Labor Bayer aktuell

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Kompetenzzentrum für komplementärmedizinische Diagnostik Labor Dr. Bayer
im synlab MVZ Leinfelden
Max-Lang-Straße 58 • D -70771 Leinfelden-Echterdingen
Telefon +49 (0) 711-16418- 0 • Fax +49 (0) 711-16418-18
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Risikofaktoren
Candida-Serologie
Mineralstoffe
Labor Dr. Bayer
Ausgabe Januar 2014
Immundiagnostik Säure-Basen-Haushalt
Stuhldiagnostik
Schwermetalle
Fettsäureprofil
Labor
Bayer
aktuell
Vitamine
Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Labor Dr. Bayer Jahrestagung 2013
Darmfunktion: Wechselwirkungen mit Ernährung,
Stoffwechsel und Immunologie
Seit vielen Jahrzehnten hat die Bedeutung der Darmfunktion,
die Erkennung von darmassoziierten Erkrankungen durch Stuhlanalysen sowie die therapeutische Beeinflussung dieser Störungen
einen festen Stellenwert im naturheilkundlichen und komplementärmedizinischen Bereich. Modernste Forschungsergebnisse,
die in den anerkannten wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert wurden, haben diese naturheilkundlichen Erkenntnisse inzwischen in vollem Umfang bestätigt. So befassen sich eine Vielzahl von Arbeiten mit der Bedeutung der intestinalen Mikrobiota
(Darmflora) für die Darmgesundheit oder mit Veränderungen
im Sinne eines Leaky-Gut-Syndroms im Zusammenhang mit
Autoimmunerkrankungen, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Unsere mit hochkarätigen Referenten besetzte Jahrestagung
am 19. Oktober 2013 zu diesem hoch aktuellen Thema war mit
rund einhundert Teilnehmern vollständig ausgebucht. In sieben
Vorträgen wurden Schwerpunktthemen wie Bedeutung der intestinalen Mikrobiota, Reizdarmsyndrom, Histaminintoleranz,
moderne Stuhldiagnostik und Therapie mit Präbiotika und
Probiotika behandelt. In mehreren Vorträgen wurde auch der
Zusammenhang mit Mikronährstoffdefiziten und immunologischen Dysregulationen herausgearbeitet.
Mit diesem Kongressbericht wollen wir all denjenigen, die an
der Tagung nicht teilnehmen konnten, zentrale Vortragsinhalte
zugänglich machen und den Tagungsteilnehmern die Möglichkeit geben, manches nachzulesen.
Hormone
Spurenelemente
Tagungsprogramm
Ernährung, Verdauung und Mikrobiom – eine Schicksals­gemeinschaft für die
Gesundheit
Prof. Dr. med. habil. Andrea Morgner-Miehlke
2 –3
Moderne Stuhlparameter bei entzündlichen Darm­erkrankungen und
Permeabilitätsstörungen
Dr. Wolfgang Bayer
Prof. Dr. Dr. med. Karlheinz Schmidt
4 –5
Orthomolekulare Medizin bei gastrointestinalen Erkrankungen
Uwe Gröber, Apotheker
6 –7
Reizdarmsyndrom – Zusammenhänge mit Laktose- und Fruktoseintoleranz
Prof. Dr. med. Reinhart Jarisch
8 –9
Histaminintoleranz als Auslöser zahlreicher Erkrankungen
Prof. Dr. med. Reinhart Jarisch
9–11
Grundproblem Inflammation: Antientzündliche Darm- und Ernährungstherapie
Niels Schulz-Ruhtenberg, Arzt
11–13
Probiotika und Präbiotika: Wie sinnvoll sind solche Präparate für
die Praxis?
Dr. Ulrich Sonnenborn
14 –16
1
Januar 2014 | Labor Bayer aktuell
Ernährung, Verdauung und Mikrobiom –
eine Schicksalsgemeinschaft für die Gesundheit
Frau Prof. Dr. med. habil. Andrea
Morgner-Miehlke ist Fachärztin für
Innere Medizin und Gastroenterologie sowie Gesundheitsökonomin. Sie ist ärztliche Direktorin und
Geschäftsführerin des Lanserhofs
Hamburg LANS Medicum. In zahlreichen Publikationen hat sie sich
mit der intestinalen Mikrobiota,
aber z. B. auch mit der chronischen
Helico­bacter Infektion befasst.
Der menschliche Organismus besteht aus zirka 1012 Zellen
und 104 Genen, während die gastrointestinale Mikrobiota
aus 1014 Mikroorganismen besteht und für 10 6 Gene kodiert. Damit verfügt das gastrointestinale Mikrobiom über
zirka einhundert mal mehr Zellen und kodiert für einhundert mal mehr Gene als der physische Organismus des
Menschen. Beide zusammen stellen einen Superorganismus dar, der in seiner Gesamtheit für die Prozessierung der
Nahrung, die Resorption, die Degradation von Xenobiotika,
den Schutz vor schädlichen Mikroben und für die Regulation des Epithels zuständig ist. Gesundheit kann als eine
Homöostase dieses Superorganismus definiert werden. Es
kommt dabei zu umfassenden Interaktionen der intestinalen
Mikrobiota mit dem Wirt und Auswirkungen auf eine Vielzahl von metabolischen und immunologischen Funktionen.
Von besonderer Bedeutung ist die intestinale Barriere.
Diese muss so durchlässig sein, dass Flüssigkeit und Nährstoffe aufgenommen werden können, andererseits jedoch
so undurchlässig sein, dass Krankheitserreger, Toxine etc.
zurückgehalten werden. Verändert sich die Durchlässigkeit
Abbildung 1: Der Superorganismus
Eberl G. Mucosal Immunol 2010
2
dieser Darmbarriere, wird das Immunsystem konfrontiert
mit pathogenen Keimen, Toxinen, größeren Abbauproduk­
ten von Nahrungsbestandteilen etc. Letztendlich kann dies
zu immunologischen Dysfunktionen abseits des Darms führen, so dass eine gesteigerte Durchlässigkeit (Permeabili­tät)
des Darms (Leaky-Gut-Syndrom) mit chronisch entzündlichen und autoimmunen Erkrankungen assoziiert ist.
Eine zentrale Rolle spielen dabei die so genannten Tight
Junctions, schmale Bänder aus Membranproteinen, die die
Darmepithelzellen umgeben und mit den Bändern der
Nachbarzellen in enger Verbindung stehen. Als Diffusionsbarriere regulieren die Tight Junctions den parazellulären
Transport von Molekülen über das Epithel. Am Beispiel der
Gliadin-induzierten Aktivierung von Zonulin kann gezeigt
werden, dass sich diese Tight Junctions als Folge einer vermehrten Sekretion von Zonulin öffnen und unzureichend
abgebautes antigenes Material die Darmbarriere durchdringt, was dann zu einer Induktion spezifischer Immun­
reaktionen führt.
Die mikrobielle Darmflora erfährt eine Prägung von Geburt
an. In Abhängigkeit von der Entbindungsmethode (vaginale Entbindung vs. Kaiserschnitt) kommt es zu einer sehr
unterschiedlich ausgeprägten Intestinalflora. In der frühen
Kindheit werden dann neue Bakterienstämme erworben
und die Diversität steigt schnell an. Je älter das Mikrobiom
dann wird, desto stabiler und differenzierter wird die Flora.
Die Sensibilität und Sensitivität der frühen Flora zeigt sich
eindrucksvoll aus einer unlängst publizierten Studie (Hviid
et al., Gut 2011; 60, 49–54). Untersucht wurde der Effekt
einer Antibiotikatherapie im frühkindlichen Alter auf das
spätere Risiko für die Entwicklung einer entzündli­chen
Darmerkrankung. Bereits ein bis
zwei frühe Antibioti­­katherapien
erhöhten das Risiko um den
Faktor 1,6 und nach sieben und
mehr Therapien erhöhte sich
dieses Risiko um das Dreifache.
Je früher also eine Antibiotika­
therapie durchgeführt wird,
desto höher ist das Risiko für
die spätere Entwicklung einer
chronisch entzündlichen Darm­
erkrankung.
Ähnlich wie bei den Blutgruppen, ergeben sich auch bei der
intestinalen Mikrobiota verschiedene Enterotypen, z. B.
mit einer Prädominanz von
Labor Bayer aktuell | Januar 2014
Bacteroides, Prevotella oder Ruminococcus. Es konnte nun
in Studien gezeigt werden, dass die Ernährung einen maßgeblichen Einfluss auf den Enterotyp hat. Eine Ernährung,
die reich an Protein und tierischen Fetten ist, begünstigt
ein Vorherrschen von Bakteroides, während eine kohlenhydratreiche Ernährung Prevotella begünstigt. Damit bestehen sehr enge Zusammenhänge zwischen Ernährung und
intestinaler Mikrobiota, was die Bedeutung einer Ernährungstherapie für die Darmgesundheit belegt. Beim alten
Menschen bestehen Zusammenhänge zwischen der Zusammensetzung der Nahrung und der mikrobiellen Diversität. Hohe Diversität geht dabei in aller Regel mit einer guten körperlichen Gesundheit und mentalen Fitness einher.
Beim Menschen im Pflegeheim „verarmt“ die intestinale
Mikrobiota, was mit signifikant schlechteren physischen
und mentalen Befunden einhergeht. Ernährung beeinflusst
die Mikrobiota und damit unseren Gesundheitsstatus.
Genetik und Epigenetik spielen eine zentrale Rolle bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED), wobei jedoch über einhundert genetische Assoziationen mit CED
bekannt sind. Zahlreiche Untersuchungen zeigen deutliche
Veränderungen der Mikrobiota mit einer verminderten Diversität. Dabei ist unklar, ob die veränderte Mikrobiota zur
CED führt, oder vielmehr eine Folge der CED ist. Mit dem
topischen Antibiotikum Rifaximin lässt sich eine deutliche
Verbesserung des Symptomscore bei Patienten mit Morbus
Crohn erreichen, was auf eine ursächliche Mitbeteiligung
einer Modulation der Mikrobiota hinweist. Sehr interessante neue Arbeiten ergaben eine deutliche Beschwerdebesserung bis hin zur Symptomfreiheit bei Patienten mit CED
nach Durchführung einer Stuhltransplantation. Dadurch
kommt es zu einem Transfer der Mikrobiota, was wiederum
die Bedeutung der Mikrobiota für chronisch entzündliche
Darmerkrankungen verdeutlicht.
Eine zentrale Bedeutung der intestinalen Mikrobiota ergibt
sich im Bereich der Gastroenterologie beispielhaft bei folgenden Erkrankungen:
Ein besonderes klinisches Problem ist die refraktäre Clostridien-Colitis. Eine Metaanalyse zu Probiotika mit dem
Keim Saccharomyces boulardii ergab in der Primärprävention keinen signifikanten Vorteil für S. boulardii, während
in der Sekundärprävention eine Senkung des Rezidiv­risikos
nach rezidivierender Clostridium difficile Infektion um
zirka 30 bis 50 % erreicht werden kann. Beeindruckende
klinische Erfolge können bei diesen Patienten durch eine
koloskopische Stuhltransplantation mit Instillation einer
Spenderstuhlsuspension (300 bis 700 ml) erreicht werden
(Brandt, L.J. et al.: Am.J.Gastroenterol. 2012), mit eine Besserung in über 90 % der Fälle und einer Beschwerdefreiheit
bei 50% der Patienten. Durch diesen Mikrobiotatransfer
kommt es auch zu einer signifikanten Erhöhung der bakte­
riellen Diversität (van Nood, E. et al.: N.Engl.J.Med, 2013).
• beim Reizdarmsyndrom
• bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
• bei der Clostridium difficile Colitis.
Studien zum Reizdarmsyndrom (RDS) haben eine deutliche Verbesserung durch eine mikrobiotische Therapie mit
dem Keim E. coli Nissle gezeigt, wobei eine signifikante
Änderung im Vergleich zu Placebo allerdings erst nach acht
Wochen auftrat.
Eine Übersicht über insgesamt vierzehn Studien zur Behandlung des Reizdarmsyndroms mit verschiedenen Probio­tika
ergab im Vergleich zu Placebo eine statistisch signifikante
Verbesserung mit NNT (Needed Number to Treat) von vier.
Abbildung 2: Therapie des RDS mit E. coli Nissle (Mutaflor)
Modulation des Mikrobioms?
Diese Befunde demonstrieren eindrucksvoll die umfassende
Bedeutung der intestinalen Mikrobiota
•
•
•
für die normale Funktion des Organismus
für die Physiologie des Gastrointestinaltraktes
für die Pathogenese gastroente-
rologischer und metabolischer Erkrankungen.
Die Beeinflussung der intestinalen
Mikrobiota durch Stuhltransplantationen verdeutlicht eindrucksvoll
die therapeutischen Möglichkeiten
durch Modulation der intestinalen
Mikrobiota.
3
Januar 2014 | Labor Bayer aktuell
Moderne Stuhlparameter bei entzündlichen Darmerkrankungen
und Permeabilitätsstörungen
Dr. rer. nat. Wolfgang Bayer ist
Chemiker und befasst sich seit
über dreißig Jahren mit der Labordiagnostik von Mikronährstoffen,
Immun­parametern, Hormonen und
weiteren dia­gnostischen Fragestel­
lungen. Er ist Autor zahlreicher Pub­
likationen und Bücher zu diesen
Fachthemen.
Abbildung 3: Vernetzte Diagnostik
Prof. Dr. Dr. med. Karlheinz Schmidt
ist Facharzt für Laboratoriumsme­
dizin. Er blickt auf eine jahrzehntelange universitäre Forschungstätigkeit zurück, z. B. im Bereich des
Bioengineerings und hält über einhundert Patente.
Herr Dr. Bayer und Herr Prof.
Schmidt sind seit über fünfunddreißig Jahren Leiter des Labors Dr. Bayer, seit Anfang 2012 Leiter
des Kompetenzzentrums für komplementärmedizinische Diagnostik Labor Dr. Bayer im synlab MVZ Leinfelden. Beide sind
Gründungsherausgeber der Zeitschrift ERNÄHRUNG UND
MEDIZIN.
Die Diagnostik der intestinalen Mikrobiota sowie von weiteren Stuhlparametern darf keinesfalls nur fokussiert auf
Darmerkrankungen gesehen werden. Es bestehen vielfältigste Interaktionen mit dem Hormonsystem, dem Immunsystem und dem Nervensystem, um nur einige Beispiele zu
nennen, so dass die Diagnostik von Stuhlparametern immer
im Zusammenhang mit einer vernetzten Diagnostik gesehen werden muss. Dazu gehören Untersuchungen der Mikronährstoffe, der Hormone, des Immunsystems und viele
weitere Parameter mehr (Abbildung 3).
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
In unserem Labor haben wir insgesamt acht verschiedene
symptom- und krankheitsspezifische Profile für Stuhluntersuchungen erarbeitet. Eines dieser Profile ist speziell auf
chronisch entzündliche Darmerkrankungen ausgerichtet
und hat folgende Indikationen:
• unklare Darmstörungen
• Abgrenzung CED/Reizdarmsyndrom
• Verlaufskontrolle bei bekannten chronisch entzündlichen
Darmerkrankungen.
Abbildung 4
4
Labor Bayer aktuell | Januar 2014
Ein Leitparameter für entzündliche Prozesse im Bereich
des Darms ist das Calprotectin, das mengenmäßig häufigste Protein im Cytosol neutrophiler Granulozyten. Bei
entzündlichen Aktivierungen wird Calprotectin freigesetzt
und es finden sich stark ansteigende Calprotectinkonzentrationen im Stuhl. Calprotectin zeigt sehr gut die Entzündungsaktivität bei Patienten mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa an. Dabei bestehen sehr enge Korrelationen zu
histologischen und endoskopischen Befunden der Krankheitsaktivität. Aufgrund seiner fehlenden Spezifität ist es
jedoch nicht zur Primärdiagnose der chronisch entzündlichen Darmerkrankung geeignet. Auch bei colorectalen
Carcinomen sind in zirka 90 % der Fälle Erhöhungen dieses
Parameters nachweisbar.
Leaky-Gut-Syndrom
Die Problematik einer erhöhten Permeabilität der Darmschleimhaut (Leaky-Gut-Syndrom) wurde bereits im Beitrag von Frau Prof. Morgner-Miehlke behandelt.
Zur Diagnostik des Leaky-Gut-Syndroms sind vor allem
die beiden Leitparameter Zonulin und α-1-Antitrypsin
heran­zuziehen. Zusammen mit anderen zentralen Stuhl­
parametern haben wir ein spezielles Untersuchungsprofil
für das Leaky-Gut-Syndrom entwickelt.
Abbildung 6
Am Beispiel einer Patientin mit bekanntem Morbus Crohn
mit Verdacht auf einen akuten Schub zeigt nachfolgende
Abbildung einen charakteristischen Stuhlbefund.
Abbildung 5: Befundbeispiel – Patientin mit M. Crohn
Stuhldiagnostik:
Patientin M. O., weiblich, geb. 30.04.1966,
Morbus Crohn, V. a. Schub
Im vorliegenden Stuhlbefund ergibt sich eine Erhöhung des Calpro­
tectins auf das etwa Sechsfache des Normalbereichs, was die
Entzündungsaktivitäten anzeigt und den Verdacht auf einen akuten
Schub des Morbus Crohn bestätigen kann. Gleichzeitig finden
sich auch Anstiege eines weiteren Entzündungsmarkers, des
eosinophilen Proteins X (EDN). Interessanterweise wird der Entzün­
dungsmarker Lactoferrin (noch) im Normalbereich gemessen.
Parameter der Darmpermeabilität wie α-1-Antitrypsin und Zonulin
zeigen erfreulicherweise normale Werte. Die Beeinträchtigung
des intestinalen Immunsystems ist anhand einer Verminderung des
sekretorischen IgA nachweisbar.
Erhöhungen von Zonulin und α-1-Antitrypsin weisen auf
eine erhöhte Darmpermeabilität hin, wobei Zonulin ein
Modulator ist, der die Tight Junctions des Darmepithels
öffnet. Der in diesem Profil ebenfalls erhobene Florastatus
dient zur Aufdeckung von Veränderungen der intestinalen
Mikrobiota. ß-Defensin und sekretorisches IgA sind wichtige Parameter des intestinalen Immunsystems. Der Entzündungsmarker PMN-Elastase, Serumalbumin und Histamin als Indikator einer hohen Histaminbelastung über
Nahrungsmittel runden dieses Profil ab.
Neue Studien haben gezeigt, dass Zonulinkonzentrationen
durch Probiotika, z. B. mit einem Kombinationspräparat
von Bifidobakterien, Enterococcus und Lactobacillus gesenkt
werden können, so dass Probiotika auch eine erhöhte Permeabilität der Darmschleimhaut verbessern können (Lamprecht, M. et al.: J.Int.Soc.of Sports Nutr. 9, 45–57, 2012).
Der gezielte Einsatz von Stuhluntersuchungen, idealerweise
kombiniert mit weiteren Parametern (Mikronährstoffstatus, Immundiagnostik, Hormone) dient nicht nur der
Abklärung von gastrointestinalen Erkrankungen, sondern
auch von Erkrankungen, die mit Störungen im Bereich des
Darms assoziiert sind. Beeindruckende Daten liegen z. B.
zu Autoimmunerkrankungen in Relation zu Veränderungen
der intestinalen Mikrobiota beziehungsweise der Integrität
der intestinalen Mukosa vor.
5
Januar 2014 | Labor Bayer aktuell
Orthomolekulare Medizin bei gastrointestinalen Erkrankungen
Herr Uwe Gröber ist Apotheker,
einer der bekanntesten deutschen
Mikronährstoffexperten und Autor
zahlreicher Publikationen und Bücher
zu diesem Thema sowie Herausgeber der Zeitschrift für Orthomole­
kulare Medizin. Er ist Leiter der
Akademie und des Zentrums für
Mikronährstoffmedizin in Essen.
In seinem Vortrag befasste sich Herr Gröber schwerpunktmäßig mit den Themen
• Helicobacter pylori und gastrointestinale Erkrankungen
und
• Mikronährstoffe und chronisch entzündliche
Darmerkrankungen.
Mit der Erstbeschreibung des Helicobacter pylori im Jahr
1983 wurde eine wichtige Ursache der Pathogenese des peptischen Ulkus ventriculi oder duodeni, des Adenocarcinoms
des Magens, des MALT-Lymphoms des Magens und der
autoimmunen Gastritis aufgedeckt. Das gramnegative Bakterium besiedelt den Magen und führt dort zu einer chronischen Entzündung der Magenmukosa. Die Entwicklung
von Vitamin C- und Eisenmangel beim Helicobacter pylori
ist gut untersucht ebenso wie eine Begünstigung von Vitamin B12-Mangel.
Abbildung 7
6
Darüber hinaus ist mit folgenden Rückwirkungen auf
Mikronährstoffe zu rechnen:
• Vitamin D: Vitamin D-Mangel begünstigt die
Th1-Aggression gegen das Magenepithel und damit eine
HP-assoziierte Carcinogenese. In der Folge kommt
es zu einem erhöhten Risiko für eine Typ-A-Gastritis.
• Folsäure: Die HP-Infektion führt zu einer Störung der
pH-abhängigen Resorption. In der Folge kommt es zu
einer erhöhten Häufigkeit einer Hyperhomocysteinämie
mit weiteren atherogenen Folgeerscheinungen.
• Vitamin A/ß-Carotin: Eine Verminderung der ß-Carotin­
konzentration in der Mukosa ist bei HP-Patienten
bekannt. Nachfolgend entsteht ein erhöhtes Risiko für
Atrophie und intestinale Metaplasie.
Der Einfluss einer zusätzlichen Gabe der antioxidativ
wirksamen Vitamine C und E auf die Helicobacter pylori
Eradikation ist gut dokumentiert (Sezikli, M. et al.: Helicobacter 14, 280–285, 2009). In einer Open-Label-Studie
mit 160 HP-infizierten Patienten erhielten 80 Patienten die
klassische Quatrupeltherapie, 80 Patienten zusätzlich Vitamin C und Vitamin E in einer Dosierung von 1.000 mg
Vitamin C und 400 Einheiten Vitamin E täglich für insgesamt 14 Tage. In der Gruppe mit der zusätzlichen Gabe von
Vitamin C und Vitamin E erhöhte sich die Eradikations­
rate von 64 auf 93,5%.
Labor Bayer aktuell | Januar 2014
Auch Probiotika zeigen einen günstigen Einfluss auf die
HP-Eradikation. Eine Vorbehandlung mit Probiotika
(Lacto­bacillen, Bifidobakterien, Streptococcus) erhöhte sig­
nifikant die Eradikationsrate unter Quatrupeltherapie, verminderte die Antibiotikaresistenz und verminderte ebenso
die Nebenwirkungsrate (Sheu, B.S. et al.: Am.J.Clin.Nutr.
2006).
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
(CED)
• Vitamin B12 einschließlich Holotranscobalamin
Die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zeigen in
den industrialisierten Ländern seit dem zweiten Weltkrieg
eine starke Zunahme, die parallel zur sozioökonomischen
Entwicklung in den jeweiligen Ländern verläuft. So können
verschiedene Einflüsse während der Kindheit das Risiko, an
einer CED zu erkranken, teilweise deutlich erhöhen. Dies
gilt z. B. für nicht gestillte Kinder, übertriebene Hygiene
und häufige Anwendung von Antibiotika. Nach heutiger
Einschätzung sind drei wesentliche Bereiche an der Ent­
stehung einer CED beteiligt:
• Homocystein
• genetische Faktoren
• Eisenstatus einschließlich Ferritin und löslichem
Transferrinrezeptor
• gestörte Immunbalance des Darmschleimhautsystems
Herr Gröber führte aus, dass bei Patienten mit Helicobacter
pylori Infektion mindestens folgende Mikronährstoffe diagnostisch zu bestimmen sind:
• Vitamin D-Status, vor allem 25-Hydroxy-Vitamin D3
• externe Stressfaktoren, die die intestinale Mikrobiota
stören.
Als adjuvante therapeutische Maßnahmen schlägt er wie
folgt vor (zusätzlich Vitamin D):
Die Häufigkeit von Mikronährstoffdefiziten bei chronisch
entzündlichen Darmerkrankungen ist sehr hoch, wobei sowohl Mineralstoffe und Spurenelemente wie auch fett- und
wasserlösliche Vitamine betroffen sein können.
Tabelle 1
Tabelle 2
• Selen im Vollblut.
Hp-Infektion: Mikronährstofftherapie
Vitamin C
Parenteral
Oral
M. Crohn
Colitis ulcerosa
Vitamin B12
50 %
5%
Vitamin D
25–75 %
35 %
Folsäure
40 –50 %
30–40 %
Eisen
40 %
80 %
1.000–2.000 µg Hydroxocobalamin,
1 x pro Monat
Calcium
13 %
nicht gemessen
Kalium
5– 20 %
nicht gemessen
500 –1.000 µg Me-Cobal + Metafolin
(z. B. Lutschtablette)
Magnesium
15–30 %
nicht gemessen
Zink
20– 40 %
nicht gemessen
7,5 g Vitamin C in 200 ml 0,9 % NaCI,
1–2 x pro Woche für 2 Wochen
2 x 0,5–1 g Vitamin C/d (in Kombi mit Biofla)
200–500 I.E. Vitamin E/d
Vitamin B12
Parenteral
Oral
Eisen
Parenteral
Häufigkeit von Mikronährstoffmangel-Zuständen
bei M.Crohn und Colitis ulcerosa
bei Mangel: Eisen-(III)-Carboxymaltose i. v.
© Uwe Gröber & Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 2013
Depew, W.T.: The role of nutritional support in inflammatory bowel disease.
Can.J.Gastroenterol. 4, 30A–36A, 1990
Antientzündliche und immunregulierende Mikronährstoffe
wie Vitamin D, Selen und Omega-3 Fettsäuren können den
Krankheitsverlauf bei CED günstig beeinflussen.
7
Januar 2014 | Labor Bayer aktuell
Reizdarmsyndrom – Zusammenhänge mit Laktose- und Fruktoseintoleranz
Herr Univ. Prof. Dr. med. Reinhart
Jarisch ist Facharzt für Haut- und
Geschlechtskrankheiten an der Universitätshautklinik (AKH) Wien. Seit
1980 ist er Universitätsdozent und
seit 1989 Leiter der Allergieambu­
lanz am AKH Wien. Er hat das
­Floridsdorfer Allergie Zentrum (FAZ)
über dreißig Jahre geleitet und ist,
neben vielen anderen Vorstandsaufgaben, Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft
für Allergologie und Immunologie. Er hat mehr als einhundert
wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht und ist vor allem
durch seine bahnbrechenden Forschungsarbeiten zum Histamin weithin bekannt geworden.
In seinem ersten Vortrag berichtete Herr Prof. Jarisch über
das Reizdarmsyndrom und eine von ihm durchgeführte
Doppelblindstudie zu Zusammenhängen mit einer fruktoseoder laktosefreien Diät.
Die Diagnose eines Reizdarmsyndroms wird häufig erst
dann gestellt, wenn andere Darmerkrankungen ausgeschlossen werden konnten oder nicht wahrscheinlich waren. Es konnten bisher keine biochemischen, strukturellen
oder serologischen Abnormalitäten festgestellt werden. Die
Prävalenz wird auf etwa 10% der Bevölkerung geschätzt.
Die klinische Diagnose stützt sich auf die so genannten
Rome II-Kriterien.
Tabelle 3
ROME II Kriterien beim Reizdarmsyndrom
Hauptkriterien:
Abdominelles Unbehagen oder abdominelle Schmerzen
während 12 Wochen (nicht unbedingt durchgehend) oder länger
innerhalb der letzten 12 Monate mit zumindest 2 der folgenden
3 Kennzeichen:
1. Vermindert nach Defäkation
2. Verbunden mit einer Änderung der Stuhlfrequenz
3. Verbunden mit einer Änderung der Stuhlkonsistenz
Fakultative Kriterien:
1. Änderung der Stuhlform
2. Änderung der Defäkation, Gefühl der inkompletten Entleerung
3. Schleimbeimengung
4. Meteorismus, Flatulenz
8
Herr Prof. Jarisch und Mitarbeiter untersuchten, inwieweit eine intestinale Fruktose- und /oder Laktoseintoleranz
ursächlich für das Reizdarmsyndrom verantwortlich sein
könnte. In einer placebokontrollierten Doppelblindstudie
wurden 221 Probanden (181 Frauen und 40 Männer) randomisiert eine fruktose- oder laktosefreie Diät für drei
Wochen verordnet (105 Patienten waren diarrhoebetont,
28 obstipationsbetont und 88 hatten abwechselnd beide
Beschwerden). Danach wurden alle Patienten auf Fruktoseund Laktoseintoleranz mittels eines standardisierten H 2Atemtests getestet.
Bei den Patienten mit Laktoseunverträglichkeit ist zu unterscheiden zwischen einem primären Laktasemangel des
Erwachsenen, der genetisch bedingt ist, und einem sekundär
bedingten Laktasemangel durch eine geschädigte Darmmukosa. Bei der Fruktoseintoleranz /-unverträglichkeit ist
zwischen dem seltenen (1 : 20.000) angeborenen Mangel
an Fruktose-I-Phosphat-aldolase und der viel häufigeren
Fruktosemalabsorption (intestinale Fruktoseintoleranz)
infolge eines Defekts des GLUT-5-Transportsystems zu
unterscheiden. Dieses äußert sich in einer eingeschränkten
Resorptionskapazität für Fruchtzucker und ist häufig assoziiert mit eine Resorptionsstörung bezüglich der essentiel­
len Aminosäure Tryptophan, was in der weiteren Folge zu
einer Einschränkung der Serotoninbiosynthese führt.
Auf Fruktose reagierten 111 Patienten, auf Laktose 12 Pa­
tienten, auf beides 72 Patienten und 26 Patienten reagierten
weder auf Fruktose noch auf Laktose. Erhielten Patienten
zufällig die richtige Diät, wurden ihre Beschwerden signifikant besser (p < 0,0001). Überraschenderweise trat dies auch
ein, wenn die Patienten zufällig die falsche Diät erhielten.
Bei den Patienten, die sowohl auf Fruktose und Laktose reagierten, genügte eine richtige Diät zu einer signifikanten
Verbesserung. Aber auch bei Patienten, die nicht auf Fruktose und Laktose im Belastungstest reagierten, wurde eine
ebenso signifikante Verbesserung festgestellt.
Es war also völlig egal, welche Diät die Patienten erhielten, es trat immer eine signifikante Verbesserung ein.
Labor Bayer aktuell | Januar 2014
Abbildung 8: Gruppe 2 – Fruktoseintolerante Patienten
Herr Prof. Jarisch zieht daraus den Schluss, dass beim Reizdarmsyndrom in einer großen Zahl der Fälle eine Fruktoseund /oder Laktoseintoleranz zugrunde liegt. Da jedoch
auch schon eine „falsche“ Diät und das Ansprechen auf eine
beliebige Diät bei intoleranten Patienten zu einer Verbesserung führte, lässt den Schluss zu, dass offensichtlich psychische Einflüsse eine wesentliche Rolle spielen könnten.
Es kann hier auch darauf hingewiesen werden, dass bei
einer Gabe von Fruktose (50 g) im Rahmen eines durch­
geführten Atemtests bei zirka 20% der Patienten signifikante Nebenwirkungen im Sinne von Diarrhoe und Bauchkrämpfen auftreten.
Histaminintoleranz als Auslöser zahlreicher Erkrankungen
In seinem zweiten Vortrag behandelte Herr Prof. Jarisch, einer der weltweit führenden Histaminforscher die Histaminintoleranz als Auslöser verschiedenster Grunderkrankungen.
Neben IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien, Kreuzreaktionen von Nahrungsmitteln mit Pollen bei entsprechenden Sensibilisierungen, einer Fruktosemalabsorption,
der Laktoseintoleranz und der Zöliakie gehört die Histaminintoleranz zu den häufigsten Nahrungsmittelunverträglichkeiten.
Eine Histaminintoleranz kann zu multiplen Beschwerden
führen, die in Abbildung 9 zusammengefasst dargestellt
sind.
Abbildung 9: Histaminintoleranz
Histamin ist ein biogenes Amin, das physiologische Funktionen wie Stimulation der Magensaftsekretion, Gefäßerweiterung, Blutdrucksenkung, den Schlaf-Wach-Rhythmus,
den Appetit und die Lernfähigkeit kontrolliert oder mit beeinflusst. Histamin wird durch zwei Enzyme abgebaut, die
Diaminooxidase und die N-Methyltransferase, wobei die
Funktion der N-Methyltransferase von einer funktionierenden Diaminooxidase abhängt.
Histaminintoleranz wird heute definiert als ein Missverhältnis zwischen Histaminaufnahme und Aktivität der
Diaminooxidase.
9
Januar 2014 | Labor Bayer aktuell
Zahlreiche Nahrungsmittel sind reich an Histamin oder
enthalten so genannte Histaminliberatoren und sind damit
häufig Auslöser einer Histaminintoleranz.
Tabelle 4
Die häufigsten Auslöser von Beschwerden sind:
Iatrogene Einflüsse
Eine Vielzahl von Medikamenten führt zu einer Hemmung
des histaminabbauenden Enzyms Diaminooxidase und kann
damit zu Symptomen einer Histaminintoleranz führen.
Tabelle 5
1. Alkoholische Getränke – insbesondere Rotwein
2. Käse – insbesondere Hartkäse wie Emmentaler
Diaminoxidase-Hemmung durch Medikamente
3. Schokolade – Kakao-haltige Nahrungsmittel
Patienten, die mit den angeführten Medikamenten behandelt
werden, sollten histaminhaltige Speisen meiden, da sie Histamin
auf Grund der Diaminooxidasehemmung nicht genügend abbauen
können. Alimentäres Histamin könnte deshalb Cephalea, Rhinitis,
Urticaria, Diarrhoe, Hypotonie, kardiale Arrhythmie oder Asthma
bronchiale auslösen.
4. Salami – Rohwürste
5. Nüsse
6. Fisch
7. Tomaten, Sauerkraut, Spinat
8. Erdbeeren, Zitrusfrüchte u. a. Histaminliberatoren
TOP 11 der meistverkauften DAO-Blocker
Herr Prof. Jarisch sieht heute die Histaminintoleranz als
minimalen anaphylaktischen Schock an, da alle genannten
Symptome, allerdings in deutlich verstärkter Form, auch
beim anaphylaktischen Schock vorkommen.
Histamin und Kopfschmerz
Histaminintoleranz ist eine häufige Ursache des Kopfschmerzes. Ein Ernährungsregime von Kopfschmerz­
patienten mit einer histaminfreien beziehungsweise histaminarmen Diät führte zu einem signifikanten Abfall der
Kopfschmerzhäufigkeit.
Abbildung 10: Häufigkeit des Kopfschmerzes vor und nach
Histamin-freier Diät
Acetylcystein
z. B. Aeromuc, Pulmovent
Ambroxol
z. B. Ambrobene, Ambroxol, Broxol,
Mucosolvan, Mucospas
Aminophyllin
z. B. Euphyllin, Mundiphyllin, Myocardon
Amitriptylin
z. B. Saroten, Tryptizol, Limbritol
Chloroquin
z. B. Resochin
Clavulansäure
z. B. Augmentin
Isoniazid
z. B. Myambutol+INH, Rifoldin+INH,
Rimactan+INH
Metamizol
z. B. Buscopan comp., Inalgon, Novalgin
Metoclopramid
z. B. Ceolat comp., Paspertase, Paspertin
Propafenon
z. B. Rhythmocor, Rytmonorma
Verapamil
z. B. Isoptin
Histamin und anaphylaktischer Schock
Eigene Untersuchungen von Herrn Prof. Jarisch an 15.000
allergischen Patienten zeigten, dass bei 0,5% der Patienten
eine erhöhte Tryptaseaktivität als Ausdruck einer (beginnenden) anaphylaktischen Reaktion gefunden wurde. Bei
diesen Patienten wurde signifikant häufiger Müdigkeit,
Meteorismus, Muskel- und Knochenschmerzen, Schwindel,
Tachykardie, Flush, Diarrhoe und Kollaps nachgewiesen.
Bei einem Viertel der Patienten mit erhöhter Tryptase muss
mit einer anaphylaktischen Reaktion auf Insektenstiche
(Biene/ Wespe) gerechnet werden, so dass Herr Prof. Jarisch
bei diesen Patienten mit erhöhter Tryptase die ­lebenslange
Gabe eines Antihistaminikums empfiehlt.
Diagnose der Histaminintoleranz
1. Im Vordergrund steht die Anamnese. Vor allem müssen Unverträglichkeitsreaktionen auf histaminreiche
Nahrungsmittel abgefragt werden.
10
Labor Bayer aktuell | Januar 2014
2. Laboranalytisch ist die Bestimmung von Histamin und
DAO erforderlich, gegebenenfalls zusätzlich die Be­
stimmung von Tryptase. Da Vitamin B6 und Kupfer für
die Aktivität der DAO unerlässlich sind, sind entsprechende Mikronährstoffdefizite auszuschließen.
3. Ein wichtiges diagnostisches Kriterium ist eine negative
Provokation im Sinne einer vierzehntägigen histaminfreien beziehungsweise histaminarmen Diät, mit einem
Rückgang der entsprechenden Symptomatik.
Therapie der Histaminintoleranz
Im Vordergrund der Therapie stehen:
1. Eine histaminfreie beziehungsweise histaminarme
Diät mit einer Vermeidung histaminreicher Nah­
rungsmittel inklusive einer Vermeidung einer hohen
Aufnahme anderer biogener Amine und von Hista­
min­liberatoren (kommen z. B. in Erdbeeren vor). Eine
Kartoffel-Reis-Diät kann als generell histaminfrei
eingestuft werden.
2. Die Gabe von H1-Rezeptorenblocker.
3. Die Gabe von Diaminooxidase (DAO)-Kapseln.
Entsprechende DAO-Produkte werden aus
Schweinenieren gewonnen.
4. Gleichzeitig kommt die Gabe von Mikronährstoffen
wie Vitamin B6, Vitamin C und Kupfer in Frage, um
die Aktivität der DAO zu optimieren.
Histamin ist auch der wichtigste Auslöser der Seekrankheit und Antihistaminika sind das Mittel der Wahl bei dieser Erkrankung. In einer Studie mit der deutschen Marine
konnte Herr Prof. Jarisch die Wirksamkeit von Vitamin CKautabletten (als Aktivator der Diaminooxidase) belegen.
Diese wirkten signifikant besser bei Frauen und bei Männern unter 28 Jahren. Ältere Männer sind weniger empfindlich für die Seekrankheit, daher waren die Werte bei dieser
Gruppe für Vitamin C zwar besser, erreichten jedoch keine Signifikanz. Vitamin C wirkt daher besonders, auch bei
aufkommender Seekrankheit, bei denen, die es brauchen
( Jarisch et al.: Influence of orally taken vitamin C on hista­
mine levels and sea sickness. J. Vest. Res 2014, in press).
Grundproblem Inflammation: Antientzündliche Darm- und Ernährungstherapie
Herr Schulz-Ruhtenberg ist Facharzt
für Allgemeinmedizin, Ernährungsmedizin und Sportmedizin. Seine
Praxistätigkeit in der Hamburger
Hafencity hat die Schwerpunkte Ernährungsberatung, Sporternährung,
Stressmedizin und Prävention. Seit
über zehn Jahren arbeitet er mit dem
INSUMED-Konzept im Rahmen der
Therapie von Adipositas und Übergewicht. Er befasst sich nicht zuletzt auch mit der „Silent Inflammation“ bei übergewichtigen und adipösen Patienten und
hat diesbezüglich eine antientzündliche Darm- und Ernährungstherapie etabliert.
assoziiert ist. Betrachtet man die Entwicklung der letzten
fünfzig Jahre, so ist eine signifikante Zunahme von Allergien und chronisch-entzündlichen Erkrankungen festzustellen.
Abbildung 11: Zunahme chronisch-entzündlicher Erkrankungen
In seinem Vortrag befasste sich Herr Schulz-Ruhtenberg
mit dem Problem chronischer Entzündungen einschließlich der so genannten „Silent Inflammation“, die mit einer
Vielzahl von chronisch verlaufenden Grunderkrankungen
11
Januar 2014 | Labor Bayer aktuell
So hat sich in den letzten zwanzig Jahren nicht nur die
Zahl der Allergiker, sondern auch die Inzidenz des Morbus
Crohn in etwa verdoppelt. Ein wichtiger Laborparameter
ist dabei die Bestimmung des hoch sensitiven CRP (CRP hs)
im Serum. Dabei haben zahlreiche Studien gezeigt, dass bereits eine moderate und früher noch meist vernachlässigte
Erhöhung des CRPs in einem Bereich von 1 bis 3 mg/l mit
einer Erhöhung des kardiovaskulären Risikos einhergeht.
Ursache dürften chronisch entzündliche Veränderungen
im Bereich der Arterienwände sein. Neben Gen-UmweltInter­aktionen (Genetik 10 bis 15% , Epigenetik plus Umwelt 80 bis 85%) sind in diesem Zusammenhang auch
­Lebensstilfaktoren zu berücksichtigen, im Einzelnen:
• Fehlernährung (hoher Konsum an Süßigkeiten,
Kohlenhydratmast, falsche Fette)
• Bewegungsverhalten
• psychische Belastungen
• Stress
• Rauchen
• Übergewicht
• Übersäuerung
• iatrogene Faktoren durch Medikamente.
Gleichzeitig sind wir in den letzten fünfzig Jahren zunehmend mit Umweltfaktoren konfrontiert worden, die früher
nicht in diesem Ausmaß zum Tragen gekommen sind. Dazu
gehört Lärmbelastung, elektromagnetische Felder (Mobilfunk), Schadstoffbelastungen einschließlich der vermehrten
Verwendung von Lösungsmitteln und Weichmachern,
Fremdmaterialien im Organismus (Zahnmedizin, Orthopädie) und ein weltweiter Nahrungsmitteltransfer, der mit
einer deutlich gesteigerten Antigenvielfalt einhergeht.
Abbildung 12:
Umweltfaktoren und Eigenetik als Enzündungsmediatoren
12
Im Rahmen einer antientzündlichen Ernährungstherapie
wurden von Herrn Schulz-Ruhtenberg besonders folgende
Nahrungsinhaltsstoffe mit einer suppressiven Wirkung auf
die Toll-like Rezeptoren der Makrophagen benannt:
a)
b)
c)
d)
Resveratrol
Curcumin
S-Adenosylmethionin
Vitamin D3.
Curcumin ist dabei einer der am besten untersuchten Nahrungsstoffe. In Studien konnte eine Hemmung der Enzyme
COX-2, Lipoxygenase und NO-Synthase gezeigt werden
ebenso wie eine NF-κB-Hemmung. In hohen Dosierungen
(8 g/Tag) hat Curcumin eine antitumorale Wirkung durch
Angiogenesehemmung. Ein Problem ist die vergleichsweise
geringe Verfügbarkeit mit einer kurzen Halbwertszeit im
Dünndarm, da Curcumin rasch abgebaut wird. Inzwischen
gibt es neue Produkte in Form eines Phytosomen-Curcumins, mit pflanzlichen Phospholipiden zum Schutz vor
Oxidation und für eine bessere Aufnahme im Darm und in
die Zelle.
Auch mehrfach ungesättigte Omega-3 Fettsäuren haben einen hoch signifikanten antiinflammatorischen Einfluss, wie
z. B. durch Studien an Patienten mit rheumatoider Arthritis
oder Morbus Crohn gezeigt werden konnte. Neue Arbeiten
zeigen Wechselwirkungen mit Statinen, wobei diese Studien­
ergebnisse nahe legen, dass Statine den positiven Einfluss
von Omega-3 Fettsäuren im Hinblick auf eine Senkung des
kardiovaskulären Risikos mindern können (Eussen, S. et al.:
Eur.Heart J. 33, 1582–1588, 2012).
Im Rahmen einer antientzündlichen Ernährungstherapie
ist es auch wichtig, die Aufnahme von Kohlenhydraten
und die glykämische Last zu reduzieren. Im Bereich der
Fettsäuren wird bei hohen Insulinspiegeln Homo-gammaLinolensäure in die proinflammatorische Arachidonsäure
umgewandelt. Generell fördert eine hohe Aufnahme von
Kohlenhydraten die Bildung von Arachidonsäure. Eine
kohlenhydratreduzierte Ernährung mit einer niedrigen glykämischen Last hat eindeutig anti-inflammatorische Effek­
te, was sich in einer Absenkung des C-reaktiven Proteins
und einer Erhöhung von Adiponektin bei übergewichtigen
Erwachsenen zeigen lässt (Neuhauser, M.L.: J.Nutr. 142,
369–374, 2012).
Labor Bayer aktuell | Januar 2014
Auch eine hypokalorische Ernährung mit niedrigem Kohlenhydrat- aber hohem Fettanteil führt zu einer Absenkung
von CRP und Anstieg von Adiponektin und HDL (Megan,
R.R. et al.: Metabolism, 2013). Auch eine hohe Aufnahme
an Früchten mit Antioxidantien wie Anthocyanen, Carotinoiden, Polyphenolen und antioxidativ wirksamen Vitaminen (Vitamin C) hat eine entscheidende Bedeutung im
Rahmen einer antiinflammatorischen Ernährungstherapie.
Darmassoziierte Störungen spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, da sie entzündliche Reaktionen
auslösen oder triggern können. Dies gilt insbesondere dann,
wenn infolge eines Leaky-Gut-Syndroms vermehrt Antigene die Epithelbarriere der intestinalen Mukosa passieren
können und dann jenseits des Darms Immunreaktionen
auslösen.
Nachstehendes Befundbeispiel einer Patientin mit rezidi­
vierenden Durchfällen zeigt eine deutliche Erhöhung von
Calprotectin als Ausdruck entzündlicher Darmveränderungen. Gleichzeitig besteht eine starke Erhöhung des
Histamins als Ausdruck einer hohen Aufnahme histaminreicher Nahrungsmittel. Das beeinträchtigte intestinale Immunsystem wird durch das niedrige sIgA angezeigt.
Abbildung 13: Stuhldiagnostik
Tabelle 6
Tipps zur „Darmpflege“
• Der Darm ist bei vielen Menschen ein wichtiges „Stress-Organ“,
d. h. alles, was Sie belastet, kann auch Ihren Magen-DarmTrakt belasten und Beschwerden verursachen. Daher ist ein
ver­­bes­sertes Stressmanagement eine wichtige Säule in der
Reizdarm-Therapie.
• Gönnen Sie sich regelmäßige Ruhepausen. Lernen Sie eine
Entspannungsmethode. Schlafen Sie genug. Lachen und
Bewegung entspannen Ihren Darm, bauen Stress ab und stärken
das Immunsystem.
• Kauen Sie gründlich und essen Sie langsam
(Tipp: www.schmauen.de)
• Vermeiden Sie Essen in Hektik und unter Stress, da dies die
Verdauungskraft schwächt und oft Beschwerden auslösen bzw.
verstärken kann, z. B. durch Luftschlucken.
• Essen Sie Milchsauer vergorene Lebensmittel, da diese
gesunde Milchsäurebakterien wie Lactobacillen enthalten:
Gärungsgemüse wie Sauerkraut, saure Gurken, Rote Beete;
fermentierte Milchprodukte wie Natur-Joghurt, Dickmilch
oder Kefir; Brottrunk®.
• Achten Sie auf Ihre individuelle Verträglichkeit, z. B. werden
grobkörnige Vollkornbrote, Milch oder Salate/Rohkost (besonders am Abend) von vielen Menschen nicht oder nur in kleinen
Mengen vertragen. Testen Sie, was Ihnen persönlich gut tut und
was nicht.
• Das Essen aus Groß-Küchen/Kantinen enthält oft Zusatzstoffe,
die Beschwerden auslösen können. Auch dies sollten Sie testen.
• Immer Ursachensuche, wenn noch nicht erfolgt: Störungen
der Darmflora, Entzündungen, Darmpilze, NahrungsmittelUnverträglichkeiten (Laktose, Fruktose, Sorbit, Weizen/Gluten),
Histamin-Intoleranz, Nahrungsmittel-Allergien
Im Rahmen einer antientzündlichen Darmtherapie weist
Herr Schulz-Ruhtenberg auf Schutzfaktoren wie L-Glutamin und Lecithin hin ebenso wie auf Ansatzpunkte für probiotische Therapiemaßnahmen. Seine Tipps zur Darmpflege
sind in Tabelle 6 zusammengefasst.
Auch die Bedeutung einer Stressbalance kann nicht genug
hervorgehoben werden. Studien zeigen z. B. dass Prüfungsstress zu einer deutlich verstärkten Bildung proinflammatorischer Zytokine führt. Infolge der Stressantwort
von Katecholaminen und Cortisol kommt es zu einer Verminderung der zellulären Immunantwort und zu einer
Hemmung der Serotoninsynthese (vor allem durch INF-γ).
Ein individuelles Stressmanagement mit autogenem Training, Biofeedback, Joga, MBSR , Meditation und ausreichendem Schlaf gehört damit immer in das Gesamtkonzept
einer antientzündlichen Therapie, wobei eine Vagusaktivierung generell antientzündlich wirkt. In diesem Zusammenhang ist auch eine individuell angepasste Bewegungstherapie von wesentlicher Bedeutung.
Bei der Behandlung zahlreicher chronischer Grunderkrankungen sieht Herr Schulz-Ruhtenberg ein großes Potential
für komplementärmedizinische antiinflammatorische Strategien auf der Basis folgender Punkte:
• ausgewogene Ernährung mit Vermeidung von
Kohlenhydratmast
• ausreichende Zufuhr von antioxidativ wirksamen
Mikronährstoffen
• möglichst weitgehende Vermeidung von Umweltnoxen
• antientzündliche Darmtherapie mit Probiotika und
Mikronährstoffen
• Übergewicht vermeiden
• Stressmanagement
• individuell angepasste Bewegungstherapie.
Generell ist ein individuelles Vorgehen unerlässlich.
13
Januar 2014 | Labor Bayer aktuell
Probiotika und Präbiotika: Wie sinnvoll sind solche Präparate für die Praxis?
Herr Dr. rer. nat. Ulrich Sonnenborn ist Diplombiologe und Leiter
des Bereichs biologische Forschung
der Ardeypharm GmbH. Er ist ausgewiesener Experte für Probiotika
und Präbiotika und hat zahlreiche
Publikationen und Buchbeiträge zu
diesem Thema verfasst.
Definitionsgemäß sind Probiotika Präparate mit lebenden,
nicht pathogenen Keimen, die dem Wirtsorganismus einen
gesundheitlichen Nutzen bringen, wenn sie in ausreichender
Menge zugeführt werden. Probiotische Mikroorganismen
sind die biologisch aktiven Bestandteile von bestimmten
Nahrungsergänzungsmitteln und Milchprodukten (Functional Food) sowie die wirksamen Bestandteile probio­ti­
scher Arzneimittel. In den letzten Jahren hat das wissenschaftliche und medizinische Interesse an Probiotika enorm
zugenommen, was man an der stetig steigenden Zahl von
Fachpub­likationen ablesen kann. Im Lebensmittelbereich
werden vor allem verschiedene Arten und Stämme der
Gattungen Lactobacillus und Bifidobakterium verwendet,
im Arzneimittelbereich auch bestimmte Stämme anderer
Spezies wie E. coli, Enterococcen und Hefen. Vorreiter der
„Probiotikawelle“ waren in den 1990 er Jahren Joghurts, die
mit speziel­len Milchsäurebakterien angereichert waren.
Tabelle 7
Besonderheiten von Probiotika als Nahrungs­
ergänzungsmittel, gesetzlich vorgegebene Definitionen
und Abgrenzungen
Probiotische Nahrungsergänzungsmittel
• sind definitionsgemäß Lebensmittel
• enthalten entweder einen einzelnen probiotischen Bakterienstamm oder (wesentlich häufiger) eine Mischung aus
verschiedenen probiotischen Stämmen in für Lebensmittel un­
typischer Form (z. B. Tabletten, Kapseln, Pulver, Suspensionen)
• unterliegen als Lebensmittel keiner Zulassungspflicht
• sind dazu bestimmt, die normale Ernährung durch zusätz­liche Gaben von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit
ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung zu
ergänzen und sind daher oft mit Vitaminen, Mineralstoffen
und/oder Präbiotika (z. B. FOS) versetzt
• dürfen nicht mit Eigenschaften werben, die der Verhütung,
Behandlung oder Heilung einer bestimmten Humanerkrankung
dienen (ausser: Nutrition-, Health- und Risk-Reduction-Claims,
wenn nachgewiesen)
nach J. Schulze, U Sonnenborn, T Ölschläger, W Kruis. Probiotika. Hippokrates/
Thieme Verlag, Stuttgart, S. 102–117, 2008)
14
Der Begriff Präbiotika wird hingegen für Substanzen verwendet, die das Wachstum bestimmter nützlicher Darmbakterien fördern. Im Vergleich zu den mittlerweile umfangreichen klinischen Erfahrungen mit Probiotika bei
verschiedenen, meist gastroenterologischen Indikationen,
liegen für die Wirkungen von Präbiotika beim Menschen
vergleichsweise wenig Erkenntnisse vor.
Tabelle 8 zeigt eine Zusammenfassung der derzeit wichtigsten präbiotischen Substanzen, Tabelle 9 ihre gesundheitsrelevanten Effekte.
Tabelle 8
Präbiotische Substanzen
• Inulin
• Fructo-Oligosaccharide (FOS)
• Galacto-Oligosaccharide (GOS)
• Lactulose
• Lactosucrose
• Isomalto-Oligosaccharide
• Soja-Oligosaccharide
• Xylo-Oligosaccharide
• Gentio-Oligosaccharide
nach R.A. Rastall & V. Maitin (2002). Curr. Opin. Biotechnol. 13: 490–496
Tabelle 9
Inulin und Oligofructose als Nahrungsmittelzusatz:
Gesundheitsrelevante Effekte für den Menschen
• Fructan-Fermentation im Kolon stimuliert selektiv das
Wachstum von Bifidobakterien
• Inulin steigert die Resorption von Kalzium
• Inulin senkt die Blutzuckerkonzentration
• Fructan senkt bei nicht insulinpflichtigen Typ-II-Diabetikern,
nicht aber bei Gesunden, die Cholesterin-Konzentration
im Serum sowie das LDL-Cholesterin
• Inulin senkt die Nüchternwerte von Triglyzeriden
und LDL-Cholesterin im Blutserum
• Inulin verbessert die Symptomatik bei Obstipation
Labor Bayer aktuell | Januar 2014
Bei den Probiotika ist grundsätzlich zu differenzieren zwischen Lebensmittelprobiotika und Arzneimittelprobiotika.
Lebensmittelprobiotika enthalten häufig Mischungen aus
mehreren probiotischen Bakterienstämmen, oft in einer
für Lebensmittel untypischen Form (z. B. Kapseln). Als
­L ebensmittel unterliegen sie keiner Zulassungspflicht.
Davon abzugrenzen sind Arzneimittelprobiotika, die neben­
wirkungsarme Alternativen zu bekannten Therapieansätzen
darstellen. Sie müssen verschiedene Bedingungen erfüllen
und vor allem einen Qualitäts- und Wirksamkeitsnachweis
erbringen. Diese Pharmazeutika bedürfen einer Arzneimittelzulassung durch die entsprechenden Aufsichtsbehörden
(BfArM).
Probiotika in Form von Arzneimitteln sind seit fast einhundert Jahren auf dem Pharmamarkt präsent. Aufgrund
der strengen pharmazeutischen Qualitätsanforderungen
enthalten sie in der Regel nur einen einzelnen, genau definierten und gut untersuchten Bakterien- oder Hefestamm
als Wirkstoff. Die Bakterienpräparate können verschiedene Bakterienstämme wie diverse Lactobacillen-, Bifido­
bakterien-, Enterococcen- oder E. coli-Stämme enthalten.
Demgegenüber enthalten praktisch alle probiotischen Hefe­
präparate ein und denselben Hefestamm, nämlich Saccharomyces boulardii. Die derzeit gültigen gesetzlichen Vorgaben sind in Tabelle 10 zusammengefasst.
Die Wirkmechanismen von Probiotika im Gastrointestinal­
trakt sind vielfältig und beinhalten:
• Konkurrenz um Adhäsionsstellen am Darmschleim und
an Enterozyten
• Unterdrückung von Wachstum und Kolonisierung
­unerwünschter Mikroorganismen
• Produktion antimikrobieller Substanzen
• Inaktivierung von Toxinen
• Biofilmbildung
• Kooperation beim mikrobiellen Stoffwechsel im Darm.
Abbildung 14: Mikrobielle Kommunikation und Interaktionen im
Darm und an der Darmschleimhaut: „Crosstalk“ (Zwiegespräch)
Tabelle 10
Besonderheiten von Probiotika als Arzneimittel und die
gesetzlich vorgegebenen Definitionen und Abgrenzungen
Probiotische Arzneimittel
• besitzen als Arzneimittel die Fähigkeit zur Heilung oder zur
Verhütung bestimmter menschlicher Erkrankungen, indem sie die
physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische,
immunologische oder metabolische Wirkung wiederherstellen,
korrigieren oder beeinflussen
• enthalten auf Grund der strengen pharmazeutischen
Qualitäts­anforderungen in der Regel nur einen einzelnen,
genau definierten Bakterien- oder Hefe-Stamm als Wirkstoff
• müssen in allen Ländern ein komplexes und langwieriges
Zulassungsverfahren durchlaufen und bedürfen vor dem
Inverkehrbringen einer Zulassung durch die entsprechende
Arzneimittel-Aufsichtsbehörde
• dürfen nur für Indikationen werben, für die eine ArzneimittelZulassung besteht
Probiotische Arzneimittel werden überwiegend in der Gastroenterologie eingesetzt. Im Gastrointestinaltrakt wirken
Probiotika auf die Kooperationspartner Darmflora, Darmschleimhaut und Darmimmunsystem. Bekannt sind die
antagonistischen und antimikrobiellen Wirkungen gegen
darmpathogene Keime. Die Hemmwirkung von bestim­m­
ten apathogenen E. coli-Stämmen gegen Durchfallerreger
wurden bereits Anfang des letzten Jahrhunderts durch den
Freiburger Bakteriologen Alfred Nissle entdeckt und ist
heute bis zur molekulargenetischen Ebene erforscht. Die auf
dem bakteriellen Antagonismus beruhende antidiarrhoe­
ische Wirkung von Probiotika ist in den letzten zwanzig
Jahren in mehr als siebzig kontrollierten klinischen Studien
nachgewiesen worden. Eine restaurative Wirkung auf die
bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen gestörte
Darmbarrierefunktion (Verbesserung des Leaky-GutSyndroms) ist einer der maßgeblichen Gründe für den in
kontrollierten klinischen Studien nachgewiesenen thera­
peutischen Erfolg des probiotischen Bakterienstamms
E. coli Nissle 1917 bei Patienten mit Colitis ulcerosa.
15
Januar 2014 | Labor Bayer aktuell
Sehr interessante Ergebnisse stammen auch aus klinischen
Prüfungen von Probiotika beim Reizdarmsyndrom. Beim
Reizdarmsyndrom sind qualitative und quantitative Veränderungen der Darmflora (Dysbiosen) nachzuweisen. Mit
verschiedenen Probiotika wurden in den letzten Jahren eine
ganze Reihe von Studien durchgeführt. Diese zeigen durchgängig, dass die meisten Probiotika einzelne Symptome des
Reizdarmsyndroms eindeutig verbessern, dieses Syndrom
als Ganzes aber nicht alleine erfolgreich therapieren können.
Zusammen mit anderen komplementärmedizinischen
Maßnahmen spielen Probiotika eine wesentliche Rolle
bei der Behandlung verschiedenster gastrointestinaler Erkrankungen einschließlich chronisch entzündlicher Darm­
erkrankungen und Reizdarmsyndrom.
Tabelle 11
Klinische Prüfung von Probiotika (Bakterien-Monopräparate) beim RDS
(Randomisierte, kontrollierte Doppelblind-Studien: Probiotikum vs. Placebo)
Studiendesign
N
Ergebnisse
Literatur
L. rhamnosus GG (LGG)
2 x 8 Wo. (Cross-over Design)
24
Diarrhö $ (Trend)
sonstige RDS-Symptome (=)
MA O’Sullivan & CA O’Morain (2000).
Dig Liver Dis 32:294 –301
L. plantarum 299v
4 Wo.
60
Blähungen $
Schmerzen (=)
S Nobaek et al. (2000).
Am J Gastroenterol 95:1231–1238
L. plantarum 299v
4 Wo.
40
Schmerzen $
Obstipation $ (Trend)
K Niedzielin et al. (2001).
Eur J Gastroenterol Hepatol 13:1143–1147
L. salivarius UCC4331 vs.
B. infantis 35624
8 Wo. + 4 Wo. Follow-Up
77
L. salivarius: Stuhlfrequenz $
sonstige RDS-Symptome (=)
B. infantis: Schmerzen $
Blähungen $ Stuhlfrequenz $
RDS-Symptome insges. $
L O‘Mahony et al. (2005).
Gastroenterol 128:541– 551
B. infantis 35624
(106/10 8/1010 KBE)
4 Wo.
362
(Frauen)
RDS-Sympt. insges. $ (10 8 KBE)
(inkl. Schmerzen, Blähungen, Gas, Stuhldrang, Pressen, unvollständ. Entleerung)
PJ Whorwell et al. (2006).
Am J Gastroenterol 101:1581–1590
B. lactis DN-173 010
4 Wo.
34
Schwere der RDS-Symptome $
Bauchumfang $
Transitzeit $ (orozäkale und KolonTransitzeit)
A Agrawal et al. (2008).
Aliment Pharm Ther 29:104 –114
E. coli Nissle 1917
12 Wo.
120
Schmerzen $ Blähungen $
(insbes. bei postinfekt. RDS und RDS nach
Antibiotika)
W Kruis et al. (2012).
Int J Colorectal Dis 27:467– 474
Vorankündigung – Save the Date
21. Jahrestagung Labor Dr. Bayer
Leitthema wird noch bekannt gegeben.
16
Gestaltung: www.himbeerrot-design.de
Samstag, 18. Oktober 2014, 9:30–17:00 Uhr, Stuttgart
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