Lübecker Altstadtzeitung Aktuelle Informationen zur Sanierung in der Altstadt AUSGABE 53 / JUNI 2016 Erbauliches Fundamente fürs Gründungsviertel Im Projektbüro in der Fischstraße kommen die verschiedenen Akteure zusammen muss bis dahin einiges besprochen werden. Sie wurden zusammen mit ihren ArchitektInnen zu Kennlerntreffen eingeladen. Weber erläutert: „Alle sollen ja möglichst zur gleichen Zeit bauen. Da müssen die Baustellenabläufe gut koordiniert werden. Vielleicht können auch bestimmte Arbeiten zusammen vergeben werden.“ Liebe Leserin, lieber Leser, die städtebauliche Entwicklung der Lübecker Altstadt ist in einer sehr spannenden Phase. Im Gründungsviertel sind die Vorarbeiten für die Neubebauung in vollem Gange. Die Projektverantwortlichen aus der Lübecker Bauverwaltung haben in der Fischstraße ein neues Büro bezogen. Es dient als Anlaufpunkt für alle, die sich für freie Baugrundstücke interessieren oder Unterstützung bei der Planung für ein schon zugesagtes Grundstück brauchen. Kommen Sie gern vorbei! Sie finden vor Ort kompetente AnsprechpartnerInnen, die Ihnen gern zur Seite stehen. Gerade beim Gründungsviertel ist es wichtig, über den Tellerrand zu schauen. Ich freue mich, dass wir mit Frau Professor Kahlfeldt eine Expertin im Gestaltungsbeirat haben, die auch bei vergleichbaren Projekten beratend tätig ist. Mehr dazu erfahren Sie im Interview dieser Ausgabe. In der südöstlichen Altstadt werden gerade die Weichen für die Stadtsanierung der nächsten Jahre gelegt. Hier hat die Vorbereitende Untersuchung für das Städtebauförderungsprogramm „Städtebaulicher Denkmalschutz“ begonnen. Öffentlicher Auftakt war die erste Informationsveranstaltung am 21. Mai im Rathaus. Ich freue mich, dass so viele LübeckerInnen sich mit ihren Ideen und ihrer Ortskenntnis eingebracht haben. Über die Ergebnisse der Voruntersuchung und das daraus resultierende Integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept werden wir Sie auch mit Hilfe der Altstadtzeitung kontinuierlich informieren. Zentrale Baustellenkoordination Im Mai versenkte eine riesige Bohrmaschine die Stahlträger zum Abstützen der Baugrube im Boden Die Resonanz auf die erste Ausschreibungsphase für Baugrundstücke im Gründungsviertel war groß. Entsprechend turbulent geht es jetzt im städtischen Projektbüro in der Fischstraße zu. Das Projektteam der Bauverwaltung, bestehend aus Annette BartelsFließ, Iris Dilba und Wolfgang Weber, bringt direkt neben der Baustelle die ErwerberInnen der verschiedenen Grundstücke zusammen. Angesichts der Vielzahl der Akteure ist eine zentrale Koordination wichtig. An der Wand des Büros hängt ein Plan des Gründungsviertels mit vielen Pinnadeln. „Die Nadeln zeigen uns, welche Bauplätze schon vergeben sind und wie viele BewerberInnen es in der ersten Vermarktungsrunde bis Mitte Februar gab“, erläutert Projektleiterin Bartels- Bauspielhaft Fließ. Besonders für die Alfstraße war das Interesse groß, sowohl bei Grundstücken, die an InvestorInnen gingen, als auch bei denen, die für Baugemeinschaften reserviert waren. Auf ersteren werden später hauptsächlich Mietwohnungen gebaut, auf letzteren verwirklichen sich Privatleute gemeinsam den Traum von den eigenen vier Wänden. Sonnige Freiflächen „In der Alfstraße sind die Gärten zur sonnigen Südseite angeordnet. Das macht die Grundstücke besonders attraktiv“, weiß Bartels-Fließ. In der Braunstraße liegen die Freiflächen nach Norden, entsprechend war der Andrang hier nicht ganz so groß. Je ein Grundstück für ein Einfamilienhaus und für ein Mehrfami- lienhaus konnten in der ersten Runde nicht vergeben werden. Hier sind Bewerbungen jetzt jederzeit willkommen. Die ausgewählten BewerberInnen haben die Grundstücke zunächst nur reserviert. Der Kaufvertrag wird erst unterzeichnet, wenn die Architekturentwürfe mit dem Qualitätsteam der Bauverwaltung abgestimmt und vom Gestaltungsbeirat freigegeben sind. So soll die Qualität der Gestaltung sichergestellt werden. Bartels-Fließ: „Das wird ein intensiver Beratungsprozess mit vielen Runden hier im Projektbüro.“ Bis zum Spätsommer sollen die ersten Entwürfe fertig und die Bauanträge gestellt sein. Mit dem Baubeginn wird jetzt für Frühjahr 2017 gerechnet. Auch zwischen den verschiedenen BauherrInnen Die übergeordnete Baustellenkoordination wurde zentral von der Hansestadt an das Ingenieurbüro Heske Hochgürtel Lohse aus Lübeck vergeben. Auch bei der Erschließung der Baustellen müssen sich die BauherrInnen an die Vorgaben halten. Es wird rückwärtige Baustraßen für die Anlieferung von Baumaterialien und -maschinen geben. Ende April rückte bereits eine riesige Bohrmaschine aus Süddeutschland an, um die Stahlträger zum Abstützen der Baugrube im Boden zu versenken. Auch das Gießen der Fundamente und Verlegen der Versorgungsleitungen erfolgt im Auftrag der Stadt. Wer jetzt noch auf den Geschmack kommt und ein Grundstück kaufen will, kann sich bei der zweiten Vermarktungsrunde für die Fischstraße und die Gerade Querstraße bewerben. Wieder werden Bauplätze für Einfamilienhäuser und für Baugemeinschaften nach Festpreis vergeben. „Die Vergabe nach inhaltlichen Kriterien hat sich bewährt. Wir bekommen dadurch eine gute Mischung im neuen Quartier“, meint Dilba. Im Projektbüro in der Fischstraße 2–6 können sich InteressentInnen beraten lassen. Termine gibt es telefonisch unter (0451) 122 61 60. Aber auch LübeckerInnen, die einfach nur das Modell der künftigen Bebauung anschauen wollen, können gern vorbeikommen. Aktuelle Infos gibt es auch im Internet: www.gruendungsviertel.de. Sind Ansprechpartnerinnen für BauherrInnen im Gründungsviertel: Iris Dilba (links) und Anette Bartels-Fließ Mehr Licht für die Nachbarschaft Anbau in der Großen Gröpelgrube 5 um ein Stockwerk reduziert Klein und kuschelig: Das Einfamilienhaus in der Großen Gröpelgrube 5 eignet sich hervorragend für einen 2-Personen-Haushalt. Auf einer Grundfläche von rund 40 Qua- Ihr Franz-Peter Boden, Bausenator Der neue Balkon ist zu einem gemütlichen Platz geworden dratmetern gibt es künftig eine Wohnküche im Erdgeschoss, Wohnzimmer und Bad im 1. Obergeschoss sowie ein Schlafzimmer unter dem Dach. Dazu kommt ein Mini-Anbau von 8 Quadratmetern, der im Zuge der Sanierung um ein Stockwerk reduziert wurde. Eigentümer Hartmut Beewen hatte dafür einer Ordnungsmaßnahme zugestimmt, die seinen MieterInnen zwar weniger Nutzfläche, aber ihnen und der Nachbarschaft mehr Wohnqualität bringt. Der kleine Anbau beherbergt im Erdgeschoss einen Hauswirtschafts- und einen Abstellraum. Schon im 1. Stock gelangt man jetzt vom Wohnzimmer aus direkt auf einen kleinen Balkon. Er bietet Platz für einen Tisch und vielleicht vier Stühle. Eine historische Fensteröffnung wurde hier wieder geöffnet, so dass auch der Innenraum heller geworden ist. Das Satteldach direkt darüber schließt jetzt wieder bündig mit dem des Nachbarhauses ab. Wo vorher im Dach eine Balkontür war, ist jetzt nur noch eine kleine Gaube. Auf kleiner Fläche viel bewirkt Die BewohnerInnen der beiden angrenzenden Häuser profitieren am meisten von der Ordnungsmaßnahme. Ihre ebenfalls sehr kleinen Freiflächen bekommen deutlich mehr Licht. Durch ein nur zwei Meter entferntes Fenster blickte man vorher direkt auf die Wand des Anbaus. „Angesichts der sehr beengten Gebäudesituation, konnten wir mit dem aus dem Treuhandvermögen der Altstadtsanierung finanzierten Rückbau ganz viel bewirken“, erklärt Ulrike Steinfatt von der städtischen Sanierungsträgerin, der Grundstücks-Gesellschaft TRAVE. Was über die Ordnungsmaßnahme abgerechnet wird und was private Sanierung ist, wird dabei genau auseinandergehalten. Der Teilabbruch des Anbaus und die neue Abdichtung der Balkonfläche gehörten zur Ordnungsmaßnahme. Die neue Dacheindeckung des Satteldaches mit roten Tonpfannen war Privatsache. Die erforderlichen Anschlüsse für den Rückbau der Gaube wurden hingegen aus Städtebauförderungsmitteln finanziert. Lübecker Altstadtzeitung AUSGABE 53 / JUNI 2016 Bauen mit dem Bestand Nachgefragt Interview mit Prof. Petra Kahlfeldt, Mitglied des Lübecker Gestaltungsbeirats Pläne eines historischen Gebäudes anschaue, hat das eine Konkretisierung, die es beim Neubau noch nicht gibt. Bei einer Neubebauung wie im Lübecker Gründungsviertel muss man selbst viel mehr Input geben und über die Gestaltung nachdenken. Das überfordert vielleicht viele Menschen. Aber auch bei den Rekonstruktionen in Frankfurt handelt es sich letztlich um Neubauten, die als solche zu erkennen sind. Die Bautechnik berücksichtigt alle Erkenntnissen und Normen, die wir heute haben. Das sehen Sie an den Türen und Fenstern, an der Haustechnik, den Lichtschaltern und Rauchmeldern. Auf der Suche nach Potenzialen BIG-Städtebau GmbH untersucht voraussichtliches Sanierungsgebiet nehmen Wandzik und ihre KollegInnen in Augenschein – zunächst von außen. Der Zustand von Fassaden, Fenstern und Dach wird erfasst und fotografiert. Um die Nutzung und den inneren baulichen Zustand der Gebäude zu erfassen, haben die rund 1.000 GrundeigentümerInnen inzwischen einen Fragebogen erhalten. Darin sollen sie unter anderem Auskunft geben über Anzahl und Größe der Wohneinheiten, etwaige Gewerbenutzungen, den energetischen Zustand und die Art der Heizung. rissen werden müssen.“ Zumal schon jetzt klar ist, dass im Bereich Wahmstraße/Krähenstraße Handlungsbedarf besteht. „Hier haben wir einen ungeordneten öffentlichen Raum, der von Autos dominiert wird und wenig Aufenthaltsqualität bietet“, so Wandzik. Hier wird dringend eine Umgestaltung in punkto Straßenbelag, Beleuchtung und Möblierung gebraucht. Es gilt aber auch, Lösungen für die Verkehrsführung zu finden, die Autos, RadfahrerInnen und FußgängerInnen gleichermaßen gerecht wird. Öffentliche Infoveranstaltung Die Öffentlichkeit war am 21. Mai zu einer ersten Info-Veranstaltung ins Rathaus geladen. Die BIG-Städtebau GmbH in- Gespräche vor Ort Hansestadt Lübeck Bereich Stadtplanung und Bauordnung, Abteilung Altstadt/Stadtteilplanung Mühlendamm 12, 23539 Lübeck Birgit Maaß Tel. (0451) 122 – 61 24 [email protected] Sanierungsträgerin der Hansestadt Lübeck Grundstücks-Gesellschaft TRAVE mbH Falkenstraße 11, 23564 Lübeck Frank Kähler Tel. (0451) 799 66 – 308 [email protected] www.trave.de Impressum: Die „Lübecker Altstadtzeitung“ erscheint vierteljährlich als ­Sonderseiten in der „Lübecker Stadtzeitung“. Herausgeberin: Hansestadt Lübeck, Bereich Stadtplanung und Bauordnung, Abteilung Altstadt/Stadtteilplanung, Mühlendamm 12, 23552 Lübeck. (Leserzuschriften bitte an diese Adresse) Redaktion: Birgit Maaß, Hansestadt Lübeck (V.i.S.d.P.), Christian Rubinstein, bfö Büro für Öffentlichkeitsarbeit e.K., www.bfoe-hh.de Layout: bfö; Fotos: bfö, Hartmut Beewen, BIG-Städtebau GmbH, privat Die Lübecker Altstadtzeitung wird gefördert im Rahmen des Städtebauförderungsprogramms „Sanierung und Entwicklung“. W E LT E R B E E • LD HER IT Bestandsaufnahme vor Ort: In der Krähenstraße bietet der öffentliche Raum derzeit wenig Aufenthaltsqualität Wenn Sie weitere Informationen zur Sanierung der Lübecker Altstadt wünschen, sind Sie hier an der richtigen Adresse: OR Im Mai begannen zusätzlich Gespräche mit SchlüsselakteurInnen. Dazu gehören unter anderen die Interessengemeinschaften aus der Hüx-, Fleischhauer- und Mühlenstraße, die Bürgerinitiative Rettet Lübeck sowie die Kirchengemeinden im Untersuchungsgebiet. Auch die örtlichen Versorgungsunternehmen werden befragt, zum Beispiel ob in den nächsten Jahren Instandsetzungen des Leitungsnetzes anliegen. Wandzik erläutert: „Schließlich sollen alle an einem Strang ziehen und frisch sanierte Straßen nicht gleich wieder aufge- formierte dabei zusammen mit VertreterInnen des Bereiches Stadtplanung und Bauordnung über den Ablauf der Vorbereitenden Untersuchung. Bei einem Stationenrundgang wurde auch die Expertise der TeilnehmerInnen genutzt. Dabei konnten sie städtebauliche Mängel, aber auch Potenziale im Untersuchungsgebiet benennen. „Noch wichtiger war uns aber, zu sehen, welche Handlungsbedarfe für die Menschen vor Ort Priorität haben“, erklärt Wandzik. Ein Punkt, den die rund 100 TeilnehmerInnen intensiv diskutierten, war die Verkehrssituation – hier besonders das Problem mit vielen Falschparkern. Die GrundeigentümerInnen wollten darüber hinaus wissen, welche Auswirkungen ein Sanierungsvermerk auf ihre Rechte und Pflichten bezüglich des Grundstücks hat. Eine weitere öffentliche Veranstaltung wird Ende September folgen. Dann sollen die Ergebnisse der Bestandsaufnahme und die daraus abgeleiteten Entwicklungsziele vorgestellt werden. „Wir freuen uns immer, wenn interessierte BürgerInnen uns mit Infos und Einschätzungen aus erster Hand versorgen“, bedankt sich Wandzik. Gewusst wo W Seit Anfang des Jahres nimmt die BIG-Städtebau GmbH im Auftrag der Hansestadt Lübeck das Gebiet der südöstlichen Altstadt unter die Lupe. Bei der Vorbereitenden Untersuchung im Rahmen des Förderprogramms „Städtebaulicher Denkmalschutz“ geht es zunächst um eine Bestandsaufnahme. Potenziale und Missstände sollen mit Hilfe der BewohnerInnen, Gewerbetreibenden und GrundeigentümerInnen vor Ort herausgearbeitet werden. Die Analyse mündet in ein Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept, das die Grundlage für weitere Entscheidungen ist. „Wir schauen uns zunächst die Situation vor Ort an“, erklärt Carolin Wandzik von der BIG-Städtebau. Mit ihren KollegInnen war sie in den letzten Monaten mit Kamera und Laptop unterwegs und erkundete das Gebiet zwischen Rathaus und der Straße An der Mauer, zwischen Hunde- und Mühlenstraße. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt im öffentlichen Raum: Wie ist die Verkehrssituation? Wie sind die Straßen gestaltet? Wie gut ist die Aufenthaltsqualität? Aber auch den Gebäudebestand Große Altefähre 7 Freitag, 1. Juli 2016 14 bis 17 Uhr Das Gebäude wird von der städtischen Sanierungsträgerin, der Grundstücks-Gesellschaft TRAVE, saniert. Es entstehen vier Eigentumswohnungen. Alle, die sich für die Altstadtsanierung interessieren, sind herzlich zu einem Besuch auf der Baustelle eingeladen! E M AL ONDI maßstäblicheren Nutzung zurückzukommen. In Frankfurt setzt man auf die detailgetreue Rekonstruktion von historischen Ankergebäuden, die herausragenden architektonischen Wert hatten und gut dokumentiert sind. Sie werden als identitätsstiftende Referenzgebäude in die Neubebauung implantiert. Zunächst ging es da um fünf Gebäude. Der Anteil der Rekonstruktion hat sich dann im Laufe des Prozesses erhöht. Das hat uns im Frankfurter Gestaltungsbeirat schon nervös gemacht. Wir wussten nicht, ist das jetzt mangelnder Mut? Wenn ich mir Zeichnungen, Bilder und Tag der offenen Tür A Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur G IN großmaßstäbliche Veränderungen stattgefunden. In Frankfurt hat man im Herzen der Stadt ein großes Technisches Rathaus gebaut, im Lübecker Gründungsviertel waren es die Schulgebäude. Die BürgerInnen Frankfurts sind nie über diese Veränderung ihrer Stadt hinweg gekommen. Eigentlich wünschen wir uns ja, dass unsere Stadt sich erneuert wie ein Körper: Zelle für Zelle, ohne die Permanenz der Straßenverläufe und Parzellen zu verändern. Dieser natürliche Prozess ist durch den Krieg gestört worden. Ich freue mich, dass man sich jetzt in beiden Städten getraut hat, hier zu einer klein- wieder günstiger wird. In den letzten 15 Jahren gab es da eine Entwicklung, bei der man sich fragen muss, ob Nutzen und Aufwand noch in einem gerechtfertigten Verhältnis stehen. Wenn es darum geht, schnellen günstigen Wohnraum für Menschen, die nicht so viel Geld haben, zu schaffen, müssen wir die Standards zurückschrauben. • Geplant Prof. Petra Kahlfeldt plädiert dafür, Orte in ihrer zeitlichen und baulichen Schichtung zu erfassen Wenn man ein Gebäude oder Quartier mit Blick auf die NutzerInnen plant, gibt es da eine besondere Sichtweise von Frauen im Architekturbetrieb? Ich glaube nicht, dass es große Unterschiede in der Arbeitsweise gibt. Das sind Nuancen, weil Frauen sich durch ihre Sozialisierung vielleicht eher in Nutzungsabläufe einbringen können. Manche Bauherrinnen möchten lieber mit Architektinnen zusammenarbeiten, weil sie glauben, dass wir sie besser verstehen. Man teilt eine Lebensform, muss vielleicht nicht so viel erklären. Ich finde es erstaunlich, wie wenig Architektinnen es im Alltagsbewusstsein gibt. Zehn männliche Architekten aufzuzählen, fällt eher leicht. Bei Architektinnen kämen viele nach der dritten oder vierten ins Stottern. In Deutschland gibt es derzeit einen großen Bedarf, Wohnraum für Flüchtlinge zu schaffen. Verändert das die Planung oder Architektur in Städten und Gemeinden? Ich glaube nicht, dass das die Architektur verändert. Wir haben unabhängig von den aktuellen Bedarfen das Problem, dass unser Bauen zu teuer ist. Zum Wohle der BewohnerInnen stellen wir wahnsinnige Anforderungen an die Bauteile, was die Wärmedämmung, den Brand- und den Schallschutz betrifft. Ich glaube, das sollte man auf den Prüfstand stellen, damit Wohnungsbau • Frau Prof. Kahlfeldt, Sie sind als Hochschulprofessorin für „Bauen im Bestand“ tätig. Was ist die besondere Herausforderung, wenn man nicht auf der sprichwörtlichen „grünen Wiese“ baut? Ich sage gern „Bauen mit dem Bestand“. Das drückt für mich das Gegenteil von „Bauen gegen den Bestand“ aus. Auch bei Neubauten gibt es Bezüge, die wir als ArchitektInnen lesen müssen. Wie war die Bebauung vorher? Warum verlaufen die Grundstückgrenzen so, wie sie verlaufen? Unsere Disziplin, die Architektur, beschäftigt sich mit dem Miteinander von Räumen und Gebäuden. Wir müssen die Orte dabei aber auch in ihrer zeitlichen und baulichen Schichtung erfassen. Die historischen Lübecker Altstadthäuser zeigen, wie die Menschen im Mittelalter oder im 17., 18. Jahrhundert die Welt gesehen haben. Jede Zeit hat ihren Ausdruck, ihre Bauform, ihre Bauweise und Materialien. Diesen baulichen Ausdruck wie einen Text zu lesen und dann architektonisch darauf zu reagieren, ist spannend. Sie sind Mitglied im Gestaltungsbeirat der Stadt Frankfurt am Main und haben dort mit dem Projekt DomRömer die Rekonstruktion eines historischen Quartiers begleitet. Inwieweit ist das Projekt mit dem Lübecker Gründungsviertel vergleichbar? Sowohl in Lübeck als auch in Frankfurt haben nach den Zerstörungen des 2. Weltkriegs PATRI M O Hansestadt Lübeck Welterbe seit 1987