Plakat: Mariusz Napierała Fotos: Włodzimierz Piątek Texte: Piotr Deptuch, Kinga Konieczny Redaktion: Kinga Konieczny, Anna Markiewicz-Czaus Entwurf und Gestaltung des Programmhefts: Agata Pełechaty Übersetzung: Torsten Salzer DER LIEBESTRANK Gaetano Donizetti PREMIERE 14. Februar 2014 PREMIERE Gaetano Donizetti Der Liebestrank Komische Oper in zwei Akten Uraufführung: Mailand, Teatro della Canobbiana am 12. Mai 1832 Premiere der aktuellen Inszenierung: 14. Februar 2014 Musik Gaetano Donizetti Libretto Felice Romani Mitarbeit Musikalische Leitung, Dirigent Vladimir Kiradjiev Regie Jitka Stokalska Bühnenbild und Kostüme Mariusz Napierała Chorarbeit Małgorzata Bornowska Lichtregie Dawid Karolak 4 I Der Liebestrank - Komische Oper in zwei Akten Fot. B. Miedeksza Fot. B. Miedeksza Regieassistenz Wiesław Łągiewka Der Liebestrank - Komische Oper in zwei Akten I 5 Fot. W. Piątek ZUR INSZENIERUNG Jitka Stokalska bei den Proben zu der Stettiner Premiere Wir haben die Handlung an einem universalen, einigermaßen konventionellen Ort angesiedelt, um die Aufmerksamkeit auf die Geschichte selbst zu lenken. Denn das Wichtigste ist hier die Macht der Liebe, die gleichermaßen retten oder töten kann. Das ist das eigentliche Thema des „Liebestranks”. Die Macht der Liebe... 6 I Der Liebestrank - Komische Oper in zwei Akten Die Verortung der Handlung in einer bestimmten Kulisse und in einer bestimmten Epoche entscheidet in gewisser Weise über die Regiearbeit. Deshalb kann man die Geschichte von Adina und Nemorino immer neu erzählen, obwohl sie schon so oft auf die Bühne gebracht wurde. Diesmal lag mir daran, alles, was der Zuschauer auf der Bühne sieht, wahr erscheinen zu lassen, also so, wie es wirklich hätte passieren können. Ich habe mich dazu entschieden, die Inszenierung realistisch zu gestalten, weil sich diese Geschichte zu jeder Zeit abspielen kann. Gemeinsam mit dem Bühnenbildner habe ich einen universalen Ort geschaffen, der zwar an die italienische Provinz der 1930er Jahre erinnert – sonnenverbranntes Gras, ein Apfelbaum, dessen Früchte Symbol der Liebe, aber auch der Sünde sind, ein kleines Podium, das als Tanzboden oder für die Vermählung Adinas mit Sergeant Belcore dient - aber es ist dies kein im strengen Sinne realistischer Ort, sondern eher ein universaler. Er soll die Aufmerksamkeit auf die Geschichte lenken, denn sie ist hier das Wichtigste. Der „Liebestrank“ erzählt von der Macht eines Gefühls, das gleichermaßen retten und töten kann. Ich habe schon so etwas wie Lieblingsszenen. Da ist zum Beispiel die Szene, in der sich die Handlung zum Ende hin aufklärt: Nemorino lässt sich als Soldat anwerben und ist bereit, auf dem Schlachtfeld zu sterben. Da gibt es ein wundervolles Duett, in dem Adina endlich ihre Maske fallen lässt und gesteht, dass sie Nemorino liebt und nicht verlieren will. In dieser Szene spürt man die Chemie zwischen den Protagonisten. Ich liebe Nemorinos Arie „Una furtiva lagrima“. Auch den Chor der Mädchen, die singend Nemorino umwerben, nachdem sie erfahren haben, dass ihm eine Erbschaft zugefallen ist, was ihn plötzlich zu einer guten Partie macht, mag ich sehr. Die Musik im „Liebestrank“ ist durchweg überaus charmant, voller Energie und Freude. Man wundert sich, dass diese Musik von Donizetti stammt, dessen kurzes Leben von psychischer Krankheit überschattet war. Es gibt allerdings einen Moment, in der sich die Krankheit des Komponisten, wie ich denke, schon hörbar ankündigt, und zwar in der Szene, in der Nemorino Adina anfleht, Belcore nicht zu heiraten. Was erwartet den Zuhörer emotional in diesem Werk? Ich wünsche mir, dass der Abend nicht nur erheitert, sondern auch zum Nachdenken anregt, das Komische soll sich aus der Handlung ergeben, ohne grotesk zu sein. So wollten wir das spielen. Jitka Stokalska Aufgezeichnet von Kinga Konieczny Der Liebestrank - Komische Oper in zwei Akten I 7 ZUM WERK tik, die ihre schwärmerische Liebe in unausgesprochenen Heimlichkeiten und sentimentalen Seufzern ausleben. Eine Perle der italienischen komischen Oper Der Liebestrank ist eine Oper im Stil des bel canto, also der italienischen lyrischen Oper in der ersten Hälfte 19. Jahrhunderts. Man strebte nach einer Verbindung zwischen gesanglicher Virtuosität und typisch romantischem Ausdruck voll Gefühlsrückungen, Pathos und dramatischer Empfindung. Voll entfalten konnte sich dieser Stil in der Opera seria, die auch als mellodrama bezeichnet wurde. Dabei handelte es sich um pathetische Werke von ernstem Charakter. Donizetti komponierte seinen „Liebestrank” im Alter von 35 Jahren als seine zweiunddreißigste Oper. Beim Ausarbeiten seiner Partituren brach Donizetti alle Geschwindigk-eitsrekorde. Im Fall der komischen Oper war die Sache etwas komplizierter, da sich hier verschiedene Einflüsse überlagerten: Romantische Tendenzen treffen auf klassische Elemente, die noch in der Tradition der Commedia dell’arte verwurzelt sind. Zur Genealogie des Liebestrankes gehört daher Paisellos Barbier von Sevilla (1782) ebenso wie Mozarts Cosi fan tutte (1790) und Pergolesis La serva padrona (Die Magd als Herrin) (1733). Piotr Kamiński bezeichnet den Liebestrank als „eine Perle des italienischen Buffo-Theaters. Es ist schwer zu sagen, was entzückender ist, der subtile Text oder die erfrischend neuartige Musik ”. Bereits das Orchestervorspiel atmet die Atmosphäre des Werkes mit dem Pomp der bestimmt auftretenden Orchestertutti einerseits und den lyrischen Streichermotiven andererseits, zu denen sich später die „lachende“ Flöte gesellt, unterstützt von den übrigen Holzbläsern. Nemorino ist in Liebe zu Adina entbrannt (atemberaubend das Arioso Quanto è bella, quanto è cara), doch die resolute junge Frau scheint davon in keiner Weise Notiz zu nehmen. Allein schon der Bildungsunterschied scheint einer Beziehung im Wege zu stehen: Gaetano Donizetti Der Liebestrank hat als komische Oper alles, was es braucht, um das Publikum zu unterhalten und in seinen Bann zu schlagen: vor Witz sprühende virtuose Arien, brillante Ensembleszenen und ein schwungvolles Finale. Die dramatische Handlung ist eine komische Parodie des Liebestrank-Topos, den Wagner im Tristan später in seiner philosophischen und metaphysischen Dimension ausloten sollte. Die amouröse Dreiecksgeschichte zwischen Adina, Nemorino und Belcore bietet dem Librettisten zahlreiche Möglichkeiten zu pikanten Handlungsumschwüngen, auch der Komponist schöpft aus dem Vollen und schafft eine Partitur, die von melodienseliger Leichtigkeit, schlichter Virtuosität und kompositorischem Einfallsreichtum geprägt ist. Während die Figuren des Belcore und des Dulcamara noch der Tradition der Commedia dell’arte des 18. Jahrhunderts entstammen, sind Adina und Nemorino bereits Kinder der Roman8 I Der Liebestrank - Komische Oper in zwei Akten Fot. B. Miedeksza Der Liebestrank ist neben der Oper Don Pasquale, die er an seinem Lebensende komponierte, eine der beiden komischen Opern Donizettis, die heute zum Standardrepertoire gehören. Das Libretto stammt von dem berühmten Felice Romani, der sich im Grunde treu an seine Vorlage, ein Theaterstück von Scribe hielt. Romani hatte zuvor die Libretti für Bellinis unsterbliche Meisterwerke La sonnambula (Die Nachtwandlerin) und Norma geschrieben. Der Liebestrank - Komische Oper in zwei Akten I 9 Die Arie Della crudele Isotta zeigt Adinas Doppelnatur: Sie ist kokette Verführerin und empfindsame, beseelte Muse zugleich. Plötzlich taucht ein Rivale auf in Gestalt des Sergeant Belcore. Dieser zynische Dorfcasanova bricht die Herzen der Frauen so schnell, wie er sie erobert. Adina zeigt sich durchaus interessiert an dem gut aussehenden Soldaten und feuert das gesamte Arsenal weiblicher Verführungskünste auf ihn ab, was Belcore zu der bravourösen Arie Come Paride vezzoso animiert, die in ein Duett übergeht, um mit einem Schlusschor zu enden. Das bezaubernde Duett zwischen Adina und Nemorino (Una parola, o Adina) zeigt noch einmal deutlich die Distanz zwischen dem Verehrer und seiner Angebeteten. Dem einfachen Dorfjungen gelingt es nicht, Adinas Herz zu erobern, die seinen Avancen fast durchweg mit beißendem Spott begegnet. Eine Trompetenfanfare kündigt den Auftritt einer weiteren Figur an: Doktor Dulcamara, die groteske Gestalt eines wandernden Quacksalbers, der den Dorfbewohnern mit der Arie Udite, udite, o rustici verschiedenste Wundermittel gegen sämtliche Gebrechen der Welt anpreist. Selbstverständlich weiß Dulcamara auch ein Mittel gegen jegliche Art von Liebeskummer und alle Leiden, die ihre Ursache in gebrochenen Herzen haben. Fot. W. Piątek Von ihm erhält Nemorino jenes geheimnisvolle Elixir, dessen Wirkung am nächsten Tage einsetzen soll: Nemorino wird zu Tristan, und Adina, seine Isolde, wird ihm auf der Stelle seine Liebe schenken. Zwar handelt es sich bei dem vermeintlichen Liebestrank um schnöden Wein, was jedoch 10 I Der Liebestrank - Komische Oper in zwei Akten Fot. B. Miedeksza Während die des Lesens kundige Adina fiebernd die Geschichte Tristans und Isoldes verschlingt, ist ihr Liebhaber eher einfach gestrickt und lesen kann er auch nicht. dem einträglichen Geschäft nicht im Wege stehen soll (Duett Voglio dire). Der sonst so tollpatschige Nemorino gewinnt unter dem Einfluss des Wundertranks (ein klassisches Beispiel für den Placebo-Effekt) auf der Stelle an Selbstvertrauen. Als Adina erneut erscheint, beginnt ein amouröses Taktieren: Die kapriziöse Angebetete stellt mit Verwunderung fest, dass ihr Verehrer ihr plötzlich die kalte Schulter zeigt (Duett Esulti pur la barbara). Sie ist in ihrem Stolz gekränkt, was sie sich nicht länger bieten lassen will. Sie greift zu einer List und bietet Belcore ihre Hand, der nun ausgerechnet am nächsten Tag in den Kampf ziehen soll, sodass die Vermählung sofort erfolgen muss. Der verzweifelte Nemorino fleht seine Adina an, ihre vorschnelle Entscheidung wenigstens noch einmal zu überschlafen, doch diese, ebenso resolut wie kokett, lässt sich nicht aus dem Konzept bringen. Nemorino stößt bei ihr auf taube Ohren (Finale Adina credimi). Wenn die Handlung bis dahin verschlungen erscheint, so kompliziert sich die Lage im zweiten Akt noch weiter. Das lebhafte Orchestervorspiel und die Chorszene kündigen die bevorstehende Vermählungsszene an. Adina erscheint in Begleitung Dulcamaras, der, ganz im Geiste der Berta aus Rossinis Barbier zusammen mit der Braut ein Scherzlied anstimmt, das von einem reichen Senator erzählt, der eine schöne Gondoliera umwirbt (Io son ricco, e tu sei bella). Nemorino bleibt der Hochzeit fern, an einem abgelegenen Ort wartet er vergeblich auf die durchschlagende Wirkung des Liebestranks. Zu allem Überdruss ist er auch noch pleite, eine weitere Portion des Zaubertranks kann er sich nicht leisten. Da erscheint Sergeant Belcore und bietet seinem Rivalen ganz unerwartet Hilfe an. Er schlägt Nemorino vor, sich als Soldat anwerben zu lassen, als Sold verspricht er ihm die schwindelerregende Summe von 20 Talern (Duett Venti scudi). Doch dann nimmt die Handlung erneut eine überraschende Wendung. Der Liebestrank - Komische Oper in zwei Akten I 11 Fot. B. Miedeksza Gianetta verkündet den Hochzeitsgästen, Nemorinos Onkel habe das Zeitliche gesegnet und seinem Neffen ein stattliches Erbe hinterlassen. Nemorino als Soldat in spe weiß von alledem nichts, indes fühlt er die Wirkung des Liebestrankes schon ganz gewaltig (Dell’elisir mirabile). Die unwiderstehliche Anziehungskraft, die er plötzlich auf das schöne Geschlecht ausübt, ist offensichtlich. Mit dem Duett Quanto amore flaut Adinas Interesse an Sergeant Belcore endgültig ab. Als Nemorino erscheint, empfängt sie ihn wider alle Erwartung mit überschwänglichem Gefühl. Nemorinos Reaktion lässt nicht lange auf sich warten. Er bringt seine Empfindungen in einer der schönsten Arien der italienischen Opernliteratur zum Ausdruck: Una furtiva lagrima. Endlich fühlt er, dass Adina ihn wirklich liebt. Nun steuert alles auf das glückliche Ende zu. Adina bezahlt Sergeant Belcore für die Auflösung des Werbevetrags und schenkt so Nemorino nicht nur ihre Liebe, sondern auch seine Freiheit (Duett Prendi, per me sei libero). Mit virtuosen Koloraturen zeigt Adina, dass sie nun wahre Liebe und Glück gefunden hat. Noch einmal erklingt die Canzonetta vom reichen Senator und der armen Gondoliera, sie wird zum Hintergrund für ein kurzes, glückstrunkenes Finale. Fot. B. Miedeksza Piotr Deptuch 12 I Der Liebestrank - Komische Oper in zwei Akten Der Liebestrank - Komische Oper in zwei Akten I 13 Telefonische Kartenbestellung: (+48) 91 43 48 106 Opernkasse, Öffnungszeiten: Di.–Sa. von 12–18 Uhr Tel. +48 512 559 465 www.opera.szczecin.pl 14 I Der Liebestrank - Komische Oper in zwei Akten Der Liebestrank - Komische Oper in zwei Akten I 15