PD Dr. Rainer Waldhardt, Ph. D. Rolf Lutz Eckstein, Dipl.-Ing. agr. Sylvie Laudenbach, Prof. Dr. Dr. Annette Atte, Prof. Dr. Peter Felix-Henningsen Professur für Landschaftsökologie und Landschaftsplanung Professur für Bodenkunde und Bodenerhaltung Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement Modul MKU 05 - Agrarökologie Sommersemester 2007 Exkursion Amöneburger Becken (Landkreis Marburg-Biedenkopf) (Fachbereich 09: Agrarwissenschaften, Ökotrophologie und Umweltmanagement) Heinich-Buff-Ring 26-32 D-35392 Gießen Tel.: 0641 / 99 – 37163 Fax: 0641 / 99 – 37169 E-mail: [email protected] 04.06.2007 Uhrzeit und Treffpunkt: 7:30 Uhr, Parkplatz hinter dem IFZ Naturräumliche Gliederung Der Naturraum Amöneburger Becken liegt etwa 8 km östlich von Marburg/Lahn und umfasst eine Fläche von 135 km². Den Norden bis Südosten des Beckens prägt die fast tischebene Ohmsenke (200 m ü. NN) mit Grün- und Ackerland. Aus der Ohmsenke ragt der Basaltkegel der Amöneburg (363 m ü. NN) als Doppelberg auf. Im Übrigen herrscht im Becken an Hängen und in Tälchen ackerbauliche Nutzung vor (Abb. 1). 3 4 1 2 Abb. 1: Lage der Exkursionsziele (TK25, Blätter 5119 Kirchhain u. 5219 Amöneburg) 1. Biol. und konv. bewirtschaftetes Ackerland; Erodierte Parabraunerde 2. Grünland und konv. bewirtschaftetes Ackerland; (a) Pelosol, (b) Kolluvisol, (c) Regosol 3. Feuchtgrünland; Allochtone Vega 4. Naturschutzgebiet „Amöneburg“; Ranker Siehe auch Tab. 1 auf Seite 8 Das Amöneburger Becken grenzt ungefähr mit der 250 m-Höhenlinie im Westen und Norden an die teilweise bewaldeten Buntsandsteingebiete der Lahnberge, des Burgwaldes und des Neustädter Sattels, im Osten an den Vorderen Vogelsberg und im Süden an den Ebsdorfer Grund. Dieser ist erdgeschichtlich mit dem Amöneburger Becken eng verbunden. Das im südlichen Teil der Westhessischen Senkenzone gelegene Amöneburger Becken ist Teil der europäischen Grabenzone, die sich vom Golf von Lyon durch das Rhonetal, den Oberrheingraben und den Leinegraben bis zum Mjösasee in Norwegen fortsetzt. Diese Bruchzone stellt eine wichtige Verbindung (alte Fernverkehrswege, Vogelzuglinie) zwischen Nordund Süddeutschland und zwischen Nordund Südeuropa dar. Klima Das Amöneburger Becken liegt im Regenschatten des Rheinischen Schiefergebirges. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist das Becken durch eine besondere Klimagunst ausgezeichnet: Der Jahresniederschlag erreicht nur 560 mm, der Jahresmittelwert der Lufttemperatur liegt bei 8-9 °C. Diese Werte sind mit den Daten aus der nördlichen Wetterau vergleichbar. Jedoch ist begünstigt durch die abgeschlossene Beckenlage die Zahl der Nebeltage mit 60 recht hoch und aus der Umgebung in das Becken einfließende Kaltluft bewirkt im Frühling teilweise empfindliche Bodenfröste. Im Sommer kann sich das Becken stärker als die umgebenden Naturräume aufheizen. Im Vergleich zu den umgebenden Naturräumen ist das Klima des Amöneburger Beckens etwas kontinentaler. Hydrologie Das bedeutendste Fließgewässer des Amöneburger Beckens bildet die Ohm, deren Quellgebiet im Vorderen Vogelsberg liegt. Die Entwässerung des Amöneburger Beckens erfolgt über die Ohm nach Nordwesten, im südlich angrenzenden Naturraum Ebsdorfer Grund hingegen über die Zwester Ohm nach Südwesten. Die Ohm und ihre zuführenden Wasserläufe sind in weiten Bereichen reguliert: Ein Rückhaltebecken nordöstlich von Groß- und Kleinseelheim (Abb. 2 a und b) dient dem Hochwasserschutz für den Mündungsbereich Ohm / Lahn und das Lahntal bei Marburg. Die Gewässerregulierung ermöglicht im Übrigen ackerbauliche Nutzung von ehemaligem Dauergrünland der Ohm-Aue. Früher ausgedehnte Vernässungen wurden stark zurückgedrängt. (a) Januar 2007 (b) April 2007 Abb. 2: Rückhaltebecken der Ohm bei Kleinseelheim (Fotos: Waldhardt) Tektonik, Geologie, Böden Das Amöneburger Becken in seiner heutigen Ausprägung ist nicht einheitlichen Ursprungs. Eine Anzahl von räumlich verschieden gerichteten Systemen von Verwerfungen und Lagerungsstörungen durchsetzen den Gesteinsuntergrund. Dabei verzahnen sich im Amöneburger Becken „rheinische“ Brüche (SSW-NNO-Richtung) und „herzynische“ Brüche (SW-NO-Richtung). Mehrere geologische Formationen sind im Bereich des Amöneburger Beckens für die Bodenbildung bedeutsam (Abb.3). Besonders in den westlichen und nördlichen Randlagen stehen Mittlerer (z. B. Brücker Wald, Großseelheimer Wald) und Oberer Buntsandstein (z. B. Teile der Gemarkungen Groß- und Kleinseelheim und am Hangfuß der Amöneburg) oberflächennah an. Im Osten des Gebiets und im Bereich der Amöneburg ist der Basalt das bodenbildende Ausgangsgestein. Kleinräumiger finden sich vorbasaltische tertiäre Sande. Kennzeichnend sind außerdem pliozäne Flussschotter der „Urlahn“ und Ohm, diluviale und alluviale Schotter und Lehme. Diese Schotter sind auch in höher gelegenen Bereichen des Beckens zu finden. So war selbst die Roßdorfer Warte (233 m ü. NN) von der „Urlahn“ überspült. 2 U Abb. 3: Geologischbodenkundliche Übersichtskarte (nach Scharlau und Schönhals) aus Kern (1966) U SchwarzerdeRelikt (nach Rittweger 1997) Die vielfältigen tektonischen Prozesse und die räumliche Nähe mehrerer geologischer Formationen spiegeln sich in der bodentypologischen Vielfalt des Amöneburger Beckens wider: In weiten Bereichen sind die Verwitterungsprodukte lössüberlagert und es herrschen erodierte Parabraunerden auf Lösslehm vor. Daneben finden sich aber auch Parabraunerden auf Fließerden. Nicht selten sind, besonders bei Unterlagerung von stauenden Röttonen, Übergänge zu Pseudogleyen. Kleinräumig sind Schwarzerde-Relikte erhalten. Besonders in den Randbereichen des Beckens sind Braunerden, Ranker und Regosole ausgebildet. Unterhänge und Dellen weisen meist Kolluvien auf. In den Auen finden sich Auenböden, Gleye, Anmoor- und Niedermoorböden. Im Stadtgebiet von Amöneburg herrschen Ranker vor. Geologische Geschichte In der Trias, d.h. vor 250 - 210 Mio. Jahren, kamen im Gebiet Buntsandstein und Muschelkalk (noch heute Muschelkalk im Bereich der Brücker Mühle) zur Ablagerung. Die eigentliche Anlage des Beckens erfolgte im Eozän (zweitälteste Abteilung des Tertiärs), d.h. vor 55 - 36 Mio. Jahren. Bis zum Beginn des Jungtertiärs (vor 24 Mio. J.) lagerten sich im Becken im Eozän limnische und im Oligozän (36 - 24 Mio J.) marine Sedimente ab, die praktisch das gesamte Becken auskleiden. Das Ende des Miozäns (zweitjüngste Abteilung des Tertiärs; vor 24 - 5 Mio. J.) war durch vulkanische Tätigkeit (Vogelsberg) mit Bildung des Basaltkegels der Amöneburg und weiterer kleinerer Basaltkegel geprägt. Im Pliozän (jüngste Abteilung des Tertiärs; vor 5 - 1,7 Mio. J.) sind Schotteranhäufungen der „Urlahn“ und Ohm kennzeichnend. Bis zum Unter-/Mittelpleistozän (vor ca. 1 Mio. J.) des Quartärs durchfloss als mächtiger Strom die „Urlahn“, zunächst mit Fließrichtung von Süden über das Amöneburger Becken nach Norden (in Richtung Neustadt), später von Cölbe bei Marburg kommend in Richtung Südwesten durch das Amöneburger Becken und den angrenzenden Ebsdorfer Grund. Seither fließt im Amöneburger Becken die im Vogelsberg entspringende Ohm im früheren Lahntal in Richtung Cölbe; im angrenzenden Ebsdorfer Grund benutzt die ebenfalls aus dem Vogelsberg kom- 3 mende Zwester Ohm ab Heskem den früheren Lahnlauf in Richtung Fronhausen/Lahn. Im Pleistozän (=Diluvium; untere Abteilung des Quartärs; 1,7 Mio. - 10000 J.) wurde das Becken mit äolischem Löss bedeckt. Stationen der Landschafts- und Vegetationsgeschichte – Paläoökologische Befunde Im Hochglazial der Weichsel-Eiszeit (vor ca. 20000 J.) waren auf den Kuppen und sonnseitigen Hängen Gras-Steppen, in den Tälchen und den der Sonne abgewendeten Hänge Gewässer und tundrenähnliche Vegetation vorherrschend. Im Spätglazial (vor 15000 - 10000 J.) entwickelten sich die Steppen mit zunehmender Erwärmung und bei steigenden Niederschlägen zu Waldsteppen und lichten Waldbeständen. Nachgewiesene Pollentypen (T.) lassen erkennen, dass viele der heute noch in den Magerrasen der Amöneburg vorkommenden Arten und einige Ackerwildkrautarten, in diesen Waldsteppen mit Pinus sylvestris (Kiefer) als vorherrschender Baumart, verbreitet waren: Artemisia-T. (Beifuß, Wermuth) Bupleurum falcatum (Sichelblättriges Hasenohr) Campanula-T. (Glockenblumen) Centaurea cyanus (Kornblume) Centaurea scabiosa (Skabiosen-Flockenblume) Helianthemum-T. (Sonnenröschen) Jasione-T. (Sandglöckchen) Knautia arvensis (Acker-Witwenblume) Papaver rhoeas (Klatschmohn) Pastinaca sativa (Pastinak) Pimpinella saxifraga (Kleine Bibernelle) In den „Tundren“ siedelten sich Weichholzgebüsche und Auenwäldchen mit Salix-, Populus- und Betula-Arten an. Kennzeichnende krautige Arten, die zum Teil auch heute in den Feuchtwiesen des Gebiets vorkommen, waren: Caltha palustris (Sumpf-Dotterblume) Filipendula ulmaria (Mädesüß) Gentiana pneumonanthe (Lungen-Enzian) Succisa pratensis (Teufelsabbiss) Symphytum officinale (Beinwell) Trollius europaeus (Trollblume) Valeriana dioica (Kleiner Baldrian) Valeriana officinalis (Echter Baldrian) Kennzeichnend für die Gewässer und die gewässerbegleitenden Säume des Spätglazials waren: Hippuris vulgaris (Tannenwedel) Myriophyllum spicatum (Ähren-Tausendblatt) Potamogeton filiformis (Laichkraut) Ranunculus aquatilis (Wasser-Hahnenfuß) Carex vesicaria (Blasen-Segge) Menyanthes trifoliata (Fieberklee) Rorippa islandica (Nordische Sumpfkresse) Begünstigt durch die steigenden Niederschläge wurde der Löss zunehmend entkalkt und es bildeten sich im Bereich von Kalkausfällungen Kalkmudden (z. B. „In der Seckbach“ nordwestlich von Roßdorf). Kennzeichnend für diese waren Sichelmoose (Depranocladus-T.) und Dorniger Moosfarn (Selaginella selaginoides). Die Bildung von Kalkmudden endete im Spätglazial mit dem Ausbruch des Laachersee-Vulkans abrupt. Bimssteinsand (meist mit 50-100 cm Mächtigkeit), an Kieselsäure überreiche Asche, lagerte sich im Gebiet ab. Chemismus und Biologie der Gewässer und Bodenchemie wurden hierdurch entscheidend verändert. In der Jüngeren Tundrenzeit (vor 10900 J.), mit vor der holozänen Erwärmung markantem Rückfall in kalteiszeitliche und trockenere Bedingungen, waren die Waldsteppen der Kuppen und sonnseitigen Hänge lückiger bewaldet; in den Tälchen bildeten sich sommernasse, im Winter tiefgründig gefrorene Niedermoore aus. Im Frühen Holozän (vor 10000 J.) mit höheren Temperaturen und höheren Niederschlägen waren die Kuppen und sonnseitigen Hänge erneut dichter bewaldet. Die Kalkmudden und Niedermoore wurden vorübergehend von flachen, stehenden Gewässern aufgefüllt. Die Landschaft stellte sich als 4 Kiefernwald mit kleinen Seen dar. Später entwickelten sich diese zu zunehmend anmoorigsumpfigen und moorigen Lebensräumen weiter. Im frühen Boreal (9000 - 8000 v. Chr.) auf den trockeneren Standorten stockende Kiefern-Haselwälder wurden im Atlantikum (8000 - 5000 v. Chr.) mit erhöhten Jahresmitteltemperaturen, milden Wintern und hohen Niederschlägen durch Eichenmischwälder aus den lichtbedürftigen Baumarten Eiche, Ulme, Linde, Esche, Ahorn und Hasel abgelöst. Allmählich breitete sich schließlich die Buche als schattenertragende Baumart aus und verdrängte auf vielen Standorten die lichtliebenden Arten. Die frühe Besiedlung des Raums – der Mensch prägt das Amöneburger Becken seit der Jungsteinzeit (5000 - 2000 v. Chr.) insbesondere durch ackerbauliche Nutzung, Zeugnisse erster Besiedlung reichen aber in die Altsteinzeit zurück – wird die flächige Entwicklung von Buchenwäldern im Amöneburger Becken möglicherweise verhindert haben. Es ist also fraglich, ob auf den basenreichen und zum Teil bis heute kalkhaltigen Lössböden das Hordelymo-Fagetum (Waldgersten-Buchenwald) jemals großflächig gestockt hat. Auch die in Randlagen des Amöneburger Beckens auf mittel- bis tiefgründigen, basenreichen bzw. basenarmen Gesteinsverwitterungsböden typischen Waldgesellschaften, das Galio odorati-Fagetum (Waldmeister-Buchenwald) bzw. das Luzulo-Fagetum (Hainsimsen-Buchenwald), bildeten sich erst ab dem 19. Jahrhundert auf zuvor gerodeten, beackerten und beweideten Böden erneut aus. Die durch den Menschen bedingten Veränderungen trafen die ursprünglich vielfältige azonale Vegetation der Auen zunächst in geringerem Maße. Die Hauptbaumarten der Auen waren Fraxinus excelsior (Esche), Ulmus glabra (Ulme), Quercus robur (Stiel-Eiche), Corylus avellana (Hasel) und Alnus glutinosa (Schwarz-Erle). Mit der Rodung der Ohmniederung bei Kirchhain wurden im Hohen Mittelalter aber auch die letzten größeren Auenwaldbestände des Amöneburger Beckens beseitigt. Nährstoffeinträge als eine Folge der umgebenden intensiven landwirtschaftlichen Nutzung führten schließlich zur Dominanz N- und P-zeigender Ruderalfluren mit Arten wie Urtica dioica (Gemeine Brennessel) in der gewässerbegleitenden Vegetation. Die extrazonale Vegetation der Basaltkuppe der Amöneburg mit ihren Gebüschen sowie arten- und edellaubholzreichen Wäldern mit Fraxinus excelsior (Esche), Ulmus glabra (Berg-Ulme), Acer campestre (FeldAhorn), Acer pseudoplatanus (Berg-Ahorn) und Tilia cordata (Winter-Linde) trockenwarmer Standorte wurde über Jahrhunderte durch Schaf- und Ziegenbeweidung beeinflusst. Potenzielle natürliche Vegetation (PNV) Auf den basenreichen und zum Teil bis heute kalkhaltigen Lössböden ist das Hordelymo-Fagetum (Waldgersten-Buchenwald) als PNV anzusehen. Auf mittel- bis tiefgründigen, basenreichen Gesteinsverwitterungsböden des Basalts stellt das Galio odorati-Fagetum (Waldmeister-Buchenwald) die PNV dar. Die PNV basenarmer Sandsteinverwitterungsböden ist das Luzulo-Fagetum (HainsimsenBuchenwald). Im Überschwemmungsbereich der Ohm bilden verschiedene Auwaldtypen wie das Carici elongatae-Alnetum (Erlenbruchwald) mit ihrer vielfältigen Vegetationszonierung die PNV. Die PNV der Basaltkuppe der Amöneburg stellen das Querco-Carpinetum (Eichen-Hainbuchenwald) trockenwarmer Standorte und wärmeliebende Gebüsche dar. Siedlungs- und Kulturgeschichte Das Amöneburger Becken wurde als Gunstraum vergleichsweise früh und dauerhaft besiedelt. So wurden bei Mardorf Zeugnisse verschiedener Siedlungsepochen als Überreste altsteinzeitlicher Schlagplätze bis spätlanènezeitlicher Siedlungen gefunden. Steinzeitliche Funde sind auch von der Amöneburg bekannt. Stadt Amöneburg Etwa im 5. Jahrhundert v. Chr. besiedelten die Kelten den Berg an der Amania (heute: Ohm). Im Jahr 721 n. Chr. gründete Bonifatius unterhalb der Amöneburg ein Kloster, das bis in das 12. Jahrhundert bestand. Die Erzbischöfe von Mainz, die um 1120 die Amöneburg in ihren Besitz nahmen, errichteten schließlich auf dem Berg eine Burg und umgaben den Stadtkern mit einer Schutzmauer und Befestigungsreinrichtungen. Amöneburg wurde bedeutender Verwaltungssitz des Bistums. Im 30jährigen Krieg (1618 - 1648) fiel die Stadt an die Schweden und verlor mit der Zerstörung der Befestigungsanlagen seine militärische Bedeutung. Im 7-jährigen Krieg (1756 - 1763) wurde die Amöneburg durch französische und englische Truppen eingenommen. Seit dem 13. Jahrhundert fanden zwischen dem Erzbistum Mainz und den Landgrafen von Hessen Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft im Raum statt, die 1463 zugunsten der Landgrafen 5 entschieden wurden. Der Erzbischof von Mainz verlor seine weltliche Herrschaft aber erst 1803, als Amöneburg an Kurhessen fiel. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Lage an wichtigen Fernverkehrsstraßen (u. a. „Lange Hessen“) hatte die Stadt bis ins 12. Jahrhundert eine vergleichsweise große politische Bedeutung. Erst danach wurden Verkehrswege entlang des Gießen−Marburger−Lahntals bevorzugt genutzt. Durch den Ausbau der Verbindung Gießen–Marburg–Gilserberg–Kassel verloren die das Amöneburger Becken querenden Fernverkehrsstraßen im 18. Jahrhundert völlig an Bedeutung. Die Anbindung des Amöneburger Beckens an den Fernverkehr besteht heute über die B62 von Alsfeld über Kirchhain nach Marburg und über die Bahnlinie Frankfurt – Gießen – Marburg – Kirchhain – Kassel. Landnutzung und Biodiversität im 20. und 21. Jahrhundert Noch Mitte des 20. Jahrhunderts waren die Ackerflächen im Amöneburger Becken meist kleiner als 1 ha (vgl. Abb. 4 a). Als Feldfrüchte wurden überwiegend Winterweizen und Wintergerste, aber auch Roggen und Kartoffeln angebaut. Die strukturarme Ackerflur war damals wie heute nur durch wenige Gehölzgruppen, Einzelgehölze und einen geringen Anteil mehrschürigen oder beweideten Wirtschaftsgrünlands gegliedert. Die Ohm-Aue war fast ausschließlich als Grünland genutzt. Heute unterliegt ein größerer Flächenanteil des Naturraumes intensiver ackerbaulicher Nutzung (vgl. Abb. 4 b). Winterweizen, Wintergerste, Winterraps und Mais sind die vorherrschenden Kulturen der meist >2 ha großen Schläge. Nach Gewässerregulierungen werden auch weite Bereiche der Ohm-Aue ackerbaulich genutzt. Die in der Ohm-Aue ehemals weit verbreiteten Feuchtwiesen und Moore sind im Übrigen zumeist stark degradiert bzw. als wechselfeuchtes Grünland erhalten. Einhergehend mit der Abnahme des Grünlandanteils ist heute der Viehbesatz im Amöneburger Becken deutlich geringer als früher. Noch im 18. und 19. Jahrhundert waren in der Region Viehmärkte (u. a. Viehmarkt von Ebsdorf) über das Amöneburger Becken hinaus bekannt. (a) 1953 (b) 2007 Abb. 4: Landschaftsstruktur im Amöneburger Becken Quelle: (a) Luftbild des Hess. Landesvermessungsamts; (b) Google Earth Die floristische und faunistische Biodiversität ist insbesondere im Ackerland heute sehr gering. Die standorttypischen Ackerwildkrautgesellschaften Aphano-Matriarietum chamomillae (Echte KamillenGesellschaft), Thlaspio-Fumarietum officinalis (Erdrauch-Gesellschaft) und, an feuchteren Standorten, Chenopodio-Oxalidetum fontanae (Gänsefuß-Sauerklee-Gesellschaft) sind allenfalls kleinräumig ausgebildet. Die Ackerflächen sind überwiegend jedoch nahezu wildkrautfrei. Die an die Ackervegetation gebundene Fauna ist dadurch ihrer Lebensräume weitestgehend beraubt. 6 Auch die Aufgabe der im Gebiet einst betriebenen Teichwirtschaft (z. B. Heskemer Teiche), das Zurückdrängen der bis Mitte des 20. Jahrhunderts ausgedehnten Feuchtgebiete und die Regulierung der Fluss- und Bachläufe hat nicht nur zur Gefährdung und zum lokalen Aussterben von Pflanzenarten, sondern insbesondere auch von Vogelarten geführt.. Der in den Auen und auf den Hausdächern ehemals allgegenwärtige Weißstorch (Ciconia ciconia, Abb. 5), den der Mardorfer Dorfadel seit 1347 als „Doppelköpfigen Storch“ im Wappen führte, steht hier nur stellvertretend für diese Arten. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts rastet der Weißstorch im Amöneburger Becken nur noch vereinzelt während des jährlichen Vogelzugs. Bis vor wenigen Jahren zeugte allein das Naturschutzgebiet „Schweinsberger Moor“ (41 ha) von den im Naturraum früher verbreiteten Auenwäldern auf Niedermoorböden. Eine weitgehend ungestörte Auwaldentwicklung ist heute auch im Naturschutzgebiet Brieselserlen / Erlensee (35 ha) östlich von Niederwald, einem ehemaligen Kies-/SandAbb. 5: Weißstoch bei Kleinseelheim Baggerteich gegeben. In unmittelbarer Nähe des Naturaus: www.Marburger-Vogelwelt.de schutzgebietes sind weitere Baggerteiche noch in Betrieb oder dienen der Freizeitnutzung. Als Ausgleich- und Ersatzmaßnahme für die Südumgehung Kirchhain (B62-neu) wurde im Jahr 1990 zwischen Amöneburg und Kleinseelheim das ebenfalls in der Ohmsenke gelegene Feuchtbiotop „Radenhäuser Lache“ (22 ha) mit kleinen Inseln und Flachwasserzonen angelegt. Im Jahr 1927 wurde das Naturschutzgebiet „Amöneburg“ (31 ha) als erstes Naturschutzgebiet in Hessen ausgewiesen. Es umfasst den Basaltberg mit Halbtrockenrasen, Wald- und Heckenbereichen und gut sichtbaren Basaltformationen. Das im Laufe der Jahrzehnte teilweise zugewachsene Naturschutzgebiet wurde kürzlich entbuscht; ab 2008 soll das Gebiet erneut beweidet werden. Die intensive Ackernutzung, die Entwässerung von Teilbereichen der Auen, die Beseitigung der die Gewässer begleitenden Gehölzsäume, die Umwandlung von extensiv genutztem Feuchtgrünland in Ackerland, der Einsatz von Pestiziden und die Eutrophierung bilden aus agrarökologischer Sicht die mit Landnutzungswandel und aktueller Landnutzung verbundenen Hauptproblemfelder. Hinzu kommt im Bereich der Amöneburg die Ausdehnung der bebauten Fläche. Um 1980 (und heute) machten naturnahe Lebensräume nur etwa 1,3 % der Gesamtfläche des Amöneburger Beckens aus. Es ist damit einer der am schwächsten mit schutzwürdigen Biotopen ausgestatteten Räume Hessens. Etwa 40 % der Biotopfläche – überwiegend Gebüsche – sind auf Normalstandorten ausgebildet. Eine auffallend hohe faunistische und floristische Vielfalt weisen in erster Linie die Biotope der Sonderstandorte wie Steilhänge, Felsen und Gewässer auf. Literatur Blanckenhorn M (Bearb.), 1930. Erläuterungen zur Geologischen Karte von Preußen und benachbarten deutschen Ländern. Blatt Amöneburg – Homberg a.d. Ohm. Ehrenpfordt M, 1927. Chronik von Amöneburg. Verlag J. Schröder, Kirchhain. Gunreben M, 1992. Schwarzerde-Relikte in Deutschland. Ein regionaler Vergleich von Böden ausgewählter Klimagebiete und Lößprovinzen. Diss. Univ. Marburg. Hölting B & Stengel-Rutkowski W, 1964. Beiträge zur Tektonik des nordwestlichen Vorlandes des basaltischen Vogelsberges, insbesondere des Amöneburger Beckens. Abh. Hess. L.-Amt Bodenforsch 47. Kern H, 1966. Siedlungsgeographische Geländeforschungen im Amöneburger Becken und seinen Randgebieten. Ein Beitrag zur Erforschung der mittelalterlichen Kulturlandschaftsentwicklung in Nordhessen. Geogr. Institut Univ. Marburg, Selbstverlag. Klug J, 1989. Die vorgeschichtliche Besiedlung des Amöneburger Beckens und seiner Randgebiete. Archäologische Berichte 2. 7 Lauer W, 1966. Marburg und Umgebung. Ein landeskundlicher Exkursionsführer. Stadt Marburg – Marburger Landschaft – Hinterland – Burgwald – Amöneburger Becken. Geogr. Inst. Univ. Marburg, Selbstverlag. Lehrstuhl für Landschaftsökologie TU München (Bearb.), 1981. Schutzwürdige Biotope in Hessen. Westhessisches Berg- und Senkenland. Teil 2: Amöneburger Becken. Weihenstephan. Meynen E.J. & Schmithüsen J. (Hrsg.), 1953-1962. Handbuch der naturräumlichen Gliederung Deutschlands. Bundesanstalt für Landeskunde und Raumforschung, Bad Godesberg. Rittweger H, 1997. Spätquartäre Sedimente im Amöneburger Becken. Materialien zur Vor- und Frühgeschichte von Hessen 20. Schneider A, 1979. Siedlung und Flur im Amöneburger Becken. Stadt Amöneburg, Selbstverlag. Internetquellen: www.norbert-kuehnberger.de Dokumentation Vogelbeobachtungen in den Feuchtbiotopen des Amöneburger Beckens im Zeitraum 1997 bis 2004 www.amoeneburg.de/kultur/niza.htm Homepage des Naturschutz-Informationszentrums-Amöneburg (NIZA) Tab. 1: Kennwerte zu den Bodenprofilen der Exkursionsziele 1 bis 3 Exkursionsziel 1 Bodentyp Erodierte Parabraunerde 2a Pelosol 2b Kolluvisol 2c Regosol 3 Allochtone Vega Horizontfolge Tiefe [cm] Ausgangsmaterial Ap 0-15 Löss Bt C 15-80 80-100+ Löss Löss rAp II P III ilC 0-25 25-50 50-70+ tertiärer Ton tertiärer Ton tertiärer Ton Ap 0-30 M 30-100+ Ap ilCn+Bbt 0-35 35-150+ aAh 0-30 aM 30-70 (II)aG flacher Rücken flacher Rücken Löss, Muldenlage Basaltsolifluktion Löss, Basaltsolifluktion tertiärer Sand tertiärer Sand holozäne, fluviatile Sedimente holozäne, fluviatile Sedimente 70+ Reliefposition flacher Rücken Talaue Aufgabe Kennzeichnen Sie im Protokoll zur Exkursion die Exkursionsziele 1 bis 4 standortkundlich und vegetationsökologisch. Erläutern Sie in diesem Zusammenhang die Begriffe zonale, azonale und extrazonale Vegetation. Bewerten Sie die Exkursionsziele aus agrarökologischer Sicht und formulieren Sie Möglichkeiten ihrer ökologischen Aufwertung. 8