Geschichte und Geschehen für berufsbildende höhere Schulen 1 Die Antike: Rom Fragen und Anregungen 1. Die Entstehung der römischen Republik kann leicht in Form einer Zusammenfassung des VT (S. 40, 41) dargestellt werden. Deren politische Organisation geht sehr anschaulich aus der Grafik 4 hervor. Die berühmte Parabel vom Magen und den Gliedern (19) sollte als Beitrag zum Selbstverständnis der alten Adelsfamilien gelesen werden. Die Sache erfährt dadurch zusätzliche Spannung, dass die Rede Menenius Agrippas vom Hofhistoriker des Augustus berichtet wird. Augustus konnte seine Macht nur zulasten des alten Senatsadels etablieren, der nach Jahrzehnten der Bürgerkriege ohnedies schon spürbar dezimiert war. Gleichzeitig waren es die Angehörigen eben dieser Aristokratie (der sogenannten Nobilität), gewesen, deren Konkurrenzkämpfe die Bürgerkriege ausgelöst hatten. In der Parabel, so wie Livius sie erzählt, wird ein hohes Maß an Selbstherrlichkeit der Nobilität spürbar. 2. Wichtige Elemente: Mit ihren Kriegszügen schufen die Römer ein Weltreich, das von einem Zentrum mit der Struktur einer polis regiert werden sollte. Gleichzeitig war dieses Zentrum von den Partialinteressen des Senatsadels, der Nobilität, beherrscht. Obwohl die Beamten (also die Regierung der Stadt) vom Volk gewählt wurden, entstammten sie fast ausschließlich der Nobilität. Die konkreten Strukturen des Wahlsystems spielten dabei ebenso eine Rolle wie Stimmenkauf. Die faktische Macht lag über weite Strecken der republikanischen Ära nicht bei der Volksversammlung, sondern beim Senat. Ausgedehnte Eroberungszüge machten die Aufstellung von Berufsarmeen erforderlich, die von ihren Befehlshabern ent- und belohnt wurden und dementsprechend nur diesen, nicht aber der „res publica“ loyal waren. Die Befehlshaber stammten wiederum überwiegend aus der Aristokratie, die Soldaten und ihre Centurionen (Hauptleute) überwiegend aus den ärmeren Schichten der Bevölkerung. Hinzu kamen soziale und ökonomische Konflikte: Die Masse der stadtrömischen Bevölkerung war arm, einzelne Politiker versprachen öffentliches Land und wurden zunächst (insbesondere die Brüder Caius und Tiberius Gracchus) vom Senat zu Staatsfeinden erklärt. Der Diktator Sulla (138–78 v. Chr.), ein Repräsentant des alten Senatsadels, versuchte all diese Bestrebungen brutal zu unterdrücken, indem er sogar die Volkstribunen entmachtete. Caesar, aber auch Pompeius, einst ein Gefolgsmann Sullas, griffen das Thema wieder auf, einerseits um die Volksversammlung für ihre Interessen zu mobilisieren, andererseits um die ehemaligen Soldaten des Pompeius mit Land zu versorgen. Nicht zuletzt waren es wohl die Konflikte innerhalb der Führungsschicht, die in eine Reihe grausamer Bürgerkriege mündete. Als letzter überlebender Kriegsherr etablierte sich schließlich Octavian, der Adoptivsohn Caesars, als princeps und Augustus, als faktischer Alleinherrscher unter dem Deckmantel eines Retters der Republik. Literaturhinweise: Bringmann, Klaus: Geschichte der Römischen Republik. München: Beck 2002. Christ, Karl: Krise und Untergang der römischen Republik. 4. Aufl. Darmstadt: WBG 2000. Dahlheim, Werner: Augustus. Aufrührer, Herrscher, Heiland. München: Beck 2010. Heftner, Herbert: Von den Gracchen bis Sulla. Die römische Republik am Scheideweg. Regensburg: Pustet 2006. Syme, Ronald: Die Römische Revolution. Machtkämpfe im antiken Rom (1939). Grundlegend revidierte und erstmals vollständige Neuausgabe. Aus dem Englischen übers. v. Friedrich Wilhelm Eschweiler u. Hans Georg Degen. Hg. v. Christoph Selzer u. Uwe Walter. Stuttgart: Klett-Cotta 2003. 3. Auf der „Gemma Augustea“ wird Augustus deutlich in die Nähe der Götter gerückt. Er ist zum Erlöser, zum Heilsbringer, geworden. Caesar hingegen erscheint in der Darstellung hier als tatkräftiger und entschlossener Mensch, aber nicht als Gott. Zu einem solchen wurde er allerdings vom Senat nach seinem Ableben ernannt, weshalb sich Octavian als sein Adoptivsohn „Divi Iulii Filius (Sohn des göttlichen Iulius)“ nennen durfte. Literaturhinweis: Zanker, Paul: Augustus und die Macht der Bilder. 3. Aufl. München: Beck 1997, S. 232 ff. 4. Die Passagen in 24b) können im Wesentlichen auch heute noch Gültigkeit beanspruchen: Die Beweislast trifft grundsätzlich den Kläger oder Ankläger (im Strafverfahren). Das Gegenteil muss im Einzelfall ausdrücklich gesetzlich festgelegt werden, man spricht dann von Beweislastumkehr. Gleiches gilt für den Status einer Behauptung als Beweis: Verdächtigungen reichen nicht, im Gegenteil: Heute machen unbewiesene Verdächtigungen denjenigen strafbar, der sie öffentlich äußert. Auch Hörensagen gilt nicht als Beweis; im angloamerikanischen Rechtsbereich wird dieser Aspekt bis heute besonders konsequent gehandhabt. Das Motto „Im Zweifel für den Angeklagten (In dubio pro reo)“ wurde von Aufklärern des 17. Jahrhunderts erfolgreich (wieder) zu einem wesentlichen Prinzip des Strafprozessrechts gemacht. Gleiches gilt für den Grundsatz „Keine Strafe ohne Gesetz“. Gesinnungsjustiz ist seit dem 18. Jahrhundert – anders als im Inquisitionsprozess der Frühen Neuzeit – ebenfalls verpönt. Das Recht, sich vor Gericht zu verteidigen oder einen Verteidiger beizuziehen, ist heute unbestritten, zumindest überall dort, wo die © Österreichischer Bundesverlag Schulbuch GmbH & Co. KG, Wien 2010 | www.oebv.at | Geschichte und Geschehen für berufsbildende höhere Schulen, Band 1 | ISBN 978-3-209-06279-6 Alle Rechte vorbehalten. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Autor: Gerhard Donhauser Geschichte und Geschehen für berufsbildende höhere Schulen 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) oder die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen gilt. Wer schweigt, scheint auch heute prinzipiell nicht zuzustimmen, es sei denn, er wäre aus irgendwelchen Gründen verpflichtet, zu antworten (etwa weil er eine Geschäftsbeziehung zu dem unterhält, der gefragt hat). Anders verhält es sich mit den unter 24a) dargestellten Regeln: Selbsthilfe spielt hier eine sehr große Rolle, schon bei der Anklageerhebung. Die zitierten Passagen entsprechen den Rechtsvorstellungen einer archaischen Gesellschaft und muten heute sehr weit entfernt an. Ob sie jemals so gegolten haben, muss dahingestellt bleiben, kennen wir sie doch nur aus Zitaten aus spätrepublikanischer Zeit, als die Zwölf Tafeln schon jahrhundertelang nicht mehr existierten. 5. Die Infrastruktur ist sehr anschaulich den Karten 8 und 10 zu entnehmen. Eine Zusammenfassung des VT (S. 46) kann durch Beispiele aus diesem Kartenmaterial angereichert und vertieft werden. 6. An diese Aufgabe gehen die Schülerinnen und Schüler am besten heran, indem sie einen aktuellen Schulatlas sowie einen Geschichtsatlas heranziehen und die Gegend, in der sie leben, darin suchen. Am besten wird es sein, eine physische Karte der betreffenden Region großformatig zu kopieren und etwaige römische Herrschaftsgebiete darin eintragen. Im Internet und in Reiseführern können die Schülerinnen und Schüler dann weiterführendes Bildmaterial suchen, ausdrucken bzw. ebenfalls kopieren und auf die Karte, mit der sie arbeiten, aufkleben. Diese Arbeitsanregung lässt sich gut auch als interdisziplinäres Projekt mit dem Fach „Geografie und Wirtschaftskunde“ gestalten. 7. Das frühe Christentum kann als Spielart oder Strömung innerhalb des Judentums gelten. Selbst die Heiligen Schriften des Christentums, die im 3. Jahrhundert von der entstehenden römischen Kirche als verbindlich anerkannt wurden, gehen im Wesentlichen auf diejenigen des Judentums zurück. Das Christentum hatte deshalb immer Schwierigkeiten, seine theologische Eigenständigkeit gegenüber dem Judentum herauszuarbeiten. Spätestens für das Paulinische Christentum war es ärgerlich, dass die überwältigende Mehrheit der Jüdinnen und Juden in Jesus nicht den „Messias“ sehen wollte – oder konnte. Sobald die römische Kirche als Machtfaktor im Römischen Reich etabliert war, also seit dem 4. Jahrhundert, machte sie sich an die Verfolgung aller Andersdenkenden. Dazu zählten neben „heidnischen“ Philosophen insbesondere die Juden. Auch Christen, die sich nicht der gerade vorherrschenden Lehre anschlossen, wurden verfolgt. Dies war insofern ein historischer Bruch, als das Christentum vor Dekretierung des Glaubensbekenntnisses von Nicäa sehr vielfältig war. Nicht einmal über den „Status“ des Jesus aus Nazareth (Sohn Gottes oder nicht?) hatte vor 315 Einigkeit bestanden. Die Feindseligkeiten gegenüber den Juden fielen besonders heftig aus. Dies hatte einerseits mit der historischen Entwicklung des Christentums zu tun, andererseits damit, dass die Juden als „leichte Opfer“ erscheinen mochten, waren sie doch schon seit Jahrhunderten in Konflikte mit der römischen Staatsmacht verwickelt. Dafür war ihr strikter Monotheismus ausschlaggebend gewesen, der schlichtweg unverträglich war mit dem Polytheismus der römischen Eroberer und insbesondere mit der Vorstellung göttlicher Verehrung eines Herrschers. Im Laufe der Jahrhunderte erkoren sich Kirchenfürsten und weltliche Herrscher „die Juden“ zu Lieblingsfeindbildern, die mit teils pathologischem Hass für alles Mögliche und Unmögliche verantwortlich gemacht und verfolgt wurden. Den gläubigen christlichen Untertanen bot man auf diese Weise ein wohlfeiles Feindbild, an dem sie – zu gegebener Zeit – die Enttäuschungen und die Hoffnungslosigkeit eines entbehrungsreichen und oftmals tristen Lebens abreagieren durften. Das Feindbild hatte die Kraft, Massen zu mobilisieren, sei es in den Jahrhunderten der Kreuzzüge, sei es in Zeiten der Krisen kirchlicher Hierarchien („Ritualmordlegenden“ in der Frühen Neuzeit und vor allem während der Gegenreformation), sei es aber auch bloß, wenn ein Fürst allzu hohe Schulden bei einem jüdischen Geldverleiher angesammelt hatte. Literaturhinweise: Baltrusch, Ernst: Das römische Reich und die Juden. Geschichte einer konfliktreichen Beziehung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2002. Bauer, Walter: Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum (= Beiträge zur historischen Theologie, Bd. 10). 2. Aufl. Tübingen: Mohr 1964. Bringmann, Klaus: Geschichte der Juden im Altertum. Stuttgart: Klett-Cotta 2005. Bultmann, Rudolf: Das Urchristentum im Rahmen der antiken Religionen. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1992 (= dtv 4580). Czermak, Gerhard: Christen gegen Juden. Geschichte einer Verfolgung. Aktualisierte Neuausgabe München: Beck 1991. Köster, Helmut: Einführung in das Neue Testament im Rahmen der Religionsgeschichte und Kulturgeschichte der hellenistischen und römischen Zeit. Berlin / New York: de Gruyter 1980. Mack, Burton: Wer schrieb das Neue Testament? Die Erfindung des christlichen Mythos. München: Beck 2000. 8. Was das Christentum für eine steigende Zahl von Menschen attraktiv machte, war letztlich wohl die Hoffnung auf Erlösung in einem „besseren“ Jenseits. Egal wie schlimm die alltägliche Existenz sein mochte, wenigstens nach dem Tode warteten Gerechtigkeit und eine „bessere“ Welt. Diese zentrale Botschaft des Christentums mobilisierte Menschen aus allen Schichten der Bevölkerung, zunächst im Entstehungsgebiet der neuen Strömung, dann © Österreichischer Bundesverlag Schulbuch GmbH & Co. KG, Wien 2010 | www.oebv.at | Geschichte und Geschehen für berufsbildende höhere Schulen, Band 1 | ISBN 978-3-209-06279-6 Alle Rechte vorbehalten. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Autor: Gerhard Donhauser Geschichte und Geschehen für berufsbildende höhere Schulen 1 sukzessive innerhalb des gesamten römischen Reiches. Die neue Religion konkurrierte dabei mit zahlreichen anderen Erlösungsreligionen, insbesondere mit jener des Mithras. Sie setzte sich aber letzten Endes auch aus politischen Gründen durch, weil sie für Kaiser Konstantin diejenige zu sein schien, die in höchstem Maße geeignet war, seine Herrschaft zu stabilisieren, denn sie beruhigte die Untertanen, und sie war – anders als der Mithraskult, den sein Vorgänger Diocletian favorisiert hatte – nicht in erster Linie eine Religion der Soldaten. Allerdings waren es gerade Soldaten, die der Hoffnung auf Auferstehung einiges abgewinnen konnten. Dies galt auch für zahlreiche andere Menschen, deren Leben spürbar auf äußerster Ungewissheit gründete, Gladiatoren etwa und allen voran Sklaven. Die Anhänger des Christentums missionierten eifriger als andere, und sie wandten sich an die unteren Schichten der Bevölkerung, an Sklaven und andere Entrechtete. Derer gab es im Römischen Reich viele. Literaturhinweise: Demandt, Alexander: Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian. 284–565 n. Chr. (= Handbuch der Altertumswissenschaften, 3. Abt., 6. Teil). München: Beck 1989. Maier, Franz Georg: Die Verwandlung der Mittelmeerwelt. 73.–75. Tsd. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1989 (= Fischer Weltgeschichte, Bd. 9). Vouga, François: Geschichte des frühen Christentums. Tübingen / Basel: Francke 1994. © Österreichischer Bundesverlag Schulbuch GmbH & Co. KG, Wien 2010 | www.oebv.at | Geschichte und Geschehen für berufsbildende höhere Schulen, Band 1 | ISBN 978-3-209-06279-6 Alle Rechte vorbehalten. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Autor: Gerhard Donhauser