (Rand ist Leiter!). 4.4. Nehmen Sie das Feldbild für die Anordnung Spitze-Platte auf ( Δϕ =0,1⋅U ). 4.5. Tragen Sie in die gemessenen Potentialfelder der Aufgaben 4.1. bis 4.4. ausgewählte Strömungslinien ein. 4.6. Bestimmen Sie die Widerstände R zwischen einer äußeren Zylinderelektrode A (Radius rA und verschieden großen konzentrisch zu A angeordneten Zylinderelektroden B (Radien rB). Stellen Sie R=f(rA/rB) graphisch dar! -8-