Kompetenzzentrum für komplementärmedizinische Diagnostik Labor Dr. Bayer im synlab MVZ Leinfelden Max-Lang-Straße 58 • D -70771 Leinfelden-Echterdingen Telefon +49 (0) 711-16418- 0 • Fax +49 (0) 711-16418-18 [email protected] • www.labor-bayer.de Risikofaktoren Candida-Serologie Mineralstoffe Labor Dr. Bayer Ausgabe Januar 2014 Immundiagnostik Säure-Basen-Haushalt Stuhldiagnostik Schwermetalle Fettsäureprofil Labor Bayer aktuell Vitamine Nahrungsmittelunverträglichkeiten Labor Dr. Bayer Jahrestagung 2013 Darmfunktion: Wechselwirkungen mit Ernährung, Stoffwechsel und Immunologie Seit vielen Jahrzehnten hat die Bedeutung der Darmfunktion, die Erkennung von darmassoziierten Erkrankungen durch Stuhlanalysen sowie die therapeutische Beeinflussung dieser Störungen einen festen Stellenwert im naturheilkundlichen und komplementärmedizinischen Bereich. Modernste Forschungsergebnisse, die in den anerkannten wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert wurden, haben diese naturheilkundlichen Erkenntnisse inzwischen in vollem Umfang bestätigt. So befassen sich eine Vielzahl von Arbeiten mit der Bedeutung der intestinalen Mikrobiota (Darmflora) für die Darmgesundheit oder mit Veränderungen im Sinne eines Leaky-Gut-Syndroms im Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Unsere mit hochkarätigen Referenten besetzte Jahrestagung am 19. Oktober 2013 zu diesem hoch aktuellen Thema war mit rund einhundert Teilnehmern vollständig ausgebucht. In sieben Vorträgen wurden Schwerpunktthemen wie Bedeutung der intestinalen Mikrobiota, Reizdarmsyndrom, Histaminintoleranz, moderne Stuhldiagnostik und Therapie mit Präbiotika und Probiotika behandelt. In mehreren Vorträgen wurde auch der Zusammenhang mit Mikronährstoffdefiziten und immunologischen Dysregulationen herausgearbeitet. Mit diesem Kongressbericht wollen wir all denjenigen, die an der Tagung nicht teilnehmen konnten, zentrale Vortragsinhalte zugänglich machen und den Tagungsteilnehmern die Möglichkeit geben, manches nachzulesen. Hormone Spurenelemente Tagungsprogramm Ernährung, Verdauung und Mikrobiom – eine Schicksals­gemeinschaft für die Gesundheit Prof. Dr. med. habil. Andrea Morgner-Miehlke 2 –3 Moderne Stuhlparameter bei entzündlichen Darm­erkrankungen und Permeabilitätsstörungen Dr. Wolfgang Bayer Prof. Dr. Dr. med. Karlheinz Schmidt 4 –5 Orthomolekulare Medizin bei gastrointestinalen Erkrankungen Uwe Gröber, Apotheker 6 –7 Reizdarmsyndrom – Zusammenhänge mit Laktose- und Fruktoseintoleranz Prof. Dr. med. Reinhart Jarisch 8 –9 Histaminintoleranz als Auslöser zahlreicher Erkrankungen Prof. Dr. med. Reinhart Jarisch 9–11 Grundproblem Inflammation: Antientzündliche Darm- und Ernährungstherapie Niels Schulz-Ruhtenberg, Arzt 11–13 Probiotika und Präbiotika: Wie sinnvoll sind solche Präparate für die Praxis? Dr. Ulrich Sonnenborn 14 –16 1 Januar 2014 | Labor Bayer aktuell Ernährung, Verdauung und Mikrobiom – eine Schicksalsgemeinschaft für die Gesundheit Frau Prof. Dr. med. habil. Andrea Morgner-Miehlke ist Fachärztin für Innere Medizin und Gastroenterologie sowie Gesundheitsökonomin. Sie ist ärztliche Direktorin und Geschäftsführerin des Lanserhofs Hamburg LANS Medicum. In zahlreichen Publikationen hat sie sich mit der intestinalen Mikrobiota, aber z. B. auch mit der chronischen Helico­bacter Infektion befasst. Der menschliche Organismus besteht aus zirka 1012 Zellen und 104 Genen, während die gastrointestinale Mikrobiota aus 1014 Mikroorganismen besteht und für 10 6 Gene kodiert. Damit verfügt das gastrointestinale Mikrobiom über zirka einhundert mal mehr Zellen und kodiert für einhundert mal mehr Gene als der physische Organismus des Menschen. Beide zusammen stellen einen Superorganismus dar, der in seiner Gesamtheit für die Prozessierung der Nahrung, die Resorption, die Degradation von Xenobiotika, den Schutz vor schädlichen Mikroben und für die Regulation des Epithels zuständig ist. Gesundheit kann als eine Homöostase dieses Superorganismus definiert werden. Es kommt dabei zu umfassenden Interaktionen der intestinalen Mikrobiota mit dem Wirt und Auswirkungen auf eine Vielzahl von metabolischen und immunologischen Funktionen. Von besonderer Bedeutung ist die intestinale Barriere. Diese muss so durchlässig sein, dass Flüssigkeit und Nährstoffe aufgenommen werden können, andererseits jedoch so undurchlässig sein, dass Krankheitserreger, Toxine etc. zurückgehalten werden. Verändert sich die Durchlässigkeit Abbildung 1: Der Superorganismus Eberl G. Mucosal Immunol 2010 2 dieser Darmbarriere, wird das Immunsystem konfrontiert mit pathogenen Keimen, Toxinen, größeren Abbauproduk­ ten von Nahrungsbestandteilen etc. Letztendlich kann dies zu immunologischen Dysfunktionen abseits des Darms führen, so dass eine gesteigerte Durchlässigkeit (Permeabili­tät) des Darms (Leaky-Gut-Syndrom) mit chronisch entzündlichen und autoimmunen Erkrankungen assoziiert ist. Eine zentrale Rolle spielen dabei die so genannten Tight Junctions, schmale Bänder aus Membranproteinen, die die Darmepithelzellen umgeben und mit den Bändern der Nachbarzellen in enger Verbindung stehen. Als Diffusionsbarriere regulieren die Tight Junctions den parazellulären Transport von Molekülen über das Epithel. Am Beispiel der Gliadin-induzierten Aktivierung von Zonulin kann gezeigt werden, dass sich diese Tight Junctions als Folge einer vermehrten Sekretion von Zonulin öffnen und unzureichend abgebautes antigenes Material die Darmbarriere durchdringt, was dann zu einer Induktion spezifischer Immun­ reaktionen führt. Die mikrobielle Darmflora erfährt eine Prägung von Geburt an. In Abhängigkeit von der Entbindungsmethode (vaginale Entbindung vs. Kaiserschnitt) kommt es zu einer sehr unterschiedlich ausgeprägten Intestinalflora. In der frühen Kindheit werden dann neue Bakterienstämme erworben und die Diversität steigt schnell an. Je älter das Mikrobiom dann wird, desto stabiler und differenzierter wird die Flora. Die Sensibilität und Sensitivität der frühen Flora zeigt sich eindrucksvoll aus einer unlängst publizierten Studie (Hviid et al., Gut 2011; 60, 49–54). Untersucht wurde der Effekt einer Antibiotikatherapie im frühkindlichen Alter auf das spätere Risiko für die Entwicklung einer entzündli­chen Darmerkrankung. Bereits ein bis zwei frühe Antibioti­­katherapien erhöhten das Risiko um den Faktor 1,6 und nach sieben und mehr Therapien erhöhte sich dieses Risiko um das Dreifache. Je früher also eine Antibiotika­ therapie durchgeführt wird, desto höher ist das Risiko für die spätere Entwicklung einer chronisch entzündlichen Darm­ erkrankung. Ähnlich wie bei den Blutgruppen, ergeben sich auch bei der intestinalen Mikrobiota verschiedene Enterotypen, z. B. mit einer Prädominanz von Labor Bayer aktuell | Januar 2014 Bacteroides, Prevotella oder Ruminococcus. Es konnte nun in Studien gezeigt werden, dass die Ernährung einen maßgeblichen Einfluss auf den Enterotyp hat. Eine Ernährung, die reich an Protein und tierischen Fetten ist, begünstigt ein Vorherrschen von Bakteroides, während eine kohlenhydratreiche Ernährung Prevotella begünstigt. Damit bestehen sehr enge Zusammenhänge zwischen Ernährung und intestinaler Mikrobiota, was die Bedeutung einer Ernährungstherapie für die Darmgesundheit belegt. Beim alten Menschen bestehen Zusammenhänge zwischen der Zusammensetzung der Nahrung und der mikrobiellen Diversität. Hohe Diversität geht dabei in aller Regel mit einer guten körperlichen Gesundheit und mentalen Fitness einher. Beim Menschen im Pflegeheim „verarmt“ die intestinale Mikrobiota, was mit signifikant schlechteren physischen und mentalen Befunden einhergeht. Ernährung beeinflusst die Mikrobiota und damit unseren Gesundheitsstatus. Genetik und Epigenetik spielen eine zentrale Rolle bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED), wobei jedoch über einhundert genetische Assoziationen mit CED bekannt sind. Zahlreiche Untersuchungen zeigen deutliche Veränderungen der Mikrobiota mit einer verminderten Diversität. Dabei ist unklar, ob die veränderte Mikrobiota zur CED führt, oder vielmehr eine Folge der CED ist. Mit dem topischen Antibiotikum Rifaximin lässt sich eine deutliche Verbesserung des Symptomscore bei Patienten mit Morbus Crohn erreichen, was auf eine ursächliche Mitbeteiligung einer Modulation der Mikrobiota hinweist. Sehr interessante neue Arbeiten ergaben eine deutliche Beschwerdebesserung bis hin zur Symptomfreiheit bei Patienten mit CED nach Durchführung einer Stuhltransplantation. Dadurch kommt es zu einem Transfer der Mikrobiota, was wiederum die Bedeutung der Mikrobiota für chronisch entzündliche Darmerkrankungen verdeutlicht. Eine zentrale Bedeutung der intestinalen Mikrobiota ergibt sich im Bereich der Gastroenterologie beispielhaft bei folgenden Erkrankungen: Ein besonderes klinisches Problem ist die refraktäre Clostridien-Colitis. Eine Metaanalyse zu Probiotika mit dem Keim Saccharomyces boulardii ergab in der Primärprävention keinen signifikanten Vorteil für S. boulardii, während in der Sekundärprävention eine Senkung des Rezidiv­risikos nach rezidivierender Clostridium difficile Infektion um zirka 30 bis 50 % erreicht werden kann. Beeindruckende klinische Erfolge können bei diesen Patienten durch eine koloskopische Stuhltransplantation mit Instillation einer Spenderstuhlsuspension (300 bis 700 ml) erreicht werden (Brandt, L.J. et al.: Am.J.Gastroenterol. 2012), mit eine Besserung in über 90 % der Fälle und einer Beschwerdefreiheit bei 50% der Patienten. Durch diesen Mikrobiotatransfer kommt es auch zu einer signifikanten Erhöhung der bakte­ riellen Diversität (van Nood, E. et al.: N.Engl.J.Med, 2013). • beim Reizdarmsyndrom • bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen • bei der Clostridium difficile Colitis. Studien zum Reizdarmsyndrom (RDS) haben eine deutliche Verbesserung durch eine mikrobiotische Therapie mit dem Keim E. coli Nissle gezeigt, wobei eine signifikante Änderung im Vergleich zu Placebo allerdings erst nach acht Wochen auftrat. Eine Übersicht über insgesamt vierzehn Studien zur Behandlung des Reizdarmsyndroms mit verschiedenen Probio­tika ergab im Vergleich zu Placebo eine statistisch signifikante Verbesserung mit NNT (Needed Number to Treat) von vier. Abbildung 2: Therapie des RDS mit E. coli Nissle (Mutaflor) Modulation des Mikrobioms? Diese Befunde demonstrieren eindrucksvoll die umfassende Bedeutung der intestinalen Mikrobiota • • • für die normale Funktion des Organismus für die Physiologie des Gastrointestinaltraktes für die Pathogenese gastroente- rologischer und metabolischer Erkrankungen. Die Beeinflussung der intestinalen Mikrobiota durch Stuhltransplantationen verdeutlicht eindrucksvoll die therapeutischen Möglichkeiten durch Modulation der intestinalen Mikrobiota. 3 Januar 2014 | Labor Bayer aktuell Moderne Stuhlparameter bei entzündlichen Darmerkrankungen und Permeabilitätsstörungen Dr. rer. nat. Wolfgang Bayer ist Chemiker und befasst sich seit über dreißig Jahren mit der Labordiagnostik von Mikronährstoffen, Immun­parametern, Hormonen und weiteren dia­gnostischen Fragestel­ lungen. Er ist Autor zahlreicher Pub­ likationen und Bücher zu diesen Fachthemen. Abbildung 3: Vernetzte Diagnostik Prof. Dr. Dr. med. Karlheinz Schmidt ist Facharzt für Laboratoriumsme­ dizin. Er blickt auf eine jahrzehntelange universitäre Forschungstätigkeit zurück, z. B. im Bereich des Bioengineerings und hält über einhundert Patente. Herr Dr. Bayer und Herr Prof. Schmidt sind seit über fünfunddreißig Jahren Leiter des Labors Dr. Bayer, seit Anfang 2012 Leiter des Kompetenzzentrums für komplementärmedizinische Diagnostik Labor Dr. Bayer im synlab MVZ Leinfelden. Beide sind Gründungsherausgeber der Zeitschrift ERNÄHRUNG UND MEDIZIN. Die Diagnostik der intestinalen Mikrobiota sowie von weiteren Stuhlparametern darf keinesfalls nur fokussiert auf Darmerkrankungen gesehen werden. Es bestehen vielfältigste Interaktionen mit dem Hormonsystem, dem Immunsystem und dem Nervensystem, um nur einige Beispiele zu nennen, so dass die Diagnostik von Stuhlparametern immer im Zusammenhang mit einer vernetzten Diagnostik gesehen werden muss. Dazu gehören Untersuchungen der Mikronährstoffe, der Hormone, des Immunsystems und viele weitere Parameter mehr (Abbildung 3). Chronisch entzündliche Darmerkrankungen In unserem Labor haben wir insgesamt acht verschiedene symptom- und krankheitsspezifische Profile für Stuhluntersuchungen erarbeitet. Eines dieser Profile ist speziell auf chronisch entzündliche Darmerkrankungen ausgerichtet und hat folgende Indikationen: • unklare Darmstörungen • Abgrenzung CED/Reizdarmsyndrom • Verlaufskontrolle bei bekannten chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Abbildung 4 4 Labor Bayer aktuell | Januar 2014 Ein Leitparameter für entzündliche Prozesse im Bereich des Darms ist das Calprotectin, das mengenmäßig häufigste Protein im Cytosol neutrophiler Granulozyten. Bei entzündlichen Aktivierungen wird Calprotectin freigesetzt und es finden sich stark ansteigende Calprotectinkonzentrationen im Stuhl. Calprotectin zeigt sehr gut die Entzündungsaktivität bei Patienten mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa an. Dabei bestehen sehr enge Korrelationen zu histologischen und endoskopischen Befunden der Krankheitsaktivität. Aufgrund seiner fehlenden Spezifität ist es jedoch nicht zur Primärdiagnose der chronisch entzündlichen Darmerkrankung geeignet. Auch bei colorectalen Carcinomen sind in zirka 90 % der Fälle Erhöhungen dieses Parameters nachweisbar. Leaky-Gut-Syndrom Die Problematik einer erhöhten Permeabilität der Darmschleimhaut (Leaky-Gut-Syndrom) wurde bereits im Beitrag von Frau Prof. Morgner-Miehlke behandelt. Zur Diagnostik des Leaky-Gut-Syndroms sind vor allem die beiden Leitparameter Zonulin und α-1-Antitrypsin heran­zuziehen. Zusammen mit anderen zentralen Stuhl­ parametern haben wir ein spezielles Untersuchungsprofil für das Leaky-Gut-Syndrom entwickelt. Abbildung 6 Am Beispiel einer Patientin mit bekanntem Morbus Crohn mit Verdacht auf einen akuten Schub zeigt nachfolgende Abbildung einen charakteristischen Stuhlbefund. Abbildung 5: Befundbeispiel – Patientin mit M. Crohn Stuhldiagnostik: Patientin M. O., weiblich, geb. 30.04.1966, Morbus Crohn, V. a. Schub Im vorliegenden Stuhlbefund ergibt sich eine Erhöhung des Calpro­ tectins auf das etwa Sechsfache des Normalbereichs, was die Entzündungsaktivitäten anzeigt und den Verdacht auf einen akuten Schub des Morbus Crohn bestätigen kann. Gleichzeitig finden sich auch Anstiege eines weiteren Entzündungsmarkers, des eosinophilen Proteins X (EDN). Interessanterweise wird der Entzün­ dungsmarker Lactoferrin (noch) im Normalbereich gemessen. Parameter der Darmpermeabilität wie α-1-Antitrypsin und Zonulin zeigen erfreulicherweise normale Werte. Die Beeinträchtigung des intestinalen Immunsystems ist anhand einer Verminderung des sekretorischen IgA nachweisbar. Erhöhungen von Zonulin und α-1-Antitrypsin weisen auf eine erhöhte Darmpermeabilität hin, wobei Zonulin ein Modulator ist, der die Tight Junctions des Darmepithels öffnet. Der in diesem Profil ebenfalls erhobene Florastatus dient zur Aufdeckung von Veränderungen der intestinalen Mikrobiota. ß-Defensin und sekretorisches IgA sind wichtige Parameter des intestinalen Immunsystems. Der Entzündungsmarker PMN-Elastase, Serumalbumin und Histamin als Indikator einer hohen Histaminbelastung über Nahrungsmittel runden dieses Profil ab. Neue Studien haben gezeigt, dass Zonulinkonzentrationen durch Probiotika, z. B. mit einem Kombinationspräparat von Bifidobakterien, Enterococcus und Lactobacillus gesenkt werden können, so dass Probiotika auch eine erhöhte Permeabilität der Darmschleimhaut verbessern können (Lamprecht, M. et al.: J.Int.Soc.of Sports Nutr. 9, 45–57, 2012). Der gezielte Einsatz von Stuhluntersuchungen, idealerweise kombiniert mit weiteren Parametern (Mikronährstoffstatus, Immundiagnostik, Hormone) dient nicht nur der Abklärung von gastrointestinalen Erkrankungen, sondern auch von Erkrankungen, die mit Störungen im Bereich des Darms assoziiert sind. Beeindruckende Daten liegen z. B. zu Autoimmunerkrankungen in Relation zu Veränderungen der intestinalen Mikrobiota beziehungsweise der Integrität der intestinalen Mukosa vor. 5 Januar 2014 | Labor Bayer aktuell Orthomolekulare Medizin bei gastrointestinalen Erkrankungen Herr Uwe Gröber ist Apotheker, einer der bekanntesten deutschen Mikronährstoffexperten und Autor zahlreicher Publikationen und Bücher zu diesem Thema sowie Herausgeber der Zeitschrift für Orthomole­ kulare Medizin. Er ist Leiter der Akademie und des Zentrums für Mikronährstoffmedizin in Essen. In seinem Vortrag befasste sich Herr Gröber schwerpunktmäßig mit den Themen • Helicobacter pylori und gastrointestinale Erkrankungen und • Mikronährstoffe und chronisch entzündliche Darmerkrankungen. Mit der Erstbeschreibung des Helicobacter pylori im Jahr 1983 wurde eine wichtige Ursache der Pathogenese des peptischen Ulkus ventriculi oder duodeni, des Adenocarcinoms des Magens, des MALT-Lymphoms des Magens und der autoimmunen Gastritis aufgedeckt. Das gramnegative Bakterium besiedelt den Magen und führt dort zu einer chronischen Entzündung der Magenmukosa. Die Entwicklung von Vitamin C- und Eisenmangel beim Helicobacter pylori ist gut untersucht ebenso wie eine Begünstigung von Vitamin B12-Mangel. Abbildung 7 6 Darüber hinaus ist mit folgenden Rückwirkungen auf Mikronährstoffe zu rechnen: • Vitamin D: Vitamin D-Mangel begünstigt die Th1-Aggression gegen das Magenepithel und damit eine HP-assoziierte Carcinogenese. In der Folge kommt es zu einem erhöhten Risiko für eine Typ-A-Gastritis. • Folsäure: Die HP-Infektion führt zu einer Störung der pH-abhängigen Resorption. In der Folge kommt es zu einer erhöhten Häufigkeit einer Hyperhomocysteinämie mit weiteren atherogenen Folgeerscheinungen. • Vitamin A/ß-Carotin: Eine Verminderung der ß-Carotin­ konzentration in der Mukosa ist bei HP-Patienten bekannt. Nachfolgend entsteht ein erhöhtes Risiko für Atrophie und intestinale Metaplasie. Der Einfluss einer zusätzlichen Gabe der antioxidativ wirksamen Vitamine C und E auf die Helicobacter pylori Eradikation ist gut dokumentiert (Sezikli, M. et al.: Helicobacter 14, 280–285, 2009). In einer Open-Label-Studie mit 160 HP-infizierten Patienten erhielten 80 Patienten die klassische Quatrupeltherapie, 80 Patienten zusätzlich Vitamin C und Vitamin E in einer Dosierung von 1.000 mg Vitamin C und 400 Einheiten Vitamin E täglich für insgesamt 14 Tage. In der Gruppe mit der zusätzlichen Gabe von Vitamin C und Vitamin E erhöhte sich die Eradikations­ rate von 64 auf 93,5%. Labor Bayer aktuell | Januar 2014 Auch Probiotika zeigen einen günstigen Einfluss auf die HP-Eradikation. Eine Vorbehandlung mit Probiotika (Lacto­bacillen, Bifidobakterien, Streptococcus) erhöhte sig­ nifikant die Eradikationsrate unter Quatrupeltherapie, verminderte die Antibiotikaresistenz und verminderte ebenso die Nebenwirkungsrate (Sheu, B.S. et al.: Am.J.Clin.Nutr. 2006). Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) • Vitamin B12 einschließlich Holotranscobalamin Die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zeigen in den industrialisierten Ländern seit dem zweiten Weltkrieg eine starke Zunahme, die parallel zur sozioökonomischen Entwicklung in den jeweiligen Ländern verläuft. So können verschiedene Einflüsse während der Kindheit das Risiko, an einer CED zu erkranken, teilweise deutlich erhöhen. Dies gilt z. B. für nicht gestillte Kinder, übertriebene Hygiene und häufige Anwendung von Antibiotika. Nach heutiger Einschätzung sind drei wesentliche Bereiche an der Ent­ stehung einer CED beteiligt: • Homocystein • genetische Faktoren • Eisenstatus einschließlich Ferritin und löslichem Transferrinrezeptor • gestörte Immunbalance des Darmschleimhautsystems Herr Gröber führte aus, dass bei Patienten mit Helicobacter pylori Infektion mindestens folgende Mikronährstoffe diagnostisch zu bestimmen sind: • Vitamin D-Status, vor allem 25-Hydroxy-Vitamin D3 • externe Stressfaktoren, die die intestinale Mikrobiota stören. Als adjuvante therapeutische Maßnahmen schlägt er wie folgt vor (zusätzlich Vitamin D): Die Häufigkeit von Mikronährstoffdefiziten bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ist sehr hoch, wobei sowohl Mineralstoffe und Spurenelemente wie auch fett- und wasserlösliche Vitamine betroffen sein können. Tabelle 1 Tabelle 2 • Selen im Vollblut. Hp-Infektion: Mikronährstofftherapie Vitamin C Parenteral Oral M. Crohn Colitis ulcerosa Vitamin B12 50 % 5% Vitamin D 25–75 % 35 % Folsäure 40 –50 % 30–40 % Eisen 40 % 80 % 1.000–2.000 µg Hydroxocobalamin, 1 x pro Monat Calcium 13 % nicht gemessen Kalium 5– 20 % nicht gemessen 500 –1.000 µg Me-Cobal + Metafolin (z. B. Lutschtablette) Magnesium 15–30 % nicht gemessen Zink 20– 40 % nicht gemessen 7,5 g Vitamin C in 200 ml 0,9 % NaCI, 1–2 x pro Woche für 2 Wochen 2 x 0,5–1 g Vitamin C/d (in Kombi mit Biofla) 200–500 I.E. Vitamin E/d Vitamin B12 Parenteral Oral Eisen Parenteral Häufigkeit von Mikronährstoffmangel-Zuständen bei M.Crohn und Colitis ulcerosa bei Mangel: Eisen-(III)-Carboxymaltose i. v. © Uwe Gröber & Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 2013 Depew, W.T.: The role of nutritional support in inflammatory bowel disease. Can.J.Gastroenterol. 4, 30A–36A, 1990 Antientzündliche und immunregulierende Mikronährstoffe wie Vitamin D, Selen und Omega-3 Fettsäuren können den Krankheitsverlauf bei CED günstig beeinflussen. 7 Januar 2014 | Labor Bayer aktuell Reizdarmsyndrom – Zusammenhänge mit Laktose- und Fruktoseintoleranz Herr Univ. Prof. Dr. med. Reinhart Jarisch ist Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten an der Universitätshautklinik (AKH) Wien. Seit 1980 ist er Universitätsdozent und seit 1989 Leiter der Allergieambu­ lanz am AKH Wien. Er hat das ­Floridsdorfer Allergie Zentrum (FAZ) über dreißig Jahre geleitet und ist, neben vielen anderen Vorstandsaufgaben, Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie. Er hat mehr als einhundert wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht und ist vor allem durch seine bahnbrechenden Forschungsarbeiten zum Histamin weithin bekannt geworden. In seinem ersten Vortrag berichtete Herr Prof. Jarisch über das Reizdarmsyndrom und eine von ihm durchgeführte Doppelblindstudie zu Zusammenhängen mit einer fruktoseoder laktosefreien Diät. Die Diagnose eines Reizdarmsyndroms wird häufig erst dann gestellt, wenn andere Darmerkrankungen ausgeschlossen werden konnten oder nicht wahrscheinlich waren. Es konnten bisher keine biochemischen, strukturellen oder serologischen Abnormalitäten festgestellt werden. Die Prävalenz wird auf etwa 10% der Bevölkerung geschätzt. Die klinische Diagnose stützt sich auf die so genannten Rome II-Kriterien. Tabelle 3 ROME II Kriterien beim Reizdarmsyndrom Hauptkriterien: Abdominelles Unbehagen oder abdominelle Schmerzen während 12 Wochen (nicht unbedingt durchgehend) oder länger innerhalb der letzten 12 Monate mit zumindest 2 der folgenden 3 Kennzeichen: 1. Vermindert nach Defäkation 2. Verbunden mit einer Änderung der Stuhlfrequenz 3. Verbunden mit einer Änderung der Stuhlkonsistenz Fakultative Kriterien: 1. Änderung der Stuhlform 2. Änderung der Defäkation, Gefühl der inkompletten Entleerung 3. Schleimbeimengung 4. Meteorismus, Flatulenz 8 Herr Prof. Jarisch und Mitarbeiter untersuchten, inwieweit eine intestinale Fruktose- und /oder Laktoseintoleranz ursächlich für das Reizdarmsyndrom verantwortlich sein könnte. In einer placebokontrollierten Doppelblindstudie wurden 221 Probanden (181 Frauen und 40 Männer) randomisiert eine fruktose- oder laktosefreie Diät für drei Wochen verordnet (105 Patienten waren diarrhoebetont, 28 obstipationsbetont und 88 hatten abwechselnd beide Beschwerden). Danach wurden alle Patienten auf Fruktoseund Laktoseintoleranz mittels eines standardisierten H 2Atemtests getestet. Bei den Patienten mit Laktoseunverträglichkeit ist zu unterscheiden zwischen einem primären Laktasemangel des Erwachsenen, der genetisch bedingt ist, und einem sekundär bedingten Laktasemangel durch eine geschädigte Darmmukosa. Bei der Fruktoseintoleranz /-unverträglichkeit ist zwischen dem seltenen (1 : 20.000) angeborenen Mangel an Fruktose-I-Phosphat-aldolase und der viel häufigeren Fruktosemalabsorption (intestinale Fruktoseintoleranz) infolge eines Defekts des GLUT-5-Transportsystems zu unterscheiden. Dieses äußert sich in einer eingeschränkten Resorptionskapazität für Fruchtzucker und ist häufig assoziiert mit eine Resorptionsstörung bezüglich der essentiel­ len Aminosäure Tryptophan, was in der weiteren Folge zu einer Einschränkung der Serotoninbiosynthese führt. Auf Fruktose reagierten 111 Patienten, auf Laktose 12 Pa­ tienten, auf beides 72 Patienten und 26 Patienten reagierten weder auf Fruktose noch auf Laktose. Erhielten Patienten zufällig die richtige Diät, wurden ihre Beschwerden signifikant besser (p < 0,0001). Überraschenderweise trat dies auch ein, wenn die Patienten zufällig die falsche Diät erhielten. Bei den Patienten, die sowohl auf Fruktose und Laktose reagierten, genügte eine richtige Diät zu einer signifikanten Verbesserung. Aber auch bei Patienten, die nicht auf Fruktose und Laktose im Belastungstest reagierten, wurde eine ebenso signifikante Verbesserung festgestellt. Es war also völlig egal, welche Diät die Patienten erhielten, es trat immer eine signifikante Verbesserung ein. Labor Bayer aktuell | Januar 2014 Abbildung 8: Gruppe 2 – Fruktoseintolerante Patienten Herr Prof. Jarisch zieht daraus den Schluss, dass beim Reizdarmsyndrom in einer großen Zahl der Fälle eine Fruktoseund /oder Laktoseintoleranz zugrunde liegt. Da jedoch auch schon eine „falsche“ Diät und das Ansprechen auf eine beliebige Diät bei intoleranten Patienten zu einer Verbesserung führte, lässt den Schluss zu, dass offensichtlich psychische Einflüsse eine wesentliche Rolle spielen könnten. Es kann hier auch darauf hingewiesen werden, dass bei einer Gabe von Fruktose (50 g) im Rahmen eines durch­ geführten Atemtests bei zirka 20% der Patienten signifikante Nebenwirkungen im Sinne von Diarrhoe und Bauchkrämpfen auftreten. Histaminintoleranz als Auslöser zahlreicher Erkrankungen In seinem zweiten Vortrag behandelte Herr Prof. Jarisch, einer der weltweit führenden Histaminforscher die Histaminintoleranz als Auslöser verschiedenster Grunderkrankungen. Neben IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien, Kreuzreaktionen von Nahrungsmitteln mit Pollen bei entsprechenden Sensibilisierungen, einer Fruktosemalabsorption, der Laktoseintoleranz und der Zöliakie gehört die Histaminintoleranz zu den häufigsten Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Eine Histaminintoleranz kann zu multiplen Beschwerden führen, die in Abbildung 9 zusammengefasst dargestellt sind. Abbildung 9: Histaminintoleranz Histamin ist ein biogenes Amin, das physiologische Funktionen wie Stimulation der Magensaftsekretion, Gefäßerweiterung, Blutdrucksenkung, den Schlaf-Wach-Rhythmus, den Appetit und die Lernfähigkeit kontrolliert oder mit beeinflusst. Histamin wird durch zwei Enzyme abgebaut, die Diaminooxidase und die N-Methyltransferase, wobei die Funktion der N-Methyltransferase von einer funktionierenden Diaminooxidase abhängt. Histaminintoleranz wird heute definiert als ein Missverhältnis zwischen Histaminaufnahme und Aktivität der Diaminooxidase. 9 Januar 2014 | Labor Bayer aktuell Zahlreiche Nahrungsmittel sind reich an Histamin oder enthalten so genannte Histaminliberatoren und sind damit häufig Auslöser einer Histaminintoleranz. Tabelle 4 Die häufigsten Auslöser von Beschwerden sind: Iatrogene Einflüsse Eine Vielzahl von Medikamenten führt zu einer Hemmung des histaminabbauenden Enzyms Diaminooxidase und kann damit zu Symptomen einer Histaminintoleranz führen. Tabelle 5 1. Alkoholische Getränke – insbesondere Rotwein 2. Käse – insbesondere Hartkäse wie Emmentaler Diaminoxidase-Hemmung durch Medikamente 3. Schokolade – Kakao-haltige Nahrungsmittel Patienten, die mit den angeführten Medikamenten behandelt werden, sollten histaminhaltige Speisen meiden, da sie Histamin auf Grund der Diaminooxidasehemmung nicht genügend abbauen können. Alimentäres Histamin könnte deshalb Cephalea, Rhinitis, Urticaria, Diarrhoe, Hypotonie, kardiale Arrhythmie oder Asthma bronchiale auslösen. 4. Salami – Rohwürste 5. Nüsse 6. Fisch 7. Tomaten, Sauerkraut, Spinat 8. Erdbeeren, Zitrusfrüchte u. a. Histaminliberatoren TOP 11 der meistverkauften DAO-Blocker Herr Prof. Jarisch sieht heute die Histaminintoleranz als minimalen anaphylaktischen Schock an, da alle genannten Symptome, allerdings in deutlich verstärkter Form, auch beim anaphylaktischen Schock vorkommen. Histamin und Kopfschmerz Histaminintoleranz ist eine häufige Ursache des Kopfschmerzes. Ein Ernährungsregime von Kopfschmerz­ patienten mit einer histaminfreien beziehungsweise histaminarmen Diät führte zu einem signifikanten Abfall der Kopfschmerzhäufigkeit. Abbildung 10: Häufigkeit des Kopfschmerzes vor und nach Histamin-freier Diät Acetylcystein z. B. Aeromuc, Pulmovent Ambroxol z. B. Ambrobene, Ambroxol, Broxol, Mucosolvan, Mucospas Aminophyllin z. B. Euphyllin, Mundiphyllin, Myocardon Amitriptylin z. B. Saroten, Tryptizol, Limbritol Chloroquin z. B. Resochin Clavulansäure z. B. Augmentin Isoniazid z. B. Myambutol+INH, Rifoldin+INH, Rimactan+INH Metamizol z. B. Buscopan comp., Inalgon, Novalgin Metoclopramid z. B. Ceolat comp., Paspertase, Paspertin Propafenon z. B. Rhythmocor, Rytmonorma Verapamil z. B. Isoptin Histamin und anaphylaktischer Schock Eigene Untersuchungen von Herrn Prof. Jarisch an 15.000 allergischen Patienten zeigten, dass bei 0,5% der Patienten eine erhöhte Tryptaseaktivität als Ausdruck einer (beginnenden) anaphylaktischen Reaktion gefunden wurde. Bei diesen Patienten wurde signifikant häufiger Müdigkeit, Meteorismus, Muskel- und Knochenschmerzen, Schwindel, Tachykardie, Flush, Diarrhoe und Kollaps nachgewiesen. Bei einem Viertel der Patienten mit erhöhter Tryptase muss mit einer anaphylaktischen Reaktion auf Insektenstiche (Biene/ Wespe) gerechnet werden, so dass Herr Prof. Jarisch bei diesen Patienten mit erhöhter Tryptase die ­lebenslange Gabe eines Antihistaminikums empfiehlt. Diagnose der Histaminintoleranz 1. Im Vordergrund steht die Anamnese. Vor allem müssen Unverträglichkeitsreaktionen auf histaminreiche Nahrungsmittel abgefragt werden. 10 Labor Bayer aktuell | Januar 2014 2. Laboranalytisch ist die Bestimmung von Histamin und DAO erforderlich, gegebenenfalls zusätzlich die Be­ stimmung von Tryptase. Da Vitamin B6 und Kupfer für die Aktivität der DAO unerlässlich sind, sind entsprechende Mikronährstoffdefizite auszuschließen. 3. Ein wichtiges diagnostisches Kriterium ist eine negative Provokation im Sinne einer vierzehntägigen histaminfreien beziehungsweise histaminarmen Diät, mit einem Rückgang der entsprechenden Symptomatik. Therapie der Histaminintoleranz Im Vordergrund der Therapie stehen: 1. Eine histaminfreie beziehungsweise histaminarme Diät mit einer Vermeidung histaminreicher Nah­ rungsmittel inklusive einer Vermeidung einer hohen Aufnahme anderer biogener Amine und von Hista­ min­liberatoren (kommen z. B. in Erdbeeren vor). Eine Kartoffel-Reis-Diät kann als generell histaminfrei eingestuft werden. 2. Die Gabe von H1-Rezeptorenblocker. 3. Die Gabe von Diaminooxidase (DAO)-Kapseln. Entsprechende DAO-Produkte werden aus Schweinenieren gewonnen. 4. Gleichzeitig kommt die Gabe von Mikronährstoffen wie Vitamin B6, Vitamin C und Kupfer in Frage, um die Aktivität der DAO zu optimieren. Histamin ist auch der wichtigste Auslöser der Seekrankheit und Antihistaminika sind das Mittel der Wahl bei dieser Erkrankung. In einer Studie mit der deutschen Marine konnte Herr Prof. Jarisch die Wirksamkeit von Vitamin CKautabletten (als Aktivator der Diaminooxidase) belegen. Diese wirkten signifikant besser bei Frauen und bei Männern unter 28 Jahren. Ältere Männer sind weniger empfindlich für die Seekrankheit, daher waren die Werte bei dieser Gruppe für Vitamin C zwar besser, erreichten jedoch keine Signifikanz. Vitamin C wirkt daher besonders, auch bei aufkommender Seekrankheit, bei denen, die es brauchen ( Jarisch et al.: Influence of orally taken vitamin C on hista­ mine levels and sea sickness. J. Vest. Res 2014, in press). Grundproblem Inflammation: Antientzündliche Darm- und Ernährungstherapie Herr Schulz-Ruhtenberg ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Ernährungsmedizin und Sportmedizin. Seine Praxistätigkeit in der Hamburger Hafencity hat die Schwerpunkte Ernährungsberatung, Sporternährung, Stressmedizin und Prävention. Seit über zehn Jahren arbeitet er mit dem INSUMED-Konzept im Rahmen der Therapie von Adipositas und Übergewicht. Er befasst sich nicht zuletzt auch mit der „Silent Inflammation“ bei übergewichtigen und adipösen Patienten und hat diesbezüglich eine antientzündliche Darm- und Ernährungstherapie etabliert. assoziiert ist. Betrachtet man die Entwicklung der letzten fünfzig Jahre, so ist eine signifikante Zunahme von Allergien und chronisch-entzündlichen Erkrankungen festzustellen. Abbildung 11: Zunahme chronisch-entzündlicher Erkrankungen In seinem Vortrag befasste sich Herr Schulz-Ruhtenberg mit dem Problem chronischer Entzündungen einschließlich der so genannten „Silent Inflammation“, die mit einer Vielzahl von chronisch verlaufenden Grunderkrankungen 11 Januar 2014 | Labor Bayer aktuell So hat sich in den letzten zwanzig Jahren nicht nur die Zahl der Allergiker, sondern auch die Inzidenz des Morbus Crohn in etwa verdoppelt. Ein wichtiger Laborparameter ist dabei die Bestimmung des hoch sensitiven CRP (CRP hs) im Serum. Dabei haben zahlreiche Studien gezeigt, dass bereits eine moderate und früher noch meist vernachlässigte Erhöhung des CRPs in einem Bereich von 1 bis 3 mg/l mit einer Erhöhung des kardiovaskulären Risikos einhergeht. Ursache dürften chronisch entzündliche Veränderungen im Bereich der Arterienwände sein. Neben Gen-UmweltInter­aktionen (Genetik 10 bis 15% , Epigenetik plus Umwelt 80 bis 85%) sind in diesem Zusammenhang auch ­Lebensstilfaktoren zu berücksichtigen, im Einzelnen: • Fehlernährung (hoher Konsum an Süßigkeiten, Kohlenhydratmast, falsche Fette) • Bewegungsverhalten • psychische Belastungen • Stress • Rauchen • Übergewicht • Übersäuerung • iatrogene Faktoren durch Medikamente. Gleichzeitig sind wir in den letzten fünfzig Jahren zunehmend mit Umweltfaktoren konfrontiert worden, die früher nicht in diesem Ausmaß zum Tragen gekommen sind. Dazu gehört Lärmbelastung, elektromagnetische Felder (Mobilfunk), Schadstoffbelastungen einschließlich der vermehrten Verwendung von Lösungsmitteln und Weichmachern, Fremdmaterialien im Organismus (Zahnmedizin, Orthopädie) und ein weltweiter Nahrungsmitteltransfer, der mit einer deutlich gesteigerten Antigenvielfalt einhergeht. Abbildung 12: Umweltfaktoren und Eigenetik als Enzündungsmediatoren 12 Im Rahmen einer antientzündlichen Ernährungstherapie wurden von Herrn Schulz-Ruhtenberg besonders folgende Nahrungsinhaltsstoffe mit einer suppressiven Wirkung auf die Toll-like Rezeptoren der Makrophagen benannt: a) b) c) d) Resveratrol Curcumin S-Adenosylmethionin Vitamin D3. Curcumin ist dabei einer der am besten untersuchten Nahrungsstoffe. In Studien konnte eine Hemmung der Enzyme COX-2, Lipoxygenase und NO-Synthase gezeigt werden ebenso wie eine NF-κB-Hemmung. In hohen Dosierungen (8 g/Tag) hat Curcumin eine antitumorale Wirkung durch Angiogenesehemmung. Ein Problem ist die vergleichsweise geringe Verfügbarkeit mit einer kurzen Halbwertszeit im Dünndarm, da Curcumin rasch abgebaut wird. Inzwischen gibt es neue Produkte in Form eines Phytosomen-Curcumins, mit pflanzlichen Phospholipiden zum Schutz vor Oxidation und für eine bessere Aufnahme im Darm und in die Zelle. Auch mehrfach ungesättigte Omega-3 Fettsäuren haben einen hoch signifikanten antiinflammatorischen Einfluss, wie z. B. durch Studien an Patienten mit rheumatoider Arthritis oder Morbus Crohn gezeigt werden konnte. Neue Arbeiten zeigen Wechselwirkungen mit Statinen, wobei diese Studien­ ergebnisse nahe legen, dass Statine den positiven Einfluss von Omega-3 Fettsäuren im Hinblick auf eine Senkung des kardiovaskulären Risikos mindern können (Eussen, S. et al.: Eur.Heart J. 33, 1582–1588, 2012). Im Rahmen einer antientzündlichen Ernährungstherapie ist es auch wichtig, die Aufnahme von Kohlenhydraten und die glykämische Last zu reduzieren. Im Bereich der Fettsäuren wird bei hohen Insulinspiegeln Homo-gammaLinolensäure in die proinflammatorische Arachidonsäure umgewandelt. Generell fördert eine hohe Aufnahme von Kohlenhydraten die Bildung von Arachidonsäure. Eine kohlenhydratreduzierte Ernährung mit einer niedrigen glykämischen Last hat eindeutig anti-inflammatorische Effek­ te, was sich in einer Absenkung des C-reaktiven Proteins und einer Erhöhung von Adiponektin bei übergewichtigen Erwachsenen zeigen lässt (Neuhauser, M.L.: J.Nutr. 142, 369–374, 2012). Labor Bayer aktuell | Januar 2014 Auch eine hypokalorische Ernährung mit niedrigem Kohlenhydrat- aber hohem Fettanteil führt zu einer Absenkung von CRP und Anstieg von Adiponektin und HDL (Megan, R.R. et al.: Metabolism, 2013). Auch eine hohe Aufnahme an Früchten mit Antioxidantien wie Anthocyanen, Carotinoiden, Polyphenolen und antioxidativ wirksamen Vitaminen (Vitamin C) hat eine entscheidende Bedeutung im Rahmen einer antiinflammatorischen Ernährungstherapie. Darmassoziierte Störungen spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, da sie entzündliche Reaktionen auslösen oder triggern können. Dies gilt insbesondere dann, wenn infolge eines Leaky-Gut-Syndroms vermehrt Antigene die Epithelbarriere der intestinalen Mukosa passieren können und dann jenseits des Darms Immunreaktionen auslösen. Nachstehendes Befundbeispiel einer Patientin mit rezidi­ vierenden Durchfällen zeigt eine deutliche Erhöhung von Calprotectin als Ausdruck entzündlicher Darmveränderungen. Gleichzeitig besteht eine starke Erhöhung des Histamins als Ausdruck einer hohen Aufnahme histaminreicher Nahrungsmittel. Das beeinträchtigte intestinale Immunsystem wird durch das niedrige sIgA angezeigt. Abbildung 13: Stuhldiagnostik Tabelle 6 Tipps zur „Darmpflege“ • Der Darm ist bei vielen Menschen ein wichtiges „Stress-Organ“, d. h. alles, was Sie belastet, kann auch Ihren Magen-DarmTrakt belasten und Beschwerden verursachen. Daher ist ein ver­­bes­sertes Stressmanagement eine wichtige Säule in der Reizdarm-Therapie. • Gönnen Sie sich regelmäßige Ruhepausen. Lernen Sie eine Entspannungsmethode. Schlafen Sie genug. Lachen und Bewegung entspannen Ihren Darm, bauen Stress ab und stärken das Immunsystem. • Kauen Sie gründlich und essen Sie langsam (Tipp: www.schmauen.de) • Vermeiden Sie Essen in Hektik und unter Stress, da dies die Verdauungskraft schwächt und oft Beschwerden auslösen bzw. verstärken kann, z. B. durch Luftschlucken. • Essen Sie Milchsauer vergorene Lebensmittel, da diese gesunde Milchsäurebakterien wie Lactobacillen enthalten: Gärungsgemüse wie Sauerkraut, saure Gurken, Rote Beete; fermentierte Milchprodukte wie Natur-Joghurt, Dickmilch oder Kefir; Brottrunk®. • Achten Sie auf Ihre individuelle Verträglichkeit, z. B. werden grobkörnige Vollkornbrote, Milch oder Salate/Rohkost (besonders am Abend) von vielen Menschen nicht oder nur in kleinen Mengen vertragen. Testen Sie, was Ihnen persönlich gut tut und was nicht. • Das Essen aus Groß-Küchen/Kantinen enthält oft Zusatzstoffe, die Beschwerden auslösen können. Auch dies sollten Sie testen. • Immer Ursachensuche, wenn noch nicht erfolgt: Störungen der Darmflora, Entzündungen, Darmpilze, NahrungsmittelUnverträglichkeiten (Laktose, Fruktose, Sorbit, Weizen/Gluten), Histamin-Intoleranz, Nahrungsmittel-Allergien Im Rahmen einer antientzündlichen Darmtherapie weist Herr Schulz-Ruhtenberg auf Schutzfaktoren wie L-Glutamin und Lecithin hin ebenso wie auf Ansatzpunkte für probiotische Therapiemaßnahmen. Seine Tipps zur Darmpflege sind in Tabelle 6 zusammengefasst. Auch die Bedeutung einer Stressbalance kann nicht genug hervorgehoben werden. Studien zeigen z. B. dass Prüfungsstress zu einer deutlich verstärkten Bildung proinflammatorischer Zytokine führt. Infolge der Stressantwort von Katecholaminen und Cortisol kommt es zu einer Verminderung der zellulären Immunantwort und zu einer Hemmung der Serotoninsynthese (vor allem durch INF-γ). Ein individuelles Stressmanagement mit autogenem Training, Biofeedback, Joga, MBSR , Meditation und ausreichendem Schlaf gehört damit immer in das Gesamtkonzept einer antientzündlichen Therapie, wobei eine Vagusaktivierung generell antientzündlich wirkt. In diesem Zusammenhang ist auch eine individuell angepasste Bewegungstherapie von wesentlicher Bedeutung. Bei der Behandlung zahlreicher chronischer Grunderkrankungen sieht Herr Schulz-Ruhtenberg ein großes Potential für komplementärmedizinische antiinflammatorische Strategien auf der Basis folgender Punkte: • ausgewogene Ernährung mit Vermeidung von Kohlenhydratmast • ausreichende Zufuhr von antioxidativ wirksamen Mikronährstoffen • möglichst weitgehende Vermeidung von Umweltnoxen • antientzündliche Darmtherapie mit Probiotika und Mikronährstoffen • Übergewicht vermeiden • Stressmanagement • individuell angepasste Bewegungstherapie. Generell ist ein individuelles Vorgehen unerlässlich. 13 Januar 2014 | Labor Bayer aktuell Probiotika und Präbiotika: Wie sinnvoll sind solche Präparate für die Praxis? Herr Dr. rer. nat. Ulrich Sonnenborn ist Diplombiologe und Leiter des Bereichs biologische Forschung der Ardeypharm GmbH. Er ist ausgewiesener Experte für Probiotika und Präbiotika und hat zahlreiche Publikationen und Buchbeiträge zu diesem Thema verfasst. Definitionsgemäß sind Probiotika Präparate mit lebenden, nicht pathogenen Keimen, die dem Wirtsorganismus einen gesundheitlichen Nutzen bringen, wenn sie in ausreichender Menge zugeführt werden. Probiotische Mikroorganismen sind die biologisch aktiven Bestandteile von bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln und Milchprodukten (Functional Food) sowie die wirksamen Bestandteile probio­ti­ scher Arzneimittel. In den letzten Jahren hat das wissenschaftliche und medizinische Interesse an Probiotika enorm zugenommen, was man an der stetig steigenden Zahl von Fachpub­likationen ablesen kann. Im Lebensmittelbereich werden vor allem verschiedene Arten und Stämme der Gattungen Lactobacillus und Bifidobakterium verwendet, im Arzneimittelbereich auch bestimmte Stämme anderer Spezies wie E. coli, Enterococcen und Hefen. Vorreiter der „Probiotikawelle“ waren in den 1990 er Jahren Joghurts, die mit speziel­len Milchsäurebakterien angereichert waren. Tabelle 7 Besonderheiten von Probiotika als Nahrungs­ ergänzungsmittel, gesetzlich vorgegebene Definitionen und Abgrenzungen Probiotische Nahrungsergänzungsmittel • sind definitionsgemäß Lebensmittel • enthalten entweder einen einzelnen probiotischen Bakterienstamm oder (wesentlich häufiger) eine Mischung aus verschiedenen probiotischen Stämmen in für Lebensmittel un­ typischer Form (z. B. Tabletten, Kapseln, Pulver, Suspensionen) • unterliegen als Lebensmittel keiner Zulassungspflicht • sind dazu bestimmt, die normale Ernährung durch zusätz­liche Gaben von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung zu ergänzen und sind daher oft mit Vitaminen, Mineralstoffen und/oder Präbiotika (z. B. FOS) versetzt • dürfen nicht mit Eigenschaften werben, die der Verhütung, Behandlung oder Heilung einer bestimmten Humanerkrankung dienen (ausser: Nutrition-, Health- und Risk-Reduction-Claims, wenn nachgewiesen) nach J. Schulze, U Sonnenborn, T Ölschläger, W Kruis. Probiotika. Hippokrates/ Thieme Verlag, Stuttgart, S. 102–117, 2008) 14 Der Begriff Präbiotika wird hingegen für Substanzen verwendet, die das Wachstum bestimmter nützlicher Darmbakterien fördern. Im Vergleich zu den mittlerweile umfangreichen klinischen Erfahrungen mit Probiotika bei verschiedenen, meist gastroenterologischen Indikationen, liegen für die Wirkungen von Präbiotika beim Menschen vergleichsweise wenig Erkenntnisse vor. Tabelle 8 zeigt eine Zusammenfassung der derzeit wichtigsten präbiotischen Substanzen, Tabelle 9 ihre gesundheitsrelevanten Effekte. Tabelle 8 Präbiotische Substanzen • Inulin • Fructo-Oligosaccharide (FOS) • Galacto-Oligosaccharide (GOS) • Lactulose • Lactosucrose • Isomalto-Oligosaccharide • Soja-Oligosaccharide • Xylo-Oligosaccharide • Gentio-Oligosaccharide nach R.A. Rastall & V. Maitin (2002). Curr. Opin. Biotechnol. 13: 490–496 Tabelle 9 Inulin und Oligofructose als Nahrungsmittelzusatz: Gesundheitsrelevante Effekte für den Menschen • Fructan-Fermentation im Kolon stimuliert selektiv das Wachstum von Bifidobakterien • Inulin steigert die Resorption von Kalzium • Inulin senkt die Blutzuckerkonzentration • Fructan senkt bei nicht insulinpflichtigen Typ-II-Diabetikern, nicht aber bei Gesunden, die Cholesterin-Konzentration im Serum sowie das LDL-Cholesterin • Inulin senkt die Nüchternwerte von Triglyzeriden und LDL-Cholesterin im Blutserum • Inulin verbessert die Symptomatik bei Obstipation Labor Bayer aktuell | Januar 2014 Bei den Probiotika ist grundsätzlich zu differenzieren zwischen Lebensmittelprobiotika und Arzneimittelprobiotika. Lebensmittelprobiotika enthalten häufig Mischungen aus mehreren probiotischen Bakterienstämmen, oft in einer für Lebensmittel untypischen Form (z. B. Kapseln). Als ­L ebensmittel unterliegen sie keiner Zulassungspflicht. Davon abzugrenzen sind Arzneimittelprobiotika, die neben­ wirkungsarme Alternativen zu bekannten Therapieansätzen darstellen. Sie müssen verschiedene Bedingungen erfüllen und vor allem einen Qualitäts- und Wirksamkeitsnachweis erbringen. Diese Pharmazeutika bedürfen einer Arzneimittelzulassung durch die entsprechenden Aufsichtsbehörden (BfArM). Probiotika in Form von Arzneimitteln sind seit fast einhundert Jahren auf dem Pharmamarkt präsent. Aufgrund der strengen pharmazeutischen Qualitätsanforderungen enthalten sie in der Regel nur einen einzelnen, genau definierten und gut untersuchten Bakterien- oder Hefestamm als Wirkstoff. Die Bakterienpräparate können verschiedene Bakterienstämme wie diverse Lactobacillen-, Bifido­ bakterien-, Enterococcen- oder E. coli-Stämme enthalten. Demgegenüber enthalten praktisch alle probiotischen Hefe­ präparate ein und denselben Hefestamm, nämlich Saccharomyces boulardii. Die derzeit gültigen gesetzlichen Vorgaben sind in Tabelle 10 zusammengefasst. Die Wirkmechanismen von Probiotika im Gastrointestinal­ trakt sind vielfältig und beinhalten: • Konkurrenz um Adhäsionsstellen am Darmschleim und an Enterozyten • Unterdrückung von Wachstum und Kolonisierung ­unerwünschter Mikroorganismen • Produktion antimikrobieller Substanzen • Inaktivierung von Toxinen • Biofilmbildung • Kooperation beim mikrobiellen Stoffwechsel im Darm. Abbildung 14: Mikrobielle Kommunikation und Interaktionen im Darm und an der Darmschleimhaut: „Crosstalk“ (Zwiegespräch) Tabelle 10 Besonderheiten von Probiotika als Arzneimittel und die gesetzlich vorgegebenen Definitionen und Abgrenzungen Probiotische Arzneimittel • besitzen als Arzneimittel die Fähigkeit zur Heilung oder zur Verhütung bestimmter menschlicher Erkrankungen, indem sie die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen • enthalten auf Grund der strengen pharmazeutischen Qualitäts­anforderungen in der Regel nur einen einzelnen, genau definierten Bakterien- oder Hefe-Stamm als Wirkstoff • müssen in allen Ländern ein komplexes und langwieriges Zulassungsverfahren durchlaufen und bedürfen vor dem Inverkehrbringen einer Zulassung durch die entsprechende Arzneimittel-Aufsichtsbehörde • dürfen nur für Indikationen werben, für die eine ArzneimittelZulassung besteht Probiotische Arzneimittel werden überwiegend in der Gastroenterologie eingesetzt. Im Gastrointestinaltrakt wirken Probiotika auf die Kooperationspartner Darmflora, Darmschleimhaut und Darmimmunsystem. Bekannt sind die antagonistischen und antimikrobiellen Wirkungen gegen darmpathogene Keime. Die Hemmwirkung von bestim­m­ ten apathogenen E. coli-Stämmen gegen Durchfallerreger wurden bereits Anfang des letzten Jahrhunderts durch den Freiburger Bakteriologen Alfred Nissle entdeckt und ist heute bis zur molekulargenetischen Ebene erforscht. Die auf dem bakteriellen Antagonismus beruhende antidiarrhoe­ ische Wirkung von Probiotika ist in den letzten zwanzig Jahren in mehr als siebzig kontrollierten klinischen Studien nachgewiesen worden. Eine restaurative Wirkung auf die bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen gestörte Darmbarrierefunktion (Verbesserung des Leaky-GutSyndroms) ist einer der maßgeblichen Gründe für den in kontrollierten klinischen Studien nachgewiesenen thera­ peutischen Erfolg des probiotischen Bakterienstamms E. coli Nissle 1917 bei Patienten mit Colitis ulcerosa. 15 Januar 2014 | Labor Bayer aktuell Sehr interessante Ergebnisse stammen auch aus klinischen Prüfungen von Probiotika beim Reizdarmsyndrom. Beim Reizdarmsyndrom sind qualitative und quantitative Veränderungen der Darmflora (Dysbiosen) nachzuweisen. Mit verschiedenen Probiotika wurden in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Studien durchgeführt. Diese zeigen durchgängig, dass die meisten Probiotika einzelne Symptome des Reizdarmsyndroms eindeutig verbessern, dieses Syndrom als Ganzes aber nicht alleine erfolgreich therapieren können. Zusammen mit anderen komplementärmedizinischen Maßnahmen spielen Probiotika eine wesentliche Rolle bei der Behandlung verschiedenster gastrointestinaler Erkrankungen einschließlich chronisch entzündlicher Darm­ erkrankungen und Reizdarmsyndrom. Tabelle 11 Klinische Prüfung von Probiotika (Bakterien-Monopräparate) beim RDS (Randomisierte, kontrollierte Doppelblind-Studien: Probiotikum vs. Placebo) Studiendesign N Ergebnisse Literatur L. rhamnosus GG (LGG) 2 x 8 Wo. (Cross-over Design) 24 Diarrhö $ (Trend) sonstige RDS-Symptome (=) MA O’Sullivan & CA O’Morain (2000). Dig Liver Dis 32:294 –301 L. plantarum 299v 4 Wo. 60 Blähungen $ Schmerzen (=) S Nobaek et al. (2000). Am J Gastroenterol 95:1231–1238 L. plantarum 299v 4 Wo. 40 Schmerzen $ Obstipation $ (Trend) K Niedzielin et al. (2001). Eur J Gastroenterol Hepatol 13:1143–1147 L. salivarius UCC4331 vs. B. infantis 35624 8 Wo. + 4 Wo. Follow-Up 77 L. salivarius: Stuhlfrequenz $ sonstige RDS-Symptome (=) B. infantis: Schmerzen $ Blähungen $ Stuhlfrequenz $ RDS-Symptome insges. $ L O‘Mahony et al. (2005). Gastroenterol 128:541– 551 B. infantis 35624 (106/10 8/1010 KBE) 4 Wo. 362 (Frauen) RDS-Sympt. insges. $ (10 8 KBE) (inkl. Schmerzen, Blähungen, Gas, Stuhldrang, Pressen, unvollständ. Entleerung) PJ Whorwell et al. (2006). Am J Gastroenterol 101:1581–1590 B. lactis DN-173 010 4 Wo. 34 Schwere der RDS-Symptome $ Bauchumfang $ Transitzeit $ (orozäkale und KolonTransitzeit) A Agrawal et al. (2008). Aliment Pharm Ther 29:104 –114 E. coli Nissle 1917 12 Wo. 120 Schmerzen $ Blähungen $ (insbes. bei postinfekt. RDS und RDS nach Antibiotika) W Kruis et al. (2012). Int J Colorectal Dis 27:467– 474 Vorankündigung – Save the Date 21. Jahrestagung Labor Dr. Bayer Leitthema wird noch bekannt gegeben. 16 Gestaltung: www.himbeerrot-design.de Samstag, 18. Oktober 2014, 9:30–17:00 Uhr, Stuttgart