Titelbild: Wandgemälde aus Raurica Augusta (Augst). ©Copyright by: Karawane-Verlag Ludwigsburg 1984 Nachdruck, auch auszugsweise, verboten. Satz und Druck: Wachterdruck, Bönnigheim. DIE KARAWANE 25. Jahrgang 1984 - Heft 2/3 (Doppelheft) DERRHEIN Vom Imperium Romanum bis Friedrich II. herausgegeben im KARAWANE-VERLAG LUDWIGSBURG mit Unterstützung der Karawane-Studienreisen und des Büros fl.ir Länder- und Völkerkunde Ludwigsburg INHALTSVERZEICHNIS Seite Dr. Bertold K. Weis ERLEBTES RHEINMOSAIK . . . . . . . . . . . . . . . . 4 WAHRZEICHEN DES IMPERIUM ROMANUM AM RHEIN . . . . . . . . . 19 AULUS VITELLIUS EINE RÖMISCHE KAISERPROKLAMATION AM RHEIN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 FLAVIUS CLAUDIUS IULIANUS EIN KAMPF UM DEN OBERRHEIN . . . . . . . . . . 50 AUSONIUS, MOSELLA-EIN SPÄTRÖMISCHES GEDICHT AUF DIE MOSELLANDSCHAFT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 VOM ENDE DES RÖMISCHEN KÖLN . . . . . . . . 87 Dr. Alfred Mitatz DER RHEINISCHE KÖNIGSRITT FRIEDRICHS II. VON HOHENSTAUFEN ...... 100 Köln im Jahre 1850. Der Kölner Dom ist, 600 Jahre nach der Grundsteinlegung, noch im Bau. Zu diesem Hift: Die sich im 18. und 19. Jahrhundert entwickelnde romantische Bildungsreise mit ihrer, oft verklärenden, Hinwendung zu Schauplätzen der Geschichte und dem empfindsamen Erleben der unberührten Natur, fand einen ihrer Höhepunkte in der Begegnung mit Europas berühmtesten Strom, dem Rhein. Viele Dichter und Schriftsteller haben die mit ihm verbundenen Sagen aufgezeichnet, seine romantischen, verfallenen Burgen besungen und die großen geschichtsträchtigen Städte seiner Ufer beschrieben. Schon 1828 erschien das erste, unter touristischen Gesichtspunkten verfaßte "Handbuch für Schnellreisende, Rheinreise von Mainz bis Köln" von Prof. J. A. Klein, Vorläufer der Reisehandbücher Karl Baedeckers. 1850 bereits befuhren Ausflugsdampfer den Rhein, wenn auch nicht von dem Fußwanderungen vorziehenden Baedecker empfohlen. Der Rhein, Schicksalsstrom Europas, blickt auf eine lange und reiche Geschichte zurück. Die zivilisatorische Leistung des Imperium Romanum, des römischen Weltreiches, schuf gerade hier wesentliche Grundlagen für die Entwicklung des Abendlandes, in der Auseinandersetzung zwischen Kelten, Römern und Germanen. Der Schwerpunkt der Beiträge dieses Heftes ist der Rhein in römischer Zeit. Zusammengestellt wurden Vorträge, die während den Rheinkreuzfahrten der letzten Jahre mit MS "Austria" an Bord gehalten wurden. Sie führen uns zurück in die Begegnung mit der römischen Antike: gegenwärtig und lebendig noch heute nicht nur in Museen, sondern auch in Stadt und Land. P.A. 3 Bertold K. Weis Erlebtes Rheinmosaik Der künftige Mentor ahnte noch nichts von Karawane-Studienreisen, von Studienkreuzfahrten, vom Auftrag eines Studienreiseleiters. Er war flinf Jahre alt, gerade alt genug, um das erste Sümmchen bleibender Erinnerungen zu speichern. Sein Vater hatte ihn und die vierjährige Schwester auf eine Reise nach Basel mitgenommen. Dort wohnte ein Bruder des Vaters; er war inzwischen Schweizer Bürger geworden und wollte nun den Verwandten die stolze, traditionsreiche Stadt am Rheinknie zeigen. Vielleicht steht über allen Bildern aus einem so frühen Lebensalter ein blendend heller Himmel. Jedenfalls ist diese erste Reise nach Basel so im Gedächtnis geblieben: das Rheintal ein bunter, fröhlicher Garten, in der Fahrtrichtung links, sehr nahe, mit steigender und wieder fallender Kammlinie der Schwarzwald, auf der rechten Seite, bedeutend weiter entfernt, aber doch blaugrün gedrängt und massig, die Vogesen. Vonall dem, was da unterwegs vom kundigen Vater und eifrigen Mitreisenden gezeigt, bezeichnet und mit Namen genannt wurde, ist wenig später nicht viel erinnerlich gewesen. Nur ein Turm, der unglaublich hoch, zart und schlank, hinter den nächsten Auwäldern in den Himmel wies, beschäftigte noch lange, wie auch der Name des Bauwerks, die Phantasie: das Straßburger Münster. Mag sein, daß der Isteiner Klotz, dicht über Fluß und Bahnlinie auftrumpfend, im Bewußtsein haftet, doch kann dies auch HinzufUgung späterer Erfahrung sein. In Basel empfing uns der Onkel, ein gesprächiger, unterhaltsamer und trinkfreudiger Mann; er nahm eine Pferdedroschke, man fuhr durch die Stadt, zu den bekannten Sehenswürdigkeiten, aber die Eindrücke erwiesen sich als viel zu flüchtig, waren bald ausgelöscht von anderem. Wie auch sonst im Leben - mehr als die ganz großen Freuden, die Räusche des Glücks - die Augenblicke des Verzichts, der schmerzlichen Enttäuschung unvergeßlich und untilgbar bleiben, so auch hier ein höchst banal erscheinendes Erlebnis der ersten Begegnung mit diesem schönen, unvergleichlichen Basel. Noch heute verbindet die Münsterfahre den Fuß des Münsterfelsens mit dem Rheinweg auf der Kleinbaseler Seite; an einem Drahtseil, das quer über den Strom gespannt ist, aufgehängt, pendelt sie zwischen den beiden Ufern herüber und hinüber wie eh und je, ohne Ruder oder Motorkraft, nur vom Druck der starken Strömung bewegt. Der Onkel mochte den heißen Wunsch des Neffen erraten haben und 4 Das Straßburger Münster. 5 Das Basler Münster und die Münsterfahre (Verkehrsverein Basel). forderte zu einer Fahrt über den Fluß auf. Schon waren einige Passagiere ins Fährboot gestiegen, wir sollten uns beeilen, da gab es Verzug: die kleine Schwester weigerte sich, in das Boot zu steigen. Der Fährmann mahnte, der Vater hob das Mädchen auf, um es in die Fähre zu tragen; doch das Schwesterehen schrie, strampelte, riß sich los und legte sich schluchzend flach auf den Boden. Das Boot fuhr ab, glitt aufs vorbeischießende Wasser hinaus, hinüber nach Kleinbasel, während der Knabe, wie erstarrt von einem unsäglichen Verlust, der prächtigen Münsterfähre nachstarrte. Was danach noch kam an Unterhaltendem, Neuem, Vergnüglichem ist vergessen. Aber jedesmal, wenn ich von der Brüstung des Münsterplatzes hinabschaue auf den immer noch grünen Rhein und die Münsterfähre erblicke, spüre ich den Kloß von damals im Hals und fühle die tapfer unterdrückten Tränen. Gleichwohl bewährte sich auch an dieser schmerzlichen Kindheitserfahrung Hermann Hesses sinnspruchhafter Vers aus dem Gedicht Stufen im Glasperlenspie/: "Undjedem Anfang wohnt ein Zauber 6 inne"; die erlittene Verweigerung vernarbte sanft zu einer lebenslangen Vorliebe für die Stätte, wo sie erlebt wurde. Es kostete Mühe, diese Geschichte aus dem Nebel der Feme hervorzulocken; in späteren Jahren wird auch die eigene Frühzeit zum mythologischen Bild, nur einzelnes, wie die Baseler Münsterfahre, tritt deutlicher zutage. Fünf Jahre später sitzen zwei Zehnjährige zusammen in einer Schulbank des kleinen humanistischen Gymnasiums, das ein Speyerer Fürstbischof, ein Herr Franz Christoph von Rutten (1743-1770), eröffnet hatte. In der Sexta schließt man Freundschaften eher mühlos, unproblematisch und spontan; mitunter gelten sie fürs Leben. So bald verstanden auch wir beide uns als Freunde. Meine Eltern wohnten in der ruhigen Amts- und Schulstadt; ihr glänzendes, von einem Karlsruher Hochschulprofessor geschmackvoll renoviertes Barockschloß durfte mit den Namen Balthasar Neumann, Cosmas Damian und Egidius Quirin Asam, Johann Michael Feichtmayr, Johannes und Januarius Zick prunken. Hans, mein neuer Freund, kam als sogenannter Fahrschüler oder Auswärtiger aus einem noch viel kleineren Städtchen, das aber in der bewegten Geschichte des alten deutschen Reiches als Reichsfestung Philippsburg ein Platz von europäischer Bedeutung gewesen war. Sein Vater besaß dort eine Druckerei und verlegte eine winzige Lokalzeitung - die deutsche Presselandschaft war damals noch ein veritabler Blätterwald, in dem auch Strauchwerk und Unterholz zu gedeihen vermochten. Die einstige Reichsfeste lag am Rhein, genauer gesagt an einem Arm des Altrheins. Die ehemaligen Festungswerke waren so gut wie verschwunden, abgetragen, eingeebnet; das Städtchen träumte dahin in seinem stillen Abseits hinter den Hochwasserdämmen des Stromes, den die dichten Auwälder verhüllten. An den längst vergangenen Streit der Großmächte, des Kaisers in Wien und des französischen Königs, um den Besitz der Festung erinnerten nur noch die Straßennamen: die Schanzenstraße, die Kronenwerkstraße, die Wallgärtenstraße, dazu die Namen vieler vergessener Generäle und Kommandanten auf anderen Straßenschildern, und draußen, vor dem Ort, von einem breiten Altrheinarm umschlossen die große Rheinschanzinsel, wo heute zwei gewaltige, einhundertfünfzig Meter hohe Kühltürme eines Kernkraftwerkes stehen, bei greller Sonne glatt und gleißend, bei diesigem Wetter dunkel drohend wie dämonische Giganten. Damals streckte über den niedrigen Häusern nur die barocke Pfarrkirche ihre Turmhaube empor, dahinter wölbte sich wie ein grüner Wall der Rheinwald. Nach den lebhaften Erzählungen und Schilderungen meines neuen Freundes war seine Einladung, an einem Sonntagnachmittag mit ihm 7 Altrheinmotiv bei Philippsburg. zusammen die Flußlandschaft zu durchstreifen, nur die Erfiillung eines heimlichen Wunsches. Es war Frühsommer, die Sonne lag warm und feiertäglich über den Dächern und in den menschenleeren Straßen. Von dem kleinen Bahnhof gingen wir ziemlich eilig, fast hastig, als könnte uns eines unserer Ziele entwischen, zum Städtchen hinaus und tauchten bald in die grüne Dämmerung der Uferwälder ein. Von einem leichten Lufthauch bewegt, flimmerten die Blätter der Pappeln und der wuchernden Weidenbüsche wie umhergewirbelte Silberstücke. Vom Strom her ertönte laut warnend, den Neuling erschreckend, das Hupen eines Schleppers. Auf einem schmalen Fußpfad, in den wie Fußangeln wuchernde Sträucher hineinhingen, erreichten wir den Altrhein. Da lag er vor uns, viel breiter, als ich ihn mir vorgestellt hatte, glatt und reglos, und doch ein fließendes Gewässer, bald als grünschillernde Fläche, Überwachsen von teppichartigen Kolonien feuchtschimmernder Wasserlinsen und Grünalgen, bald als funkelnder Spiegel vor tiefdunklem Untergrund. Da und dort an den Rändern des Altwassers reckte sich, zu Mauern zusammengedrängt, hohes Schilfrohr auf, Vögel, von unseren Stimmen aufgeschreckt, stoben aufund schossen kreischend durchs verschlungene Laubwerk davon. Wenn ich die Spinnweben der Zeit, die sich auch an einzelnen Stellen dieses Erinnerungsbildes angesiedelt haben, sehr sorgfältig entferne, sehe ich uns wenig später auf einem sehr langen, flachen Boot, wie ich bisher keines gesehen hatte, lang- 8 sam auf dem Wasser dahintreiben, während gleich unter der Oberfläche dichte Schwärme von Jungfischen vorüberschossen und unten über dem Grund vereinzelt kräftige Hechte und behäbige Karpfen dahinzogen. Für einige Zeit schien unser Gesprächsstoff erschöpft zu sein oder die unendliche Stille, die Wald und Wasser überwob, hatte auch uns ergriffen. Das Schweigen hielt vor, bis die grünen Mauern, die uns bis dahin umgeben hatten, sich wie zu einem Tor öffneten, durch das der Altwasserarm in den offenen Strom zurückkehrte. Dort legten wir an; zum erstenmal sah ich die mächtige, stolze Wassermasse durch eine freie Natur, durch Walder und abermals Wälder, dahinströmen, den großen, feierlichen Domen entgegen, nach Speyer, Worms, Mainz und zum heiligen Köln. Nur als Sprachlosigkeit läßt sich bezeichnen, was diese Begegnung mit dem Rhein bewirkte. Tränen, heimliche und unverhohlene, sah man Jahrzehnte nach dieser Altrheinpartie bei eleganten, weitgereisten, weltkundigen und ganz und gar unsentimentalen Damen an Bord der schnittigen A USTRIA auf der Fahrt durch den Rheingau: Angesichts des vielbesungenen Lorelei-Felsens über der Stromenge erklang aus den Bordlautsprechern, von einem gemischten Chor in einem lobenswert schlichten Volkston vorgetragen, Heinrich Reines weltbekanntes Lied von der schönen Lorelei in Friedrich Silchers Vertonung. Das wäre eine alltägliche Geschichte, nicht erzählenswert. Doch es waren nicht nur deutsche Passagiere, die dieser Augenblick berührte. Französische Gäste waren an Bord, auch MS "Austria" auf Rheinkreuzfahrt Max Slevogt, Loreley. Entwurf ftir ein Gemälde (1886). sie nicht Normalbürger aus Paris oder aus der Provinz; eines der beiden Ehepaare lebte seit Jahren in einem fernen afrikanischen Land. Nun hatten sie die alte Liebe der Franzosen zu dieser schönen Landschaft, zur Rheinromantik, entdeckt und ihr eine Woche des Heimaturlaubs vorbehalten. Sie kannten ihren Victor Hugo und seine breit angelegte, auch den heutigen Leser noch fesselnde Reisebeschreibung Le Rhin, die vielen ihrer Landsleute unbekannt ist. Das Buch war damals, bei seinem ersten Erscheinen (1842), Ertrag einer fast dreimonatigen Rheinreise, die den großen Romantiker - nach seiner eigenen Formulierung - "die Vergangenheit und Zukunft Europas erahnen" lehrte. Victor Rugo hat geradezu hymnische Sätze über den Rhein geschrieben; er nennt ihn den Fluß der Vorsehung, einen symbolischen Fluß, erklärt, er sei in seinem Lauf"sozusagen ein Bild der Zivilisation, der er bereits so vielfaltig gedient hat und noch dienen wird." Von der romantischen Märchengestalt, die Clemens von Brentanos vielstrophige Ballade Die Lore Lay auf dem Felsen angesiedelt, Heinrich Reine in alte Zeiten, superlativische Übertreibung sogar in uralte Zeiten versetzt hat, spricht Victor Hugo freilich nur andeutungsweise. Er nennt sie die arme Nymphe und erzählt desto ausführlicher von einem berühmten Echo, das er selbst erprobthabe; dabei gibt er sich sogar philisterhaft pedantisch, indem er 10 berichtet, er habe bei mehrfachen Versuchen statt des behaupteten siebenfachen Echos - das übrigens nach wie vor in den gedruckten Reiseführern zu finden ist- jedesmal nur ein fünffaches feststellen können. Von diesem völligen Mangel an Verständnis für die schöne Hexe Lorelei wollte ich den französischen Landsleuten des Klassikers in diesem Augenblick natürlich nicht sprechen. Jede kritische Bemerkung hätte die lyrische Atmosphäre, das gerade jetzt so fühlbare Einverständnis der Nationen in der unangenehmsten Weise stören müssen. Die eine der beiden Damen stand merkwürdig in sich versunken da und sah unverwandt auf Wasser und Fels. Sie hat ihre Eindrücke und Empfindungen viel später in einem Brief mitgeteilt, den sie gleich nach ihrer Rückkehr in der Form eines höchst individuellen Reiseberichts niederschrieb. Ich zitiere ihren Brieftext auszugsweise in deutscher Übersetzung: "Dann der Höhepunkt, die Verengung des Stromes, der Zauber der Felsstürze und, in drei Sprachen angekündigt, die Lorelei. Der Eindruck ist gewaltig; ich muß tatsächlich die aufsteigende Bewegung hinunterschlucken, meine Augen brennen. Die Sensation hält nur einige Augenblicke an, denn aus den Lautsprechern hört man die Musik auf die Verse von Heinrich Heine." Beiläufig wäre anzumerken, was ich im Zitat weggelassen habe; Madame meinte, die Melodie sei von Schubert, doch der Irrtum ist durchaus verzeihlich, denn wie sollte sie unseren schwäbischen Landsmann Friedrich Silcher kennen, wo doch auch in Frankreichjedermann den Schubert Franz kennt! Unvergeßlich bleibt das Bekenntnis der Berichterstatterio zu den Anzeichen der Rührung, die der erfahrene Mentor auch aus den Eingeständnissen manches anderen, im übrigen total verschlossenen Teilnehmers kennt. Wir haben am Ende der Kreuzfahrt, vor dem Eintreffen in Köln, mit den französischen Teilnehmern über die zahlreichen Begegnungen mit der deutschfranzösischen Geschichte gesprochen, die diese Reise notwendigerweise mit sich gebracht hatte. Monsieur B. meinte in Erinnerung an die Ruinen so vieler zerstörter Burgen und Schlösser: "Ich habe den Eindruck gewonnen, daß die Franzosen diesem Land allerhand Schlimmes angetan haben." Doch dieser Satz durfte nicht als Resümee unserer gemeinsamen Rheinreise stehen bleiben. So einigten wir uns schließlich auf eine Geschichtsbetrachtung, die sich dem ewig gestrigen Aufrechnen gegenseitigen Verschuldeos verweigert und als Parole für die Zukunft das Verständnis für den anderen und den Respekt vor seiner Eigenart proklamiert: Vergangenes wird dann als dorniger Weg von den gestrigen und vorgestrigen Wirrtümern zu den besseren, heilsameren Einsichten von heute und morgen begriffen werden. Die 11 Tränen für die Lorelei könnten so als Symbol der neu gewachsenen Völkerfreundschaft am Rhein gelten. Vielleicht war es ein Vorzug, in einer Zeit aufwachsen zu dürfen, als das Auto noch nicht zur obligaten Ausstattung des Primaners oder doch wenigstens des Abiturienten gehörte. Ein Fahrrad reichte hin zur Erkundung der faßbaren Umwelt. Es führte, innerhalb bescheidener Grenzen, gleichwohl zu kostbaren, bewußtseinsbestimmenden, Weltansicht begründenden Begegnungen. An einem Samstagnachmittag zum Beispiel reichte der Aktionsradius dieses Fortbewegungswerkzeugs erstaunlich weit. Speyer zu erreichen, die Domstadt auf dem linken Rheinufer, bedeutete nichts weiter als eine gemächliche Spazierfahrt quer durch die Ebene; sie führte sehr lange auf einem weichen, federnden Pfad dahin, durch hohe Buchenwälder zuerst, dann durch starkduftenden Kiefernforst, auf dem alten Hochufer, dem sandigen, an endlosen Spargelfeldern vorüber, schließlich hinab ins fruchtbare Schwemmland verschwundener Altrheinarme. Durch das Tor eines langgestreckten Hochwasserdammes mündete das Sträßchen in die weitaus breitere Hauptstraße eines stillen, pappelumstandenen Dörfchens ein und führte schnurgerade auf die Rampe einer primitiven Rheinfahre zu, die damals noch eher ein paar Ochsengespanne als Autos über den Fluß zu befördern hatte. Wer diesen Weg nach Speyer wählte - für uns war es wohl der kürzere -, betrat den historischen Kern der Stadt durch eine der großartigsten deutschen Toranlagen, das Altpörtel; da öffnete sich vor dem unwillkürlich einhaltenden Besucher der Blick in eine wahrhaft königliche Straße und auf das in der Nachmittagssonne sehr hell, viel zu hell aufleuchtende Westwerk des Domes, diesen vielgescholtenen, von den Puristen gallig gerügten Wiederaufbau der zerstörten Fassade durch den großherzoglieh badischen Oberbaudirektor Heinrich Hübsch. Doch derlei stilkritische Auseinandersetzungen waren dem Gymnasiasten noch fremd, vielleicht empfand er den Kontrast zwischen der originalen Bausubstanz des 11. Jahrhunderts und der Fassade des 19. Jahrhunderts überhaupt nicht. Ihn bewegte vielmehr die majestätische Komposition, die ihn als ungeheurer Eindruck überfiel und ihm, wie in einem taumelndem Traum, diese kaiserliche Bühne mit den Bildern der Historie erfüllte. Kein späteres Wiederkommen, auch keine Wiederkehr mit der ganzen Fracht indessen erworbener Kenntnis, kann die Magie des Erstmaligen wiederholen oder gar überbieten. Es läßt sich schwer sagen, wieviele greifbare Erinnerungen an jenes erste Anschauen des Kaiserdomes geblieben sind; zu sehr sind sie überlagert von Späterem. Eines allerdings ist lebendig, ist gegenwärtig geblieben: das 12 Grabplatte Rudolfvon Habsburgs in der Kaisergruft im Dom zu Speyer. Gefühl der Präsenz des Römischen ini romanischen Bauwerk beim Blick durch die schlichte Größe des südlichen Seitenschiffes zur Treppe, die zum Querhaus hinauffuhrt. Neben diesem ganz bedeutenden, spontanen Erlebnis scheintjener Nachmittag eine zweite, wohl nicht ganz so tief eindringende, aber gleichwohl nie mehr vergessene Vorstellung gezeitigt zu haben: die Iodentität des Begriffes Kaisergruft mit der Reliefplatte mit dem Bild Rudolfvon Habsburgs. Die Stunde im Dom zu Speyer brachte, wohl sehr zufällig, bald darauf einen Ertrag an einer Stelle, wo er 13 nicht mit Sicherheit zu erwarten war: im Schulalltag. Unser Deutschlehrer, ein höchst präziser, nach heutiger Diktion autoritärer, von seinen Schülern, am meisten aber von sich selbst Leistung erwartender, kenntnisreicher Schulmann, erklärte uns eines Tages, er wolle mit uns eine Rezitationsstunde vorbereiten. Jeder von uns erhielt ein Blatt mit einem Gedicht, das er flir die betreffende Stunde auswendig lernen sollte. Überrascht, ja verblüfft, las ich die Überschrift des Gedichts, das mir zugedacht war: Gräber in Speyer aus dem Zyklus Der Siebente Ring von Stefan George. Wie kam es, daß gerade mir diese Verse zugefallen waren? Und es war eine schwierige Aufgabe, die gemeißelte Sprache, der hieratische Tonfall, die esoterische Begriffswelt dieses Dichters. Den Text sich einzuprägen, war flir ein unverbrauchtes Gedächtnis gewiß kein Problem; ließ man uns nicht auch Horaz-Oden und ganze Seiten Homer-Verse auswendig lernen? Doch ein so mächtiges Gedicht des großes Sprachmagiers wirklich zu gestalten, seine dunklen Bilder plastisch erstehen zu lassen, seine Tonsprache in allen Nüancen hörbar, erlebbar zu machen! Dann kam die Rezitationsstunde, die letzte Stunde eines langen Vormittags. Wir gingen in den Musiksaal der Schule, wo es ein Podium gab, von dem aus wir zu sprechen hatten. Was die anderen vortrugen, weiß ich nicht mehr; zu sehr war meine Spannung auf meinen eigenen Auftritt konzentriert. Die ersten beiden Verse gingen noch schwer von der Zunge: Uns zuckt die hand im aufgescharrten chore Der leichenschändungfrische trümmer streifend. Doch dann war vergessen, daß da unten die Kameraden saßen, daß der Lehrer mir zuhörte, daß es nachher vielleicht Kritik und Urteil geben werde. Noch einmal sah ich mich durch die dämmerige Krypta und die Kaisergruft gehen und die Namen lesen; es war, als sollte ich durch das Dichterwort beschreiben, was ich, wenige Wochen zuvor, an jenem Samstagnachmittag zum erstenmal mit meinen Augen erblickt hatte: Urvater Rudolf steigt herauf mit Sippe. Er sah in seinem haus des Reichespracht Bis zu dem edlen Max dem letzten ritter. Vielleicht hörte ich den letzten beiden Versen mit den fernen, fremden Begriffen und Namen nach: Weisheit der Kabbala und Römerwürde Feste von Agrigent und Selinunt. Der Lehrer stand auf: "Das war gut. Ich wußte nicht, daß Sie Gedichte so ausgezeichnet vortragen können." Wenn dieser Lehrer 14 lobte, blieb er knapp und präzis wie stets; aber sein Lob hatte etwas zu bedeuten. Seitdem begleitet mich auch bei jeder Führung durch die Speyerer Kaisergruft Stefan Georges Gedicht Gräber in Speyer. In einem Lexikon der Weltarchitektur lese ich die nachstehende Definition des Begriffs Mosaik: "Geometrische oder figürliche Flächendekoration für Wände, Kuppeln oder Fußböden aus kleinen bunten Glas-, Stein- oder Marmorstückchen, die in einem Mörtelbett aneinandergelegt werden. Die Mosaikkunst erreichte in der römischen und byzantinischen Epoche ihren Höhepunkt." Angesichts dieser Begriffsbestimmung und historischen Abgrenzung bekenne ich offen, daß das Erlebte Rheinmosaiknur ein Miniaturerzeugnis sein kann; eine erschöpfende Bearbeitung des Themas ergäbe wohl ein riesiges Fußboden- oder Kuppelmosaik. Das soll freilich berufeneren Meistern der Mosaikkunst vorbehalten bleiben. Eines ist gleichwohl gewiß: auch ein bruchstückoder lückenhaftes Mosaik müßte farbliehe Vielfalt mit thematischer Differenziertheit verbinden, müßte ein Zusammenspiellyrischer Motive mit starkem dynamischen Akzenten sein. Mitunter erklingen in diesem Konzert die konkurrierenden Stimmen symphonisch - im ursprünglichen Sinn des Wortes. Das geschieht selten, das heißt dann, wenn Ort, Situation und Stunde in eins zusammengehen. Diesen Glücksfall hat vermutlich schon mancher Teilnehmer, manche Teilnehmerio an einer KarawaneRheinkreuzfahrt erlebt. Mir und einigen anderen Mitreisenden wurde das am Abend des 1. Oktober 1983, am Ende der vierten Rheinkreuzfahrt der Karawane in Köln zuteil. Unser Schiff, MS. AUSTRIA, hatte unterhalb des Domhügels angelegt, seine erleuchteten Fenster spiegelten sich im Wasser des Stromes, ließen auch warmes Licht auf die Uferstraße rinnen. An Bord waren die Abschiedsreden gehalten, das Abendessen serviert worden, viele saßen noch in der Bar bei einer Flasche Wein, einzelne hatten sich an einen ruhigen Tisch zurückgezogen und schrieben ihr Reisetagebuch zu Ende, nicht wenige fühlten sich, überwältigt von den vielen Eindrücken, ermüdet und zogen sich in ihre Kabinen zurück. Nur wenige waren es wohl, die glaubten, nach dem letzten, mit Bildern und Gedanken so hoch angefüllten Tag, der Einsamkeit, des Alleinseins zu bedürfen, um vor dem eigenen Bewußtsein die Summe zu ziehen, den Schlußpunkt selbst zu setzen. Von der Anlegestelle des Schiffes bot sich der Gang zum Domhügel von selbst an. Auch der schon weit vorgerückte Abend hatte den Freiraum um den Dom noch nicht menschenleer gemacht. Doch der einsame Spaziergänger bemerkte das Gewimmel, das Stimmengewirr kaum. Zu riesig stieg vor dem Blick 15 Die Auferstehung. Älteres Bibelfenster im Kötner Dom. das Gebirge des Bauwerks empor, zu erhaben, um nur als der kolossale Geselle zu gelten, den Reirich Reine noch als zukunftslose Bauruine zu erkennen glaubte; auch große Dichter irren, wenn sie sich vom Ingrimm die Rolle des Propheten aufdrängen lassen. Mein Weg, ohne Plan und Absicht gewählt, führte zu einem ruhigen Wmkel der Südfassade; dort haftet im Stein eine Bronzetafel, Erinnerung an den denkwürdigen, nicht nur als Datum der Architekturgeschichte bedeutsamen 4. September 1842, an dem - um noch einmal Reine zu zitieren- ein talentvoller König, Friedrich Wtlhelm IV. von Preußen und der Kölner Erzbischof den 16 Grundstein zu Weiterbau und Vollendung des Domes legten. Da stand man nun sinnend in der Nacht und bedachte jenes Ereignis und den Gang der Zeiten: wie leichthin überheben wir uns mit unserem Stolz auf gegenseitige Toleranz und ökumenisches Einverständnis der Christen und vergessen, daß da vor nahezu eineinhalb Jahrhunderten ein evangelischer Herrscher und ein katholischer Oberhirte ein beispielhaftes Bündnis eingingen zur Erfüllung des Auftrages einer versunkenen Zeit. Im freien Raum vor der Westfassade sah man Gruppen und Grüppchen von Menschen im Gespräch beieinander stehen. Der Ostpfeiler des Nordturmes verlangte ein kurzes Verweilen: auch im diffusen Licht der Lampen war die Narbe des historischen Wundmals vom Luftangriff des 3. November 1943, die Ziege/plombe, erkennbar; schmerzlich empfand man hier die ewige Spannung zwischen den Mächten des Schöpferischen und des Zerstörerischen, zwischen den Werken des Friedens und jenen des Krieges. Der weitere Weg ftihrte mich dann ins Reich der Stille, entlang der Nordfassade zum Kapellenkranz des Chors mit dem krausen Filigran der überreichen Schmuckformen. Wer das Bauwerk kennt und deshalb liebt, mußte auch an diesem Abend, wenig vor Mitternacht, am Scheitelpunkt des Chorrunds innehalten, dort, wo in der Längsachse des Doms die Dreikönigenkapelle in die Ostrichtung weist. Der Blick des Kundigen erhob sich, wie von Magie dahin gezogen, zum älteren Bibelfenster, dem ältesten farbigen Fenster des ganzen Bauwerks; dort verbarg sich jetzt, oben im Ausschnitt aus dem Kölner DionysosMosaik. Tanzende Frau und tanzender Mann aus dem Gefolge des Dionysos. Köln, RömischGermanisches Museum. 17 Dunkel das leuchtende Antlitz des triumphierend auferstehenden Christus. Es ist im Kölner Dombild Kalender 1984 abgebildet; die herrliche Aufnahme wurde möglich, nachdem im Sommer 1982 die Scheiben des Fensters herausgenommen und in der Dombauhütte gereinigt worden waren. Ich weiß nicht, ob ich mich auf diesem Rundgang überhaupt daran erinnert habe, daß der ganze Riesenbau über den Fundamenten eines römischen Tempels des Jupiter Mercurius sich erhebt. Jedenfalls wurde der Schritt von einer unbewußten Eingebung hinübergelenkt zum Schatzhaus, dem Thesauros, des römischen Köln, zum neuen Römisch-Germanischen Museum; es ist wahrlich kein RömischGermanischer Supermarkt, wie im März 1974 nach der Eröffnung des Museums ein Berichterstatter, der Masse der Exponate wegen, tadeln zu sollen glaubte. Das Poblicius-Monument und das Dionysos-Mosaik, die beiden imposantesten Denkmäler des römischen Köln - Würde und Anmut, in zwei übereinander angeordneten Geschossen vereinigt - zeigten sich hinter der hohen Glaswand: Signale ferner Frühe. So endete der improvisierte Rundgang dort, wohin die folgenden Kapitel fUhren sollen: Im Reich der Stadtgründer, in der Welt der römischen Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Rheinkreuzfahrten der Karawane Studienreisen 1981 - 1984 10. -17. 10.1981: 81/2-R Herbstkreuzfahrt mit MS "AUSTRIA" Der Rhein von Basel bis Köln 17.- 2. 06.1982: 82/2-R 1 Kreuzfahrt mit MS "AUSTRIA" Der Rhein von Köln bis Basel 16.- 24. 10. 1982: 82/2-R 2 Herbstkreuzfahrt mit MS "AUSTRIA" Rhein- und Moselkreuzfahrt von Basel bis Köln 24. 09.- 02. 10. 1983: 83/2-R Herbstkreuzfahrt mit MS "AUSTRIA" Rhein- und Moselkreuzfahrt: Römische Stadtanlagen, Kaiserdome und Landschaften von Basel bis Köln 06.-13. 10.1984: 84/2-R Rheinkreuzfahrt mit MS "AUSTRIA" Kaiserdome und Landschaften rechts und links des Rheins (Vgl. Seite 114) 18 Bertold K. Weis Wahrzeichen des Imperium Romanum am Rhein Unter dem Titel Die Römer am Rhein zeigte das Römisch-Germanische Museum Köln im Frühjahr 1967 eine faszinierende Ausstellung. Der Katalog, ein dickes Buch von 371 Seiten mit einem Anhang von 128 Bildtafeln, ist auch heute noch und in Zukunft eine Quelle kostbarer Informationen. Das Interesse, das die Ausstellung in der Öffentlichkeit fand, wurde damals fast als sensationell empfunden. Voll und ganz bestätigte sich, was im Geleitwort des Ausstellungskatalogs gesagt wurde: es handle sich hier "um eine internationale und umfassende Schau von Rang, die es bisher nicht gegeben hat und unserer Generation wohl auch nicht noch einmal geboten wird". Sieben Jahre nach diesem Ereignis eröffnete (1974) das Römisch-Germanische Museum seine neuen Räume am Kölner Domplatz. Der Publikumsandrang übertraf alle Erwartungen. Eine große deutsche Tageszeitung kennzeichnete das Außergewöhnliche des Ereignisses so: "Das Ge wühle ist unbeschreiblich, mitten in der Woche. Es fallt einem kein Beispiel ein, daß sich je eine Stadt derart aufihr Museum gestürzt hätte, ein Ansturm von Zehntausenden,jung und alt, Professorenmonokelneben Maurerkittel, Schülerinnen neben Rentnern, Familien mit Hund, Hausfrauen mit Einkaufstaschen, Büroangestellte, die sich ftir eine "Besorgung" beurlauben ließen -das Museum als Besitz der Bevölkerung, dieses immer so idealistisch ausposaunte Postulat, hier wird's Ereignis." Skeptiker mochten vermuten, es handle sich um ein Eröffnungsspektakel; ihre Vermutungen wurden in der Folge nicht bestätigt, das Interesse ist ungebrochen geblieben. Ein Jahr danach (1975) erschien im Verlag Philipp Reclamjr. in Stuttgart unter dem Titel Die Römer an Rhein und Mosel die deutsche Fassung eines umfangreichen Werkes des Luxemburger Historikers Charles-Marie Temes: das französische Original La vie quotidienne en Rhenanie Romaine (Das tägliche Leben im römischen Rheinland) war 1972 bei Hachette in Paris veröffentlicht worden. In deutscher Sprache liegt der Band inzwischen schon in der dritten Auflage (1982) vor, ein Argument gegen die oft behauptete und beklagte Geschichtsfeindlichkeit unserer Zeit; man sieht, sie gilt zum mindesten nicht ftir die Geschichte der römischen Herrschaft in den Rheinlanden. Wahrzeichen dieses Imperium in der unvergleichlichen Stromlandschaft sind vor allem die großen, aus allen Untergängen neu 19 Rauneorum Augusta und Castrum Rauraceuse ,,~~ : ~:_ '7 I, I leQende:\ 1 Hauptforum '' 2 curia 3 Basilika _ ~ 4 Tempe~ 5 Theate-r 6 Tempel , 7 Tempeln. Neben· 8 Forum m und Südforum 9 Zentraltherme" Übersichtsp1a n von Aug usta Raurica. 20 lO Tempel 11 Amphitheater 12 Tempel 13 Rundbau t4 Museum Augusta Raurica. Modell der Stadt, Ansicht von Osten. BlickaufBasilica und Jupitertempel (Vordergrund), Theater und Tempel auf Schönbühl (Hintergrund). Nach W. Eicbenberger. aufgeblühten Städte des westlichen Ufers. Mit wenigen Ausnahmen tut sich ihre römische Herkunft noch in ihren heutigen Namen kund. Um auf Schweizer Boden zu beginnen: Augst, die älteste römische Bürgerkolonie nördlich der Alpen, verdankt ihren Doppelnamen Augusta Raurica einerseits dem Augustus, andererseits den keltischen Bewohnern der Gegend, den Rauricern. L. Munatius Plancus, ein Freund Cäsars, der den Ort, vermutlich am 21. Juni 44 v. Chr., gründete, gilt auch den Baslern als ihr Stadtgründer; sein Denkmal, die Stiftung eines Basler Neubürgers aus dem Jahr 1574, steht im Hof des schönen spätgotischen Rathauses der Stadt. Der Name des Munatius Plancus und seine Gründung Augusta Raurica weisen auf den Ursprung der römischen Präsenz am Rhein hin; sie ergab sich als historische Folgerung aus der Eroberung Galliens durch C. Julius Cäsar (58-51 v. Chr.) und währte dann rund ein halbes Jahrtausend. Sie ftihrte auch zu einem ersten großen militärischen Zusammenstoß der Legionen mit den aufs linke Rheinufer übergetretenen, teilweise schon tief in keltische Siedlungsgebiete eingedrungenen Germanenstämmen. In dem blutigen Waffengang mit dem begabten und selbstbewußten suebischen Heerkönig Ariovist - der Schlachtort lag zwischen Belfort und Schlettstadt, vermutlich im Raum Mühlhausen- mochte der römische Eroberer die Bedeutung der nachmals geradezu sprichwörtlich gewordenen Germanengefahr erkennen; mit ihr hatte Rom in den folgenden Jahrhunderten zu leben. In dieser Begegnung dürfte schon Cäsar die Einsicht ge- 21 wonnen haben, daß der Rhein nicht geeignet sei, als sichere Grenze die westwärts drängende, jenseits des Stromes einen goldenen Westen erwartende germanische Völkermasse aufzuhalten. Abschreckung allein schien Wrrkung zu versprechen. Sie hat auch bereits Cäsar praktiziert, als er zuerst im Jahre 55 v. Chr. in der Gegend von Weißenturm südlich Andernach, dann im Jahre 53 v. Chr. bei Urmitz gegenüber dem Südrand des Neuwieder Beckens seine beiden berühmten Pionierbrücken über den Rhein bauen ließ, um in germanisches Gebiet vorzustoßen. Weitere Pläne für Germanien zu verfolgen, war Cäsar nicht gegeben; seine politischen Ziele riefen ihn nach Italien zurück und führten ihn in einen Bürgerkrieg, in dem die römische Republik untergehen und einem neuen Herrschaftssystem Platz machen sollte. Caesars Erbe und Nachfolger Augustus gedachte, das Werk seines Vorgängers folgerichtig weiterzuführen; einerseits betrieb er auf dem linken, dem römischen Rheinufer, die Organisation und Konsolidierung der Verhältnisse, andererseits setzte er sich die Vorverlegung der Grenze des Imperium Romanum an die Eibe zum Ziel. Im Rahmen der ersten Aufgabe erfolgte in den linksrheinischen Gebieten die An- oder Umsiedlung ursprünglich rechtsrheinischer, mit Rom freundschaftlich verbundener Germanenstämrne. Die mit Ariovist auflinksrheinisches Territorium Grabstein des Centurio Marcus Caelius der XVIII. Legion. Er fiel im Varus-Krieg. Der Grabstein wurde bei Xanten-Birten gefunden. Rheinisches Landesmuseum Bonn. 22 M. Vipsanius Agrippa. Darstellung auf der Ara Pacis Augustae, Rom. übergetretenen Tribocer hatte schon Caesar im Unterelsaß angesiedelt; sie wurden als Civitas Tribocum um den Hauptort Brotomagus, dem heutigen Brumath an der Straße von Straßburg nach Zabem, organisiert. Die Ubier hatten ihr Stammesgebiet zunächst östlich des Rheins, zwischen unterer Lahn und Taunus, gehabt; sie wurden schon früh, in den Jahren 39/38 v. Chr., von M. Vipsanius Agrippa, dem erfolgreichen Mitarbeiter und späteren Schwiegersohn des Augustus, als Civitas Ubiorum im Kölner Raum ansässig gemacht und mit dem Schutz der Grenze beauftragt. Ihnen hatte bereits Caesar den Ehrentitel amici populi Romani (Freunde des römischen Volkes) verleihen und ihren Namen in das Verzeichnis der Freunde Roms (formula arnicorum) eintragen lassen. Weit problematischer war das andere Ziel: Germanien bis an die Eibe römischer Autorität botmäßig zu machen; damit wäre der Rheingrenze eine riesige Landmasse als Brückenkopfvorgeschoben worden. Diesem imperialistischen Vorhaben dienten zuerst 23 die Feldzüge der Stiefsöhne des Augustus, vor allem die kühnen Vorstöße des Drusus; dieser drang in den Jahren 12 bis 9 v. Chr. viermal mit bedeutender Heeresmacht weit in rechtsrheinische Gebiete vor und erreichte tatsächlich die Eibe. Er war somit der erste römische Feldherr, der auf germanischem Boden so weit nach Osten gelangte. Doch der erst Dreißigjährige starb im September des Jahres 9 v. Chr. auf dem Rückmarsch an den Rhein an den Folgen eines Unfalles. Sein früher Tod signalisierte die kommende Schicksalswende in der römischen Germanienpolitik. Krasse Realität wurde sie knapp zwei Jahrzehnte später durch die Katastrophe des Legatus Augusti pro praetore P. Quinctilius Varus im Herbst des Jahres 9 n. Chr.: Rom verlor auf einen Schlag die kampferprobten Truppen der XVII., XVIII. und XIX. Legion, dazu drei Reiterschwadronen und sechs Auxiliarkohorten; die drei Legionsadler fielen in die Hände der Germanen. Die offensive Germanienpolitik des Augustus war gescheitert; sie mußte aufgegeben und durch eine defensive Konzeption mit dem Rhein als Verteidigungs- und Grenzlinie ersetzt werden. Doch diese Erkenntnis vermochte erst des Augustus Nachfolger Tiberius (14-36) in politische und strategische Prinzipien umzusetzen. Voraussetzung einer wirksamen Verteidigung der Rheingrenze war die ständige Anwesenheit und Verfugbarkeit einer gewaltigen römischen Truppenmacht an den Ufern des Stromes. Daher finden wir gegen Ende der Regierungszeit des Augustus acht römische Legionen mit ihren Reiterschwadronen und Auxiliarkohorten am Rhein. Sie waren je hälftig zwei Kommandobereichen zugeteilt. Diese entsprachen den beiden, von den Römern in ihrem germanischen Herrschaftsbereich dann eingerichteten Provinzen Germania Superior (Obergermanien) und Germania Inferior (Niedergermanien). Um die Einsatzbereitschaft der Truppe und die Aufrechterhaltung der Disziplin zu sichern, war die Anlage großer, fester, auf die Dauer berechneter, gegebenenfalls auch auf die Verteidigung eingerichteter Legionslager notwendig, mit allen für die Unterhaltung einer festen Garnison erforderlichen Einrichtungen. Als demonstrative Entfaltung militärischer Macht stellten sich die Doppellegionslager dar, wie sie ständig in Mogontiacum (Mainz), in Vetera (bei Xanten) und für einige Zeit auch in Köln bestanden. Der Versorgungsbedarf so großer Truppenverbände führte in der unmittelbaren Umgebung der Legionslager zur Entstehung sogenannter canabae, Ansammlungen von Händler- und Handwerkerbuden, von Läden, Magazinen und dergleichen, die sich zu einer Art von Lagervorstädten herausbildeten. 24 Die lebenskräftigsten, verwandlungs- und verjüngungsfähigsten Schöpfungen der Römer am Rhein sind ihre Stadtgründungen in Gebieten, in denen bis dahin in offenen dörflich-agrarischen Siedlungen gewohnt worden war und städtische Organisationsformen des Zusammenwohnens unbekannt waren. Sie entstanden entweder als Vororte einheimischer Civitates und ihrer Stammesgebiete oder als römische Bürger- und Veteranenkolonien mit eigenen Organen der Selbstverwaltung oder als Municipien (Landstädte) mit verschiedenen Graden rechtsstaatlicher Kompetenz und als Zentren der Administration. In ihrer reifsten Form hatten die städtischen Gemeinwesen an ihrer Spitze zwei Bürgermeister, nach dem Grundsatz der Kollegialität, und einen Rat, die decuriones. Bei den Stadtgründungen hatten die Agrimensores (Feldmesser), die nach ihrem Visiergerät(groma) auch Gromatici genannt wurden, als Stadtplaner tätig zu werden; sie hatten dabei nicht nur die Straßenführung und die Gliederung der Wohnviertel (insulae) festzulegen, sondern auch die gesamte Raumordnung, auch die des Umlandes, nach den alten, bewährten Prinzipien der römischen Feldmesserei zu fixieren. Aus dieser überlegten Stadt- und Raumplanung erklärt sich die verkehrsgünstige Lage der von den Römern neu gegründeten oder neu organisierten und geförderten städtischen Siedlungen. Glanzvollstes Beispiel wird wohl stets das römische Köln bleiben. Zu seinem erstaunlichen Aufstieg trug wesentlich seine frühe Erhebung zum Sitz des römischen Statthalters ftir Niedergermanien (Germania Inferior) bei. Kultisches Zentrum dieser Stadt der Ubier, wie sie zunächst wohl noch hieß, wurde unter Kaiser Tiberius (14-37) ein Altar des zu den Göttern erhobenen Augustus. Von diesem Altar erhielt der Platz dann den römischen Namen Ara Ubiorum, Altar der Ubier, kurz auch Ara. Unter Kaiser Claudius (41-54) erfuhr die Stadt die bedeutendste, ihrer künftigen Entwicklung auch förderlichste Rangerhöhung: sie wurde Colonia, römische Bürgerkolonie. Der Herrscher hatte eine besondere Beziehung zu dieser Stadt durch seine vierte Gemahlin, die jüngere Agrippina, die zugleich des Kaisers eigene Nichte war: sie war im Jahre 15116 als Tochter des Germanicus, eines Sohnes des Drusus, in Köln geboren worden. Etwas bösartig bemerkt Tacitus, der Historiker der Epoche, Agrippina habe der Öffentlichkeit ihren politischen Einfluß demonstrieren wollen, indem sie den nachgiebigen Kaiser dazu bewog, ihre Geburtsstadt nicht nur durch die Ansiedlung römischer Veteranen zur römischen Bürgerkolonie zu erheben, sondern ihr auch den prunkvollen Namen Colonia Claudia Ara Agrippinensium zu verleihen; in dieser pompösen Titulatur ist der Name des Kaisers und 25 Das römische Köln, Grundriß. der seiner Gattin vereinigt, die Kölner durften sich fortan Agrippinenser nennen. Die Abkürzung CCAA liest man noch heute über dem Bogen des mittleren Durchlasses des römischen Nordtores von Köln, der jetzt zu den auffallensten, monumentalsten Ausstellungsstücken des Römisch-Germanischen Museums der Domstadt zählt. Mit der Verleihung des Ranges einer Colonia war ein neuer Rechtsstatus der Stadt, das Ius Italicum verbunden: Es brachte u. a. insofern eine Veränderung des Bodenrechts, als der bisher zu Rom und dem Territorialbereich der römischen Legionen gehörende Grundbesitz der Einwohner nun in deren tatsächlichen Besitz überging; gleichzeitig waren sie damit von der Grund- 26 steuerDie Rangerhöhung beförderte auch den weiteren Aufstieg der Stadt, deren äußeres Bild durch eine starke Stadtmauer mit neun Toren und durch das bereits angedeutete, von den Agrimensores vermessene übliche Schema mit der rechtwinkligen Anlage des Straßensystems und dervon den Straßen umschlossenen Insulae (Wohnviertel) mit den beiden traditionellen Hauptachsen des decumanus maximus (Ost-West-Straßenachse) und des cardo maximus (Nord-Süd-Achse) bestimmt war. Das Doppellegionslager der augusteischen Zeit war bereits während der frühen Regierungsjahre des Tiberius aufgelassen, die beiden Legionen getrennt nach Neuss und Bonn verlegt worden. Köln aber blieb Sitz des kaiserlichen Legaten für Niedergermanien und damit Administrationszentrum der Provinz. Nicht zuletzt diesem Umstand verdankte die Colonia Claudia Ara Agrippinensium einen Großteil ihres Ansehens und ihres glanzvollen Stadtbildes in römischer Zeit. Das Praetorium, der Statthalterpalast, stand auf einem flach hügeligen, den Blick auf den Rhein beherrschenden Gelände in der Gegend des heutigen Rathauses und bedeckte eine Fläche von 93 x 28 Meter. Nach dem Fluß hin öffnete sich eine mächtige Säulenhalle. Neben dem Prätorium ist ein weiterer größerer Bau festgestellt, vielleicht das Verwaltungsgebäude der vielgliedrigen Provinzialbehörde. Daß in der aufstrebenden Stadt schon in den ersten Jahrzehnten nach der Einrichtung der römischen Kolonie auch bemerkenswerte private Bauten und Denkmäler entstanden sind, beweisen die Funde. Der auffallendste unter diesen war wohl das 1965 unter einem zerbombten Haus entdeckte, zuerst durch eine Privatgrabung freigelegte, jetzt im Römisch-Germanischen Museum eindrucksvoll rekonstruierte Grabdenkmal eines sonst unbekannten Lucius Poblicius, das um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. entstanden sein könnte. Das Kölner Nordtor. Rekonstruktion der Außenfassade. 27 Poblicius-Denkmal. Relief des Hirtengottes Pan. Köln, Römisch-Germanisches Museum. 28 Zu den offiziellen Bauten, deren Fronten die Rußlandschaft beherrschten, trat in der Stadt am Strom eine Hafenanlage; sie diente zunächst als Rottenstation für die von den Römern unterhaltene, im Zusammenhang mit den militärischen Operationen unentbehrliche Rheinflotte. Diese erscheint in der Geschichte der Römer am Rhein zum ersten Mal im Jahre 12 v. Chr. unter der Bezeichnung Classis Germanica. Einhundert Jahre später, im Jahre 96 n. Chr. trägt sie den Ehrentitel Classis Germanica Pia Fidelis (die loyale und getreue). An sie erinnern Ziegelfunde aus dem Raum um Köln mit dem Namensstempel dieser Rotte. Ihre Verbände sollten bis in die Spätzeit hinein in den Kämpfen um die Verteidigung der Rheingrenze eine nicht zu übersehende Rolle spielen. Neben der militärischen Zweckbestimmgung des Kölner Rheinhafens ist die Bedeutung der Hafenanlagen für die zweifellos vorhandene und auch bezeugte Flußschiffahrt und ihr Beitrag zum wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt zu beachten. Leider wissen wir über die zivile Schiffahrt der römischen Zeit auf dem Rhein noch zu wenig. Nachgewiesen zu sein scheint der Zusammenschluß der Kölner Rheinschiffer zu einer eigenen Korporation (Schifferzunft). Eine römische Bürgerkolonie ohne ihr eigenes Kapitol ist nicht denkbar. Zu ihm gehörte stets ein repräsentativer Kultbau, in der Regel ein ansehnlicher Podiumstempel der stadtrömischen Trias: J upiter, J uno, Minerva. In Köln sind Spuren dieses Tempels unter der Kirche St. Maria im Kapitol gefunden worden; als christliche Kirche bewahrt sie den römischen Namen des Platzes. Eine Stadt von der Bedeutung Kölns besaß außer diesem Haupttempel natürlich auch andere Kultstätten: an der Nordostecke der römischen Wohnstadt ist ein kleiner Podiumstempel des Mercurius Augustus festgestellt worden, der bald nach der Einrichtung der Kolonie erbaut sein dürfte und, wie man annimmt, nicht lange nach 388 abgebrannt ist. Weitere Kultstätten sind anzunehmen, auch wenn sie bisjetzt nicht gefunden sind. Eine für Köln nachgewiesene Kultgemeinde der phrygischen Göttermutter Kybele hat zweifellos auch ihr kleines Heiligtum besessen. Hinter dem Aufstieg der Stadt zum administrativen, kultischen und kulturellen Zentrum der Landschaft stand ihre wirtschaftliche Entwicklung nicht zurück. An den großen Ausfallstraßen entstanden vor den Toren die Produktionsstätten handwerklicher, kunsthandwerklicher und industrieller Erzeugnisse. Die Ausgrabungsfunde, zufällige und gezielt ausgesuchte, haben das römische Köln als Mittelpunkt einer leistungsfähigen und kunsthandwerklich hochstehenden Glasfabrikation erwiesen; Kölner vitrarii (Glasbläser) waren die Schöpferjener bewundernswerten 29 Köln zur Römerzeit (2. Jh. n. Chr.). und vielbewunderten Gläser, Schalen, Schälchen, Becher, Parfl.imflaschen, Krüge, vor denen die Besucher des Römisch-Geranischen Museums immer wieder gebannt verweilen. Aus diesem Aufeinandertreffen und Zusammengehen differenzierter Kräfte aus Armee, Verwaltung, Handel, Gewerbe konnte sich jene besondere Form städtischer Kultur und städtischen Selbstbewußtseins entwickeln, die der Stadt als Idee über die großen historischen Lücken hinweg bis heute treu geblieben ist. Eindeutiger und ausdauernder als im Fall der Colonia Claudia Ara Agrippinensium erwiesen sich die strategischen Gesichtspunkte als entscheidend bei der Wahl des Standortes eines regelrechten Feldlagers, das Agrippa um 18 v. Chr. oder bald danach im Raum von Mainz angelegt hat. Es sollte zunächst als Ausgangspunkt fl.ir die geplanten Feldzüge nach Innergermanien dienen, als man noch an dessen Eroberung und Unterwerfung dachte. Von hier aus trat Drusus im Jahre 12 v. Chr. seinen Zug an die Elbe an. Bald darauf- kurz nach dem Jahre 20 n. Chr.- wurde auf dem Kästrich - die Bezeichnung wird auf das lateinische Wort castrum (Lager) zurückgefl.ihrt - rund einen Kilometer vom Rhein entfernt, etwa fl.infzig Meter über dem Fluß, von zwei Legionen, der XIV. (Gemina) und der XVI. (Gallica) ein Doppellegionslager errichtet. Etwas weiter südlich, in Weisenau, entstand ein weiteres Militärlager in der Form eines sogenannten Auxiliarkastells, d. h. eines mit Hilfstruppen belegten Kastells, 30 -, - - - RÖM. MAlJrR VERM.\)TrT l/ "' /~/ ............./ ~ RÖM. STilAUf aE"iu.tERT R0:M. STRASSE VERMUTET "_"..._. FftÄNK. 5TRASSE VERMUnT A RÖM. ALTAR. ODflt WEJkUTEilol. F L ~Ö .... MOSAiiC:-FIJU&Obl"N RÖM. C.UÄUOE"IIUT M RÖM. M0NZSCMAT'i'FVND T llÖM. C.llAIJ + FR\)kGHRiSTL OOFRFFtÄNI<.CMB Entwicklung der Stadt Mainz bis 700 n. Chr. das jedoch so groß gewesen zu sein scheint, daß es später eine ganze Legion aufnehmen konnte. Durch diese massierte Truppenstationierung wurde Mainz in den letzten Lebensjahren des Augustus zum Hauptstützpunkt römischer Militärmacht am Rhein; gleichzeitig war es von da an Amtssitz des römischen Oberkommandierenden und Statthalters für Obergermanien. Von dieser gewaltigen Truppenmasse ging in der Folgezeit aber sehr viel politische, für das Reich verhängnisvolle Unruhe aus: so 31 im berüchtigten, blutigen Vierkaiserjahr 68/69, als die Mainzer Legionen dem Kaiser Galba den Treueid verweigerten und auch die Legionen Niedergermaniens mit in ihre Revolte hineinrissen und sie veranlaßten, mit ihnen zusammen den Statthalter in Köln, Aulus Vitellius, zum Kaiser auszurufen. Kaiser Domitian, der im Jahre 89 n. Chr. eine wiederum von Mainz ausgehende, diesmal vom Statthalter selbst inszenierte Rebellion niederwerfen mußte, zog die Konsequenz aus den negativen Erfahrungen mit der allzu dichten Ballung großer Truppenverbände: die Doppellegionslager wurden aufgelöst, die Legionen ausgetauscht und vor allem weiter auseinandergezogen. In Mainz verblieb nur eine Legion. Die Stadt selbst entwickelte sich am Platz einer weit älteren einheimischen Siedlung, die ein Stammesheiligtum eines keltischen Gottes Mogon besaß, von dem der Ort den Namen Mogontiacum erhielt. Bereits seit den achtziger Jahren des 1. Jahrhunderts n. Chr. stellte eine feste Brücke die Verbindung mit dem rechten Rheinufer dar, auf dem die Römer einen befestigten Brückenkopf, das castellum Mattiacorum behalten hatten; die Mattiaker waren ein Teilstamm, der sich aus dem Stammesverband der Chatten gelöst hatte und im Gebiet zwischen Mainmündung und Taunus lebte. Wie Köln erhielt auch Mainz frühzeitig einen Rheinhafen als Stützpunkt für die römische Rheinflotte. Sie setzte sich aus leichteren, für die Flußüberwachung und den Patrouillendienst geeigneten Schiffen, aus großen Dreiruderern oder Triremen, aus Schnellbooten für Verbindungsoffiziere und Kuriere (cursoriae) und aus schweren Transportschiffen zusammen. Wie in Köln existierte auch in Mogontiacum/Mainz neben dem Hafen der Kriegsflotte ein Handelshafen, der seinerseits von der Truppe gesichert und geschützt wurde. Den Wohlstand, den die Handelsschiffahrt auf dem Strom selbst und bis hinüber zu den Hafenplätzen Britanniens den Unternehmern und Händlern einbrachte, bezeugt, wie in Köln das Poblicius-Denkmal, hier in Mainz das aufwendige Grabmal eines Schiffseigners und Handelsmannesnamens Blussus, der auf dem Stein sich selbst, seine Gattin und sein Schiff darstellen ließ. Auf den römischen Hafen von Mainz wurde die Öffentlichkeit vor einiger Zeit durch einen sensationellen archäologischen Fund aufmerksam gemacht. Bei Aushubarbeiten für einen Hotelneubau wurden zwischen dem November 1981 und dem Februar 1982 im Schlamm begraben neun enggedrängt nebeneinander liegende, über elfMeter lange, mittschiffs 3,70 Meter breite Ruderschiffe des 4. Jahrhunderts n. Chr. gefunden. Wenige Monate später grub man noch zwei weitere, ältere Römerschiffe aus. Mit Hilfe der sehr genauen den- 32 Grabstein des Mainzer Reeders Blussus. Mainz, Landesmuseum. drochronologischen Untersuchungsmethode (Holzringzählung) datierte man die zuerst gefundenen Schiffe in die Zeit zwischen 320 und 394. Für das älteste der beiden zuletzt (d. h. im April 1982) gefundenen Schiffe wurde mit derselben Methode festgestellt, daß die Eichen zu seinem Bau im Jahre 81 n. Chr. gefällt worden waren. Da man das Schiffsbauholz vermutlich nicht allzu lange zu lagern pflegte, ist als Bauzeit die Regierung des Kaisers Domitian (81-96) anzunehmen. Aus diesem Schiffsfriedhofkann 33 Mainz, Schiff 9: Leichtgebautes Rundspantschiff mit vermutlich 13 Ruderern an jeder Seite und einem Segelmast im Vorschiff. Ein auf Schnelligkeit gebautes leichtes und sehr bewegliches Kriegsschiff aus dem 4. Jh. n. Chr. man schließen, daß in der stürmischen Zeit, als die Völkerwoge germanischer Stämme den Limes überflutete und gegen die römische Rheingrenze anbrandete, der Mainzer Hafen noch immer operativer Stützpunkt der römischen Verteidiger gewesen ist. Aufwelches historische Ereignis der Zeit die Entstehung des bemerkenswerten Schiffsfriedhofes zurückzufUhren ist, bleibt unbekannt. Der Zeitgenosse Ammianus Marcellinus berichtet von einem alamannischen Überfall auf die Stadt am Osterfest des Jahres 368: "Da ftihrte ein alamannischer Königssohnnamens Rando eine lange vorbedachte Absicht aus und drang insgeheim in das von Bewachern entblößte Mainz mit einer leichtbewaffneten Truppe zum Plündern ein. Da er die Christen zufällig bei der Begehung eines kirchlichen Hochfestes antraf, konnte er ganz ungehindert schutzlose Männer und Frauen jeglichen Standes zusammen mit wertvollem Hausrat wegführen." Bei einem ähnlichen, doch weit brutaleren Überfall, von dem ein Brief des heiligen Hieronymus berichtet, wurden zwei Jahrzehnte später (407) Tausende in den Kirchen versammelte Christen niedergemacht. Daß Mogontiacum ähnlich wie die Stadt der Agrippinenser in der Kaiserzeit eine gedeihlich sich entwickelnde Wrrtschaft besaß, bezeugen die Funde. Doch im Gegensatz zu Köln erlangte die Stadttrotz ihres Wachstums und ihrer Bedeutung erst erstaunlich spät den Rang einer römischen Landstadt (Municipium), d. h. ei- 34 ner städtischen Gemeinde mit eigenem Rat und eigener Verwaltung. Diese Rangerhöhung fällt in die Regierungszeit des Kaisers Diokletian (294-305); bei seiner bekannten Neuordnung des Reiches, erhielt der in Mainz residierende Oberkommandierende den Titel eines Dux Mogontiacensis; die Stadt ist nun offiziell die Metropole der Germania Prima, ein befestigter Mauerring umgibt sie. Wie in Köln hat man auch hier Kultstätten und Kultbauten anzunehmen. Aus der Benennung eines Stadtteils als Vicus Apollinensis darf man wohl schließen, daß es dort einen Tempel des Apollon gegeben hat; dieser Apollon könnte die Interpretatio Romana, die römische Umdeutung des altkeltischen Gottes Mogon, des Namensgebers der Stadt gewesen sein. Das würde der Tendenz römischer Religionspolitik entsprechen, die Götter der unterworfenen Stämme und Gebiete nicht zu verdrängen, ihren Kult nicht auszurotten, sondern sie in das System der römischen Götterhierarchie zu integrieren. Den großen, strategisch bedeutenden Lagergründungen des Imperium Romanum am Nieder- und Mittelrhein entspricht am Oberrhein das Legionslager Argentorale an der Stelle des heutigen Straßburg. Es wurde nach der Katastrophe des Varus (9 n. Chr.), wie in Mainz bei einer älteren keltischen Siedlung, eingerichtet. Bereits zuvor befand sich im Bereich des jetzigen Münsters, wie die Archäologie nachzuweisen vermochte, ein kleineres römisches Truppenlager, in dem nach Ausweis einer Inschrift, die bei der Kirche Jung-St.-Peter (Saint Pierre le Jeune) gefunden wurde, eine Reiterschwadron der mit Rom verbündeten Treverer, die Ala Petriana Treverorum, stationiert war. An seiner Stelle wurde dann im zweiten Jahrzehnt des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, in den ersten Regierungsjahren des Kaisers Tiberius (14-36), ein dreimal so großes rechteckiges Lager errichtet; hier wurde die aus Spanien an den Rhein gerufene Legio II Augusta untergebracht. Aus dieser Zeit haben sich an der Straße nach Basel mehrere Grabstellen gefallener oder gestorbener Soldaten dieser Legion erhalten. Das Legionslager, von Armen der Ill umflossen, war durch einen Erdwall geschützt, der außen durch Palisaden verstärkt war. Die canabae lagen vor dem Lager an der Straße nach Königshoffen. Zu Beginn der vierziger Jahre des ersten Jahrhunderts n. Chr. wurde die Legio II Augusta von Straßburg nach Britannien verlegt und flir einige Zeit durch die ebenfalls aus Spanien abberufene Legio IV Macedonica ersetzt. In den ersten Regierungsjahren des Kaisers Vespasian (69-79) wurde schließlich die Legio VIII Augusta im Straßburger Lager stationiert. Sie sollte flir sehr lange Zeit dort bleiben. Straßburg ist von dieser Zeit an nicht mehr 35 Glied der vorderen Verteidigungslinie; nach dem Ausbau des obergermanischen Limes und der damit verbundenen Verschiebung der römischen Verteidigungsanlagen weit nach Osten lagen Stadt und Legionslager nicht mehr im eigentlichen Grenzgebiet. Die Stadt selbst entwickelte sich nun auch wirtschaftlich und kulturell. Als äußere Bekundung der Selbständigkeit und Sicherung mag die erste steinerne Mauer gelten, die Argenterate gegen Ende des 1. Jahrhunderts schützte. Die Backsteine, mit denen der Mauerkern verkleidet war, tragen den Ziegelstempel der Legio Vlll; die Truppe hatte in Eckbolsheim, am Westrand des heutigen Straßburg, westlich von Königshoffen, eine Ziegelei eingerichtet. Wenn man den Querschnitt dieser römischen Stadtmauer, die oben etwa 90 Zentimeter, an der Basis etwa 130 Zentimeter stark war, betrachtet, erhält man nicht gerade den Eindruck eines wirksamen Verteidigungsbauwerks. Als von den sechziger Jahren des dritten Jahrhunderts an die Alamannengefahr aus einem fernen Schreckgespenst zu drohender Wirklichkeit wurde, besann man sich auch in Straßburg auf eine stärkere Wehranlage. So entstand im vierten Jahrhundert durch eine erhebliche Verstärkung der bisherigen Mauer auf mehr als dreieinhalb Meter Dicke die jüngere Mauer; sie wurde mit vier Ecktürmen, neunzehn Türmen auf der Nordseite, elf bis zwölf Türmen auf der Ostseite und mit wenigstens fünfTürmen auf der Südseite entlang der 111 ausgestattet. Neben der Wahrnehmung ihres militärischen Auftrags hat die Legio VIII auch an Aufgaben der Infrastruktur mitgewirkt: an der Verbesserung und dem Ausbau der Straßen - Argentorate lag ja am Schnittpunkt zweier bedeutender Fernstraßen, von der es später seinen alemannischen Namen erhielt - und bei der Einrichtung einer ausreichenden Wasserversorgung. Im Zusammenhang mit der ersten Aufgabe baute dieö Legion die Sandsteinbrüche bei Reinhardsmünster (südwestlich von Maursmünster/Marmoutier) ab; eine an Ort und Stelle verbliebene Inschrift OFFICINA LEG (IONIS) Vlll AUG (USTAE) bezeugt dies. Die von der Truppe errichtete Wasserleitung, eine doppelte Röhrenleitung, flihrte das Quellwasser von Kuttolsheim (nördlich Marlenheim, d. h. nördlich der Straße Straßburg-Zabern), in die Stadt. Von der Entfaltung künstlerischer Aktivitäten in der Stadt sprechen die Funde. Zunächst waren es vermutlich zugewanderte, in Italien ausgebildete Bildhauer, die in Straßburg tätig wurden. Sie schufen ihre Bildwerke noch unter dem Einfluß der Meisterwerke der griechischen Spätklassik. Neben sie treten dann, mit ihren so ganz anders gearteten, provinziell oder auch primitiv 36 erscheinenden Versuchen, einheimische Steinmetzen und Bildhauer. Der rosenfarbene Vagesensandstein erscheint nun erstmals in der Bildhauerei, das Material, aus dem, viele Jahrhunderte nach dem Ende der römischen Herrschaft am Rhein, am Straßburger Münster so einzigartige Meisterwerke entstehen sollten. Bald nach der Mitte des vierten Jahrhunderts war das Umland von Argentaraturn noch einmal der Schauplatz einer der letzten großen Verteidigungsschlachten Romsam Rhein: der Statthalter der gallischen Provinzen, der spätere Kaiser Julian, brachte einem gewaltigen Aufgebotgermanischer Krieger, die über den nahen Rhein ins Elsaß gekommen waren, eine vernichtende Niederlage bei und konnte damit den Zusammenbruch der römischen Rheingrenze um ein halbes Jahrhundert hinausschieben. Als Stilicho schließlich im Jahre 401 die römischen Legionen vom Rhein abzog, um Italien gegen Alarich zu sichern, war auch das Schicksal Argentorates besiegelt: wenige Jahre nach der Preisgabe der Verteidung am Rhein bezeugt der heilige Hieronymus, der die Situation der römischen Rheinlande aus der Zeit seiner theologischen Studien in Trier (um 370) kennen mußte, den Fall der Städte Mainz, Worms, Speyer und Straßburg. Das gewaltsame Ende der Römerzeit bedeutete jedoch auch für die römische Gründung Argentorate nicht das endgültige Versinken in die Melancholie einer verlorenen Ruinenstadt Charles-Marie Ternes hat in seinem eingangs zitiertenBuch über Die Römer an Rhein und Mosel auch die Frage gestellt, warum die rheinischen Städte die Völkerwanderung überdauert haben. Er erklärt dieses Überdauern aus dem Überleben römischer Traditionen bei den linksrheinischen Germanen: "Die linksrheinischen Germanen nahmen das römische Programm im Laufe der Zeit wieder auf, begannen erneut mit der Eroberung des Ostens und benutzten dabei die römischen Städte als Ausgangsbasis." Ternes' These erschien manchem als nicht erschöpfend und restlos überzeugend. Geschichtliche Analogien aus anderen geographischen und kulturgeschichtlichen Räumen vermögen aber zu zeigen, daß zukunftsbezogen geschaffenen, groß geplanten und geprägten Stadtgründungen immer wieder ein Genius erwächst, der ihr Fortleben oder Neuerstehen verbürgt. 37 ~ ·~ ~,~ ...~. ' • ' i (j)V•I=~~~~:, a> u ( ' ' @ Leg1onslager ;'"" ~..,. !.II .. ~ /\. ' - < ~ ";) 1"11 ~ T r e v b r e "' 0 Mediomatrici .. E ' I ~oooHn)l. /<~"$,.._ ~~,?"Veoo''l:'{:;.\, ;'"·- ·- '':.:..."- / Germanien und Rätien in römischer Zeit (nach Westermann Atlas 1956, 37). 38 "'0 ~ I 0 ,z Bertold K. Weis Aulus Vitellius Eine römische Kaiserproklamation in Köln Auf der westlichen Domterrasse in Köln steht, wiederaufgebaut, ein Seitenportal des ehemaligen Nordtores der römischen Stadtfast am antiken Platz. Der monumentale mittlere Bogen dieses Tores, das erst 1826 als Verkehrshindernis abgebrochen wurde, erhebt sich heute im benachbarten, großartigen Römisch-Germanischen Museum, dessen Besichtigung allein schon die Reise nach Köln wert ist. Die Steine dieses Bogens tragen als Inschrift die jedem Besucher auffallenden Buchstaben C CA A, - die Abkürzung ftir Colonia Claudia Ara Agrippinensium, des römischen Namens der Stadt seit der Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. Diese Inschrift stellt eine Art Kürzel ftir das erste Jahrhundertoder doch nicht viel weniger - der Geschichte des römischen Köln dar. Octavianus, der spätere Augustus, schickte im Jahre 39/38 v. Chr. seinen Mitarbeiter M. Vipsanius Agrippa mit dem Auftrag der Neuordnung der gallischen Provinzen und damit auch der politisch-militärischen Situation am Rhein in die von Cäsar eroberte Gallia Transalpina. Agrippa siedelte die germanischen Ubier, die bisher auf dem rechten Rheinufer sich zu halten versucht hatten, auf das linke Rheinufer in das Gebiet um das heutige Köln um. Vorort des Stammes wurde ein fester Platz, das Oppidum Ubiorum. Als kultischen Mittelpunkt erhielt der Ort einen Altar des Augustus, die Ara Ubiorum. Von dem Doppellegionslager, das Augustus an dieser Stelle errichten ließ, war im vorhergehenden Abschnitt die Rede. Dieses Lager nahm die ruhmreiche alte Legio XX Valeria Victrix und die neuaufgestellte Legio I Adiutrix (auch: Germanica) auf. Die römische Neugründung am Rhein sollte unter der julischclaudischen Dynastie noch wiederholt eine Rolle spielen. Hier hatte Germanicus, ein Sohn des Drusus und der Antonia Minordie beiden sind als junges Paar auf der Ara Pacis in Rom porträtgetreu dargestellt- , seinen Sitz, als er 13 n. Chr. den nachherigen Kaiser Tiberius als Oberkommandierender der beiden Rheinarmeen abgelöst hatte. Hier wurde im Jahre 15 n. Chr. seine Tochter Julia Agrippina, die später die Mutter des Kaisers Nero und die vierte Gemahlin des Kaisers Claudius (41-54) wurde, geboren. Hier brach im Jahre 14 n. Chr. jene gefährliche Meuterei der Legionen aus, die den Tiberius als Nachfolger des Augustus ablehnten und Germanicus als Kaiser sehen wollten; die Rebel- 39 Drusus und seine Gemahlin Antonia mit ihrem kleinen Sohn, dem späteren Feldherrn Germanicus. Darstellung auf der Ara Pacis Augustae, Rom. lion konnte nur unter großen Schwierigkeiten und mit viel diplomatischem Geschick beendet werden. Als Germanicus im Jahre 17 n. Chr. von Kaiser Tiberius aus Germanien ab berufen wurde und mit einem politischen Auftrag des Herrschers nach dem Osten des Reiches ging, ließ Tiberius das Kölner Doppellegionslager auflösen: die Legio I Adiutrix (Germanica) wurde nach Bonn (Bonna), die Legio XX Valeria Victrix nach Neuß (Novaesium) verlegt. Köln aber blieb Sitz des Statthalters von Niedergermanien (Germania Inferior). Die standortmäßige Trennung der beiden bisher in Köln stationierten 40 Servius Sulpicius Galba. Legionen war von Tiberius wohl bedacht als logische Konzequenz aus den Erfahrungen der bedrohlichen Meuterei des Jahres 14 n. Chr. Julia Agrippina, die in Köln geborene Tochter des Germanicus, heiratete im Jahre 49 n. Chr. Kaiser Claudius (41-54), ihren eigenen Oheim. Sie war in erster Ehe mit L. Domitius Ahenobarbus verheiratet gewesen und hatte diesem einen Sohn, den späteren KaiserN ero, geboren. Von brennendem Ehrgeiz erftillt, verfolgte sie ohne Skrupel die Absicht, ihren eigenen Sohn zur Herrschaft zu fUhren. In ihrerneuen Machtstellung vergaß sie aber auch ihre Geburtsstadt nicht, indem sie deren Erhebung zur römischen Bürgerkolonie mit der Bezeichnung Colonia Claudia Ara Agrippinensium erwirkte. Tacitus, der große Historiker, sieht in diesem Akt vor allem eine Demonstration des Machtwillens der Kaiserin. Er berichtet: "Um ihren Einfluß auch bei den verbündeten Völkerschaften zu manifestieren, setzte sie es durch, daß römische Veteranen nach dem Oppidum der Ubier entsandt und eine Kolonie dort eingerichtet wurde, die ihren eigenen Namen erhielt." Die julisch-claudische Dynastie, die sich schon zuvor mit mancherlei Greueln befleckt und mit Caius (Caligula), einem Sohn des Germanicus, dem Reich einen unzurechnungsfähigen Herrscher zugemutet hatte (36-41), fand ein schmachvolles Ende mit Nero (54-68), dem Mörder seines Stiefbruders Britannicus, seiner Mutter und seiner Gattin. N ero hielt sich ftir einen bedeutenden Kitharöden und begnadeten Sänger; als solcher auch öffentlich aufzutreten, hielt er durchaus für vereinbar mit seinem Herr41 scheramt. Als er sich im Jahre 67 n. Chr. auf eine Tournee nach Griechenland begab, beklatschten seine Schmeichler und Zechkumpane die groteske Erniedrigung der Kaiserwürde. Der Ruf zur Empörung gegen eine schändliche Regierung erhob sich zuerst im Westen: C. Iulius Vindex, ein vornehmer Gallier aus altem aquitanischem Königsgeschlecht, proklamierte den Aufstand gegen den unwürdigen Kaiser. Servius Sulpicius Galba und M. Salvius Otho, die römischen Statthalter in Spanien, schlossen sich ihm an. Die Legionen im Osten des Reiches nahmen eine abwartende Haltung ein; dort warT. Flavius Vespasianus mit der Niederwerfung desjüdischen Aufstandes beschäftigt, mit der ihn Nero im Jahre 67 betraut hatte. Eine erste Entscheidung führten die rheinischen Legionen herbei: sie betrachteten N ero als ihren legitimen Herrn und wollten ihm treu bleiben. Ihre kriegs-und kampferprobten Berufssoldaten bereiteten unter der Führung des L. Verginius Rufus, des Statthalters von Obergermanien, um die Mittsommerzeit des Jahres 68 n. Chr. in einer blutigen Schlacht bei Vesontio (Besanyon) den ungeübten Scharen des Vindex eine vernichtende Niederlage. Vindex wollte die zwanzigtausend Toten seines etwa einhunderttausend Mann starken Heeres nicht überleben und beging Selbstmord. Nero hatte die Nachricht vom Aufstand des Vindex im Frühjahr 68 erhalten, als er, von seiner griechischen Gastspielreise zurückkehrend, in Neapel eintraf. Wie es scheint, hat er die Größe der ihm drohenden Gefahr erkannt, denn er eilte sofort nach Rom. Die Nachricht von der Niederlage und dem Tod des Vindex hätte für den Kaiser die Rettung bedeuten können. Sein Prätorianerpräfekt C. Nymphidius Sabinus hatte anderes im Sinn. Er redete der Prätorianergarde ein, Neros Sache sei verloren, und bewog sie, Galba als Kaiser anzuerkennen. Nero sah keinen anderen Ausweg als die Flucht in den Selbstmord; zwei Freigelassene halfen ihm dabei. Nun war nur noch ein Kaiser da: Galba. Freilich nur für etwa ein halbes Jahr. Dann machte sich Galba seinen bisherigen Verbündeten und Mitstreiter Otho dadurch zum Todfeind, daß er einen anderen zum Nachfolger ausersah. Otho hatte gute Beziehungen zu den Prätorianern. Es gelang ihm, sie dazu zu bewegen, Galba umzubringen und ihn selbst zum Kaiser auszurufen. Dies geschah am 15. Januar des Jahres 69 n. Chr. Galba hatte zu Beginn seiner kurzen Regierungszeit eine Maßnahme getroffen, die sich in ihren Folgen als höchst verhängnisvoll und katastrophal herausstellen sollte. Im Dezember 68 n. Chr. entsandte er einen Mann, den man bisher zu den Trabanten Neros zu rechnen gewohnt war, als Statthalter und Oberbefehlshaber der sieben damals am Rhein stehenden Legionen 42 Aulus Vitellius. nach Germanien mit dem Amtssitz in Köln. Diese Ernennung erwies sich in kürzester Frist als krasser Mißgriff. Wie sich das herausstellte, wird nachher zu schildern sein. Zuvor aber ist die Frage zu beantworten, was für ein Mann das war, den Galba für ein so bedeutendes Amt ausersehen hatte. Zeitgenössische Quellen im eigentlichen Sinne fehlen. Die ausführlichsten biographischen Nachrichten über Vitellius fmden sich bei dem Schriftsteller C. Suetonius Tranquillus; er wurde um das Jahr 70 n. Chr. geboren, seine Lebenszeit steht also der des Vitellius noch relativ nah. Von Sueton besitzen wir die Biographien der vierzehn römischen Herrscher von C. Iulius Caesar, dem Diktator, bis Domitian (81-96), den letzten Kaiser aus dem Haus der Flavier. Aus Sueton kennen wir auch das Motiv, das Galba bewog, gerade Aulus Vitellius nach Untergermanien zu schicken: Servius Sulpicius Galba, der selbst aus einer alten, vornehmen römischen Adelsfamilie stammte, hatte von Aulus Vitellius, der als Schmarotzer und Schlemmer im Kreis Neros bekannt war, eine sehr geringe persönliche Meinung, offenbar mit Recht, denn auch Tacitus nennt den Vitellius einen niedrigen Charakter. Als Galba diesen Menschen als Statthalter nach Köln schickte, war man in der Umgebung des Kaisers über die Wahl erstaunt: Galba aber soll erklärt haben, niemand sei weniger zu fürchten als Leute, die nur an die Freuden der Tafel denken; Vitellius könne die Reichtümer seiner Provinz dazu benützen, seinen unersättlichen Bauch zu füllen. Aus dieser Äußerung zieht Sueton den Schluß, Galba habe den Vittelius mehr aus Verachtung als aus Huld für das Statthalteramt ausersehen. Aufjeden Fall sah er 43 in Vitellius keinen potentiellen Rivalen. Gerade in diesem Punkt jedoch sollte er sich gründlich getäuscht haben. Wie eine übel erfundene Groteske liest sich - Sueton soll auch Klatsch nicht verachtet haben- die Schilderung der Schwierigkeiten, die Vitellius hatte, um überhaupt Rom verlassen und nach Köln reisen zu können. Er soll sein Vermögen so heruntergewirtschaftet haben, daß er nicht einmal genug Geld hatte, um standesgemäß nach seinem künftigen Amtssitz zu gelangen. Um die erforderliche Summe zusammenzukratzen, scheute er - immer nach Sueton - nicht vor der äußersten Würdelosigkeit zurück: er ließ seine Familie in eine Mietwohnung übersiedeln, um das Haus auf dem Aventin, das seine zweite Frau, Galeria Fundana, mit in die Ehe gebracht hatte, vermieten zu können, ja, er soll sogar seiner eigenen Mutter einen wertvollen Ohrring weggenommen haben, um ihn ins Pfandhaus zu tragen. Da er zudem noch hoch verschuldet war, mußte er die seltsamsten Listen und Tükken ersinnen, um seinen Gläubigem, die ihn nicht vor der Begleichung seiner Verbindlichkeiten aus der Hauptstadt abreisen lassen wollten, zu entwischen. Wie dieser seltsame Kandidat flir ein hochwichtiges Amt ausgesehen hat, läßt uns wiederum Sueton wissen: Vitellius sei überdurchschnittlich groß gewesen, berichtet der Autor, habe das gerötete Gesicht des regelmäßigen Weintrinkers und einen ansehnlichen Bauch gehabt; beim Gehen habe er das eine Bein etwas nachgezogen, wohl als Folge eines Unfalls, den er vor Jahren als Kumpan des Caligula beim Wagenrennen erlitten hatte. Die Schilderung der Physiognomie wird durch Skulpturen und Münzbilder bestätigt. Ein Porträtkopf des Vitellius steht in den Kapitolinischen Sammlungen in Rom. Dieser Kopf stellt nach Erika Simon, der Würzburger Ordinaria flir Klassische Archäologie, "einen feisten älteren Mann von gewöhnlichem Aussehen dar. Sein Porträt ist naturalistisch aufgefaßt, die schlaffe Haut, die Fettpolster des Halses, die kleinen Augen sind unangenehm getreu wiedergegeben." Diese Beschreibung wird durch die Münzbilder bestätigt: Der Eindruck des Gewöhnlichen wird dort durch die Mundpartie mit den wulstigen Lippen noch unterstrichen. Man versteht danach besser, daß Galba von diesem Manne nichts beflirchten zu müssen glaubte, daß er ihn flir völlig ungefahrlich hielt. Dabei übersah Galba freilich, daß er selbst bei den rheinischen Legionen in Mainz, Bann und Neuß keinerlei Sympathien genoß; vielleicht wußte er das auch nicht. Unter anderem verziehen ihm die Soldaten nicht, daß er ihnen das Geldgeschenk verweigert hatte, das ein Herrscher beim Regierungsantritt zu geben pflegte. Aber das war wohl nur der äußere Anlaß zu den auf- 44 kommenden Kundgebungen der Unzufriedenheit und des Mißfallens; den rheinischen Legionen ging es kaum noch um die Person des in Rom amtierenden Kaisers; sie wollten einen Machtwechsel, der ihren eigenen Interessen entsprach, die Erhebung eines Kaisers ihrer eigenen Wahl, eines Mannes vor allem, von dem sie sich einen erfolgreichen Zug über die Alpen mit rücksichtsloser Plünderung des Reichslandes, reiche Belohnungen, lohnende Posten und alle möglichen anderen Vorteile versprachen. In diese Situation hinein machte sich Vitellius auf die Reise nach Köln. Mit einer Schläue und Geschicklichkeit, die ihm weder Galba noch sonst jemand in Rom zugetraut hätte, verstand er es schon unterwegs, sich durch betont joviales Auftreten bei den einfachen Leuten und vor allem bei den Soldaten beliebt zu machen. Wenn wir noch einmal Sueton folgen dürfen, so "umarmte er auf der Reise sogar gemeine Soldaten, die ihm begegneten, zeigte sich in den Ställen und Herbergen gegen Eselstreiber und Reisende höchst leutselig, fragte jeden Morgen jedermann, ob er schon gefrühstückt habe, und tat durch Rülpsen kund, daß dies bei ihm schon der Fall sei." Die Soldaten suchte er für sich zu gewinnen, indem er verhängte Ehrenstrafen annullierte und Verurteilten ihre Strafen erließ. Das war der Vorgesetzte, den die Soldaten sich wünschten. Aus dieser Stimmung heraus sollten sich mit bestürzender Geschwindigkeit Ereignisse entwickeln, mit denen kaum Vitellius selbst gerechnet hatte. Wie in jedem Jahr war zum 1. Januar 69 n. Chr. die Erneuerung des Eides der Legionen auf den Kaiser fällig. Im ersten Buch seiner Historien gibt Tacitus, der größte Geschichtsschreiber der Epoche, eine äußerst farbige, für die Psychologie der Massen aufschlußreiche Darstellung der Vorgänge, die sich im Zusammenhang mit der geforderten Eidesleistung abspielten. Sein Bericht sei hier nur knapp zusammengefaßt: Nach anfänglicher Unschlüssigkeit erhitzen sich in der versammelten Truppe die Gemüter, die aufsässigsten Elemente führen einen Tumult herbei, schließlich fliegen Steine gegen die Bildnisse Galbas, sein Bild wird von den Fahnen gerissen, die Meuterei ist da. Generäle und Offiziere bleiben untätig, in Mainz sieht der Oberstkommandierende Hordeonius Flaccus dem Aufruhr machtlos und untätig zu. Vier mutige Tribunen der Legio XXII Primigenia in Mainz werfen sich den Wütenden entgegen, um die Kaiserbilder zu schützen; sie werden von der tobenden Masse fortgerissen und in Fesseln gelegt. "Keiner dachte mehr an die geschuldete Treue und den einmal geleisteten Eid." Um nicht in die Lage erklärter Staatsfeinde zu geraten und der Ächtung zu verfallen, einigen 45 sich die Wortführer auf den untauglichen Ausweg, den Eid statt auf den Kaiser auf die längst verloschenen Namen des römischen Senates und Volkes zu leisten. Die klarsichtigeren Führer des Aufstandes erkannten die Sinnlosigkeit und Nichtigkeit eines derart obsoleten Eides. Man brauchte einen Prätendenten, der sich an die Spitze der Bewegung stellen und mit den rheinischen Legionen gegen Galba ziehen würde. Es ist uns nicht überliefert, wer den Namen des Vitellius zuerst genannt hat. Sicher wissen wir aber, daß noch an dem nämlichen 1. Januar 69 der Adlerträger der Vierten Legion sich aufs Pferd warf, um nach Köln zu reiten. Nach einem Gewaltritt von 180 Kilometern traf er in der Nacht zum 2. Januar 69 dort ein und begab sich sogleich ins Praetorium, den Amtssitz des Vitellius, um diesem die Nachricht vom Abfall der Mainzer Legionen von Galba und von ihrer Absicht, ihn selbst zum Kaiser auszurufen, zu überbringen. Tacitus berichtet, Vitellius sei noch bei der Abendtafel gesessen, als der, von dem langen Ritt erschöpfte und durch die Umstände erregte Abgesandte der Aufständischen zu ihm geführt wurde. Der Wirklichkeit kommt vielleicht die Schilderung des Sueton näher: Demnach war es schon ziemlich spät am Abend oder schon in der Nacht, als der Bote Köln erreichte, Vitellius hatte sich bereits zurückgezogen, um sich in seinem Schlafzimmer zur Ruhe zu begeben; dort hätten ihn die Soldaten ohne weitere Umstände aufgesucht, noch im Hausrock aus seinem Schlafraum geholt, ihn als Kaiser begrüßt, auf die Schultern gehoben und als neuen Herrn des Reiches durch die Hauptstraßen der Stadt getragen. Um dem eher komischen als feierlichen Bild so etwas wie Würde zu verleihen, seien einige Soldaten, vom Rausch des Ereignisses beflügelt, in den Marstempel der Stadt geeilt, wo das reichverzierte Paradeschwert des Diktators C. lulius Caesar wie eine kostbare Reliquie aufbewahrt wurde; sie nahmen die ehrwürdige Waffe und überreichten sie unter glückverheißenden, begeisterten Zurufen dem selbstgewählten neuen Herrn des Reiches als Sinnbild seines Anspruchs auf die Kaiserwürde. Dem improvisierten Huldigungszug durch die nächtlichen Straßen machte eine Brandkatastrophe einEnde: Im Quartier des soeben zum Kaiser ausgerufenen Vitellius war das Speisezimmer in Brand geraten, die lodernden Flammen veranlaBten den Herrn des Hauses, eilends dorthin zurückzukehren und für das Löschen des Brandes zu sorgen. Die Soldaten- abergläubisch, wie sie nahezu ausnahmslos waren - sahen in dem Zwischenfall ein böses Omen und zeigten sich bestürzt. Nicht so Vitellius; der Schlemmer bewahrte in diesem kritischen Augenblick die Geistesgegenwart und beruhigte die Erschreckten, 46 indem er ihnen zurief, so sollten die Fassung bewahren, das Feuer habe ihnen allen nur geleuchtet. Er behielt die Übersicht in der Gewißheit, daß es jetzt nur noch die Flucht nach vorwärts gab, daß Zögern oder gar Zurückweichen den sicheren Untergang bedeutet hätte. Vor allem aber mußte er sich nun der Zustimmung und Ergebenheit nicht nur der Legionen, sondern auch der benachbarten Völkerschaften und ihrer Städte versichern; noch in derselben Nacht schickte er Boten an die sieben rheinischen Legionen und ihre Kommandeure mit der Aufforderung, sich ihm anzuschließen. Das nächstgelegene Winterlager, so berichtet Tacitus, war das der Ersten Legion in Bonn; ihr Befehlshaber, der Legat Fabius Valens, war nach demUrteil des Historikers der energischste und entschlossenste unter den Offizieren seines Ranges. Sein Vorgehen wurde zum Signal flir die Entscheidung der anderen rheinischen Legionen: Fabius Valens zog am folgenden Tag, dem 3. Januar 69, mit der Reiterei seiner Legion und ihrer Hilfstruppen in Köln ein und proklamierte Aulus Vitellius feierlich zum Kaiser. Nun gab es kein Halten mehr; als gelte es ein Wettrennen um den Ruhm des Kaisermachers, beeilten sich sämtliche am Rhein stehenden Truppen - sie stellten die stärkste und schlagkräftigste Armee des Reiches dar -, sich Vitellius anzuschließen und den Eid auf ihn zu leisten. Die Begeisterung der Truppen ergriff auch die Stämme und Städte der Region, unter ihnen vor allem natürlich die Einwohner von Köln und Trier; sie boten Vitellius flir seinen Zug nach Italien und Rom alle nur erdenklichen Hilfen an: Waffen, Pferde, Hilfstruppen und auch Geld, ohne das man bekanntlich keine Kriege führen kann. Der Eifer scheint so groß gewesen zu sein, wenn man wiederum Tacitus folgt, daß in den Legionen die Manipel, jene bekannten, aus jeweils zwei Centurien bestehenden taktischen Einheiten, geschlossen ihr Bargeld, ihre Brust- und Wehrgehänge und ihre silberverzierten Waffen für den Feldzug des neuen Kaisers zur Verfügung stellten; dasselbe taten zahlreiche einfache Soldaten. Anders als Galba verstand es Vitellius, sich bei der Truppe beliebt zu machen. Er sprach den Legionen seine Anerkennung und seinen Dank aus flir ihr Vertrauen und ihre Bereitschaft, ihm zu folgen. Besondere Zustimmung fand eine seiner ersten Maßnahmen, mit der er eine Reihe von Hofämtern, die bisher mit Freigelassenen besetzt wurden, römischen Rittern übertrug; das bedeutete flir eine Anzahl ergeiziger Männer und ihren Anhang den Zugang zu einflußreichen und auch einträglichen Posten. Den Centurianen (Hauptleuten) ließ er aus Mitteln des Fiscus die ausstehenden Urlaubsgelder ausbezahlen. Wie sehr Vitellius die 47 Kreatur einer aufsässigen Soldateska war, bewies er durch seine Nachgiebigkeit gegenüber der Forderung der Legionen, ihnen Offiziere und Beamte, die unter seinem Vorgänger ihre Wut erregt hatten, zur Bestrafung preiszugeben. Nur mit taktischen Manövern unternahm er es, völlig Unschuldige, Korrekte und Unbescholtene der ungerechten, gesetzwidrigen Verfolgung durch eine Willkürjustiz zu entziehen. Daß er den Titel Augustus, den man ihm in Köln anbot, nicht annehmen wollte und auch die Bezeichnung Cäsar ein ftir allemal ablehnte, stellte nichts weiter als Popularitätsbascberei dar, wie sie der Zeit keineswegs fremd war. Wahrend Vitellius mit der Einrichtung in seinem neuen Herrscheramt und mit der Vorbereitung seines Feldzugs beschäftigt war, wurde Galba umgebracht, Otbo ließ sieb zu seinem Nachfolger ausrufen. Da die Abneigung der rheinischen Legionen sieb in erster Linie gegen die PersonGalbas gerichtet hatte, war mit seiner Ermordung auch das Motiv eines Krieges gegen ihn entfallen; dem Reich hätte ein Bürgerkrieg erspart werden können. Doch durch die Kölner Kaiserproklamation hatte das Imperium in Otbo und Vitellius wiederum zwei Kaiser; zwischen ihnen mußte ein Waffengang entscheiden. Seine ausführliebe Schilderung gehört nicht mehr hierher. Die Entscheidung fiel am 14. April69 in der Nähe von Cremona. Das Heer des Vitellius schlug die Truppen des Otbo, der zwei Tage nach der Niederlage Selbstmord beging. Vitellius war Alleinherrscher. Seinen niedrigen Charakter offenbarte er in der widerwärtigsten Weise bei der Besichtigung 48 des Schauplatzes der Entscheidungsschlacht Als seine Begleiter vor dem Gestank der unbestatteten, bereits verwesenden Leichen zurückschauderten, sagte er, ein erschlagener Feind rieche gut, ein erschlagener Römer noch viel besser. Im Juli 69 zog Vitellius als Triumphator in Rom ein, unter Trompetengeschrnetter, wie Sueton berichtet, bekleidet mit dem paludamentum, dem Feldhermmantel, mit dem Schwert gegürtet, umgeben von Soldaten mit der blanken Waffe in der Hand. Mit dem Triumph über Mitbürger verhöhnte der neue Kaiser die Würde des Imperium Roman um; doch das kümmerte ihn nicht. Unter seinen Taten als Kaiser, die sich im wesentlichen unter den Stichwörtern Schlemmerei und Grausamkeit, Verschwendung und Rechtsbruch, zusammenfassen lassen, kann eine vielleicht doch auffallen: Durch ein Edikt ordnete er an, daß bis zum 1. Oktober 69 sämtliche Astrologen nicht nur Rom, sondern ganz Italien zu verlassen hätten. Zu seiner größten Erbitterung erschien in den Straßen der Hauptstadt umgehend das, was wir heute als Wandzeitung oder Wandparole bezeichnen würden; sie besagte, die von dem Edikt Betroffenen gäben hiermit bekannt, daß Vitellius bis zu jenem Datum (1. Oktober 69) nirgends mehr sein werde. Vitellius verstand keinen Spaß, er antwortete mit brutaler Gewalt. "Auf die bloße Anzeige hin", erklärt Sueton, "ließ er alle diese Leute mit dem Tod bestrafen." Hinsichtlich des Datums ftir das Verschwinden des Kaisers sollten die Astrologen mit ihrer Parole nicht ganz recht behalten; sie verfehlten es jedoch nur um wenige Wochen. Kaiser Vielfraß, wie ein Journalist unserer Tage den Vitellius bezeichnet hat, wurde am 20. Dezember 69 nach der Einnahme der Hauptstadt durch die Truppen seines Nachfolgers Vespasian vom Straßenpöbel zu Tode gemartert, seine Leiche in den Tiber geworfen. DasJahr der vier Kaiser, ein Jahr voll Blut und Greueln, war zu Ende; flir das nächste Vierteljahrhundert stellte eine neue Dynastie, die der Flavier, die Herren des Imperium Romanum. Vespasian. 49 Bertold K. Weis Flavius Claudius IulianusEin Kampf um den Oberrhein Im Sommersemester des Jahres 355 sah man in den Hörsälen der angesehensten Professoren der Athener Hochschule einen dreiundzwanzigjährigen Prinzen aus dem Hause Konstantins des Großen, einen Studenten unter Studenten, einen Bildungshunrigen, Wissensdurstigen unter anderen Bildungsbeflissenen, die sich später in der Welt des Geistes einen Namen machen sollten. Der ftirstliche Student war gegen Ende des Jahres 331 in Konstantinopel geboren worden, alsjüngster Sohn des Iulius Constantius, eines Stiefbruders Konstantins, und der Basilina, einer gebildeten Frau aus vornehmer Beamtenfamilie. Die Mutter starb wenige Monate nach der Geburt ihres Sohnes, der Vater fiel nach Konstantins Tod (22. Mai 337) jener Mordnacht (Anfang 338) zum Opfer, die allem Anschein nach von dem Kaisersohn Constantius angestiftet worden war: Außer den drei von den Militärs als Thronfolger anerkannten Söhnen Konstantins wurden alle männlichen Verwandten des großen Herrschers umgebracht. Der sechsjährige Iulianus entging nur deshalb dem Blutbad, weil ihm, dem sechsjährigen Bübchen, niemand irgendwelche Beachtung schenkte. Seine Jugend verlebte er von da an in einer wohl komfortablen, nichtsdestoweniger aber mißtrauisch überwachten Ehrenhaft außerhalb der Hauptstadt; dabei wurde ihm allerdings die Möglichkeit geboten, sich eine ebenso standesgemäße wie umfassende Bildung zu erwerben. Verwehrt wurde ihmjeder Auftritt undjede Ausbildung auf der politischen und der genauso wichtigen militärischen Bühne der Zeit. Doch in dem Jüngling steckte der angeborene Trieb, etwas Bedeutendes zu leisten, etwas Großes in der Welt zu werden. Da ihm der Zugang zu politischem Wirken und zu soldatischer Bewährung versperrt blieb, reifte in seinem Bewußtsein die Vorstellung, daß er zum bedeutenden Literaten und Hochschullehrer berufen sei. Unter diesen Umständen geriet ihm seine Studienzeit in Athen mit den unvergleichlichen Denkmälern der großen Vergangenheit, mit den Vorlesungen seiner immer noch berühmten Hochschule, mit den unübersehbaren Bücherschätzen seiner öffentlichen, jedermann zugänglichen Bibliotheken zu einem geistigen Rausch, der ihm noch später diese Zeit zur glücklichsten seines Lebens verklärte. Als Vetter des regierenden Kaisers Constantius II. (337-361) genoß der studierende Prinz, der ja auch in der Erbfolge angesichts der bisherigen Kinderlosigkeit des Kaiserpaares durchaus noch 50 eine Rolle spielen konnte, verständlicherweise ein mehr als alltägliches gesellschaftliches Interesse. Daß er sich zum erstenmal in seinem Leben so frei und ungezwungen bewegen durfte, verdankte er der Gattin seines Vetters Constanius, der ebenso schönen wie geistreichen und hochgebildeten Kaiserin Eusebia; sie war am kaiserlichen Hof wohl der einzige Mensch, der dem Prinzen ungeheucheltes Wohlwollen entgegenbrachte und den Kaiser dazu bewogen hatte, die Erlaubnis zu Iulians Studienaufenthalt in Athen zu erteilen. Über die äußere Erscheinung Iulians sind wir durch eine Beschreibung unterrichtet, die ein Zeitgenosse und Verehrer seiner Person und seiner Leistung, der lateinisch schreibende Grieche Ammianus Marcellinus aus Antiochia, der bedeutendste Historiker der Zeit, nach dem Tod seines Helden, gewissermaßen als Epitaphios, als Leichenrede, verfaßt hat. Darin heißt es: "Er war von mittelgroßer Statur, hatte weich fließendes, wie frisiertes Haar und trug einen struppigen, unten in einer Spitze endenden Bart. Die schönen, lebhaften, funkelnden Augen offenbarten eine scharfe Intelligenz. Die Augenbrauen waren elegant geschwungen, die Nase war sehr gerade, der Mund ein wenig zu groß; die Unterlippe hing etwas herab, der Nacken war stark, dabei leicht gebogen, die Schultern waren kräftig und breit. Vom Scheitel bis zu den Zehenspitzen war sein Körperbau harmonisch; daher besaß er bedeutende Körperkräfte und zeichnete sich auch als guter Läufer aus." Über Iulians Charakter und geistige Leistung äußert sich derselbe Ammianus mit Ausführungen, von denen er selbst meinte, sie seien ihm fast zu einer Lobrede geraten: "Ein höheres Lebensgesetz scheint diesenjungen Mann von seiner vornehmen Wiege an bis zu seinem letzten Atemzug geleitet zu haben. Denn in rasch wachsender Größe glänzte er in Krieg und Frieden derart, daß er wegen seiner Klugheit als ein zweiter Titus, Vespasians Sohn, galt, daß er durch glorreiche Feldzüge einem Trajan ebenbürtig, daß er gnädig wie Antoninus Pius war, daß er durch sein Aufspüren des korrekten, vollkommenen Wissens einem Mare Aurel gleichkam, nach dessen Vorbild er sein Handeln und seinen Charakter zu formen strebte. Ciceros Autorität lehrt uns, daß alles großen Wissens und Könnens Höhe uns beeindruckt wie die der Bäume, nicht in gleichem Maße jedoch ihre Wurzeln und Stämme. So wurden auch die ersten Äußerungen dieser glänzenden Begabung damals von vielen abschätzigen Kritikern mit Nebelschwaden verschleiert; und doch wäre sie seinen vielen späteren erstaunlichen Leistungen schon deshalb vorzuziehen gewesen, weil er als Jüngling, in frühen Jugendjahren, wie Erechtheus in 51 der Abgeschiedenheit der Minerva erzogen, aus dem stillen Schatten des Akademiehaines, nicht aus einnem Soldatenzelt, in den Staub der Schlachtfelder fortgerissen wurde, Germanien niederwarf, die Stromauen des eisigen Rheines befriedete und hier das Blut mordlustiger Könige vergoß, dort ihre Hände in Ketten legte." Wie ein schönes, blitzendes Kristallglas zersprang die Euphorie der Athener Studienzeit im Herbst desselben Jahres (355): Iulian erhielt von seinem kaiserlichen Vetter den Befehl, Athen unverzüglich zu verlassen und sich am kaiserlichen Hof in Mailand einzufinden. Den Anlaß der Rückberufung darzulegen, hielt der Kaiser nicht für erforderlich. Ihn erfuhr der Prinz erst in Mailand vom Kaiser persönlich. Was den mißtrauischen Herrscher, der sich während seiner bisherigen Regierungszeit mit mehreren U surpatoren, Gegenkaisern, auseinanderzusetzen gehabt hatte, veranlaßte, einen Mitinhaber der Macht als Cäsar, d. h. dem Kaiser untergeordneten Mitherrscher, zu berufen, waren zwingende politische und militärische Gründe. Wieder einmal waren die beiden seit langem brennenden Grenzen des römischen Reiches im Osten und Westen aufs höchste gef:ihrdet. Gerade jetzt hatten am Rhein Alamannen, Franken und Sachsen mehr als vierzig befestigte Plätze überrannt, verwüstet, geplündert, die Einwohner in die Sklaverei verschleppt. Das einstmals so blühende Gallien wurde durch die ständigen Raubzüge germanischer Scharen ausgeraubt, verödet, entvölkert. Iulian schildert die dortige Situation in einem wenig später abgefaßten Bericht: "Zahlreiche Germanen hatten sich bereits, absolut ungehindert, in der Umgebung der von ihnen zerstörten befestigten Städte niedergelassen. Sie hatten die Befestigungsanlagen von etwa 45 Städten zerstört. Die uns zunächst gelegene feindliche Verteidigungsstellung lag bereits 54 Kilometer westlich des Rheins. Dreimal so tief war dazu die Ödlandfläche, die sie zwischen sich und uns gelegt hatten. Die Gallier hatten nicht einmal Weideland ftir ihre Herden. Selbst aus Städten, die von der feindlichen Invasion verschont geblieben waren, hatten sich die Einwohner aus Furcht abgesetzt." Das waren die Gründe, die Kaiser Constantius keine andere Wahl erkennen ließen, als seinen jugendlichen, noch nicht ganz vierundzwanzigjährigen, politisch und militärisch absolut unerfahrenen Vetter zum Cäsar zu ernennen und ihn als seinen Stellvertreter und Sachwalter, als Repräsentanten der kaiserlichen Autorität, nach dem verwüsteten Gallien zu schicken, um die germanischen Eindringlinge in ihre Schranken zu weisen und über den Rhein zurückzutreiben. Es gab niemand, dem Iulian seine tiefe Verzweiflung über dieses Himmelfahrtskommando offenbaren 52 konnte; er wußte, daß ihm alle Voraussetzungenn für einen derart gefährlichen Auftrag fehlten. Doch die Würfel waren gefallen, der Kaiser hatte entschieden, sein einmal ausgesprochener Wille ließ Einwände nicht mehr zu. Am 6. November 355 veranstaltete Kaiser Constantius vor den Toren Mailands einen großen Appell der dort stationierten Truppen. Vor dieser waffenstarrenden Heeresversammlung bekleidete er seinen jungen Vetter, den neuernannten Cäsar, mit dem kaiserlichen Purpur. Um Iulian auch durch Familienbande an sich zu fesseln und sich damit seiner unbedingten Treue zu versichern, verheiratete er ihn gleichzeitig mit seiner Schwester Helena, die einige Jahre älter als Iulian gewesen sein dürfte. Sie sollte den Cäsar auf seinem Zug in die ihm nun unterstellten Provinzen Galliens, Britanniens und Spaniens begleiten. Am 1. Dezember 35 5 verließ lulian Mailand mit der geradezu kläglichen Eskorte von 360 Soldaten. In seinem Reisegepäck führte er ein ihm selbst kostbares Geschenk mit, das ihm Kaiserin Eusebia mit auf den Weg in den lateinischen Westen mitgegeben hatte, eine Bibliothek griechischer Autoren, die ihn in seinen Mußestunden über die jähe Trennung von Studium und Hochschule trösten sollten. Als Iulian auf seinem Weg nach Gallien in Turin eintraf, erhielt er eine Nachricht, die ihm gespenstisch vor Augen führen mußte, was ihnjenseits der Alpen erwartete: Das römische Köln, die Colonia Claudia Ara Agrippinensium, die Hauptstadt der Provinz Germania Inferior und Residenz des Provinzstatthalters, war von den Franken erst belagert, dann erstürmt und verwüstet worden. Als Residenz war Iulian die Stadt Vienne zugewiesen worden. Doch als er sich hier eingerichtet hatte und mit seinen Aufgaben vertraut zu machen begann, stellte er sogleich mit Enttäuschung und Erbitterung fest, daß er nur dem Namen nach Statthalter des Kaisers in seinen Provinzen sei, dabei aber nichts zu sagen haben sollte. In Wirklichkeit hatte der Kaiser ihm nur die Rolle einer Repräsentationsfigur vorbehalten; der junge Cäsar sollte nichts weiter zu verantworten haben, als bei den unvermeidlichen öffentlichen Anlässen dem Volk den kaiserlichen Purpur zu zeigen und mit ihm an die ferne Autorität des Kaisers zu erinnern. Im übrigen hatte Constantius dafür gesorgt, daß es seinem Vetter nicht einfallen konnte, sich in die Abwicklung der Verwaltungsgeschäfte oder gar in die Fragen des militärischen Kommandos und die Entscheidungen über militärische Operationen einzumischen. Dafür waren die Oberbeamten und ein vom Kaiser selbst ernannter General zuständig; der letztere sollte sich sehr bald als bösartig, widersetzlich und zu allem Überfluß auch noch als unfähig er53 Römische Legionäre in der Schlacht. Mainz, Landesmuseum. weisen. Alles war so eingerichtet worden, daß jeder neue Tag dem jungen Cäsar neue Demütigungen bringen mußte. Ein anderer hätte resigniert und sich mit dem äußeren Glanz seiner Stellung zufriedengegeben. Nicht so lulian. Ihn erfüllte jener unwiderstehliche Tatendrang, der ftir eine echte Führernatur charakteristisch ist. Er benützte die Wmtermonate in Vienne, um sich einerseits mit allen Problemen der Verwaltung und vor allem mit den Fragen des Wiederaufbaus der heruntergekommenneu Provinzen vertraut zu machen, andererseits sich die genaueste 54 Kenntnis aller Details des praktischen Dienstes mit der Waffe zu verschaffen. Kein anderes Bild hätte die erstaunliche innere und äußere Verwandlung des bisherigen Stubenhockers, Bibliotheksbesuchers, Bücherwurms und Zitatensammlers krasser veranschaulichen können als die Erscheinung des Purpurträgers auf dem Exerzierplatz, auf dem er nicht nur den Paradeschritt einübte, sondern sich überhaupt den einfachsten und härtesten Übungen eines Rekruten unterwarf. Es war ihm durchaus bewußt, wozu er sich da selbst nötigte, denn auf dem Kasernenhof gedachte er seufzend seiner geliebten Platon-Studien und rief, auf ein altes Sprichwort anspielend, in ihm habe man einen Ochsen zum Reitpferd gemacht. Doch alles, was er ftirs erste tat, um sich das Rüstzeug ftir ein Wirken nach seinen Vorstellungen anzueignen, mußte so lange Theorie bleiben, als ihm verwehrt blieb, sich so oder so die Kompetenz zu selbstverantwortlichem Handeln zu erstreiten. Davon jedoch konnte vorerst gar keine Rede sein. Was ihm zuteil wurde, war wiederum nur eine äußere Auszeichnung ohne praktische Folgen: Der Kaiser beehrte den jungen Cäsar damit, daß er ihn am 1. Januar 356 als Amtskollegen mit ihm zusammen, die von vielen noch immer sehr begehrte Würde des Konsulats übernehmen ließ. Für Iulian bedeutete dies nichts weiter, als daß alle Gesetze und Edikte des folgendenJahresneben derUnterschriftdes Kaisers auch die seines Cäsars trugen. Ein Karrierebeamter wäre von der Auszeichnung entzückt gewesen. Daß solcher äußere Glanz ftir ihn zugleich auch äußerste Ohnmacht bedeutete, sollte Iulian bald erfahren. Als das Frühjahr 356 und damit der Zeipunkt ftir den Beginn der militärischen Aktivitäten gekommen war, machten sich die Alamannen, wie in den vorhergehenden Jahren gewohnt, zu einem neuen Raubzug in die benachbarten GebieteGalliens aufund gelangten, ohne ernstlichen Widerstand zu finden, bis ins Morvan, an den Nordwestrand der heutigen Bourgogne. Iulians spontanes,jugendlich ungeduldiges Temperament hätte zum sofortigen Eingreifen gedrängt, doch ihm fehlte das militärische Kommando. Der General, den der Kaiser mit dem Truppenkommando betraut hatte, dachte nicht einmal daran, den Cäsar, der nach wie vor in Vienne saß, über seine strategischen Absichten zu unterrichten. Genauso erging es diesem, als er kurz darauf die Nachriebt erhielt, daß die Alamannen bei einem überraschenden Überfall um ein Haar das wichtige, befestigte Augustodunum (Autun) erstürmt hätten; nur das Eingreifen der im Umland der Stadt angesiedelten Legionsveteranen hatte im letzten Augenblick den Fall der Stadt verhindert. 55 Kaiser Iulianus Apostata. Paris, Louvre. Erst viel später, um die Zeit der Sommersonnenwende, wurde lulian vom Kaiser selbst angewiesen, sich nach Remi (Reims) zur Truppe zu begeben. Was er dort sollte, wurde ihm nicht mitgeteilt. Bereitsam 24. Juli war er mit seinem Begleitkommando, das im wesentlichen aus seiner Leibwache bestand, in Au tun eingetroffen. Ohne sich um die Warnungen übervorsichtiger Offiziere zu kümmern, gelangte er auf einem ungesicherten Abkürzungsweg nach Autessiodurum (Auxerre), zersprengte unterwegs marodierende Alamannenschwärme und nahm einzelne verstreute Trupps von ihnen gefangen. Über Tricasini (Troyes) erreichte er in Eilmärschen Reims. Erst hier wurde er über den Operations- 56 plan, an dem der Kaiser diesmal persönlich mitwirken wollte, unterrichtet. In einer Art Zangenbewegung, wie sie Jahrhunderte zuvor, allerdings in weit umfassenderem Maßstab, schon Drusus und Tiberius im rechtsrheinischen Germanien unternommen hatten, sollte einerseits eine von Kaiser Constantius selbst befehligte Armee zwischen dem Bodensee und Basel den Rhein überschreiten und von Süden her gegen das Siedlungsgebiet der Alamannen im Schwarzwald vorgehen, andererseits erhielt die von dem General Marcellus kommandierte Heeresgruppe, zu der Iulian in Reims gestoßen war, die Weisung, auf der elsässischen Seite stromabwärts zu operieren, die Kontrolle über das linke Rheinufer wiederherzustellen und die Alamannen an einem erneuten Vorstoß über den Strom hinweg in gallisches Gebiet zu hindern. Im Verlauf dieser Operationen am Oberrhein erfuhr Iulian, daß Straßburg, Brumath, Zabern, Selz, Speyer, Worms und selbst das starke Mainz in die Hände der Alamannen gefallen waren. In den Städten selbst hielten sie sich jedoch nicht auf, da sie diese befestigten Plätze "wie mit Netzen umstrickte Gräber" scheuten; dasUmlandder Städte aber hielten sie besetzt. Da Köln sich noch immer in den Händen der Franken befand, gehörten nunmehr am ganzen Rhein entlang die Einfallstore nach Gallien den Germanen. Es galt also, diese wichtigen Plätze ZUrückzugewinnen und die Rheingrenze wieder sicher zu machen. Tatsächlich wurde alsbald Brumath zurückerobert und den plündernd nach Westen drängenden Alamannenscharen der Weg über die Zaberner Senke nach Innergallien gesperrt. In ähnlicher Weise wurden nacheinander die anderen Städte am Rhein zurückgewonnen und schließlich gegen Ende des Sommers das wichtige Köln wieder in römischen Besitz gebracht. Ohne selbst das Kommando innegehabt zu haben, konnte der junge Cäsar auf diesem ersten Feldzug zahlreiche wichtige Erfahrungen sammeln, die ihm bald von unmittelbarem Nutzen sein sollten. Als Standort flir sein Winterquartier 356/357 wählte Iulian die befestigte gallische Stadt Agedincum (Sens). Dorthin begab er sich mit seiner Leibwache und den wenigen ihm überlassenen Soldaten. Er sollte dort schnell erfahren, wie unsicher und gefährdet die Ergebnisse des Sommerfeldzuges waren, den er gerade mitgemacht hatte. Unversehens erschien eine starke Alamannenschar vor den Mauern von Sens, hinter denen der Cäsar mit seiner kleinen Truppe sich sicher gewähnt hatte. Die Stadt wurde eingeschlossen und dreißig Tage lang belagert. Einen Ausfall zu wagen, um die Belagerer mit Waffengewalt zu vertreiben, verbot die Schwäche der Besatzung. Der nicht allzuweit von Sens überwinternde Marcellus rührte keinen Finger, um dem bedrängten Cä57 Gemme mit der Büste Kaiser Constantius II., geschaffen zwischen 350- 361. Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Antikenabteilung. sar zu Hilfe zu eilen oder ihm wenigstens eine kleine Hilfstruppe zu schicken; es schien ihm im Gegenteil geradezu eine Genugtuung zu bereiten, den ihm - wohl schon wegen seiner Bildung und geistigen Überlegenheit - widerwärtigen und wegen seines offenkundigen Drängens nach eigener Aktivität als naseweis betrachteten jungen Mann in der Klemme stecken zu sehen. Doch damit hatte er den Bogen überspannt und das Ehrgefühl und Selbstbewußtsein des Cäsars unterschätzt. Als die Belagerer nach dreißig bangen Tagen endlich abgezogen waren, beschwerte sich lulian in aller Form beim Kaiser selbst. Sogar ihm schien nun die Unverschämtheit des Marcellus das Maß zu übersteigen. Der General wurde aus dem Dienst entlassen und in Pension geschickt. Das stellte zum mindesten einen Prestigeerfolg des jungen Cäsars dar. Iulian wurde nun in die Lage versetzt, in den ihm unterstellten Provinzen auch militärische Entscheidungen selbst zu treffen, denn Severus, der Nachfolger des Marcellus, war nicht nur ein erprobter, tüchtiger Soldat und General, sondern auch ein loyaler Mitarbeiter, der bereit war, sich den Weisungen des Cäsars zu fUgen. Für den Feldzug des nächsten Jahres (357) bot Kaiser Constantius eine weitere Heeresgruppe von 25.000 Mann auf. Aus Vorsicht und Mißtrauen unterstellte er sie aber nicht lulian selbst, sondern gab ihr in dem Magister militum Barbatio einen eigenen Oberkommandierenden, der Weisungen und Befehle nur unmittelbar vom Kaiser selbst empfangen sollte. Daß dies zu neuen Schwierigkeiten, möglicherweise sogar zu militärischen Mißerfolgen, wenn nicht gar Katastrophen ftihren mußte, war geradezu vorprogrammiert: Barbatio verhielt sich so, als sei seine Haupt- 58 Wichtige Straßenverbindungen der Römer. aufgabe, Erfolge des Cäsars zu verhindem und eher lulians Unternehmungen zu behindern als die des Gegeners. Der Feldzugsplan fl.ir das Jahr 357 sah vor, daß die Alamannen, wiederum im Verlauf einer Zangenbewegung, durch zwei Armeen von Westen und Süden anzugreifen seien: im Westen durch die Truppen Iulians und des Severus, im Süden durch die 59 25.000 Mann des Barbatio. Als erste Maßnahme hatte Iulian die Neubefestigung von Zabem veranlaßt, um erneute Vorstöße der Alamannen an dieser ihnen wohlbekannten Stelle zu unterbinden. Inzwischen aber hatte Barbatio, ohne Rücksicht auf den vereinbarten gemeinsamen Operationsplan, versucht, eigene Lorbeeren einzuheimsen. Er begann am Oberrhein, vermutlich etwas unterhalb des Baseler Rheinknies, den Bau einer Schiffsbrücke über den Strom. Doch die Alamannen störten mit den primitivsten Mitteln - sie ließen starke Balken stromabwärts gegen die Brückenpfeiler treiben- Barbatios U ntemehmen so wirksam, daß der General kehrt machte. Auf seinem Rückmarsch in die Ausgangspositionen überfiel ihn eine starke alamannische Abteilung. Barbatio verlor einen erheblichen Teil seines Trosses und wurde bis über Basel hinaus in Richtung auf Augst (Augusta Raurica) verfolgt. Damit hatten die römischen Truppen nicht nur eine schmähliche Niederlage erlitten, der ganze Feldzugsplan ftir diesen Sommer war undurchflihrbar geworden. Iulian sah sich mit seiner Heeresgruppe bei Zabem isoliert. Für die sieben Alamannenflirsten, die sich unter Führung des kampferprobten, unerschrockenen Chnodomar zur Abwehr der römischen Angriffe zusammengeschlossen hatten, war dies das Signal, zu einem Vernichtungsschlag gegen die nunmehr allein gelassene Armee des Cäsars auszuholen, denn diese war kaum mehr als halb so stark wie die Truppen des geschlagenen und geflüchteten Barbatio. Mit einem Umstand rechneten die Alamannenftirsten nicht: mit der Tatsache, daß der zielbewußte Cäsar in der alamannischen Kräftekonzentration flir sich selbst die Möglichkeit erkannte, den Gegner so entscheidend zu schlagen, daß die zu durchlässig und unwirksam gewordene Grenze am Rhein endlich wieder gesichert und den Jahr um Jahr sich wiederholenden Einfallen germanischer Scharen in Gallien ein Ende bereitet werden könnte. Die Alamannenkönige begannen, unterhalb der Mündung der 111 auf dem rechten Rheinufer ihre Kriegerscharen zusammenzuziehen und dann den Rheinübergang zu bewerkstelligen. Innerhalb von drei Tagen und drei Nächten brachten sie etwa 35.000 Mann über den Strom auf das linke Ufer. Bis dahin hatte Iulian siegewähren lassen. Eine weitere Verstärkung des Gegners beabsichtigte er nicht zuzulassen. Auf der alten römischen Straße nach Straßburg setzte er von Zabem aus seine Truppe in Marsch. Es war Hochsommer, die Felder waren noch nicht abgeemtet. Von einer leichten Bodenerhebung, die man in einer Geländewelle südlich des Dorfes Mundeisheim an der heutigen Straße Straßburg-Brumath zu erkennen geglaubt hat, erblickten Iulians Aufklärer erstmals die gewaltige alamannische Streitmacht. Den 60 Bronzestatuette eines Alemannen (3. Jh. n. Chr.). Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum. Verlauf der dann folgenden Schlacht, die als die berühmte Schlacht von Straftburg in die Geschichte eingegangen ist, kennen wir recht genau aus der Schilderung des Ammianus Marcellinus, der als erprobter Offizier und kriegserfahrener Soldat, als Fachmann spricht, wenn er auch, als Literat, seinen Bericht gelegentlich etwas blumig ausschmückt, besonders wenn er die Reden zitiert, die der Cäsar unmittelbar vor dem Beginn der Schlacht an seine Soldaten gerichtet haben soll und in einer wohl einfacheren und kürzeren Form auch gehalten hat. Eine Kostprobe seiner Darstellungskunst mag seine Beschreibung des alamannischen Heerkönigs Chnodomar bieten, den er wie folgt charakterisiert: "Chnodomar, der verhängnisvolle Urheber des ganzen Kriegsgeschehens trug einen flammend roten Helmbusch. Er ritt vor dem linken Flügel seiner Reiterei her, verwegen, auf die gewaltige Kraft seiner Muskeln vertrauend, stets dort zu fmden, wo ein hitziges Gefecht zu erwarten stand, riesenhaft, hochaufgerichtet auf schäumendem Pferd, mit einem Wurfspeer von furchterregender Länge bewaffnet. An seiner schimmernden Rüstung konnte man ihn unter den anderen leicht erkennen." Mit seiner starken Reiterei, dem Stolz seiner Streitkräfte, hatte es Chnodomar zunächst auf die als unüberwindlich geltenden römischen Panzerreiter abgesehen. Um auch ihren gepanzerten Pferden beizukommen, hatte er zwischen seinen eigenen Reitern flinke, leichtbewaffnete junge Leute versteckt, die während der Atakke unter die römischen Pferde schlüpfen, ihnen den Bauch aufschlitzen, so die Reiter zu Fall bringen und eine Panik unter den römischen Schwadronen hervorrufen sollten. Tatsächlich wandte 61 sich die römische Reiterei zu kopfloser Flucht und hätte um ein Haar die Kampflinie der eigenen Legionäre niedergeritten; durch sein persönliches Eingreifen brachte Iulian die Fliehenden zum Stehen und führte dadurch eine Wendung herbei. Auch bei den Legionären gab es in der Mitte der Schlachtordnung zuerst einen Augenblick der Schwäche; der Cäsar griff in dieser kritischen Situation ebenfalls persönlich ein, ließ die in Bereitstellung wartenden Reserven vorrücken, brachte die vom Weichenden zum Stehen und leitete einen energischen Gegenangriff ein. Die alamannischen Schlachtkeile sahen sich am Ende von der römischen Kampflinie überflügelt und mußten die Umzingelung befürchten. Chnodomar selbst fürchtete, in römische Gefangenschaft zu geraten unnd gab das Signal zum Rückzug. Die alamannischen Krieger stoben in hastiger Flucht davon, dem Rheinufer zu, um sichjenseits des Flusses aufihrem eigenen Territorium in Sicherheit zu bringen. Der Bericht des Ammianus Marcellinus über das Ende dieser Vernichtungsschlacht hat strekkenweise pathetische Züge, entspricht im Kern aber gewiß der Wirklichkeit: "Wie wenn bei einer Theateraufftihrung der aufgehende Vorhang manches wunderbare Szenenbild enthüllt, so konnte man nun hier furchtlos zusehen, wie sich einzelne, des Schwimmens unkundige, an tüchtige Schwimmer anzuklammern versuchten, während andere wie Baumstämme im Wasser trieben, wenn sie von den Gewandteren weggestoßen worden waren. Als ob der reißende Strom mit ihnen ringe, wurden manche von den Strudeln hinabgezogen und verschlungen. Manche trieben auf ihren Schilden dahin, wichen den ihnen entgegenbrandenden, steil sich türmenden Wassermassen durch Zickzackschwimmen aus und erreichten nach vielen Fährnissen das jenseitige Ufer. Schäumend von Barbarenblut war der rot verfarbte Strom selbst erstaunt über dieses ungewöhnliche Anschwellen seines Gewässers." Chnodomar versuchte ebenfalls, mit seinen getreuesten Gefolgsleuten zu entkommen. Trotz seiner vorher zur Schau getragenen Siegesgewißheit, hatte er auch die Möglichkeit einer Niederlage in seine Überlegungen einbezogen undam Rhein einen Kahn bereitstellen lassen, mit dem er den Fluß zu überqueren und auf eigenes Gebiet zu entkommen gedachte. Auf dem sumpfigen Boden des Ufergeländes glitt sein Pferd aus und stürzte. Er selbst konnte zu Fuß noch ein Versteck erreichen, wurde jedoch entdeckt, erkannt und gefangengenommen. In ihm verloren die Alamannen ihren fahigsten und tatkräftigsten Anführer; dies war vielleicht das wichtigste Ergebnis der Schlacht von Straßburg. Über die Verluste, die beide Seiten in dieser Schlacht erlitten hat- 62 Säulensockel mit der Darstellung gefangener Germanen (Ende des 1. Jh.). Mainz, Landesmuseum. ten, berichtet wiederum Ammianus: "In dieser Schlacht fielen 243 römische Soldaten und vier Offiziere: der Tribun der Comuten" - einer Truppe, die vermutlich nach einem hornähnlichen Helmstück so hieß - "Bainobaudes, desgleichen Laipso und der Chef der Panzerreiter lnnocentius, sowie ein namentlich nichtgenannter überzähliger Tribun. Auf der Gegenseite wurden auf 63 dem Schlachtfeld 6.000 tote Alamannen gezählt; ungezählte andere Leichen wurden von den Wellen des Stroms davongespült." Da die Zahl von sechstausend toten Alamannen von einem anderen, allerdings späteren und griechisch schreibenden Autor bestätigt wird, darfman annehmen, daß sie das katastrophale Ausmaß der alamannischen Niederlager einigermaßen richtig charakterisiert. Im Rausch und Begeisterungstaumel des errungenen Sieges wollten die Soldaten ihren jungen Feldherrn zum Augustus, zum Kaiser, ausrufen; Iulian wußte, daß die Annahme des Titels zum bewaffneten Konflikt mit dem legitimen Kaiser, seinem Vetter Constantius, führen und den Bürgerkrieg bedeuten würde. Er wies die Soldaten scharf zurecht, erklärte, sie handelten leichtfertig, und beschwor, daß er diesen Titel weder erwarte noch wünsche. Den gefangenen Chnodomar ließ er sich vorführen und gab ihm zu verstehen, daß er von ihmnichts zu befürchten habe. In einem Brief, den lulian ein paar Jahre später an den Rat der Stadt Athen schrieb, rühmte er sich etwas aufdringlich der schonenden Behandlung, die er dem gefangenen Alamannenftirsten angedeihen ließ: "Ich hätte meinen Gegner hinrichten lassen können, auch hätte mich niemand hindem können, ihn, Chnodomar, durch das ganze Keltenland zu führen, ihn in den Städten zur Schau zu stellen und ihn in seinem Unglück zu verhöhnen. Ich war der Auffassung, daß ich nichts von alledem tun solle, und schickte den Gefangenen geradewegs zu Constantius." Der Kaiser ließ lulians Gefangenen von Mailand nach Rom bringen. Dort lebte Chnodomar bis zu seinem Tod in dem Ausländerlager auf dem Mons Caelius. Ammianus erzählt, der Alamannenfürst sei dort an Schlafsucht (Somnolenz) gestorben; der Germane konnte vermutlich das Klima der Reichshauptstadt und die Gefangenschaft nicht ertragen. Iulian dachte nicht daran, sich auf den ersten Lorbeeren des Feldherrn auszuruhen. Ihm war klar geworden, daß bis zur Sicherung der römischen Grenze am Oberrhein noch viel zu tun bleibe. Von Zabem aus zog er mit seinen Truppen stromabwärts, ließ bei Mainz eine Schiffsbrücke über den Rhein schlagen, die Dörfer der Alamannen jenseits des Flusses brutal verwüsten und die Fliehenden bis über den Main hinweg verfolgen. An der Mündung der Nidda in den Main veranlaßte er die Instandsetzung der Ruine eines zerstörten, vor langer Zeit aufgegebenen Kastells, das Kaiser Trajan vor zweieinhalb Jahrhunderten hatte errichten lassen, und besetzte es mit einer kleinen Garnison; wieder bewachten römische Legionäre ein Kastell im rechtsrheinischen Germanien. Das konnte freilich nur als Schaustück, als spektaku- 64 läre Geste des Auftrumpfens gelten; das war gewiß auch dem Cäsar klar. Auf der anderen Seite war diese Demonstration ein Signal für die Alamannen; sie wußtenjetzt, daß die Zeit der ungehinderten und ungestraften ÜberfaJle aufrömisches Gebietjenseits des Rheins vorläufig vorbei sei. Ihre Einsicht bekundeten sie dadurch, daß sie ihre Fürsten zu Iulian schickten und um Frieden ersuchten. Dieser wurde gewährt und von beiden Seiten beschworen. Dann begab sich Iulian nach Paris, wo er auch in den folgenden Jahren sein Winterquartier bezog. Im zeitigen Frühjahr 358 überraschte lulian die salischen Franken an der unteren Maas und Scheide und zwang sie zur Anerkennung der römischen Oberhoheit. Um aus Britannien, das für die römischen Truppen im verwüsteten Gallien zur Kornkammer geworden war, Proviant für seine Armee herbeischaffen zu können, befahl er, zweihundert Transportsschiffe, die er im Mündungsgebiet des Rheins und der Maas vorgefunden hatte, instandzusetzen; dazu ließ er in knapp zehn Monaten vierhundert neue bauen. Nach der Wiederherstellung der Sicherheit auf dem Rhein war mit dieser riesigen Transportflotte die Versorgung der Truppen, mit denen der Cäsar seine weiteren Operationen durchzuführen gedachte, gesichert. Nachdem der letzte Alamannenschwarm von gallischem Boden vertrieben war, galt es, die verwüsteten Städte und Dörfer neu zu besiedeln und die Felder zu bestellen. Dazu war notwendig, daß Römi scher Gutshof. Zinnfiguren-Diorama. Aalen, Limesmuseum. 65 die Alamannen die Tausende von Gefangenen herausgaben, die sie von ihren Streifzügen durch Gallien auf rechtsrheinisches Gebiet mitgeschleppt hatten und dort noch immer als Sklaven hielten. Erneut wurde eine Schiffsbrücke über den Oberrhein geschlagen, die Legionen wurden auf rechtsrheinisches Territorium übergesetzt. Es war der Frühsommer des Jahres 359, des vierten Jahres der Anwesenheit lulians in Gallien. Jetzt beugten sich die Alamannenftirsten dem militärischen Druck und sagten die Freigabe aller aus Gallien weggeftihrten Gefangenen zu. Kleine Schwindeleien, die sie bei der Übergabe versuchten, wurden durch lulians Umsicht vereitelt. Ein wichtiger Schritt zum Wiederaufbau des verwüsteten Gallien war getan. Die Erfolge des Cäsars sprachen sich natürlich auch in den anderen Provinzen des Reiches herum. Die Hofschranzen in Mailand kannten ihren Herrn und glaubten, es ihm schuldig zu sein, die Leistungen des noch nicht achtundzwanzigjährigen Cäsars, des ehemaligen Buchgelehrten und Rhetorikadepten, mit höhnischen Kommentaren herabzusetzen. Sie bezeichneten ihn mit dem Spitznamen Victorinus (Siegerlein), beschimpften ihn als geschwätzigen Maulwuif, als Affen im Purpur, als degenerierten griechischen Schreiberling. Dem hart erkämpften Erfolg antwortete am Kaiserhof die schrille Stimme des Neides, der erbärmlichen Mißgunst. Gegen Ende des Jahres 359 veranlaßte die Bedrohung der Ostgrenze des Reiches am Euphrat durch das neupersische Reich Kaiser Constantius zu einer sehr unüberlegten und ftir ihn selbst verderblichen Maßnahme. Er schickte einen subalternen Abgeordneten nach Paris mit dem Auftrag, etwa rund die Hälfte der besten Soldaten des Cäsars nach dem Osten zu fUhren; sie sollten die Truppen des Kaisers verstärken. lulian selbst erhielt vom Kaiser nichts weiter als die briefliche Weisung, sich in diesen Vorgang der Truppenverlegung nicht einzumischen. Aber die Soldaten IuHans wollten sich wedervon ihrem siegreichen Feldherrn trennen noch an die ferne Ostgrenze des Reiches abkommandieren lassen. Die Mehrzahl von ihnen stammte aus den gallischen Provinzen. Germanen, die sich unter die römische Hilfstruppen hatten einreihen lassen, waren mit der verbindlichen Zusage eingestellt worden, daß man sie niemalsjenseits der Alpen einsetzen werde. Es kam zu einer offenen Militärrevolte, die Armee rief den Sieger von Straßburg, diesmal ohne wenn und aber, zum Augustus, zu ihrem Kaiser, aus. Wiederum sträubte sich Iulian, die Kaiserproklamation anzunehmen, doch die Soldaten ließen sich, in ihrer Erregung, auf kein Ausweichen oder Zögern ein. Iulian wurde, mehr gezwungen als freiwillig, öffentlich zum Kaiser gekrönt. 66 Diese Vorgänge spielten sich in Paris gegen Ende des Wmters 359/360 ab. Jetzt konnte über den offenen Konflikt nur noch eine bewaffnete Auseinandersetzung entscheiden. Über ihren Verlauf ist in diesem Zusammenhang nicht mehr zu berichten. Der Bürgerkrieg jedenfalls wurde vermieden: Kaiser Constantius starb überraschend auf seinem Zug gegen Iulian, ehe es zu einem Zusammenstoß der beiden Heere kam. Wieder hatte das Reich einen einzigen Kaiser: Iulian. Der Nachwelt ist er mehr durch einen Religionskampf bekarmt, auf den er sich, gewiß aus Idealismus, aber in völliger Verkennung der Situation, eingelassen hat; dieser Konflikt hat ihm den Namen des Apostaten eingetragen, als der er zum Helden zahlreicher Romane und romanhafter Biographien geworden ist. Sein Kampf um den Oberrhein hat den Zusammenbruch der römischen Herrschaft über Gallien und das linksrheinische Germanien um ein halbes Jahrhundert hinausgezögert. Sein Auftreten am Rhein ist damit auch für die Geschichte des alten Germanien von entscheidender Bedeutung geworden. Münzporträt des Kaisers IuJianus. Solidus, geprägt um 360- 363 n. Chr. 67 Bertold K. Weis Ausonius, Mosella - Ein spätrömisches Gedicht auf die Mosellandschaft Man mochte das Jahr 365 n. Chr. schreiben, als am kaiserlichen Hof in der Residenzstadt Trier ein etwa ftinfundftinfzigjähriger Herr von soignierter äußerer Erscheinung, mit Habitus und Miene des selbstbewußten Gelehrten und Hochschullehrers eintraf und sich als Decimus Magnus Ausonius aus Burdigala (Bordeaux) vorzustellen wünschte. Der Kaiser Valentinian I. (364 bis 375) hatte ihn aus dem entlegenen Aquitanien, von der damals hochangesehenen Hochschule seiner Heimat Burdigala, von den Ufern der Garurnna (Garonne) an die der Mosel berufen; er wünschte den bekannten und geachteten Professor der Rhetorik und Sprachkünstler als Erzieher seines älteren Sohnes, des achtjährigen Prinzen Gratian, in seiner Umgebung zu haben. Daß die Berufung zum Prinzenerzieher eines Tages zu einer glänzenden politischen Laufbahn fUhren würde, konnte damals Ausonius selbst nicht ahnen. Man kann sich aber vorstellen, daß er die Reise nach Trier mit einem Gefühl des Stolzes unternahm; eine gewisse Beklemmung mag freilich auch nicht gefehlt haben, denn es war bekannt, daß in der nächsten Umgebung dieses Herrschers zu leben, kein Dasein in ungetrübter Heiterkeit bedeutete. Rekonstruierte Ansicht des spätantiken Triers (Anfang4. Jh. n. Chr.). Blick von der Anhöhe südlich des großen Tempelbezirkes im Altbachtal nach Norden (vgl. Stadtplan des römischen Trier). In Valentinians Charakter herrschte ein jähes Wechselspiel zwischen gutmütigen und humanen Zügen einerseits, und barbarischer Maßlosigkeit andererseits. Er war bekannt und geflirchtet wegen seines unbeherrschten Temperaments, seiner unberechenbaren, maßlosen Wutausbrüche - sein letzter hatte einen Schlaganfall und den jähen Tod des Kaisers zur Folge-, wegen seiner übertriebenen Strenge und grausamen Härte, die er auch seinen Mitarbeitern in Administration und Truppenflihrung als Prinzip einschärfte. Nach einem zeitgenössischen Berichterstat- Stadtplan des römischen Tri er: I Porta Nigra; 2 Horrea-Getreidespeicher; 3 Doppelbasilika unter dem Dom und der Liebfrauenkirche; 4 Aula palatina; 5 Circus; 6 Amphitheater; 7 großer Podiumtempel am Herrenbrünnchen; 8 Tempelbezirk im Altbachtal; 9 Kaiserthermen; 10 Forum; ll-12 städtische Villen und Paläste; 13 Barbarathermen; 14 Römerbrücke Güngere Steinpfeilerbrücke); 15 Tempelbezirk des Lenus Mars; 16-17 Brückenkopf und ältere Pfahlrostbrücke; 18-19 Triumph- und Ehrenbögen. 69 Kaiser Valentiman 1., schwere spätrömische Silbermünze (4. Jh. n. Chr.). ter, der ihn wohl erlebt hat, "war er allen ein Schrecken (terrori cunctis erat), wo man ihn auch erwartete, grimmig und heftig, wie er war". Für Ausonius als Geistesmenschen mochte ein anderer Charakterzug des Kaisers eine Vorwarnung sein, denn man sagte von Valentinian, "er hasse gutgekleidete, gebildete, wohlhabende und vornehme Menschen". Vorsicht im Umgang mit diesem allmächtigen Manne war also geboten. Uneingeschränkt freuen konnte sich der Lehrer auf seinen Schüler: von dem jungen Gratianus hieß es später, er sei ein gütiger, liebevoller Mensch gewesen, und in unserem Jahrhundert sieht Otto Seeck, der Historiker des "Untergangs der antiken Welt", in Ausonius' Schüler Gratian "ein schönes, artiges Kind, wie es den Eltern Freude macht", und meint, das sei er "sein Leben lang geblieben". Kaiser Gratian, leichte spätrömische Silbermü nze (4. Jh. n. Chr.). 70 Wir besitzen eine ziemlich genaue Kenntnis der Herkunft, der Familienverhältnisse, des Bildungsgangs, der Lebensschicksale und der literarischen Arbeiten des Ausonius. Das meiste davon verdanken wir dem Autor selbst, besonders fast alles, was Herkunft und Familienschicksale angeht. Ausonius hat nämlich u. a. dreißig Gedichte auf verstorbene Familienangehörige hinterlassen. Dieser Sammlung gab er den Titel Parentalia; das ist die Bezeichnung eines Totenfestes der römischen Familien, das zwischen dem 13. und 21. Februar begangen wurde und sich bis in die Kaiserzeit hinein erhalten hatte. Was wir nicht wissen, ist das genaue Geburtsjahr und Geburtsdatum des Ausonius. Mit einiger Sicherheit kann man jedoch annehmen, daß er um das Jahr 310 n. Chr. in Bordeaux als Sohn eines angesehenen und wohlhabenden Arztes geboren wurde. Mit den Lehrern, die ihn in seiner Heimatstadt in die lateinische und griechische Grammatik und Literatur einzufUhren hatten, war er offenbar nicht sehr zufrieden; er gab ihnen später die Schuld daran, daß er nur unzulänglich Griechisch gelernt habe. Glücklicherweise war ein Bruder seiner Mutter, Aemilius Magnus Arborius, Professor der Rhetorik in Tolosa (Toulouse ). Dieser nahm ihn in seinem Haus auf und sorgte fl.ir eine gründliche weitere Bildung. Doch gegen 330 wurde Arborius seinerseits als Prinzenerzieher an den HofKaiser Konstantins nach Konstantinopel berufen und blieb dort fl.ir den Rest seines Lebens. Ausonius blieb keine Wahl, als nach Bordeaux zurückzukehren und dort an der Hochschule seine Studien fortzusetzen. Nach ihrem Abschluß berief ihn seine Heimatgemeinde auf einen Lehrstuhl fl.ir Rhetorik. In den folgenden drei Jahrzehnten führte er das ruhige, fleißige Leben eines Hochschullehrers in der Provinz und entwickelte sich in dieser Zeit nicht nur zu einem Meister der Sprache und Stilistik, sondern erwarb sich zugleich auch eine stupende Kenntnis der großen klassischen und nachklassischen lateinischen Autoren. Wenn man seine poetischen Arbeiten liest, kann man den Eindruck gewinnen, daß er z. B. den ganzen Vergil auswendig im Kopf hatte; so sehr begegnet man bei ihm aufSchritt und Tritt sprachlichen Wendungen, die eher Zitaten aus dem großen augusteischen Dichter gleichen. Seine zunehmende artistische Sprachbeherrschung verfuhrt ihn zu poetischen Spielereien, die mit echter dichterischer Sprachgestaltung nichts mehr gemein haben; in einer Zeit, die eine ausgesprochene Vorliebe fl.ir sprachliche Kunststücke hatte, fanden sie gleichwohl zahlreiche Bewunderer. Es genügt, zwei Beispiele anzuflihren: Das eine trägt den bezeichnenden Titel Technopaegnium (Kunstspielerei), ein Elaborat von 164 Hexametern, die sämtlich auf ein einsilbiges 71 Wort enden. Das zweite dieser Verskunststücke verfaßte Ausonius bereits in Trier, also nach 365, auf Wunsch Valentinians I. und gab ihm die aufschlußreiche Überschrift Cento nuptialis (Hochzeitsliederflickerlteppich); der Verfasser hatte es aus Teilen von Vergilversen so zusammengesetzt - man müßte eigentlich sagen zusammengeflickt-, daß die so gebildeten Hexameter ein Hochzeitscarmen ergaben. Von diesen literarischen Basteleien hebt sich dann die Mose/la, trotz des auch hier vorwaltenden rhetorischen Grundtons, durch den immer wieder sich einstellenden Eindruck ursprünglicher Erlebnisfrische geradezu erquickend ab. Doch ehe auf die Mose/la ausftihrlicher eingegangen wird, sei der kurze Lebensabriß des Ausonius zu Ende gebracht; er ist erstaunlicher als seine literarischen Erfolge. Ehe sich der Prinzenerzieher am HofValentinians I. an die Niederschrift des dichterischen Hauptwerks seiner Trierer Jahre machen konnte, verordnete der befehlsgewohnte Kaiser dem Professor und seinem Zögling eine ganz und gar unrhetorische und unliterarische Aufgabe. Ebenso wie der junge Gratian, der künftige Thronfolger, mußte Ausonius den Herrscher auf einem seiner Kriegszüge, die vor allem der Sicherung der Rheingrenze galten, ins Gebiet der Alamannen begleiten; sie hatten nach dem Tod des Kaisers lulian (363) die Lehre, die dieser ihnen als Statthalter von Gallien in den Jahren zwischen 355 und 361 erteilt hatte, sehr rasch vergessen und erneut mit den Überfällen auf römisches Territorium begonnen. Auf seinem Feldzug gegen sie ftihrte Valentinian seine Truppen bis zu den Donauquellen (368/369). Nach ihrer Rückkehr nach Tri er feierten Vater und Sohn einengemeinsamen Triumph über den wieder einmal besiegten Gegner. Auch der Prinzenerzieher erhielt einen Anteil an der gemachten Beute: der Kaiser schenkte ihm das als Gefangene weggeftihrte hübsche blonde Schwabenmädchen Bissula, ein Geschenk, das den Dichter zu den- freilich nur fragmentarisch erhaltenen- Bissula-Gedichten inspirierte. Walter John, dem wir eine ausgezeichnete zweisprachige und kommentierte Ausgabe der Mose/la verdanken, bemerkt zu dieser Episode charmant, daß dieser Alamannin "der altemde Professor bald ganz wie einem Pflegekind liebevolle Sorge zuwandte". Offenbar war Kaiser Valentinian mit den Leistungen und Erfolgen des Prinzenerziehers Ausonius sehr zufrieden: Gratian, der Thronfolger, lernte von seinem Lehrer die hohe Kunst eines exemplarischen lateinischen Stils in Schrift und Rede; zugleich erwarb er sich eine Bildung, die auch hohen Anforderungen genügen konnte; er war schließlich sogar in der Lage, selbst brauchbare Verse zu verfassen. Als Zeichen seiner Anerkennung verlieh 72 der Kaiser dem Erzieher seines Sohnes ein wichtiges Amt: die quaestura sacri palatii; Ausonius wurde damit so etwas wie der Kabinettschef des Kaisers und war als solcher u. a. für die Formulierung und sprachliche Redaktion neuer Edikte und Gesetze verantwortlich. Bald darauf starb Valentinian I. (375). Gratian, damals gerade sechzehn Jahre alt, war nun alleiniger Herrscher der westlichen Reichshälfte. Über Nacht wurde der bisherige Erzieher der erste Berater des jungen Kaisers. Ausonius machte seinen bedeutenden Einfluß zunächst einmal im Sinne einer Milderung und Humanisierung des unnachsichtig strengen, oft bis zur Grausamkeit harten Regierungsstils Valentinians geltend. Bald konnte der ehemalige Erzieher von dem neuen Herrn des Westreiches rühmend sagen, er habe den Trierer Kaiserpalast "aus einem Ort des Schreckens zu einem liebenswerten Platz" gemacht. Steuerschulden, die Valentinian unerbittlich hatte eintreiben lassen - zahlungsunfähige Steuerschuldner ließ er kurzerhand hinrichten wurden zu Beginn der Regierung Gratians in einem großzügigen Gnadenerweis erlassen, die amtlichenUnterlagen über aufgelaufene Zahlungsrückstände der Steuerpflichtigen öffentlich verbrannt. Ausonius versäumte es auch nicht, seine Kollegen, die Trierer Grammatiklehrer und Rhetorikprofessoren, mit einer Gehaltserhöhung aus der Staatskasse erfreuen zu lassen. Auch er Römische Basilika als Palastaula KaiserKonstantindes Großen in Tri er (um 310 n. Chr. erbaut). Die Palastaula war in römischer Zeit Mittelpunkt des kaiserlichen Palastbezirkes. Sie ist heute Kirche der evangelischen Gemeinde. 73 Das Innere der Palastaula Kaiser Konstantins. Rekonstruktionsversuch. Trier, Rheinisches Landesmuseum. selbst erfuhr nicht minder die Gunst seines dankbaren Schülers: Gratian machte seinen ehemaligen Lehrer im Jahr 378 zum Praefecuts praetorio Galliarium, zum Statthalter der gallischen Provinzen, und im folgenden Jahr (379) zum Konsul. Das Konsulat war noch immer ein begehrtes Ehrenamt, wurde doch nach den Konsuln das jeweilige Jahr benannt. Geradezu belustigend aber ist es zu sehen, wie Ausonius in einem ausgeprägten Familiensinn die Wohltaten der kaiserlichen Huld seinen nächsten Angehörigen und auch entfernten Verwandten zugute kommen ließ. Dabei wurde nicht einmal sein achtzigjähriger Vater übergangen: er erhielt die Titularwürde ei- 74 nes Praefectus praetorio von Illyricum; das Amt selbst auszuüben vermochte er natürlich nicht mehr. Ausonius' Sohn Hesperius und sein Schwiegersohn Thalassius stiegen zu hohen Verwaltungsämtern auf. Ein Neffe wurde zuerst Comes sacrarum largitionum und bekleidete damit eines der angesehensten Ämter der kaiserlichen Finanzverwaltung, das sich mit der Stellung eines Ministers vergleichen läßt, ein Jahr später (380) war derselbeN effe Stadtpräfekt der alten Reichshauptstadt Rom. Es kann deshalb nicht als bösartige Übertreibung gelten, wenn man gesagt hat, der Familienclan des Ausonius habe während einiger Jahre alle bedeutenden Ämter der westlichen Reichshälfte besetzt gehabt. Die Zeit des Glanzes und der Befriedigung persönlichen Ehrgeizes war freilich auch ftir Ausonius begrenzt. Gegen Gratian erhob sich schon im Jahre 383 ein Gegenkaiser, der Spanier Magnus Maximus. Die Truppen, die Gratian gegen den Usurpator ins Feld zu Hiliren gedachte, liefen zu diesem über; Gratian versuchte, nach Italien zu flüchten, wurde aber in Lyon umgebracht. Damit war das Ende der großen Tage des Ausonius gekommen. Doch wiederum erwies er sich als ein Günstling der Glücksgöttin: Die Porta Nigra in Tri er, das beste und größte erhaltene antike Stadttor der Welt. Rekonstruktionsversuch mit der spätantiken Laubenstraße an der der Stadt zugewandten Seite (Zeichnung K Nagel, 1948). 75 unbehelligt von dem neuen Herrn konnte er sich in seine Heimat Bordeaux zurückziehen, in deren Umgebung er bedeutenden Grundbesitz hatte. In einem behaglichen Ruhestand lebte er dort seinen wissenschaftlichen Studien, seinen poetischen Liebhabereien und der Korrespondenz mit alten Freunden und bedeutenden Zeitgenossen. Noch einmal erfuhr er auch die Huld eines Mächtigen: Kaiser Theodosius I. (379 bis 395) bat ihn in einem Handschreiben um ein Exemplar seiner gesammelten Werke; Theodosius gab damit zugleich den Anstoß zu ersten, vom Autor selbst besorgten Gesamtausgabe. Wie das Geburtsjahr ist auch das genaue Todesjahr des Ausonius nicht überliefert: er muß um 393 gestorben sein. Ausonius hat seine Mosella im Jahre 373 in Trier geschrieben. Sie ist ein Lobgesang auf den Moselfluß und die Mosellandschaft in 483 kunstreichen, virtuos geschriebenen Hexametern mit zahlreichen, teilweise zitatartigen Anspielungen aufStellen aus Werken großer lateinischer Autoren. Das Gedicht beginnt mit einer fast modern wirkenden Einleitung, der Schilderung einer Reise vom Mittelrhein bei Bingen an die Mosel bei Neumagen. Auch ein Reisebericht unserer Zeit könnte so beginnen; in Hexametern freilich würde sich ein heutiger Autor nicht äußern. Ich habe versucht, die als Beispiele ausgewählten Verse im originalen Versmaß ins Deutsche zu übersetzen, durchaus im Bewußtsein der Problematik des Unternehmens; zu sehr sperrt sich unsere Muttersprache gegen den Takt des hexametrischen Verses - trotz Goethe, Schiller und Voß. Gleich die ersten Zeilen führen uns zu bekannten Namen und Plätzen: Über die eilige Nahe im Nebel war ich gekommen, hatte die neuen Mauem ums alte Bingen bewundert, dort wo vor Zeiten die Gallier ein römisches Cannae ereilte; unbeweint bedecken Gebeine noch kläglich die Fluren. Da betrat ich auf einsamem Steg eine waldige Wildnis. Nirgends gewahrt' ich die Spur kultivierender Menschen, vorbei an Dumnissus wandernd, wo überall dürstende Felder verdorren, zog an Tabemae vorüber, das unversieglich der Quell tränkt, auch an den Feldern, die jüngst man vermaß für sarmatische Siedler. Endlich zeigte sich mir sogleich an den Ufern der Belger Noviomagus, das stolze Kastell Konstantins des Erhabnen. Reiner streifen die Lüfte hier die Gefilde, und Phöbus öffnet in Klarheit mit heiterem Licht den glänzenden Himmel. Nicht mehr sucht man durch wirren Geästs verwachsene Wildnis Himmelsbläue, die grünes Waldesdämmern verdunkelt. 76 Vom alten Bingen (Bingium heißt es schon bei Tacitus im ersten Jahrhundert n. Chr.) spricht Ausonius mit Recht: die Stadt gehörte vermutlich zu den von Drusus auf dem linken Rheinufer geschaffenen Kastellen, war zur Zeit des Ausonius also an die vierhundert Jahre alt. Neue Mauem hatte das römische Bingen 359, zwölf Jahre vor der Niederschrift der Mosella, durch den späteren Kaiser Julian erhalten; die alten waren vier Jahre zuvor von den Alamannen zerstört worden. Ausonius kannte die Gegend aus persönlicher Anschauung; wie bereits erwähnt, war er im Jahre 368 mit Kaiser Valentinian I. in einen Alamannenkrieg gezogen. Der Kaiser und sein Gefolge waren damals von Trier aufgebrochen, auf dem linken Rheinufer stromaufwärts gezogen und von der Neckarmündung aus auf rechtsrheinisches Gebiet vorgestoßen. Von einem römischen Cannae, das die Gallier bei Bingen durch die Römer erlitten haben sollen, ist nichts bekannt, die "kläglich auf den Fluren bleichenden Gebeine" der Gefallenen muß man wohl der dichterischen Phantasie zugute halten. Mit Absicht, des Kontrastes wegen, hüllt der Autor die Mündung der Nahe (Nava) und die Straße, die bei Bingen von der römischen Rheinuferstraße nach Westen abzweigte, in unfreundlichen Nebel, um die südlich empfundene, kulturträchtige, romanisierte Mosellandschaft dann mit ihrem "glänzenden Himmel" in desto heitererem Licht hervortreten zu lassen. Eines erklärenden Wortes bedarfvielleicht die Wendung "an den Ufern der Belger": Tri er und das Gebiet der Treverer gehörte damals zur römischen Provinz Belgica prima. Im weiteren Verlauf des Gedichts bricht aber bald spontanerEnthusiasmus für die harmonischen, idyllischen Landschaftsbilder des Moseltales hervor, das Ausonius seinen Wanderer bei Neumagen (Noviomagus) erreichten läßt. Was er, von den Waldem des Runsrück herkommend, dort erblickt, erinnert ihn in seiner Schönheit an die ferne Heimat an der Garonne (Garumna): Alles betörte mich da mit schmeichelnden Bildern, im Ausdruck meiner strahlenden Heimat Burdigala gleichend an Adel. Villengiebel, erhöht über sinkende Ujergefilde, rebenbegrünte Hügel und unten mit stillem Gemurmel anmutreich die Flut der vorübergleitenden Mosel. Es versteht sich, daß diese Einführung auf einen hymnischen Gruß an den Strom und die Kaiserstadt Trier hinausläuft. Gelegentlich wurde kritisch angemerkt, daß Ausonius sich an dieser Stelle nicht auf eine explizite Schilderung der prachtvollen Kaiserresidenz und ihrer glänzenden Großbauten einläßt, deren Ruinen noch heute Bewunderung erregen. Dagegen aber läßt sich sa77 Igeler Säule. Treidelfahrt auf der Mosel. Nordseite, mittlere Stufe. gen, daß eine detaillierte Beschreibung zum Exkurs hätte geraten müssen; Ausonius hat gewiß mit Recht sein Thema im Auge behalten: die Mosel. Zu ihr gehört neben der Landschaftsidylle auch die höchst nützliche, schon damals lebhafte und bedeutende Moselschiffahrt, die uns in den Kunstdenkmälern der Römerzeit, in den Neumagener Reliefs oder auf dem Sockel der lgeler Säule, so eindrucksvoll vor Augen geführt wird. Der lebendigen Genauigkeit der Bildwerke entspricht die präzise Schilderung des Treidelns bei Ausonius: Wenn auf den Treidelpfaden nirgends schlaffwird das Schleppseil, weil das Schiffsvolk spannt mit dem Nacken das Tau an den Masten ... Genau so haben auch die Bildhauer den Vorgang dargestellt; man sollte vor den Reliefs den Text des Ausonius zur Hand haben, um zu beobachten, wie Dichterwort und Bild sich gegenseitig bestätigen. Ein sprachliches und gegenständliches Kabinettstück exakter Charakterisierungskunst ist die Einlage über die in der Mosel vorkommenden Fische: 85 Verse von 483 hat Ausonius diesem Fischkatalog gewidmet; fünfzehn Arten, von der Aesche und Barbe, über Forelle, Neunauge und Lachs, über Barsch, Hecht und Schleie bis zum mächtigen Wels führt er auf, jeden Typus im Detail beschreibend wie der profundeste Kenner der Materie. Bei allem Streben nach Vollständigkeit, bei aller Fülle verfallt er nicht ein einziges Mal in den langweiligen Trott bloßer Aufzählung, denn er verfügt über eine staunenswerte Differenziertheit des Ausdrucks. Wer das liest, begreift, daß Ausonius von seinen kunstverständigen Zeitgenossen als souveräner Sprachkünstler bewundert und gefeiert wurde. Mancher hat nicht glauben wollen, daß ein Literatsogenaue ichthyologische Kenntnisse gehabt haben könne; doch niemand hat bisher nachzuweisen vermocht, daß Ausonius sein Wissen aus fremden, aus Spezialquellen bezogen und seine Lesefrüchte nur in Verse gefaßt habe. Wenn der heutige Angelsportler und Fischer den Moselfischkatalog des Ausonius liest, mögen ihn nostalgische Empfmdungen überkommen. 78 Vom glitzernden Leben in den klaren Wassern des Flusses wendet sich der Dichter den Reben, Weinbergen und Wmzern zu und bannt sie in ein heiteres Bild, das eines poetischen Landschaftsfilmes würdig wäre: Selbst wo am obersten Grat schon der Hang zum Himmelsrand aufstrebt, zeigt sich des Flusses Grenzmark mit grünen Reben bewachsen. Fröhlich betreibt das Volk sein Geschäft, und hurtige Winzer sputen sich, bald ganz oben am Scheitel, bald unten am Abhang und wetteifern in närrischen Schreien. Der Wandrer indessen, unten auf Uferpfaden spazierend, und drüben der Schiffer singen den säumigen Schaffern ein Neck/ied, als Echo kehrt's ihnen wieder vom Fels, vom erschauernden Wald, aus der Tiefe des Flusses. Ausonius war Christ, offenbar freilich ein sehr weitherziger. Der antike Olymp, die ganze Mythologie mit ihrer bunten Gestaltenfülle lebt in seiner Bildungswelt, erfüllt seine Phantasie, seine Vorstellungen. So belebt er auch die Wasser der Mosel und ihre Ländliche Villa (villa rustica). Wandmalerei aus Trier. Landesmuseum Trier. 79 Weintransport auf der Mosel. Das sog. Moselschiffvon Neumagen (1. H älfte 3. Jh. n. Chr.). Trier, Landesmuseum. Gestade mit Satyrn und Najaden, mit dem bocksftißigen Pan und tanzenden Nymphen. Man geht wohl nicht fehl, wenn man vermutet, daß Ausonius einheimische Geister und Gottheiten der Mosellandschaft, die ihm während seines langen Aufenthalts auffielen, mit den ihm vertrauteren Gestalten der antiken Mythenwelt identifizierte. Aus diesem Fabel- und Geisterreich kehrt der Autor leichtfüßig und elegant in die Gegenwart und zu ihren Menschen zurück; dabei bemüht er sich, helle, heitere Bilder zu entwerfen, beschreibt ein Wasserfest auf der Mosel mit einem fröhlichen Wettrudern, schildert Szenen vom Fischfang mit demNetz und mit der Angel. Auch da setzen Historie und Mythos der Mittelmeerwelt gelehrte Glanzlichter auf, zum Vergnügen der Eingeweihten, zur Selbstbespiegelung des Dichters. Und wieder werden die Villen der Reichen und die aufwendigen Schlösser auf beiden Ufern des Flusses gerühmt. So hervorragend sind, meint der Dichter, diese Bauwerke, daß auch die größten, ruhmreichsten Architekten der Vorzeit und der ganzen Baugeschichte ihnen die gebührende Anerkennung nicht versagen würden. Wahrlich dithyrambisch klingt dieser Lobgesang, doch Ausonius darf sich auf eigene Anschauung und Beobachtung berufen, wenn er eine rhetorische Frage, die er sich selber stellt, auch selbst beantwortet: Soll ich die Hallen beschreiben am Rande grünwuchernder Wiesen, schildern die Dächer, die lastend sich stützen auf zahllose Säulen, zeichnen die dampfenden Bäder, auf Stromjitndamente gegründet, 80 wo Vulcanus, heraufgebannt aus kochender Tiefe, sausende Flammen empor durch hohle Stuckwände wirbelt, bei verströmender Hitze ballend die eingeschlossenen Dämpfe? Viele hab' ich gesehn, die, erschöpft vom Schwitzbad, der Wannen Wasser verschmähten und auch das eifrischende Schwimmbad, um drüben sich zu erfrischen in lebendem Wasser, erquickt dort vom Flusse, schwimmend mit rauschenden Stößen zu zwingen die eiskalte Strömung. Das ist wirklichkeitsnah und gut beobachtet, sowohl die Beschreibung der Hypokaustenheizung - Vulcanus bedeutet wie so oft auch hier nichts weiter als das Feuer - mit den Heizkanälen der Stuckwände, als auch das Bild des Badegastes in den Thermen, der, vom Schwitzbad erhitzt, sich in das erfrischende Wasser des benachbarten Flusses wirft und schwimmend die Strömung bezwingt: hier ersteht ein Stück realen zeitgenössischen Lebens aus dem römischen Moselland, eingefangen - um nicht zu sagen eingezwängt- in die altehrwürdige Form des epischen Hexameters. Man sollte diese Verse gelesen haben, ehe man die Wanderung durch die doppelgeschossige Unterwelt der römischen Kaiserthermen in Trier antritt, deren ursprüngliche Konzeption unvollendet blieb. Daß die Mosel ein großer Fluß, ein Strom ist, bezeugen, wie Ausonius in seiner Mosella erklärt, ihre zahlreichen - er selbst sagt übertreibend sogar ihre unzähligen- Nebenflüsse; dabei präsentiert sich der Autor seinem Leser als Kenner nicht nur der zehn Namen von Flüßchen und Bächen, die der Mosel zustreben, sondern auch ihrer landschaftlichen Eigenart und ihrer auffallen- Die Kaiserthermen von Trier. Rekonstruktion des Zustandes um 320 n. Chr. 81 Kaiserthermen von Trier. Ansicht von Südosten. den Merkmale. Fünfundzwanzig Verse widmet er diesem Thema: Wo aber seh' ich ein Ende des Preislieds auf deine grünblaue Strömung, ein Ende des Rühmens der Meeresrivalin, der Mosel, da doch weitum, so hier wie dort, unzählige Flüsse münden in sie! Ihren Laufvermöchten siefreilich zu dehnen, aber sie haben es eilig, in dir ihren Namen zu löschen. Denn durch der Prüm und der Nims Zuflüsse gekräftigt, taucht eilig 82 auch die Sauer - kein Flüßchen unedleren Jfesens - in deine Wellen sich ein und bringt dir die eingefangenen Bächlein, adliger so, mit dir, unter deinem Namen, als wenn sie ungekannt einmündend den Vater, den Ozean, suchte. Dir, so rasch sie's vermögen, mit kosenden Wassem zu dienen, drängen die reißende Kyll, die Ruwer, berühmt durch den Marmor. Treffliche Fische beleben die Kyll, in eiligem Kreisen dreht die Ruwer körnerzermalmende Steine und zieht durch glatte Marmorblöcke die kreischenden Sägen und läßt von beiden Gestaden ein unablässiges Lärmen vernehmen. Ungerühmt laß' ich die winzige Lieser, die schmächtige Drohn und will um's gelangweilte Rinnsal der Salm mich nicht weiter bemühen. Lang schon ruft mich die rauschende Fülle der schiffbaren Saar mit reichem Jfellengewande: lange zog sie den Lauf hin, bis sie dann müd bei der Kaiserstadt doch ihre Mündung erreichte. Nicht geringer als sie streift still durchfette Gebreite Segen begründend die Eltz vorüber an fruchtreichen Ufern. Tausend andre- wiejeden stärker der eigene Drangführt - wollen dir angehören; so stark lebt in eilenden Wassem Hochsinn oder Charakter. Zwei Stellen bedürfen eines kurzen Kommentars: Die Ruwer sei durch den Marmor berühmt, erklärt Ausonius. Das könnte mißverstanden werden, denn an der Ruwer gibt es keinen Marmor; die Erklärung des scheinbaren Widerspruchs bringen die näch- Die römische Kaiservilla von Konz (Contionacum). Rekonstruktionsversuch. 83 sten Verse: dort heißt es, die Ruwer drehe "körnerzermalmende Steine", also Mühlsteine, und ziehe kreischende Sägen durch "glatte Marmorblöcke"; das kann nur bedeuten, daß es an der Ruwer Werke oder ein Werk gab, in denen importierte Marmorblöcke mit Marmorsägen, die der Fluß trieb, ftir die Verwendung bei den Monumentalbauten der Kaiserstadt zurechtgeschnitten wurden. Die "schiflbare Saar" mündet natürlich nicht unmittelbar bei der Kaiserstadt Tri er in die Mosel, sondern einige Kilometer westlich davon bei Conz ( Contionacum); der Dichter gibt nur die allgemein bekannte geographische Ortsangabe; es wäre kindisch, ihm pedantisch die Kilometer nachzurechnen. Mit einem erneuten feierlichen Grußwort an den Moselstrom leitet Ausonius über zum Lob der Menschen der Stadt und des Trevererlandes; sie sind nicht nur furchtlose, tüchtige Soldaten, sie besitzen auch Kultur, lateinische versteht sich, sprechen ein gutes, flüssiges Latein. Für Kaiser Valentinian I. bringt der Dichter ein artiges, historisch verbrämtes Kompliment an: Rom, so sagt er, besitze nicht als einzige einen Cato, nicht nur Athen einen Aristides, das Muster aller Gerechtigkeit. Die Schmeichelei ist umso eleganter, als eine plumpe Namensnennung vermieden wird: der Betroffene wußte sehr wohl, wer gemeint war, und die Leser brauchten nicht zu rätseln, wem die poethisehe Verbeugung galt: Mosel, sei mir gegrüßt, hohe Mutter der Früchte und Menschen! Rühmlicher Adel schmückt dich, eine Jugend erprobt auf dem Schlachtfeld. Um die Wette bedacht auf die Kunst der lateinischen Rede. Das sog. Schulreliefvon Neumagen. Trier, Landesmuseum. 84 Feinere Lebensart und auf heiterer Stirn eine frohe Denkart hat die Natur deinen f1/egekindern verliehen, nicht das einzige Rom zeigt rühmend die alten Catonen, und nicht Aristides allein steht groß da als Wahrer von Recht und Billigkeit und verleiht dem alten Athen sein Erstrahlen. Die Verlockung, sich damit auf ein weites, weitreichendes Thema einzulassen, weist der Dichter jedoch zurück. Später einmal, meint er, werde Zeit und Muße kommen, im Ruhestand, procul negotiis, fern dem Glanz äußerer Ehren, über die Männer des römisch gewordenen Landes der Treverer zu sprechen, angefangen von den einfachen, friedlichen Bauern bis hin zu den Rechtskundigen, Rednern, Gelehrten. Vorerst jedoch gilt es, das Preisgedicht auf die Mosel, diesen Teppich aus Versen, zu vollenden: Jetzt aber sei mein Webwerk zu Ende gebracht, das Preislied auf Männer verschoben. Laßt uns den glücklichen Fluß besingen, der froh durch die grünen Fluren hinabzieht, ihn fromm darbringen den Wellen des Rheinstroms. Du aber, Rhein, du breite den tiefblauen Saum und dein grünes Kleid und bemiß deiner Flut neue Breite, denn Brudergewässer sollen sie mehren! Ihr Hort aber sind nicht allein ihre Wellen, sondern ihr Herkommen auch von der hohen Kaiserstadt Mauem, wo sie vereint im Triumphzug Sohn und Vater erblickten, Maske eines Flußgottes, vermutlich Rhenus (2. Jh. n. Chr.). Köln. 85 als der Feind am Neckarbesiegt war und bei Lopodunum und bei der Donauquelle, der Latiums Annalen noch fremden: Unlängst traf dieser Lorbeer ein des zerschmetterten Krieges, bald wird er neue, andere bringen. Vereint zieht weiter, drängt in gedoppeltem Zug zur purpumen Meeiflut hinunter. Fürchte nicht, prächtiger Rhein, geringer an Größe zu scheinen: Nichts von Neid weiß dein Gast, dir gehörtfür ewig der Name: Nimm, deines Ruhmes gewiß, deinen Bruder an dich wie ein Vater! Noch einmal findet der Leser hier einen Hinweis auf den Alamannenfeldzug Kaiser Valentinians I. von 368/369, auf den der Herrscher seinenjungen Sohn Gratian und dessen Erzieher mitnahm. Vom Rheinübergang des Kaisers nahe der Neckarmündung war schon die Rede; der Sieg über die Alamannen bei Lopodunum, den heutigen Ladenburg, wird an dieser Stelle zum erstenmal erwähnt. Wesentlicher scheint die Tatsache zu sein, daß in diesem Abgesang des Moselgedichts die erste bekannte lyrische Verherrlichung des Rheinstroms vorliegt. Der Anruf an ihn: "Nimm deinen Bruderstrom an dich wie ein Vater!" mag wohl an Goethes herrliche Ode Mahomets Gesang erinnern: "Bruder, nimm die Brüder mit, mit zu deinem alten Vater, zu dem ew'gen Ozean!" Doch das humanitäre Pathos der Goethezeit mußte dem damals sechzigjährigen, in der Tradition der antiken Kultur stehenden Ausonius fremd sein. In den Schlußversen seines Gedichts deutet Ausonius die Erwartung an, sein Gedicht werde Leser finden, die den Ruhm des Moselflusses - und natürlich auch den des Dichters der "Mosella"in aller Mund bringen würden: Wird meinem schlichten Gesang des Beifalls Ehre beschieden, hält man 's für wert, mit ihm zu vertändeln die Stunden der Muße, bist du auf aller Lippen, umschmeichelt von fröhlichen Liedern. Man sieht, der Dichter versteht es, auf elegante Weise auch mit sich selbst und seiner Eitelkeit zu kokettieren, ein durchaus liebenswürdiger Zug eines ungewöhnlichen Charakters. 86 Bertold K. Weis Vom Ende des römischen Köln Wer vom Rheinufer aus an der Südseite des Römisch-Germanischen Museums zum Domplatz hinaufsteigt, erblickt, eingebettet in eine respektable Treppenanlage, auf einer leicht zum Strom sich neigenden Schräge verlegt, die dunkle Pflasterung der römischen Hafenstraße. Der Straßenbelag stammt aus dem vierten Jahrhundert. Als diese Steine verlegt wurden, bestand das römische Köln schon rund dreieinhalb Jahrhunderte: Zunächst als Oppidum Ubiorum, seit der Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. als Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Als Sitz des Statthalters der Provinz Germania Inferior erlangte die Stadt schon bald bedeutenden Rang. Die archäologische Forschung hat den imposanten Statthalterpalast unter dem neuen Rathaus festgestellt, ausgegraben und als Museum eingerichtet. Vom Zugang zu diesem hat Rudolf Pörtner den effektvollen Titel seines Buches Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit hergenommen. Wie ein Symbol des Bürgersinnes und Bürgerstolzes wirkte auch die fast vier Kilometer lange, an die acht Meter hohe, mit neun Toren und zweiundzwanzig Türmen ausgestattete Stadtmauer. Diese Anlage wurde sogleich nach der Erhebung des Oppidum Ubiorum zur römischen Bürgerkolonie begonnen. Gefahren kriegerischer Verwicklungen im Bereich der Provinz bedrohten die Stadt nur im Verlauf der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts n. Chr., als der Kölner Statthalter, Aulus Vitellius, sich an seinem Amtssitz zum Kaiser hatte ausrufen lassen. Die darauf folgenden blutigen Auseinandersetzungen zwischen den römischen Thronprätendenten verleiteten den Bataverfürsten Iulius Civilis zur Inszenierung eines Aufstandes, der die römische Herrschaft am Niederrhein ins Wanken brachte. Die Agrippinenser und die Ubier blieben schließlich unter der Herrschaft der Römer, Iulius Civilis unterlag, der Bataveraufstand brach zusammen. Diese dramatischen Ereignisse spielten sich im Jahre 69/70 n. Chr. ab; Tacitus hat sie meisterhaft beschrieben. Von diesem Zeitpunkt an sucht man in der folgenden römischen Geschichtsschreibung den Namen der Colonia der Agrippinenser für lange Zeit vergebens. Eine fast ungebrochene Friedenszeit von rund 180 Jahren schuf die Voraussetzungen für ein gesundes Wachstum der Stadt, für wirtschaftliche Blüte und kulturelles Gedeihen. Wirtschaft und Handel auf den Überlandstraßen und auf dem Strom brachten der Stadt materiellen Wohlstand; repräsentative Bauten und Denkmäler schmückten sie, Kolonnaden be- 87 Römischer Muschelpokal mit Muscheldarstellungen und Schlangenfadenmuster (Anfang 4. Jh.). Köln, Römisch-Germanisches Mu seum. Römische Faßkanne aus schwach grüngelbem Glas (4. Jh.). gleiteten die Straßenzüge. Zahlreiche Handwerksbetriebe entstanden, die Kölner Glasfabrikation erreichte ein Niveau, das auch der heutige Betrachter mit Bewunderung erkennt. Der Rheinhafen, durch eine vorgelagerte Insel geschützt und bereits zu Beginn des ersten Jahrhunderts n. Chr. angelegt, diente einerseits den militärischen Zwecken der römischen Rheinflotte, andererseits auch der rasch sich entwickelnden Handelsschiffahrt auf dem Strom. Auf der Hafeninsel wurden große Hafenspeicher gebaut, Zeugnisse des U rnfangs und der Bedeutung der Handelsschiffahrt auf dem Rhein in einer Zeit gedeihlichen Friedens. Ins Rampenlicht der römischen Weltbühne gelangt Köln wieder in den unruhigen Jahrzenten des dritten Jahrhunderts n. Chr. Damals wurde das Imperium im Inneren durch den Zerfall der militärischen Disziplin, durch die Willkür einer zuchtlos gewordenen Soldateska, durch die atemberaubend rasche Aufeinanderfolge der von den Legionen nach Lust und Laune proklamierten und dann wieder umgebrachten Kaiser, durch wirtschaftlichen Niedergang, durch Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und durch Geldentwertung erschüttert. An den Schicksalsströmen des römischen Reiches, am Rhein, an der unteren Donau, am Euphrat, wütete der Ansturm geballter feindlicher Kräfte. Nur ein gefestigter, geordneter Staat und Herrscher mit der vollen Autorität ihres Amtes hätten sie abwehren können. Jetzt geriet auch das römische Köln in den Schatten einer Gefährdung, mit der es bis zum Ende der Römerzeit zu leben hatte. Im Jahre 213 hörte man zum erstenmal den Namen des Stammesverbandes der Alamannen. Die Bedrohung, die von ihnen am Oberrhein für die römischen Gründungen Basel-Augst, Straßburg, Speyer, Worms und Mainz ausging, stellte sich für Köln und Xanten am Niederrhein alsbald im Zusammenschluß der fränki- 88 sehen Stämme des rechten Rheinufers dar. Um die Mitte des dritten Jahrhunderts stießen Alamannen bis nach Italien vor. Frankenscharen durchzogen plündernd die Provinzen Galliens und gelangten auf ihren Raubzügen bis nach Spanien. Gegen 260 fiel die weit vorgeschobene rechtsrheinische Grenzbefestigung der Römer, der Limes. Der Zusammenbruch seiner Verteidigungsanlagen zwang die römische Rheinpolitik zum Umdenken: Rom mußte sich künftig eindeutig auf Abwehr und Abschreckung einrichten. Die zahlreichen römischen Vorstöße der Folgezeit über den Strom hinweg in rechtsrheinische Gebiete sind ebenfalls im Sinn einer aktiven Defensive zu verstehen. Wenig später wurde den Agrippinensern unmittelbar vor Augen geführt, wie gefährdet in diesen Jahrzehnten auch die Reichseinheit war: Postumus, ein Gallier vornehmer Abkunft, General des Kaisers Gallienus (253-268), ließ sich in Köln von seinen Soldaten zum Kaiser ausrufen und Saloninus, einen Sohn des legitimen Herrschers, der ihm dort in die Hände fiel, töten. Der Usurpator machte sich zum Herrn eines Sonderreiches im Westen, das die Provinzen Galliens, Germaniens, Britanniens und Teile Spaniens umfaßte. Damit war die Stadt der Agrippinenser vom übrigen Reich losgerissen. Postumus, der sich durchaus als Römer empfand, residierte teils in Köln, teils in Tri er. Er gründete einen eigenen Senat, ernannte eigene Provinzstatthalter und griff auch in die Geldwirtschaft mit eigenen Münzprägungen ein. Man hat seine Goldmünzen zu den schönsten Prägungen der Antike gerechnet; auf der Vorderseite dieser Münzen erscheint das Porträt des Postumus, teilweise zusammen mit Hercules; in den Münzlegenden werden die Roma aeterna, die Pax Augusta und der Genius populi Romani genannt, zum Zeichen daftir, daß Postumus sein westliches Sonderreich als römisches Reich verstanden wissen wollte. Auch gegen Postumus, wie gegen die legitimen Kaiser so oft, trat ein Gegenkaiser auf. Postumus besiegte ihn in einer Schlacht vor den Toren von Mainz (268). Als er sich weigerte, die Stadt seinen Soldaten zur Plünderung freizugeben, erschlug ihn die zuchtlose, beutegierige Soldateska. Das Sonderreich des Postumus bestand unter schwachen Nachfolgern noch bis zum Jahr 273 fort. Erst Kaiser Aurelianus (270-275) beendete das erstaunliche Zwischenspiel, dieses Sinnbild der Zerfallstendenzen im Reich, und stellte die Reichseinheit wieder her. Schon ein Jahr nach Aurelians Tod brach über die linksrheinischen Gebiete der Römer ein verheerender Frankensturm herein; er sah auch ftir die Bewohner Köln bedrohlich aus. Kaiser Probus (276-282) war es, der die Rheingrenze wieder sicherte; die Frankenjedoch vermochte er nicht ganz vom linken Rheinufer zu verdrängen. 89 Kaiser Postumus. Römische Goldmünze, wahrscheinlich in Köln geprägt. Viele wurden als Soldaten in das römische Heer aufgenommen, andere erhielten Siedlerstellen auflinksrheinischem römischem Boden. Eine Politik entschiedener Stärke gegenüber den angriffslustigen germanischen Völkerschaften leitete Kaiser Konstantin (306337) ein. Um das Jahr 310 ordnete er die Instandsetzung der gesamten Befestigungen am rheinischen Limes an. Köln gegenüber ließ er auf dem rechten Rheinufer durch Soldaten der XXII. Legion das steinerne Kastell Divitia (Deutz) errichten und die Stadt der Agrippinenser mit diesem durch eine steinerne Brücke verbinden. Gewiß war der Bau des Kastells eine militärische Maßnahme defensiver Natur; sie sollte der Sicherung der Colonia und der ftir sie hochwichtigen Rheinschiffahrt dienen. Es ist aberwohl nicht abwegig, wenn man die Errichtung der Brücke und des befestigten Brückenkopfes auch als Demonstration der Stärke und des Selbstbehauptungswillens versteht, als Drohgebärde gegenüber der germanischen Völkermasse, die unablässig nach Westen über den Strom drängte. Diese Interpretation dürfte auch einem Wesenszug dieses Kaisers entsprechen: seinem Berufungs- und Sendungsbewußtsein. Für die Stadt Köln bedeuteten die Maßnahmen Konstantins eine Stärkung ihrer Verteidigung. Das Fortbestehen der Gefahr konnte aus dem Bewußtsein der Agrippinenser gleichwohl nicht verdrängt werden. Was ihnen von den Stämmen des freien Germanien auch in Zukunft drohte, erfuhren die Bürger der Colonia nicht allzu lange nach dem Tod des bedeutenden Herrschers (337). Seit 350 war der Konstantinsahn Constantius II. (337-361) nach dem Tod sei- 90 ner beiden Brüder Constans und Constantinus Alleinherrscher des Reiches. Gegen ihn trat als Gegenkaiser der Franke Silvanus auf. Seine Usurpation war von Constantius II. selbst und seiner Hofkamarilla provoziert worden. Durch eine tückische Intrige von einem Hochverratsprozeß bedroht und der sicheren Hinrichtung gewiß, sah Silvanus keinen anderen Ausweg als den Gegenangriff: Am 11. August 355 ließ er sich in Köln von seinen Soldaten zum Augustus ausrufen. Durch ein infam gesponnenes Komplott wurde ein tückischer Meuchelmord an Silvanus organisiert und alsbald in die Tat umgesetzt. Der schändlich überlistete Gegenkaiser floh vor seinen Mördern in eine Köln er Kirche; die Verfolger zerrten ihn dort heraus und brachten ihn um. So endete der erste Franke, der nach der Kaiserwürde gegriffen hatte. Diese schmählichen Vorgänge bildeten nur ein Vorspiel zu Schrecknissen, wie sie das römische Köln bis dahin nicht erlebt hatte. Noch im Herbst des Jahres (355), in dem Silvanus ermordet wurde, überrannten die vereinigten Alamannen und Franken die Befestigungen der Stadt: zum erstenmal fiel die rumreiche Colonia Claudia Ara Agrippinensium in die Hände germanischer Eroberer. Ammianus Marcellinus, lateinisch schreibender Grieche aus Antiocheia am Orontes und bedeutendster Historiker des vierten Jahrhunderts n. Chr., zugleich auch Augenzeuge der Ereignisse, widmet dem Fall Kölns einen einzigen lapidaren Satz: "Die (dem Cäsar) überbrachte Nachricht besagte, daß die Colonia Agrippina, eine Stadt von weitreichender Geltung, von den Barbaren nach hartnäckiger Belagerung erstürmt und zerstört worden sei." Die von Ammianus so apodiktisch behauptete Zerstörung darf man nicht so buchstäblich nehmen. Die vereinigten Scharen der Franken und Alamannen plünderten das eroberte Köln und richteten sicher auch erhebliche Verwüstungen an. Die Zerstörung etwa der Stadtmauer zu unternehmen, hätte ihr unruhiges Temperament auf eine zu harte Geduldsprobe gestellt. Die Stadtmauer blieb stehen. Im folgenden Sommer gelang den Römern die in einem früheren Kapitel erwähnte Rückeroberung der Stadt. Die germanischen Besatzer dürften sie ohne allzu großes Bedauern aufgegeben haben: das Leben in einer ummauerten Stadt war ihrem Naturell zuwider. Das Ende der römischen Herrschaft war mit dieser ersten Eroberung also noch nicht gekommen: Die Colonia Agrippina sollte noch ein volles Jahrhundert, zuletzt freilich in der Position einer umbrandeten Insel, eine römische Stadt bleiben. Gegen Ende des vierten Jahrhunderts wurde Köln sogar noch einmal zu einem Ausfalltor gegen die rechtsrheinischen Franken- 91 stämme. Im Sommer 392 unternahm der Magister militum Arbogast, ein heidnischer Franke im römischen Militärdienst, einen überfallartigen Angriff auf das Gebiet der Franken jenseits des Stroms. Er verwüstete es so brutal, daß der Gegner sich ihm nicht einmal zu stellen wagte. Zusammen mit einem inzwischen in Köln eingetroffenen, von Arbogast selbst eingesetzten Gegenkaiser, dem ehemaligen Rhetorikprofessor Eugenius aus Rom, setzte er eine so ungeheure Streitmacht auf das rechte Rheinufer über, daß sich Franken und Alamannen ohne Schwertstreich zur Erneuerung der früher mit den Römern geschlossenen und bald gebrochenen Verträge gequemten. Die Agrippinenser durften aufatmen, noch einmal, aber nicht für lange. Inzwischen war nach dem Tod des Kaisers Theodosius I. (3 79395) die noch von ihm verfügte Teilung des Reiches zwischen seinen Söhnen Arcadius (383-408) und Honorius (393-423) erfolgt. Honorius, dem die Westhälfte des Reiches zufiel, war beim Tod des Vaters ein elfjähriger Knabe. Alle wichtigen Entscheidungen, vor allem das militärische Kommando über die Armeen des Westreiches, blieben dem Magister militum Stilicho vorbehalten; ihn hatte noch Theodosius zum Reichsfeldherrn bestellt. Schon Stilichos Vater, ein Vandale, also ein Barbar, hatte in römischen Diensten gestanden. Eine militärische Notmaßnahme Stilichos besiegelte die Preisgabe und den Zusammenbruch der Rh eingrenze. Damals stand der Einfall Alarichs und seiner Westgoten in Italien bevor. Um ihn abwehren zu können, zog Stilicho im Jahre 401 zur Verstärkung seiner eigenen Armee die römischen Legionen vom Rhein ab. Der Weg über den Strom nach Westen war künftig für die Germanen offen. Ein weithin sichtbares Signal war im folgenden Jahr (402) die Verlegung der Präfektur der gallischen Provinzen, die ihren Sitz bisher in Trier gehabt hatte, nach dem fernen Arles. Der heilige Hieronymus, der das Land von seinem Trierer Aufenthalt her aus eigener Anschauung kannte, zeichnet wenige Jahre später (um 410) ein bedrückendes Bild der Situation. Gallien, so berichtet er, sei von unübersehbaren Barbarenscharen überflutet. Von den Alpen bis zu den Pyrenäen, vom Ozean bis an den Rhein treffe man Quaden, Sarmaten, Alanen, Gepiden, Heruler, Sachsen, Burgunder und Alamannen an. Feste Städte und Gutshöfe auf dem flachen Land würden von ihnen verwüstet. Das ehedem großartige Mainz sei von ihnen erobert und zerstört, in einer Kirche der Stadt seien Tausende von Christen erschlagen worden - er bezieht sich damit auf einen Überfall, den die Alamannen und ihre Verbündeten im Jahre 406 aufMainz und seine Bischofskirche verübt hatten. Als verwüstet nennt er neben 92 Worms, Speyer und Straßburg die weit im Westen liegenden Städte Reims, Amiens, Arras, Tournai. Es mag wie ein Wunder erscheinen, daß inmitten dieser brandenden, mörderischen Fluten das römische Köln sich noch volle flinfzig Jahre halten konnte, bis es 456 oder 458 - die Zahlläßt sich nicht genau fixieren- endlich in die Hände der Franken fiel. Wer von der römischen Bevölkerung Kraft und Mittel besaß, machte sich rechtzeitig aus der Stadt davon, um auf einer ebenfalls gefahrliehen Flucht in einem weniger bedrohten Winkel des zusammenbrechenden Reiches eine fragwürdige Sicherheit zu suchen. Vom Los der Zurückgebliebenen, die nicht fliehen konnten oder wollten, vermittelt uns eine gewisse Vorstellung die zeitgenössische Schilderung eines konkreten Einzelschicksals. Sie findet sich in einem Brief des Priesters Salvianus von Massalia (Marseille). Dieser interessante Zeitgenosse der Ereignisse wurde vermutlich in Köln - andere meinen: in Trier - um 400 geboren und kannte den Ablauf der Geschehnisse, wie seine Schriften zeigen, ziemlich genau, großenteils als Augenzeuge. In einem etwas gezierten, im Stil der zeitgenössischen Rhetorik abgefaßten Empfehlungsschreiben flir einenjungen Verwandten, dem die Flucht aus dem besetzten Köln und der Gefangenschaft der Franken gelungen war, gibt er den Adressaten seines Briefes, den Mönchen des Inselklosters Lerin vor der Küste der Cöte d' Azur, folgenden, hier etwas gerafft wiedergegebenen und gekürzten Bericht: "Der junge Mann, den ich euch schicke, war in Köln zusammen mit seinen Angehörigen in Gefangenschaft geraten. Er hatte bei seinen Kölner Mitbürgern einen geachteten Namen besessen und stammt überdies aus einer angesehenen Familie. Ich würde gern mehr zu seinem Lob sagen, wenn er nicht mein Verwandter wäre. Ich könnte sonst leicht in den Verdacht des Eigenlobs geraten." "Seine Mutter, eine ehrenwerte Witwe, mußte er in Köln zurücklassen. Wie ich höre, befindet sich diese Frau nun in einer derartigen Notlage, in so schlimmer Bedürftigkeit, daß sie weder die Möglichkeit hat, in Köln zu leben noch die Stadt zu verlassen, weil sie nichts besitzt, was zum Lebensunterhalt oder zur Flucht dienlich sein könnte. Als einzige Erwerbsquelle bleibt ihr die Möglichkeit, ihr tägliches Brot als einfache Dienstmagd zu verdienen und sich mit ihrer Hände Arbeit bei den Barbarenfrauen zu verdingen. Obwohl sie durch Gottes Barmherzigkeit den Ketten der Sklaverei entgangen ist und ihrer Rechtsstellung nach nicht als Sklavin zu gelten hat, muß sie infolge ihrer Mittellosigkeit doch wie eine Sklavin dienen." 93 Porträt einer Frau aus dem römischen Köln. Römisch-Germanisches Museum in Köln. "Diese Frau hat, gewiß zu Recht, angenommen, daß ich mir hier das Wohlwollen einiger heiliger Männer- damit sind die Mönche gemeint - gewonnen habe. In der Meinung, daß ich, über meine tatsächlichen Möglichkeiten hinaus noch weit bedeutendere besitze, hat mir diese Frau denjungen Mann hergesandt, den ich euch jetzt schicke, in der Zuversicht, daß auf meine Fürsprache 94 und mein Eintreten hin sich die Wohlgeneigtheit meiner Freunde als Hilfe ftir meinen Verwandten erweisen werde." Ausall den Verzierungen, aus dem Rankenwerk einer eher künstlichen als kunstvollen Sprache tritt tief beeindruckend Bild und Schicksal einervom Fall der Stadt überraschten, materiell ruinierten Bürgerin des römischen Köln in den Vordergrund. Man darf annehmen, daß sie zur grundbesitzenden Schicht gehörte, die durch die fränkische Landnahme alles verlor. Tragweite und Ausmaß des großen historischen Umschwungs zeichnen sich ab; er ließ nicht nur, wie in dem von Salvianus geschilderten speziellen Fall, die bisherigen Herren in Knechtschaft, die Wohlhabenden im Elend versinken, er hob auch ein hochentwickeltes, in einem halben Jahrtausend gewachsenes, sorgfältig durchorganisiertes städtisches Gefüge aus den Angeln. Dazu kommt auch der weltanschauliche Aspekt des Vorgangs: Köln war um die Mitte des fünften Jahrhunderts eine im ganzen durchaus christliche Stadt, die fränkischen Eroberer hingegen waren, mindestens vorerst und noch für einige Zeit, Heiden; die Taufe des Frankenkönigs Chlodwig I. (482-511) durch den Bischof Remigius von Reims erfolgte erst vierzig Jahre nach dem Fall Kölns, am Weihnachtsfest des Jahres 498. Wo vom Ende des römischen Köln gesprochen wird, ist auch die Frage zu stellen, was mit der Stadt, wie sie die römische Zeit hinterlassen hatte, was mit dem Stadtgehäuse, wie man sie genannt hat, nach der Eroberung durch die Franken geschah. Die Ergebnisse der archäologischen Forschung zeigen, daß Köln bei der endgültigen Einnahme durch die Franken unzerstört geblieben war. Die römische Stadt als architektonische Gestalt blieb auch in der Folgezeit über Jahrhunderte hinweg erhalten. Man kann dieses Weiterbestehen kaum plastischer, bildhafter beschreiben, als es Hugo Borger, Direktor des Römisch-Germanischen Museums, in seinem Buch über dieAbbilderdes Himmels in Köln getan hat: "Die römische Stadt Colonia Claudia Ara Agrippinensium stand bis zur karolingischen Zeit unvermindert aufrecht. Aber längst nicht mehr alle Gebäude waren bewohnt. Manches, wahrscheinlich das meiste, mag als Ruine gelegen haben, auch von Büschen zugewuchert gewesen sein, Bäume wuchsen dazwischen. Nur die mächtige Stadtmauer mit ihren Toren und Türmen umzog das Ganze wie eh, und auch die Straßen bestanden weiter. Im römischen Statthalterpalast residierten die fränkischen Teilkönige, wenn sie nach Köln kamen. Darüber aber, wie die Menschen in den nachrömischen Jahrhunderten in der Stadt lebten, welche Häuser sie benutzten und wieviele überhaupt in ihr lebten, wissen wir fast nichts." 95 Dieses Fast-Nichts-Wissen gilt in ähnlicher Weise auch gegenüber der Frage, was sich in diesem Stadtgehäuse in den ersten Jahrhunderten nach der fränkischen Eroberung bis hin zum frühen Mittelalter ereignet hat. Bedeutet diese Zeitspanne einen Bruch, eine historische Pause vollnebelhafter Undurchschaubarkeit? Oder besteht, wie mit beachtenswerten Argumenten erklärt worden ist, über diese Zeit hinweg eine Kontinuität irgendwelchen Grades in der städtischen Organisation? Hugo Borgers Schilderung einer still dahindämmernden, nur von schattenhaftem Leben durchgeisterten Ruinenstadt "am Rande der Christenheit" läßt eher an einen epochalen Bruch zwischen dem Ende des spätantiken und der Entstehung des frühmittelalterlichen Köln denken. Wie aber haben die römischen Zeitgenossen der geschichtlichen Szene den Zusammenbruch der Römerherrschaft am Rhein gesehen? Haben sie versucht, seine Ursachen zu erkennen und zu definieren? Hier sollte man nochmals zu dem bereits zitierten Salvianus von Marseiiie zurückkehren; in einem unvollendet gebliebenen Werk mit dem beziehungsreichen Titel De gubernatione Dei (Vom Weltregiment Gottes) formuliert er seine Antwort auf die Frage, wieso den heidnischen oder häretischen Barbaren der Sieg über die christlichen Römer zufallen konnte. Warum hat der Herr der Welt das zugelassen? Mit weit ausholender Argumentation und scharf gliedernder Rhetorik erklärt er - weithin auch im Stil eines Bußpredigers - den römischen Zusammenbruch als Gericht Gottes, als gerechte Strafe des Himmels für eine haltlose, unaufrichtige, weltlich orientierte, oberflächliche, weltanschaulich indifferente, im Grunde unchristliche römische Christenheit. Nicht weil sie bessere Menschen sind, siegen die Barbaren, denn ihre menschlichen Qualitäten charakterisiert Salvianus mit durchaus abschätzigen Wertattributen: "Die Sachsen sind grausam", schreibt er, "die Franken hinterhältig, die Gepiden unmenschlich, die Hunnen unzüchtig; kurzum, die Lebensweiseall dieser Barbarenvölker ist die reine Verderbtheit." Warum sie dennoch Sieger blieben? Salvianus Antwort lautet: Das moralische Defizit der christlichen Römer, ihre Gier nach banalem, flachen, frivolen, verwerflichen Lebensgenuß trägt die Schuld an der Katastrophe, sie macht die Christen unfahig, ihre politische Verantwortung zu bedenken und sich ihr zu stellen. Leidenschaftlich beklagt sich dieser Schriftsteller darüber, daß seine christlichen Mitbürger unbedenklich und ungescheut den immer noch bestehenden, aus der heidnischen Vergangenheit überkommenen Institutionen traditioneller Volksbelustigungen 96 Gladiatorendarstellung auf einem Grabstein (1. Jh. n. Chr.). Köln, Römisch-Germanisches Museum. anhängen. Zwei ganze Bücher seines Werkes verwendet er zu einer heftigen Invektive gegen den Fortbestand der Circusspiele, der mörderischen Fechterspiele und blutigen Tierhetzen in den Arenen der Amphitheater, der leichtfertigen, anstößigen Schauspieldarbietungen in den szenischen Theatern. Die Lust an diesen Vergnügungen sei so unbändig, erklärt Salvianus, daß sie sogar den Besuch der Gottesdienste an hohen Festtagen beeinträchtige: "An jedem Tag, an dem die mörderischen Spiele stattfmden-mag es auch ein kirchlicher Feiertag sein-, kommen Menschen, die sich als Christen bezeichnen, nicht zur Kirche. Gehen sie aber, weil sie vom Stattfmden der Spiele nicht unterrichtet sind, zufällig hinein und hören dort, daß es Spiele gebe, verlassen sie das Gotteshaus wieder. Man verachtet den Tempel Gottes, um ins Theater zu laufen. Die Kirche wird leer, der Circus voll!" Unglaublich grotesk erscheint ihm, "daß diese Übelstände aus den römischen Städten erst verschwunden sind, seit sie unter dem Gesetz der Barbaren stehen." Als Folge dieser Einstellung geißelt der Autor den totalen Schwund politischen Verantwortungsbewußtseins, der sich selbst bei den Trägern dieser Verantwortung zeige. Als unrühmliches Beispiel fUhrt er namentlich die Bürgerschaft von Trier an, deren Repräsentanten nach viermaliger Verwüstung ihrer Stadt nichts anderes zu unternehmen wußten, als den Kaiser um die Abhaltung von Circusspielen zu ersuchen. Eifernd schwingt da 97 Salvianus die Geißel seiner Vorwürfe: "Circusspiele, Treverer, verlangt ihr? Und das nach der Verwüstung, der Eroberung, der Katastrophe, dem Blutvergießen, dem Gemetzel, der Gefangenschaft, nach der Zerstörung eurer so oft verheerten Stadt? Was ist beweinenswerter als solcher Unverstand, was mehr zu beklagen als die Verblendung? Ich bekenne, daß ich euch für die allerunglücklichsten hielt, als euch die Vernichtung widerfuhr; doch ich muß euch als noch viel unglücklicher ansehen, wenn ihr Circusdarbietungen fordert. Ich meinte nämlich, ihr hättet bei den Zerstörungen nur euer Hab und Gut, euer Vermögen verloren, und ahnte nicht, daß ihr zugleich auch Verstand und Einsicht verloren hattet." Und er schließt mit dem Verdammungsurteil: "Da dich drei Zerstörungen nicht zum Besseren bekehren konnten, hast du es verdient, bei der vierten vollends unterzugehen." Salvianus schließt dieser Abrechnung mit denTrieremeinen womöglich noch krasseren Bericht an, den man schlecht auf eine andere Stadt als auf das römische Köln beziehen kann: "Was aber geschah in einer nahe gelegenen, fast genau so prächtigen Stadt? Gab es dort nicht denselben Niedergang der Wirtschaft und Moral? Mit anderen Punkten will ich mich gar nicht befassen; doch nachdem die beiden in dieser Stadt dominierenden, allgemein verbreiteten Laster, Geldgier und Trunksucht, alles zerstört hatten, wurde der Alkoholismus zu einer so rasenden Sucht, daß nicht einmal in dem Augenblick, da der Feind schon in die Stadt eingedrungen war, sich die Ratsherren von ihrem Zechgelage erhoben. Damit wollte, wie mir scheint, Gott ihnen klar machen, warum sie untergehen mußten, weil sie die Lebensweise, durch die sie ins äußerste Verderben geraten waren, noch in der Stunde ihres Untergangs praktizierten." Er schließt mit dem Resümee: "Niemand soll sich einbilden, diese Stadt sei erst am Tage ihres Falles verloren gegangen; wo solche Dinge geschehen konnten, war die Stadt schon vor ihrem endgültigen Untergang verloren." Gewiß ist dies vor allem die Bußpredigt eines empörten Theologen, doch gleichwohl nicht bloße Deklamation. Konkrete Beispiele, von denen er als Augenzeuge berichtet, sind auch historische Dokumente. Es möge erlaubt sein, abschließend noch ein paar Sätze zu zitieren, in denen der Autor sich selbst als Augenzeuge bekannt: "Ich habe selbst gesehen und miterlebt, wie überall Leichen lagen, Männer und Frauen, nackt, verstümmelt, die Augen der Mitbürger beleidigend, zerfleischt von Raubvögeln und Hunden. Der Leichengestank wurde zur Pest für die Lebenden. So wurden auch die Überlebenden vom Schmerz über den Tod der anderen überwältigt." Es sind Schreckensbilder aus einer zusammenbrechenden, ein- 98 stürzenden Welt, vor die Salvianus seine Leser führt. Darüber darf man nicht vergessen, daß es sich unter dem Aspekt der Gesamtgeschichte letztlich doch wieder nur um einen vorübergehenden historischen Augenblick und um eine Epochenwende mit der ganzen wilden Agressivität der neuen Kräfte handelt. Das Beispiel der Römergründung Köln zeigt, daß die germanische Eroberung und das Verschwinden der römischen Administration nicht zugleich das Auslöschen der römischen Stadtgründungen auf dem linken Rheinufer bedeutet. Nach dem Zerfall der römischen Herrschaft hinterblieben am Rhein keine völlig ausgestorbenen, für die spätere Nachwelt nur noch archäologisch interessanten, ganz und gar menschenleeren Ruinenstädte, wie man sie in anderen Provinzen des römischen Reiches kennt. Die rheinischen Römerstädte gewannen ihre Bedeutung schließlich auch unter den neuen, die Zukunft gestaltenden Herren des Landes. Nach Jahrhunderten stiegen sie erneut zu glänzenden wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Zentren der Rheinlande auf. Die Namen funkeln: Basel, Straßburg, Speyer, Worms, Mainz und - vielleicht in überwältigendster Lichtftille - das neue Köln. Hinweis: Die flinfBeiträge von Bertold K. Weis über den "Rhein in römischer Zeit" beruhen aufflinfVorträgen, die der Verfasser in den Jahren 1981-1983 aufRheinkreuzfahrten der Karawane Studienreisen an Bord von MS "AUSTRIA" gehalten hat. Kölner Rathausgrabung 1953. Freigelegte Mauern des Statthalterpalastes. 99 Alfred Mi/atz Der rheinische Königsritt Friedrichs II. von Hohenstaufen Im Januar des Jahres 1212 traf unter der Leitung der schwäbischen Ritter Anselm von Justingen und Konrad von Ursberg eine Gesandtschaft in Palermo ein, um dem König von Sizilien die deutsche Krone anzubieten und ihn aufzufordern, baldigst über die Alpen zu kommen und den Wirren im Reich, dessen Kaiser vom Papst gebannt und exkommuniziert war, ein Ende zu setzen. Nur der junge König Friedrich, gerade erst siebzehnjährig, schien den wenigen deutschen Fürsten, die die Botschaft veranlaßt hatten, befähigt, dieser Aufgabe nachzukommen. Denn er war der einzige Sohn des frühverstorbenen Hohenstaufen-Kaisers Heinrich und der sizilischen Erbtochter Konstanze; in ihm verkörperte sich der Nimbus seiner beiden Großväter, des unvergessenen Kaisers Friedrich Barbarossa und des Königs Roger von Sizilien, den schon die Mitwelt den Großen genannt hatte. Auf ihn waren alle Hoffnungen der Hohenstaufen-Anhänger gerichtet, die von dem letzten Vertreter dieses Hauses die Wiederherstellung eines kraftvollen Königtums, mit dem der Anspruch auf die Kaiserwürde untrennbar verbunden war, erwarteten. Doch der König zögerte, da nach dem frühen Tod von Vater und Mutter seine Macht auf der Insel Sizilien gering und in den süditalienischen Festlandsgebieten noch weniger gefestigt war, er dann auch seine Gemahlin Konstanze und den gerade erst geborenen Sohn Heinrich in Palermo hätte zurücklassen müssen und schließlich, weil er unter Menschen aufgewachsen war, die nach der Schreckensherrschaft seines Vaters allen Grund hatten, die Deutschen zu hassen und eine neue Verbindung Siziliens mit dem Reich - und sei es nur in der Form einer Personalunion entschieden ablehnten. Er zögerte auch, denn nur ein Jahr zuvor hatte der deutsche Kaiser, der Welfe Otto IV., ein Sohn Heinrichs des Löwen, das sizilische Königreich angegriffen, Apulien erobert und verwüstet und war nur durch den Bann des Papstes, der um jeden Preis die Vereinigung Siziliens mit dem Reich verhindern wollte, gezwungen worden, vom direkten Angriff auf Palermo, wo bereits die Galeeren zur Flucht nach Afrika bereitgestanden hatten, abzulassen. Es gab also viele Gründe, dem Ruf der deutschen Fürsten- und waren die Hohenstaufen-Anhänger überhaupt in der Mehrheit? - nicht Folge zu leisten. Trotz all dieser Bedenken entschied sich Friedrich dann doch für 100 den Ritt nach Deutschland. Denn in ihm lebte, sicherlich noch unbewußt, das alte staufisehe Sendungsbewußtsein weiter, und er war, nach den Worten des Historikers Ernst Kantorowicz, "durchdrungen von der Schicksalhaftigkeit des an ihn, den ,letzten Übriggebliebenen', ergangenen Rufes". Er setzte sich über alle vorgebrachten Bedenken hinweg und sogar über die Tatsache, daß er zwar die arabische, lateinische, griechische und provenzalische Sprache ebenso gut beherrschte wie das Volgare Siziliens, aber kein einziges Wort Deutsch verstand oder sprach. Und er wußte, die Gegebenheiten klug nutzend, die moralische Macht des Papsttums, das sein früherer Vormund Innozenz III. gerade zu höchsten Blüte geführt hatte, hinter sich. So ließ er im März 1212 seinen noch nicht einjährigen Sohn Heinrich zum sizilischen König krönen, setzte seine Gemahlin Konstanze zur Regentin ein, bestätigte in Messina dem Papst vertraglich den sizilischen Lehensstatus sowie das Konkordat seiner verstorbenen Mutter mit allen Privilegien für die römische Kurie und versicherte Innozenz seiner persönlichen Treue, um dessen Hauptbedingung zu erfüllen, daß Sizilien niemals mit dem Reich vereinigt werden dürfe. Mit nur wenigen Begleitern schiffte sich der Siebzehnjährige in Messina ein, um über Rom und die Alpen den langen, abenteuerlichen Weg nach Deutschland zu wagen. Eine knabenhafte Erscheinung, wie alle Zeitgenossen, die ihm nun begegneten, berichten, mit langem rötlich-blondem Haar, einer klaren Stirn und strahlenden Augen, in seiner Person Anmut und Selbstsicherheit vereinigend, umgeben vom märchenhaften Glanz seiner sizilischen Heimat - aber von seinen Gegnern als "Zaunkönig" oder "Pfaffenkönig" verspottet. Zum Legaten, Begleiter und- sicherlich- als Aufpasser hatte ihm der Papst den Priester Berard von Castacca, seit 1210 Bischofvon Bari und ab 1213 Erzbischof von Palermo, bestimmt. Doch das war der erste folgenschwere Irrtum des Menschenkenners Innozenz. Denn Berard vertrat keineswegs die päpstlichen Ansprüche, die auf Oberherrschaft über ein erneuertes Kaisertum gerichtet waren, sondern war und blieb die Zeit seines Lebens, bis nach Friedeichs Tode, der treueste und uneigennützigste Anhänger des Staufers, bei allem Gehorsam gegenüber der Kirche felsenfest der ordnenden Kraft des Reichsgedankens und der Sendung seines König-Kaisers vertrauend. Die Schwierigkeiten, denen Friedeich begegnen sollte, wurden bereits kurz nach der Abfahrt von Messina spürbar. Welfentreue pisanisehe Galeeren sperrten die Weiterfahrt nach Rom, so daß der König schon in Gaeta an Land gehen mußt, um von dort 101 Mitte April die Ewige Stadt zu erreichen. Senat und römisches Volk empfingen ihn mit allen Ehren, die dem künftigen deutschen König - und das heißt dem designierten Kaiser - gebührten. Im Triumph wurde er zum Papstpalast begleitet. Zum ersten und einzigen Mal stand nun Friedrich vor seinem früheren Vormund: Innozenz 111., ein Mann in reifen Jahren, schmal und asketisch, ein Diplomat und eine geborene Herrschernatur, auf der Höhe der erreichten klerikal-imperialen Machtstellung, der wie nie zuvor das alleinige Schiedsamt über die Welt erstrebte, und ihm gegenüber der junge Staufer, auf sich allein gestellt, bar jeder realen Hilfe, doch erfüllt vom Sendungsbewußtsein seines Hauses, dazu fest entschlossen und bereit, die Faszination seiner Erscheinung und Herkunft sowie seine schon in Sizilien bewiesene diplomatisch-taktische Begabung einzusetzen, um in der verworrenen Welt in neuen Formen das antike Kaisertum wiederaufzurichten. Ein größerer Gegensatz der Charaktere war nicht denkbar. Aber nicht der erfahrene Papst, der größte Staatsmann, den die Kirche je hervorgebracht hatte, durchschaute den Jüngling, sondern allein dieser war sich bewußt, wessen er sich von seinem Gegenüber zu versehen hatte. Wäre es anders gewesen, dann hätte der mächtige Papst dem mittellosen, militärisch und politisch ohnmächtigen Friedrich noch jetzt die Weiterfahrt nach Deutschland verweigert und die Weltgeschichte wäre ganz andere Wege gegangen. Nur wenige Tage dauerte der Aufenthalt in Rom. Auf einer gemieteten genuesischen Galeere wurde die Fahrt fortgesetzt und ftihrte, unter Umgehung aller pisanischen Sperren, in die Hafenstadt am Ligurischen Meer. Hier in Genua ehrten Podesta, Klerus und Volk Friedrich als den zukünftigen Kaiser. Durch fahnengeschmückte Straßen zog der "Knabe aus Apulien", wie man denjungen König in seltsamer Verkennung seiner Herkunft nannte, zum Palast der kaisertreuen Adelsfamilie der Doria, wo er dann zehn Wochen ausharren mußte, bis der weite Weg durch Oberitalien einigermaßen gesichert schien. Zum Dank erhielten die Genuesen - sie dachten eben doch nur als Kaufleute, und eine Hand wäscht die andere -wichtige Handelsprivilegien im sizilischen Reich zugesichert. Erst am 15. Juli konnte zum gefährlichsten Teil des Deutschlandrittes aufgebrochen werden. Doch bereits in der Lombardei stellten sich die Welfenfreunde dem nur von einer kleinen Begleitmannschaft, aber nicht von einem Heer - woher sollte es auch kommen? gefolgtenPuer Apuliaeoder wie die deutschen Staufer-Anhänger auf die Kunde hin zu jubeln begannen- dem Chint von Pulle in den Weg. Pavia empfing ihn noch mit höchsten Ehren, aber 102 Mailand, das seine Zerstörung durch Friedrichs Großvater Barbarossa noch nicht vergessen und schon immer an der Spitze der reichsfeindlichen Partei gestanden hatte, Lodi und Piacenza hatten Truppen aufgeboten, um den "Zaunkönig" zu fangen. Fast wäre er den Mailändern am Lambro in die Hände gefallen. Als er frühmorgens auf einer Furt den Fluß überqueren wollte, wurde er durch Verrat von ihnen plötzlich aus dem Hinterhalt angegriffen. Während des Handgemenges gelang es Friedrich mit nur ganz wenigen Begleitern, auf einem ungesattelten Pferd den Fluß zu durchschwimmen und auf der anderen Seite das sichere staufertreue Cremona zu erreichen. Der größere Teil seiner pavesischen Schutztruppe geriet in die Hände der Mailänder, doch diese mußten sich mit dem billigen Spott begnügen, daß der "Pfaffenkönig" seine Hosen im Lambro gewaschen habe. Weiter ging es über Mantua und Verona durch das Etschtal nach Trient. Da der welfenfreundliche Graf von Tirol den Brenner sperrte, mußte über unwegsame Pässe nach Westen ausgewichen werden, um über das Engactin die Bischofsstadt Chur, die bereits zum Herzogtum Schwaben gehörte, zu erreichen. Auf Veranlassung des Legaten Berard nahm Bischof Arnold den König freundlich auf und huldigte als Erster dem Staufenerben in seinem Stammland. Auch der einflußreiche Abt von St. Gallen trat auf seine Seite und stellte Begleitmannschaft, so daß sich das Gefolge jetzt auf dreihundert Mann - eine immer noch kleine Schar - vergrößerte. Doch auch damit war im Grunde nichts gewonnen. Denn Boten meldeten, daß der mit Bann und Interdikt belegte, aber trotzdem weit überlegene Kaiser Otto IV. sich mit einem großen Heer dem Bodensee nähere. In oder bei Konstanz mußte die Entscheidung fallen. Friedrich stand mit seinem Gefolge vor den verschlossenen Toren dieser Bischofsstadt, und Otto warteteamanderen Ufer des Sees in Überlingen auf die Schiffe zur Überfahrt. Seine Köche hatte er bereits nach Konstanz entsandt, um das Siegesmahl für ihn zu richten. Der Bischof ließ erkennen, daß er seine Tore nur dem rechtmäßigen König öffnen werde. Vergebens sprachen der Bischof von Chur und der Abt von St. Gallen für Friedrich. Da trat schließlich der päpstliche Legat, Bischof Berard von Bari, hervor und verlas Innozenz' Bann und Ansetzungsdekret gegen den "ehemaligen Kaiser Otto". Nun wurden die Tore geöffnet, und Friedrich konnte in die Stadt einziehen. Um drei Stunden, wie ein Chronist vermerkt, war der Staufer dem Welfen zuvorgekommen, sonst hätte er niemals Deutschland gewonnen. In fast grotesker Umkehr der Dinge hatte sich das Blatt gewendet. Der vorgesehene feierliche Empfang galt nicht mehr Otto, sondern Frie103 drich, das von den Köchen des Kaisers zubereitete Festmahl kam auf die Tafel des Staufererben. Als der Welfe wenig später mit glänzendem Gefolge vor den Toren erschien, fand er sie verschlossen und mußte, da sein Heer noch am anderen Ufer stand, schmählich umkehren. Nun erhoben sich in Schwaben überall die Staufer-Anhänger, und der Kaiser, vom Oberrhein und dann auch aus Lothringen vertrieben, konnte seine Kräfte erst wieder im welfentreuen Köln sammeln. Nur zwei Monate waren für Friedrich seit dem abenteuerlichen Ausritt aus Genua vergangen, aber sein Wagemut und der friedliche Ausgang der Konstanzer Affare hatten ihre Früchte getragen. An ihm war es nun, auch die noch abseits stehenden deutschen Fürsten für sich zu gewinnen. Noch stand deren überwiegende Mehrheit auf der Seite des exkommunizierten Kaisers, und zu Friedrich bekannten sich bisher außer den Bischöfen von Chur und Konstanz und den Äbten von St. Gallen und der Reicherrau nur schwäbische Ritter und sein Vetter, der Herzog von Lothringen. Allerdings hatte Ottos moralisches Ansehen inzwischen einen schweren Stoß erhalten. Um dem sich aus Italien nähernden Friedrich zuvorzukommen und die Schwaben für sich zu gewinnen, hatte er noch im August 1212 rasch die fünfzehnjährige Beatrix, eine Tochter des vier Jahre zuvor wegen einer Privatrache von Otto von Wittelsbach ermordeten Stauferkönigs Philipp von Schwaben, geheiratet. Doch diese war schon wenige Wochen nach der Hochzeit verstorben. Man sprach von Giftmord und lastete nun auch den gewaltsamen Tod ihres Vaters, durch den Otto der Weg zur Kaiserkrone geebnet worden war, diesem an. Beweise dafür gab es nicht und waren sicherlich auch nicht zu beschaffen. Aber von vielen wurde zumindest der plötzliche Tod der jungen Frau so kurz nach ihrer Vermählung mit einem vom Papst Gebannten als Zeichen göttlichen Unwillens angesehen. Seinen ersten Hoftag hielt Friedrich in Basel. Hier huldigte ihm auch der schwäbische Hochadel, der sich, anders als die Ritter, bisher abwartend verhalten hatte. Die mächtigen Grafen von Habsburg und von Kiburg, sowohl in Schwaben als auch im Elsaß begütert, schlossen sich ihm an. Und der Bischofvon Straßburg führte dem jungen, noch nicht gekrönten König fünfhundert Ritter zu, eine wesentliche Verstärkung seiner Streitmacht. Ganz Südwestdeutschland war jetzt in seiner Hand und Walther von der Vogelweide, schon immer ein Parteigänger der Staufer, konnte jubeln: "Sein junger Leib wurd' mächtig und ward großSeht, wie er wächst! Bald ist er Riesen ein Genoß!" 104 Erstes Siegel Kaiser Friedrichs II. (1212). Rheinabwärts ging jetzt der Zug nach Hagenau, Mittelpunkt der staufisch-elsässischen Hausgüter und Lieblingspfalz des Großvaters Barbarossa, die dieser groß und imposant ausgebaut hatte, mit einer nun leeren Kapelle, in der einst die Reichskleinodien aufbewahrt worden waren, die der Welfe Otto dann 1208 nach der Ermordung seines Gegners Philipp von Schwaben, Friedrichs Onkel, nach Aachen bringen ließ. Hagenau, inmitten herrlicher Wälder und Jagden gelegen, wurde von nun an auch die Lieblingsresidenz des staufiseben Erben, in der er sich in den acht Jahren seines ersten Deutschlandaufenthalts, soweit es die örtlich wechselnden Hoftage erlaubten, zumeist aufhielt. Der erste deutsche Hoftag wurde sogleich, Anfang Oktober 1212, nur gut ein halbes Jahr nach dem Aufbruch aus Sizilien, in Hagenau abgehalten. König Ottokar von Böhmen bekannte sich hier zu Friedrich und bat um Bestätigung seiner Königswürde. Politisch entscheidend aber wurde der Übertritt Konrads von Scharfenberg, des bisherigen Kanzlers Ottos und dessen Vorgängers Philipps von Schwaben. Als Bischof von Speyer erhielt er aus Friedrichs Hand sogleich auch das Bistum Metz zugesprochen. Zweifellos witterte der ehrgeizige, diplomatisch erfahrene Mann die Erfolgschancen, die sich ihm durch seinen Wechsel zum jungen König boten, dem er nun flir die nächsten acht Jahre als loyaler Kanzler weiterdiente. Sofort leitete er, dank guter Beziehungen zum französischen Hof, Verhandlungen mit König Philipp August ein, die rasch zum Abschluß eines staufisch-französischen Bündnisses führten. Frankreichs Politik stand in unüberbrückbarem Gegensatz zu England und war damit auch gegen die dem englischen Königshaus der Plantage105 nets familiär und politisch verbundenen Welfen gerichtet, also durchaus von eigenen Interessen bestimmt, deckte sich dadurch aber genau mit Friedrichs eigenen Zielen. Mitte November 1212 wurde in Vaucouleurs an der Maas, nahe der Bischofsstadt Toul, bei einem Treffen des Staufers mit dem französischen Kronprinzen, dem späteren Ludwig VIII., das Bündnis besiegelt. Friedrich versprach, ohne ausdrückliche Zustimmung Frankreichs, keinen Friedensvertrag mit seinem Gegner Otto oder dessen Onkel Johann von England, der dann unter dem Namen Johann ohne Land in die Geschichte eingegangen ist, abzuschließen. Als Gegenleistung erhielt er von Philipp August die ftir damalige Zeiten unerhört hohe Summe von zwanzigtausend Silbermark, ein Betrag, der nicht wenig zur Gewinnung der noch immer abwartenden Gruppe deutscher Fürsten beitragen sollte. Nur drei Monate nach seinem Einzug in Konstanz beherrschte der Staufererbe den ganzen deutschen Süden außer Bayern, von Burgund über Lothringen und Schwaben bis nach Böhmen hin. Diesen Erfolg hatte er ohne Schwertstreich, einzig dank seiner Persönlichkeit, seiner Ausstrahlung und seinem diplomatischen Geschick errungen. Am 5. Dezember 1212 konnte er in Frankfurt die erste große Fürstenversammlung seiner Anhänger abhalten, auf der noch einmal Ottos Absetzung und Friedrichs Wahl zum deutschen König verkündet wurde. Vier Tage später fand in Mainz die feierliche Krönung statt, allerdings mit provisorischen Insignien, da die echten in der traditionellen Krönungsstadt Aachen lagen, wo sich der "ehemalige Kaiser'' Otto mit seinen Anhängern versammelt hatte. Wiederholt zog Friedrich nun durch die süddeutschen Lande und hielt Hoftage in Mainz, Augsburg, Nürnberg, Regensburg und Koblenz. Er lernte die unterschiedlichen Besitz- und Machtinteressen der deutschen Fürsten kennen, verhandelte mit ihnen und überzeugte sie durch Selbstbewußtsein und Festigkeit des Auftretens. Auch die deutsche Sprache war ihm nun nicht mehr fremd. Die jahrelang unbeaufsichtigt gebliebene Hofkammer wurde kontrolliert, wobei erhebliche Unterschlagungen des Rentmeisters Wölffiin von Hagenau zutage traten. Der harte Eingriff des erst Achtzehnjährigen und die strenge Bestrafung des Schuldigen fanden überall Beachtung. Für den staufiseben Hausbesitz in Schwaben und im Elsaß wurde nach dem Vorbild seines Großvaters Roger von Sizilien eine straff zentralisierte Eigenverwaltung eingerichtet. Auf dem Reichstag in Eger- wie Hagenau einst eine Reichspfalz Barbarossas - wurde am Pfingstsonntag 1213 eine Goldene Bulle verkündet, die Friedrich als Grundgesetz seiner künftigen Herr- 106 schaft über ganz Deutschland und der Abgrenzung zwischen Königsgewalt und Fürstenmacht verstanden wissen wollte. Insbesondere die geistlichen Fürsten erhielten bedeutende erweiterte Rechte. Der König verzichtete auf das Regalien- und Spolienrecht und auf seine Einwirkung bei Bischofswahlen. Auch durften sie in kirchlichen Fragen von nun an direkt an den Papst appellieren. Diesem, den Friedrich noch als seinen "Schützer und Wohltäter'' bezeichnete, wurden die bereits von Otto zugestandenen Territorialrechte in Mittelitalien bestätigt. Die anwesenden weltlichen Fürsten stimmten zu, lediglich der mächtige Bayernherzog lehnte ab, gab aber ein Jahr später ebenfalls seine Einwilligung. In Eger wurde auch der Krieg gegen Otto IV. vorbereitet. Der Welfe war noch immer Herr am Niederrhein, im Herzogtum Sachsen und in seinen braunschweigischen Stammgebieten. Im Herbst 1213 zog dann ein staufisches Heer durch Thüringen auf Magdeburg zu. Doch Otto wich der Entscheidung aus und zog sich, nachdem er Thüringen verwüstet hatte, in das uneinnehmbare Braunschweig zurück. Es ist nun fast wie ein Wunder in dieser an Wundern und Zufällen so überreichen Zeit der Königsfahrt des jungen Friedrich: die historische Entscheidung zu seinen Gunsten fiel außerhalb der Reichsgrenzen, ohne daß er selbst oder seine deutschen Anhänger daran beteiligt waren. Im Frühjahr 1214 griffen die Engländer den französischen Kronbesitz direkt an, und gleichzeitig zog Otto mit seinem immer noch starken Heer, das er durch die Truppen der Herzöge von Brabant und Limburg sowie der Grafen von Jülich und Kleve erheblich vergrößern konnte, zur Unterstützung seines Onkels Johann über den Niederrhein nach Flandern. Bei Bouvines in der Nähe von Lilie kam es am 27. Juli 1214 zur Schlacht: auf der einen Seite König Philipp August mit einem kleinen, dem Gegner weit unterlegenen Heer, auf der anderen unter Führung Ottos die gewaltige englisch-welfische Streitmacht. Der Kampf war äußerst blutig. Entgegen allen Erwartungen wurde das Heer Ottos bis auf siebenhundert brabantische Söldner niedergemetzelt. Er selbst wurde durch einen Lanzenstoß vom Pferde geworfen und mußte auf dem seines Knappen flüchten. Mit diesem Sieg Philipp Augusts war aber nicht nur Frankreich gerettet, sondern auch die deutsche Frage entschieden. Als äußeres Zeichen dafür sandte der französische König seinem Verbündeten Friedrich, der noch an der Mosel stand, die erbeutete kaiserliche Standarte. Otto mußte in das ihm weiterhin ergebene Köln fliehen, wo er noch ein Jahr aufKosten der Bürger 107 lebte, während seine brabantische Gemahlin dem Würfelspiel frönte, ohne ihre Spielschulden bezahlen zu können. Friedrich kehrte von der Mosel nach Worms zurück und sammelte jetzt ein großes Heer, das von den Chronisten begeistert als das "größte, das man je gesehen hatte" beschrieben wird. Er eroberte in der Pfalz die feste Reichsburg Trifels, wo sein Vater einst den englischen König Richard Löwenherz gefangengehalten hatte. Er überquerte die Maas und bedrohte Brabant, dessen Herzog, Ottos neuer Schwiegervater, jedoch rechtzeitig kapitulierte und einen Sohn als Geisel stellte. Er besiegte den Herzog von Limburg sowie die Grafen von Jülich und Kleve. Am 23. September 1214 stand er vor Aachen. Die Bürger verjagtenOttos Vogt und hießen Friedrich in ihren Mauern willkommen. Binnen zweier Monate hatte er den ganzen Nordwesten Deutschlands für sich gewonnen, in der gleichen Zeit war die welfische Macht zu einem Nichts geworden. Im November 1214 hielt er abermals Hoftag in Basel. Nur zwei Jahre waren seit jenem ersten nach dem Konstanz er Abenteuer vergangen. Aber alles hatte sich gewandelt. Jetzt drängten sich Fürsten und Vasallen, ihm zu huldigen. Sogar aus dem fernen Arelat kamen Prälaten und Grafen, um sich ihre Privilegien bestätigen zu lassen. Seine Stellung in Deutschland war endgültig gesichert, der königlichen Alleinherrschaft des Staufers stand nichts mehr im Wege. In einer zeitgenössischen Chronik heißt es nun: "Die Aachener schrieben dem König Friedrich, er möge friedlich kommen, da sie bereit seien, ihn als ihren Herrn aufzunehmen. So geschah es, Legende zur Karte Seite 109: I Burg Bolanden 2 Kloster Münsterdreisen 3 Kloster Ramsen 4 Kloster Enkenbach 5 Kloster Odemheim 6 Kloster Marienthal 7 Kloster St. Lambert 8 Burg Falkenstein 9 Burg Lichtenburg 10 Burg Nannenstuol II Burg Wilenstein 12 Burg Hohenecken 13 Burg Beilstein 14 Burg Weidenthai 15 Burg Bimstein 16 Burg Anebos 17 Burg Scharfenberg 108 18 Kloster Eußerthal, BurgRamberg 19 Burg Gutenburg 20 Burg Landeck, Kloster Klingenmünster 21 Burg Neukastell 22 Burg Alt-Scharfeneck 23 Burg Wachtenburg 24 Burg Madenburg 25 Burg Meistersei 26 Burg Kästenburg 27 Kloster Limburg 28 Burg Hardenburg 29 Burg Alt-Leiningen 30 Burg Wegeinburg 31 Burg Herwartstein 32 Burg Alt-Dahn 33 Kloster Hornbach DIE STAUFER Saarbruck~n ZWtlßR l STAU FISCI-I E. BURGEN • KLÖ&TE.R • STÄDTE l BURGEN ! KI.ÖSTER 0 tJ ~~~ CiJ ~ A STÄDTE IN ANDEREM BES1T2 109 daß der König Friedrich, umgeben von Fürsten und Würdenträgern des Reichs, mit großer Pracht und Herrlichkeit nach Aachen kam am Vorabend des Festes des heiligen Jakobus." Soweit der Bericht über diese tatsächlich nur noch formale Ladung, denn niemand mehr in Deutschland wagte das Recht des Königs auf Krönung in der Stadt Karls des Großen zu bestreiten. Anfang Juli 1215 machte sich Friedrich auf den traditionellen Königsweg. Zu Schiff ging es zuerst den Rhein abwärts, an den Bischofsstädten Speyer und Worms vorbei, dessen Herren zu seinen ersten Huldigern gehört hatten, vorbei an Mainz, dessen früherer Erzbischof Christian lange Zeit Kanzler, Feldherr, Berater und persönlicher Freund des Großvaters Barbarossa gewesen war und die Ehe von Friedrichs Eltern gestiftet hatte, vorbei an Koblenz und den vielen Zollburgen im mittleren Flußgebiet bis hin nach Sinzig, um auf dem dortigen Königsgut letzte Rast zu halten. Dann ging es zu Pferd quer durch die Eifel, über die Tomburg, die als Burg der Pfalzgrafen lange Zeit die Reichsinsignien beherbergt hatte, zum Kloster Kornelimünster vor den Toren Aachens. Hier ordnete sich das Gefolge zum feierlichen Einzug in die Krönungsstadt Die frühere provisorische Krönung in Mainz war vergessen, nur die rechtmäßige in der Pfalzkirche Karls des Großen, des Erneuerers der abendländischen Reichsidee, zählte. Als dann Erzbischof Siegfried von Mainz als päpstlicher Legat am 25. Juli 1215 Friedrich am Altar salbte, ihm die Krone Deutschlands auf das Haupt setzte und Zepter, Schwert und heilige Lanze übergab, wußte dieser, daß er als nunmehriger deutscher und römischer König das unwiderrufbare Recht erworben hatte, in Rom vom Papst selbst zum Kaiser gekrönt zu werden und den vollen Titel "Romanorum Imperator et Semper Augustus" zu führen. Welche Gedanken mögen den Zwanzigjährigen im Augenblick der Salbung inmitten allen mystischen Gepränges der Krönung bewegt haben, als er dann, auf dem Marmorthron Karls des Großen sitzend, die Huldigung aller weltlichen und geistlichen Großen des Reiches entgegennahm? Der Knabe, der in seiner elternlosen Kindheit bitterste Not gelitten hatte und, mißhandelt von den rauhen Soldaten des kaiserlichen Statthalters Markward von Anweiler, auf die Mildtätigkeit der Bürger von Palermo angewiesen gewesen war, der junge sizilianische König, der beinahe vor den Invasionstruppen des Welfen Otto aus seinem Land hätte fliehen müssen und sich dann heimlich, unter ständiger Gefärdung des Lebens, nach Deutschland aufgemacht hatte, um das Erbe des Großvaters und Vaters anzutreten, war nun ohne 110 Bürgerkrieg, fast ohne jeden Waffengang, so als hätte sich alles von selbst gefügt, der gesalbte und gekrönte deutsche und römische König, Herr des Reiches, Erneuerer des Kaisertums. Als Bekräftigung der Tradition, in die er sich bewußt stellte, ließ er am Tage nach der Krönung die Gebeine Kaiser Karls erheben und in einen neuen prachtvollen Schrein betten, der in Gold und Silber gearbeitet war und die Bildnisse aller deutschen Kaiser bis zu Friedrich selbst in erhabener Reliefarbeit trug. Der Chronist berichtet, daß Friedrich den schweren Krönungsmantel aus dem Schatz seines Großvaters Roger, der heute noch in der Wiener Schatzkammer gezeigt wird, ablegte, einen Hammer nahm und selbst "vor den Augen aller Anwesenden zusammen mit dem Meister die Nägel des Schreins" festschlug. Vergessen war der ehemalige Kaiser Otto, der schon drei Jahre später, erbittert und erniedrigt, nach selbstauferlegten harten Bußübungen zur Lösung des Bannes, am 19. Mai 1218 auf der Harzburg, noch nicht sechsunddreißigjährig, einsam starb. Noch fünf Jahre nach der Aachener Krönung blieb Friedrich in Deutschland, schlichtend, ordnend und die königliche Macht festigend, bis er im August 1220 vom Augsburger Lechfeld nach Italien aufbrechen konnte, um am 22. November 1220 in Rom von Papst Honorius 111., dem Nachfolger des bereits 1216 verstorbenen großen Innozenz, zum Kaiser gekrönt zu werden. Als stupor mundi, das Staunen der Welt, und immutator mirabilis, wundersamer Verwandler, wie die Zeitgenossen ihn nennen sollten, trat er nun in den gewaltigen Endkampf zwischen geistlichem Machtanspruch und weltlichem Kaisertum, zwischen Papst und Reich, ein, der ihn zu großen Triumphen und einsamen Höhen führen sollte, an dessen Ende aber, nach seinem Tode 1250, die Niederlage beider Gewalten stand, das Papsttum in die babylonische Gefangenschaft ging und das allumfassende Reich sich in Nationalstaaten und Territorien auflöste. Er war der größte, aber auch der letzte abendländische Kaiser. 111 DIE KARAWANE wird von der Gesellschaft ftir Länder- und Völkerkunde herausgegeben. Redaktion Peter Albrecht Die Zeitschrift erscheint viermal jährlich, die vorliegende Nummer 2/3-1984 kostet ftir Einzelbezieher DM 12,50. Jahresabonnement ftir 4 Nummern DM 25,-. An die Mitglieder der Gesellschaft ftir Länder- und Völkerkunde erfolgt die Auslieferung kostenlos. Bildnachweis: Peter Al brecht: Titelbild, S. 5, 6, 12, 40, 78; Kalender 1984 Krusedruck Philippsburg, Blatt März: S. 8; Hans-Jürgen Imiela, Max Slevogt, Verlag G. Braun, Karlsruhe 1968: S. 11; Landesbildstelle Koblenz: S. 13; Köln er Dombild-Kalender 1984, Verlag Kölner Dom: S. 16; Hugo Borger, Das RömischGermanische Museum Köln, Verlag Georg D. W Callwey München, 1977: S.17, 28, 88, 94, 97; RudolfLaur-Belart, Führer durch Augusta Raurica, Basel 1978: S. 20, 21; Rheinisches Landesmuseum Bonn: S. 22; Otto Doppelfeld, Der Rhein und die Römer, Greven Verlag, Köln 1974: S. 26, 27, 33, 79; Verkehrsamt der Stadt Köln: S. 30; Mainz, Geschichte und Entwicklung (Stadtführer), 1967: S. 31; Mittelrheinisches Landesmuseum, Mainz: S. 34; Die Römer in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart und Aalen 1976: S. 38, 59, 65; Peter Robert Franke, Römische Kaiserporträts im Münzbild. Aufnahmen von Max Hirmer. Hirmer Verlag München, 1968: S. 41, 43, 67; C.H.V. Sutherland, Münzen der Römer, Ernst Sattenberg Verlag München 1974: S. 48, 70, 90; Otto Paul Wenger, Römische Kaisermünzen, Hallwag Verlag Bern und Stuttgart, 1975: S. 49; Harald Busch/Gottfried Edelmann/ Willy Zschietzmann, Römische Kunst, Umschau Verlag Frankfurt am Main, 1968: S. 30, 54; Wolfgang Fritz Volbach/Max Hirmer, Frühchristliche Kunst, Hirmer Verlag München, 1958: S. 56; Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Antikenabteilung: S. 58; Römer am Rhein. Ausstellungskatalog des Römisch-Germanischen Museums Köln, Kunsthalle Köln, 2. Aufl. 1967: S. 63; Die Römer an Mosel und Saar, Ausstellungskatalog, Verlag Philipp von Zabern Mainz, 1983: S. 68, 81, 83, 84; Landesmuseum Tri er: S. 69, 73, 74, 75, 82; RudolfPörtner, Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit, Econ Verlag Düsseldorf1959: S. 80, 85; Otto Doppelfeld, Vom unterirdischen Köln, Greven Verlag Köln, 1979: S. 99; Archiv Karawane: S. 105, 109. Früher erschienene Hefte sind zum Teil noch lieferbar. Bitte verlangen Sie Verlagsprogramm des Karawane-Verlages. Reiseprogrammefür Studienreisen und Kreuzfahrten bitten wir beim Büro ft.ir Länder- und Völkerkunde, 7140 Ludwigsburg, Postfach 909, anzufordern. 112 Herbst-Kreuzfahrt mit MS "Austria" CD Rheingaugebirge Der Rhein von Basel bis Köln @ Kea.eratuhl @ Hunsriick Kaiserdome und Landschaften rechts und links des Rheins Reise-Nr. 84/2-R vom 06. 10. - 13. 10. 1984 Leitung Dr. Georg Golla (Kulturgesc hichte): Dr. Wolfgang Hauke (Kunstgeschichte): Dr. Bertold K. Weis (Alte Geschichte). u. a. Änderungen bleiben vorbehalten. Reiseprogramm Samstag, 06. 10. Gegen 18.30 Uhr Einschiffung auf MS .Austria" in Basel. Begrüßung durch den Kapitän, Abendessen an Bord. Die Anreise nach Basel kann mit Flug ab den meisten deutschen Flughäfen bzw. ab Wien oder mit Bus ab Stuttgart erfolgen. Sonntag, 07. 10. Frühmorgens Abfahrt des Schiffes MS .Austria" von Basel nach Breisach. an gegen 07.30 Uhr. Vormittags Busausflug über den Rhone-Rhein-Kanal nach Kolmar im Oberelsaß, Stadtrundfahrt mit Besuch des ehemaligen Klosters Unterlinden (Kreuzgang. Museum). der Altstadt mit alten Bürgerhäusern (Kopfhaus, Pfisterhaus) und dem gotischen Martinsmünster, Mittagessen an Bord. Nachmittags Spaziergang zum Stephansmünster in Brelsach. in malerischer Lage auf einem den Rhein steil überragenden Felsen erbaut (Hochaltar, Fresken). Zeit zur freien Verfügung. Abendessen an Bord. Abend zur frei en Vertügung. evtl. Gelegenheit zum Besuch eines Weinlokals im Kaiserstuhl. Ausreise nach Mitternacht. Montag, 08. 10. Straßburg an gegen 07.30 Uhr. Kurze Busfahrt zum Altstadtkern von Straßburg. Stadtrundgang durch die .Königin der Städte" am Oberrhein mit Besuch des Münsters und Gang durch die Altstadt mit weiteren. ausgewählten Besichtigungen. Mittagessen an Bord. Nachmittag zur freien Verfügung in Straßburg. Ausreise 18,30 Uhr. Kreuzfahrt rheinabwärts nach Speyer, an gegen 23.30 Uhr. Dienstag, 09. 10. Speyer. Vormittags kurzer Spaziergang zum Kaiserdom von Speyer. eingehende Besichtigung. Zeit zur freien Verfügung, Gelegenheit zum B.esuch des Weinmuseums oder Gang bis zum Torturm .Aitpörtel". Ausreise 11.45 Uhr. Mittagessen an Bord. Gegen 14.15 Uhr Ankunft des Schiffes in Worms in der Pfalz. Stadt der Reichstage im Mittelalter und eine der ältesten Städte Deutschlands. Nachmittags Rundgang in Worms mit Besuch des sechstürmigen romanischen Domes. Gegen 19.00 Uhr Abfahrt des Schiffes nach Mainz, Abendessen an Bord. Mainz an gegen 21.45 Uhr. c: • Herbst-Kreuzfahrt mit MS "Austria" Der Rhein von Basel bis Köln Kaiserdome und Landschaften rechts und links des Rheins Fortsetzung: Mittwoch, 10. 10. Mainz. Vormittags Stadtrundgang in Mainz mit Besuch des nahegelegenen Kaiserdomes, des Gutenberg-Museums sowie Spaziergang durch die Altstadt. Gegen 13.15 Uhr Ausreise von Mainz. Mittagessen an Bord. Eltville an gegen 14.15 Uhr. Busausflug zum nahegelegenen Kloster Eberbach, Rundgang und Weinprobe. Am Spätnachmittag Rückfahrt nach Eltville, Zeit zur freien Verfügung. Ausreise des Schiffes um 19.00 Uhr. Abendessen an Bord. Rüdesheim an gegen 20.00 Uhr. Abends freier Landgang in Rüdesheim Donnerstag, 11. 10. Gegen 08.30 Uhr Abfahrt des Schiffes von Rüdesheim, Kreuzfahrt auf der schönsten, burgenreichen Rheinstrecke: Fahrt durch das .Binger Loch", vorbei am .Mäuseturm" und den Burgen Rheinstein, Reichenstein, Sooneck, Heimburg und Fürstenberg nach Bacharach, an gegen 09.30 Uhr. Freier Landgang in Bacharach, einem über 1000 Jahre alten, malerischen Städtchen mit turmreicher Stadtmauer, überragt von der Ruine der gotischen Wernerkapelle und der Burg Stahleck. Mittagessen an Bord. Nach dem Mittagessen Fortsetzung der Rheinkreuzfahrt gegen 14.00 Uhr, vorbei an der Rheinfeste .Pfalz", an romantischen Städtchen und Burgen, dem Loreley-Felsen sowie Koblenz mit dem .Deutschef\ Eck" und der 1\Aoselmündung bis nach Remagen, an gegen 18.30 Uhr. Ubernachtung in Remagen. Zeit zur freien Verfügung. Freitag, 12. 10. Remagen. Vormittags Spaziergang zur viertürmigen, gotischen Wallfahrtskirche Apollinaris bei Remagen. Ausreise 11.30 Uhr, Kreuzfahrt vorbei am Siebengebirge und an Bonn nach Köln, an gegen 14.30 Uhr. Nachmittags Rundgang zum Kölner Dom, dem größten gotischen Bauwerk nördlich der Alpen sowie Besuch des Römisch-Germanischen Museums (ausgewählte Besichtigungen). Abendessen an Bord, Abschlußvortrag. Abend zur freien Verfügung. Samstag, 13. 10. Köln. Nach dem Frühstück Ausschiffung. Ende der Kreuzfahrt. Reisepreis: Ab DM 2.130,Ab Basel bis Köln alles eingeschlossen. Das Schiff MS "Austria" gehört der deutschen Reederei KD Köln-Düsseldorf AG, Köln, die seit vielen Jahren für Rheinkreuzfahrten mit komfortablen, gut geführten Schiffen bekannt ist. Das im Jahre t971 gebaute Rheinschiff hat ein großes Sonnendeck. mit Deck- und Liegestühlen, die ohne Gebühr zur Verfügung stehen, einen kleinen Bord laden, Sauna sowie eine große Lounge auf dem Oberdeck und eine kleine Bar. Das Schiff hat 2 Kabinendecks mit insgesamt 192 Betten (96 Kabinen), wovon wir bei unserer Kreuzfahrt jedoch nur etwa 160 Betten belegen. Alle Kabinen sind Außenkabinen und haben private Dusche und WC, alle Kabinen haben Unterbetten. Sämtliche Kabinen haben Teppichboden, Schränke und Radio sowie Klimaanlage (individuell regulierbar). Es kann in einer Serie gegessen werden - einer der vielen Vorteile unserer Kreuzfahrten. Eine freundliche Besatzung sorgt für das Wohl der Gäste, die Verpflegung entspricht einem guten internationalen Standard. Technische Daten: Länge 104,60 m, Breite 11,60 m, Höhe über Wasser 7,30 m, 2 Schrauben und Bugpropeller, Radar, Sprechfunk, Funktelefon (DA 46 50 38 994 über Fernamt 010), Wechselstrom 220 Volt. Bitte fordern Sie das ausführliche Einzelprogramm an. Karawane Studien-Reisen Postfach 909 · 7140 Ludwigsburg ·Telefon (07141) 83026