Die Musik in Europa und Japan

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Die Musik in Europa und Japan
Masterarbeit
Yuko Chiba 1273198
Universität für Musik und darstellende Kunst Graz
Masterstudium Klavier Studienkennzahl V 066 711
Betreuung durch: Ao.Univ.Prof. Mag.phil. Dr.phil. Ernst Hötzl
Graz, am 30. April 2015
Abstract
Der Titel meiner wissenschaftlichen Masterarbeit lautet: „Die Musik in Europa und
Japan“. Die Musik blickt auf eine lange Geschichte nicht nur in Europa, sondern auch in
Japan zurück. In der vorliegenden Arbeit zeige und vergleiche ich die Merkmale und die
Geschichte der klassischen Musik in Europa mit der japanischen traditionellen Musik.
Dabei liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der Beschreibung der Beziehung zwischen
der europäischen klassischen und der japanischen traditionellen Musik. Im letzten Teil
meiner Masterarbeit berichte ich über ein klassisches Klavierkonzert in Tokio, das ich
für einen Pianisten organisiert habe.
Aus meiner Masterarbeit konnte ich folgende Erkenntnisse gewinnen:
Jede Musik hat ihr eigenes Charakteristikum. Und dennoch ist die Musik für Europäer
und die Musik für Japaner gleich. In Europa und Japan gibt es aber zwei
unterschiedliche Aspekte der Musik. Ein Aspekt ist die Musik als Unterhaltung, der
andere ist die Musik unter ästhetischen Gesichtspunkten. Die meisten Konzertbesucher
wollen unterhalten werden. Die meisten Musiker hingegen setzen auf Ästhetik. Wenn
die beiden Aspekte – Unterhaltung und Ästhetik – in einem Konzert koexistieren
können, sind Musiker und Publikum gleichermaßen zufrieden.
Die Musik ist eine Art der internationalen Kommunikation und die gemeinsame Sprache
des Menschen.
I
Abstract
The title of my master thesis is: “Music in Europe and Japan”
Music in Europe as well as in Japan has a long history. In my thesis I have described
and compared the characteristics and history of classical European music and Japanese
traditional music. In particular, the focus is concentrated on the description of the
relation between European classical and Japanese traditional music. In the final part of
my thesis I have reported on a classical piano concert in Tokyo which I had organised
for a pianist.
From my thesis I could extract the following findings:
Every kind of music has its own characteristics. However, music for Japanese and
Europeans is basically the same. But there are two different aspects of music in Japan
and Europe. One aspect is music as entertainment, the other one is music seen from a
more aesthetic point of view. Most concertgoers want to be entertained. Most musicians,
however, focus on aesthetics. If both aspects – entertainment and aesthetics – can
coexist in a concert, both musicians and audience are equally satisfied.
Music is a way of international communication and the common language of people.
II
Inhaltsverzeichnis
Seite
Vorwort
1. Die Merkmale der europäischen klassischen Musik und der japanischen
traditionellen Musik
1.1. Der Takt und der Rhythmus
1.2. Die Tonleiter
1.2.1. Die europäische Tonleiter
1.2.1.1. Die diatonische Tonleiter
1.2.1.1.1. Die Dur-Tonleiter
1.2.1.1.2. Die Moll-Tonleiter
1.2.1.1.2.1. Die natürliche Moll-Tonleiter
1.2.1.1.2.2. Die harmonische Moll-Tonleiter
1.2.1.1.2.3. Die melodische Moll-Tonleiter
1.2.1.2. Die Kirchentonarten
1.2.1.3. Die Ganzton-Tonleiter
1.2.1.4. Die pentatonische Tonleiter
1.2.1.4.1. Die Dur-Pentatonik
1.2.1.4.2. Die Moll-Pentatonik
1.2.2. Die japanische Tonleiter in der japanischen traditionellen Musik
1.2.2.1. RO- und RITSU-Tonleiter
1.2.2.2. YÔ- und IN-Tonleiter
1.2.3. Die japanische Tonleiter nach der Einführung der europäischen
Klassischen Musik
1.2.3.1. YONANUKI-Tonleiter
1.2.3.2. NIRONUKI-Tonleiter
1.3. Die Tonart
1.4. Die Harmonie
1.5. Das Instrument
1.5.1. Das Streichinstrument
1.5.2. Das Blasinstrument
1.5.2.1. Das Blechblasinstrument
1.5.2.2. Das Holzblasinstrument
1.5.3. Das Schlaginstrument
1.5.4. DasTasteninstrument
2. Musikalisch-theatralische Unterhaltungsformen in Europa und Japan
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2.1. NÔ
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2.1.1. Der Ursprung
2.1.2. Die Entwicklung
2.1.3. Der NO-Schauspieler
2.1.4. Die Rollen
2.1.4.1. SHITE-KATA
2.1.4.2. WAKI-KATA
2.1.4.3. KYÔGEN-KATA
2.1.4.4. HAYASHI-KATA
2.1.5. Die Musik im NÔ-Theater
2.1.5.1. UTAI
2.1.5.1.1. Eine Rolle
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2.1.5.1.2. Der Rhythmus
2.1.5.1.3. Die Tonleiter
2.1.5.1.4. Die Stimmung
2.1.5.1.5. Der Text
2.1.5.2. HAYASHI
2.1.5.2.1. NÔKAN
2.1.5.2.2. KOTSUDUMI
2.1.5.2.3. ÔTSUDUMI
2.1.5.2.4. TAIKO
2.1.6. Ein Temposystem von NÔ „JYO-HA-KYÛ“
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2.1.7. Die Rolle des Dirigenten
2.1.8. Die Bewegung
2.1.9. „GENZAI-NÔ“ und „YUME-GENSÔ“
2.1.10. Das Genre
2.1.11. Der gegenwärtige offizielle Aufführungstil von NÔ
2.1.12. Die Maske
2.1.13. Die Kostüme der NO-Schauspieler
2.1.14. Die Bühne
2.1.14.1. Die Struktur
2.1.14.1.1. Die Hauptbühne
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2.1.14.1.2. Die Brücke
2.1.14.1.3. Das Bühnenbild
2.1.14.1.4. Der Platz für Musiker
2.1.14.1.5. Der Zu- und Abgang für die Spieler
2.1.14.1.6. Das Vorzimmer
2.1.14.1.7. Der Zuschauersitzplatz
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2.1.14.2. Der Einfluss der Freiluftbühne
2.1.14.3. Die Akustik
2.1.15. Der Aufführungsort
2.1.16. Wie genießt man NÔ ?
2.1.17. Die Ästhetik von NÔ
2.1.17.1. Die Schönheit
2.1.17.2. Die japanische Seele
2.1.17.2.1. Die Bedeutung von ruhiger Bewegung
2.1.17.2.2. Die Schlichtheit der Bühne
2.1.17.2.3. Wenige Aufführende
2.1.17.2.4. Die ausdruckslose Maske
2.1.17.2.5. Die Bedeutung von Tod und Alter
2.1.18. Zusammenfassung
2.2. KYÔGEN
2.2.1. Der Ursprung und die Entwicklung
2.2.2. Die Rolle
2.2.2.1. SHITE
2.2.2.2. ADO
2.2.2.3. TACHISYÛ
2.2.3. Die Musik
2.2.3.1. Die Tonleiter
2.2.3.2. Der Rhythmus
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2.2.3.3. HAYASHI
2.2.3.4. JIUTAI
2.2.4. Die Arten von KYÔGEN
2.2.4.1. HON-KYÔGEN
2.2.4.2. AI-KYÔGEN
2.2.4.3. BETSU-KYÔGEN
2.2.5. Das Thema der Geschichte
2.2.6. Die Maske
2.2.7. Die Kostüme
2.2.8. Zusammenfassung
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2.3. KABUKI
2.3.1. Die Geschichte
2.3.1.1. Der Ursprung
2.3.1.2. Die Herkunft des Namens
2.3.1.3. „Frau-KABUKI“
2.3.1.4. „Junger Mann-KABUKI“
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2.3.1.5. „Erwachsener Mann-KABUKI“
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2.3.1.6. Die Arten der Darstellung und Inszenierung „ARAGOTO“ und
„WAGOTO“
42
2.3.1.7. GIDAYÛ-KYÔGEN
42
2.3.1.7.1. NINGYÔ-JYÔRURI
42
2.3.1.7.1.1. Der Ursprung
43
2.3.1.7.1.2. Die Herkunft des Namens
43
2.3.1.7.1.3. Musik
43
2.3.1.8. Das zeitgenössische KABUKI
44
2.3.2. Die Kategorie entsprechend dem Inhalt
44
2.3.3. Die Musik
45
2.3.3.1. Das Instrument
45
2.3.3.2. GEZA-Musik
2.3.3.3. SYOSA-Musik
2.3.3.3.1. NAGAUTA
2.3.3.3.2. TAKEMOTO
2.3.3.4. Die Klangwirkung
2.3.3.4.1. KI
2.3.3.4.2. TSUKE
2.3.4. Die Anfeuerungsrufe ÔMUKÔ
2.3.5. Die Ästhetik von KABUKI
2.3.5.1. Die auftretenden Personen
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2.3.5.2. Die Schminke
2.3.5.3. Die Kostüme und die Requisiten
2.3.5.4. Der Schauspieler
2.3.5.5. Die Handhabung der Puppe
2.3.6. Die Inszenierung und der Ausdruck
2.3.7. Die Bühne
2.3.8. Die Überlieferung
2.3.9. Wie hat das Publikum KABUKI in der EDO-Ära genossen?
2.3.10. KABUKI nach der MEIJI-Ära
2.3.11. Zusammenfassung
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2.4. Die Oper
2.4.1. Die Herkunft des Namens
2.4.2. Die Geschichte der Oper
2.4.2.1. Der Vorläufer
2.4.2.2. Der Ursprung
2.4.2.3. Die griechische Tragödie
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2.4.2.4. Die älteste Oper
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2.4.2.5. Die älteste Oper, die auch heute aufgeführt wird
2.4.2.6. Die Oper als Hofmusik
2.4.2.6.1. Die italienische Oper
2.4.2.6.2. Die französische Oper
2.4.2.7. Die Oper als Unterhaltung für das gewöhnliche Volk
2.4.2.7.1. Italien
2.4.2.7.2. Deutschland und Österreich
2.4.2.7.3. Frankreich
2.4.2.7.4. Russland, Tschechien und Großbritannien
2.4.2.8. Die zeitgenössische Oper
2.4.3. Die Künstler in der Oper
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2.4.3.1. Der Dirigent
2.4.3.2. Der Regisseur
2.4.3.3. Die Sängerin und der Sänger
2.4.3.4. Das Orchester
2.4.4. Die Struktur der Opernmusik
2.4.4.1. Die Arie und das Rezitativ
2.4.4.2. Vokalensemble
2.4.4.3. Der Chor
2.4.4.4. Die Ouvertüre
2.4.4.5. Das Intermezzo
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2.4.5. Das Opernhaus
2.4.6. Die Kulisse
2.4.7. Die Anfeuerungsrufe
2.4.8. Die Kleidung des Publikums
2.4.9. Zusammenfassung
2.5. Der Vergleich
2.5.1. Oper und KABUKI
2.5.1.1. Die synthetische Kunst
2.5.1.2. Die Unterhaltung und das Kunstwerk
2.5.1.3. Das Teilen der Begeisterung zwischen Spieler und Publikum
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2.5.1.4. Die Kulisse und die Bühnentechnik
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2.5.2. Der Vergleich der griechischen Tragödie mit NÔ und KYÔGEN
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2.5.2.1. Die asynthetische Kunst
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2.5.2.2. Die Ästhetik
71
2.5.2.3. Schauspieler
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VII
2.5.2.4. Die Kulisse und die Bühnentechnik
2.6. Zusammenfassung
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72
3. Die Entwicklung der europäischen Musik und der japanischen Musik nach der
Einführung der europäischen Musik
72
3.1. Die Geschicht der japanischen Musik
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3.1.1. Die Zeit der Ur-Musik
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3.1.2. Die Zeit der Einführung der ausländischen Musik
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3.1.3. Die Zeit der modernen „Nationalmusik“
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3.1.4. Die Zeit der zweiten Einführung der ausländischen Musik
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3.2. Die europäische Musik in Japan
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3.2.1. Die Verbreitung der europäischen Musik in Japan
76
3.2.1.1. Die Militärmusik
3.2.1.2. Die Institution „SHIKIBURYÔ”
3.2.1.3. Das Christentum
3.2.1.4. Die Musikpädagogik
3.2.1.5. Das öffentliche Konzert
3.2.2. Die weitere Geschichte der europäischen Musik in Japan
3.2.2.1. Die Musikpädagogik
3.2.2.2. Das Orchester
3.2.2.3. Das Musiktheater
3.2.2.4. Die Komposition
3.2.3. Die Verwendung japanischer traditioneller Musikelemente in der
europäischen Musik
3.3. Die japanische traditionelle Musik nach der Einführung
der euopäischen Musik
3.3.1. Die Überlieferung der japanischen traditionellen Musik
3.3.2. Die Einführung europäischer Musikelemente in die japanische
traditionelle Musik
3.3.3. Die Musikpädagogik
3.3.4. Die verschiedenen neuen Formen der japanischen
traditionellen Musik
3.3.5. Zusammenfassung
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4. Die Praxis
4.1. Das Konzert am 19. April 2014
4.2. Der Pianist Andreas Woyke
4.2.1. Das Profil von Pianist Andreas Woyke
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4.2.2. Warum habe ich den Pianisten Andreas Woyke ausgewählt?
4.2.2.1. Woykes Solo-Programm
4.2.2.2. Repertoire von Werken als Solist für Klavier und Orchester
4.2.2.3. Duo-Programm Violoncello & Klavier
4.3. Das Programm für die Tournee in Japan
4.4. Der Konzertsaal
4.5. Die Reaktion des Publikums
4.6. Zusammenfassung
Nachwort
90
91
91
92
92
93
94
94
96
IX
Literaturverzeichnis
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はじめての音楽史ー古代ギリシアの音楽から日本の現代音楽まで
Musikgeschichte für Anfänger – von der Musik des antiken Griechenlands bis zur
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X
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日本唱歌名曲集 Eine Sammlung der japanischen Lieder, Tokyo 1998.
Internetquellen
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http://pioneer.jp/onkan/active/opera.html
(13. März 2015)
Digitalbibliothek der Kultur 文化デジタルライブラリー:
http://www2.ntj.jac.go.jp/dglib/
(13. März 2015)
Einladung zu NÔ 能の誘い:
http://www.sense-nohgaku.com/noh/index.php
(13. März 2015)
Einladung zu KABUKI 歌舞伎への誘い:
http://www2.ntj.jac.go.jp/unesco/kabuki/jp/
(13. März 2015)
KOTOBANKU コトバンク:
https://kotobank.jp/
(13. März 2015)
NÔ 能:
http://www.geocities.jp/yashirokonko/nou.html
(13. März 2015)
NÔ / KYÔGEN 能 狂言:
http://www.nohkyogen.jp/
(13. März 2015)
Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hauptseite
(13. März 2015)
Wörterbuch der japanischen Kultur IROHA 日本文化いろは事典:
http://iroha-japan.net/
(13. März 2015)
Wörterbuch von KABUKI 歌舞伎事典 :
http://www2.ntj.jac.go.jp/dglib/contents/learn/edc_dic/dictionary/main.html
(13. März 2015)
XI
Vorwort
Die Zahl der japanischen Studenten, die im Ausland klassische Musik studieren,
vergrößert sich seit einigen Jahren erheblich. Auch ich habe Klavier in Wien und
Graz/Österreich von 2007 bis 2014 studiert. Während dieses Studiums durfte ich bei
vielen Konzerten spielen. Ich habe auch viele Konzerte besucht. Bei diesen Konzerten
konnte ich sehen, wie die Österreicher Musik genießen. Ich bemerkte, dass ihr Verhalten
anders als in Japan ist. Beim Konzert entspannen sich die Österreicher. Ich fühlte, dass
das österreichische Publikum die Musik so genießt wie man Wein trinkt. Die Japaner
genießen die Musik beim klassischen Konzert auch, aber sie reagieren insgesamt
zurückhaltender. Wenn ein ausländischer Musiker ein Konzert in Japan gibt, fühlt er
sich durch die „stille Reaktion“ vom Publikum verunsichert. „Es gibt eine Distanz
zwischen mir und dem Publikum. Ich denke, dass das Publikum mein Konzert nicht
genießen kann.“, berichtete mir ein europäischer Musiker.
Deshalb stelle ich die Frage, was die Hör-Rezeption von Musik in Europa und Japan
unterscheidet. Die Antwort auf diese Frage ist sehr wichtig für mich, weil ich nicht nur
Klavier spiele, sondern auch Konzerte für klassische Musik in Japan organisiere. Ich
möchte, dass noch mehr Japaner europäische klassische Musik genießen können. Das ist
mein Ziel als Organisatorin. Dafür möchte ich eine Antwort mit Hilfe dieser
wissenschaftlichen Masterarbeit finden.
Die Musik blickt eine lange Geschichte nicht nur in Europa, sondern auch in Japan
zurück. In Europa handelt es sich dabei um die sogenannte klassische Musik. Und Japan
ist es die japanische traditionelle Musik. Deswegen will ich die Merkmale und die
Geschichte der klassischen Musik und der japanischen traditionellen Musik aufzeigen
und vergleichen. Gleichzeitig will ich die Beziehung zwischen der europäischen
klassischen und der japanischen traditionellen Musik analysieren. Abschließend will ich
mit einem Konzert, das ich selbst organisiert habe, beweisen, dass bei einer
1
musikalischen Aufführung Unterhaltung und musikalische Qualität vereinbar sind. Mit
meiner Arbeit will ich zeigen, was die Musik in Europa und Japan bedeutet.
2
1. Die Merkmale der europäischen klassischen Musik und der japanischen
traditionellen Musik
Die
japanische
traditionelle
Musik
hat
nur
eine
geringe
Anzahl
an
Instrumentalmusikstücken. Es gibt aber ziemlich viele Stücke für Vokalmusik. Die Struktur
der japanischen traditionellen Musikstücke wird im Allgemeinen mit
dem Temposystem
„JYO-HA-KYÛ“ komponiert. In der japanischen traditionellen Musik wird das Tempo nicht
rapid geändert.1
Es gibt den rhythmischen Stil mit Takt und den rhythmischen Stil ohne Takt. Im
rhythmischen Stil mit Takt entstehen gewisse rhythmische Verschiebungen zwischen Stimme
und Instrument. In der Musik der EDO-Ära gibt es diese Verschiebungen oft. Durch diese
Verschiebungen entstand eine einzigartige Musik, die man in der europäischen klassischen
Musik oder der europäischen romantischen Musik nicht hören kann. 2
Es gibt Unterschiede zwischen der europäischen klassischen Musik und der japanischen
traditionellen Musik. In meiner Arbeit beschreibe ich diese beiden Musikgattungen
und vergleiche sie miteinander. Dadurch will ich die Besonderheiten der beiden
Musikgattungen herausfinden.
1.1. Der Takt und der Rhythmus
Die europäische klassische Musik baut auf Taktmodelle auf. Es gibt den Zweiertakt,
Dreiertakt und Vierertakt und so weiter. Bei Rubato oder dem Walzer entstehen
rhythmische Ausdehnungen und Zusammenziehungen innerhalb von Takten. Aber
grundlegend basiert die europäische klassische Musik auf einer festen, am Takt
orientierten Musik.
Die japanische traditionelle Musik hat fast ausschließlich Zweiertakte. Es gibt auch
1
Asaka, Sunao: 新音楽辞典 Neues Musiklexikon, Tokio 1996 S.421.
日本伝統音楽は器楽曲が少なく、声楽曲が圧倒的に多い。楽曲の構成は一般に序破急(じょはき
ゅう)の原理によっていて、急激な変化を求めないのがふつうである。
2 Asaka, Sunao: 新音楽辞典 Neues Musiklexikon, Tokio 1996 S.421.
拍節のある音楽とない音楽に分類され、前者ではとくに近世の音楽においては声のパートと楽器
のパートとの拍節のずれがみられ、後者はヨーロッパの古典派やロマン派の音楽にはない独特の
味わいがある。
3
Vierertakte. Der Dreiertakt erscheint selten. Die japanische traditionelle Musik baut auf
zwei Arten von Rhythmen auf: rhythmischer Stil ohne Takt bzw. rhythmischer Stil mit
Takt. Beim Stil mit Takt gibt es rhythmische Ausdehnungen und Zusammenziehungen
innerhalb von Takten. Die beiden Arten von Rhythmen gehören zu den wichtigsten
Merkmalen der japanischen traditionellen Musik. Aber wenn man das japanische
traditionelle Schlagzeug, wie die japanische Trommel, schlägt, muss man ein
gleichmäßiges Tempo halten.
Das japanische Temposystem heißt „JYO-HA-KYÛ“ bzw. „JYO-HA-KYÛ“ und
besteht aus drei verschiedenen Tempi. Es stammt ursprünglich aus den Sätzen vom
GAGAKU-Tanz, der ältesten Art der traditionellen japanischen Musik, ab. „JYO“ ist eine Einleitung,
ein langsamer Satz ohne Takt, „HA“ ist eine Durchführung. In diesem Satz wird das Tempo etwas
schneller und der Achtertakt kann herausgehört werden. „KYÛ“ ist der Schlussteil in einem
allmählich schneller Tempo mit einem Vierertakt.
Wenn Instrumente wie KOTO oder SYAMISEN (die japanischen traditionellen
Streichinstrumente) die Singstimme begleiten, entstehen gewisse rhythmische
Verschiebungen zwischen Stimme und Instrument. Diese Verschiebungen sind
einzigartig in der Musik der Welt.
1.2. Die Tonleiter
1.2.1. Die europäische Tonleiter
1.2.1.1. Die diatonische Tonleiter
Diese Tonleiter besteht aus den sieben Sekunden. Es gibt fünf Ganztöne und zwei
Halbtöne.
1.2.1.1.1. Die Dur-Tonleiter
Diese Tonleiter besteht aus zwei großen Sekunden, einer kleinen Sekunde, drei großen
4
Sekunden und einer kleinen Sekunde.
Abb.1
Die Dur-Tonleiter
1.2.1.1.2. Die Moll-Tonleiter
1.2.1.1.2.1. Die natürliche Moll-Tonleiter
Diese Tonleiter besteht aus einer großen Sekunde, einer kleinen Sekunde, zwei großen
Sekunden, einer kleinen Sekunde, zwei großen Sekunden.
Abb.2
Die natürliche Moll-Tonleiter
1.2.1.1.2.2. Die harmonische Moll-Tonleiter
Diese Tonleiter erhöht den siebten Ton der natürlichen Moll-Tonleiter um einen
Halbton.
Abb.3
Die harmonische Moll-Tonleiter
1.2.1.1.2.3. Die melodische Moll-Tonleiter
Diese aufsteigende melodische Tonleiter erhöht den sechsten und den siebten Ton der
natürlichen Moll-Tonleiter um einen Halbton. Die absteigende Tonleiter bleibt die
Abb.1
Opgenoorth, Norbert / Bessler, Jeromy: Elementare Musiklehre FÜR ANFÄNGER UND
FORTGESCHRITTENE, Bonn 1998.
Abb.2
Ebd.
Abb.3
Ebd.
5
natürliche Moll-Tonleiter.
Abb.4
Die melodische Moll-Tonleiter
1.2.1.2.Die Kirchentonarten
Das ist ein Tonsystem, das vom Mittelalter bis in das 16. Jahrhundert verwendet wurde.
Die Tonleiter wird durch einen ausgewählten Bereich der Töne und die Position von
Finalis und Dominante bestimmt.
Abb.5
Die Kirchentonarten
Ionisch
Dorisch
Phrygisch
Lydisch
Mixolydisch
Abb.4
Opgenoorth, Norbert / Bessler, Jeromy: Elementare Musiklehre FÜR ANFÄNGER UND
FORTGESCHRITTENE, Bonn 1998.
Abb.5
Ebd.
6
Äolisch
Locrisch
1.2.1.3. Die Ganzton-Tonleiter
Diese Tonleiter entsteht aus der Schichtung von sechs großen Sekunden.
Abb.6
Die Ganzton-Tonleiter
1.2.1.4. Die pentatonische Tonleiter
1.2.1.4.1. Die Dur-Pentatonik
Diese Tonleiter entsteht aus der Schichtung von vier reinen Quinten.
Abb.7
Die Dur-Pentatonik
1.2.1.4.2. Die Moll-Pentatonik
Die Tonleiter benutzt den fünften Modus der Dur-Pentatonik-Tonleiter. Aber der zweite
Ton wird um eine kleine Terz vom Grundton erhöht. Und der fünfte Ton wird um eine
kleine Septime vom Grundton erhöht.
Abb.8
Die Moll-Pentatonik
Abb.6
Opgenoorth, Norbert / Bessler, Jeromy: Elementare Musiklehre FÜR ANFÄNGER UND
FORTGESCHRITTENE, Bonn 1998.
Abb.7
Ebd.
Abb.8
Ebd.
7
1.2.2. Die japanische Tonleiter in der japanischen traditionellen Musik
1.2.2.1. RO- und RITSU-Tonleiter
Diese zwei Tonleitern stammen ursprünglich von einer traditionellen chinesischen
Tonleiter ab. GAGAKU, die älteste Art der traditionellen japanischen Musik, benutzt
auch diese Tonleiter.
RO-Tonleiter
Abb.9
RITSU-Tonleiter
Abb.10
1.2.2.2. YÔ- und IN-Tonleiter
Diese zwei Tonleitern stammen ursprünglich aus Japan. Sie werden hauptsächlich in der
japanischen Volksmusik benutzt.
YÔ-Tonleiter
Abb.11
IN-Tonleiter
Abb.12
Abb.9
Opgenoorth, Norbert / Bessler, Jeromy: Elementare Musiklehre FÜR ANFÄNGER UND
FORTGESCHRITTENE, Bonn 1998.
Abb.10
Ebd.
Abb.11
Ebd.
Abb.12
Ishiketa, Mereo u. a.: 楽典 理論と実習 Musikgrammatik – Theorie und Praxis –, Tokio 1998.
8
1.2.3. Die japanische Tonleiter nach der Einführung der europäischen klassischen
Musik
In der MEIJI-Ära (1868-1912) wurde die europäische traditionelle Musik in Japan
eingeführt. Danach entstanden in Japan die neuen Tonleitern, die ursprünglich von
europäischen klassischen Tonleitern abstammen. Diese beiden Tonleitern heißen
YONANUKI-Tonleiter und NIRONUKI-Tonleiter.
1.2.3.1. YONANUKI-Tonleiter
Diese Tonleiter besteht aus den fünf Tönen der Dur-Tonleiter ohne vierten und siebten
Ton.
YONANUKI-Dur-Tonleiter
&
YONANUKI-Moll- Tonleiter
Abb.13
1.2.3.2. NIRONUKI-Tonleiter
Diese Tonleiter besteht aus den fünf Tönen der Moll-Tonleiter ohne zweiten und
sechsten Ton.
NIRONUKI-Dur-Tonleiter
Abb.14
NIRONUKI-Moll-Tonleiter
Abb.15
Abb.13
Asaka, Sunao : 新音楽辞典 Neues Musiklexikon, Tokio 1996.
Transkription von Yuko Chiba.
Abb.15
Transkription von Yuko Chiba.
Abb.14
9
1.3. Die Tonart
In der europäischen klassischen Musik gibt es die Dur-und Moll-Tonarten. Und jeder
Ton kann Bestandteil dieser zwei Tonarten sein. In der traditionell-japanischen Musik
gibt es nur sechs Tonarten. Es gibt jeweils drei Tonarten in RITSU- und RO-Tonleitern.
Das heißt „ROKUJYÔSHI“. Die Tonarten des RITSU heißen HYÔJYÔ, ÔSHIKITYÔ
und BANSHIKITYÔ. Die Tonarten des RO heißen ICHIKOTSUTYÔ, SÔJYÔ und
TAISHIKITYÔ. Jede Tonart drückt eine bestimmte Gefühlswelt aus. Die japanische
traditionelle Musik ist eine Verschmelzung von Gefühlswelt und Musik.
1.4. Die Harmonie
In der europäischen klassischen Musik gibt es einen Harmoniebegriff, der aus Tonika,
Subdominante und Dominante usw. besteht. In der japanischen klassischen Musik gibt
es keinen Harmoniebegriff.
Nach der Einführung der europäischen klassischen Musik in Japan wird der europäische
Harmoniebegriff adaptiert: SHÔKA (japanische Schullieder) und DÔYÔ (neue
japanische Kinderlieder) wurden damit komponiert. Die japanische Nationalhymne
"KIMIGAYO" ist eine Mischung aus der japanischen traditionellen Musik und der
europäischen Musik. Die Melodie wurde mit der ICHIKOTSU-Tonleiter aus der
Musikgattung des GAGAKU komponiert. Und danach wurde die Harmonie der
europäischen klassischen Musik hinzugefügt.
1.5. Das Instrument
Europäische und japanische Instrumente sind fast identisch. Allerdings stammen die
meisten japanischen traditionellen Instrumente ursprünglich aus dem Ausland wie China
und Korea.
10
1.5.1. Das Streichinstrument
Dieses Instrument hat Saiten. Wenn die Saiten dieses Instruments geschnippt, gerieben
und geschlagen werden, entsteht ein Klang. Die europäischen Streichinstrumente sind
Violine,
Viola,
Violoncello,
Kontrabass
und
so
weiter.
Die
japanischen
Streichinstrumente heißen SANSHIN, SYAMISEN, BIWA, SÔ und so weiter.
Abb.16
Die europäischen Streichinstrumente
Violine
Viola
Die japanischen Streichinstrumente
Violoncello
SANSHIN und SYAMISEN
SANSHIN
Abb.16
Abb.17
Kontrabass
Abb.17
SYAMISEN
Die Redaktion „Syûgakusya“ : 音楽 鑑賞と歴史 Musik - Genuss und Geschichte -, Ōsaka 2000.
Asaka, Sunao : 新音楽辞典 Neues Musiklexikon, Tokio 1996.
11
Abb.18
Die japanischen Streichinstrumente BIWA und SÔ
BIWA
SÔ
1.5.2. Das Blasinstrument
Wenn die Atemluft in die Röhre dieses Instruments gebracht wird, entsteht ein Klang.
1.5.2.1. Das Blechblasinstrument
Das
Instrument
klingt
durch
die
vibrierenden
Lippen.
Die
europäischen
Blechblasinstrumente heißen Trompete, Tuba, Horn, Posaune und so weiter. In Japan
gibt es keine Blechblasinstrumente.
Die europäischen Blechblasinstrumente Trompete, Posaune und Horn
Trompete
Abb.18
Abb.19
Posaune
Abb.19
Horn
Die Redaktion „Syûgakusya“ : 音楽 鑑賞と歴史 Musik - Genuss und Geschichte -, Ōsaka 2000.
Opgenoorth, Norbert / Bessler, Jeromy: Elementare Musiklehre FÜR ANFÄNGER UND
FORTGESCHRITTENE, Bonn 1998.
12
Die europäischen Blechblasinstrumente Tuba
Abb.20
1.5.2.2. Das Holzblasinstrument
Das Instrument klingt durch die Schwingung der Luftsäule mittels Luftblatt oder
Rohrblatt. Die europäischen Holzblasinstrumente sind Flöte, Oboe, Klarinette,
Saxophon Fagott und so weiter. Die japanischen Holzblasinstrumente heißen
SHAKUHACHI, NÔKAN, RYÛTEKI, SHINOBUE, SYÔ, HICHIRIKI, KOMABUE
und so weiter.
Die europäischen Holzblasinstrumente Flöte, Oboe, Klarinette, Saxophon Fagott Abb.21
Flöte
Oboe
Klarinette
Abb.20
Abb.21
Die Redaktion „Syûgakusya“ : 音楽 鑑賞と歴史 Musik - Genuss und Geschichte -, Ōsaka 2000.
Ebd.
13
Saxophon
Fagott
Die japanischen Holzblasinstrumente
SHAKUHACHI
Abb.22
NÔKAN
Abb.23
Abb.24
RYÛTEKI
Abb.22
Asaka, Sunao: 新音楽辞典 Neues Musiklexikon, Tokio 1996.
Wikipedia http://ja.wikipedia.org/wiki/能管 (13. März 2015)
Abb.24
Die Redaktion „Syûgakusya“ : 音楽 鑑賞と歴史 Musik - Genuss und Geschichte -, Ōsaka 2000.
Abb.23
14
Abb.25
Abb.43 SHINOBUE
SYÔ
HICHIRIKI
KOMABUE
Abb.26
1.5.3. Das Schlaginstrument
Wnn man das Instrument schlägt, entsteht ein Geräusch, ein Ton oder ein Klang. Seit
der Urzeit wird das Schlaginstrument benutzt. Das Schlaginstrument ist das älteste
Musikinstrument. Außerdem gibt es auch ein Schlaginstrument, mit dem man eine
Melodie spielen kann. Die europäischen Schlaginstrumente sind Pauken, Trommeln,
Marimba, Maracas und so weiter. Die japanischen Schlaginstrumente heißen
SHIMETAIKO, KOTSUDUMI, ÔTSUDUMI, KAKKO und so weiter.
Die europäischen Schlaginstrumente
Pauken und Trommel
Pauken
Abb.27
Trommel
Abb.25
Wikipedia http://ja.wikipedia.org/wiki/篠笛 (13. März 2015)
Die Redaktion „Syûgakusya“: 音楽 鑑賞と歴史 Musik - Genuss und Geschichte -, Ōsaka 2000.
Abb.27
Ebd.
Abb.26
15
Die europäischen Schlaginstrumente Marimba und Maracas Abb.28
Marimba
Maracas
Die japanischen Schlaginstrumente TAIKO, KOTSUDUMI, ÔTSUDUMI Abb.29
SHIMETAIKO
KAKKO
KOTSUDUMI
ÔTSUDUMI
Abb.30
Abb.28
Die Redaktion „Syûgakusya“: 音楽 鑑賞と歴史 Musik - Genuss und Geschichte -, Ōsaka 2000.
Asaka, Sunao: 新音楽辞典 Neues Musiklexikon, Tokio 1996.
Abb.30
Die Redaktion „Syûgakusya“ : 音楽 鑑賞と歴史 Musik - Genuss und Geschichte -, Ōsaka 2000.
Abb.29
16
1.5.4. Das Tasteninstrument
Das Instrument hat Tasten. Die europäischen Tasteninstrumente sind Klavier, Cembalo,
Celesta, Akkordeon, Orgel und so weiter. Es gibt kein japanisches traditionelles
Tasteninstrument.
Die europäischen Tasteninstrumente Klavier, Cembalo, Celesta und Orgel
Klavier
Abb.31
Cembalo
Celesta
Orgel
Akkordeon Abb.32
Abb.31
Abb.32
Die Redaktion „Syûgakusya“: 音楽 鑑賞と歴史 Musik - Genuss und Geschichte -, Ōsaka 2000.
Asaka, Sunao: 新音楽辞典 Neues Musiklexikon, Tokio 1996.
17
2. Musikalisch-theatralische Unterhaltungsformen in Europa und Japan
In Europa und Japan gibt es viele verschiedene Arten von Musik. Als Thema für diese
Arbeit habe ich die traditionelle musikalische Gattung des Theaters gewählt. Ich will die
Oper als ein Beispiel des europäischen musikalischen Theaters behandeln. Und als ein
Beispiel des japanischen traditionellen musikalischen Theaters will ich NÔ, KYÔGEN
und KABUKI behandeln. Zuerst sollen die Merkmale dieser Theaterformen
aufgeschrieben und verglichen werden. Dadurch will ich die europäischen und
japanischen Ansichten zu Musik als Unterhaltungsform herausfinden.
2.1. NÔ
NÔ besteht aus Tanz, Theater, Musik und Gedichten. NÔ ist die älteste darstellende
Kunstform und japanisches traditionelles musikalisches Theater. Im NÔ tragen die
Schauspieler Masken.
2.1.1. Der Ursprung
Von NÔ wird gesagt, dass es ursprünglich von der traditionellen chinesischen
Volksmusik „SANGAKU“ stammt. SANGAKU ist ein Oberbegriff der Unterhaltung. In
der NARA-Ära (710-794) kam SANGAKU nach Japan. Danach wurde SANGAKU
„SARUGAKU“ genannt. Während der EDO-Ära (1603-1868) wurde NÔ und
KYÔGEN „SARUGAKU“ genannt.
2.1.2. Die Entwicklung
Anfangs war NÔ ein lustiges und volkstümliches Unterhaltungsschauspiel wie
KYÔGEN. Danach führte KANAMI, ein NÔ-Schauspieler, die zwei Elemente Tanz und
Lied in dieses Theater ein. Sein Sohn ZEAMI legte den Grundstein für die
„MUGENSÔ“-Form fest. Und er erhöhte damit die künstlerische Qualität von NÔ.
18
NÔ wurde von den Machthabern unterstützt. Dadurch entwickelte NÔ sich weiter. In
der EDO-Ära wurde NÔ vom japanischen Adel „BUKE“ als offizielle zeremonielle
Kunst bei bestimmten Anlässen, wie zum Beispiel bei der Zeremonie für freudige
Ereignisse und so weiter, benutzt. Deswegen konnten sich NÔ-Schauspieler nur auf NÔ
konzentrieren. Außerdem war NÔ eine intellektuelle Freizeitbeschäftigung, die die
SAMURAI haben mussten. Deshalb kann man sagen, dass BUKE und die Schauspieler
zusammen NÔ entwickelten.
Nach dem Untergang von BUKE blieb NÔ Bestandteil der Bildung für die politische
Oberschicht.
Auch
heute
gibt
es
die
Betriebe,
die
ihre
eigenen
NÔ-
Freizeitvereinigungen haben. NÔ bleibt also bis heute ein vornehmes Hobby.
2.1.3. Der NÔ-Schauspieler
Nur Männer durften im NÔ-Theater spielen. Aber nach dem Zweiten Weltkrieg änderte
Kimiko Tsumura, die erste NÔ-Lehrerin, diese NÔ-Männerwelt. Seit dieser Zeit
vergrößerte sich die Zahl der NÔ-Schauspielerinnen.
2.1.4. Die Rollen
NÔ besteht aus vier Rollen: „SHITE-KATA“, „WAKI-KATA“, „KYÔGEN-KATA“ und
„HAYASHI-KATA“. Nur wenige Schauspieler treten im NÔ-Theater auf. Oft wird nur
SHITE-KATA und WAKI-KATA aufgeführt.
2.1.4.1. SHITE-KATA
„SHITE-KATA“ ist eine Hauptrolle und wird mit einer Maske gespielt. Eine Gruppe
„JIUTAI“ besteht aus Schauspielern der Gruppe „SHITE-KATA“. Diese Gruppe singt
unisono. Und SHITE-KATA spielt auch „TSURE“. TSURE ist eine Person, die
SHITE-KATA oder WAKI-KATA zur Bühne mitbringt. Wer mit SHITE-KATA auftritt,
19
heißt TSURE. Wer mit WAKI-KATA auftritt, heißt „WAKI-TSURE“. Wenn zum
Beispiel ein Held, der eine Frau hat, auftritt, dann ist seine Frau TSURE von SHITE.
SHITE-KATA führt Regie und bestimmt die Rollenbesetzung.
2.1.4.2. WAKI-KATA
„WAKI-KATA“ ist eine Nebenrolle und wird von einem Mann ohne Maske gespielt.
2.1.4.3. KYÔGEN-KATA
„KYÔGEN-KATA“ spielt KYÔGEN. Beim NÔ wird KYÔGEN-KATA "AI"genannt.
AI erklärt die Handlung der Geschichte.
AI hat verschiedene Rollen, wie z.B. Mann, Frau und Gott. Wenn Gott dargestellt wird,
benutzt der AI eine Maske.
2.1.4.4. HAYASHI-KATA
„HAYASHI-KATA“ hat eine musikalische Rolle. HAYASHI-KATA wird mit NÔKAN,
KOTSUDUMI, ÔTSUDUMI und TAIKO gespielt.
2.1.5. Die Musik im NÔ-Theater
Die Musik im NÔ-Theater besteht aus einem Begleitungslied „UTAI“ und der
Begleitungsinstrumentalmusik „HAYASHI“.
2.1.5.1. UTAI
„UTAI“ ist ein Lied, das den Tanz begleitet. SHITE-KATA und WAKI-KATA singen
UTAI. Eine Gruppe „JIUTAI“, die aus sechs bis zehn Leuten von SHITE-KATA besteht,
singt UTAI unisono.
20
2.1.5.1.1. Eine Rolle
UTAI hat die Funktion, den Ablauf der Geschichte zu erzählen. UTAI zeigt nicht nur ein
Gefühl, sondern vermittelt auch einen Hintergrund und eine Atmosphäre. Weil es keinen
Hintergrund auf der NÔ-Bühne gibt, spielt UTAI eine wichige Rolle im NÔ-Theater.
Das UTAI-Lied kennt verschiedene Arten von Rhythmus und Liedformen. Wenn die
Varianten kombiniert werden, entstehen viele verschiedene Ausdrucksformen.
2.1.5.1.2. Der Rhythmus
Der Rhythmus von UTAI ist sehr kompliziert. Die Musik steht im Achtertakt. Das heißt
dann
„HYÔSHI-AI“.
Es
gibt
noch
die
Musik
ohne
Takt.
Die
heißt
„HYÔSHI-AWAZU“.
2.1.5.1.3. Die Tonleiter
Es gibt zwei verschiedene Tonleitern. Sie heißen YOWA-GIN und TSUYO-GIN.
Der Tonumfang von YOWA-GIN ist breiter als der von TSUYO-GIN. YOWA-GIN ist
melodisch. Das wird bei Szenen mit anmutiger oder wehmütiger Atmosphäre benutzt.
TSUYO-GIN bewegt sich mit instabilen Intervallen und wird bei der Szene
„Zeremonie für ein freudiges Ereignis“ oder bei der Darstellung des „mutigen
Helden“ eingesetzt.
YOWA-GIN
Abb.33
Abb.33
Transkription von Yuko Chiba.
21
TSUYO-GIN
Abb.34
2.1.5.1.4. Die Stimmung
SHITE-KATA oder ein Leiter von JIUTAI bestimmt eine Stimmung. Die Stimmung von
NÔ ist flexibel. JIUTAI hat keine Harmonie.
2.1.5.1.5. Der Text
Es gibt einen Text mit und ohne Melodie. Aber ein Text ohne Melodie hat auch eine
eigentümliche Intonation.
2.1.5.2. HAYASHI
„HAYASHI“ bringt UTAI und Tanz vorteilhaft zur Geltung. Es besteht aus NÔKAN,
KOTSUDUMI, ÔTSUDUMI, TAIKO. „HAYASHI-KATA“ spielt HAYASHI. Jedes
Instrument wird nur von einer Person gespielt. Deswegen besteht HAYASHI-KATA aus
vier Personen.
HAYASHI
Abb.34
Abb.35
Abb.35
Transkription von Yuko Chiba.
Fujino, Masayuki: はれ予報 Zeitschrift „HARE-YOHÔ“, Tokio 2014.
22
2.1.5.2.1. NÔKAN
„NÔKAN“ ist eine Querflöte aus Bambus. Zusammen mit anderen Instrumenten von
HAYASHI spielt man mit NOKAN auch einen Teil des Rhythmus. Jedes NÔKAN ist
unterschiedlich lang und auch die Tonlöcher sind an unterschiedlichen Stellen
angebracht. Weil NOKAN nicht gestimmt wird, hat jedes NÔKAN eine eigene Tonhöhe
und eine eigene Tonleiter. Ein charakteristisches Merkmal von NÔKAN ist die
einzigartige, unbestimmte Tonhöhe und die scharfe und erhabene Tonfarbe.
NÔKAN ist das einzige Instrument unter den HAYASHI-Instrumenten, das eine
Melodie spielen kann. NÔKAN vergrößert die Aussagekraft von UTAI und drückt
symbolisch die Gefühle einer Hauptrolle und Stimmungen aus.
2.1.5.2.2. KOTSUDUMI
„KOTSUDUMI“ ist ein Schlaginstrument. Es besteht aus einem Rumpf und zwei
Lederteilen, die diesen Rumpf klemmen, und den Schnüren, die „SHIRABEO“ heißen.
Ein Spieler nimmt KOTSUDUMI auf seine rechte Schulter und schlägt mit seiner
rechten Hand von unten nach oben. Mit seiner linken Hand greift er die SHIRABEO.
Wenn ein Spieler SHIRABEO stimmt, entstehen verschiedene Tonfarben.
Eine Aufführung, in der nur KOTSUDUMI und ÔTSUDUMI gespielt werden, kann
tiefe menschliche Gefühle ausdrücken.
2.1.5.2.3. ÔTSUDUMI
„ÔTSUDUMI“ ist ein Schlaginstrument, das die gleiche Struktur wie KOTSUDUMI
hat. Ein Spieler nimmt ÔTSUDUMI auf sein linkes Bein und schlägt waagerecht mit
seiner rechten Hand. Oft wird ÔTSUDUMI mit YUBIKAWA gespielt. YUBIKAWA ist
ein Gerät, das der Spieler von ÔTSUDUMI auf seinen Fingern trägt.
ÔTSUDUMI hat keine Tonfarbe. Aber ein Spieler von ÔTSUDUMI drückt mit gewisser
23
Dynamik aus.
ÔTSUDUMI gibt den Takt an.
2.1.5.2.4. TAIKO
„TAIKO“ ist ein Schlaginstrument, das die gleiche Struktur wie KOTSUDUMI und
ÔTSUDUMI hat. TAIKO wird auf einen Ständer gestellt und mit zwei Stöcken gespielt.
Der Klang ist brillant. Deshalb wird TAIKO oft bei einer übermenschlichen oder
übernatürlichen Szene verwendet. Wenn ein Gott, ein Dämon oder ein Geist
beispielsweise auftritt, wird TAIKO gespielt.
Aber TAIKO wird im Repertoire von NÔ nur bei zwei Dritteln der Stücke, also bei
ca. 240 Stücken benutzt.
Weiters wird TAIKO nur in der zweiten Hälfte eines Theaterstücks benutzt.
2.1.6. Das Temposystem von NÔ „JYO-HA-KYÛ“
In NÔ wird das Temposystem „JYO-HA-KYU“ verwendet. „JYO-HA-KYU“ findet
sich nicht nur in der Musik, sondern auch in den Bewegungen der NÔ-Schauspieler:
zum Beispiel beim Schritttempo, Heben und Senken von Fächern und so weiter. Die
meisten NÔ-Theaterstücke bestehen aus zwei Teilen. Der erste Teil hat eine ruhige
Atmosphäre. Der zweite Teil verläuft mit heftiger Bewegung. JYO-HA-KYÛ hat einen
wichtigen Einfluss auch darauf. JYO-HA-KYÛ ist ein wichtiges Element im
NÔ-Theater.
2.1.7. Die Rolle des Dirigenten
Manchmal spielt JIUTAI die Rolle des Dirigenten, meist aber SHITE.
SHITE wählt eine Maske. Dann wird das Tempo, die Lautstärke etc. durch den
Gesichtsausdruck und die Vornehmheit dieser Maske bestimmt. SHITE schlägt den Takt
24
mit den Füßen. Dadurch können sich SHITE, JIUTAI und HAYASHI auf eine
gleichmäßige Atmung einstellen.
Die Schlaginstrumentenspieler von HAYASHI spielen mit Rufen wie „Ya“, „Ha“,
„YÔI“ und „IYA“. Damit können sich die vier Spieler von HAYASHI auch während der
Aufführung miteinander verständigen. Außerdem sind die Rufe ein Zeichen für den
Anfang der nächsten Phrase.
Durch die Beziehung von SHITE, JIUTAI und HAYASHI gewinnt die Musik im
NÔ-Theater an Lebendigkeit und Ausdruckskraft.
2.1.8. Die Bewegung
Ein charakteristisches Merkmal ist ein ruhiger und langsamer Schritt. Man muss die
Füße auf dem Boden gleiten lassen, wie wenn man mit seinen Fußsohlen den Boden
abhobelt. Dieser Schnitt heißt „HAKOBI“.
NÔ hat verschiedene Arten von Bewegungen, die „KATA“ genannt werden. Einige
Bewegungen haben eine bestimmte Bedeutung. Bei der Bewegung „YÛKEN“ hebt und
senkt man langsam einen geöffneten Fächer vor seiner Brust. Sie bedeutet Freude. Viele
verschiedene
KATA werden
miteinander
kombiniert.
Dadurch
gewinnt
NÔ
verschiedene Arten des Ausdrucks.
Wie ich schon oben angeführt habe, werden die Tempovorgaben des JYO-HA-KYÛ
auch bei den Schritten und dem Heben und dem Senken des Fächers benutzt. Deswegen
wird das Tempo auch dabei allmählich schneller.
2.1.9. „GENZAI-NÔ“ und „YUME-GENSÔ“
Wegen der Unterschiede zwischen Musikablauf und Konstruktion wird NÔ in zwei
Arten geteilt.
Eine heißt „GENZAI-NÔ“. Die Rollen in diesem NÔ betreffen menschliche Wesen. Die
25
andere Art heißt „YUME-GENSÔ“. Die Hauptrolle in diesem NÔ ist nicht ein
menschliches Wesen, sondern ein Geist. Die Geschichte von YUME-GENSÔ verknüpft
zum Beispiel Traum und Wirklichkeit.
2.1.10. Das Genre
Wegen der Unterschiede zwischen Thema und Hauptrolle wird NÔ in fünf Genres wie
„SHIN“, „NAN“, „NYO“, „KYÔ“ und „KI“ eingeteilt. Jedes Genre hat einen eigenen
Sinn für Ästhetik. Das wirkt sich auf Aufführung und Inszenierung aus.
„SHIN“ bedeutet Gott. Die Hauptrolle ist Gott. Der Inhalt von SHIN ist, dass Gott
Frieden, Glück und reiche Ernte verspricht. In SHIN tanzt Gott oft den Segentanz. Ein
charakteristisches Merkmal von SHIN ist, dass fließend gespielt wird.
„NAN“ bedeutet Mann. Die Hauptrolle ist ein Krieger, der als Geist im Diesseits
auftaucht. Ein Krieger, der auch nach dem Tod noch unter einer Schlacht leidet, kommt
zurück ins Diesseits, um Erlösung zu suchen. Zu diesem Zweck bekennt der Krieger
seine Reue oder erzählt die Geschichte des Krieges.
„NYO“ bedeutet Frau. Die Hauptrolle ist eine Frau, die als Geist auftaucht. Das
Hauptthema dieser Geschichte ist Liebe und Liebeskummer. Eine Frau, die auch nach
dem Tod die Liebe nicht vergessen kann und leidet, tanzt elegant.
„KYÔ“ bedeutet Irrsinn. Die Hauptrolle ist eine Person, die wegen ungerechtfertigter
Behandlung verrückt geworden ist. Die Schauspieler geben das Gefühl des Grolls
ausdrucksvoll wieder. Eigentlich gibt es noch mehrere Genres außer den fünf Genres
SHIN, NAN, NYO, KYÔ, KI. Diese Genres werden im Genre KYÔ aufgeteilt.
„KI“ bedeutet Dämon. Die Hauptrolle von KI ist kein Mensch, sondern ein Dämon, eine
Fee, ein Drachengott und so weiter. KI wird auffällig mit aggressivem Tanz und
brillanter Aufführung von HAYASHI inszeniert.
26
2.1.11. Der gegenwärtige offizielle Aufführungstil von NÔ
Der offizielle Aufführungstil von NÔ heißt „OKINATSUKI-GOBANDATE“.
OKINATSUKI-GOBANDATE ist eine Zeremonie.
NÔ beginnt mit dem Programm "OKINA". Danach werden die fünf Genres von NÔ
SHIN, NAN, NYO, KYÔ und KI aufgeführt. Und es gibt vier KYÔGEN-Stücke
zwischen den fünf Genres.
Obwohl „OKINA“ zum NÔ-Theater gehört, ist „OKINA“ kein NÔ. OKINA
unterscheidet sich deutlich von anderen NO-Genres. OKINA ist eine heilige Zeremonie.
Wenn NÔ im offiziellen Aufführungstil aufgeführt wird, dann beginnt das
NÔ-Programm immer mit OKINA .3
Das Publikum braucht einen Tag für OKINATSUKI-GOBANDATE. Es beginnt bei
Sonnenaufgang und dauert bis zum Sonnenuntergang. Weil die Aufführungsdauer zu
lang ist, wird OKINATSUKI-GOBANDATE selten aufgeführt. Die Zahl der
Aufführungen mit gekürztem Stil von NÔ nahm in der letzten Zeit zu. Es gibt noch
einen anderen Aufführungsstil, bei dem NÔ nur mit verschiedenen Höhepunkten, die
aus den NÔ-Stücken gewonnen wurden, aufgeführt wird. Der gekürzte Aufführungsstil
wurde schon stilisiert.
2.1.12. Die Maske
NÔ ist ein Maskenspiel. Das ist ein großes charakteristisches Merkmal von NÔ. Heute
gibt es mehr als einhundert Arten von Masken.
Wie weiter oben angeführt, gibt es viele verschiedene Rollen wie Geist, Dämon, Fee
oder Drachengott. Wenn ein NÔ-Schauspieler diese übernatürliche Rolle spielt, benutzt
er eine Maske.
NÔ hat keinen Dirigenten und auch keinen Regisseur. Die Maske übernimmt ihre
3
KYÔGEN erkläre ich im Kapitel 2.2. KYÔGEN.
27
Rollen. Durch den Gesichtsausdruck und die Vornehmheit der Maske, die SHITE wählt,
wird ein Tempo, Lautstärke und so weiter bestimmt. Deshalb ist die Maske sehr wichtig
in der NÔ-Welt.
Abb.36
Die Masken
2.1.13. Die Kostüme der NÔ-Schauspieler
Die Kostüme der NÔ-Schauspieler bestehen aus drei verschiedenen Teilen. Durch die
Kombination der drei Teile und der Farben und Schnitte der Kostüme entstehen
dutzende Arten. Jede Rolle hat ihr eigenes Kostüm. Für das Kostüm der „jungen
Frau“ wird viel Rot benutzt. Für das Kostüm der Frau „mittleren Alters“ wird ein viel
schlichterer Farbton benutzt.
NÔ-Schauspieler tragen keine Schuhe, sondern nur weiße Socken, die TABI heißen.
Die Kostüme der NO-Schauspieler
Abb.37
2.1.14. Die Bühne
NÔ hat ein eigenes Theater, „NÔGAKUDÔ“ heißt. Die NÔ-Theaterbühne ist schlicht
und spiegelt die die Natur wieder.
Abb.36
Abb.37
Die Redaktion“ Syûgakusya“ : 音楽 鑑賞と歴史 Musik - Genuss und Geschichte -, Ōsaka 2000.
Ebd.
28
Abb.38
Die Bühne
2.1.14.1. Die Struktur
2.1.14.1.1. Die Hauptbühne
Die Hauptbühne von NÔ ist quadratisch und heißt HON-BUTAI. Eine Seite dieses
Quadrats ist circa. sechs Meter lang. In jeder Ecke steht eine Säule. Wenn SHITE-KATA
auf dieser Hauptbühne tanzt, spielen diese vier Säulen als Orientierungspunkte eine
wichtige Rolle. Weil der Schauspieler mit einer Maske tanzt, ist sein Sichtfeld
eingeschränkt.
2.1.14.1.2. Die Brücke
Die Brücke heißt „HASHI-GAKARI“. Sie ist ein Zu- und Abgang für die Schauspieler.
Außerdem ist diese Brücke auch ein Platz, auf dem die Schauspieler spielen. Wichtig ist,
wo auf der Brücke ein Spieler steht. Damit zeigt SHITE-KATA die Psyche seiner Rolle.
Das ist ein visueller Ausdruck.
Abb.38
Die Redaktion“ Syûgakusya“ : 音楽 鑑賞と歴史 Musik - Genuss und Geschichte -, Ōsaka 2000.
29
2.1.14.1.3. Das Bühnenbild
Das Bühnenbild heißt KAGAMI-ITA. Auf dem KAGAMI-ITA ist eine alte Kiefer
dargestellt. Im NÔ-Theater bleibt das Bühnenbild unverändert. Das heißt, alle
Theateraufführungen haben dasselbe Bühnenbild.
2.1.14.1.4. Der Platz für Musiker
Auf der rechten Seite von der Hauptbühne gibt es einen Platz für JIUTAI. Dieser Platz
heißt „JIUTAI-ZA“.
Hinter der Hauptbühne gibt es einen Platz für HAYASHI-KATA und die Person, die den
Spielern hilft. Sie heißt KÔKEN. Dieser Platz heißt ATOZA.
2.1.14.1.5. Der Zu- und Abgang für die Spieler
Auf der rechten Seite von ATOZA gibt es den Zu- und Abgang für KÔKEN von
SHITE-KATA und HAYASHI-KATA, und JIUTAI. Dieser Zu- und Abgang heißt
„KIRIDOGUCHI“.
Am Ende von HASHIGAKARI gibt es noch einen anderen Zu- und Abgang. Diesen
Zu- und Abgang benutzen SHITE-KATA, WAKI-KATA, TSURE, WAKI-TSURE,
KYÔGEN und HAYASHI-KATA. Auf diesem Zu- und Abgang hängt ein Vorhang, der
mit fünf Farben gefärbt wird. Dieser Zu- und Abgang heißt „AGEMAKU“.
2.1.14.1.6. Das Vorzimmer
Hinter dem Zu- und Abgang „AGEMAKU“ gibt es ein Vorzimmer. Dieses Vorzimmer
heißt „KAGAMI-NO-MA“. KAGAMI bedeutet Spiegel. In diesem Vorzimmer gibt es
einen großen Spiegel. Vor dem Spiegel bereiten die Spieler die Kostüme, die Maske usw.
für den Auftritt vor.
In diesem Vorzimmer spielt die HAYASHI-KATA die Instrumente kurz vor einer
30
Aufführung. Dieses Spiel heißt „OSHIRABE“
Die Japaner denken, dass die Vorbereitungszeit vor einem Auftritt wichtig ist. Deswegen
beginnt für sie das NÔ schon, wenn ein Spieler in dieses Vorzimmer eintritt.
2.1.14.1.7. Der Zuschauersitzplatz
In NÔ heißt der Zuschauersitzplatz „KENSYO“ oder „KENJYO“. SYÔMEN sind die
Sitzplätze, von wo aus das Publikum frontal die Bühne sehr gut sehen kann. Die
Sitzplätze,
von
wo
das
Publikum
die
Aufführung
auf
der
Brücke
„HASHIGAKARI“ sehr gut sehen kann, heißen „WAKI-SYÔMEN“. Der fächerförmige
Platz zwischen SYÔMEN und WAKI-SYÔMEN heißt "CYÛ-SYÔMEN".
2.1.14.2. Der Einfluss der Freiluftbühne
Die Bühne von NÔ wird aus japanischer Zypresse gebaut und hat keinen Vorhang
zwischen den Sitzplätzen und der Bühne. Ursprünglich wurde die Bühne für Draußen
gebaut. Aber nach der MEIJI-Ära (1868-1912) verbreitete sich die Bühne für Drinnen.
Heutzutage ist diese Bühne am häufigsten zu sehen. Aber sie wird mit einigen
Elementen einer Freiluftbühne gebaut, um den Charakter der Freiluftbühne zu erhalten.
Dazu gehört zum Beispiel ein Dach und Kiefernbäume. Vorne, an der Brücke
HASHI-GAKARI, wird ein großer Kiefernbaum aufgestellt, auf den noch kleinere
folgen. So entsteht eine bestimmte Perspektive, die dem Publikum vermittelt, dass es
eine längere Straße gibt. Im Theater ist es nicht hell. Damit sieht es so aus, als ob es
natürliches Licht wäre.
2.1.14.3. Die Akustik
Manchmal wird ein großer Keramikkrug, der einen langen und runden Rumpf hat, unter
die Bühne oder die Brücke HASHI-KAGARI gestellt. Weil dieser Krug mäßige
31
Schalldämpfung bringt, klingen der Töne von HAYASHI, die Singstimme von UTAI
und das Taktschlagen mit den Füßen gut und schön.
2.1.15. Der Aufführungsort
Wie schon erwähnt, wurde NÔ ursprünglich draußen aufgeführt. Aber heutzutage findet
die Aufführung üblicherweise im NÔGAKUDÔ, einem eigenen NÔ-Theater mit Saal
und auf der provisorisch gebauten Bühne, statt. Die Anzahl von NÔGAKUDÔ nimmt in
ganz Japan zu. Und auch die Aufführungen auf der provisorisch gebauten Bühne finden
oft statt. Aber es gibt auch jetzt noch Shintô-Schreine und Tempel, die eine
Freiluftbühne haben. Bei Jahresfesten wird NÔ dem Gott dargebracht. Auch draußen
wird NÔ jetzt noch aufgeführt, das dann „TAKIGI-NÔ“ heißt. Nach der Aufführung
beim Theaterfestival der Biennale Venedig 1954 nahm die Anzahl der Aufführungen im
Ausland zu.
Abb.39
Die Freiluftbühne
Abb.39
Kubota, Keiichi : はじめての音楽史-古代ギリシアの音楽から日本の現代音楽まで
Musikgeschichte für Anfänger – von der Musik des antiken Griechenlands bis zur japanischen
zeitgenössischen Musik-, Tokio 2006.
32
2.1.16. Wie genießt man NÔ ?
In der Welt von NÔ ist es leise und ruhig. Deswegen muss auch das Publikum NÔ auch
leise genießen. Das Publikum verhält sich ruhig und applaudiert nicht. Nach einer
Aufführung genießt das Publikum leise und ruhig den Ausklang.
2.1.17. Die Ästhetik von NÔ
2.1.17.1. Die Schönheit
Die Ästhetik von NÔ ist das Sichtbarmachen der Schönheit durch die Verschmelzung
mit der Natur. ZEAMI, der ein berühmter NO-Schauspieler war, hatte seine eigene
„performance theory“ im Zusammenhang mit der Natur. NÔ wurde ursprünglich
draußen aufgeführt, das heißt dann „TAKIGI-NÔ“. Jährlich zum Gottesfest am 11. und
12.
Mai
werden
KÔFUKU-Tempel
NÔ
und
dargebracht.
KYÔGEN
Im
im
Jahr
KASUGA-Großschrein
1950
wurde
und
TAKIGI-NÔ
im
im
HEIAN-Shintô-Schrein in KYÔTO aufgeführt. Seitdem wird TAKIGI-NÔ nicht nur als
Gottesfest, sondern auch als Veranstaltung für die Touristen präsentiert. Heutzutage
wird TAKIGI-NÔ beim Tempel, Shintô-Schrein oder im Park usw. aufgeführt. Es gibt
mehr als zweihundert Aufführungsorte. Die Inszenierungen von TAKIGI-NÔ
verschmelzen NÔ mit der Natur. Zum Beispiel gibt es Aufführungen in der Dunkelheit.
Das Publikum kann sich eins mit der Natur fühlen und diese Stimmung genießen. Diese
Verschmelzung mit der Natur ist das Kernelement im NÔ-Theater.
Heutzutage ist es üblich, dass NÔ drinnen aufgeführt wird. Trotzdem wird die Bühne
mit einigen Elementen einer Freiluftbühne gebaut.
2.1.17.2. Die japanische Seele
Die Japaner vereinfachen alles grenzenlos. Damit zeigen sie die Substanz der Dinge.
Zum Beispiel finden sie an einem Ort, wo es auf den ersten Blick nichts gibt, eine
33
besondere Bedeutung oder eine Schönheit heraus. Das ist die Ästhetik der Japaner. NÔ
ist eine Kunst, die der japanischen Seele auf den Grund geht.
2.1.17.2.1. Die Bedeutung von ruhiger Bewegung
Die Bewegungen der NÔ-Schauspieler sind sehr langsam. Die Schauspieler schreiten
mit schlurfendem Gang. Im NÔ gilt die ruhige, gezügelte Bewegung als schön.
2.1.17.2.2. Die Schlichtheit der Bühne
Japaner entfernen überflüssige Dinge. Mit „weniger“ können sie „mehr“ ausdrücken.
Wegen dieser Art zu denken wurde die Bühne von NÔ allmählich einfacher.
2.1.17.2.3. Wenige Aufführende
Die Anzahl der HAYASHI und Schauspieler im NÔ-Theater ist gering. NÔ wird nur
von wenigen Schauspielern aufgeführt.
2.1.17.2.4. Die ausdruckslose Maske
Die Maske von NÔ ist ausdruckslos. Aber damit nimmt für die Japaner die
Ausdruckskraft unendlich zu. Auch hier gilt das Motto: „weniger ist mehr.“ Das
„Mehr“ entsteht in der Interpretation der Zuschauer.
2.1.17.2.5. Die Bedeutung von Tod und Alter
Durch Tod und Alter kann man Leben und Jugend zeigen. Dies ist eine Grundlage des
Denkens im NÔ.
2.1.18. Zusammenfassung
Die japanische Seele ist tiefgründig. Weil das NÔ-Theater die japanische Seele tief
34
verinnerlicht hat, ist ein Verstehen von NÔ für Nicht-Japaner schwer.
Im NÔ hat jeder Charakter, jedes Kostüm und jede Maske eine eigene Bedeutung.
Deswegen müssen die Zuschauer viel über NÔ wissen. Sonst können sie NÔ nicht
genießen.
Wenn Japaner alles grenzenlos vereinfachen, können sie dadurch den Dingen den
größten Ausdruck verleihen. Deswegen ist NÔ bescheiden. Im NÔ ist die Bewegung
langsam. Daher empfindet das Publikum, dass NÔ oft eintönig und langweilig ist. NÔ
wurde so über viele Jahre hin überliefert. In der EDO-Ära (1603-1868) sagte BUSHI,
dass er sich schläfrig fühlte, wenn er NÔ sah. Dieses Faktum steht in einem alten Buch
geschrieben. Aber andererseits wird auch gesagt, dass man während einer Aufführung
von NÔ schlafen kann, weil es leise und ruhig ist. NÔ wird vom Alltagsleben
abgeschnitten. NÔ repräsentiert eine außergewöhnliche Welt und eine Kunst, bei der
man entspannen kann. Deswegen wird auch gesagt, dass es am herrlichsten ist, wenn
man während der Aufführung von NÔ einnicken kann.
2.2. KYÔGEN
KYÔGEN ist wie NÔ eine japanische repräsentative musikalische Kunst. KYÔGEN ist
eine Komödie, in der der Text die zentrale Rolle spielt. In KYÔGEN werden selten
Masken benutzt.
2.2.1. Der Ursprung und die Entwicklung
NÔ und KYÔGEN stammen ursprünglich aus “SARUGAKU“. Die beiden wurden
SARUGAKU genannt und zusammen gespielt.
In der NANBOKUTYÔ-Ära (1336-1392) entstand KYÔGEN aus SARUGAKU.
KYÔGEN ist ein Drama, das ursprünglich aus einem humoristischen Element von
SARUGAKU stammt. Damit steht der Charakter von KYÔGEN im Gegensatz zu NÔ.
35
KYÔGEN thematisiert ein Alltagsleben. Es verbreitete sich im Volk und entwickelte
sich mit NÔ.
2.2.2. Die Rollen
2.2.2.1. SHITE
Die Hauptrolle heißt „SHITE“ wie NÔ. SHITE spielt die Hauptrolle und gleichzeitig
die des Regisseurs.
2.2.2.2. ADO
Die Nebenrolle, die den Partner von SHITE spielt, heißt „ADO“.
2.2.2.3. TACHISYÛ
Wenn die Personen, die Rollen mit ähnlichem Charakter haben, zusammen auftreten,
heißen sie "TACHISYÛ". Es gibt einen Leiter, der „TACHIGASHIRA“ heißt.
2.2.3. Die Musik
Weil KYÔGEN ein Drama ist, ist die Musik nicht wichtig. Trotzdem ist sie auch ein
Bestandteil von KYÔGEN. In KYÔGEN wird die Musik bei dem Gesang, der
Bewegung und so weiter benutzt, um die Stimmung zu steigern. Das heißt „ASHIRAI“.
2.2.3.1. Die Tonleiter
Auch in KYÔGEN gibt es YOWA-GIN und TSUYO-GIN wie NÔ.
2.2.3.2. Der Rhythmus
In NÔ gibt es „HYÔSHI-AI“ und „HYÔSHI-AWAZU“.
36
2.2.3.3. HAYASHI
HAYASHI von KYÔGEN ist einfacher als HAYASHI von NÔ. Im Unterschied zu
HAYASHI von NÔ wird HAYASHI von KYÔGEN mit sanfter Klangfarbe gespielt.
Außerdem wird HAYASHI allem Repertoire von KYÔGEN nicht hinzugefügt. In nur
einem Drittel des Repertoires von KYÔGEN, ca. 260 Stücke, wird HAYASHI gespielt.
Überdies, wenn auch HAYASHI gespielt wird, dann wird HAYASHI nicht ein ganzes
Stück langt durchgespielt.
HAYASHI besteht grundsätzlich aus NÔKAN, KOTSUDUMI, ÔTSUDUMI und
TAIKO wie NÔ. Aber es gibt auch irreguläre Zusammensetzungen.
2.2.3.4. JIUTAI
Auch in KYÔGEN tritt JIUTAI manchmal auf. Aber wie HAYASHI spielt JIUTAI nur
bei einem Teil von ganzem Stück mit.
2.2.4. Die Arten von KYÔGEN
2.2.4.1. HON-KYÔGEN
Wenn nur KYÔGEN gespielt wird, heißt dieses KYÔGEN „HON-KYÔGEN“.
KYÔGEN ist eine Komödie, die ein Alltagsleben thematisiert.
2.2.4.2. AI-KYÔGEN
Wenn KYÔGEN als ein Programm in NÔ aufgeführt wird, heißt das „AI-KYÔGEN“.
In OKINATSUKI-GOBANDATE, einem offiziellen Aufführungstil von NÔ, wird
KYÔGEN zwischen einem und einem anderen Genre eingefügt. Das heißt, dass vier
KYÔGEN gespielt werden, weil OKINATSUKI-GOBANDATE aus den fünf Genres
„SHIN“, „NAN“, „NYO“, „KYÔ“ und „KI“ besteht.
KYÔGEN-KATA spielt AI-KYÔGEN.
37
2.2.4.3. BETSU-KYÔGEN
„OKINATSUKI-GOBANDATE“ beginnt mit OKINA. Der Tanz für Segnung und Beten,
den KYÔGEN-KATA in OKINA tanzt, heißt „BETSU-KYÔGEN“.
2.2.5. Das Thema der Geschichte
KYÔGEN thematisiert ein Alltagsleben. Die meisten Rollen sind Menschen aus dem
Volk. Deswegen kann sich das Publikum mit dem Thema der Geschichte von KYÔGEN
vertraut fühlen.
Aber auch Rollen wie die des Feudalherrn oder des Territorialfürsten treten auf. In
KYÔGEN ist die Rolle des Feudalherrn oder des Territorialfürsten trottelhaft. Trotzdem
mag das Publikum diese Rollen.
Die Themen von NÔ betreffen die vergangene Geschichte. Im Gegensatz dazu stammen
die Themen von KYÔGEN aus der zeitgenössischen Geschichte der Ära, als KYÔGEN
entstand.
2.2.6. Die Maske
Weil die Rollen meist Menschen aus dem Volk betreffen, wird selten Masken benutzt.
Deshalb entwickelte sich die Maske in dieser Theaterform auch nicht.
Dennoch gibt zwanzig ausdrucksvolle Maskenarten: Masken von Gott, Dämon, Geist,
alter Mensch, Tier und so weiter.
2.2.7. Die Kostüme
Die KYÔGEN-Kostüme sind schlicht und je nach Rang, Beruf, Alter und Geschlecht
unterschiedlich. Wenn das Publikum die Kostüme sieht, kann es den Charakter der
auftretenden Personen besser verstehen.
38
Die Kostüme
Abb.40
2.2.8. Zusammenfassung
KYÔGEN wird nicht nur allein gespielt, sondern auch als ein Programm in NÔ
aufgeführt. KYÔGEN hat eine besondere Beziehung zu NÔ. Die beiden werden
meistens in einem Zusammenhang genannt.
Aber die Charaktere von KYÔGEN und NÔ stehen im Gegensatz zueinander. Das ist
ein wichtiger Punkt. Wenn NÔ für "Ruhe" steht, ist KYÔGEN "Bewegung". Wenn NÔ
elegant ist, ist KYÔGEN lebendig. In NÔ spielen Gesang und Tanz die zentrale Rolle.
In KYÔGEN spielt der Rollentext die zentrale Rolle. NÔ hat ein starkes Element einer
Tragödie. KYÔGEN hat ein starkes Element des Humors. Wenn NÔ eine Unterhaltung
für Aristokraten ist, ist KYÔGEN eine Unterhaltung für das Volk. Im NÔ werden
Masken benutzt. KYÔGEN wird meistens ohne Maske gespielt. NÔ thematisiert oft die
vergangene Geschichte. KYÔGEN dagegen die zeitgenössische Geschichte für das
Publikum in der Zeit, als KYÔGEN entstand.
2.3. KABUKI
„KABUKI“ ist eine synthetische Kunst, die Elemente von Schauspiel, Tanz, Musik und
darstellende Kunst vereinigt. Das ist eine repräsentative japanische traditionelle
Unterhaltung wie NÔ und KYÔGEN.
Abb.40
Fujino, Masayuki : はれ予報 Zeitschrift „HARE-YOHÔ“, Tokio 2014
39
2.3.1. Die Geschichte
2.3.1.1. Der Ursprung
Der Ursprung von KABUKI wird in der historischen Quelle „TÔDAIKI“, die 1603
veröffentlicht wurde, beschrieben. Eine Tempeljungfrau, die „OKUNI“ heißt und aus
IZUMO kommt, kam nach KYÔTO. Und sie verkleidete sich als Mann mit seltsamer
Kleidung und tanzte „KABUKI-Tanz. Mit diesem KABUKI-Tanz beginnt die
Geschichte von KABUKI. Es heißt, dass die Gründerin von KABUKI „OKUNI“ ist, die
den KABUKI-TANZ geschaffen hat.
„OKUNI“
Abb.41
2.3.1.2. Die Herkunft des Namens
Damals war ein Verhalten, dem der „gesunde Menschenverstand fehlt“, wie
ungewöhnliche Kleidung und Frisur, in Mode. Die Leute, die sich so verhielten, hießen
„KABUKI-MONO“. „KABUKI“ stammt von „KABUKU“ ab. KABUKU bedeutet
„außergewöhnlicher
Zustand“. Weil
„KABUKI-MONO“
als
Mann
„OKUNI“
verkleidete
sich mit
und
tanzte,
der
Kleidung von
wurde
ihr
Tanz
„KABUKI-Tanz“ genannt. Jetzt wird „KABUKI-Tanz“ nur noch „KABUKI“ genannt.
„KABUKI“ wird mit drei verschiedenen Wörtern, die Gesang, Tanz und Technik
Abb.41
Kubota, Keiichi : はじめての音楽史-古代ギリシアの音楽から日本の現代音楽まで
Musikgeschichte für Anfänger – von der Musik des antiken Griechenlands bis zur japanischen
zeitgenössischen Musik-, Tokio 2006.
40
bedeuten, auf Japanisch geschrieben.
2.3.1.3. „Frau-KABUKI“
Weil der „KABUKI-Tanz in Mode war, wurde er oftmals imitiert. So begann der
„Frau-KABUKI“-Tanz. Weil OKUNI eine Frau war, wurde „Frau-KABUKI“ nur von
Frauen aufgeführt. Aber die Regierung dachte, dass „Frau-KABUKI“ die öffentliche
Moral korrumpiert. Deswegen verbot sie 1629 „Frau-KABUKI“.
2.3.1.4. „Junger Mann-KABUKI“
Nach dem Verbot von „Frau-KABUKI“ begann die Zeit des „Junger Mann-KABUKI“.
Der „Junger Mann-KABUKI“ wurde nur mit gutaussehenden jungen Männern
aufgeführt. Deshalb gab es Schauspieler, die sich auf weibliche Rollen spezialisierten.
Diese Schauspieler verfolgten das Ziel, einen künstlich-femininen Ausdruck zu
vermitteln. Homosexualität war damals „normal“. Die Regierung verbot auch jungen
Männern den KABUKI-Tanz, weil sie dachte, dass auch diese Aufführungen die
öffentliche Moral korrumpiert.
2.3.1.5. „Erwachsener Mann-KABUKI“
Nach dem Verbot von „Junger Mann-KABUKI“ begann die Zeit des „Erwachsener
Mann-KABUKI“. „Erwachsener Mann-KABUKI“ wurde nur mit erwachsenen
Männern aufgeführt. Deswegen gab es Schauspieler, die nur die weibliche Rolle
verkörperten. „Erwachsener Mann-KABUKI“ ist die Grundlage des gegenwärtigen
KABUKI. Auch jetzt wird KABUKI nur von Männern aufgeführt.
41
2.3.1.6. Die Arten der Darstellung und Inszenierung „ARAGOTO“ und
„WAGOTO“
Nachdem sich „Erwachsener Mann-KABUKI“ verbreitete, wurde KABUKI in zwei
Orten in Japan weiterentwickelt.
1. EDO. EDO ist der alte Name der gegenwärtigen Hauptstadt Tokio. Dort war
eine Art der Darstellung und Inszenierung beliebt, die „ARAGOTO“ heißt.
ARAGOTO ist dynamisch und kraftvoll und hat die bezeichnende Darstellung
wie „MIE“ und „ROPPÔ“ und die bezeichnende Aufmachung wie
„KUMADORI“. Die Details von MIE, ROPPÔ und KUMADORI werden später
beschrieben.
2. Kyôto. Dort war eine Art der Darstellung und Inszenierung beliebt, die
„WAGOTO“ heißt. Ein charakteristisches Merkmal von WAGOTO ist die
anmutige Darstellung.
2.3.1.7. GIDAYÛ-KYÔGEN
Anschließend kam „NINGYÔ-JYÔRURI“ in Mode. Deshalb führte auch KABUKI,
das zunehmend unpopulär wurde, ein Element von NINGYÔ-JYÔRURI ein. Dieses
KABUKI heißt „GIDAYÛ-KYÔGEN“. GIDAYÛ-KYÔGEN nimmt einen Großteil
vom Programm von KABUKI ein. „KANADEHONTYÛSHINGURA“, ein beliebtes
Programm von KABUKI, wurde auch als NINGYÔ-JYÔRURI aufgeführt.
2.3.1.7.1. NINGYÔ-JYÔRURI
„NINGYÔ-JYÔRURI“ ist japanisches Puppentheater. Man nennt es auch BUNRAKU.
NINGYÔ-JYÔRURI
wird
auf
dem
Musikinstrument
SYAMISEN
NINGYÔ-JYÔRURI interagierte mit KABUKI und entwickelte sich.
42
begleitet.
Abb.42
„NINGYÔ-JYÔRURI“
2.3.1.7.1.1. Der Ursprung
Um das Jahr 1530 entstanden NINGYÔ-JYÔRURI und der KABUKI-Tanz.
In SANGAKU, das aus China eingeführt wurde und der Ursprung von NÔ ist, gab es
auch
Theatervorstellungen,
die
mit
Puppen
aufgeführt
wurden.
Diese
Unterhaltungsform wurde mit der Theatermusik „JYÔRURI“, die mit SYAMISEN
begleitet wird, kombiniert. Das ist das sogenannte NINGYÔ-JYÔRURI.
2.3.1.7.1.2. Die Herkunft des Namens
Der Name stammt von einem beliebten Thema, der Liebesgeschichte der
„JYÔRURI-Prinzessin“ und des Mannes „USHIWAKAMARU“; deshalb wurde es
auch„NINGYÔ-JYÔRURI“ genannt.
2.3.1.7.1.3. Musik
NINGYÔ-JYÔRURI hat eine japanische traditionelle Theatermusik, die mit
SYAMISEN
begleitet
wird.
Die
Musik
von
NINGYÔ-JYÔRURI
heißt
„GIDAYÛ-BUSHI“. Weil die Musik von SYAMISEN GIDAYÛ-BUSHI sehr beliebt
Abb.42
Die Redaktion „Syûgakusya“ : 音楽 鑑賞と歴史 Musik - Genuss und Geschichte -, Ōsaka 2000.
43
war, wurde sie Musik von NINGYÔ-JYÔRURI genannt.
Sie besteht aus drei verschiedenen Abschnitten. Der erste Abschnitt ist ein Teil mit nur
gesprochenem „Wort“, in dem die auftretenden Personen nur einen Text sagen. Er heißt
„KOTOBA“. Der zweite Abschnitt ist ein Teil, dem so etwas wie eine
„Melodie“ hinzugeführt wird. Dieser Teil klingt wie ein Lied und heißt „FUSHI“. Beim
dritten Abschnitt ist ein Teil „Rezitativ“, das heißt, eine Melodie wird gespielt und dabei
wird gleichzeitig gesprochen. Das heißt „JIAI“.
2.3.1.8. Das zeitgenössische KABUKI
In der MEIJI-Ära (1868-1912) versuchte Danjyûrô, der ein KABUKI-Schauspieler war,
die künstlerischen Elemente des KABUKI zu vermehren. Entsprechend diesem Wandel
verminderte sich der Unterhaltungswert von KABUKI.
Das neue KABUKI verlor an Popularität für das Publikum. Aber Ennosuke, der auch
ein KABUKI-Schauspieler war, begründete die ausgefallene Darstellung und
Inszenierung „KEREN“. In KEREN gibt es „TYÛNORI“, „HAYAGAWARI“ und so
weiter.
Dieses
Detail
wird
im
Punkt
„2.3.6.
Die
Inszenierung
und
der
Ausdruck“ angeführt. KEREN erstaunte das Publikum und KABUKI gewann wieder an
Popularität.
2.3.2. Die Kategorie entsprechend dem Inhalt
KABUKI gibt es in drei verschiedenen Formen:
Die erste heißt „JIDAI-MONO“, in dem eine Geschichte vor der EDO-Ära (1603-1868)
beschrieben wird.
Die zweite heißt „SEWA-MONO“, in als zeitgenössisches Drama dem das Leben des
Bürgers der EDO-Ära (1603-1868) beschrieben wird.
Die dritte heißt „SYOSAGOTO“ und ist ein Tanz. Am Anfang wurde SYOSAGOTO
44
nur von einer weiblichen Rolle „ONNA-GATA“ getanzt. Aber seit der letzten Hälfte des
achtzehnten
Jahrhunderts
gabe
es
auch
eine
männliche,
tanzende
Rolle
„TACHI-YAKU“. Danach gewann eine Art des Tanzes, bei der eine Person die Tänze
einiger Rollen tanzt, an Popularität. Dieser Tanz heißt „HENGE-BUYÔ“.
2.3.3. Die Musik
2.3.3.1. Das Instrument
Das repräsentative Instrument von KABUKI ist SYAMISEN. Seit der Zeit von
„Frau-KABUKI“ wurde SYAMISEN für die Musik von KABUKI benutzt.
Die vier Instrumente von NÔ, „NÔKAN“, „KOTSUDUMI“, „ÔTSUDUMI“ und
„TAIKO“, werden auch in KABUKI benutzt. Diese Instrumente und die Musik mit
diesen
Instrumenten
heißt
„NARIMONO“.
Die
Instrumentalisten
heißen
HAYASHI-KATA.
2.3.3.2. GEZA-Musik
Die „GEZA-Musik“ ist nicht nur ein Musikstück, sondern auch ein „Soundeffekt“ des
KABUKI. Die GEZA-Musik vermittelt die Atmosphäre der Szene oder durch die Töne
ein charakteristisches Merkmal der auftretenden Personen.
Die GEZA-Musik wird in drei Arten geteilt. Die erste Art ist das Lied „UTA“, das vom
SYAMISEN begleitet wird. Die zweite Art ist ein Stück von SYAMISEN, das ohne Lied
aufgeführt wird „AIKATA“ heißt. Und die dritte Art heißt „NARIMONO“.
Eigentlich spielen Spieler der GEZA-Musik auf einem Platz, wo sie das Publikum nicht
sehen kann.
45
Abb.43
GEZA-Musik
2.3.3.3. SYOSA-Musik
„SYOSA-Musik“ ist eine Begleitmusik für Tanz. Die Musik besteht aus
„NAGAUTA“ und der Erzählung von „TAKEMOTO“.
2.3.3.3.1. NAGAUTA
„NAGAUTA“ entstand als Begleitmusik für Tanz im KABUKI. In der Musik von
KABUKI ist NAGAUTA sehr wichtig. NAGAUTA spielt auf der Bühne.
Es gibt zwei verschiedene Spielergruppen. Eine Gruppe heißt „UTA-KATA“ und sie
singt. Die andere Gruppe heißt „SYAMISEN-KATA“ und sie spielen SYAMISEN. Und
NAGAUTA spielt auch mit HAYASHI. Dann tritt auch HAYASCHI-KATA auf der
Bühne auf.
Abb.44
NAGAUTA
Abb.43
Koshiba, Harumi: 日本の音と楽器 日本の伝芸能 8 Der japanische Klang und das japanische
Instrument – Die japanische traditionelle Kunst 8, Tokio 1995.
Abb.44
Die Redaktion „Syûgakusya“ : 音楽 鑑賞と歴史 Musik - Genuss und Geschichte -, Ōsaka 2000.
46
2.3.3.3.2. TAKEMOTO
„TAKEMOTO“ wird als Begleitung zum Tanz gespielt.
Aber eigentlich heißt „TAKEMOTO“ „GIDAYÛ-BUSHI“. In GIDAYÛ-KYÔGEN
erzählt TAKEMOTO die Szene. TAKEMOTO ist mit dem SYAMISEN-Spieler auf der
Bühne.
2.3.3.4. Die Klangwirkung
KABUKI hat verschiedene Klangwirkungen.
2.3.3.4.1. KI
Durch
das
Aufeinanderschlagen
der
beiden
viereckigen
Holzblöcke
„HYÔSHI-GI“ entsteht ein Ton. HYÔSHI-GI wird als Ankündigung für den Auftritt der
Schauspieler, als Signal für den Beginn der Aufführung und als „Soundeffekt“ benutzt.
HYÔSHI-GI wird abseits der Bühne, wo es vom Publikum nicht gesehen werden kann,
geschlagen.
2.3.3.4.2. TSUKE
„TSUKE“
ist
ein
„Soundeffekt“.
Man
schlägt
das
viereckige
Holzbrett
„TSUKE-ITA“ mit zwei hölzernen viereckigen Blöcken und so entsteht ein Ton.
TSUKE wird in der Aufführung gespielt, um die Bewegung der Schauspieler und
bestimmte Geräusche zu betonen. Besonders die repräsentative Pose „MIE“ braucht
unbedingt TSUKE.
47
Abb.45
TSUKE
2.3.4. Die Anfeuerungsrufe ÔMUKÔ
Während der Aufführung von KABUKI feuert das Publikum die Schauspieler an. Damit
zeigt das Publikum den Schauspielern seine Anerkennung. Und Anfeuerungsrufe
können die Stimmung noch steigern. Aber wenn ein Schauspieler nicht gut spielt, dann
beschimpft das Publikum diesen Schauspieler. Anfeuerungsrufe sind unentbehrlich für
KABUKI. Die Anfeuerungsrufe von KABUKI bestehen aus dem Namen des Hauses,
dem der Schauspieler angehört.
Jetzt ist es üblich, dass Mitglieder des Vereins, der das Theater von KABUKI genehmigt
hat, die Anfeuerungsrufe machen. Es gibt keine Regel, gemäß derer eine Frau die
Anfeuerungsrufe nicht machen darf. Trotzdem sind die Vereinsmitglieder meistens
Männer, die die Anfeuerungsrufe übernehmen. Eine Person, die die Anfeuerungsrufe
macht, heißt „ÔMUKÔ“.
2.3.5. Die Ästhetik von KABUKI
Die Ästhetik von KABUKI ist die Suche nach charakteristischen Merkmalen der
Darstellung und der besonderen Ausdrucksart.
2.3.5.1. Die auftretenden Personen
Die auftretenden Personen von KABUKI verkörpern drei verschiedene Rollen. Die erste
Abb.45
Koshiba, Harumi : 日本の音と楽器 日本の伝芸能 8 Der japanische Klang und das japanische
Instrument –Die japanische traditionelle Kunst-, Tokio 1995.
48
Rolle ONNA-GATA ist eine weibliche Rolle. Die zweite Rolle TACHI-YAKU ist eine
männliche Rolle. Die dritte Rolle KATAKI-YAKU ist der männliche Bösewicht. Die
drei verschiedenen Rollen werden weiter unterteilt. Im KABUKI gibt es viele
verschiedene Charakterrollen und Aufführungsstile. Wie schon erwähnt, spielt der Mann
auch die weibliche Rolle in KABUKI. ONNA-GATA verkleidet und schminkt sich als
Frau. Und natürlich sind auch die Bewegungen des ONNA-GATA feminin.
ONNA-GATA drückt die Schönheit der Frau aus.
ONNA-GATA
Abb.46
2.3.5.2. Die Schminke
In KABUKI kann das Publikum sofort den Charakter der Rolle durch die Gesichtsfarbe
des Schauspielers verstehen. Ein guter Mensch hat eine weiße Gesichtsfarbe. Ein
Bösewicht und Gegenspieler des guten Menschen hat eine rote Gesichtsfarbe.
Für ARAGOTO, das sich während des EDO (1603-1867) entwickelte, ist diese Art des
Schminkens „KUMADORI“ unentbehrlich. Ein „wilder“ Mann wird mit KUMADORI
folgendermaßen geschminkt: Linien werden auf sein Gesicht gezeichnet, um die
Blutgefäße und Muskel übertrieben zu zeigen. Jede Rolle hat eine bestimmte Farbe.
Abb.46
Die Redaktion „Syûgakusya“ : 音楽 鑑賞と歴史 Musik - Genuss und Geschichte -, Ōsaka 2000.
49
KUMADORI
Abb.47
2.3.5.3. Die Kostüme und die Requisiten
Jede Rolle hat ihre eigene Farbe und ihr eigenes Muster für das Kostüm. Dadurch kann
das Publikum den Charakter der Rolle verstehen. Deshalb wird jene Kleidung in
JIDAI-MONO getragen, die die Epoche der Geschichte nicht widerspiegelt. Es wird
stattdessen die Kleidung der Epoche getragen, in der das Programm aufgeführt wurde.
In KABUKI ist das am wichtigsten, damit das Publikum den Charakter der Rolle
verstehen kann.
Auch eine Perücke, die Perücke aus vier verschiedenen Teilen besteht, wird getragen.
Durch die Veränderung und die Kombination von vier verschiedenen Teilen zeigt sich
der Charakter der Rolle.
Die Requisiten stammen aus dem täglichen Leben. Außerdem werden die Requisiten,
die extra für KABUKI angefertigt wurden effektvoll auf der Bühne gezeigt. Zum
Beispiel wird ein circa zwei Meter langes japanisches Schwert benutzt, um Dynamik
und raues Aussehen zu vermitteln.
Auch die Kleidung und die Requisiten zeugen vom Einfluss der KABUKI-Ästhetik.
Abb.47 Fujino,
Masayuki : はれ予報 Zeitschrift „HARE-YOHÔ“, Tokio 2014.
50
Abb.48
Die Kostüme
2.3.5.4. Der Schauspieler
Der KABUKI-Schauspieler hat charakteristische Merkmale. Durch das Betonen dieser
charakteristischen Merkmale ist ein
„Superstar“ entstanden. In KABUKI ist es
außerordentlich wichtig, dass der Schauspieler einen bestimmten Charakter bestmöglich
darstellen kann. Deshalb wurde der Inhalt der Geschichte manchmal den besonderen
Talenten des Schauspielers angepasst.
2.3.5.5. Die Handhabung der Puppe
Wenn ein Schauspieler in GIDAYÛ-KYÔGEN eine Puppenrolle spielt, wird er von
einem anderen Schauspieler bewegt. Diese Rolle heißt „NINGYÔTSUKAI-YAKU". Sie
steht hinter dem Puppen-Schauspieler und bewegt sich wie die Puppe. Diese Idee
stammt aus der Ästhetik des KABUKI.
Abb.48
Fujino, Masayuki : はれ予報 Zeitschrift „HARE-YOHÔ“, Tokio 2014
51
„NINGYÔTSUKAI-YAKU"
Abb.49
2.3.6. Die Inszenierung und der Ausdruck
Ein charakteristisches Merkmal von KABUKI ist die ungewöhnliche und auffallende
Inszenierung und die starke Ausdruckskraft. Dadurch bietet KABUKI dem Publikum
Momente voller Überraschung und Freude.
1. HIKINUKI
Der Kostümwechsel findet sehr schnell auf der Bühne statt. Assistenten helfen den
Schauspielern dabei.
2. CYÛNORI
Wenn der Schauspieler die übernatürlichen Rollen wie Geist, Monster und so weiter
spielt, benutzt er die Technik von CYÛNORI. Dabei wird der Schauspieler von der
Decke auf die Bühne herabgelassen oder in der Luft über den Zuschauern bewegt.
3. TACHIMAWARI
TACHIMAWARI ist eine stilistische Bewegung bei Kampfszenen. In TACHIMAWARI
wird GEZA-Musik gespielt.
Abb.49
Fujino, Masayuki : はれ予報 Zeitschrift „HARE-YOHÔ“, Tokio 2014.
52
4. ROPPÔ
ROPPÔ ist eine Inszenierung, die sinnbildlich ausgedrückt wird. Wenn man geht oder
läuft, übertreibt man die Bewegungen der Hände und Füße. In ROPPÔ gibt es eine
Bewegung, die die Stärke und Härte ausdrücken kann.
5. MIE
Während der Aufführung nimmt der Schauspieler eine bestimmte Pose ein und stoppt
für einen Moment. Dieser Augenblick heißt MIE und zeigt die Steigerung der Emotion.
Wenn ein Schauspieler MIE macht, kann er die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich
lenken. In ARAGOTO schüttelt der Schauspieler zuerst übertrieben seinen Kopf, geht
mit großem Schritt voran und breitet seine Arme aus. Dann macht er MIE. Das ist die
berühmteste Pose.
Abb.50
MIE
6. HAYAGAWARI
Ein Schauspieler verwandelt sich für einen Moment in eine andere Rolle.
7. YATAIKUZUSHI
YATAIKUZUSHI ist ein Trick, mit dem man auf der Bühne Gebäude abreißen kann.
Abb.50
Fujino, Masayuki : はれ予報 Zeitschrift „HARE-YOHÔ“, Tokio 2014.
53
8. GATTARI
Ein Haarknoten von der Perücke wird für einen Moment abgebrochen.
9. Der Vorhang
KABUKI benutzt effektvoll viele verschiedene Vorhänge. Zum Beispiel wird ein
Vorhang schnell fallen gelassen. Hinter dem Vorhang gibt es einen raschen
Szenenwechsel. Dadurch kann das Publikum eine neue Szene sehen und die
Aufmerksamkeit wird neu angeregt. Noch ein anderes Beispiel: Ein Vorhang, der eine
Landschaft darstellt, wird während der Vorbereitung für die nächste Szene benutzt, um
die Aufmerksamkeit des Publikums zu erreichen.
2.3.7. Die Bühne
Die Bühne des frühzeitlichen KABUKI bestand aus einer Hauptbühne und einem
Bühnenaufgang. Sie hat die Struktur von NÔ imitiert.
Es gab Zuschauersitze im ersten Stock des Gebäudes, zu beiden Seiten der Bühne und
vor der Bühne. Vor der Bühne saß das Publikum auf dem Boden. Weil nur die
Zuschauersitze im ersten Stock und die Bühne ein Dach hatten, konnte KABUKI nicht
aufgeführt werden, falls es regnete.
Danach entstand eine Bühne in einem Gebäude. Und auf dieser Bühne konnte man die
bessere Inszenierung für das Publikum machen. Zum Beispiel gibt es den
Bühnenaufgang „HANA-MICHI“, der zwischen den Zuschauersitzen ist. Mit der
Drehbühne „MAWARI-BUTAI“ kann man die Szene dramatisch ändern.
2.3.8. Die Überlieferung
KABUKI und die Namen der KABUKI-Schauspieler werden normalerweise innerhalb
der Familie von Generation zu Generation weitergegeben. Mit dem Namen übernimmt
54
man auch das Programm.
Jede KABUKI-Familie übernimmt den speziellen Namen eines Hauses „YAGÔ“ von
Generation zu Generation. Weil Schauspieler in der EDO-Ära den Familiennamen nicht
benutzen durften, verwendete man YAGÔ statt des Namens.
Jede KABUKI-Familie hat nicht nur ein Familienwappen, sondern auch eine bestimmte
Farbe und ein Muster, das ebenfalls weitergegeben wird. Farbe und Muster finden sich
auf Kostüm, Requisiten und Kulisse wieder. Für KABUKI ist „Familie“ sehr wichtig.
2.3.9. Wie hat das Publikum KABUKI in der EDO-Ära genossen?
KABUKI begann im Morgengrauen und dauerte bis zum Sonnenuntergang, weil es
keine Beleuchtung in der EDO-Ära gab. Am Vorabend aß man im Restaurant und
schlief dort ein bisschen. Vor der Morgendämmerung fuhr man mit dem Schiff zum
Theater von KABUKI. Man genoss KABUKI fast den ganzen Tag mit der Familie. Und
man brachte Essen und Alkohol mit. Auch während der Aufführung von KABUKI aß
und trank das Publikum. Deswegen stritt sich und lärmte das Publikum, das betrunken
war. Deshalb kam es dazu, dass der Schauspieler bei wichtigen Szenen MIE machten,
um dadurch die Aufmerksamkeit des geräuschvollen Publikums auf sich zu ziehen.
Die reiche Oberschicht genoss KABUKI auf diese Weise.
2.3.10. KABUKI nach der MEIJI-Ära
Nach der Mitte der MEIJI-Ära schrieben Literaten oder Schriftsteller KABUKI. Dieses
KABUKI heißt Neu-KABUKI. Und das Programm, das von westlicher Schauspielkunst
oder westlichem Roman beeinflusst wurde, wurde mit moderner Darstellung und
moderner Inszenierung aufgeführt.
Im Jahr 1893 baute man das KABUKI-Theater im westlichen Stil mit Ziegelsteinen und
zwei Etagen. Aber die Innenausstattung dieses Theaters war im japanischen Stil.
55
Die Bühne wurde größer als die in der zweiten Hälfte der EDO-Ära. Es gab große
Kronleuchter über den Zuschauersitzen. Weil es elektrisches Licht gab, wurde das
Theater heller. Die Veränderung der Beleuchtung beeinflusste Darstellung, Kulisse,
Inszenierung und so weiter.
2.3.11. Zusammenfassung
Dass das Publikum durch die Ästhetik von KABUKI, die ungewöhnliche Darstellung
und ungewöhnliche Inszenierung den Inhalt verstehen und genießen kann, ist wichtig
für KABUKI. Bei KABUKI ist Unterhaltung wichtig für das Publikum. Bei anderen
japanischen traditionellen Theaterformen ist die Kunstform wichtiger. Das ist der große
Unterschied zwischen KABUKI und anderen japanischen traditionellen Theatern.
Dieser Unterschied beeinflusst die Entwicklung von KABUKI.
2.4. Die Oper
Die Oper ist die europäische Kunst, die aus Musik, Literatur, bildende Kunst und Tanz
besteht.
2.4.1. Die Herkunft des Namens
Die Oper hatte zuerst einen anderen Namen. Die Entstehung des Namens der Oper geht
auf Werke italienischer Komponisten des 17. Jahrhunderts zurück. Bei „Euridice“ von
Giulio Caccini wurde Oper „Composta in Musica in stile rappresentativo“ genannt. Das
bedeutet „Musik, im repräsentativen Stil komponiert“. Und bei „L’Orfeo“ von Claudio
Giovanni Antonio Monteverdi wurde Oper „Favola in Musica“ genannt. Das bedeutet
„Fabel, die in Musik umgesetzt wurde“. Bei „Die Krönung der Poppea“ von Claudio
Monteverdi wurde Oper „Dramma in Musica“ genannt. Das bedeutet „Drama, das in
Musik umgesetzt wurde“. Danach wurde Oper „Opera lirica“ genannt. Das bedeutet
56
„Lyrische Oper“. Opera lirica wurde von Italien nach Frankreich, Deutschland,
Großbritannien und so weiter exportiert. Und dort wurde Opera lirica zu
„Opera“ abgekürzt. Danach auch in Italien. Auf Deutsch wird Opera „Oper“ genannt.
„Opera“ ist das Substantiv vom Verb „operare“. Das bedeutet „Arbeiten“. Deswegen ist
„Opera“ ein Werk, das durch Arbeit entstanden ist.
2.4.2. Die Geschichte der Oper
2.4.2.1. Der Vorläufer
Das geistliche Schauspiel war ein Drama mit Musikbegleitung, das von der Passion
Christi bis zur Auferstehung erzählt. Das ähnelte der Oper. Deswegen kann man sagen,
dass der Vorläufer der Oper das geistliche Schauspiel ist.
Das geistliche Schauspiel hieß auch wunderbares Schaupiel oder heiliges Schauspiel
und verbreitete sich in Europa im 13. uns 14. Jahrhundert. Das entwickelte sich zu
„Rappresentatione di Anima, et di Corpo“. Dieses Drama entwickelte sich zu
„Oratorium“, das gleichrangig mit Oper ist.
2.4.2.2. Der Ursprung
Seit
längerem
wurde
das
Schauspiel
mit
Musik
im
großen
Stil
bei
feierlichenVeranstaltungen wie Hochzeiten aufgeführt. Die Musiker, die solche
Schauspiele schufen, verfolgten ein neue Form des Schauspiels und versuchten die
griechische Tragödie wiederzuspiegeln. Niemand weiß, welche Form die griechische
Tragödie eigentlich hatte. Aber diese Musiker nahmen an, dass die Liedform während
eines ganzen Stücks innerhalb der griechischen Tragödie beibehalten wurde. Am Ende
des 16. Jahrhunderts wurde das Musiktheater, in dem musikalische Begleitung ganzen
Texten hinzugefügt wurde, geschaffen. Dieses Musiktheater ist der Ursprung der Oper.
Diese Musikbegleitung war einfach. Deshalb konnte man den Text sehr gut verstehen.
57
Im Prinzip wurden nur Noten für Basstöne geschrieben. Man schuf einen Akkord mit
diesen Basstönen und begleitete dementsprechend. Dieser Stil, der mit einfacher
Begleitung gespielt wurde, wurde im „Rezitativ“ übernommen.
2.4.2.3. Die griechische Tragödie
Die griechische Tragödie wurde im antiken Griechenland aufgeführt. Aber weil es über
die Aufführungsform der griechischen Tragödie keine Aufzeichnungen gibt, kann man
nur auf die Literatur zurückgreifen.
Die griechische Tragödie war eine synthetische Kunst, die aus Text, Musik und Tanz
bestand. Im Jahre 5 vor Christi Geburt lebten Aischylos, Sophokles und Euripides, die
drei großen Dichter der griechischen Tragödie. Obwohl ihre Texte erhalten geblieben
sind, ist die Musik nur als Fragment von „Orestes“, einem Stück von Euripides mit
Musikbegleitung, erhalten geblieben. In der Zeit der drei großen Dichter der
griechischen Tragödie bestand eine Gruppe aus zwölf bis fünfzehn Personen, die den
Reigen tanzte und auch im Chor sang. Mit ihrem Eintrittslied beginnt die griechische
Tragödie. Danach singen und tanzen sie in der Mitte des kreisförmigen Theaters. Auch
ein Abtrittslied singen sie. Das Lied bestand aus relativ einfacher Melodie und war
Strophenlied und Unisono.
Nur Männer durften mit der Maske in der griechischen Tragödie spielen. Wenn ein
Schauspieler eine weibliche Rolle spielte, sprach er nicht mit weiblicher Stimme. Das
heißt, dass er die feminine Rolle nicht betonte. Es gab viele Tragödien, in der die Frau
die Hauptrolle war. Der Schauspieler betonte den femininen Liebreiz und die feminine
Erotik nicht.
Die Bühne war einfach. Es gab einen Mechanismus, mit dem man Gott auf die Erde
herabsteigen ließ. Aber es gab keine Änderung der Bühne durch die Kulisse.
Die griechische Tragödie war ein Theater, das eine ernste Atmosphäre hatte und
58
asketisch war. Sowohl das Gefühl der Verzweiflung am Leben und am Tod als auch die
Lebensfreude wurden ruhig und ernst dargestellt. Und die Schauspieler reduzieren alles
auf das Wesentliche. Dadurch finden sie den Kern der menschlichen Seele heraus. Und
sie zeigen dem Publikum diesen Kern. Das war die Ästhetik der griechischen Tragödie,
die die Essenz und den Geist des Menschen zeigt.
Die Bühne
Abb.51
2.4.2.4. Die älteste Oper
Die älteste Oper ist „Euridice“ von Jacopo Peri, die im Jahr 1600 uraufgeführt wurde.
Diese Oper wurde bei der Hochzeitsfeier für die Prinzessin von Medici und Heinrich IV.,
König Frankreichs, im Palast Pitti in Florenz aufgeführt.
Die Musik bestand aus Text und Chor.
2.4.2.5. Die älteste Oper, die auch heute aufgeführt wird
Claudio Monteverdi, der im Herzogtum Mantua Hofkapellmeister war, nahm an der
Hochzeit von Prinzessin von Medici und Heinrichs IV., König Frankreichs, mit seinem
Feudalherrn, dem Herzog von Mantua teil. Dort hörte er die „Euridice“ von Jacopo Peri.
Er hatte großes Interesse daran. Auch sein Feudalherr, der Herzog von Mantua, erhoffte
von Monteverdi, dass er eine Oper komponiert. Er schuf den „Orpheus“, der im Jahr
Abb.51
Kubota, Keiichi : はじめての音楽史-古代ギリシアの音楽から日本の現代音楽まで
Musikgeschichte für Anfänger – von der Musik des antiken Griechenlands bis zur japanischen
zeitgenössischen Musik-, Tokio 2006.
59
1607 uraufgeführt wurde. Orpheus ist die älteste Oper, die auch heute aufgeführt wird.
Das Hauptthema der Oper des 17. und 18. Jahrhunderts war der griechische Mythos.
Opern wurden im Fasching und zu Ostern aufgeführt. Auch das Thema von Orpheus
gehört zum griechischen Mythos. Monteverdi zeigte die Gefühle der auftretenden
Personen und malt Situation durch die Tonfarbe des Instruments, durch Akkorde und
durch die Übereinstimmung von Wort und Tonbewegung. Monteverdi entwickelte eine
Oper, die die Gefühle des Menschen in den Mittelpunkt stellt. In seiner Oper wurden
auch Tanzmusik und Chor hinzugefügt. Sie war vielfältig, brillant und dramatisch.
2.4.2.6. Die Oper als Hofmusik
Die Oper entwickelte sich als Hofmusik und war eine Aufführung für Hofgesellschaften,
die hauptsächlich dazu diente, die Macht der Herrscher zu zeigen.
Die Oper verbreitete sich in Italien, Deutschland und Österreich und so weiter und
gewann sprunghaft an Popularität. Aber außer in Frankreich wurde die Oper in
italienischer Sprache aufgeführt. Zum Beispiel wurden auch die meisten Opern von
Wolfgang Amadeus Mozart, österreichischer Komponist, in italienischer Sprache
aufgeführt. Es gab also die italienische und die französische Oper.
Damals war die gängige Form der Oper die so genannte „Nummernoper“. Jedem Stück
wurde eine Nummer hinzugefügt und durch Rezitative verbunden. Diese Nummeroper
blieb die gängige Form für circa zwei Jahrhunderte, bis sich Richard Wagner dem
widersetzte.
2.4.2.6.1. Die italienische Oper
Das Thema der Oper stammt aus Mythos oder Geschichte. In der Opernmusik sind die
Schönheiten der Melodie und des Lieds wichtig. Die Technik des Sängers ist wichtiger
als der Inhalt des Dramas. So eine Oper heißt „Opera seria“.
60
Und in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts entwickelte sich in Neapel auch die
„Opera buffa“, die komische italienische Oper. Der Inhalt des Dramas war
zeitgenössisch für das damalige Publikum.
Der „Kastratengesang“ war sehr beliebt. Die Kastratenstimme klingt so wie die Altoder Sopran-Knabenstimme. Kastraten konnten nicht nur mit hoher Sopranstimme,
sondern auch mit kraftvoller Stimme singen.
Und es war damals nicht selten, dass eine Opernsängerin männliche Rollen spielte.
2.4.2.6.2. Die französische Oper
In Frankreich gab es die Tradition des klassischen Theaters. In diesem Theater war die
Schönheit des Textes sehr wichtig. Deswegen war in Frankreich die italienische Oper,
deren Merkmal die Kastratenstimme und die Singtechnik war, unbeliebt.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erfand Jean-Baptiste Lully die französische
Hofoper. Er kam aus Italien, arbeitete aber am Hof Ludwigs XIV. als Hofkapellmeister.
Die französische Hofoper war rezitierte Oper in französischer Sprache. Diese Oper hatte
auch viele Ballettszenen und viele spektakuläre Szenen, die Franzosen lieben.
2.4.2.7. Die Oper als Unterhaltung für das gewöhnliche Volk
Die Oper, die sich ursprünglich als Unterhaltung des Hofs entwickelte, verbreitete sich
auch beim Volk.
Im Jahr 1637 wurde das erste öffentlich zugängliche Opernhaus der Welt in Venedig
gebaut. Und das bedeutete, dass alle Menschen in die Oper gehen konnten, wenn sie die
Eintrittskarte bezahlen konnten. Der Verlust der Macht des Hofes und der Aristokratie
durch
die
Französische
Revolution
und
daraus
folgende
gesellschaftliche
Veränderungen trugen dazu bei, dass öffentliche Opernhäuser gebaut wurden, die von
der reichen Oberschicht und Stadtgemeinden betrieben wurden. Dadurch wurde die
61
Oper von der Unterhaltung des Hofs zur Unterhaltung des gewöhnlichen Volkes. Auch
die heutige Wiener Staatsoper war früher das Opernhaus des Hofs.
Auch der Inhalt der Oper änderte sich. Obwohl die italienische Oper bis dahin in Europa
außer in Frankreich vorherrschend war, entstand schließlich die Oper in der jeweiligen
Sprache des Landes, damit auch das gewöhnliche Volk den Text verstehen konnte. Die
meisten Opern-Inhalte basierten auf Mythos oder Legende. Aber der Inhalt änderte sich
und wurde in ein Melodrama oder in eine zeitgenössische Geschichte, die das Volk
verstehen konnte, umgewandelt. Durch diese Veränderung konnte auch das Volk die
Oper genießen. Auch Opernhäuser mit Kasinos wurden gebaut. Opernhäuser waren ein
Ort der Unterhaltung für das Volk und Treffpunkt der Gesellschaft.
Das 19. Jahrhundert war das Goldene Zeitalter der Oper. In dieser Zeit entwickelte sich
die Oper, die sich am landesüblichen Musikgeschmack orientierte und die jeweiligen
musikalischen Vorlieben in die Oper integrierte.
2.4.2.7.1. Italien
In der italienischen Oper übernimmt die Arie die zentrale Rolle. Mit schönen Melodien
voller Ausdruckskraft erreichte die Oper die Gefühle des Menschen. Musik und Drama
vereinigten sich in der Oper.
Im Wendepunkt des 19. zum 20. Jahrhundert war Giacomo Puccini sehr produktiv.
Seine Form der Oper war das Melodrama, das das Publikum einfach verstehen konnte.
Die Musik wurde akribisch komponiert, trotzdem konnte das Publikum sie gut
verstehen. Sie war wie Filmmusik und hatte sehr schöne Melodien, die dem Publikum
Tränen in die Augen trieb. Seine Opern sind auch heute sehr beliebt.
2.4.2.7.2. Deutschland und Österreich
Auch Deutschland und Österreich wurden zu „Großmächten der Oper“, wie Italien, das
62
Mutterland der Oper. In der Zeit der klassischen Musik (1730-1810) entwickelte sich
die Instrumentalmusik der Oper sehr durch Komponisten wie Franz Joseph Haydn,
Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven. Das Ausdrucksvermögen des
Orchesters in den Opern, die auf Deutsch geschrieben wurden, war fast gleich wie das
Ausdrucksvermögen des Orchesters in der Symphonie.
Danach änderte Richard Wagner diesen Opernstil. Er begriff die Oper als eine
synthetische Kunst. Er leugnete die traditionelle Form der Oper, in der die Sängerin /
der Sänger die zentrale Rolle spielt. Zum Beispiel war die Technik des Sängers
wichtiger als der Inhalt des Dramas. Wagner vergrößerte auch das Orchester. Er gab der
Musik in der Oper die zentrale Rolle.
Wagner schaffte auch die Nummernoper ab, die in viele kleine Stücke geteilt wurde. Er
komponierte seine Opern mit durchgehenden Akten, gestaltete die Oper von der
Unterhaltung zum musikalischen Kunstwerk um und entwickelte so die Oper weiter.
2.4.2.7.3. Frankreich
Nach der Revolution in Frankreich war „Große Oper“ in Mode. Der Inhalt der „Großen
Oper“ waren Großereignisse, die wirklich stattgefunden hatten. In diese Oper wurden
das Rezitativ, das Franzosen so mögen, Eigenheiten der italienischen Oper, in der die
Arie eine wichtige Rolle spielt sowie Ballett- und andere Tänze eingeführt. Bei der
aufstrebenden Bourgeoisie war diese Oper besonders beliebt.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts war „Operette“ von Jacques Offenbach in Mode. In
der Operette kritisierte er mit seinem satirischen Geist humorvoll die Musik und die
Welt. Die Operette verbreitete sich in Wien. Dort entstand die so genannte „Wiener
Operette“. Die Operette verbreitete sich auch in Amerika weiter und entwickelte sich
zum „Musical“.
63
2.4.2.7.4. Russland, Tschechien und Großbritannien
Auch in Russland, Tschechien und Großbritannien wurden die Opern in der jeweiligen
Landessprache aufgeführt. Nicht nur ausländische populäre Opern, sondern auch im
eigenen Land komponierte Opern wurden aufgeführt.
2.4.2.8. Die zeitgenössische Oper
Im 20. Jahrhundert endete das Goldene Zeitalter der Oper, weil der Film entstand. Der
Film war eine gute Unterhaltung für die Massen. Und weil der Film wiederverwendbar
war, kostete er nicht viel. Und auch das war ein Grund, warum die Oper von der
Unterhaltung zum
musikalischen Kunstwerk geändert wurde.
Zum
Beispiel
komponierte Alban Berg eine Oper, für die er die damalige avantgardistische
Zwölftontechnik benutzte. Die Masse konnte diese Oper, die ein musikalisches
Kunstwerk ist, nicht verstehen und nicht mögen.
Der damalige Direktor vom Opernhaus in Rom und andere Personen versuchten, die
Oper als Unterhaltung für die Masse wiederherzustellen. Dies ist ihnen gelungen.
Jetzt werden Opern in vielen Ländern komponiert. Auch in Japan werden Opern
komponiert. Die japanische Oper, die oft aufgeführt wird, ist „YÛZURU“ von Ikuma
Dan.
2.4.3. Die Künstler in der Oper
Die Oper ist ein großes Projekt. Für ein Opernprojekt werden über zweihundert Leute –
Dirigent, Regisseur, Sänger/in, Orchester, Chor und andere Mitarbeiter – beschäftigt.
2.4.3.1. Der Dirigent
Der Dirigent spielt eine wichtige Rolle in der Oper. Er vereinigt den Musikteil der Oper.
Der Dirigent studiert intensiv Noten und Libretto und findet so zu seiner eigenen
64
Interpretation. Schließlich denkt er darüber nach, wie er diese Interpretation in der
Musik ausdrücken soll. Während der Aufführung der Oper dirigiert er Sänger/in, Chor
und Orchester und zeigt so dem Publikum seine Interpretation des Werks.
2.4.3.2. Der Regisseur
Auch der Regisseur studiert intensiv Noten und Libretto und findet so zu seiner eigenen
Interpretation der Absicht des Komponisten. Dann erarbeitet er die Inszenierung und
gestaltet das Gesamtwerk. Wenn Regisseur und Dirigent sehr gut zusammenarbeiten,
gelingt die Oper auf wunderbare Weise.
In Deutschland hat Schauspiel einen Einfluss auf Oper. Und die Inszenierung für die
Oper ist genauso wichtig wie für das Schauspiel.
Bei modernen Inszenierungen legen Regisseure trotzdem Wert darauf, die
Gedankenwelt des Komponisten zum Ausdruck zu bringen.
2.4.3.3. Die Sängerin und der Sänger
Der Stimmumfang der Sängerin besteht aus Sopran, Mezzosopran und Alt. Der
Stimmumfang des Sängers besteht aus Tenor, Bariton und Bass. Außerdem gibt es noch
den Countertenor, die männliche Sopranstimme.
2.4.3.4. Das Orchester
In der Oper spielt das Orchester im sogenannten „Orchestergraben“. Der
Orchestergraben befindet sich vor der Bühne. Das Orchester spielt die Begleitung zum
Gesang. Bei der Ouvertüre und dem Intermezzo spielt nur das Orchester.
65
2.4.4. Die Struktur der Opernmusik
Oper besteht aus verschiedenen Musikarten, die im Folgenden beschrieben werden.
Eine Oper wird in einigen Akte unterteilt.
2.4.4.1. Die Arie und das Rezitativ
Die Solisten singen „Arie“ und „Rezitativ“. Die Arie ist ein Stück für Gesangsolo mit
einer kunstvollen Melodie. Die Arie ist ein Stück, in dem die Solisten ihre
Lieblingstechnik zeigen können. Das Rezitativ ist ein Lied, in dem der Schwerpunkt auf
dem „Sprechgesang“ liegt. Im Rezitativ deklamiert der/die Sänger/in mit freiem
Rhythmus.
2.4.4.2. Vokalensemble
Die Solosänger und Solosängerinnen singen zusammen im „Ensemble“ (im Duett,
Terzett, Quartett). Durch den Zusammenklang der Stimmen entsteht eine schöne
Harmonie.
2.4.4.3. Der Chor
In der Oper gibt es verschiedene Arten von Chor wie Männerchor, Damenchor,
Kinderchor und gemischten Chor. Der Chor spielt auch die Rolle der Massen.
2.4.4.4. Die Ouvertüre
Das Orchester spielt die „Ouvertüre“ zur Eröffnung der Oper.
2.4.4.5. Das Intermezzo
Zwischen einem Akt und einem weiteren Akt spielt das Orchester das „Intermezzo“.
66
2.4.5. Das Opernhaus
Viele europäische traditionelle Opernhäuser sind mehrstöckig und haben die Form eines
Hufeisens. Im Sommer wird die Oper auch im Freilichttheater aufgeführt.
Abb.52
Das „Teatro alla Scala“ in Mailand
2.4.6. Die Kulisse
Die Kulisse der Oper wurde nach und nach größer. Dadurch wurde auch die Bühne
großzügiger gestaltet. Die magische Kulisse der „Venedig-Oper“ ist berühmt und beliebt.
Die Bühnentechnik kann zum Beispiel „Gott aus den Wolken erscheinen lassen“ oder
„Ruinen in ein Paradies verwandeln“. Mit Hilfe der Bühnentechnik wurden die Kulissen
schöner und interessanter. Dadurch entwickelte sich die Oper als Unterhaltungsform
weiter. Und das Publikum konnte und kann die Oper noch mehr genießen.
2.4.7. Die Anfeuerungsrufe
Nach der Aufführung einer Szene des Höhepunkts wie zum Beispiel nach einer Arie ruft
das Publikum „ Bravo“, den Spitznamen oder Vornamen des Künstlers. Danach beginnt
das Publikum zu applaudieren. Damit kann das Publikum die Begeisterung für die
wunderbare Aufführung zeigen. Aber wenn der Sänger oder die Sängerin nicht gut singt,
pfeift das Publikum.
Abb.52
Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Oper
67
(13. März 2015).
2.4.8. Die Kleidung des Publikums
Bei den weltweit berühmten Musikfesten wie den Salzburger Festspielen, Bayreuther
Festspielen und dem Glyndebourne Opernfestival und bei Aufführungen zu Beginn
einer Aufführungssaison eines Opernhauses, trägt der Mann Abendanzug mit einer
Fliege. Die Frau trägt ein Abendkleid. Aber außerdem ist es heute üblich, dass das
Opernpublikum gepflegte Alltagskleidung trägt.
2.4.9. Zusammenfassung
Wegen des Machtverlustes des Hofes und der Aristokratie änderte sich die Oper von
einer Unterhaltung des Hofs zu einer Unterhaltung für das reiche Bürgertum. Die Oper
entwickelte sich zu einer kommerziellen Unterhaltung. Deswegen änderte sich auch der
Inhalt der Oper, damit das gewöhnliche Volk das Geschehen auch verstehen und
genießen konnte. Danach entwickelte sich die Oper in Richtung der Kunstmusik. Aber
weil das gewöhnliche Volk diese moderne Oper nicht verstehen konnte, war sie
unbeliebt.
Durch die Geschichte der Oper kann man verstehen, dass ein verständlicher Inhalt für
das Publikum wichtig ist, damit es die Oper auch genießen kann.
2.5. Der Vergleich
Oper und KABUKI bedeutet Vergnügen und Unterhaltung für das Publikum.. Ursprünglich waren
das vulgäre Unterhaltungsformen, wobei das Publikum während der Aufführung aß und trank.
Diese Unterhaltungsformen wurden tief erforscht. Heute zeigen sie eine Apotheose der Schönheit.
Oper und Kabuki sind superlativischer Luxus für Augen und Ohren.4
4
Nagatake, Yoshiyuki : オペラと歌舞伎 Oper und KABUKI, Tokio 1993. S.8
道楽芸能であり、遊びであり、完全に娯楽番組なのだ。オペラも歌舞伎も、ものを飲み食いしな
がら役者見物をするという大衆の非常に俗っぽい道楽が磨かれて美の極致に至っているのであ
り、それは目と耳の最高の贅沢なのである。
68
Die Griechische Tragödie und NÔ konzentrieren sich auf die Charakterdarstellung des Menschen.
Und sie zeigen „Leben und Tod“ und „Liebe und Fehde“. Dadurch zeigen sie die Schönheit und
die Hässlichkeit des Menschen in Grenzsituationen. Durch die Griechische Tragödie und NÔ kann
das Publikum eine Katharsis erleben. Die Griechische Tragödie und NÔ sind eine sehr ernste
Kunst. 5
Im Buch „Oper und KABUKI“ wird wie oben zitiert über Oper, KABUKI, griechische
Tragödie und NÔ geschrieben. Oper und KABUKI sind ähnlich. Auch die griechische
Tragödie und NÔ sind ähnlich. Mit den gemeinsamen Punkten will ich sie nun
vergleichen.
2.5.1. Oper und KABUKI
2.5.1.1. Die synthetische Kunst
Die Oper und KABUKI sind synthetische Künste. Und beide bestehen aus ähnlichen
Elementen.
2.5.1.2. Die Unterhaltung und das Kunstwerk
Oper und KABUKI entwickelte sich als eine Unterhaltung, die jedes Publikum
genießen kann. Das ist ein charakteristisches Merkmal.
Nachdem die Oper und KABUKI die Unterhaltungsform für das Bürgertum wurde,
änderte sich auch der Inhalt. Bei der Änderung des Inhalts wurde der Schwerpunkt
darauf gelegt, dass das Publikum alles verstehen und genießen kann. In der Oper wurde
die Muttersprache des Publikums benutzt. Die Oper war ein Melodrama, das berühmte
Ereignisse aus der Geschichte benutzte. Auch in Kabuki dachte man sich etwas Neues
5
Nagatake, Yoshiyuki : オペラと歌舞伎 Oper und KABUKI, Tokio 1993. S.7-S.8
ギリシャ悲劇も能も人間の性(さが)の本質を見極め、生と死、愛と葛藤を究極的に見つめて、
その人間のもつ性の美しさ、醜さを極限状態で見ることによりカタルシスを得るという非常に
真面目な芸術であり
69
aus, damit sich das Publikum mehr für KABUKI interessierte. Zum Beispiel entstanden
verschiedene Inszenierungsarten.
Opernhaus und KABUKI-Theater sind ursprünglich „Vergnügungsstätten“. Zum
Beispiel gab es im 17. und 18. Jahrhundert im Opernhaus auch Plätze mit Vorhang.
Wenn man den Vorhang zumachte, wurde daraus ein Zimmer. In diesem Zimmer genoss
das Publikum während der Opernaufführung das Kartenspiel sowie Essen und Trinken.
Außerdem verabredete man sich zu „Rendezvous“. Wenn die Sänger ihre Arien sangen,
öffnete man den Vorhang. Nach den Arien zog man den Vorhang wieder zu. Das
KABUKI wurde auch mit Essen und Trinken genossen.
Die Oper und KABUKI veränderten sich zu einem Kunstwerk. Aber weil das Publikum
die neue Kunstform nicht verstehen und nicht genießen konnte, war diese Art von Oper
und KABUKI unbeliebt. Aus diesem Grund wurden die Oper und KABUKI als
Unterhaltung wiederhergestellt. Dadurch waren die Oper und KABUKI wieder beliebt.
2.5.1.3. Das Teilen der Begeisterung zwischen Spieler und Publikum
In der Oper und im KABUKI werden Anfeuerungsrufe gerufen und das Publikum
applaudiert bei einer guten Aufführung. Bei nicht so guten Aufführungen pfeift das
Publikum. Anfeuerungsrufe und Applaus steigern die Stimmung. In der Oper und im
KABUKI können die Spieler durch die Anfeuerungsrufe und den Applaus die
Begeisterung mit dem Publikum teilen. Anfeuerungsrufe und Applaus spielen sowohl in
der Oper als auch im KABUKI eine wichtige Rolle.
2.5.1.4. Die Kulisse und die Bühnentechnik
Auch die Kulisse und die Bühnentechnik spielen eine wichtige Rolle in der Oper und im
KABUKI. Durch sie wurden die Oper und KABUKI schöner und interessanter.
70
2.5.2. Der Vergleich der griechischen Tragödie mit NÔ und KYÔGEN
2.5.2.1. Die asynthetische Kunst
Die griechische Tragödie, NÔ und KYÔGEN sind die synthetischen Künste. Sie
bestehen aus ähnlichen Elementen. Die griechische Tragödie und NÔ sind Maskenspiele.
KYÔGEN hat auch Rollen, die Masken benutzen.
2.5.2.2. Die Ästhetik
Die griechische Tragödie, NÔ und KYÔGEN sind sehr asketische Schauspiele. Hier
wurden das Gefühl der Verzweiflung am Leben und am Tod als auch die Lebensfreude
ruhig und ernst dargestellt. In diesen Theaterarten wird alles auf das Wesentliche
reduziert. Dadurch findet man den Kern der menschlichen Seele heraus. Das ist die
Ästhetik der griechischen Tragödie, von NÔ und KYÔGEN.
2.5.2.3. Schauspieler
In der griechischen Tragödie, NÔ und KYÔGEN durften nur Männer auftreten. Wenn
ein
Schauspieler in der griechischen Tragödie eine weibliche Rolle spielte, sprach
oder sang dieser Schauspieler nicht mit weiblicher Stimme. Das heißt, dass femininer
Liebreiz und Erotik in der griechischen Tragödie nicht gezeigt wurden. Von NÔ wird
gesagt, dass es die Kunst von „Shuraguruma“ und „Faszination“ ist. Aber diese
„Faszination“ bedeutet nicht Erotik.
2.5.2.4. Die Kulisse und die Bühnentechnik
Die griechische Tragödie, NÔ und KYÔGEN haben eine bestimmte Bühne. Die Bühne
ist symbolisch und simpel. Durch die Geschichte erkennt das Publikum den Kern der
Geschichte. Die Ästhetik von griechischer Tragödie, NÔ und KYÔGEN liegt in der
Schlichtheit der Bühne.
71
2.6. Zusammenfassung
In Europa und Japan gibt es zwei verschiedene Arten des Schauspiels. Ein Schauspiel
hat ein starkes Element der Unterhaltung. Und das andere hat ein Element der „ernsten
Kunst“.
Sowohl das europäische als auch das japanische Publikum bevorzugt das Schauspiel,
das ein starkes Element der Unterhaltung hat. Für das Publikum ist es wichtig, den
Inhalt zu verstehen, damit es die Unterhaltung auch genießen kann.
3. Die Entwicklung der europäischen Musik und der japanischen Musik nach der
Einführung der europäischen Musik
Die europäische Musik wurde in Japan eingeführt, nachdem Japan im Jahr 1854 die
außenpolitischen und diplomatischen Beziehungen mit anderen Ländern wieder
aufnahm. In Japan verbreitete sich europäische Musik. Danach wurde die europäische
Musik mit der japanischen traditionellen Musik vermischt.
Ich will die Inhalte der europäischen und japanischen Musik und der vermischten
europäisch-japanischen Musik beschreiben. Außerdem will ich den Verlauf der
Geschichte der europäischen und japanischen Musik nach der Einführung der
europäischen Musik in Japan beschreiben.
3.1. Die Geschichte der japanischen Musik
Die japanische traditionelle Musik basiert auf ausländischer Musik. Wie sich die
japanische Musik entwickelt hat und wie es zur Einführung europäischer Musik in
Japan kam, werde ich nun aufzeigen.
3.1.1. Die Zeit der Ur-Musik
Die Musik bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts heißt „Ur-Musik“. Kern der japanischen
72
Ur-Musik war das Lied, das menschliche Gefühle ausdrückte. Es gab Instrumene wie
Querflöten aus Bambus, KOTO mit wenigen Saiten, die Trommel und die Schelle.
Diese Instrumente wurden bei der Begleitung des Lieds und des Tanzes benutzt. Aber es
gab keine Instrumentalmusik. Die Musik wurde nur mündlich überliefert. Deswegen
gibt es heute keine Aufzeichnungen dieser Musik.
In dieser Zeit wurden auch verschiedene Arten von Musik und Instrumenten von Korea
eingeführt. Aber die Japaner spielten diese Instrumente nicht.
3.1.2. Die Zeit der Einführung der ausländischen Musik
Die Zeit der Einführung der ausländischen Musik dauerte von der Mitte des 6.
Jahrhunderts bis zum Ende des 12. Jahrhunderts.
In der ersten Hälfte der Zeit der Einführung der ausländischen Musik wurde viel
ausländische Musik eingeführt. Die Instrumentalmusik und die Tanzmusik sind vom
asiatischen Kontinent nach Japan gekommen. Die Musik wurde bei Festen oder Hofund Tempelzeremonien gespielt. Diese Musik heißt „GAGAKU“. Im Jahr 701 wurde
ein Institut für GAGAKU gegründet, um GAGAKU als Hofmusik zu erhalten. Dieses
Institut heißt „GAGAKURYÔ“.
Die zweite Hälfte dieser Zeit war die Zeit der Verschmelzung der japanischen
traditionellen Musik mit der ausländischen Musik.
In der HEIAN-Ära (794-ca.1192) wurden die außenpolitischen und diplomatischen
Beziehungen zwischen Japan und dem Ausland abgebrochen. In dieser Zeit wurde die
japanische Musik mit der ausländischen Musik, die in der ersten Hälfte dieser Zeit
eingeführt wurde, verschmolzen. Und die japanische traditionelle Musik stand unter
dem Einfluss der ausländischen Musik und entwickelte sich weiter.
In dieser Zeit wurde die Musik für die Ausbildung der Adligen für sehr wichtig gehalten.
Die Musik als Ausbildung war unentbehrlich für die Karriere der Adlingen.
73
Das Erlernen der Musik war schwierig, weil der Musikmeister die Methode der Musik
geheim hielt.
3.1.3. Die Zeit der modernen „Nationalmusik“
Die Zeit der modernen „Nationalmusik“ fing am Ende des 12. Jahrhunderts an. In dieser
Zeit wurden die außenpolitischen und diplomatischen Beziehungen zwischen Japan und
dem Ausland abgebrochen. Deswegen stand die japanische Musik unter keinem Einfluss
von ausländischer Musik.
Die japanische
Musik entwickelte
daher
eigene
charakteristische Merkmale.
Es gab ein Klassensystem in dieser Zeit. Die Musikwelt stand unter dem Einfluss dieses
Klassensystems. Auch in der Musikwelt gab es ein starkes Klassenbewusstsein. Und die
Kunstüberlieferung wurde streng geheim gehalten. Die Musikwelt war streng.
In der AZUCHIMOMOYAMA-Ära (1568-1603) wurde das Christentum nach Japan
importiert. Mit dem Christentum kam auch die Musik des Christentums. Das war die
erste Einführung der europäischen Musik in Japan. Aber das Christentum wurde
unterdrückt. Deswegen wurde auch die Musik des Christentums in Japan verboten. Und
somit verschwand die europäische Musik in Japan.
Während der Abschottung Japans von der Außenwelt blieben aber europäische
Elemente zurück. Zum Beispiel das Lied „ORASYO“, das verborgene Christen
heimlich sang, oder die Operette, die Niederländer im Jahr 1820 auf der Insel
„DEJIMA“ in NAGASAKI aufführten. Und es blieben die zwei Klaviere, die Philipp
Franz Balthasar von Siebold im Jahr 1826 nach EDO (TOKIO) gebracht hatte. Yôan
Udagawa, der ein Gelehrter der Hollandstudien war, erforschte die westlichen
„Musikwörter“. Aber wegen der Abschottung Japans stand die japanische Musikkultur
unter keinem großen Einfluss von europäischer Musik.
74
3.1.4. Die Zeit der zweiten Einführung der ausländischen Musik
Die Zeit der zweiten Einführung der ausländischen Musik fing im Jahr 1867 an. Nach
der Ankunft der vier amerikanischen Kriegsschiffe im Jahre 1853, unter dem
Kommando von Seeoffizier M.C.Perry, führte die amerikanische Militärkapelle
eigentlich schon die europäische Musik in Japan ein. Nachdem Japan 1854 die
außenpolitischen und diplomatischen Beziehungen mit anderen Ländern wieder
aufnahm, wurde auch die europäische Musik wieder nach Japan eingeführt. Zuerst
verbreitete sich die europäische Musik in Japan durch die Kriegslieder der
Militärkapelle.
1867 gab es eine Reform der Regierung der MEIJI-Ära (1868-1912) in Japan. Die
japanische traditionelle Musik stand unter dem Einfluss dieser Reform. Zum Beispiel
weil NÔ von den Machthabern wie BUKE der EDO-Ära (1603-1868) unterstützt wurde,
war diese Reform für NÔ ein harter Rückschlag. Aber im Jahr 1868 besuchte Tomomi
Iwakura, ein japanischer Aristokrat und Politiker, der eine Schlüsselfigur der Reform
der Regierung der MEIJI-Ära (1868-1912) war, Europa und Amerika. Dort sah er die
Oper und dachte, dass NÔ die japanische Oper ist. NÔ konnte die Unterstützung der
neuen Regierung bekommen. Ein Institut für NÔ wurde 1881 gegründet. In der
EDO-Ära (1603-1868) durften nur Samurai NÔ sehen. Aber nach der Gründung des
Instituts durfte auch das gewöhnliche Volk NÔ sehen.
In Japan gibt es noch andere traditionelle Musik. Das ist GAGAKU, das als Hofmusik
verblieb. In der Zeit der zweiten Einführung der ausländischen Musik wurden Spieler
von GAGAKU die Musiker der neuen Regierung. Und es wurde verboten, dass
„Musik-Meister“ die Methode der Musik und die Stücke geheim hielten. Das japanische
traditionelle Instrument SYAKUHACHI durfte nur der Mönch von MUKESYÛ spielen.
Aber nach der Abschaffung von MUKESYÛ durfte auch das gewöhnliche Volk
SYAKUHACHI spielen.
75
Die Überlieferungsart, das System und das Repertoire der japanischen traditionellen
Musik änderten sich und passten sich der modernen Art an. Dadurch entwickelte sich
die Musik weiter.
3.2. Die europäische Musik in Japan
Die europäische Musik wurde in Japan eingeführt. Dadurch änderte sich die japanische
Musikkultur.
Die europäische Musik, die eine ausländische Kunstform ist, verbreitete sich in Japan. Auch diese
Musik spielte eine zentrale Rolle in der japanischen musikalischen Kultur mit der verschiedenen
traditionellen Musik, die bis die EDO-Ära entstand.6
Und die europäische Musik übte Einfluss auch auf den grundlegenden Tonsinn und die
grundlegende Denkart des Japaners für Musik aus.7
Ich will nun aufzeigen, wie sich die europäische Musik in Japan verbreitete.
3.2.1. Die Verbreitung der europäischen Musik in Japan
3.2.1.1. Die Militärmusik
Das amerikanische Militär mit seiner Militärkapelle brachte die europäische Musik
wieder nach Japan. Und diese Musik entwickelte sich in Japan.
Im Jahr 1871 wurde die japanische Militärkapelle gegründet. Sie hatte ihr eigenes
„Musiklernsystem“. Danach wurde die Musik gelehrt.
6
Kubota, Keiichi : はじめての音楽史-古代ギリシアの音楽から日本の現代音楽まで
Musikgeschichte für Anfänger – von der Musik des antiken Griechenlands bis zur japanischen
zeitgenössischen Musik-, Tokio 2006, S.165
異文化である西洋音楽が定着して、江戸時代までに成立していた様々な伝統音楽と並んで日本
の音楽文化のひとつの柱となった。
7 Kubota, Keiichi : はじめての音楽史-古代ギリシアの音楽から日本の現代音楽まで
Musikgeschichte für Anfänger – von der Musik des antiken Griechenlands bis zur japanischen
zeitgenössischen Musik-, Tokio 2006, S.165
私たちの基層的な音感覚や、音楽に対する考え方にも影響を与えるものとなったのである。
76
Die europäische Musik wurde nun bei Veranstaltungen für die europäische Diplomatie
sowie bei Veranstaltungen des Hofs und bei Feiern der Regierung eingeführt. Weil es
damals noch keine Gruppe gab, die europäische Musik spielen konnte, spielte die
Militärkapelle. Die europäische Orchestermusik wurde mit Blasinstrumenten gespielt.
Die Militärkapelle hatte ein großes Repertoire mit Märschen, Walzern, Ouvertüren und
anderer Opernmusik.
Vor und nach dem Japanisch-Chinesischen Krieg (1894-1895) war das Kriegslied im
Mode. Es wurde auch in der Schule gesungen. Dadurch verbreiteten sich im japanischen
Volk europäische Melodien und Rhythmen, die den Japanern bisher fremd waren.
3.2.1.2. Die Institution „SHIKIBURYÔ”
SHIKIBURYÔ ist eine Institution der „Imperial Household Agency“. Diese Institution
„SHIKIBURYÔ“ arbeitet für Feiern, offizielle Veranstaltungen für den Bekanntenkreis
der japanischen kaiserlichen Familie und GAGAKU.
Die europäische Musik wurde bei Veranstaltungen des Hofs nicht nur von der
Militärkapelle, sondern auch von GAGAKU-Spielern, die zu SHIKIBURYÔ gehörten,
gespielt. Deswegen mussten die GAGAKU-Spieler nicht nur GAGAKU, sondern auch
die europäische Musik lernen. Im Jahr 1876 wurde die europäische Musik von
GAGAKU-Spielern uraufgeführt. Und im Jahr 1879 begannen die GAGAKU-Spieler
das Saiteninstrument zu lernen und Orchestermusik zu spielen.
3.2.1.3. Das Christentum
Die europäische Musik entwickelte sich auch durch das Christentum.
Von 1863 bis 1875 war die britische und französische Armee in YOKOHAMA, Japan.
Dadurch kam auch das Christentum, das in Japan zuvor verboten war. Und auch das
Kirchenlied wurde gesungen. Damit verbreitete sich die europäische Musik in Japan.
77
Nach der Aufhebung des Verbots für das Christentum im Jahr 1873 wurden die
Kirchenliedtexte ins Japanische übersetzt. Durch das Kirchenlied wurden zum ersten
Mal europäische Musik und japanischer Text kombiniert. Die Kirche war ein wichtiger
Ort, wo Japaner die europäische Musik hören, singen und genießen konnten.
3.2.1.4. Die Musikpädagogik
Shûji Isawa, ein japanischer Pädagoge, wurde im Auftrag des Unterrichtsministeriums
nach Amerika geschickt, um Information in Bezug auf Musikpädagogik zu sammeln.
Das Unterrichtsministerium beabsichtigte, eine Schule auf der Basis europäischer
Musikpädagogik zu gründen. Er sammelte die Informationen bei Luther Whiting Mason,
einem Musikwissenschafter und Musikpädagogen. Und er lernte auch verschiedene
Schullieder kennen.
Danach gründete das japanische Unterrichtsministerium eine Institution, die
ONGAKUTORISHIRABEGAKARI heißt. Shuji Isawa wurde im Jahre 1879 der erste
Leiter dieser Institution. Dieses Institut erforschte Musik für die Musikpädagogik und
bildete Musikleher/in oder Musiker aus.
Von 1880 bis 1882 war Mason in Japan. Mason schuf die Grundlage für die
Musikpädagogik in Japan.
Im Jahr 1887 änderte ONGAKUTORISHIRABEGAKARI den Namen. Dieses Institut
heißt nun „Musikschule TOKYO“. Auch nach Masons Heimkehr unterrichteten
ausländische Lehrer/innen an dieser Schule weiterhin gute Musikpädagogik.
Im Jahr 1889 studierte der erste Absolvent dieser Musikschule zum ersten Mal im
Ausland, wie zum Beispiel in Boston und Wien.
Und viele Institutionen wurden gegründet, wo man Lied und Orgel in kurzer Zeit lernen
konnte, weil die Anzahl der Musiklehrer, die an der Musikschule ausgebildet wurden,
nicht groß genug war. Viele Pflichtschullehrer besuchten diese Institutionen, um auch
78
als Musiklehrer ausgebildet zu werden.
Die ersten Lieder, die im Unterricht benutzt wurden, hatten eine Melodie und
japanischen Text. Später komponierten auch japanische Komponisten. Die japanischen
Komponisten komponierten nicht nur mit der europäischen Tonleiter, sondern auch mit
der neuen japanischen Tonleiter, die nach der Einführung der europäischen Musik in
Japan entstand. Die Japaner sangen und hörten diese Lieder seit ihrer Kindheit. Diese
Lieder vermitteln eine „japanische Atmosphäre“. Aber die Japaner fühlten diese
„japanische Atmosphäre“ nicht nur bei Liedern mit japanischer Tonleiter, sondern auch
bei Liedern mit europäischer Tonleiter.
3.2.1.5. Das öffentliche Konzert
Nach dem Jahr 1877 gaben Militärkapelle, SHIKIBURYÔ und die Musikschule
öffentliche Konzerte. Danach gründeten sie zusammen Institute. Dadurch fanden die
Konzerte regelmäßig statt. Auch damit verbreitete sich die europäische Musik mehr in
Japan.
3.2.2. Die weitere Geschichte der europäischen Musik in Japan
Als sich die europäische Musik durch die Konzerte von Militärkapelle, SHIKIBURYÔ,
Christentum und Musikschule in Japan verbreitete, erforschten die Japaner europäische
Musik weiter und begannen diese Musik zu komponieren.
3.2.2.1. Die Musikpädagogik
Im Jahr 1899 änderte sich das Musikpädagogiksystem der „Musikschule TOKYO“.
Dieses System legte den Schwerpunkt auf die Ausbildung des Musikers.
Die Musikschule hatte auch Fächer der Forschung. Es gab die Fächer Gesang,
Instrument und Komposition. Viele ausländische Lehrer lehrten dort. Dadurch stieg das
79
Niveau weiter.
Weil die „Musikschule TOKYO“ die einzige Musikschule in Japan war, wurde noch
eine Musikschule im Jahr 1904 gegründet. Diese Musikschule heißt „Musikschule
JYOSHI TOKYO“.
Danach wurden mehrere private Musikschulen gegründet.
Die Anzahl der Studenten, die im Ausland studierten, vergrößerte sich. Auch die Anzahl
der ausländischen Musiker in Japan vergrößerte sich. Deshalb konnten japanische
Musiker europäische, zeitgenössische Musik nun öfter im eigenen Land hören und
lernen.
3.2.2.2. Das Orchester
In Japan hatten Musikschule, Militärkapelle und SHIKIBUSYOKU ein eigenes System
der Musikpädagogik. Mit diesem eigenen System der Musikpädagogik wurde der
Student ausgebildet. Zuerst gab es in Japan nur die Blaskapelle. Danach gab es immer
mehr Orchester. Die Militärkapelle spielte zum ersten Mal als Orchester im Jahr 1908.
SHIKIBUSYOKU bekam im Jahr 1901 Orchesterunterricht von einem ausländischen
Dirigenten. Im Jahr 1914 wurde das System der Musikpädagogik von GAGAKU und
europäischer Musik eingeführt. Im Jahr 1926 wurde ein Orchester gegründet. In den
vierziger Jahren vergrößerte sich die Anzahl der Orchester.
3.2.2.3. Das Musiktheater
Auch das Musiktheater – wie eine Oper – wurde in Japan aufgeführt.
Ab 1897 begann man große Musiktheater aufzuführen Im Jahr 1903 wurde die Oper
zum ersten Mal in Japan in der „Musikschule TOKYO“ aufgeführt. Die Oper war
„Orpheus und Eurydike“ von Christoph Willibald Gluck.
In der TAISYÔ-Ära (1912-1926) war die ASAKUSA-Oper in Mode. In dieser
80
„ASAKUSA-Oper“ wurde das Element der Unterhaltung betont. Die Oper verbreitete
sich in Japan.
Und auch japanische Komponisten begannen Opern zu komponieren. Im Jahr 1940
komponierte
Kôsaku
Yamada
die
Oper
„YOAKE“.
YOAKE
bedeutet
Morgendämmerung.
3.2.2.4. Die Komposition
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts begannen japanische Komponisten europäische
Musik, die die deutsche klassische Musik und romantische Musik stilisiert, zu
komponieren. Ein Beispiel eines japanischen Musikstücks, das den europäischen
Musikstil benutzte, ist das Lied „KÔJÔ NO TSUKI“ von Rentarô Taki. „KÔJÔ NO
TSUKI“ bedeutet „der Mond über der Burgruine“. Und noch ein anderes Beispiel ist ein
Klavierstück, ein Menuett vom selben Komponisten. Dieses Menuett war das erste
Klavierstück, das von einem Japaner komponiert wurde.
In den Jahren zwischen 1910 und 1920 begannen japanische Komponisten große Stücke
zu komponieren. Im Jahr 1912 komponierte Kôsaku Yamada „KACHIDOKI TO
HEIWA“. Das bedeutet Triumph und Frieden. Es war die erste Sinfonie eines
japanischen Komponisten. Kôsaku Yamada studierte nach dem Studium in Japan an der
Hochschule der Künste Berlin. Die Sinfonie war sein Abschlusswerk an der Hochschule
der Künste Berlin.
3.2.3. Die Verwendung japanischer traditioneller Musikelemente in der
europäischen Musik
In den Dreißiger Jahren entwickelte sich die japanische Komponistenwelt durch die
Gründung des japanischen Musikinstituts und den Beitritt zur Internationalen
Gesellschaft für Neue Musik weiter.
81
Zuerst komponierten japanische Komponisten mit europäischer Kompositionstechnik.
Danach begannen japanische Komponisten mit japanischen Elementen wie die
japanische Tonleiter und die japanische Melodie zu komponieren.
Im Jahr 1937 gewann die Komponistin Michiko Toyama den Preis beim Musikfest der
Internationalen Gesellschaft für Neue Musik. Ihr Stück heißt „YAMATO NO KOE“ und
besteht aus Gesang und Instrumentalmusik. Das war das erste Mal, dass ein japanischer
Komponist einen internationalen Preis gewann. Das zeigt, dass die Musikqualität der
japanischen Komponisten stieg.
In Japan wurden europäische klassische Musik, romantische Musik und moderne Musik
gespielt. Nach dem Jahr 1945 wurde auch „Avantgarde Musik“ in Japan komponiert.
Die „Avantgarde Musik“ wurde mit „Zwölftonmusik“, „elektronischer Musik“,
„Konkreter Musik“, „Clustern“ und so weiter komponiert.
Danach komponierten einige japanische Komponisten der „Avantgarde Musik“ Stücke,
in denen japanische Instrumente verwendet oder Elemente der japanischen
traditionellen Musik hinzugefügt wurden. Weil die „Avantgarde Musik“ so ähnlich
klang wie die japanische traditionelle Musik, fand die japanische traditionelle Musik
einen einfachen Zugang zur „Avantgarde Musik“.
Durch die Einführung der japanischen traditionellen Musikelemente konnte sich die
Sinnlichkeit japanischer Komponisten in ihren Stücken wiederspiegeln. Auch solche
Stücke konnten internationale Preise bei den Musikfestivals gewinnen. Das heißt, dass
die internationale Musikwelt die Musik mit japanischen traditionellen Elementen positiv
bewertete.
„November Steps“, das Tôru Takemitsu im Jahr 1967 komponierte, wurde international
gut bewertet. Für dieses Stück wurden die japanischen traditionellen Instrumente
„BIWA“ und „SYAKUHACHI“ benutzt. Durch BIWA und SYAKUHACHI wurde die
japanische Klangfarbe fokussiert.
82
Im Jahr 1976 wurde „Mono-Prism“, ein Musikstück für japanische Trommeln und
Orchester von Maki Ischi, mit der Gruppe „ONDEKOZA“ und dem Boston
Symphonieorchester beim Tanglewood Musikfest in Amerika uraufgeführt. Das
Publikum interessierte sich sehr für die Art des Schlagens und die Art des Ensembles
von ONDEKOZA. Danach war die japanische Trommel „TAIKO“ auf der ganzen Welt
in Mode. Und auch in Japan entstanden über hundert Trommelgruppen. In den
neunziger Jahren entstanden auch in Europa japanische Trommelgruppen.
3.3. Die japanische traditionelle Musik nach der Einführung der euopäischen
Musik
3.3.1. Die Überlieferung der japanischen traditionellen Musik
Auch während der Verbreitung der europäischen Musik blieb die japanische
traditionelle Musik in Japan erhalten.
„ONGAKUTORISHIRABEGAKARI“ gestaltete nicht nur das Unterrichtsmaterial für
die Musikpädagogik, das auf europäischer Musik gründete, sondern setzte sich auch für
die Erforschung, den Aufstieg und die Verbreitung der japanischen traditionellen Musik
ein.
Auch
nachdem
„ONGAKUTORISHIRABEGAKARI“
in
die
„Musikschule
TOKYO“ umgeändert wurde, blieb „ONGAKUTORISHIRABEGAKARI“ als ein
Institut für die Erforschung der Musik bestehen. Dieses Institut beschäftigte sich mit der
europäischen und der japanischen traditionellen Musik. Zum Beispiel wurden die Noten
der japanischen traditionellen Musik aufgezeichnet.
Der Zweite Weltkrieg (1939-1945) übte einen Einfluss auf die japanische traditionelle
Musik aus. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden die Theater- und Musikaufführungen
zunehmend kontrolliert, weil die Japaner dachten, dass die Unterhaltung den
Kampfeswillen schwächt. Zum Beispiel weil der Text von JYÔRURI obszön war,
83
wurde er umgeschrieben. Auch in KABUKI wurde die Aufführung von Liebesszenen
oder des Pathos verboten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Aufführungen von Werken mit „militärischem
Inhalt“ eingeschränkt. Weil es in KABUKI auch Werke mit „militärischem Inhalt“ gibt,
wurden solche Aufführungen verboten. Aber die Aufführungen von KABUKI und
JYÔRURI, die vor dem Zweiten Weltkrieg verboten wurden, wurden wieder aufgeführt.
Auch nach dem Krieg entwickelte sich die japanische traditionelle Musik weiter.
Im Jahr 1947 begann das Radioprogramm „Zeit für japanische moderne Musik“.
Danach entstand japanische moderne Musik. Instrumentalspieler, die die japanische
traditionelle Musik studierten, komponierten Stücke, die etwas Neues mit den
japanischen Instrumenten ausprobierten. Im Jahr 1955 wurde ein Institut gegründet, in
dem Spieler, die japanische moderne Musik mit KOTO, SYAMISEN und
SYAKUHACHI spielten, ausgebildet wurden. In diesem Institut wurde das europäische
Notensystem benutzt. Das war bahnbrechend. Viele berühmte Musiker der japanischen
modernen Musik studierten in diesem Institut.
Die Gruppen des Ensembles von KOTO und SYAKUHACHI entstanden. Dadurch
entwickelte sich das Instrumentalensemble. Im Jahr 1964 gründete der Komponist
Minoru
Miki
die
Ensemblegruppe
„Pro
Musica
Nipponia“.
„Pro
Musica
Nipponia“ spielte mit japanischen Instrumenten. Diese Gruppe brachte die japanischen
Instrumente zur Entfaltung.
Außerdem wurde die Originalform der japanischen traditionellen Musik überliefert. Im
Jahr 1966 wurde das Nationaltheater gebaut. In diesem Theater wurden hauptsächlich
die sieben japanischen traditionellen Bühnenkünste „KABUKI“, „BUNRAKU“,
„GAGAKU“, „SYÔMYÔ“, japanischer Tanz, Volkskunst und japanische traditionelle
Musik aufgeführt. In diesem Theater wurde auch der Nachwuchs herangebildet und die
Forschung und Weiterentwicklung der japanischen traditionellen Künste betrieben. Zum
84
Beispiel gab es in diesem Theater Uraufführungen moderner Werke von GAGAKU oder
SYÔMYÔ, CD-Produktionen und ein Projekt, in dem Musiker der japanischen
traditionellen und der europäischen Musik zusammen auftraten. Das erweiterte die
Möglichkeiten der japanischen traditionellen Kunst und verbreitete sie im Volk. Im Jahr
1979 wurde das „National NÔ Theater“ in TOKYO gebaut. Im Jahr 1983 wurde das
„National BUNRAKU Theater“ in ÔSAKA gebaut.
Die japanische traditionelle Musik wurde für die Revitalisierung der Stadt benutzt. In
vielen verschiedenen Orten von Japan entstanden Trommelgruppen. Und diese Gruppen
spielten bei Festen und steigerten die Stimmung.
3.3.2. Die Einführung europäischer Musikelemente in die japanische traditionelle
Musik
Der japanischen traditionellen Musik wurden europäische Musikelemente hinzugefügt.
Michio Miyagi, ein KOTO-Spieler und Komponist, komponierte mit Seifû Yoshida,
einen SAKUHACHI-Spieler und Nagayo Motoori, einen Komponisten, Stücke im Stil
und der Technik der europäischen Musik. Mit diesen Stücken fand ein Konzert statt.
Danach wurden ihre Stücke „Die neue japanische Musik“ genannt.
3.3.3. Die Musikpädagogik
Nach dem Jahr 1955 wurde die europäische Musikpädagogik in der Musikschule
forciert. Zum Beispiel wurde im Jahr 1958 die Blockflöte in der Musikpädagogik
eingeführt. Deswegen wurde die japanische Querflöte selten gespielt. Und für Japaner
war die Tonfarbe japanischer traditioneller Instrumente keine Musik. Das heißt, dass der
Begriff „Instrument“ für die meisten Japaner „europäisches Instrument“ bedeutete.
Wettbewerbe für Chor- und Instrumentalmusik wurden organisiert. Dadurch änderte
sich der Sinn der Japaner für die japanische traditionelle Stimme. Die meisten Japaner
85
begriffen, dass die japanische traditionelle Stimme, wie die Stimme beim Volkslied,
keine schöne Stimme war.
Auch in der Familie verbreitete sich die europäische Musikpädagogik. Dadurch
übernahm
die
europäische
Musik
eine
zentrale
Rolle
in
der
japanischen
Musikpädagogik.
Die Musikpädagogik, die das japanische traditionelle Kinderlied benutzte, war in Mode.
Aber das trug nichts zur Entwicklung der Musikpädagogik der japanischen
traditionellen Musik bei.
Die japanische traditionelle Musik wurde nur durch Hören im Musikunterricht der
Schule behandelt. Aber heute wird in der Schule Folgendes gelehrt: das Spielen
japanischer traditioneller Instrumente, das Singen japanischer Melodien und das Spielen
japanischer tradioneller Musik mit europäischen Instrumenten. In der Musikpädagogik
wird versucht, den Schüler/innen die japanische traditionelle Musik nahe zu bringen.
Aber eigentlich stehen Japaner der europäischen Musik näher.
3.3.4. Die verschiedenen neuen Formen der japanischen traditionellen Musik
In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre begann die Mode von Ethno. Dadurch wurde
die japanische traditionelle Musik wieder erweckt. Auf viele verschiedene Arten näherte
man sich der japanischen traditionellen Musik. Zum Beispiel wurden neue
Musikgruppen gegründet, um die japanische traditionelle Musik zu verbreiten. Spieler
von KOTO oder SYAKUHACHI komponierten Stücke, in die sie den Synthesizer
einführten. Auch andere Musiker führten die japanischen traditionellen Instrumente und
die traditionelle Musikstimme ein. Rockmusiker integrierten die japanische traditionelle
Flöte und Trommel in ihre Musik. Und auch in der Popmusik wurde die Melodie der
japanischen traditionellen Musik benutzt.
86
3.3.5. Zusammenfassung
Nach der Überlieferung der europäischen Musik in Japan, bemühten sich die Japaner,
diese Musik zu lernen. Danach begannen sie auch selbst, europäische Musik zu
komponieren. Sie komponierten Stücke, in denen die europäische mit der japanischen
traditionellen Musik kombiniert wurde. Heute gibt es viele verschiedene Arten der
Musik. Die europäische Musik entwickelte sich sehr in Japan.
Die japanische traditionelle Musik war rückgängig. Aber die japanische traditionelle
Musik wurde neu entdeckt. Außerdem gibt es Bemühungen zur Erhaltung der
traditionellen Musik. Die japanische traditionelle Musik wurde mit anderer Musik, wie
zum Beispiel der europäischen Musik, kombiniert. Die japanische traditionelle Musik
entwickelt sich ebenfalls weiter.
Musiker wollen immer etwas Neues lernen oder produzieren. Durch innovative Musiker
wird immer etwas Neues produziert und die Musik entwickelt sich weiter.
4. Die Praxis
Bei dieser Arbeit habe ich herausgefunden, was die Musik in Europa und Japan ist. Die
europäische Musik und die japanische traditionelle Musik haben zwei verschiedene
Aspekte.
Ein Aspekt ist die Musik als Unterhaltung. Ich denke, dass die meisten Konzertbesucher
Musik als Unterhaltung begreifen. Es ist es wichtig, dass das Publikum den Inhalt der
musikalischen Aufführung verstehen und genießen kann. So kann das Publikum die
Begeisterung mit dem aufführenden Musiker teilen. Dadurch kann sich die Stimmung
des Konzerts steigern. Auch die Bühnengestaltung und die Inszenierung sind für das
Publikum besonders wichtig. Die meisten Konzertbesucher legen Wert darauf, dass die
Musik Unterhaltung ist.
Der andere Aspekt ist die ästhetische Musik. Ich denke, dass Musiker Musik als
87
Ästhetik begreifen. Für den Musiker ist es wichtig, dass er die höchst mögliche Qualität
der Musik pränsentiert und auf seine neue eigene Art sein Charakteristikum und seine
Musikwelt zeigt. Die meisten Musiker legen Wert darauf, dass Ästhetik in der Musik ist.
Mit diesen Überlegungen habe ich ein Konzert veranstaltet. Damit wollte ich versuchen,
das Konzert im Hinblick auf diese beiden Aspekte der europäischen und der japanischen
traditionellen Musik zu organisieren.
4.1. Das Konzert am 19. April 2014
Titel:
Andreas Woyke Klavier Konzert
Pianist:
Andreas Woyke
Datum:
Samstag, 19. April 2014, ab 14:30
Ort:
Hikarigaoka Museum
Eintritt:
3.500 yen
Programm:
1. Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Präludium und Fuge BWV 846 C-Dur WTC I
2. Ludwig van Beethoven (1770-1827)
Klaviersonate Nr.7 D-Dur op.10,3
1.Presto 2.Lento e mesto 3.Menuetto, Allegro 4.Rondo, Allegro
3. Franz Liszt (1811-1886)
Dante Sonate
Pause
4. Johannes Brahms (1833-1897)
Vier Klavierstücke Op.119
5. Sergei Rachmaninow(1873-1943)
Drei Preludes op.23 Nr.5 g-Moll, Nr.6 Es-Dur, Nr.7 c-Moll
6. Alberto Ginastera (1916-1983)
Danzas Argentinas
Zugabe. Die Improvisation des japanischen traditionellen Liedes „Kirschblüte“
88
Abb.53
Das Plakat
4.2. Der Pianist Andreas Woyke
4.2.1. Das Profil von Pianist Andreas Woyke
Andreas Woyke
Abb.54
Andreas Woyke wurde in Siegen/Deutschland geboren.
Er absolvierte sein Klavierstudium an der Hochschule für Musik und Tanz Köln bei dem
ukrainischen Pianisten Pavel Gililov und an der Universität für Musik und darstellende
Kunst Wien bei dem russischen Pianisten Rudolf Kehrer.
Während dieser Zeit erhielt er etliche internationale Preise wie zum Beispiel den 1.
Preis beim Brahms-Wettbewerb in Hamburg, den 1. Preis beim Internationalen Bremer
Abb.53
Abb.54
Plakat : Chiba, Yuko
Foto : Kipper, Christine (Juni 2012)
89
Klavierwettbewerb, den 1. Preis beim Wettbewerb „Musik des 20. Jahrhunderts“ in
Wien, den 1. Preis beim Ludmila Knezkova-Hussey Competition in Kanada und den 2.
Preis mit Recital Preis beim UNISA Transnet Piano Competition in Pretoria, Südafrika.
Er konzertiert auf der ganzen Welt. Einige wichtige Konzerthäuser, in denen er zu hören
ist, sind: Musikverein und Konzerthaus Wien, Philharmonie im Gasteig München,
Philharmonie Köln, Tonhalle Düsseldorf, Beethovenhaus Bonn sowie Sala Sao Paulo.
Seit 2003 arbeitet er mit dem Cellisten Friedrich Kleinhapl zusammen. Das Duo
konzertiert ebenfalls auf der ganzen Welt und veröffentlichte eine Reihe von CDs bei
Ars-Produktion, die mit wichtigen Preisen honoriert wurden.
Auf seiner Solo-CD „Braiding Bach“ (Ars, 2008) kombiniert er, der nicht nur
klassischer Pianist sondern auch Komponist und Jazzer ist, Klavierwerke von Johann
Sebastian Bach mit seinen eigenen Kompositionen.
Er
unterrichtet
Klavier
und
Klavierkammermusik
an
der
Kunstuniversität
Graz/Österreich.
4.2.2. Warum habe ich den Pianisten Andreas Woyke ausgewählt?
Weil dieses Konzert ein „Klavier Solo-Konzert“ war, spielte er nur sein Repertoire an
Solo-Musikstücken für Klavier bei diesem Konzert. Darüber hinaus umfasst Woykes
Repertoire viele Genres wie Klavier-Solo, Klavierkonzert mit Orchester und Duo
Violoncello & Klavier. Sein Repertoire ist stilistisch vielseitig und er kann seine
Programme spontan für ein bestimmtes Publikum arrangieren. Somit kann er sowohl
Klassikliebhabern als auch Leuten, die normalerweise keine klassische Musik hören,
eine genussvolle Zeit schenken. Deswegen habe ich gedacht, dass der Pianist Andreas
Woyke die beiden Aspekte der Musik vereinen kann.
90
4.2.2.1. Woykes Solo-Programm
Andreas Woykes Klavier-Solorepertoire reicht von allen Epochen der klassischen Musik
(Barock, Klassik, Romantik, Moderne) bis hin zu Jazz, Rock, Funk, Soul, eigenen
Kompositionen und freier Improvisation. In Solokonzerten verbindet er diese Stile
miteinander – er stellt klassischen Kompositionen eigene Kompositionen, Jazz und
Improvisation gegenüber bzw. lässt sie auseinander entstehen, wodurch seine Konzerte
eine unverwechselbare Dramaturgie erhalten und somit im Konzertleben einzigartig
sind. Er schafft hiermit eine neue Kunstform des Klavier-Solokonzerts. In Europa,
Asien und Amerika hat er mit diesen Programmen großen Erfolg. Ein Beispiel ist seine
beim Label ARS-Produktion erschienene Solo-CD „Braiding Bach“, wo er abwechselnd
Bach und eigene Kompositionen spielt. Ein weiteres Beispiel ist sein Projekt „Die vier
Elemente“, wo er jedem der vier Klavierstücke op. 119 von Johannes Brahms eine
eigene, improvisierte Einleitung mit dem Thema jeweils eines der vier Elemente
voranstellt.
4.2.2.2. Repertoire von Werke als Solist für Klavier und Orchester
Woyke hat reiche, weltweite Erfahrungen als Solist mit vielen Orchestern und ein
umfassendes Repertoire.
Andreas Woyke spielte im Oktober 2014 die ‘Rhapsody in Blue’ von George Gershwin
mit ‘The Japan Ground Self-Defense Force Northeastern Army Band’. Einen Monat
später gastierte er zusammen mit der Bachiana Filarmonica unter der Leitung des
brasilianischen Weltstars Joao Carlos Martins in der Sala Sao Paulo, Brasilien mit dem
4. Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven. Beide Aufführungen ernteten
fulminanten Erfolg beim Publikum. Darüber hinaus hat er des Öfteren unter der Leitung
des berühmten japanischen Dirigenten Kazushi Ono in Europa konzertiert – u. a. mit
Klavierkonzerten von Bela Bartok (Nr. 1 und 2) und Samuel Barber.
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4.2.2.3. Duo-Programm Violoncello & Klavier
Das Duo Friedrich Kleinhapl, Violoncello und Andreas Woyke, Klavier, existiert seit
2003. Auch als Duo konzertieren sie auf der ganzen Welt – von Europa über Nord- und
Südamerika bis hin nach Afrika, Asien und im arabischen Raum. 2010 debütierte das
Duo mit fulminantem Erfolg in der New York Townhall. Im Oktober 2014 fanden ihre
Konzerte in Tokio, Kanagawa, Miyagi und Iwate statt und wurden auch dort vom
Publikum mit Standing Ovations honoriert.
Beim Label ARS-Produktion sind zahlreiche CD-Aufnahmen des Duos erschienen –
zuletzt im Oktober 2014 das Album „Pasión Tango“ mit Arrangements von
Tango-Kompositionen von Astor Piazzolla, Carlos Gardel und José Bragato. Andreas
Woykes Improvisationskunst und seine Beschäftigung mit Tango und Jazz haben diese
Arrangements entscheidend geprägt. Alle ihre CD-Produktionen wurden mit
bedeutenden internationalen Preisen ausgezeichnet, wie z. B. dem ORF-Pasticcio-Preis,
dem Supersonic Award oder dem Excellentia Award. Klassische Musik wie
Sonaten-Literatur von Beethoven über Schubert, Brahms, Franck, Rachmaninov bis hin
zu Schostakowitsch und Schnittke sind ebenso fester Bestandteil ihres Repertoires wie
bekannte Einzelstücke, die die breite Masse des Publikums kennt, wie z. B. Saint-Saens
(Der Schwan), Kreisler (Liebesfreud) und das Repertoire argentinischer Tangos.
4.3. Das Programm für die Tournee in Japan
Woyke und ich wählten das Programm für die Tournee in Japan unter folgenden
Gesichtspunkten aus:
1. Das Programm zeigt die charakteristischen musikalischen Eigenschaften des
Pianisten Andreas Woyke.
2. Das Programm besteht aus charakterlich vielfältigen Stücken. Das Programm bestand
aus Stücken des Barock, der Klassik, der Romantik, der Moderne und freier
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Improvisation.
3. Klassikliebhaber können es genießen. Wir wählten Werke des klassischen
Standard-Repertoires, das Klassikliebhaber genießen können.
4. Leute, die normalerweise keine klassische Musik hören, können es ebenso genießen.
Wir wählten Stücke, die höchstens zehn Minuten dauern und charakterlich vielfältig
sind, um die Konzentrationsfähigkeit des weniger fachkundigen Publikums zu halten.
5. Wir möchten das Publikum überraschen. Als Zugabe wählten wir das sehr bekannte
japanische traditionelle Lied „Kirschblüte.“ Woyke improvisierte dieses Lied in seinem
persönlichen Stil. Er zeigte dem Publikum eine neue Form, die japanische Musik,
europäische Musik und eigene Sinnlichkeit kombiniert.
4.4. Der Konzertsaal
Ich wählte das HIKARIGAOKA-Museum in Tokyo als Aufführungsort. Dieses
Museum ist ein japanisches traditionelles Gebäude und vorwiegend aus Holz. Wenn ein
Japaner in das Museum eintritt, spürt er Ruhe. Ich ließ die Beleuchtung sparsam, der
Raum war weitgehend dunkel. Dadurch entstand eine beruhigende Atmosphäre und das
Publikum konnte sich ganz auf die Musik konzentrieren und sie genießen, was meine
Absicht war.
Japaner können klassische Musik sehr selten in solch japanisch-traditionellen
Holzgebäuden genießen. Die meisten Konzerte finden in modernen Konzerthallen statt,
wo der Abstand des Künstlers zum Publikum sehr groß ist. In diesem Raum war der
Abstand zwischen Woyke und dem Publikum gering und das Erlebnis daher viel
unmittelbarer.
Abb.55
Andreas Woyke und das Konzertsaal
Abb.55
Foto: Chiba, Yuko (April 2014).
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4.5. Die Reaktion des Publikums
Wir konnten die Begeisterung sowohl bei Klassik-Liebhabern als auch bei Leuten, die
normalerweise keine klassische Musik hören, sehen. Die Konzertbesucher gaben uns
nach dem Konzert folgende schriftliche und mündliche Rückmeldungen.
・„Weil ich normalerweise keine klassische Musik höre, habe ich keine Kenntnisse über sie. Trotzdem
konnte ich die Musik genießen und sie war sehr spannend. Ich möchte so etwas wieder hören!“
Konzertbesucherin, 70 Jahre
・„Wenn ich früher ein Konzert besucht habe, habe ich meist geschlafen. Aber heute konnte ich es
genießen und bis zum Ende vom Konzert zuhören.“
Konzertbesucherin, 40 Jahre
・„Weil ich normalerweise keine klassische Musik höre, hatte ich vor, nach dem ersten Teil nach
Hause zu gehen. Weil die Musik so wunderbar war, bin ich bis zum Ende geblieben.“
Konzertbesucher, 70 Jahre
・„Ich habe dieses Stück (Klaviersonate Nr. 7 D-Dur op. 10,3 von Ludwig van Beethoven) oftmals
gehört. Aber heute ist mir zum ersten Mal bewusst geworden, wie schön dieses Stück ist.“
Klavierlehrerin, 50 Jahre
・„Wenn mehr Japaner eine Aufführung von Woyke hören könnten, könnten wir dadurch unsere
japanische Musikwelt ändern.“
Studentin an der Musikuniversität, 20 Jahre
4.6. Zusammenfassung
Dieses Konzert war sehr erfolgreich. Die Stimmung steigerte sich im Verlauf des
Konzerts und das Publikum hat die Musik sehr genossen – es gab „standing ovations“.
Nach dem Konzert bekam ich etliche Rückmeldungen aus dem Publikum. Diese
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Rückmeldungen fielen sehr unterschiedlich aus – jede(r) hatte ein anderes Stück als
Favoriten. Das Publikum war begeistert von der Sinnlichkeit der Darbietung und der
Musikwelt, die Woyke präsentierte. Sowohl Klassikliebhaber als auch Leute, die
normalerweise keine klassische Musik hören, genossen dieses Konzert sehr.
Woyke kam im Oktober 2014 erneut für Konzerte nach Japan. Viele Leute, die ihn
bereits im April 2014 gehört hatten, kamen zu diesen Konzerten wieder und brachten
ihrerseits wieder neues Publikum mit. So kann ich langfristig in Japan ein
Stammpublikum mit Zuhörern aufbauen.
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Nachwort
In Europa gibt es eine eigene Musik. Und auch in Japan gibt es eine eigene Musik. Und
jede Musik hat ihr eigenes Charakteristikum. Aber weil ich die europäische Musik und
die
japanische
traditionelle
Musik
miteinander
verglichen
habe,
habe
ich
herausgefunden, dass die Musik für Europäer und für Japaner gleich ist.
Ich habe auch herausgefunden, dass es zwei verschiedene Aspekte der Musik gibt. Ein
Aspekt ist die Musik als Unterhaltung. Der andere Aspekt ist die ästhetische Musik. Das
Publikum in Europa und auch in Japan hört sehr gerne Musik, die ein großes Element
der Unterhaltung hat. Der Musiker legt Wert auf die Ästhetik in der Musik. Der Musiker
studiert die Musik intensiv und versucht, die höchstmögliche Qualität hervorzubringen.
Außerdem will der Musiker Musik immer neu interpretieren und damit seine eigene
Ausdrucksartzeigen.
Heißt das, dass es nicht wichtig ist, was europäische Musik und japanische Musik
unterscheidet? Ich habe herausgefunden, dass die Musik für Musiker und für das
Publikum etwas anderes bedeutet.
Über das antike Publikum der griechischen Tragödie gibt es kaum Aufzeichnungen.
Deswegen weiss ich nicht, ob das Publikum die griechische Tragödie genießen konnte.
In NÔ wird die Tiefe der japanischen Seele gezeigt. NÔ ist eine ästhetische Kunst. NÔ
macht schläfrig, sagt das Publikum. Das heißt, viele Menschen finden NÔ langweilig.
Als der Oper und dem KABUKI das große Element der Unterhaltung hinzugegefügt
wurde, waren sie erfolgreich.
Ich habe ein Konzert veranstaltet, in dem der Musiker Unterhaltung mit Ästhetik
kombinierte. Das Konzert war ein Erfolg. Der Musiker konnte seine eigene Musik und
Musikwelt zeigen. Das. Publikum zeigte Begeisterung und Freude über seine Musik.
Ein Teil des Publikums stand während des Konzerts, weil es den Musiker sehen und gut
hören wollte. Es ist nicht üblich, dass das Publikum während der Aufführung steht. Aber
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ich konnte verstehen, dass das Publikum aufgeregt war. Und die Aufführung des
Musikers, den die unmittelbare Reaktion des Publikums motivierte, wurde noch
wunderbarer. Bei diesem Konzert konnten Musiker und Publikum eine schöne Zeit
teilen. Die meisten ausländischen Musiker sagen, dass sie nicht wissen, ob das
japanische Publikum ihre Konzerte genießen konnte. Aber Woyke sagte mir, dass er
fühlen konnte, dass das Publikum sein Konzert genießen konnte.
Durch das Konzert erkannte ich, dass die Musik als Unterhaltung und die Musik als
Ästhetik in einem Konzert koexistieren können. Ich denke, dass beides – Unterhaltung
und Ästhetik – wichtig ist. Wenn eine Inszenierung interessant, aber die Musik
„unverständlich“ ist, kann das Publikum eine Aufführung nicht genießen. Und auch
wenn ein Musiker wunderbare Musik spielt, kann das Publikum die unverständliche
Musik nicht genießen. So denke ich, dass die Balance zwischen der Musik als
Unterhaltung und der Musik als Ästhetik wichtig ist.
Die japanische traditionelle Kunst – NÔ, KYÔGEN, KABUKI – stammt ursprünglich
aus dem Ausland. Aber diese Kunst entwickelte sich in Japan weiter. Nach der
Überlieferung der europäischen Musik wurde diese mit der japanischen Musik gemischt
und entwickelte sich weiter. Lieder, die die Japaner seit ihrer Kindheit singen, sind
Musik, die das Element der japanischen und der europäischen Musik vereint. Die
japanische traditionelle Musik wurde im Ausland hoch geschätzt. Natürlich hören und
genießen viele Japaner die europäische Musik. Musik gibt es auf der ganzen Welt. Die
Musik ist eine Art der internationalen Kommunikation und gemeinsame Sprache des
Menschen. Wenn man im Ausland die Musik des Heimatlandes spielt, kann man seine
Identität ausdrücken. Durch das „Vermischen“ von Musik können Leute kommunizieren.
Bei seinem Konzert improvisierte Woyke das bekannte japanische traditionelle Lied
„Kirschblüte“. Dadurch „vermischte“ er die europäische Musik mit der japanischen
traditionellen Musik. Das Publikum freute sich sehr darüber. Ich bemerkte, dass die
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Musik die schöne Rolle des Kulturaustauschs spielte.
In Zukunft will ich dazu beitragen, dass in Japan die klassische Musik sowohl
Unterhaltung als auch Ästhetik vermittelt und die Rolle des Kulturaustauschs spielt.
Damit will ich erreichen, dass viele Leute die klassische Musik genießen können.
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