TOPICAL UPDATE Triptane – seit 20 Jahren Goldstandard in der Migränebehandlung Triptane werden heute als wesentlicher Faktor einer guten Migränetherapie angesehen, insofern als der Prozentsatz der Migränepatienten, die Triptane verordnet bekommen, als Maß für die Versorgungsqualität gelten kann. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass die Verordnungszahlen für Triptane kontinuierlich zunehmen. O bwohl Triptane Migräneschmerzen unterdrücken und den Tonus von bestimmten Blutgefäßen steigern können, werden sie weder als Analgetika noch als Vasokonstriktoren eingestuft. Strukturell abgeleitet von Serotonin (5-Hydroxytryptamin, 5-HT), ist das korrekte Wirkprofil der Triptane wenig einprägend und auch kein Antagonismus, vielmehr sind sie selektive Agonisten an den 5-HT1B- und 5-HT1D-Rezeptoren. Die Vasokonstriktion betrifft Blutgefäße, deren glatte Muskulatur 5-HT1B-Rezeptoren tragen, nämlich meningeale, intrakranielle und koronare arterielle Blutgefäße und arteriovenöse Anastomosen; die Vasokonstriktion trägt zur Schmerzhemmung bei. SELEKTIVE WIRKUNG IM MIGRÄNEANFALL Die direkte schmerzhemmende Wirkung an nozizeptiven Neuronen kommt durch die agonistische Wirkung an 5-HT 1D Rezeptoren zustande, die präsynaptisch gelegen sind und die Neuropeptidtransmitterfreisetzung aus diesen Neuronen hemmen können. Insbesondere zeigt sich die Wirkung an den peripheren Endigungen trigeminaler nozizeptiver Neurone, die im Bereich der Innervation meningealer Blutgefäße im Rahmen des pathophysiologischen Vorgangs der „Neurogenen Entzündung“ die Neuropeptide CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide), VIP (Vasoactive Intestinal Peptide) und Substanz P freisetzen. Es wird angenommen, dass die 5-HT1D-Rezeptoren normalerweise intrazellulär an den synaptischen Vesikel liegen und erst durch Stimuli externalisiert werden, wo sie dann für die Triptane zugänglich werden. Dies könnte erklären, warum diese Substanzen nicht präventiv wirken, sondern erst selektiv im Migräneanfall. Eine zusätzliche Hemmung an zentralen sensiblen Kernen des N. trigeminus wird für lipophile Triptane angenommen, allerdings konnte ein derartiger Wirkmechanismus nicht in bessere klinische Effek14 SCHMERZ NACHRICHTEN Heber Ferraz-Leite, Migräne, Liquid Light VON UNIV.-PROF. DR. JOSEF DONNERER Stellvertretender Vorstand des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie an der Medizinischen Universität Graz; Vorstandsmitglied der ÖSG te lipophiler Triptane umgemünzt werden. In Summe kann das Wirkspektrum der Triptane als Vasokonstriktion dilatierter extracerebraler intrakranieller (meningealer) Blutgefäße, Hemmung der peripheren Neurotransmitterfreisetzung und Hemmung der nozizeptiven Neurotransmission in trigeminozervikalen Bahnen zusammen- gefasst werden. Triptane sind typischerweise wirksam gegen Kopfschmerzen bei Migräneattacken, d. h.: wenn die intrakraniellen Gefäße dilatiert sind – aber nicht bei Spannungskopfschmerz; sie sollten auch nicht prophylaktisch eingenommen werden. Allerdings gibt es einzelne Berichte zur Wirksamkeit von Triptanen bei Cluster-Headache. Zusätzlich unterdrücken sie auch die Begleitsymptome Übelkeit, Lichtscheu und Lärmempfindlichkeit. VIELFALT VERSCHIEDENER ARZNEIFORMEN Sumatriptan stellt die Leitsubstanz dar und kann aufgrund einer Vielfalt verschiedener Arzneiformen je nach Bedarf eingesetzt werden. Zusätzlich zu den Standard-Oral-Arzneiformen von Sumatriptan TOPICAL UPDATE können Nasalspray oder Suppositorien bei begleitender Übelkeit und Erbrechen zur Anwendung kommen; Injektionen zur Selbstapplikation runden die Möglichkeiten bei schweren Migräneattacken ab. In der Folge wurden Triptane mit dem Ziel entwickelt, verschiedene Eigenschaften wie Bioverfügbarkeit, Halbwertszeit und unerwünschte kardiovaskuläre Wirkungen zu verbessern (s. Tabelle). Die geringen Vorteile anderer Triptane liegen in der teilweise besseren Bioverfügbarkeit oder längeren Wirksamkeit; sie können Alternativen unter bestimmten Bedingungen darstellen. Von Zolmitriptan gibt es rasch freisetzende Schmelztabletten und einen Nasalspray. Schmelztabletten (Zolmitriptan) bzw. Lyotabletten (Rizatriptan) brauchen nicht mit Flüssigkeit eingenommen zu werden; die Schmelztablette wird auf die Zunge gelegt, wo sie sich auflöst und mit Speichel hinuntergeschluckt wird. Dies kann in Situationen, in denen die Aufnahme von Flüssigkeit Übelkeit und Erbrechen auslösen könnte, von Vorteil sein. Die Resorption aus Schmelztabletten kann jedoch verzögert sein. Grundsätzlich gilt: Triptane sollten nicht prophylaktisch, sondern nur nach Einsetzen der Migränekopfschmerzen mit etwas Flüssigkeit eingenommen bzw. anderweitig appliziert werden. Eine zweite Dosis kann eingenommen werden, sollten die Symptome innerhalb von 24 Stunden erneut auftreten. Der zeitliche Abstand zwischen der Einnahme beider Dosen sollte je nach Triptan zwei bis vier Stunden betragen. Sollte ein Ansprechen auf die erste Dosis nicht gegeben sein, ist es unwahrscheinlich, dass eine zweite Dosis während desselben Migräneanfalls von Nutzen sein wird. In den klinischen Studien zur Wirksamkeit wurde als primärer Parameter Schmerzfreiheit nach zwei Stunden erfasst, verglichen mit Placebo – mit NNT (Number Needed to Treat) von 2–6 je nach Dosis und Arzneiform. Dies mag auf den ersten Blick nach großen Unterschieden aussehen, allerdings war in den einzelnen Studien einerseits die Placebo-Response unterschiedlich und andererseits war die Ansprechrate von der verwendeten Dosis und Arzneiform abhängig. Die Wirkung der rasch freisetzenden Präparate bzw. 16 SCHMERZ NACHRICHTEN der Sumatriptan-Injektion setzt nach 10– 15 Minuten ein; ihre Gesamtwirkungsdauer kann dann aber etwas kürzer sein. Als weiterer wichtiger Parameter kann auch das Wiederauftreten der Kopfschmerzen innerhalb von 24 Stunden nach Einzeldosis gelten, ebenfalls mit einer NNT von etwa 4–5 mit leichten Vorteilen für Substanzen mit langer Halbwertszeit wie z. B. Frovatriptan. Die Verträglichkeit ist generell gut, kann aber bei manchen Patientinnen oder Patienten Anlass für einen Wechsel des Präparates darstellen. Direkte Vergleichsstudien verschiedener Triptane untereinander gibt es, die Unterschiede in der Wirksamkeit waren gering; einige Vergleiche wurden auch nicht mit optimalen Dosen durchgeführt. WAS ZU BEACHTEN IST Aufgrund der vasokonstriktorischen Wirkkomponente sind naturgemäß vaskuläre Ko-Morbiditäten besonders zu berücksichtigen, insbesondere jede Form der arteriellen Durchblutungsstörung koronarer, zerebraler und peripherer Gefäße. Entsprechende Kontraindikationen sind zu beachten. Ein Zeitintervall ist beim Switch von Ergotalkaloiden zu Triptanen (und umgekehrt), oder beim Switch innerhalb der Triptangruppe wegen eventuell auftretender additiver vasospastischer Reaktionen zu beachten. Typische Nebenwirkungssymptome sind ZNS-Nebenwirkungen, die aber auch migränebedingt sein können – Brustschmerzen, Dyspnoe und andere Thoraxbeschwerden. Sie treten etwa vier Stunden nach Einnahme auf und sind leicht bis mittelschwer ausgeprägt. Kontraindikationen betreffen vor allem arterielle Durchblutungsstörungen. Aus kontrollierten Studien ging oft herVERFÜGBARE TRIPTANE Triptan (Handelsname) vor, dass Substanzen mit geringerer Potenz bzw. niedrigere Dosierungen besser verträglich waren, was als nicht überraschend für Typ-A-Nebenwirkungen anzusehen ist. Es scheint aber nicht gerechtfertigt zu sein, tatsächlich von unterschiedlichem Nutzen-Risiko-Verhältnis zu sprechen. Wechselwirkungen betreffen andere serotoninverstärkende oder serotoninergagonistisch wirkende Medikamente wie Serotonin-Reuptake-Hemmer und MAOHemmer wegen der Gefahr serotoninerger Nebenwirkungen bzw. eventuell eines Serotoninsyndroms. Da einige Triptane über CYP-Enzyme metabolisiert werden, können entsprechende CYP-Hemmer den Abbau verlangsamen und die Wirkung und Nebenwirkungen der Triptane verstärken; aufgrund der Strukturverwandtschaft der Triptane mit Serotonin ist bei einigen Substanzen der Metabolismus durch MAOHemmer beeinträchtigt. KONKLUSION In Kombination mit einem rasch wirkenden NSAR, Paracetamol oder Metamizol sind, Verträglichkeit und Ausschluss von Kontraindikationen vorausgesetzt, die Triptane nach wie vor der Goldstandard in der akuten Behandlung des Migräneanfalls – zumindest bis zur Post-Triptan-Ära (CGRP-Antikörper?). Literatur: Adelman JU, Belsey J. J, Managed Care Pharm 2003(9)1: 45-52 Behrens R, Ars Medici 2014 Ferrari MD, Roon KI, Lipton RB et al., Lancet 2001, 358: 1668-1675 Goadsby PJ, Lipton RB, Ferrari MD, N Engl J Med. 2002, 346(4):257-270 Helfand M, Petersen K, Drug Class Review Triptans, Oregon Health & Science University 2009 Peruche B, Schulz M, Pharmazeutische Zeitung 29/2001 Arzneiformen, Wirkstärken Wirkbeginn Sumatriptan (Imigran + Generica) (Film-)Tablette 50 mg, 100 mg Injektionslösung 6 mg Suppositorien 25 mg Oral: 30 min Subkutan: 15 min Zolmitriptan (Zomig + Generica) (Film-)Tablette 2,5 mg, 5 mg Schmelztablette 2,5 mg, 5 mg Nasalspray 2,5 mg, 5 mg Oral: 45 min Nasal: 10-15 min Eletriptan (Relpax, Eletriptan) Filmtablette 20 mg, 40 mg 0,5–1 h Frovatriptan (Eumitan, Frovamig, Frovatriptan) Rizatriptan (Maxalt) Langsamer Wirkbeginn Filmtablette 2,5 mg Tablette, Lyotablette 5 mg, 10 mg 0,5–1 h