2018 Neuinszenierung ALCINA Oper in drei Akten von Georg Friedrich Händel Andreas Spering Dirigent Mit Layla Claire, David Hansen, Claudia Boyle, Benedetta Mazzucato, Alexey Neklyudov u. a. Premiere 16.2.18 GROSSES HAUS Weitere Vorstellungen 18., 21., 24. & 27.2.18 Wiederaufnahme SEMELE Musikdrama in drei Akten von Georg Friedrich Händel Floris Visser Regie Gideon Davey Ausstattung Christopher Moulds Dirigent Mit Anna Devin, Ed Lyon, Terry Wey, Katharine Tier u. a. WA-Premiere 23.2.18 GROSSES HAUS Weitere Vorstellungen 25. & 28.2.18 Konzerte mit Valer Sabadus, Franco Fagioli, Rebecca Bottone, Andreas Wolf, Rinaldo Alessandrini & vieles mehr! Der Vorverkauf läuft ab dem 7.2.17 für ABONNENTEN, Mitglieder der HÄNDELGESELLSCHAFT KARLSRUHE und Mitglieder der GESELLSCHAFT DER FREUNDE DES BADISCHEN STAATSTHEATERS. Am 17.2.17 startet der Vorverkauf für alle Besucher. WWW.STAATSTHEATER.KARLSRUHE.DE 40. INTERNATIONALE HÄNDEL-FESTSPIELE 2017 16.2. – 2.3. FESTSPIELKALENDER FR 17.2. ERÖFFNUNG DER 40. INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE 2017 18.00 MITTLERES FOYER SEMELE Musikalisches Drama in drei Akten von Georg Friedrich Händel 19.00 GROSSES HAUS PREMIERE SA 18.2. HÄNDEL MIT DONNA LEON 16.00 KLEINES HAUS THEODORA Oratorium von Georg Friedrich Händel 19.30 GROSSES HAUS SO 19.2. ÖKUMENISCHER FESTGOTTESDIENST 10.30 EV. STADTKIRCHE am Marktplatz SEMELE 19.00 GROSSES HAUS S. 22 S. 50 S. 52 S. 70 S. 22 MO 20.2. KAMMERKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN 20.00 KLEINES HAUS S. 74 MI 22.2. 3. SONDERKONZERT – FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN 19.00 GROSSES HAUS S. 82 DO 23.2. SEMELE 19.00 GROSSES HAUS S. 22 FR 24.2. ARMINIO Dramma per musica von Georg Friedrich Händel 19.00 GROSSES HAUS WIEDERAUFNAHME S. 92 SA 25.2. SEMELE 15.00 GROSSES HAUS S. 22 ABENDSTERNE 1 – IL POMO D’ORO – PATRIZIA CIOFI HÄNDEL – FRAUENLIEBE UND -LEBEN 20.00 CHRISTUSKIRCHE SO 26.2. PREISTRÄGERKONZERT DES HÄNDEL-JUGENDPREISES 11.00 KLEINES HAUS S. 120 S. 130 Zeitlose MEISTERWERKE. Klang und Design perfekt GEHÄNDELT. Freytag media.net GmbH Karlstraße 32 76133 Karlsruhe www.freytag.de Erleben Sie eine breite Auswahl an hochwertigen TV- und HiFiLösungen. Hervorragende Technik, modernes Design, aber vor allem ein ausgezeichnetes Klangbild – bei uns finden Sie alles für Ihre Bild- und Sound-Sensationen in den eigenen vier Wänden. Mo-Fr: 10:00 – 19:00 Uhr Sa: 10:00 – 16:00 Uhr SO 26.2. ARMINIO 15.00 GROSSES HAUS ABENDSTERNE 2 – MUSIK FÜR DIE ENGEL Kirchenkonzert 20.00 CHRISTUSKIRCHE S. 92 S. 134 MO 27.2. ABENDSTERNE 3 ANNA BONITATIBUS – HEROINEN DER ANTIKE Eröffnungskonzert der 32. INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE 19.30 CHRISTUSKIRCHE S. 146 DI 28.2. HÄNDEL AM MITTAG INTERNATIONALE HÄNDEL-AKADEMIE Künstlergespräch mit Max Emanuel Cencic 14.00 SCHLOSS GOTTESAUE Eintritt frei S. 170 SEMELE 19.00 GROSSES HAUS MI 1.3. ARMINIO 19.00 GROSSES HAUS DO 2.3. EINSPRÜCHE-WIDERWORTE HISTORISCHE AUFFÜHRUNGSPRAXIS IM GEGENLICHT DER KRITIK Symposium der 32. INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE 15.00 SCHLOSS GOTTESAUE Eintritt frei S. 172 PRIMADONNEN! Abschlusskonzert der 40. INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE 20.00 GROSSES HAUS FR 3.3. HÄNDELWERKSTATT DozentInnen und TeilnehmerInnen der INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE 20.00 STUDIO S. 170 SA 4.3. HÄNDEL AM MITTAG INTERNATIONALE HÄNDEL-AKADEMIE Künstlergespräch mit Deborah York 13.00 SCHLOSS GOTTESAUE Eintritt frei SO 5.3. ABSCHLUSSKONZERT DER 32. INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE 17.00 SCHLOSS GOTTESAUE S. 168 S. 22 S. 92 S. 156 S. 170 GRUSSWORTE Liebe Besucherinnen und Besucher, die Festspiele, deren Programm Sie gerade in Händen halten, sind die ersten überhaupt, für die ein eigenes internationales Spezialorchester gegründet wurde. Eines, das auf Barockinstrumenten oder deren Nachbauten musiziert – in historisch informierter Aufführungspraxis. Die Gründung der HÄNDEL-FESTSPIELE, vom Land Baden-Württemberg finanziell unterstützt, war damals ein mutiges Wagnis. Denn in den 1980er Jahren war Händel bei weitem nicht so populär wie heute. Seine Opern galten als verschrobenes Steckenpferd weniger Spezialistinnen und Spezialisten. Heute jedoch hat sich der Zeitgeist gründlich gewandelt – was nicht zuletzt den INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELEN KARLSRUHE zu verdanken ist. Sie riefen jene einst belächelten Händelfachleute aus aller Herren Länder in die badische Barockresidenz. Die Aufgabe war, nach Wegen zu suchen, wie sich die Qualitäten dieser einzigartigen Musik einem modernen Publikum nahebringen ließen. Eine Suche, die erfolgreich verlief. Die Dirigenten Charles Farncombe, Roy Goodman, Nicholas McGegan und Paul 2 Goodwin kamen aus England und brachten Countertenöre mit. Jean-Claude Malgoire, Jean-Louis Martinoty und der blutjunge Marc Minkowski kamen aus Frankreich, und René Jacobs, damals nur Wenigen bekannt, aus Belgien. Sie machten die HÄNDEL-FESTSPIELE zu dem, was sie heute sind: Ein Publikumsmagnet. Die 40. Ausgabe präsentiert führende Interpretinnen und Interpreten der Szene, und sie spürt die Stars von morgen auf. Ein Grund zur Freude und zum Feiern! Ich danke der Baden-Württemberg Stiftung für ihre großzügige Unterstützung der Karlsruher HÄNDEL-FESTSPIELE. Den Veranstaltern wünsche ich viel Erfolg – und den Besucherinnen und Besuchern großartige Hörerlebnisse! Theresia Bauer MdL Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg Liebe Barockfreunde, wie wir 2015 beim 300. Stadtgeburtstag erleben konnten, kennt Karlsruhe sich mit runden Geburtstagen und Jubiläumsfeierlichkeiten aus. Nun stehen wir vor einem weiteren schönen Jahrestag: den 40. INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELEN! Seit 1978 ist dieses Festival ein Höhepunkt im Kulturleben unserer barocken Stadt. Karlsruhe profitiert von dem reichen kulturellen Angebot und von der einzigartigen Stimmung, die von den barocken Klängen Händels ausstrahlen und die auf unsere internationalen Besucher einen besonderen Reiz ausüben. Die FESTSPIELE kooperieren seit zwei Jahren erfolgreich mit der art Karlsruhe, so dass unsere Gäste die Möglichkeit haben, Operngenuss mit Kunstgenuss zu verbinden. Das STAATSTHEATER ist ein vielseitiges, facettenreiches Haus, in dem nicht nur die Händel-Pflege einen festen Platz hat, sondern ein Ort, an dem man viele künstlerische Handschriften und Musikstile erleben kann. Ein gutes Beispiel dafür ist die BADISCHE STAATSKAPELLE, die mit der Aufführung von Wagners Großprojekt Der Ring des Nibelungen exzellente künstlerische Leistungen hervorbringt, die aber auch bei den HÄNDEL-FESTSPIELEN in der konzertanten Aufführung von Händels Oratorium Theodora glänzen wird, was die einzigartige Vielseitigkeit der Musiker zeigt. Doch auch die HÄNDEL-FESTSPIELE als solche bieten ein abwechslungsreiches Angebot: auf der einen Seite die tragikomischen Töne von Semele, auf der anderen Händels wuchtiges Operndrama Arminio, das nach der umjubelten Premiere 2016 auch in diesem Jahr auf dem Spielplan steht. Darüber hinaus erklingen kostbare Kammermusik sowie Opernszenen und Arien, gesungen von den renommiertesten Sängerinnen und Sängern unserer Zeit. Und bei all diesen Veranstaltungen werden Sie, verehrtes Festpublikum, feststellen, wie berührend und zeitlos-modern Händels Musik auch nach fast drei Jahrhunderten ist. „Händel für alle!“ – so könnte das Motto für das Karlsruher Musikfest lauten. Ob Oper oder Oratorium, ob prächtige Gala oder stimmungsvolles Kirchenkonzert – in dem prall gefüllten Jubiläumsprogramm findet jeder etwas, das ihm gefällt und das mit Sicherheit lange in guter Erinnerung bleiben wird. Dr. Frank Mentrup Oberbürgermeister 3 Liebe Händel-Freunde, jedes Jahr im Februar kommen Händelfreunde aus dem In- und Ausland nach Karlsruhe, um Bühnenwerke, Orchestermusik und Kammermusik des zeitlosen Europäers aus der Karlsruher Partnerstadt Halle/Saale zu erleben. Im Jubiläumsjahr der 40. INTERNATIONALEN HÄNDELFESTSPIELE erwartet alle Besucher ein besonders umfangreiches und vielfältiges Programm. Gleich vier Orchester und eine ganze Reihe von Gesangsstars bringen den Besuchern Werke wie Semele, Arminio, Theodora und über 600 weitere Händelsche Werke nahe. Es fällt schwer, einzelne Veranstaltungen herauszuheben. Es freut mich, dass das Festkonzert dem Gründer der HÄNDELFESTSPIELE, unserem Ehrenvorsitzenden, Herrn Generalintendant a. D. Günter Köne-mann gewidmet ist. Gespannt bin ich auch auf den neu gegründeten HändelFestspielchor. Besonders hinweisen möchte ich Sie auf die Angebote der 32. INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE. Die interessierte Öffentlichkeit kann sich im Eröffnungs-, Abschluss- und Werkstattkonzert sowie im Symposium einen Eindruck von der wichtigen Arbeit der in ihrer Art einzigartigen Akademie mit dem künstlerischen Nachwuchs machen und in Künstler4 gesprächen Mitwirkende der Festspiele näher kennenlernen. Seit ihrer Gründung im Jahre 1989 liegt der Händel-Gesellschaft der künstlerische Nachwuchs besonders am Herzen. Ich freue mich, dass sich die jungen Musikerinnen und Musiker unseres Jugendwettbewerbs am 26. Februar im Rahmen der Festspiele wieder in einem öffentlichen Konzert präsentieren können. Ans Herz legen möchte ich Ihnen auch den in Kooperation mit der HÄNDEL-GESELLSCHAFT veranstalteten Ökumenischen Festgottesdienst am Sonntag, den 19. Februar mit Auszügen aus dem Oratorium Theodora. Im Jubiläumsjahr sind wir Gastgeber einer Begegnung aller drei deutschen HändelGesellschaften – die Möglichkeit von Mehrfachmitgliedschaften manifestiert unsere enge Verbundenheit mit den Schwesterngesellschaften in Halle und Göttingen. Ich wünsche allen Besuchern unvergessliche Festspielerlebnisse, spannende Entdeckungen und den Mitwirkenden auf und hinter den Bühnen viel Glück und Erfolg! Prof. Dr. Peter Overbeck Vorsitzender der HÄNDEL-GESELLSCHAFT Liebe Jubiläumsgäste, in diesem Jahr gibt es einen ganz besonderen Grund zur Freude: Wir feiern die 40. INTERNATIONALEN HÄNDELFESTSPIELE. Die Erfolgsgeschichte der Festspiele zeigt, dass mein Vorgänger Günter Könemann genau das Richtige tat, als er die Pflege der Barockmusik in der Barockstadt Karlsruhe zu einer wichtigen Aufgabe des STAATSTHEATERS machte, und auch seine Nachfolger pflegten erfolgreich dieses Erbe. Karlsruhe wurde zu einem bedeutenden Zentrum für Händels Musik. Es entwickelte sich ein Zusammenspiel verschiedener Institutionen, das so nur hier zu finden ist: Mit den HÄNDELSOLISTEN wurde ein eigenes Festspielorchester gegründet, das Kontinuität und Weiterentwicklung ermöglicht. Die INTERNATIONALE HÄNDEL-AKADEMIE hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Wissen über barocke Tradition weiterzugeben und die Festspiele mit neuen Ideen zu beleben. Hinzu kommen die vielen Händelfreunde, die sich in der HÄNDEL-GESELLSCHAFT zusammengeschlossen haben. Im Mittelpunkt der diesjährigen Festspiele steht die Neuinszenierung von Semele, in der unsere Ensemblesänger gemeinsam mit international erfolgreichen Barockspezialisten auf der Bühne stehen. Max Emanuel Cencic kehrt als Regisseur und Sänger der Titelpartie in Arminio zurück nach Karlsruhe. Besondere Aufmerksamkeit verdient das Konzertprogramm mit einer Aufführung des Oratoriums Theodora und der Reihe Abendsterne, in der die Barockstimmen von Patrizia Ciofi, Jakub Józef Orliński und Anna Bonitatibus erklingen werden. Wir freuen uns sehr, dass die Landesstiftung das Jubiläum besonders unterstützt und dass das Festkonzert zu Ehren des Festspielgründers Günter Könemann von der Stadt Karlsruhe zusätzlich gefördert wird. Mit der BBBank ist es gelungen, einen Partner zu finden, der sich für ein langfristiges Engagement über 6 Jahre entschieden hat. Genauso wichtig ist die alljährliche Unterstützung durch das Kuratorium der HÄNDEL-GESELLSCHAFT. Ein besonderer Dank gilt dem Ministerium für Forschung, Wissenschaft und Kunst für die Unterstützung der INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE. Ich freue mich, dass wir 2017 zum 40. Mal unter Beweis stellen können, welch herausragende Stellung die Festspiele im internationalen Vergleich einnehmen und welch wichtigen Beitrag sie für die Zukunft der Barockmusik leisten. Ein Grund, gemeinsam zu feiern! Ihr Peter Spuhler Generalintendant 5 Sehr geehrte Damen und Herren, zu einem zukunftsfähigen Land und zu einer modernen, bürgerfreundlichen und lebenswerten Gesellschaft gehört auch die Pflege und Bewahrung der Kunst- und Kulturlandschaft. das vielseitige Programm und die internationale Bedeutung garantieren eine erfolgreiche Veranstaltung mit einer großen Strahlkraft über die Landesgrenzen hinaus. Kunst, Schöpferisches und Kreativität zu fördern, ist der Baden-Württemberg Stiftung ein wichtiges Anliegen. Seit ihrer Gründung im Jahr 2000 engagiert sie sich deshalb aktiv und nachhaltig für die Kultur des Landes. Regionale Verwurzelung sowie innovative Ansätze und künstlerische Bedeutsamkeit stehen dabei besonders im Fokus. Wir freuen uns, einer der Unterstützer dieser einmaligen Festspiele und dieses besonderen Jubiläumsprogramms zu sein, und wünschen Ihnen, verehrtes Publikum, eine genussreiche Zeit und unvergessliche Eindrücke bei den 40. INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELEN. Herausragend sind deshalb die INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE in Karlsruhe. Dieses Jahr finden sie bereits zum 40. Mal statt und das besondere Jubiläumsprogramm verspricht, die Barockmusik auch dieses Jahr glänzen zu lassen. Die langjährige Erfahrung und die hohe künstlerische Qualität des STAATSTHEATERS KARLSRUHE, 6 Christoph Dahl Geschäftsführer der Baden-Württemberg Stiftung Birgit Pfitzenmaier Abteilungsleiterin Gesellschaft & Kultur 7 EINFÜHRUNG FRAUENWELTEN MICHAEL FICHTENHOLZ ÜBER DAS PROGRAMM DER INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE 2017 In der diesjährigen Festspielausgabe liegt ein besonderes Augenmerk auf den Frauen, die Händel in seinen Werken besang. Königinnen und Schäferinnen, Prinzessinnen und Zauberinnen – welch erstaunliche Galerie der Charaktere und der Temperamente, der Gesichter und Stimmen! Einerseits ähneln sie sich, andererseits hat jedes Porträt etwas Besonderes und Einzigartiges. Dabei spielt der soziale Status keine Rolle: Händels Heroinen berühren uns mit ihrem Charakter und ihrer musikalischen Sprache, die über Jahrhunderte nichts von ihrer Aktualität und Schärfe verloren haben. Im Gegenteil, wir entdecken in ihnen Frauen unserer Zeit, unsere Mütter und Schwestern, unsere Geliebten und Töchter. „Frauen regier’n die Welt!“ – Händel ist mit seinen Frauengestalten auch im Zeitalter des Feminismus von Relevanz, regieren die Frauen in seinen Opern und Oratorien oft nicht nur die Welt, sondern auch die Männer, denken wir an Alcina oder Cleopatra in Giulio 8 Cesare, Medea in Teseo oder Rodelinda, Partenope oder Athalia, Gismonda in Ottone oder Dejanira in Hercules. Woher stammen diese erstaunlichen und profunden Erkenntnisse über das weibliche Geschlecht eines Komponisten, der sein Leben als stolzer Junggeselle verbracht hat? Das Thema „Händel und Frauen“ ist und bleibt – höchstwahrscheinlich für immer – ein Rätsel. Wir wissen kaum etwas über sein Privatleben. Die wenigen Love-Stories, die in den frühen Biografien kolportiert werden – etwa eine mögliche Beziehung mit einer italienischen Sopranistin während seines Italien-Aufenthaltes oder eine mehr als freundschaftliche Zuneigung zwischen Händel und Königin Caroline von Hannover – sind nicht zu belegen. Auch die Frage nach seinen Beziehungen zu Männern, so wie sie in neueren Beiträgen der Forschung diskutiert wird, bleibt der Spekulation überlassen. Doch all das ändert nichts an der Tatsache, dass Händel wie nur wenige tief in die weibliche Seele geblickt hat und die Seelenlandschaften seiner Heldinnen perfekt in Klang gesetzt hat. Gleich zu Beginn unserer Reise durch die Festspiele treffen wir auf zwei herzzerreißende Frauenfiguren, die aus ganz unterschiedlichen Welten kommen: Semele und Theodora. Obgleich die erste im Jahr 1744 geboren ist, könnte sie eine unserer Zeitgenossinnen sein und würde mit ihrer Suche nach Ruhm und Unsterblichkeit in der heutzutage so beliebten Klatschpresse nicht weiter auffallen. In ihrer virtuosen Arie „No, no, I’ll take no less“ bringt Semele ihr Anliegen auf den Punkt: So viel Anerkennung wie möglich, ewige Jugend und ewige Schönheit sind das Ziel ihrer Träume, nicht mehr und nicht weniger. Das traurige Ende solcher Geschichten ist absehbar, denn, um dorthin zu gelangen, ist Semele wie viele andere bereit, vielleicht aus unserer kindlicher Naivität, ein großes Risiko einzugehen. Hier erweist sich Händel als großer und großartiger Zyniker – seine Ironie ist bitter, fast grotesk. Doch gleichzeitig können wir in seiner musikalischen Erzählung traurige Halbtöne entdecken, mit denen er wie so oft Mitleid für seine Operngeschöpfe zeigt und erzeugt, und seien sie noch so leichtsinnig und unvernünftig. Umso frommer und reiner scheint uns die andere Heroine – Theodora – , die bereit ist, für ihren Glauben und ihre Prinzipien in den Tod zu gehen. Je mehr sie sich ihrem Tod nähert, desto unbedeutender wird der Alltag mit seinen vielen Nebensächlichkeiten. Hier, in einem seiner letzten Meisterwerke, spricht der Komponist mit uns nur über das Wesentliche und findet für dieses Schicksal eine ganz andere Tonsprache. Weitere Frauenporträts können wir mit Tusnelda und Ramise in Händels Arminio bestaunen, einem dynastischen Drama, in dem den Mitgliedern der königlichen Familie ihr hoher Stand mehr Qual als privilegierte Freude bereitet: Tusnelda muss zwischen Vater und Ehemann wählen und Ramise sich zwischen Geliebtem und Bruder entscheiden. In diesem tragischen Dilemma zeigt sich die dramaturgische Härte der Oper mit überwältigender Emotionalität. Um nicht zu einer bloßen Schachfigur in diesem politischen Machtspiel zu werden, gehen die beiden Frauen auf eine lange und gefährliche Reise, auf der die in der galanten Epoche zu erwartende Zärtlichkeit und Zerbrechlichkeit keine Rolle mehr spielt, vielmehr erlangen die Frauen die Kühnheit der Männer – und manchmal übertreffen sie sie sogar. Heroinen sind auch jene, die Händels Frauen ihre Stimme und ihren Körper leihen: seine Sängerinnen. Die legendären Primadonnen, deren Stimmen uns die Vergangenheit bedauerlicherweise geraubt 9 hat, leben in ihren Nachfolgerinnen fort, die die Renaissance und das Fortbestehen des Barock möglich machen. Und was für ein Aufgebot an Stimmen und Künstlerpersönlichkeiten ist im kalten Februar in Karlsruhe zu entdecken! Jennifer France ist eine geborene Semele, die den jugendlichen Glanz ihrer Partie ohne Künstlichkeit und Übertreibung vermitteln kann, an ihrer Seite Katharine Tier mit ihrem feurigen Temperament als rachsüchtige Göttin und Ehefrau Juno. Dann Sine Bundgaard, die mit ihrer noblen und reinen Stimme die fromme Theodora mit besonderer Ehrlichkeit und Wärme darstellen wird. Gefolgt von Patrizia Ciofi, die ihre langjährige Auseinandersetzung mit den Heroinen der romantischen Oper in die Arien der Händel’schen Femmes fatales einfließen lassen wird, und Lauren Snouffer, einem aufsteigenden Stern der Barockmusik, in der Rolle der leidenden Tusnelda in Arminio. Und nicht zu vergessen die italienische Diva Anna Bonitatibus, die der frühen 10 Kantate von Händel La Lucrezia eine neue Dimension und authentische sprachliche Intensität verleiht. Schließlich finden die Festspiele mit dem Auftritt von zwei Ausnahmesängerinnen unserer Zeit, Sandrine Piau und Vivica Genaux, ihren krönenden Abschluss. Ich hoffe, dass wir Sie mit diesem faszinierenden Programm begeistern werden – begleiten sie uns auf dieser spannenden Reise durch die Welten von Händel, mit der wir nicht nur Händels Primadonnen wie Francesca Cuzzoni, Faustina Bordoni, Margerita Durastanti, sondern alle Frauen ehren möchten. Ihr Michael Fichtenholz Künstlerischer Leiter WIR DANKEN den Kuratoriumsmitgliedern der HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE e. V. für ihre großzügigen Spenden Dr. Bernhard Schareck Vorsitzender Dr. Melitta Büchner-Schöpf Dr. Friedrich Georg Hoepfner RA Arndt Brillinger Michael Huber Sparkasse Karlsruhe Michael Lang Autohaus Lang Prof. Dr. Jürgen Morlok Prof. Dr. Wolfgang Müller BBBank Heinz Ohnmacht BGV Badische Versicherungen Joachim Peters Dr. med. Sabine Raulin Dipl.-Ing. Herman Rotermund Dr. Michael Göhringer Susanne Freytag media@home Freytag der Baden-Württemberg Stiftung & der BBBank für ihre Sonderspenden der HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE e. V. für vielfältige Unterstützung der Privatbrauerei Hoepfner für die Unterstützung der Premierenfeier dem Feuerwehrausstatter Wiese-Gruppe.de für seine freundliche Unterstützung Für die Dreherlaubnis danken wir ACHAT Plaza Karlsruhe Therme Vierordtbad VeniceBeach Karlsruhe Premium Fitness 11 12 13 40 JAHRE HÄNDEL-FESTSPIELE KARLSRUHE Fragen an den Generalintendanten a. D. des STAATSTHEATERS KARLSRUHE und Gründer der INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE Günter Könemann Herr Könemann, Sie haben in Händels Geburtsstadt studiert. Wie kamen Sie zu Händel? Wie kam es dazu, 1978 ausgerechnet in Karlsruhe ein drittes deutsches Händel-Festival zu gründen? Als Student der Hochschule für Theater und Musik war ich in der Regieklasse von Prof. Heinz Rückert, mit GMD Horst-Tanu Margraf, Initiator und künstlerischer Leiter der halleschen Händelfestspiele. Während meines sich anschließenden Studiums in Göttingen hatte ich das Glück, in Vorlesungen und Seminaren Prof. Hans Niedecken-Gebhard kennenzulernen, der gemeinsam mit dem Musikwissenschaftler Oskar Hagen in den zwanziger Jahren die ‚Göttinger Händel-Renaissance’ ins Leben gerufen hatte. Ich assistierte ihm bei den Festspielen 1953. Beide, Rückert und Niedecken-Gebhard, schufen ein Bild Händels, das mich begeisterte und fortan nicht mehr losließ. Die Gründung des Festivals war Teil des künstlerischen Konzeptes, mit dem ich 1977 die Karlsruher Intendanz übernahm. Ich empfand die Notwendigkeit, im zweigeteilten Deutschland dem mitteldeutschen Meister auch in der Bundesrepublik eine Heimstatt zu bieten, in der sein Werk, besonders seine Opern, regelmäßig aufgeführt und neu zur Diskussion gestellt werden. Die Voraussetzungen hierfür waren gegenüber den Festspielen in Göttingen und Halle ungleich besser, da die Karlsruher Festspiele integrierter Bestandteil eines großen Drei-Sparten-Theaters sein würden. Und schließlich war es meine Absicht, Karlsruhe zu einem Zentrum der Händelpflege zu machen. Hierzu gehörte 14 Günter Könemann unter anderem auch die 1989 erfolgte Gründung eines Freundeskreises, der Karlsruher HÄNDEL-GESELLSCHAFT. Was wusste man 1978 von Händels Opern? Was wusste man von ihrer Aufführungspraxis? Es gab, durchaus erfolgreich, die Göttinger und halleschen Festspiele und vereinzelte Stadttheateraufführungen, so auch in Karlsruhe. Trotzdem blieben diese Aufführungen Einzelerscheinungen, die kein Theater zum Nachspielen veranlassten. War Händel 1978 als musikdramatisches Genie bereits anerkannt? Nein. Man kannte den Messias, die Feuerwerksmusik und natürlich das Largo. Seine 44 Opern galten als nahezu unspiel- bar, ihre Textbücher veraltet, das Schema aus Rezitativ und Arie als zeitverhaftet, den Sängern boten sie keine psychologisch durchgeführten Rollen, die Kastratenpartien waren nicht zu besetzen. Es bedurfte also eines neuen Anstoßes, und vielleicht war das Jahr 1977 genau der richtige Zeitpunkt, sich dieser Aufgabe zu stellen. Die ersten Karlsruher Aufführungen waren noch ein Suchen, mit dem Ergebnis, dass die Aufführung einer Barockoper deren genaue Kenntnis und die Kenntnis der Aufführungspraxis zum Zeitpunkt ihrer Entstehung voraussetzt: Aus dem Geist der Musik heraus muss die Ästhetik der Barockoper eine Umsetzung auf das Theater unserer Zeit erfahren. Im musikalischen Bereich bedeutet dies: Annäherung an den historisch-authentischen Klang. Hierfür bedurfte es Musikerinnen und Musiker, die sich ausschließ15 lich und professionell mit der historischen Aufführungspraxis befassen. Und es benötigte die die Kastraten ersetzenden Countertenöre, 1978 ein kaum besetztes Kunstfach. Im szenischen Bereich bedarf es der Historie nicht: Nicht das Nachvollziehen historischer Aufführungspraxis, sondern nur das Theater selbst kann Lösungen für eine zeitgemäße, aus dem Geist der Musik heraus empfundene Inszenierung geben. Das STAATSTHEATER KARLSRUHE ist von seiner Tradition her ja eher ein Haus für Wagner und die große Oper. Wie kam Ihre Idee bei den Mitarbeitern des Hauses an? Wie beim Stammpublikum? Alcina, 1978; Deidamia, 1979; Semele, 1980 – ich habe bewusst bilderreiche, musikalisch eindringliche Werke für die ersten Aufführungen gewählt. Heinz Balthes schuf wunderschöne, atemberaubende Szenerien. Das Ensemble, die Werkstätten, das ganze Haus identifizierte sich mit der neuen Aufgabe. Das Publikum erlebte ‚Große Oper’. Jean-Louis Martinoty, Regisseur der Semele, äußerte sich, selbst über den großen Erfolg überrascht, so: „In Karlsruhe hat man in Bezug auf das Verständnis von Händels Opern eine gute Chance. Hier wurden mehr seiner 16 Bühnenwerke aufgeführt als anderswo, das Publikum ist für Händelwerke durch Inszenierungen in verschiedenen Inszenierungsweisen gut vorbereitet. Es gibt sicher sehr wenige Leute auf der Erde, die so viele Händelopern gesehen haben, wie die Abonnenten in Karlsruhe.“ Wie kam es zur Gründung der Deutschen Händel-Solisten? Auf Beschluss des Verwaltungsrates des STAATSTHEATERS KARLSRUHE wurden die Händel-Tage 1985 anlässlich des Europäischen Jahres der Musik, in dem zugleich Händels 300. Geburtstag gefeiert wurde, zu HÄNDEL-FESTSPIELEN aufgewertet. Damit war die Möglichkeit gegeben, dieses Spezialensemble zu schaffen. Gab es Kontakte zu den beiden SchwesterFestivals? Die Deutschen Händel-Solisten wurden noch vor dem Fall der Mauer zu einem Gastspiel nach Halle eingeladen. Es bestanden Kontakte zwischen den Leitungen, die Händel-Gesellschaft Karlsruhe knüpfte freundschaftliche Bande. Austausch, Absprachen oder Koproduktionen fanden nicht statt. Dieses gilt für beide Festivals. 1987 schlossen die Städte Halle und Karlsruhe einen Städtepartnerschaftsvertrag. Ich bin sicher, dass Georg Friedrich Händel Pate gestanden hat! Ein berühmtes Projekt war PASTICCIO, bei dem man in Karlsruhe versuchte, das barocke Baukastenprinzip im Musiktheater zu rekonstruieren. Wie kam es zu diesem Experiment? Welche Absichten standen dahinter? Ist es gelungen? Pasticco war eine echte Festspielidee, eine Besonderheit in der Reihe der sieben bis 1984 inszenierten Opern und ein geistreicher Beitrag zu den ersten HÄNDELFESTSPIELEN 1985. Der französische Regisseur Jean-Louis Martinoty, ein ausgewiesener Kenner händel’scher Opern und barocker Musik, übernahm für sein Pasticco die im 17. und 18. Jahrhundert gängige Praxis, Stücke und Arien aus bereits vorhandenen Werken als neues, eigenes Werk herauszubringen. Er erstellte hierfür einen Themenkatalog – Monster, Feuer, Zauber, Furien, Liebe … – und bediente diesen aus den originellsten und bedeutendsten Szenen und Musiken Händels. Dabei verzichtete Martinoty auf jede musikalische Transposition in den auskomponierten Nummern, auf jedes Neuschreiben irgendeiner Musik, auf jede Veränderung der Texte. Das war ‚Händel pur’ und erntete Ovationen für Ensemble, Orchester, das Leitungsteam Jean-Louis Martinoty, Jean-Claude Malgoire, Bühnenbildner Heinz Balthes und Kostümbildnerin Renate Schmitzer. Die Inszenierung wurde als Koproduktion von SWF, WDR, Antenne 2, Channel Four, ORF, SRG, Televetia und Yleisradio verfilmt und am 6. Oktober 1985 von der ARD als Eurovision erstausgestrahlt. Die Außenaufnahmen drehten wir im italienischen Bormarzo, einem Barockpark, der durch sein Skulpturenprogramm aus lauter mythologischen Monstern berühmt ist. Welche anderen prägenden Gestalten der Karlsruher HÄNDEL-FESTSPIELE gab es? Viele. Die Dirigenten Charles Farncombe, Nicolas McGegan, René Jacobs, Roy Goodman; die Regisseure Jean-Louis Martinoty, Ivo Cramér, Michael Hampe; die Countertenöre Paul Esswood, James Bowman, Graham Pushee, Derek Lee Ragin, David Cordier, Andreas Scholl, Robin Blaze. Mehrfach war der Clare College Choir Cambridge unter Timothy Brown gefeiertes Gastensemble bei den Festspielen. Wie stand Karlsruhe zur sozialistischen Händel-Interpretation, wie sie in Halle nicht nur theoretisch gepflegt wurde, 17 sondern auch praktisch durch die Oratorienaufführungen als „Volksoratorien“? Sie berührte uns nicht. Eine politische Vereinnahmung eines Komponisten war für uns nicht vorstellbar. In Halle, aber auch in der Bundesrepublik, wurden Kastratenpartien konsequent durch Baritone und Tenöre ersetzt. Wie hielten Sie es in Karlsruhe? Einerseits war die Zeit für eine adäquate Besetzung der Kastratenpartien nicht reif und deshalb geschmacklich nicht denkbar, andererseits gab es keine Vertreter des Stimmfaches ‚Countertenor’, so dass es beim Einsatz von Bässen, Baritonen und Tenören blieb oder bleiben musste. Für die Karlsruher Vorstellungen war der Einsatz von Countertenören unabdingbar und führte zu musikalischen Höhepunkten einer Aufführung, die frenetisch gefeiert und bejubelt wurden. Die Stars von heute! Wie international war die Händelszene, war Karlsruhe in den 70er und 80er Jahren? International waren die Karlsruher HÄNDEL-FESTSPIELE nicht nur durch die Besetzungen und die Zusammensetzung des Festspiel-Orchesters. 1986 wurde un18 ter meiner Leitung die INTERNATIONALE HÄNDEL-AKADEMIE gegründet. Sie stellte die wissenschaftliche Ergänzung zur theaterpraktischen Arbeit dar, war wichtige, in dieser Verbindung damals beispiellose, Ausbildungsstätte für Sänger und Instrumentalisten, die von prominenten Experten in der Interpretation barocker Musik unterrichtet wurden. Die jährlichen Symposien entwickelten sich zu einem Forum der internationalen Händelforschung. Ihre Beiträge wurden publiziert und sind Referenzwerke für Wissenschaftler und ausübende Künstler. Was die internationale Ausstrahlung unserer Inszenierungen betrifft, so wurden sie nach Luxemburg, Barcelona, Straßburg, Warschau, Athen, Madrid und Halle eingeladen. Das Kammerensemble der DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN gastierte 1997 in Novosibirsk und die Staatsoper Warschau 1988 im Rahmen der HÄNDEL-FESTSPIELE mit Amadigi am STAATSTHEATER KARLSRUHE. Was sehen Sie als Ihre größte Leistung in Bezug auf die Karlsruher HÄNDEL-FESTSPIELE an? Welches war und ist Ihr Lieblingsprojekt? Worauf sind Sie stolz? … dass sie 1977 gegründet wurden und Sie mich heute, 40 Jahre danach, um ein Inter- view bitten! In der Publikumsgunst stehen Händels Werke heute gleichwertig neben denen von Mozart, Wagner und Strauss und haben den ihnen gebührenden Platz gefunden, ja, sie sind ‚repertoirefähig’ geworden. Lieblingsprojekt? Ich betrachte es als Geschenk, hieran mitgearbeitet zu haben. Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Aufführungspraxis der letzten 40 Jahre? Gibt es Dinge, die Ihnen Sorgen bereiten? Wo sehen Sie Fortschritte? Händel, in Karlsruhe eine Erfolgsgeschichte, von der man nur zu gern weitere Kapitel erleben möchte! Voraussetzung für eine erfolgreiche Weiterführung der Karlsruher HÄNDEL-FESTSPIELE ist, dass alle Verantwortlichen ihren einzigartigen Wert erkennen und einzuschätzen wissen, welche Bereicherung sie für die Karlsruher Kulturszene bedeuten, welche Strahlkraft und Anziehungskraft sie auch für das europäische Musikgeschehen haben. Deshalb bereitet es mir mehr Unverständnis als Sorge, dass die Existenz der Akademie gefährdet sein soll. Sie könnte in der Ausrichtung vielleicht neu bedacht, das Programm in noch engerem Kontakt mit der mitgestaltenden Staatlichen Hochschule für Musik abgestimmt und damit noch effizienter werden. Mit ihrer Aufhe- bung jedenfalls verlören die Karlsruher HÄNDEL-FESTSPIELE ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal gegenüber den beiden anderen deutschen Festspielen, denn nur sie besitzen sowohl ein eigenes Festspielorchester, die DEUTSCHEN HÄNDELSOLISTEN, als auch die INTERNATIONALE HÄNDEL-AKADEMIE. Gemeinsam mit der HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE stehen sie für ein Zentrum internationaler Händelpflege. Der Leitung der Karlsruher HÄNDEL-FESTSPIELE gelten meine besten Wünsche für einen erfolgreichen Verlauf der Festspiele 2017 und eine glückliche Hand für die der kommenden Jahre! Für die ehrenvolle Widmung des diesjährigen Festkonzertes der Deutschen HändelSolisten danke ich Ihnen sehr herzlich. von Michael Fichtenholz & Boris Kehrmann 19 20 RESIDENZSCHLOSS LUDWIGSBURG 21 SEMELE Musikalisches Drama von Georg Friedrich Händel HWV59 Libretto nach William Congreve basierend auf „Metamorphosen“ von Ovid Uraufführung am 10. Februar 1744 am Covent Garden Theatre in London In englischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln Aufführungsrechte Bärenreiter-Verlag, Kassel Semele Jupiter Athamas Juno Ino Iris Cadmus Somnus Cupid JENNIFER FRANCE ED LYON TERRY WEY KATHARINE TIER DILARA BAŞTAR HANNAH BRADBURY Ks. EDWARD GAUNTT YANG XU ILKIN ALPAY* *Opernstudio Musikalische Leitung Regie Bühne, Kostüme Licht Chorleitung Dramaturgie CHRISTOPHER MOULDS FLORIS VISSER GIDEON DAVEY ALEX BROK CARSTEN WIEBUSCH KLAUS BERTISCH PREMIERE FR 17.2. 19.00 GROSSES HAUS Weitere Vorstellungen 19.2. 19.00, 23.2. 19.00, 25.2. 15.00, 28.2. 19.00 ca. 3 Stunden 30 Minuten, Pause nach dem 2. Akt Wir danken der BBBank für die großzügige Unterstützung der Neuproduktion 22 OPER SEMELE HÄNDEL-FESTSPIELCHOR Sopran Clara-Sophie Bertram, Mariann Grieshaber, Chengchun Feng, Laura Kirchgässner, Tanja Kraft, Carlotta Lipski, Sophie-Luise Stengel Alt Joanna Gall, Luise von Garnier, Maria Kalmbach, Anne-Sophie Pied, Pauline Stöhr, Denise Strohmaier Tenor Alejandro Benavides, Shichao Cheng, Deren Mehmet Edalag, Hannes Kehl, Wolfgang Müller, Tom Maurice Volz Bass Yannik Hofmann, Dmitry Klenin, Leonhard Geiger, Daniel Pastewski, Felix Seibert, Peter Woidelko DEUTSCHE HÄNDEL-SOLISTEN 1. Violine Andrea Keller, Wolfgang von Kessinger, Christoph Timpe, Helmut Hausberg, Michael Gusenbauer, Eva Scheytt 2. Violine Christoph Mayer, Almut Frenzel, Jana Anýžová, Martin Kalista, Salma Sadek, Matthias Hummel Viola Jane Oldham, Klaus Bundies, Gabrielle Kancachian, Cathi Aglibut Violoncello Gerhart Darmstadt, Bernhard Hentrich, Markus Möllenbeck, Dmitri Dichtiar Violone David Sinclair, Michael Neuhaus Cembalo Rien Voskuilen Laute Sören Leopold Oboe Susanne Regel, Aviad Gershoni, Kristin Linde, Thomas Jahn Fagott Rhoda Patrick, Marita Schaar Horn Reneé Allen, Karen Hübner Trompete Hannes Rux, Ute Rothkirch Pauke Peter Hartmann STATISTERIE & KINDERSTATISTERIE DES BADISCHEN STAATSTHEATERS Rimma Akhmetova, Cham Alhaghie, Wolfgang Beeh, Arnim Brosch, Antonio Colosimo, Nils Cordes, Daniel Eschbach, Dagmar Hock, Witalij Kühne, Gunter Lutterbach, Tatjana Maschnikowa, Christina Mohari, Stefan Pikora, Manfred Pfisterer, Philipp Remy, Daiane Ribeira, Markus Schmidt, Walter Schreyeck, Chris Themi, Julian Vestring, Hannelore Vollweiter, Stephanie Wendy Musikalische Assistenz François Salignat, Olga Zheltikova Studienleitung Steven Moore Regieassistenz Benjamin Cortez, Jodok Schweizer Bühnenbild-Assistenz Erika Hoppe Kostümassistenz Adèle Lavillauroy Übertitel Pascal Paul Harang Inspizienz Gabriella Muraro Leitung der Statisterie Oliver Reichenbacher Technische Direktion Harald Fasslrinner, Ralf Haslinger Bühne Rudolf Bilfinger, Helga Gmeiner, Ralf Haslinger, Stephan Ullrich, Margit Weber Leiter der Beleuchtung Stefan Woinke Licht Christoph Häcker Leiter der Tonabteilung Stefan Raebel Ton Gunter Essig, Jan Pallmer Leiter der Requisite Wolfgang Feger Werkstättenleiter Guido Schneitz Malersaal Giuseppe Viva Leiter der Theaterplastiker Ladislaus Zaban Schreinerei Rouven Bitsch Schlosserei Mario Weimar Polster- und Dekoabteilung Ute Wienberg, Bernhard Busse Kostümdirektorin Christine Haller Gewandmeister/In Herren Petra Annette Schreiber, Robert Harter Gewandmeisterinnen Damen Tatjana Graf, Karin Wörner, Annette Gropp Waffenmeister Michael Paolone, Harald Heusinger Schuhmacherei Thomas Mahler, Nicole Eyssele, Valentin Kaufmann Modisterei Diana Ferrara, Britta Hildebrandt Kostümbearbeitung Andrea Meinköhn Chefmaskenbildner Raimund Ostertag Maske Marion Kleinbub, Sotirios Noutsos, Inken Nagel, Niklas Klaiber, Dorothee Sonntag-Molz, Jutta Kranz, Melanie Langenstein, Caro Maske, Kerstin Wieseler SEMELE OPER 23 ZUM INHALT Jupiter hat eine Affäre mit Semele, der Tochter von König Kadmos. Als Jupiters Gattin Juno davon erfährt, will sie alles daransetzen, Semele zu vernichten, wobei ihr jedes Mittel Recht ist. darauf, nun endlich ungetrübt die Liebe zu ihrem Idol bei einem Stelldichein genießen zu können. 1. AKT Juno hat Iris als ihre Informantin beauftragt, alles über die Affäre von Jupiter und Semele in Erfahrung zu bringen. Iris berichtet, dass sich die beiden zurückgezogen haben, um ihre delikate Beziehung voll auszukosten. Juno schwört Rache, doch Iris warnt sie: Das Liebesnest der beiden wird strengstens bewacht. Junos Plan ist es, die Hilfe von Somnus in Anspruch zu nehmen, der vielleicht weiß, wie die Wachen zu überwinden sind. König Kadmos hat sich von Juno überzeugen lassen, dass es gut wäre, seine Tochter Semele mit dem Prinzen Athamas zu verheiraten. Die Vorbereitungen zur Feier sind in vollem Gange. Die Braut aber erfindet eine Ausrede nach der anderen, um nicht vor den Altar treten zu müssen. Sie will versuchen, den Vollzug der Trauung aufzuschieben. Sie ist in Jupiter verliebt und hofft, dass Jupiter ihr zu Hilfe eilen wird, um die Heirat zu verhindern. Athamas hingegen glaubt, dass die innere Aufregung, kurz davor zu stehen in den Bund der Ehe zu treten, der Grund für Semeles Zögern ist. Tatsächlich in großer Verwirrung befindet sich Semeles Schwester Ino, denn sie ist wirklich in Athamas verliebt und sieht nun ihren Traum, mit Athamas vereint zu sein, zerstört. Kadmos hofft, dass es nicht noch einmal zu einem Aufschub kommt. Doch plötzlich wird die Hochzeitszeremonie mit großem Getöse unterbrochen und Semele ist verschwunden. Die Feier ist geplatzt und Athamas verzweifelt. Auch sieht er Inos Kummer, ohne zu begreifen, dass er der Grund dafür ist. Als Ino ihm gesteht, hoffnungslos in ihn verliebt zu sein, kann er es nicht glauben. In die Verwirrung der beiden platzt Kadmos mit der Neuigkeit, dass Semele entführt wurde und Jupiter hinter allem steckt. Semele aber freut sich 24 OPER SEMELE 2. AKT Cupido singt Semele in den Schlaf und hofft, dass sie süße Träume haben wird. Als sie wieder erwacht, bedauert sie, mit ihrem Geliebten nur im Traum vereint gewesen zu sein. Doch endlich kommt Jupiter wirklich. Semele lässt ihn spüren, wie sehr sie sich nach ihm sehnt und dass sie sich ein Leben ohne ihn eigentlich nicht vorstellen kann. Jupiter versucht ihr zu erläutern, dass es keine gewöhnliche Beziehung zwischen ihnen geben kann. Gleichzeitig will er aber ihre Furcht zerstreuen und ihr so etwas wie Exklusivität vorgaukeln. Semeles Verlangen nach ihm scheint grenzenlos. Sie hofft auf eine Beziehung, in der sie beide gleichwertig sind. Sie will unsterblich werden wie er. Jupiter ist irritiert. Irgendwie muss er sie von solchen Ideen abbringen. Während man Semele rät, ihre Liebe zu genießen, arrangiert Jupiter einen Besuch von Semeles Schwester Ino. Sie soll Semele auf andere Gedanken bringen, was Jupiter die Gelegenheit gibt, sich aus dem Staub zu machen. 3. AKT Juno und Iris statten Somnus einen Besuch ab und reißen ihn aus dem Schlaf. Als ihm die schöne Pasithea als Gespielin in Aussicht gestellt wird, ist er bereit, Juno zu helfen. Als Gegenleistung soll er die Wachen bei Semele außer Gefecht setzen. Juno will sich dann, in Gestalt von Semeles Schwester Ino, bei der Geliebten ihres Ehemannes einschleichen. Somnus stimmt dem Plan zu. Noch immer ist Semele unglücklich über den Standesunterschied zwischen ihr und ihrem Geliebten. Juno hat sich inzwischen als Ino verkleidet und gibt ihrem Erstaunen Ausdruck, wie schön Semele seit neuestem sei. Das müsse von ihrem neuen Zustand kommen: Semele ist schwanger. Und tatsächlich gefällt sich Semele selbst und ergeht sich in ihrer Eitelkeit. Nun soll es auch die ganze Welt wissen und an ihrem Glück teilhaben. Die vermeintliche Ino rät ihrer Schwester, dass Jupiter sich auch als Privatmann mit Semele in aller Öffentlichkeit präsentieren solle. Ein guter Rat – findet zumindest Semele. Sich gemeinsam mit ihm vor aller Welt zeigen zu können, also unsterblich zu sein wie er, das ist ihr Ziel. Als Jupiter zu ihr kommt, um ein weiteres Mal ein Schäferstündchen mit ihr zu verbringen, öffnet Semele ihm ihr Herz und gibt ihrem Verlangen unverblümt Ausdruck. Sie will ihre Beziehung endlich legalisiert sehen. Jupiter ist schockiert. Er hatte ihr versprochen, auf alle ihre Wünsche einzugehen. Doch er weiß auch, dass solch ein Schritt in die Öffentlichkeit Semele vernichten würde. Die Geliebte aber besteht auf der Einhaltung seines Versprechens. Junos Triumph scheint nicht mehr fern. Als Jupiter Semeles Wunsch entspricht, entlädt sich ein Blitzlichtgewitter über der schwangeren jungen Frau. Das bedeutet ihren Tod. Sterbend bereut Semele ihre Ambitionen. Jupiter hat veranlasst, dass Athamas und Ino zusammengeführt werden und der von Semele verschmähte Bräutigam deren Schwester als seine neue Gattin akzeptiert. Doch angesichts von Semeles Tod kann sich niemand an dem neuen Glück erfreuen, bis man erfährt, dass das Kind der schwangeren Semeles gerettet werden konnte. Als Bacchus wird es einmal Freude unter die Menschen bringen. von Klaus Bertisch BESETZUNG DER URAUFFÜHRUNG Semele Jupiter Athamas Juno/Ino Iris Cadmus/Somnus ELISABETH DUPARC („La Francesina“) Sopran JOHN BEARD Tenor DANIEL SULLIVAN Countertenor ESTHER YOUNG Alt CHRISTINA MARIA AVOLIO Sopran HENRY THEODORE REINHOLD Bass SEMELE OPER 25 ZUM STÜCK MYTHEN HEUTE, ODER DIE WAHRE GESTALT JUPITERS Die griechischen und römischen Mythen dienten schon immer als Stoffe, mit denen über Jahrhunderte Verbindungen, Parallelen oder Hinweise mit und zu dem echten Leben gesucht und geschaffen wurden. Man feierte Könige, indem man sie als Götter auf der Bühne darstellte, man denunzierte Frauen, indem man geheime Affären von Herrschern mit leichtlebigen Geschöpfen versuchte anzuprangern. Die Opernwelt ist voll von diesen Allegorien auf das wahre Leben und es ist die Aufgabe eines jeden Zuschauers, die Aktualität dieser Stoffe in den Vorstellungen aus den Stücken herauszulesen. Diese Themen haben alle Veränderungen, alle Reformen des Genres überdauert. Zur Feier der Götter, zur Feier von Herrschern und zur Feier für das Publikum taugen die zahllosen Helden und Heldinnen ebenso wie zur ‚Erziehung’ der Zuschauer, um ihnen die Aktualität historischer Ereignisse oder mythischer Erzählungen vor Augen zu führen oder Parallelen zu ziehen zu ihrer eigenen 26 OPER SEMELE Lage und Situation. Das Gestern wird zum Abbild eines Heute. Auf diese Weise erhält das Theater Vorbildcharakter. Es schafft die Möglichkeit, aus dem Gesehenen und Gehörten eine Lehre zu ziehen. Es wird, wie Friedrich Schiller es formulierte, zur ‚moralischen Anstalt’. Und schon Aristoteles zog aus der Darstellung negativer Ereignisse die Lehre, dass hieraus Furcht und Mitleid zu erwecken wären. Zu Furcht und Mitleid sollte dann als dritte Wirkung im griechischen Theater die Katharsis, die ‚Reinigung’ treten – eine Erkenntnis, die sich sowohl auf die Charaktere der gezeigten Handlung beziehen ließ als auch auf die Zuschauer selbst. Auch Georg Friedrich Händel hat sich mehrfach Themen aus der Mythologie zugewandt. Es war noch nicht die Zeit, dass man seinen eigenen Zeitgenossen auf der Bühne begegnen konnte. Wolfgang Amadeus Mozart sollte der erste sein, der in Le nozze di Figaro den einfachen Menschen seiner eigenen Epoche in einer Oper präsentierte. Mozart aber war ein Mann der Aufklärung. Er interessierte sich für die Entwicklungen seiner Zeit und wollte diese auf sehr persönliche Weise auf die Bühne bringen. Zu Händels Zeiten war das noch nicht angesagt. Während der Mensch der Aufklärung neugierig und ihm ein gewisser Wissensdrang eigen war, mit dem schließlich auch dem Absolutismus ein Ende bereitet wurde, stand im Barock die Konsolidierung und der Erhalt des Erreichten im Zentrum. Man wollte eher die bestehende Ordnung zeigen, hierarchische Strukturen befestigen, als aufzuwiegeln und zu irritieren. Im Barock ist es dem Individuum eigen, sich für die bestehende Ordnung aufzuopfern. Dennoch waren Händels Stücke gefühlsgeladen und bedeutungsschwanger, wenn das Publikum nur in den Emotionen und Inhalten sich selbst erkennen konnte. Auch das Dekorum, das für die Barockzeit so kennzeichnend ist, zeigt sich in der Musik in schmückenden Verzierungen und ausufernden Koloraturen. Die Strenge der musikalischen Form wird auf diese Weise mit attraktiven Attributen angereichert, die die scheinbar einschränkende Struktur aufbrechen. In dieser Hinsicht ist auch die Figur der Semele zu interpretieren. Sie ist darstellbar als ein Opfer der Zeit, in der sie als Figur des Händel’schen Oratoriums geschaffen wurde. Sie hatte eine Utopie, nämlich die einer unkonventionellen Beziehung zu einem Gott oder einer gottähnlichen Figur. Sie musste scheitern. Am Ende wird die barocke Ordnung mit dem Bild einer obsiegenden Göttergesellschaft bestätigt. Es erstaunt, dass sich durchaus einige Parallelen zu Händel selbst und seinem künstlerischen Schaffen ziehen lassen, wenn man die Ereignisse in diesem Oratorium betrachtet. Ähnlich wie Semele von der sie umgebenden Gesellschaft, wurde auch der Komponist vom opernliebenden Londoner Publikum fallen gelassen – auf Betreiben von diversen ‚Göttern’ der Kulturlandschaft, weil seine eigenen Ansprüche vielleicht zu hoch waren oder man ihm den Erfolg nicht gönnte. Dennoch sollte man sich besser hüten, in diesem Werk die Biographie des Komponisten erkennen zu wollen. Wundern aber darf man sich schon angesichts solcher Ähnlichkeiten. Wie aber kann ein Zuschauer des 21. Jahrhunderts diese Semele begreifen, ihren Charakter aus dieser Allegorie auf das wahre Leben herauslesen? Es war einer theatralischen Aufführung, ob mit oder ohne Musik, ob mit oder ohne Inszenierung, schon immer eigen, dass in den betreffenden Werken dem Publikum ein Spiegel vorgehalten werden sollte. Das war Sinn und Zweck vor allem von szenischen Aufführungen. Was aber sehen wir im Spiegel bei einer Aufführung von Semele? Mit Deidamia (1741) hatte Händel seine letzte Oper geschaffen und leider einen Misserfolg gelandet. Das Werk Semele jedoch zeigt, dass er mit dem Genre Oper noch nicht abgeschlossen hatte. Die Zeit hatte sich gegen ihn gekehrt und die Öffentlichkeit liebte ihn nicht mehr. Irgendwie musste er geopfert werden, musste das Publikum, das ihm ein paar Jahre zuvor noch zu Füßen gelegen hatte, sich gegen ihn kehren. SEMELE OPER 27 Die unkonventionelle Form des Oratoriums erlaubte ihm quasi durch die Hintertür doch wieder mit einer Oper – auch wenn er selbst das Stück nicht so nennt – hervorzutreten. Es war wahrscheinlich Händels ursprüngliche Absicht Semele als ‚musikalisches Drama’ zu bezeichnen. Weil es aber im festen Kanon der in jener Zeit aufgeführten Stücke so etwas nicht gab, versuchte man es unter die Oratorien einzuordnen. Händels Coup war es, ein weltliches Thema aus der römischen Mythologie umzusetzen und nicht – wie durch ihn selbst auch mehrfach geschehen – ein religiöses beziehungsweise biblisches. Die heute zur Verfügung stehende Partitur enthält keine Angaben zum Ort der Handlung und auch keine Regieanweisungen. Für eine konzertante Aufführung, eine Aufführung in einer Kirche, war das auch nicht notwendig. Ein Komponist namens John Eccles hatte den Stoff bereits 1707 als Oper vertont auf ein Libretto von William Congreve. Händel verwendete diesen Text und ließ ihn von Newburgh Hamilton überarbeiten. Da es sich also im Ursprung um einen Text handelt, der für die Bühne geschrieben wurde, sind theatralische Gedanken, Entwicklungen und Effekte dem Werk inhärent. Doch die Herausforderung heute ist, dass man Lokalitäten definieren, den Figuren einen Raum und eine Handlung geben muss. Musikalisch zeigt sich Händel hier von seiner besten Seite. Der dritte Akt beispielsweise strotzt vor Einfallsreichtum und Diversität. Eine Folge von sehr unterschiedlichen Nummern kreiert ein dramatisches Gefüge von besonderem Reichtum: Semele zeigt sich als Geschöpf von größter 28 OPER SEMELE Eitelkeit in ihrer Arie „Myself I shall adore“ mit Koloraturen, bei denen deutlich wird, dass es schließlich auch ihre Selbstverliebtheit ist, die sie in den Tod führt. Hier besiegelt sie ihr eigenes Schicksal. Das darauf folgende Accompagnato-Rezitativ Junos „Conjure him by his Oath“ steht für das manipulative Machtspiel, die Inszenierung mit der die Gattin Jupiters Semeles Untergang in Gang setzt. Auch weiß Juno, welche Mittel sie einsetzen muss, womit sie Semele reizen kann. Mit der Arie „Thus let my thanks be pay’d“ zeigt sich kurz darauf Semele von einer ganz anderen, mehr lyrischen Seite, mit internalisierten Gefühlen. Es folgt ein erneuter Umschwung: Jupiter kehrt mit einem einfachen, um nicht zu sagen simplistischen und bewusst auch etwas langweiligen „Come to my Arms“ zur heimlichen Geliebten zurück, womit er versucht, Semele ein weiteres Mal in sein Bett zu ziehen! Der Komponist führt so in kürzester Zeit eine Bandbreite an Emotionen auf, die seine wahre Meisterschaft zeigen und gerade auch in ihrer theatralen Qualität davon zeugen, wie ungerechtfertigt die Kritik an ihm als Opernkomponist war. Am Ende des gesamten Werkes dann ist es besonders erstaunlich, dass Händel nicht mit ‚Pomp and Circumstance’ das sogenannte Oratorium abschließt, sondern den Tod Semeles eher klein und bescheiden gestaltet. Andere Komponisten hätten hier sicherlich noch einmal Blech und Pauken aufgefahren. Das Schicksal der Semele kennen wir vor allem aus den Metamorphosen des Ovid. Dort wird die fatale Empfehlung von Juno, verkleidet als Semeles Amme Beroe – also nicht als ihre Schwester Ino wie bei Elisabeth Duparc, die erste Semele Händel, ausgesprochen: Semele solle von ihrem Geliebten Jupiter verlangen, dass er sich ihr in seiner wahren Gestalt zeige. Dieser Trick, dieser hinterhältige Ratschlag, gibt heutigen Lesern und Interpreten gleichzeitig einen Schlüssel in die Hand, wie man die Frage nach der ‚wahren Gestalt’ heute lösen kann, wenn Ovid Juno bemerken lässt: „Schon viele sind unter dem Namen von Göttern in keusche Gemächer eingedrungen.“ Also haben wir freie Hand bei der Interpretation, denn wir haben – sicher anno 2017 – Jupiter noch nie gesehen. Und auch alle historischen Abbildungen des Gottes mit Lockenpracht und Blitz in der Faust sind Interpretationen. Wir wissen also gar nicht wie er in Wirklichkeit aussieht oder jemals ausgesehen hat. Wer sind diese Götter heute überhaupt? Eine brennend-schwierige Frage für Inszenatoren, die sich mit Augen des 21. Jahrhunderts einem mythologischen Stoff nähern wollen. Wir kennen heute die Götter in weiß mit ihrem Arztkittel und deren Assistentinnen, die Götter am Schlager- oder am Sporthimmel und ihre Groupies. Meistens haben sie Geld, also haben sie auch Macht. Und ab und zu dringt auch etwas durch die geheimen Regierungstüren und -mauern von Affären von hohen Politikern mit Hospitantinnen. Hier müssen wir unseren Jupiter suchen. Ein hohes Tier, wenn nicht das höchste überhaupt. Doch noch immer haben wir die Frage nach der ‚wahren Gestalt’ nicht gelöst. Wie kann Semele, das Groupie oder die Assistentin oder Hospitantin diese Gestalt denn nicht kennen? Sie hat doch bereits mit ihm geschlafen, sie ist von ihm geschwängert worden! Die ‚wahre Gestalt’ ist im übertragenen Sinn zu verstehen. Der Machthaber als er selbst, aber dann seine Affäre und Beziehung eingestehend, sie öffentlich machend. Eine unmögliche Forderung! Zu Händels Zeiten, also im Barock und vor allem im darauf folgenden Rokoko, waren SEMELE OPER 29 erotische Eskapaden durchaus erlaubt, so lange sie nicht ernst genommen wurden oder die öffentliche Ordnung antasteten. Die Geschichte ist reich an Beispielen von Herrschern und ihren Mätressen, die einmal selbst probierten, die Macht zu erlangen, ein andermal zu Fall gebracht wurden, weil sie nicht in das herrschende Machgefüge passten. Wie viele Staatsmänner, Könige und Minister kamen nicht zu Fall, weil Indiskretionen nach außen drangen oder weil die Ambitionen der meist jungen Damen das überschritten, was ihre übergroßen Liebhaber (oder Götter) ihnen zugestehen konnten. Die Masse aber richtet sich nach dem, was ihnen als Information zugespielt werden konnte. Dann muss das schwächste Glied einer Kette brechen, wird zerstört und vernichtet. Der Machthaber bleibt meistens der Stärkere. Und ein kleines Mädchen, das vielleicht zu eitel, zu ambitioniert, zu verliebt war, muss verbrennen. Das Blitzlichtgewitter der Yellow Press zerstört, was vielleicht als kleiner Flirt oder mit einer Nummer in der Besenkammer begann und im Laufe der Zeit die Ausmaße einer Staatsaffäre oder zumindest eines handfesten Skandals angenommen hat. Dabei ist in diesem Werk auch die Eitelkeit oder sogar Hybris der Titelfigur durchaus ein bestimmender Faktor. So wie man sich mit dem Verführer Jupiter gleichzeitig identifizieren und ihn ablehnen kann, gilt dies auch für das Mädchen Semele, deren Charme und Jugend überzeugend sind, die aber auch mit ihrem Drang nach Höherem und ihrer Eitelkeit zwiespältig gesehen werden muss. Sie ist der Versuchung erlegen, eine Affäre mit einer höher gestellten Persönlichkeit zu beginnen und so muss sie auch die Konse30 OPER SEMELE quenzen tragen. So lange die bestehende Ordnung nicht in Gefahr ist, ist alles erlaubt. Doch wenn, so wie Jupiter und Juno, auch die zerstrittensten Parteien wie Pech und Schwefel zusammenhalten, wenn ihre Eigenständigkeit oder gar ihre – gemeinsam erworbene – Macht angetastet zu werden droht, kann mit eigener Kraft eine Figur wie Semele sich nicht mehr aus ihrer Lage befreien. Am Ende kommt Jupiter Clinton – und hier ließen sich noch beliebig viele andere Nachnamen diverser Machthaber einfügen! – noch einmal mit heiler Haut davon. Glücklicherweise geht es dabei nicht um das Erkennen oder gar Beurteilen von Schuld oder Unschuld. Der Zuschauer kann sich darüber amüsieren, kann Verbindungen zu seiner eigenen Zeit erkennen und sich ein Beispiel vielleicht auch zu Herzen nehmen. Als Komponist macht sich Händel dabei zum Anwalt seiner Titelfigur, indem er ihr die schönste Musik gibt, die sich denken lässt und entlarvt dabei die Doppelmoral einer Öffentlichkeit, die in mythischer Vorzeit, zu Händels Zeiten und eben auch heute gleichermaßen zutreffend ist. Er selbst hatte Vergleichbares am eigenen Leib erfahren, es aber dank seiner Kunst von sich fernhalten können. Interessanterweise waren diverse sexuelle Anspielungen im Stück bei der Uraufführung gestrichen, weil so etwas in einem Oratorium nicht gewünscht und auch nicht am richtigen Ort war. Nun ja, die Götter wohnen überall! Sie anzuflehn steht schwachen Menschen schön. Die Götter sind, wo Du bist – Semele … Was hier Friedrich Schiller Juno in seiner dramatischen Szene des gleichen Stoffes ausdrücken lässt, hätten sich die Semeles aller Zeiten merken müssen. Ob sie aber danach gehandelt haben würden, bleibt offen. Es wäre schade gewesen, denn dann hätten wir ein paar wichtige Kunstwerke weniger gehabt. Wir verstehen Semele als eine Allegorie auf das wahre Leben, auf alle bigotten Jupiters, alle keifende Junos und alle naiv-ambitiösen Mädchen, die glauben berühmt werden zu müssen um somit ebenso unsterblich zu werden wie die Männer, für die sie sich hergeben. Der Sinnverlust der Gegenwart – und im Moment des Schaffens hat jedes Kunstwerk seine Gegenwart – setzte schon immer kreative Kräfte frei. Und in Zeiten von Orientierungslosigkeit und Werteverfall besinnt man sich gerne wieder auf bekannte Größen und beispielhafte Lehren. Die Oper aber hält die Stoffe aus mythologischer Vorzeit am Leben und lässt sie uns häufig moderner denn je erscheinen. Wir müssen die antiken Stoffe mit unseren heutigen Augen lesen. Das Theater, und hier selbstverständlich auch oder gerade das Musiktheater, ist als Kunstform zu einer Mischung aus Extase und Verstand geworden. Dies ist es bis heute geblieben. Es kann zwar selbst nicht gesellschaftliche Zustände verändern oder Lösungen anbieten. Es kann aber bewußt machen, kann Konflikte aufzeigen, zu denen der Zuschauer Position beziehen muß. Manchmal sogar mit überwältigend schöner Musik und viel Humor. von Klaus Bertisch SEMELE OPER 31 KLAUS BERTISCH IM GESPRÄCH MIT REGISSEUR FLORIS VISSER & DIRIGENT CHRISTOPHER MOULDS DAS SPIEL MIT DER MACHT Wenn man den Klavierauszug von Georg Friedrich Händels Semele aufschlägt, steht als Stückbezeichnung unter dem Titel ‚Oratorium’. Der Komponist hatte sich in den Jahren der Entstehung tatsächlich von dem Genre Oper abgewendet, sei es aus Konkurrenzangst, aus Frustration über die kulturellen Entwicklungen im London jener Zeit oder aus welchem Grund auch immer. Dennoch sind die dramatischen Impulse, die sich im Werk finden nicht zu verkennen. Im Gespräch mit dem Dirigenten Christopher Moulds und dem Regisseur Floris Visser ist die Frage ‚Oper oder Oratorium’ der Ausgangspunkt, um sich danach aber ganz schnell den Inhalten, die den Besuchern der Vorstellung präsentiert werden, zuzuwenden. Christopher Moulds Eigentlich macht das nicht so viel aus. Ich behandle das musikalische Material nicht wirklich anders. Dem Chor kommt in einem Oratorium natürlich eine wichtigere Rolle zu. In den Opern jener Zeit waren die Chorszenen wesentlich kleiner. Aber wenn gesagt wird, dass ein Oratorium weniger dramatisch sei, ist das bei Semele sicher nicht richtig. Klaus Bertisch Ist Semele nun wirklich ein Oratorium oder doch eine Oper? CM Und die erzählerische Entwicklung funktioniert auch anders. 32 OPER SEMELE Floris Visser Vielleicht ist die Tatsache, dass Händel eine Orgel einsetzte ein Hinweis. Durch die Instrumentation kann man vielleicht die Verbindung zur Kirchenmusik erkennen oder die Häufigkeit, mit der der Chor eingesetzt wird. Auch sind die Rezitative wesentlich kürzer als bei einer ‚echten’ Oper. Floris Visser & Christopher Moulds KB Vielleicht können wir deshalb auch so wenig streichen, weil wir alle Informationen, die gegeben werden, für die Handlung benötigen. Opern waren auf Italienisch und niemand in London konnte wirklich immer der Handlung folgen. Von Händel gibt es keine englischen Opern! FV Das hat Konsequenzen für die Inszenierung, denn das Libretto ist eher abstrakt und gibt wenig Andeutungen darüber, wo wir uns befinden. Meine Phantasie ist viel mehr gefragt. Ich muss erfinderisch zu Werke gehen. Man muss sich mehr Situationen ausdenken, um einzelne Nummern szenisch wirklich gestalten zu können. FV Er musste es ‚Oratorium’ nennen, um den Unterschied deutlich zu machen und auch die Wende in seiner Karriere anzudeuten. Freunde waren ihm in den Rücken gefallen. Sein Erfolg hatte nachgelassen. Um weiter arbeiten zu können, um beim Publikum wieder einen Eindruck zu machen, musste er sich selbst neu erfinden. CM Bei den Oratorien in englischer Sprache wusste Händel, dass das, was er schrieb, auch verstanden wurde. Seine KB Kommt er nicht durch die Hintertür gerade mit Semele wieder zur Oper? Nennt er das Werk nicht einfach ‚Oratorium’, um sich SEMELE OPER 33 doch wieder mit einer Oper zu profilieren. Immerhin war das Libretto ursprünglich ein Text, der für eine Oper geschrieben war. FV Außerdem ist es kein biblisches Thema, das hier verhandelt wird wie in Jephtha, Belshazzar oder etwa in Saul, wo die Verbindung zur Kirche unmittelbar deutlich wird. CM Es war ja verboten, religiöse Themen auf die Opernbühne zu bringen. Nun macht Händel es umgekehrt. Er verwendet für ein Oratorium ein mythologisches Thema. FV Das war vielleicht auch der Skandal, den Semele verursachte: Die Zuschauer hatten ein biblisches Thema erwartet. Stattdessen wurden sie mit einem Werk konfrontiert, in dem es um Untreue ging. Die Leute waren schockiert, weil es voll von Verbalerotik war – für ein Oratorium eigentlich undenkbar. Man erwartete ein geistliches Werk und wurde mit etwas sehr Weltlichem konfrontiert. Hinzu treten humoristische Elemente, die eine wichtige Rolle spielen. Deshalb ist für mich als Regisseur die Frage, ob es ein Oratorium oder eine Oper ist, relativ unerheblich. Ich behandle diesen sehr opernhaften Stoff natürlich wie eine echte Oper. Und Händel selbst greift auf das zurück, was er am besten kann, nämlich Opern schreiben. Er war ja auch ein Geschäftsmann. Er wollte Karten verkaufen. 34 OPER SEMELE KB Über Humor gesprochen: Es war in den achtziger und neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts sehr en vogue, Händel ironisch zu inszenieren. Welche Rolle spielt hier der Humor wirklich und was ist das Rezept, die unterschiedlichen Elemente heute sinnvoll auf die Bühne zu bringen? FV Es ist für mich ein Stück über das Leben und deshalb sind die Emotionen genau so wichtig. Es hat Witz. Ich will nicht im voraus festlegen, tragische oder komische Szenen zu machen. Die Komödie ergibt sich aus den Situationen. Die Darsteller müssen ihre Szenen ernst nehmen, um sich behaupten zu können und erst aus dem Zusammenspiel ergibt sich, ob der Zuschauer dann lachen oder weinen muss. Wir werden bei Händel mit dem Leben selbst konfrontiert. KB Und wie ist das in der Musik? CM In Händels Opern, etwa bei Xerxes, ist der Humor, aber auch die Tragik, viel mehr auskomponiert. Hier zeigt sich das Alles viel subtiler. In diesem Sinne ist die Musik selbst hier vielleicht weniger theatralisch. FV Man kann „Endless pleasure, endless love“ von Semele im ersten Akt natürlich vollkommen seriös nehmen. Aber wir haben hier ein verwöhntes Kind vor uns, das gar nicht merkt, welchem Schicksal es sich selbst ausliefert, oder wenn Juno im dritten Akt feiert, dass sie schlussendlich Semele besiegt und überwunden hat. Das geschieht alles mit einem solchen Überschwang, dem man entsprechend szenisch auch begegnen muss. Aber man kann dieser Ausgelassenheit oft auch nicht vertrauen. Wenn etwas heroisch erscheint, ist das oft falscher Heroismus, wenn etwas ausbündig gefeiert wird, folgt der Untergang sicher bald auf dem Fuße. Juno ist häufig sehr zynisch in der Weise wie sie Semele behandelt. KB Du hast Dich dementsprechend auch für einen ‚realistischen’ Angang entschlossen. Wir nehmen die Charaktere und ihre Gefühle ernst. Aber wir transportieren sie in unsere Zeit. Was ist modern an diesen Figuren und an diesem Stück? FV Modern ist vor allem das Machtspiel, das in dem Stück verhandelt wird, besonders wenn wir an das heutige Amerika denken. Alles wird im Licht der Öffentlichkeit ausgetragen. Für die eigene Karriere gehen Menschen über Leichen. Da ist man bei Figuren wie Juno und Jupiter schnell bei den großen Repräsentanten der Macht unserer westlichen Welt. Beide machen sich gleichermaßen schuldig am Untergang von Semele. Juno setzt das zwar in Gang, aber auch Jupiter weiß, was er anrichtet, sobald er sein Auge auf Semele geworfen hat, das Mädchen sich in ihn verleibt hat und er seine Hände nicht bei sich halten kann. Da sind die Clintons und die Affäre um Monica Lewinsky nicht weit! Und das ist auch nur ein Beispiel. Alle haben ihre dunklen Seiten. Es geht um das Spiel mit der Macht. Juno und Jupiter, oder Hillary und Bill, können untereinander streiten so viel sie wollen, aber sobald sich jemand zu dicht an sie heranwagt und das Machtgefüge damit gefährdet, muss diese Person geopfert werden. Die Serie House of Cards war dabei für uns auch eine wichtige Referenz. KB Was heißt das für die Musik? Kann man da auch mit Realismus argumentieren? CM Auch die Musik ist realistisch in diesem Sinne, denn sie kommt direkt aus dem Herzen. Ich denke nicht, dass Händel sich vorgenommen hat, nur formale Aspekte zu erfüllen. Auch wenn er sich an Formen hielt, wollte er die Emotionen deutlich machen und damit seine Zuhörer und Zuschauer erreichen. FV Dennoch ist die Form sehr bestimmend. Natürlich ist die da-capo Arie das Rückgrat der Barockoper oder des Oratoriums dieser Zeit. Interessant wird es immer dann, wenn Komponisten wie Händel oder auch der junge Mozart beginnen, mit der Form zu spielen, wenn sie ein Secco-Rezitativ SEMELE OPER 35 aufbrechen, um ein Accompagnato einzufügen. Das sind Schlüsselmomente, die für einen Regisseur extrem wichtig sind. In Semele sind es häufig die Chorszenen, die durch zahlreiche kleine Einschüben die Form völlig neu erscheinen lassen. Solche Erfindungen sind typisch Händel. Das macht seine Kreativität aus! FV Ein anderer Komponist hätte da vielleicht eine große Arie mit viel Blech und Pauken geschrieben. Händel aber versteht das Drama. Es wird ein kleiner, fast zärtlicher Liebestod, inspiriert von der originalen Quelle, den Metamorphosen des Ovid. Da versteht Händel die menschliche Seite der Götter und bringt das so zum Ausdruck. KB Ist das für Dich eine Herausforderung? KB Wie gehst Du überhaupt mit Göttern auf der Bühne um? Ist das nicht heute besonders schwierig und schwierig vor allem auch bei einem realistischen Angang? Was ist Unsterblichkeit heute? FV Absolut! Manchmal besteht ein Text nur aus vier Sätzen, die dann scheinbar endlos wiederholt werden. Für jede Wiederholung, jede Phrase, jeden Abschnitt muss man eine Aktion finden, eine Haltung, eine Emotion, um die Musik zu rechtfertigen. Was ich inszeniere kommt immer direkt aus der Musik. Der Impetus, den die Musik hat, bestimmt selbst das Bühnenbild. Da muss es dann bei einem bestimmten Moment eine Kirche, das Pantheon oder etwas Ähnliches sein. Musikalische Ornamente müssen eine Bedeutung haben und nicht Selbstzweck sein. Da arbeiten Chris und ich auch sehr eng zusammen und versuchen Dinge gemeinsam zu entwickeln und zu bestimmen. Übergänge, Pausen müssen dramatisch motiviert sein. CM Zum Beispiel, wenn Semele in ihrer Todesszene anfängt zu sprechen: Das war völlig neu! Ist aber natürlich inhaltlich motiviert. 36 OPER SEMELE FV Ja, das war enorm kompliziert. Aber wir haben den Schlüssel gefunden in der Rolle, den die Öffentlichkeit heute spielt. Die Presse macht bestimmte Figuren zu Ikonen, macht sie gewissermaßen unsterblich, und kann sie im gleichen Augenblick wieder fallen lassen und zerstören. Die Gesellschaft kann dich unsterblich werden lassen, sowohl im positiven wie im negativen Sinne. Da ist Monica Lewinsky sicher ein gutes Beispiel. Man erinnert sich an sie als die Mätresse des Präsidenten, ob Clinton jetzt die Situation ausgenutzt hat oder nicht. Wir alle lieben doch negative Schlagzeilen. Es geht um die Scheinheiligkeit, mit der die Gesellschaft nach Ikonen verlangt, sich aber das Recht nimmt, sie auch gleich wieder zu verurteilen und zu vernichten. Dilara Baștar, Terry Wey, Jennifer France, Ks. Edward Gauntt in den Proben zu Semele KB Ist das vielleicht auch etwas, was Händel als Thema besonders interessierte. Er wollte sich nicht konform aller Erwartungen verhalten. Hat in jener Zeit ein Opernangebot abgelehnt und sich in einem neuen Genre ausprobiert. CM Er hatte Misserfolge, wurde krank und kam wieder hoch wie der Phönix aus der Asche. Er war selbst eine Ikone und konnte sich als solche auch behaupten. affäre! Und die Form gibt mir eine große Freiheit. Ich will natürlich eine Geschichte erzählen. Das ist das Fundament, aber die da-capo Struktur gibt mir die Möglichkeit, ein breites Spektrum an Emotionen zu zeigen. Ich hatte zunächst eine Reserviertheit gegenüber dem Stück, aber als ich die Verbindung zu unserer eigenen Zeit gefunden hatte, war ich überzeugt, dass wir dieses Oratorium auf die Bühne bringen müssen. FV Wir wollen doch alle nur zu gerne unsterblich werden, wissen aber gleichzeitig, dass wir im Scheinwerferlicht verbrennen. Unsere Zeit ist voll von diesen Beispielen, von Amy Winehouse bis Kurt Cobain; ich denke auch an jemanden wie Marylin Monroe, gleichfalls eine PräsidentenSEMELE OPER 37 CHRISTOPHER MOULDS Musikalische Leitung Christopher Moulds stammt aus Halifax und studierte Klavier und Dirigieren unter anderem an der Guildhall School of Music and Drama und am Royal College of Music. Von 1994 bis 1998 war er Chordirektor in Glyndebourne und leitete Aufführungen von La clemenza di Tito, Carmen und Birtwistles The Last Supper für die Glyndebourne Touring Opera. An der Bayerischen Staatsoper München dirigierte Christopher Moulds Monteverdis Il ritorno d’Ulisse, Cavallis La Calisto und Händels Ariodante sowie Alcina und Orlando bei den Münchner Opernfestspielen. Für die Salzburger Festspiele dirigierte er La clemenza di Tito mit den Wiener Philharmonikern. 2003 gab Christopher Moulds sein Debüt an der Nederlandse Opera in Amsterdam mit dem Concerto Köln in einer Neuproduktion von Händels Samson. Er dirigierte darüber hinaus Die Zauberflöte am Grand Théâtre Luxembourg mit der 38 OPER SEMELE Camerata Salzburg, Ariodante sowie Die Zauberflöte an der English National Opera, L’Orfeo und Radamisto an der Opera North sowie Konzerte mit dem London Philharmonic Orchestra, dem Mozarteum Orchester Salzburg und der Akademie für Alte Musik Berlin. Er gab sein Debüt an der Opéra de Lyon mit Don Giovanni, am Theater an der Wien mit L’incoronazione di Poppea und am Bolschoi-Theater in Moskau mit Die Zauberflöte und Don Giovanni. Zu seinen zukünftigen Projekten zählen La finta giardiniera für die Glyndebourne Touring Opera und Il re pastore in Winterthur, eine Produktion des Opernhaus Zürich, sowie Wiederaufnahmen von Die Entführung aus dem Serail an der Staatsoper im Schiller Theater Berlin, Ariodante am Aalto Theater Essen und Monteverdis L’Orfeo an der Bayerischen Staatsoper München. FLORIS VISSER Regie Floris Visser, geboren in Amsterdam, gehört zu den international gefragten Opernregisseuren der jüngeren Generation. Seit 2013 hat er zudem die Leitung der Operncompagnie Opera Trionfo aus Amsterdam inne. Er studierte Regie und Schauspiel an der Akademie für Darstellende Künste in Maastricht sowie Klassischen Gesang am Königlichen Konservatorium in Den Haag. Nach seinem Abschluss assistierte er mehrfach an der Opernakademie in Den Haag, sowie bei Willy Decker an De Nationale Opera Amsterdam. Er gab außerdem szenischen Unterricht und Dramaturgiekurse für junge Sänger an verschiedenen Konservatorien in den Niederlanden. Er ist ein vielgefragter Dozent bei Workshops und Meisterkursen. Beim internationalen Theaterfestival in Amsterdam führte er Regie bei Poulencs La Voix humaine. Es folgten unter anderem Händels Agrippina am Königlichen Theater Den Haag und am Teatro Communale Modena, Mozarts La clemenza di Tito am Lucent Danstheater Den Haag und Anghiari Festival, Rossinis Il signor Bruschino am Concertgebouw Amsterdam und Konzerthaus Berlin und Bizets Carmen in Delft. 2011 adaptierte er Viktor Jerofejevs Erzählung und Alfred Schnittkes Oper Leben mit einem Idioten zum 25-jährigen Jubiläums des Muziektheaters Amsterdam. Zu Floris Vissers jüngsten Inszenierungen gehören Mozarts Così fan tutte am Bolschoi Theater Moskau, Brittens Owen Wingrave an der Opera Trionfo, Glucks Orphée et Eurydice für De Nederlandse Reisopera, Puccinis La Bohème in Osnabrück und Janácĕks Jenůfa an der Staatsoper Hannover. 2013 erhielt Floris Visser den Charlotte Köhler Preis. Seine Inszenierung von Orphée et Eurydice wurde vom «Opernmagazin» in den Niederlanden zur Oper des Jahres 2015 ernannt. Am Opernhaus Zürich inszenierte er 2016 die Uraufführung der Kinderoper Der Zauberer von Oz. Floris Visser ist Professor für Kulturwissenschaft an der Technischen Universität Delft. SEMELE OPER 39 GIDEON DAVEY Bühne & Kostüme Gideon Davey stammt aus Bristol und ist ein vielgefragter Bühnen- und Kostümbildner. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, so als Kostümbildner des Jahres in der Opernwelt und erhielt den Österreichischen Theaterpreis als Ausstatter des Jahres. Für Floris Visser entwarf er das Bühnenbild zu Così fan tutte am Bolshoi Theater in Moskau, sowie Bühnenbild und Kostüme zur Uraufführung von Der Zauberer von Oz am Opernhaus Zürich. Eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn mit dem Regisseur David Alden, mit dem er Luisa Miller in Lyon, Radamisto für die English National Opera, Der Ring des Nibelungen, La forza del destino und Il ritorno d’Ulisse in patria in München, Alcina in Berlin, Giasone beim Spoleto Festival, Don Giovanni in Köln, die Uraufführung von Powder Her Face am Almeida Theatre London, Die Meistersinger von Nürnberg in Amsterdam, sowie Der Zigeunerbaron und Faust an der Volksoper Wien erarbeitet 40 OPER SEMELE hat. Er arbeitet regelmäßig mit Regisseuren wie Robert Carsen – Agrippina, Platée am Theater an der Wien und der Opéra Comique in Paris, Armide am Théâtre des Champs-Elysées, Rinaldo in Glyndebourne und Das schlaue Füchslein in Strassburg und Lille – und Andreas Homoki, für Roméo et Juliette in München, La traviata in Dresden, Der Rosenkavalier und die Uraufführung Robin Hood an der Komischen Oper Berlin, David et Jonathas in Aix-en-Provence, sowie Luisa Miller in Hamburg. Weitere Arbeiten waren Rossis Orfeo in Regie von Jetske Mijnssen in Nancy, Bordeaux und Versailles, L’Orontea mit Wally Sutcliffe in Frankfurt, sowie Tancredi am Theater an der Wien und Acis und Galatea in Innsbruck mit Stephen Lawless. Zu seinen Zukunftsplänen gehören Wozzeck am Theater an der Wien, Loreley beim Festival in St. Gallen, Lohengrin am Royal Opera House in London, Idomeneo und Maria Stuarda in Zürich und Eugen Onegin in Graz. CARSTEN WIEBUSCH Chorleitung Carsten Wiebusch, geboren 1969 in Göttingen, studierte an den Musikhochschulen Düsseldorf und Stuttgart sowie an der Folkwanghochschule in Essen. Dabei gehörten Hans-Dieter Möller und Jon Laukvik, Orgel, Ralf Otto, Dirigieren und Thomas Palm, Klavier, zu seinen prägenden Lehrern. Er errang verschiedene Preise bei internationalen Orgelwettbewerben, so den August-Gottfried-Ritter-Wettbewerb Magdeburg 1995 und Johann-SebastianBach-Preis Wiesbaden, 1. Preis 1995, und konzertierte in zahlreichen europäischen Ländern, in Russland und den USA. 1993 bis 1999 war er Organist an der spätromantischen Walcker-Orgel in Essen-Werden. Seit 1999 ist Carsten Wiebusch Kantor und Organist der Christuskirche Karlsruhe, einem der kirchenmusikalischen Zentren Südwestdeutschlands. Neben einer umfangreichen Orgelkonzerttätigkeit, zum Beispiel der Gesamtaufführung des Bach’schen Orgelwerkes, leitet er an der Christuskirche den Oratorienchor Karlsruhe und den Kammerchor, der sich einen hervorragenden Ruf als einer der führenden Chöre der Region erworben hat und bei Festivals wie den Moselfestwochen oder den HÄNDEL-FESTSPIELEN zu Gast war. Carsten Wiebusch hat bereits sowohl nahezu alle wichtigen Oratorien wie auch eine Reihe Karlsruher Erstaufführungen wie Messiaen oder Tippett dirigiert. Schwerpunkte seines Orgelrepertoires bilden die Werke Bachs, Regers, der französischen Romantik und der klassischen Moderne. Mehrere Komponisten schrieben Werke für ihn, zuletzt spielte er 2012 eine Uraufführung eines großen Orgelwerkes von Wolfgang Rihm. Als Organist, Dirigent und Klavierbegleiter liegen eine Reihe von Rundfunk- und Fernsehaufnahmen vor. Seit 2000 unterrichtet er eine Orgelklasse an der Musikhochschule Karlsruhe. SEMELE OPER 41 ALEX BROK Licht KLAUS BERTISCH Dramaturgie Der Lichtdesigner Alex Brok studierte in Amsterdam. 1999 setzte er sein Studium in den USA fort. Dort schuf er zahlreiche Entwürfe für die Theaterfakultät Stanford und die San Francisco Opera. Nach seiner Rückkehr in die Niederlande arbeitete er als Lichtdesigner für Oper, Schauspiel und Tanz mit führenden Regisseuren und Choreographen in ganz Europa und setzte die Konzepte bedeutender Bühnenbildner ins rechte Licht. Mit Floris Visser arbeitete er bei La clemenza di Tito, Carmen, Owen Wingrave, La Bohème, Agrippina oder Jenufa. Er schuf das Licht für die von der Kritik hochgelobte Produktion von Così fan tutte in Moskau, sowie für Orphée et Eurydice von De Nederlandse Reisopera, beide ebenfalls in Regie von Floris Visser. Zukünftige Projekte sind Uraufführungen bei De Nationale Opera Amsterdam, La traviata bei De Nederlandse Reisopera, Mosé in Egitto bei den Bregenzer Festspielen und Il trittico an der Bayerischen Staatsoper München. Klaus Bertisch begann als Dramaturg an der Oper Frankfurt. Von 1987–1990 arbeitete er als Dramaturg und Autor für das Siemens Kultur Programm in München. Seit 1990 ist er Chefdramaturg an De Nationale Opera Amsterdam. Inzwischen wird er auch häufig als Regisseur gefragt und hat sich auf szenische Recitals spezialisiert. In Amsterdam inszenierte er Lehárs Die lustige Witwe und Schostakovitchs Fragment Die Spieler. Er arbeitete mit Regisseuren wie Willy Decker in Amsterdam, Leipzig, Dresden, Salzburg und Barcelona, mit Dale Duesing in Berlin, Floris Visser in Moskau und Pierre Audi in Amsterdam, Brüssel, Madrid, Salzburg, Ruhrtriennale. Er unterrichtete am Operastudio Nederland und an der Universität von Amsterdam, sowie in Aix-en-Provence. Zu seinen Veröffentlichungen zählen die Sammlung Schwanenmärchen, ein Band über die Regisseurin Ruth Berghaus, sowie die Biografie über den Komponisten Leo Smit Unerhörtes Talent. 42 OPER SEMELE JENNIFER FRANCE Semele ED LYON Jupiter Sie studierte am Royal Northern College of Music und an der Royal Academy of Music in London. 2014 gewann sie den Liedpreis der Kathleen Ferrier Awards. Engagements führten sie an die Garsington Opera, Opera North, Opera Holland Park und British Youth Opera, zum BBC Symphony Orchestra und zum Winterthur-Festival. Der britische Tenor studierte am St. Johns College Cambridge und an der Royal Academy of Music. Seine Konzertengagements umfassen Auftritte mit dem Mozarteum Orchester Salzburg, Les Arts Florissants, BBC Symphony Orchestra, Konzerte beim Edinburgh International Festival und bei BBC Proms. Auf der Opernbühne war Ed Lyon bereits unter anderem in der Titelpartie von Orfeo beim Festival in Aix-en-Provence zu erleben. Am Royal Opera House Covent Garden sang er Lysander in Brittens Sommernachtstraum und Hylas in Die Trojaner. Des Weiteren sang er in Monteverdis Krönung der Poppea und Il ritorno d’Ulisse in patria an der Netherlands Opera, Hyllus in Händels Hercules in London und New York. Beim Glyndebourne Festival kreierte er verschiedene Tenor-Partien in Purcells The Fairy Queen sowie die männliche Titelpartie in Rameaus Hippolyte et Aricie. 2013/14 gastierte er als Don Ottavio in Mozarts Don Giovanni an der Scottish Opera. In dieser Spielzeit gastiert sie als Beethovens Marzelline und Mozarts Susanna beim Orchestre de Chambre de Paris und an der Garsington Opera, als Ophelia in Brett Deans Hamlet bei Glyndebourne On Tour, als Esilena in Händels Rodrigo bei La Nuova Musica in Florenz, als Giulia in Rossinis Seidener Leiter an der Scottish Opera und als Zerbinetta in Ariadne auf Naxos an der Nederlandse Reisopera. Außerdem stehen ihre Debüts am Londoner Covent Garden, der Nederlandse Opera Amsterdam und der Hamburgischen Staatsoper an. Für Hyperion spielte sie die Lieder von Debussy ein. SEMELE OPER 43 TERRY WEY Athamas KATHARINE TIER Juno Terry Wey, für das Fachmagazin Fono Forum inzwischen einer der Besten seines Faches, ist ständiger Gast der wichtigsten Barock-Festivals und arbeitet regelmäßig mit den bedeutendsten Dirigenten dieses Repertoires zusammen. In Karlsruhe kennt man ihn bereits aus den Händelopern Partenope und Teseo. Wichtige Konzertverpflichtungen fuhren den Countertenor unter anderem nach Amsterdam, Stuttgart, Lissabon und in die Londoner Wigmore Hall. Mit dem Boston Early Music Festival trat er beim Festival MusicaDia von Radio Bremen in der Oper Niobe von Agostino Steffani auf. In Seattle folgte sein US-Debüt in beiden Passionen von J. S. Bach. Im Wiener Konzerthaus begeisterte er in Bachs Messe h-moll. Zu den wichtigsten Verpflichtungen der vergangenen Spielzeiten zählen unter anderen Bachs Messe h-moll in Luzern und seine Rückkehr zu den Händelfestspielen Halle als Ruggiero in Alcina. Als ehemaliges Mitglied des Adler Fellowship Programs der San Francisco Opera trat die australische Mezzosopranistin an zahlreichen internationalen Opernhäusern auf, darunter an der San Francisco Opera und an der Deutschen Oper Berlin. 44 OPER SEMELE Seit der Spielzeit 2011/12 ist sie am STAATSTHEATER engagiert und war hier bereits als Didon in Die Trojaner sowie als Octavian in Der Rosenkavalier, als Grand Vestale in Die Vestalin, als Krystina in Die Passagierin, als Mrs. Sedley in Peter Grimes, in der Titelpartie von Carmen sowie als Waltraute und als Zweite Norn im Ring des Nibelungen zu hören. Zuletzt sang sie Kitty Oppenheimer in Doctor Atomic, Orlofsky in Die Fledermaus, die Titelpartie in Iphigenie auf Tauris oder Brangäne in Tristan und Isolde. In der Spielzeit 2016/17 singt sie unter anderem Fricka und Waltraute in Die Walküre und Fricka in der Wiederaufnahme von Das Rheingold. DILARA BAŞTAR Ino Ks. EDWARD GAUNTT Cadmus Die türkische Mezzosopranistin wurde 1988 in Istanbul geboren. 2002 begann sie ihr Musikstudium am Staatlichen Konservatorium der Universität Istanbul, das sie 2006 am Staatlichen Konservatorium der Mimar Sinan-Universität fortsetzte. Die Sängerin ist Preisträgerin mehrere Gesangswettbewerbe, darunter der Erste Preis des Siemens Gesangswettbewerbs in der Türkei, mit dem sie 2012/13 einen Platz im Karlsruher OPERNSTUDIO gewann. Edward Gauntt ist gebürtiger Texaner. Er schloss sein Musikstudium an der Baylor University in Waco, Texas, mit Auszeichnung ab. Für die Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien erhielt er ein Stipendium. Seit 1985 ist er Ensemblemitglied am STAATSTHEATER KARLSRUHE. 2006 wurde ihm der Titel Kammersänger verliehen. In den vergangenen Spielzeiten sang er untere anderem Sulpice in Die Regimentstochter, Peter in Hänsel und Gretel, Monterone in Rigoletto. Es folgten Partien wie Beckmesser in Die Meistersinger von Nürnberg und Faninal in Der Rosenkavalier. Im Juli 2015 gestaltete er anlässlich seines 30jährigen Bühnenjubiläums in Karlsruhe einen Liederabend Populär mit einem Crossover von Gospel bis Klassik. Am STAATSTHEATER sang sie Cherubino in Die Hochzeit des Figaro, Hannah in Die Passagierin oder Pasqualita in Doctor Atomic. Zur Spielzeit 2014/15 wurde Dilara Baştar fest ins Karlsruher Opernensemble übernommen und war in der Titelpartie in Fantasio, als Dorabella in Così fan tutte und als Romeo in Bellinis I Capuleti e i Montecchi zu erleben. 2016/17 singt sie Ino in Semele und Sesto in La clemenza di Tito. In der Spielzeit 2016/17 ist er als Dulcamara in Der Liebestrank und als Alfred P. Doolittle in My Fair Lady zu erleben. SEMELE OPER 45 HANNAH BRADBURY Iris YANG XU Somnus Die englische Sopranistin Hannah Bradbury wurde soeben für ihre Verkörperung der Lisa in Bellinis La Sonnambula am Salzburger Landestheater mit dem Österreichischen Musiktheaterpreis als Beste Nachwuchskünstlerin 2016 ausgezeichnet. Sie gehörte dem Ensemble des Hauses von 2014 bis 2016 an und sang dort Partien wie Fiorilla in Rossinis Il Turco in Italia, Marzelline in Fidelio und Zerlina in Don Giovanni. Der chinesische Bassbariton Yang Xu wurde 1985 in Hegang im Nordosten des Landes geboren. 2003 nahm er sein Studium am Zentralen Konservatorium für Musik Beijing auf. Auf den Bühnen des Jahrhunderttheaters und des National Centre for the Performing Arts Beijing debütierte er 2005 als Douphol in La Traviata, als Zweiter Geharnischter in Die Zauberflöte und Onkel Bonze in Madama Butterfly. 2010 war er in Moskau als Gremin in Eugen Onegin zu hören. Ab 2011 setzte er sein Studium bei Maria Venuti in Karlsruhe fort. 2013 bis 2015 war er Mitglied im Opernstudio des STAATSTHEATERS KARLSRUHE, wo er als Graf Ribbing in Ein Maskenball oder Hahnkerl in der Kinderoper Wo die wilden Kerle wohnen, sowie als Skythe in Iphigenie auf Tauris zu erleben war. Seit 2016 ist er Ensemblemitglied des STAATSTHEATERS, wo er als Lorenzo in I Capuleti e i Montecchi oder Fasolt in Das Rheingold auf sich aufmerksam machte. Bradbury schloss ihr Studium an der Londoner Royal Academy of Music 2011 mit Auszeichnung ab und besuchte danach die Niederländische Opernakademie. Anschließend wechselte sie ans Internationale Opernstudio der Oper Zürich. Hier hatte sie Gelegenheit, die Barena in Janàceks Jenufa, Musetta in La Bohème und Elisetta in Cimarosas Heimlicher Ehe zu singen. 2013 debütierte sie an der Oper Rom in Wagners Rienzi. 2014 kehrte sie als Frasquita in Carmen dorthin zurück. 46 OPER SEMELE ILKIN ALPAY Cupid Die türkische Sopranistin wurde 1990 in Ankara geboren. Als Sängerin im Staatlichen Kinderchor stand sie in verschiedenen Opern- und Ballettproduktionen, wie Turandot, I Pagliacci, Cavalleria Rusticana, La Bohème und auf der Bühne der Staatsoper in Ankara. 2001 wirkte sie als Kindersolistin bei Nazim Oratorio von Fazil Say mit. 2007 begann sie ihre professionelle Ausbildung bei Oylun Erdayi. 2008 wurde sie an der Bilkent Universität aufgenommen und wirkte dort bei verschiedenen Konzerten und Opernaufführungen mit. Ilkin Alpay wurde beim 18. SiemensGesangswettbewerbs mit dem 1. Preis ausgezeichnet und ist seit der Spielzeit 2016/17 Mitglied des Karlsruher OPERNSTUDIOS. SEMELE OPER 47 HÄNDEL-FESTSPIELCHOR Der FESTSPIELCHOR besteht aus 25 professionellen, freischaffenden Sängerinnen und Sängern und wurde 2016 anlässlich des 40-jährigen Jubiläums der INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE gegründet. Anlass war die Neuinszenierung des Musikdramas Semele, in dem der Chor eine prominente Rolle spielt. Chorleiter ist Carsten Wiebusch, der gemeinsam mit Ulrich Wagner, dem Chordirektor des BADISCHEN STAATSOPERNCHORES, und mit dem künstlerischen Leiter der HÄNDEL-FESTSPIELE bei der Auswahl der Sänger besonders auf stimmliche Flexibilität sowie schauspielerisches Potential achtete. Viele der Chormitglieder sind Studierende oder Absolventen der Hochschule für Musik Karlsruhe, die es mit einer speziellen Planung möglich machte, die beteiligten Studierenden für die intensive 48 OPER SEMELE Probenperiode freizustellen. 2018 wird der Chor sowohl in der Wiederaufnahme von Semele als auch bei der Neuinszenierung von Alcina wieder auf der Bühne stehen. DEUTSCHE HÄNDEL-SOLISTEN Die DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN wurden 1985 aus Anlass des Europäischen Jahres der Musik und der Wiederkehr des 300. Geburtstages von Georg Friedrich Händel für die vom STAATSTHEATER KARLSRUHE gegründeten INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE ins Leben gerufen. Absicht war es, die Rezeption händelscher Werke und der seiner Zeitgenossen mit einem Klangkörper, der durch sein verwendetes Instrumentarium die Aufführungsbedingungen des frühen 18. Jahrhunderts widerspiegelt, optimal zu unterstützen. Das Orchester setzt sich aus Spezialisten der europäischen Musikszene zusammen – als Solisten, Kammer- und Orchestermusiker spielen sie in verschiedenen Spitzenensembles der Historischen Aufführungspraxis. Unter den DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN befinden sich Hochschulprofessoren und -dozenten, die an deutschen und auch ausländischen Musikhochschulen unterrichten. Im Laufe der Jahre gab es Gastspiele der DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN in ganz Europa, zudem entstand eine Reihe von beispielhaften CD-Einspielungen mit bedeutenden Dirigenten für Alte Musik wie Charles Farncombe, Jean-Claude Malgoire, Nicholas McGegan, Roy Goodman, Arnold Östman und Andreas Spering. Das STAATSTHEATER „leistet“ sich als einziges Mehrspartenhaus in Deutschland alljährlich dieses Festival-Orchester und sorgt somit neben den Produktionen der hauseigenen BADISCHEN STAATSKAPELLE mit den Aufführungen der DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN für eine lebendige und spannende Rezeption barocker Werke. SEMELE OPER 49 HÄNDEL MIT DONNA LEON Bestsellerautorin und Händelkennerin Donna Leon plaudert mit Michael Fichtenholz, dem Künstlerischen Leiter der INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE, über den Weltbürger aus Halle, dessen Leben zwischen Hamburg, Hannover, Florenz, Rom, Neapel und London, seine Sänger, seine Musik und Leons Krimis. Die ebenso fesselnde wie geistreiche Erzählerin ist mit führenden Musikern der Barockszene befreundet und weiß auch Neulinge mit ihrer Liebe zu Händel und seiner lebensprühenden Epoche anzustecken. Im Mittelpunkt des Gesprächs stehen die weiblichen Rollenportraits in den Werken Händels: die leichtsinnige Semele, die fromme Theodora, die leidenschaftliche Cleopatra und die rachsüchtige Alcina, die Heroinen von Händel, die nach wie vor zu den größten Frauengestalten der Weltoperngeschichte gehören. SA 18.2. 16.00 KLEINES HAUS ca. 1 Stunde In englischer Sprache mit deutscher Übersetzung Im Anschluss findet eine Autogrammstunde statt 50 HÄNDEL MIT DONNA LEON 51 THEODORA Oratorium von Georg Friedrich Händel HWV68 Libretto von Thomas Morell nach „Das Martyrum von Theodora und Didymus“ von Robert Boyle (1687) Uraufführung am 16. März 1750 am Covent Garden Theatre in London In englischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln Konzertante Aufführung Theodora, eine Christin adliger Herkunft Irene, eine Christin Septimius, ein römischer Offizier Didymus, ein römischer Offizier und Christ Valens, Statthalter von Antiochien Ein Bote SINE BUNDGAARD TUVA SEMMINGSEN SAMUEL BODEN DAVID HANSEN MORGAN PEARSE THOMAS KLOSE PETER NEUMANN Dirigent SA 18.2. 19.30 GROSSES HAUS ca. 3 Stunden 30 Minuten, Pausen nach dem 1. & 2. Akt 52 KONZERT THEODORA KÖLNER KAMMERCHOR Sopran Regina Achtelik, Sibylle von Altenstadt, Anja Bittner, Berit Griebenow, Theresa Klose, Julia Reckendrees, Christine Röleke, Marina Schuchert Alt Katharina Aulmann, Julie Comparini, Kerstin Freydank, Natalie Hüskens, Juliane Slotta, Stefan Kunath, Nils Stefan Tenor Giovanni Biswas, Sebastian Hausen, Ferdinand Junghänel, Thomas Klose (Solo), Richard Martin, Leonhard Reso Bass Andrey Akhmetov, Matthias Haake, Johannes Honecker, Konstantin Paganetti, Christian Palberg, Stephan Vilain BADISCHE STAATSKAPELLE 1. Violine Km. Stephan Skiba, Axel Haase, Susanne Ingwersen, Thomas Schröckert, Juliane Anefeld, Judith Sauer, Livia Hermann 2. Violine Annelie Groth, Km. Toni Reichl, Christoph Wiebelitz, Diana Drechsler, Dominik Schneider, Birgit Laub Viola Km. Franziska Dürr, Fernando Arias Parra, Ortrun Riecke-Wieck, Sibylle Langmaack Violoncello Fabien Genthialon, Km. Norbert Ginthör, Hanna Gieron Kontrabass Km. Joachim Fleck, Roland Funk Flöte Eduardo Belmar Oboe Kai Bantelmann, Km. Ilona Steinheimer Fagott Romain Lucas Horn Dominik Zinsstag, Frank Bechtel Trompete Jens Böcherer, Km. Peter Heckle Pauke Helge Daferner Cembalo Martin Ennis* Orgel/Cembalo Christoph Lehmann* Laute Thomas Boysen* *Gäste der BADISCHEN STAATSKAPELLE THEODORA KONZERT 53 ZUM INHALT 1. AKT: DAS DEKRET Valens, Statthalter der römischen Provinz Antiochia im heutigen Syrien, erklärt Diokletians Geburtstag zum Staatsfeiertag. Er befiehlt den Untertanen, durch Opferhandlungen Jupiters Segen auf den Kaiser herabzuflehen. Hauptmann Septimius soll die Befolgung des Dekrets überwachen. Sein Offizier Didymus appelliert vergeblich an die Toleranz des Statthalters. Nicht jeder, der seinem Glauben treu bleibe, sei ein Staatsfeind. Didymus versucht seinen Vorgesetzten davon zu überzeugen, dass Gewissensfreiheit ein Menschenrecht und Christenverfolgung sinnlos sei. Septimius, obzwar kein Hardliner, besteht auf der römischen Soldatentugend, seine Pflicht zu tun. Theodora stimmt die Christen auf harte Prüfungen ein. Sie beschwört sie, dass es nur einen ewigen Frieden gebe: den bei Gott. Septimius verschleppt die Rädelsführerin zur Massenvergewaltigung ins Bordell. Didymus kommt zu spät. Er kann ihnen nur noch nachsetzen. 2. AKT: DIE NACHT DES TODES Valens und die Heiden feiern heilige Orgien, deren Luxus den Namen Diokletians in den Geschichtsbüchern verewigen soll. Er schickt Septimius zu Theodora, um zu erkunden, ob die Gefangene immer noch Widerstand leiste, und seine Drohung zu erneuern. Die syrische Prinzessin ringt in ihrer Zelle mit der Angst. Sie bittet den Himmel, sie 54 KONZERT THEODORA zu sich zu nehmen, bevor sie den Männern ausgeliefert wird. Didymus gesteht Septimius, dass er Christ geworden sei und Theodora liebe. Er erhält von ihm die Erlaubnis, Theodora besuchen zu dürfen. Irene betet für Theodora. Didymus sucht Theodora in ihrer Zelle auf und beschwört sie, mit ihm die Kleider zu tauschen und sich zu retten. Nach anfänglichem Zögern akzeptiert sie und hofft, ihrem Retter in dieser oder jener Welt wieder zu begegnen. Irene und die Christen machen sich Mut, dass Gott Theodora rette. 3. AKT: DER MORGEN DANACH Theodora kehrt in Didymus’ Rüstung zu den Ihren zurück und berichtet von ihrer Rettung. Die Christen danken Gott und flehen Gnade auf Didymus herab. Ein Bote berichtet, ihr Retter sei vor Gericht gestellt worden. Der Statthalter habe geschworen, Theodora zu töten, sobald er ihrer habhaft würde. Da ihre Jungfräulichkeit durch diesen Schwur gesichert ist, beschließt sie, sich zu stellen und Didymus freizukaufen. Als Theodora vor Gericht erscheint, plädiert Septimius für Gnade. So viel Tugend verdiene, dass man sie ehre. Valens lehnt ab. Theodora und Didymus bitten, die ganze Strenge seines Zornes auf sich nehmen zu dürfen und dem anderen die Strafe zu erlassen. Der Statthalter lässt beide hinrichten. Die Christen preisen sie als Exempel der Liebe zu Gott. ZUM STÜCK S’IST NACHT Theodora (1749) ist Händels vorletztes Oratorium. Während der Arbeit am letzten erblindete er. Sie entstand in einem Monat. Zunächst notierte Händel Gesangsstimmen und Bass, dann überarbeitete und instrumentierte er die Skizze. Der 1. Akt entstand zwischen 28. Juni und 5. Juli 1749, der 2. zwischen 6. und 11. Juli, der 3. zwischen 12. und 17. Am 31. Juli waren die 70 Nummern in Partitur fertig. Einen Monat später wurde Goethe geboren. Ein neues Zeitalter brach an. Bei diesem rasantem Arbeitstempo muss man bedenken, dass Händel sich zwischen seinen Kreativphasen lange „Auszeiten“ gönnte. In ihnen reiften die kommenden Werke im Kopf. Theodora wurde am 16. März 1750 am Londoner Covent Garden Theatre uraufgeführt. Da es am belebtesten Handelsplatz der City lag, kam viel Laufkundschaft vorbei. Trotzdem, und obwohl Händel in der Pause wie üblich ein neues Orgelkonzert halb spielte, halb improvisierte – eine der Hauptattraktionen seiner früheren Oratorien-Aufführungen – geriet die Uraufführung zum Debakel. Sie war schlecht besucht, die beiden Wiederholungen fast leer. Händel überspielte den mutmaßlich schlimmsten Flop seines Lebens mit Humor. In einem leeren Theater, soll er nach Auskunft seines Librettisten gewitzelt haben, klinge seine Musik sowieso besser. Zur dritten Vorstellung lud er ihn mit der Bemerkung ein, die Künstler würden nur für ihn spielen. Zwei Musiker, die sich Freikarten für den Messias erschnorrten, fuhr er an, sie hätten lieber zu Theodora kommen sollen, da hätten sie im Parkett zur Musik sogar tanzen können. Die Juden, polterte der 65-Jährige, kämen nicht, wie vor drei Jahre in Scharen zum Judas Maccabäus, weil Theodora eine Geschichte über Christen sei und die Damen kämen nicht, weil Theodora eine Geschichte über Tugend sei. Die wenigen Anhänger, die der Komponist nach vierzig mehr oder weniger erfolgreichen Jahren in London noch hatte, ließen sich das Alterswerk jedoch nicht entgehen. „Ich kann meinen Brief unmöglich schließen“, schrieb der Earl of Shaftesbury 1750 einem Freund in der Provinz, „ohne Theodora zu erwähnen. Ich habe sie drei Mal gehört und wage sie als eine ebenso vollendete, schöne, kunstfertige Komposition zu bezeichnen, wie Händel sie nur je hervorgebracht hat. Meines Wissens hat er lange daran gearbeitet. In der City schätzt man das Stück überhaupt nicht, Mr. Kellaway und einige hervorragende Musiker sind jedoch derselben Meinung wie ich.“ Auch Mrs. Delany und ihre Tochter hofften sehnsüchtig auf eine Wiederaufnahme: „Man wird Theodora, wenn sie THEODORA KONZERT 55 wieder kommt, bestimmt Gerechtigkeit widerfahren lassen. Die Menschen haben ihre Ohren eben nicht, um zu hören.“ Als die Partitur im Druck erschien, teilte es Mrs. Delany ihrer Tochter sofort mit: „Theodora ist gekommen und bereitet mir beim Durchspielen der schönen Melodien große Freude.“ Offenbar kam die Partitur nicht mehr vom Clavichord. Schon einen Monat später fragte sie: „Weißt du noch, wie viel Behagen uns Theodora bereitet hat.“ Händel versuchte dem ausbleibenden Erfolg des über dreistündigen Werks schon nach der ersten Vorstellung durch rabiate Kürzungen aufzuhelfen. Ob er es wirklich für sein bestes hielt, wie Thomas Morell 30 Jahre später behauptet, wissen wir nicht. Immerhin nahm er es 1755 noch einmal ohne Erfolg auf. Ein dritter Versuch 1759 scheiterte am Tod des Komponisten. Seit 1747 arbeitete Händel nahezu ausschließlich mit dem Librettisten Thomas Morell (1703–1784) zusammen. Der Prinz von Wales hatte ihm den Reverend empfohlen. Trotz seines geistlichen Standes, zu dem sich der leidenschaftliche Altertums- und Geisteswissenschaftler allerdings erst mit 40 Jahren berufen fühlte, war Morell weltlich gesinnt. Seine geselligen Freuden stürzten ihn ständig in Schulden, die der dankbare Komponist ihm durch ein testamentarisches Vermächtnis von 200 £ (heute 38.000 €) zu erleichtern versuchte. Als Vorlage diente Morell Pierre Corneilles gleichfalls durchgefallene Barocktragödie Théodore von 1645 sowie vor allem den erbaulichen Roman The Martyrdom of Theodora and of Didymus Robert Boyles (1627–1691), heute als „Vater der Chemie“ bekannt. Der Roman 56 KONZERT THEODORA erschien 1686, kursierte unter der Hand aber lange vorher. Er war ein puritanisches Pamphlet, das unter dem Deckmantel einer Märtyrerlegende aus der Zeit der diokletianischen Christenverfolgungen gegen den repressiven Absolutismus der Stuart-Könige agitierte und Propaganda für Oliver Cromwells Puritaner-Diktatur (1642–1660) machte. Um die Sittenverderbnis der Katholiken anzuprangern, war das Thema einer frommen Christin, die von den Feinden Gottes ins Bordell gesteckt wird, bestens geeignet. Als Morell und Händel den Stoff knapp ein Jahrhundert später aufgriffen, hatte sich das Blatt politisch gewendet. 1745 versuchte die katholische Stuart-Partei mit Unterstützung des französischen Hofs und schottischer Separatisten wieder und wie sich herausstellen sollte nun zum letzten mal, den 1714 vom britischen Parlament ins Land geholten protestantischen Hannoveranern den Thron streitig zu machen und die Krone zurück zu erobern. Händel und Morell hatten den Sieg der Hannoveraner über die Stuarts, der Protestanten über die Katholiken in ihrem Oratorium Judas Maccabäus 1747 gefeiert und dies in ihrer Widmung an den Duke of Cumberland, den Bruder des Prinzen von Wales und Oberbefehlshaber der Armee, auch kundgetan. Nun bestand vor dem Hintergrund einer über 200-jährigen Geschichte blutiger konfessioneller Verfolgungen in England, je nachdem, welche Partei gerade die Oberhand hatte und welches Herrscherhaus gerade regierte, seit sich Heinrich VIII. 1527 aus privaten Gründen – seine notorischen Frauen-Geschichten – von Rom losgesagt und die anglikanische Staatskir- che gegründet hatte, die Gefahr einer neuerlichen, von „oben“ gesteuerten und von „unten“ befeuerten Säuberungs-Welle. In dieser explosiven Situation ergreift Theodora Partei. Und zwar ausgerechnet in Person des römischen Offiziers Septimius. „Ausgerechnet“ darum, weil „Rom“ in dem Stück für den Papst, die Katholiken und ihre Helfershelfer, die schottischen Separatisten der 1740er Jahre, steht. Das ist musikalisch daran zu erkennen, dass die beiden Fest- und Freudenchöre der Römer im 2. Akt schottische Rhythmen und Tänze aufnehmen und sich unüberhörbar von den Christenchören unterscheiden. Beide, sowohl der jambische Eingangschor „Queen of summer, queen of love“ als auch der daktylisch noch stärker gegen den Sprachrhythmus komponierte Folgechor „Venus laughing from the skies“, könnten unverändert in Purcells Dido & Aeneas stehen. Händels Musiksprache setzt damit fort, was Morell und Boyle im Text angelegt hatten, wenn der Tyrann Valens, der schon in Boyles Roman und dann auch im Libretto als „president“, also Statthalter der römischen Provinz Syrien bezeichnet wird, gleich in seiner zweiten Arie die Folterwerkzeuge der römischen Inquisition „Racks, gibbets, sword and fire – Streckbett, Galgen, Schwert und Feuer“ vorzeigt. Das sind die maßlos übertriebenen Reizworte antikatholischer Propaganda, die jedem loyalen Briten des Jahres 1749 reflexhaft jene Horrorbilder katholischer Inquisitoren vor Augen riefen, die sich anschicken, das Land zu übernehmen und in einen terroristischen Gottesstaat zu verwandeln, wie Koran, Galabeja, Käppi und Vollbart heute reflexhaft die mehr oder weniger hysterische Angst vor Islamismus und dem Verlust unserer demokratischen Freiheiten in uns wachrufen. Mit wie Feuer züngelnden Sechzehntel-Figurationen und wie Richtschwerter niedersausenden Sforzati zitiert Händel dieses apokalyptische Zerrbild der Katholiken kraftvoll herbei, um es im Kontext des Werkes musikalisch umso gründlicher zu dekonstruieren, gesellschaftliche Ängste vor ihnen zu zerstreuen und somit de-eskalierend zu wirken. Valens’ erste Arie, „Go my faithful soldier, go“, und seine letzte, „Ye ministers of justice, lead them hence“, setzen weniger den erbarmungslosen Tyrannen der Propaganda ins Klangbild, als vielmehr jenen heroischen Stolz, der einer glanzvollen barocken Herrschernatur fraglos ansteht. Und gleich Valens’ erste Koloraturen, die in sinnlichen Schlängellinien den zum Himmel aufsteigenden Weihrauch am Altar vor unser geistiges Auge treten lassen, rufen natürlich auch ohne allen Hass Assoziationen an die Schönheit und Pracht des katholischen Gottesdienstes wach. Darauf, dass die Römerchöre – gelegentlich im Gegensatz zum gesungenen Text, aber das ist bei der französischen Nationalhymne ja auch so! – alles andere als blutrünstig sind, sondern im Gegenteil eine gutmütige Volkstümlichkeit und Jovialität ausstrahlen, wurde bereits hingewiesen. Auch sie gehören zu einem Großbritannien, dessen geistige Identität viele Farben und Freuden aufweist und die nicht unter einer Ideologie gleichzuschalten ist. Den Römern, deren entgegen dem Text musikalisch also vorwiegend heiterer, feierfreudiger Welt jeweils der Beginn der drei Akte des Oratoriums gehört, stehen die THEODORA KONZERT 57 syrischen Urchristen und ihre Gemeinde gegenüber. Mit ihnen als den rechtgläubigen Protestanten dürfte sich die Mehrheit der Londoner des Jahres 1750 identifiziert haben. Sie werden in einer Situation der Bedrohung gezeigt, so wie die hannoveranische Propaganda ihr aufgeklärtes Commonwealth als von katholischen Fremdmächten, Separatisten und Dunkelmännern bedroht darstellte. An dieser Rechtgläubigkeit rüttelt Händels Musik auch garnicht. Sie verschiebt nur den Fokus weg vom Propaganda-Schema Gut vs. Böse und richtet den Blick stattdessen auf eine Psychologie der Angst und wie man mit ihr umgeht. Das Rezept, das Theodora dafür gibt, entfernt sich denkbar weit von den Gewaltmaßnahmen und Verfolgungswellen, die protestantische Hardliner gegen katholische „Gefährder“ vorsahen, indem sie dazu rät, erst einmal bei sich selbst mit der Angstbewältigung anzufangen. Eine der vielen verblüffenden Pointen des Werks besteht darin, dass das Oratorium kurz vor der Hinrichtung der beiden Märtyrer, die wir so lange haben leiden hören, einfach abbricht und das blutrünstige Spektakel durch einen geradezu aufreizend stillen Chor ersetzt, der uns nicht Gewalt, sondern Liebe als Pflicht all jener predigt, die sich Christen nennen. Darunter steht wie immer am Schluss Händelscher Partituren „SDG“ – Soli Deo Gloria. Theodora entlässt uns nicht mit Triumphgeheul, sondern mit einem Fragezeichen. Denk mal (darüber nach)! Der römische Hauptmann Septimius – und Hauptleute der Gegenpartei waren nach der Schlacht von Culloden 1745 eo ipso „Terroristen“ – steht zwischen beiden Fronten. Er ist Vorgesetzter des Soldaten 58 KONZERT THEODORA Didymus, der zum Christentum konvertierte, ohne dass uns das Oratorium verrät (im Roman ist das anders), ob aus Liebe zu Theodora oder zur Lehre, deren reinste Verkörperung sie ist. Septimius tut das Böse, nämlich seine Pflicht als römischer Offizier, und verkündet das Gute, nämlich Toleranz. Vielleicht ist diese Paradoxie dem Hl. Longinus nachgebildet, der dem Erlöser am Kreuz mit der Lanze in die Flanke stach und an dem herausrinnenden Blut als einziger erkannte, er sei Gottes Sohn. Die zentralen Szenen des 1. und 2. Akts sind Aufklärungstheater im Dienste des Toleranz-Gedankns. Zunächst bittet Didymus den römischen Statthalter, jene Personen nicht zu verfolgen, die sich aus Gewissensgründen nicht am Jupiter-Kult beteiligen können, dessen Rituale von den Göttern gottgleiche Eigenschaften auf den vergöttlichten Kaiser herabflehen. Der Dialog der 1. Szene ist brandaktuell: Valens Bist du ein Römer? Und wagst es, eine Sekte zu verteidigen, die Rom und seine Götter ablehnt? Didymus Es gibt viele Andersgläubige in Antiochia, die Caesar trotzdem gehorchen. Valens Das kann nicht sein. Wer nicht an Caesars Götter glaubt, ist Caesars Feind. Und damit Schluss! Wer glaubt, dass aus Geschichte zu lernen sei, dass man dieselben Fehler nicht immer wieder wiederholen muss, wird sich erinnern, dass Lenin 1917 dieselbe Devise ausgab und der Nazi-Philosoph Carl Schmitt seine Lehre aus demselben Freund-FeindSchema entwickelte. Theodora und Didymus tauschen im Bordell ihre Kleidung – historischer Kupferstich Da Didymus beim Statthalter nicht durchdringt, agitiert er nun in der 2. Szene im römischen Besatzungsheer, nämlich bei seinem Vorgesetzten Septimius, für die Christen im besonderen und Gewissensfreiheit im allgemeinen. Die Flammenkoloraturen seiner Arie „The raptured soul defies the sword“ beziehen sich wie der Text direkt auf die Arie, mit der Valens ihm die Abfuhr erteilt hatte. Auffallend an Septimius’ Antwort ist, dass diesem aufrechten Soldaten Opportunisten und Wendehälse ein Gräuel sind. Jeder, der wahrhaft glaube, woran auch immer, habe recht, jeder, der Glauben heuchelt, unrecht. Mit diesem Plädoyer für Gewissensfreiheit auf den Lippen greift er nun aber gegen seine soeben geäußerte Überzeugung zum Schwert, nicht ohne in einer der schönsten Arien des Stücks um ein Ende des Bürgerkriegs zu beten: Steig zu uns Menschen nieder, geliebtes Mitgefühl; sei unser Gast vom Himmel und erfülle jedes Herz mit Mitleid. Segne die Welt, auf dass die Freiheit des Leibs und der Seele die Menschheit wieder versöhne. THEODORA KONZERT 59 Mit Blockflöten und Wiegenrhythmen unterstreicht Händels Andante unüberhörbar, dass nur „kind Pity“ – groß geschrieben, also als Personifikation gedacht – die entfesselte Menschheit wieder zur Ruhe bringen kann. Diese Paradoxie wiederholt sich in der 3. Szene des 2. Akts. Hier will Didymus seinen Hauptmann erneut zu Hochverrat anstiften, damit er Theodora aus dem Bordell befreien kann, in das Septimius selbst sie sperrte. Septimius antwortet zunächst ablehnend, lässt Didymus dann aber doch zu der Gefangenen. Begründung: Seine Soldaten würden sich selbst „ihres schändlichen Auftrages“ schämen, sie zu vergewaltigen. Seine Arie „Through the honours, that Flora and Venus receive“ verteidigt er den Venus-Kult, der eigentlich gar nicht so verkommen sei, wie er von jenen, die ihn missbrauchen, gemacht werde. Händels bukolische Vertonung dieser Argumentation hält ein starkes Plädoyer für einen fröhlichen Epikuräismus ohne Schuldkomplexe. Im ungewöhnlich langen Instrumentalvorspiel der Arie nimmt der Zwiespalt der Figur in der Gegenüberstellung eines heiter-verspielten RokokoMotivs und eines starren, allerdings leicht abgemilderten Staccato-Motivs, das für die „eiserne Pflicht“ steht, Gestalt an. Natürlich kann man die Widersprüche, die sich in der Gestalt des Septimius auftun, für sinnlos halten und für einen weiteren Beleg dafür, dass der arme Händel schlechte Libretti vertonen musste. Sieht man Theodora jedoch vor dem Hintergrund der Feindschaft zwischen Protestanten und Katholiken, zwischen Parteigängern der Hannoveraner und der Stuarts in 60 KONZERT THEODORA Händels England, machen die ToleranzPlädoyers dieser Scharnierfigur zwischen beiden Lagern Sinn. Ab dem 2. Akt tritt die politische Problematik in den Hintergrund. Der Fokus schwenkt bereits in der 3. Szene des 1. Akts auf das Christenlager. Die Absicht dieses Handlungsstrangs spricht die Titelheldin in ihrem ersten Satz aus: „Hart, doch heilsam, meine Freunde, sind die Wahrheiten, die uns die Schule der Heimsuchungen lehrt. Aus ihnen erhebt sich die reine Seele geläutert und schwingt sich über die Welt hinaus.“ Alles, was nun auf Christenseite folgt, ist Demonstration des Versuchs, diesem Anspruch gerecht zu werden. Es geht darum, Gewalt als individuelle Prüfung zu begreifen, statt sie mit Gegengewalt abzuwehren. In der fein ausdifferenzierten Auslotung dieses moralischen Postulats oszilliert Händels Musik zwischen psychologischer Einfühlung und lehrhafter Demonstration. Damit folgt sie der Strategie des Dichters. Auch das Libretto pendelt zwischen Spielszenen, psychologischer Selbsterkundung, Lehrgespräch, allegorischer Verbildlichung („Wie der mit rosigen Schritten nahende Morgen die Schatten der Nacht vertreibt, so lass unsere aus Schmerzen der Tugend geborene Hoffnung auf das ewige Licht aufgehen.“), Merksprüchen („Wahres Glück ist nur dort, wo Gnade, Wahrheit und Liebe vorhanden sind.“) und chorischer Einübung der gewonnenen Einsichten. Dies im Einzelnen auszuführen, fehlt hier der Raum. Exemplarisch lässt sich das aber an der 2. Szene des 2. Akts verdeutlichen. Der dramatische Bogen der gesam- ten Christenhandlung folgt einer „Durch Nacht zum Licht“-Dramaturgie. Text wie Musik verwenden „Nacht“ und „Licht“ nicht nur wörtlich, sondern auch metaphorisch. Wir sehen und hören, wie Theodora in ihrer Bordellzelle auf die Massenvergewaltigung wartet. Das einleitende Instrumentalvorspiel der Szene suggeriert mit monotonen Ostinati, schleppendem Tempo, der Tonart g-Moll und leeren Quinten die bleierne Zeit des Wartens. Der Melodiefluss reißt immer wieder ab. In den Pausen bläst die Flöte wie ein Uhu, der Vogel des Todes, ein monotones, fahles g. Dieses Vorspiel steht im größten Kontrast zur Feierlaune der Römer-Chöre davor. Händel will die größtmögliche Fallhöhe. Er steigert Theodoras Verlassenheitsgefühl, das wir mit ihr teilen, ins Gigantische. Im anschließenden Rezitativ deutet die Titelheldin ihre Situation für uns, damit wir verstehen, wie es um sie bestellt ist und was wir aus ihrem Beispiel lernen können. Vor allem erfahren wir, dass die Nachtstimmung, die Händels Instrumentalvorspiel evozierte, eine innere Nacht ist. Außen, sagt Theodora, scheint nämlich die Sonne und lässt Theodora nicht schlafen. So gelingt es ihr nicht, das Leid, das ihr bevorsteht, zu vergessen oder zu verdrängen. Ihre Arie „With darkness deep, as is my woe“ gewährt uns Einblick in ihr Herz, wo die Angst vor der Vergewaltigung, die mit der Angst in vollkommener Nacht gleichgesetzt wird, den Wunsch nach der endgültigen Nacht, dem Tod, in ihr hervorruft. Diese Arie hat kein Da Capo, weil die Totalität der Verzweiflung Theodoras keinen kontrastierenden B-Teil, aber auch keine objektivierende Reflexion zulässt. Das obsessive Ostinato, das sie wie das Schlagen der Totenglocke durchzieht, lässt uns den totalen Stillstand, die vollkommene Hoffnungslosigkeit erleben. Wie dieses Ostinato kann Theodora weder vor, noch zurück. Sie hat keinen Handlungsspielraum mehr in ihrer Zelle. Es handelt sich um ein inneres wie äußeres Gefängnis. Auf die Arie folgt erneut das bereits bekannte Instrumentalvorspiel in einer um acht Takte verlängerten Fassung und schließt Theodora damit auch musikalisch wie in einen Kerker ein. Verzweiflung ist christlicher Theologie zufolge jedoch eine Todsünde, denn sie entspringt dem Zweifel daran, dass Christus die Menschen am Kreuz erlöst hat. Darum hört Theodora als vorbildliche Christin im folgenden Rezitativ das, was wir noch nicht hören: die „immer singenden, immer liebenden Chöre der Heiligen und Engel“ im Himmel. Und weil sie den Zweifel überwunden und ihren Glauben auf diese Weise bewiesen hat, tritt das, was sie innerlich hört, in der anschließenden Arie auch äußerlich ein. Diese Arie ist ein Beispiel ekstatischer Musik. Die Ekstase findet in endlos gehaltenen Tönen und endlosen Sequenzen ihren Ausdruck, denn Ekstase hat kein Zeitgefühl. Die Seele schwebt zum Himmel auf. Ihr Ziel sind die Schlüsselworte des Oratoriums: „harmony and love“. Das ist auch politisch zu verstehen. Die Ekstase, die die Musik hier bereits real vorwegnimmt, ist im Text noch im Konditionalis gehalten: „Ach könnt’ ich auf Flügeln fliegen, leicht wie die Silbertaube sanft durch die Himmel gleiten; fänd ich Ruhe, gesegnet mit Harmonie und Liebe.“ Der Akt der Autosuggestion wird also rational gedeutet und verständlich gemacht, THEODORA KONZERT 61 gleichzeitig können wir ihn kraft der Musik nachempfinden. Diese Doppelfunktion von Sinnlichkeit und Vernunft macht Theodora zu dem, als was ihre Gefährtin Irene sie zu Beginn des Oratoriums bezeichnet, zum „leuchtenden Vorbild alles Guten“. Ihm sollen wir nacheifern. Die empathische Kraft der Musik versetzt uns dazu in die Lage. Sie verleiht uns Schwingen und nimmt uns mit auf Theodoras Reise So lässt sich der Teufelskreis der Gewalt durchbrechen und auch die Gesellschaft, die Händel beschreibt, in einen Zustand von „harmony and love“ versetzen. Das Thema Nacht und Morgen schlägt real und symbolisch eine Brücke über den gesamten 2. Akt bis hinein in den 3. Im 2. Akt taucht es in den Szenen 2, 4 und 6 auf. Die 2. Szene haben wir eben beschrieben. In der kurzen 4. Szene beschwört Irene in ihrer sanften e-Moll-Arie „Defend her, Heaven“ die anbrechende Nacht. Dabei verweist ihr Wiegenrhythmus wie schon in Theodoras Arie wiederum auf die vorläufige irdische wie auf die finale überirdische Schlafenszeit. Der Akt endet mit der 6. Szene unter den Christen, die die Nacht durchwachen, um für Theodora zu beten. Ihr Schlusschor schöpft aus dem Evangelium von der Auferweckung des Jünglings zu Nain nach Lukas 7, 11–16 die Hoffnung nicht nur auf die Auferstehung der Toten, sondern auch auf die Rettung Theodoras. Sein erster Teil, ein lastendes f-Moll-Largo, das die bleierne Stimmung der Kerkerszene zu Beginn des Aktes wieder aufnimmt, steigert sich aus einem durchbrochen-motettischem Satz langsam zum Unisono, dem kollektiven Schmerzensschrei der zu Jesus flehenden Mutter. 62 KONZERT THEODORA Was einem angetan wird, wird allen angetan. Der kurze B-Dur-Mittelteil erzählt lapidar, wie Jesus den Toten erweckt und mündet, in B-Dur bleibend, in die zweimal ansetzende Fuge der Freude über das Auferstehungswunder. In diesem Schlusschor ist die Reise durch die Nacht zum Licht, die der Inhalt des 2. Aktes war, auf engstem Raum noch einmal zusammengefasst. Auch inhaltlich bewegt er sich auf doppelter Ebene: Die Legende vom Jüngling zu Nain verweist einerseits auf Theodoras Rettung, soll mit diesem „Beweis“ aber zugleich allen Menschen in Bedrängnis Mut machen. Die drei genannten Szenen fungieren wie Brückenpfeiler. Die drei ungeradzahligen Szenen sind dagegen Spieloder Handlungsszenen, in denen Didymus Theodoras Befreiung ins Werk setzt. Der 3. Akt beginnt mit Irenes Gebet „Lord to thee each night and day, / Strong in hope we sing and pray“, das das „night and day”-Motiv erneut aufgreift und mnemotechnisch festigt. Nicht nur der Text, sondern auch die sequenzierend aufsteigende Melodie – Sonnenaufgang! –, der gefestigt-zuversichtliche Affekt und die Jubel-Tonart D-Dur signalisieren, dass die Nacht durchschritten ist und die Sonne aufgeht. Die schlichte Faktur des Satzes mit langen Noten und kleinen Intervallschritten erinnern an ein protestantisches Kirchenlied. Faszinierenderweise weist dieses Largo, mit dem geradezu revolutionär losstürmenden B-Teil „Though convulsive rocks ground“, die gleiche Struktur wie Bachs Alt-Arie „Es ist vollbracht“ mit dem B-Teil „Der Held aus Juda siegt mit Macht“ aus der Johannespassion auf. Da auch der ungewöhnliche Schluss der Theodora den Schlüssen der Bachschen Passionen ähnelt, ist man versucht, darin Belege für Händels Kenntnis dieser Werke zu sehen. Die den ganzen Akt überwölbende Struktur, die hier unter dem Stichwort „night and day“ beschrieben wurde, legt nahe, ihn als eine Ars moriendi zu deuten. Die Angst überwindet nur der, der in der Hoffnung auf Jesus die wahre christliche Kunst zu sterben lernt. Dies tut Theodora, indem sie dem Beispiel Christi folgt. Ihre einsame Kerkerszene ist eine „imitatio“ der Todesangst Jesu im Garten Gethsemane. Das Martyrium Theodoras und Didymus’ kommentiert der Chor „How strange their ends, and yet how glorious“ mit einem Staccato, in dem wir die Hammerschläge hören, mit denen der Heiland ans Kreuz genagelt wurde. Doch zuvor erklärt uns die durch Didymus befreite Theodora in ihrer g-Moll-Arie „When sunk in anguish and despair / To Heaven I cried: Heaven heard my prayr“ noch einmal jenes Prinzip Hoffnung, das sie aus Angst und Verzweiflung errettete. Die Arie geht denn auch in eine Art Dankgottesdienst über, denn Händel unterbricht den zweiteiligen Chor „Blest be the hand and blest the pow’r“ ungewöhnlicherweise durch eine Soloeinlage, in der Theodora im allgemein bekannten Rezitationston der Kantorin in der Kirche das Thema der anschließenden Fuge vorgibt. Formal stellt Händel den heidnisch-epikuräischen Kulten der Römer im 1. und 2. Akt damit ein starkes christliches Andachtsritual gegenüber. Damit ist das Thema der Überwindung der Angst durch den Glauben auf der realen, symbolischen und theologischen Ebene der Nachfolge Christi zum Abschluss gebracht. Die anschließende Gerichtsszene führt einfach die Handlung zuende und leitet zur Conclusio des Oratoriums über, die darin besteht, „virtue“ und „love“ gleichzusetzen. Die christliche Tugend schlechthin ist die Liebe. Die Liebe Didymus’ zu Theodora und Theodoras zu Didymus, der Syrerin zum Römer, der Protestantin zum Katholiken, der Anhängerin des Hauses Hannover zum Anhänger des Hauses Stuart. Somit wird Theodora zur politischen Parabel wie Lessings Ring-Parabel. von Boris Kehrmann THEODORA KONZERT 63 PETER NEUMANN Dirigent Der in Köln lebende Dirigent Peter Neumann wurde in Karlsruhe geboren und war nach seinen Studienjahren in Berlin und Paris lange Zeit an der Kölner Kartäuserkirche als Kirchenmusiker und an der Musikhochschule Köln als Orgelprofessor tätig. Als Dirigent hat er sich vor allem mit seinen Interpretationen der Werke von Bach, Händel, Mozart und Brahms einen Namen gemacht. 2015 wurde Peter Neumann die Bach-Medaille der Stadt Leipzig verliehen. Mit dem Kölner Kammerchor und dem Collegium Cartusianum hat er in Europa und Japan sowie auf namhaften Festivals die Meisterwerke sowohl der oratorischen als auch der sinfonischen Literatur interpretiert: von Monteverdis Marienvesper über Bachs Passionen – zuletzt in Moskau, Oslo und Versailles – und die h-moll-Messe bei den BBC Proms, Mendelssohns Oratorien, Schumanns Das Paradies und die Peri 64 KONZERT THEODORA beim Rheingau Musik Festival bis hin zu Debussys Le Martyre de Saint Sébastien bei der Musiktriennale Köln. Als Gastdirigent konzertierte er mit dem ChorWerk Ruhr, dem SWR Vokalensemble Stuttgart, dem Chor des NDR, dem ConcertgebouwOrchester Amsterdam, dem Concerto Köln und dem Jerusalem Symphonie Orchester. 2012 gab er mit Händels Alcina sein Debüt an der Kölner Oper. Seine umfangreiche Diskografie umfasst die EMI-Gesamteinspielung der MozartMessen, von Bachs Johannes-Passion, Schumanns Missa Sacra und der Chorwerke von Brahms. Peter Neumanns 1999 initiierte Konzertreihe 250 Jahre Händel-Oratorien fand ihren Niederschlag in zahlreichen CD-Veröffentlichungen, darunter Saul, Susanna, Theodora, Athalia und Joshua sowie Alexander’s Feast, Brockes-Passion und L’Allegro, il Penseroso ed il Moderato. SINE BUNDGAARD Theodora DAVID HANSEN Didymus Sine Bundgaard ist eine der führenden Sängerinnen ihrer Generation aus Skandinavien. Seit 2009 gehört sie zum Ensemble der Königlichen Oper Dänemark. Sie trat an vielen namhaften Opernhäusern Europas auf, so an der Opera National de Paris, der Bayerischen Staatsoper, dem Drottningholm Slottstheater sowie auch in Marseille, Antwerpen, Nancy, Lausanne, am Theatre de Champs-Élysées und an der Opéra Comique in Paris. Zu ihrem Repertoire an der Königlichen Oper Dänemark gehören die Partien von Pamina in Die Zauberflöte, Juliette in Romeo et Juliette, Michaela in Carmen, Nedda in I Pagliacci und Nannetta in Falstaff. Unter ihren Auftritten der letzten Jahre finden sich Angelica in Haydns Orlando Paladino mit René Jacobs, Amelite in Rameaus Zoroastre mit Christophe Rousset und Costanza in Händels Riccardo Primo mit Paul Goodwin bei den INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELEN KARLSRUHE. David Hansen studierte am Sydney Conservatorium of Music. Der australische Countertenor gab 2004 sein Europa-Debüt in Purcells Dido und Aeneas beim Festival d’Aix-en-Provence. Zu seinen aktuellsten Engagements gehören Fürst Go-Go in Le Grand Macabre und Telemaco in Il ritorno d’Ulisse in patria an der Norwegian National Opera in Oslo, David in Saul im Wiener Musikverein unter Nikolaus Harnoncourt, Nerone in Agrippina mit Boston Baroque, Nerone in L’incoronazione di Poppea beim Boston Early Music Festival, Arminio in Germanico in Germania beim Fest der Alten Musik in Innsbruck sowie Farnace Mitridate, re di Ponto am Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel. David Hansen hat mit vielen namhaften Regisseuren wie Stefan Herheim, Jonathan Kent, Barrie Kosky und Christof Loy zusammengearbeitet. Er ist auch auf dem Konzertpodium sehr aktiv und hat seit seinem Debüt-Soloalbum 2013 mehrere CDs aufgenommen. THEODORA KONZERT 65 TUVA SEMMINGSEN Irene SAMUEL BODEN Septimius Die norwegische Mezzosopranistin studierte an der Norwegian State Academy of Music und der Königlichen Opernakademie Kopenhagen. 1999 gab sie als Cherubino in Mozarts Hochzeit des Figaro ihr Debüt an der Königlichen Oper Kopenhagen, ein Jahr später in derselben Partie am Teatro la Fenice in Venedig. In Kopenhagen sang und singt sie Zerlina in Don Giovanni, Sextus in Mozarts Titus, Rosina in Rossinis Barbier von Sevilla sowie die Titelrolle in La Cenerentola, Minerva und Melanto in Monteverdis Ulisse sowie Nero in Die Krönung der Poppea unter David McVicar und Rosmira in Händels Partenope. In Oslo war sie unter Rinaldo Alessandrini als Sextus in der Stefan-Herheim-Inszenierung Julius Cäsar und als Rosina zu erleben, in Reims als Rosina in Der Barbier von Sevilla, auf einer Idomeneo-Tournee mit Les Arts Florissants unter William Christie als Idamante und in Lille als Sextus in Händels Julius Cäsar unter Emmanuelle Haïm mit Le Concert d’Astree. Der britische Tenor studierte am Trinity Laban Conservatoire in London. Seit seinem Studium gehört er so renommierten Ensembles wie The Gabrieli Consort, The Sixteen und dem Orchestra of the Age of Enlightenment an. Sein Schwerpunktinteresse liegt bei der Alten Musik. In diesem Bereich gastierte er unter anderem mit Purcells Indian Queen in Metz sowie desselben Fairy Queen in St. Gallen und Glyndebourne, als Anfinomo in Monteverdis Ulisses an der English National Opera, als Cavallis Ormindo in einer Covent-Garden-Produktion, als Charpentiers Actéon unter Emanuelle Haïm in Dijon und Lille, als Hippolyte in Hippolyte et Aricie unter Raphäel Pichon und unter Marc Minkowski als Abaris in Les Boréades in Aix en Provence. Künftige Engagements bringen Wiederbegegnungen und Debüts mit Les Arts Florissants, dem Covent Garden und eine Uraufführung an der Nederlandse Opera. 66 KONZERT THEODORA MORGAN PEARSE Valens Der australische Bariton und Stipendiat zahlreicher internationaler Stiftungen studierte am Royal College of Music und sammelte praktische Erfahrungen im Opernstudio der Houston Grand Opera. Pearses Opernrepertoire reicht von Apollo in Monteverdis Orfeo über die Baritonpartien in Purcells Dioclesian an der Pinchgut Opera, mehrere Händel-Partien beim London Händel Festival, die großen Mozart- und Rossini-Rollen an der Houston Grand und English National Opera sowie beim Verbier Festival bis hin zu Berlioz, Donizetti, Brittens Owen Wingrave, Stephen Sondheims Sweeney Todd und aktueller Musik. Zu Pearses Konzertrepertoire gehören Schuberts Winterreise, Faurés Requiem und Händels Messias an der Oper Sydney. In dieser Spielzeit wird der Sänger auch als Figaro in Mozarts Hochzeit des Figaro zu hören sein. THEODORA KONZERT 67 KÖLNER KAMMERCHOR Der Kölner Kammerchor, 1970 gegründet, hat sich mit seinem Dirigenten Peter Neumann seit dem Gran Premio Citta di Arezzo 1982 durch Auftritte bei bedeutenden Festivals in Europa und weltweit beachtete CD-Einspielungen einen Namen gemacht. Aufführungen von Monteverdis Marienvesper und L’Orfeo, Bachs Kantaten, Passionen und die h-Moll-Messe, Händels Oratorien, Mozarts Kirchenmusik und von Chorwerken der Romantik wurden in vielen Musikzentren Europas gefeiert. Häufig zu Gast war der Kölner Kammerchor beim Festival La Folle Journée in Nantes, dessen Konzerte zum Teil live bei Arte übertragen wurden. 2006 gab der Chor seine Debüts in Russland und Japan mit Bachs Johannespassion in Moskau und St. Petersburg und Mozart-Programmen in Tokio. In den letzten Jahren zählten Konzerte beim Bachfest Leipzig, Schumanns Das Paradies und die 68 KONZERT THEODORA Peri beim Schumannfest in Düsseldorf und beim Rheingau Musik Festival, Aufführungen von Charpentiers Messe pour les Trépassés in Köln und bei den Tagen Alter Musik in Herne, eine Musikalische Vesper von Schütz beim Festival Wratislavia Cantans und Händels Solomon bei den HändelFestspielen in Halle zu den Glanzpunkten. 2015 war der Chor unter anderem mit dem Bachkantaten-Pasticcio Vita Christi beim Festival La Folle Journée in Nantes und im Tschaikowsky-Saal der Moskauer Philharmonie zu Gast. Den CD Aufnahmen der Mozart-Messen, Händel Oratorien und Chorwerken von Brahms wurde vielfach Referenzstatus zugesprochen. BADISCHE STAATSKAPELLE Als eines der ältesten Orchester der Welt kann die BADISCHE STAATSKAPELLE auf eine überaus reiche und gleichzeitig gegenwärtige Tradition zurückblicken. 1662 als Hofkapelle des damals noch in Durlach residierenden badischen Fürstenhofes gegründet, entwickelte sich aus dieser Keimzelle ein Klangkörper mit großer nationaler und internationaler Ausstrahlung. Berühmte Hofkapellmeister wie Franz Danzi, Hermann Levi, Otto Dessoff und Felix Mottl leiteten zahlreiche Ur- und Erstaufführungen, so von Hector Berlioz, Johannes Brahms und Béla Bartók, und machten Karlsruhe zu einem der Zentren des Musiklebens. Neben Brahms standen Richard Wagner und Richard Strauss gleich mehrfach am Pult der Hofkapelle; Niccolò Paganini, Clara Schumann und viele andere herausragende Solisten waren gern gehörte Gäste. Hermann Levi führte in den 1860er Jahren die ersten regelmäßigen Abonnementkonzerte des damaligen Hoforchesters ein, die bis heute als Sinfoniekonzerte der BADISCHEN STAATSKAPELLE weiterleben. Allen Rückschlägen durch Kriege und Finanznöte zum Trotz konnte die Tradition des Orchesters bewahrt werden. Generalmusikdirektoren wie Joseph Keilberth, Christof Prick, Günther Neuhold und Kazushi Ono führten das Orchester in die Neuzeit. Komponisten wie Werner Egk, Michael Tippett oder Matthias Pintscher standen sogar selbst vor dem Orchester, um ihre Werke aufzuführen. Die große Flexibilität der BADISCHEN STAATSKAPELLE zeigt sich auch heute noch in der kompletten Spannweite zwischen Repertoirepflege und der Präsentation zukunftsweisender Zeitgenossen, exemplarisch hierfür der Name Wolfgang Rihm. Der seit 2008 amtierende Generalmusikdirektor Justin Brown steht ganz besonders für die Pflege der Werke Wagners, Berlioz’, Verdis und Strauss’ sowie für einen abwechslungsreichen Konzertspielplan, vom Deutschen Musikverlegerverband ausgezeichnet als Bestes Konzertprogramm 2012/13. THEODORA KONZERT 69 ÖKUMENISCHER FESTGOTTESDIENST Kooperation mit der HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE e. V. Georg Friedrich Händel (1685–1759) Auszüge aus dem Oratorium Theodora HWV68 Ouvertüre Courante Aria des Septimius „Descend, kind Pity“ aus dem 1. Akt Sinfonia aus dem 2. Akt Recitativo und Aria der Theodora „Oh thou bright sun … With darkness deep, as in my woe“ aus dem 2. Akt Sinfonia in vece de l’air lentement aus dem 2. Akt Recitativo und Aria der Theodora „But why art thou … Oh that I on wings could rise“ aus dem 2. Akt Aria des Septimius „From virtue springs“ aus dem 3. Akt MITGLIEDER DER BADISCHEN STAATSKAPELLE ULIANA ALEXYUK Sopran ELEAZAR RODRIGUEZ Tenor Km. STEPHAN SKIBA Leitung CHRISTIAN-MARKUS RAISER Orgel DEKAN HUBERT STRECKERT Katholische Kirche PFARRER DIRK KELLER Evangelische Kirche S0 19.2. 10.30 EVANGELISCHE STADTKIRCHE am Marktplatz 70 ÖKUMENISCHER FESTGOTTESDIENST 71 ULIANA ALEXYUK Sopran ELEAZAR RODRIGUEZ Tenor Die ukrainische Sopranistin war von 2009 bis 2011 Mitglied im Förderprogramm für junge Sänger am Moskauer Bolschoi-Theater, wo sie als Ludmila in Glinkas Ruslan und Ludmila in der Regie von Dmitri Tcherniakov und Amina in Bellinis La Sonnambula in der Regie von Pier Luigi Pizzi zu erleben war. Als Opernstudio-Mitglied der Houston Grand Opera debütierte Alexyuk 2013/14 in den USA. Sie wurde dort als Gilda in Verdis Rigoletto gefeiert. An der Pariser Oper sang sie Anja in Philippe Fénélons Kirschgarten, Beim Glyndebourne-Festival wurde ihre Zerbinetta in Ariadne auf Naxos unter Vladimir Jurowski mit dem John Christie-Preis ausgezeichnet. Seit 2015/16 gehört sie fest zum Ensemble in Karlsruhe und sang Nanetta in Falstaff, Giulietta in I Capuleti e i Montecchi, Blonde in Die Entführung aus dem Serail und Frasquita in Carmen. In der Spielzeit 2016/17 ist sie unter anderem als Adina in Der Liebestrank und als Servilia in La clemenza di Tito zu erleben. Geboren in Piedras Negras in Mexiko, war Eleazar Rodriguez Plácido DomingoStipendiat der Sociedad Internacional de Valores de Arte Mexicano. Er studierte am San Francisco Conservatory of Music und wurde danach in das Merola Opera Program der San Francisco Opera aufgenommen. 2010/11 war er Mitglied des Ensembles des Theaters Heidelberg. 2012/13 folgte sein Debüt an der Oper Frankfurt. Außerdem gastierte er als Almaviva in Rossinis Der Barbier von Sevilla am Michigan Opera Theatre, an der English National Opera London sowie an der Oper Graz. Seit der Spielzeit 2011/12 ist er Mitglied des Ensembles am STAATSTHEATER und sang Tonio in Die Regimentstochter, Tamino in Die Zauberflöte, David in Die Meistersinger von Nürnberg, Ferrando in Così fan tutte sowie als Fenton in Falstaff, Am STAATSTHEATER gestaltet er 2016/17 unter anderem Nemorino in Der Liebestrank, Der Meisterjünger in Wahnfried und Tebaldo in I Capuleti e i Montecchi. 72 ÖKUMENISCHER FESTGOTTESDIENST Km. STEPHAN SKIBA Leitung CHRISTIAN-MARKUS RAISER Orgel Stephan Skiba erhielt seine musikalische Grundausbildung als Mitglied der Regensburger Domspatzen, studierte Violine an der Hochschule für Musik in München bei Otto Büchner und schloss seine Studien bei Arthur Grumiaux in Brüssel ab. Einem Engagement als 1. Konzertmeister des Philharmonischen Orchesters Freiburg folgte 1984 die Ernennung zum 1. Konzertmeister der BADISCHEN STAATSKAPELLE. Solistische und kammermusikalische Engagements führten ihn durch Europa, nach Russland sowie regelmäßig nach Japan. Christian-Markus Raiser studierte Kirchenmusik an den Staatlichen Hochschulen für Musik in Stuttgart und Trossingen. An der Ev. Stadtkirche Karlsruhe, der Bischofskirche der Ev. Landeskirche in Baden, ist Raiser seit 1996 Kantor und Organist sowie künstlerischer Leiter verschiedener dort angesiedelter Konzertreihen wie etwa dem Internationalen Orgelsommer Karlsruhe. Er leitet den Bachchor Karlsruhe und das Vokalensemble CoroPiccolo Karlsruhe. Die Stadtkirche Karlsruhe entwickelte sich unter seiner Leitung zu einem Zentrum der Kirchenmusik für Stadt und Region. 2007 wurde er zum Kirchenmusikdirektor ernannt. Raiser gastierte mit zahlreichen Konzerten und Auftritten bei Internationalen Musikfestivals an vielen bedeutenden Kirchen und Orgeln im In- und Ausland. Hinzu kommen zahlreiche Tonträger-Einspielungen sowie Rundfunk- und Fernsehaufnahmen. Auch als Juror internationaler Wettbewerbe tritt er in Erscheinung. ÖKUMENISCHER FESTGOTTESDIENST 73 KAMMERKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN SUSANNE REGEL Oboe AVIAD GERSHONI Oboe CHRISTOPH TIMPE Violine JANA ANÝŽOVÁ Violine GABRIELLE KANCACHIAN Viola CATHI AGLIBUT Viola MARKUS MÖLLENBECK Violoncello DAVID SINCLAIR Violone WOLFGANG KOSTUJAK Cembalo MO 20.2. 20.00 KLEINES HAUS ca. 2 Stunden, eine Pause 74 KONZERT KAMMERKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN PROGRAMM Georg Philipp Telemann (1681–1767) Sonata á 5 F-Dur für 2 Violinen, 2 Violen und B.c. – TWV 44:F11 Affetuoso Allegro Adagio Presto Georg Friedrich Händel (1685–1759) Sonate g-Moll für Oboe, 2 Violinen und B.c. – HWV 404 (1. Satz Air HWV 122) Andante Allegro Adagio Allegro Johann Sebastian Bach (1685–1750) Konzert d-Moll für Oboe, Streicher und B.c. – Rekonstruktion nach BWV 1059 Allegro Adagio Presto – Pause – Georg Philipp Telemann Konzert d-Moll für Oboe, Streicher und B.c. – TWV 51:d1 Allegro Adagio Presto Georg Philipp Telemann Sonate A-Dur für zwei Violinen und B.c. – TWV 42:C1 Introduzzione (Grave-Vivace) Andante Introduzzione da Capo Xantippe - Lucretia (Largo) Corinna - Clelia (Spirituoso) Dido (Triste – Disperato) Georg Philipp Telemann Sonata e-Moll für 2 Oboen, 2 Violinen, 2 Violen und B.c. – TWV 50:e4 Gravement Allabreve Air Tendrement Gay KAMMERKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN KONZERT 75 ZU DEN STÜCKEN DIE GROSSEN DREI Telemann, Händel, Bach sind die Großen Drei der deutschen Barockmusik. Sie waren nicht nur Zeitgenossen. Auch ihre Lebenslinien kreuzten sich. Die Leipziger Stadtväter hätten lieber den prominenteren Telemann als Thomaskantor in die Messestadt geholt als den Lückenbüßer Bach. Telemann selbst zog ein Hamburger Angebot vor. Die Hafenstadt hatte internationales Publikum. Hier verdiente sich Händel im Opernorchester seine Sporen. Anders als seine beiden Kollegen war er reiselustig. Während Telemann, der Händel’sche Opern und Bach’sche Orgelwerke bearbeitete, nur wenige Monate in Paris gastierte und Bach seine mitteldeutsche Heimat nie verließ, verbrachte Händel den größten Teil seines Lebens im Ausland. Das heutige Kammerkonzert-Programm lädt Sie dazu ein, die Internationalität, den europäischen Geist dieser drei so unterschiedlichen Giganten miteinander zu vergleichen. Die barocken Gattungsbezeichnungen Sonata und Concerto haben dabei eine andere Bedeutung als heute. Sie beziehen sich nicht auf die Größe der Besetzung – mit Orchester oder ohne –, sondern auf die Form. Die Sonata bezeichnet ein Instrumentalstück im Gegensatz zum Vokalstück, der Cantata. Das Concerto bezeichnet ein Stück mit konzertierenden Soloinstrumenten, die in Dialog mit einem Tutti treten. Für den Hauptkomponisten unseres Konzertes, Georg Philipp Telemann, ist charakteristisch, dass er schon in jungen Jahren als Eisenacher Hofkapellmeister selbst diese Grenzen verwischte. Eine ganze Reihe seiner Instrumentalwerke sind unter beiden Titeln überliefert, sodass ein früher deutscher Kritiker für sie die Bezeichnung „Sonate auf Concertenart“ prägte. Telemann lebte nicht nur länger als Bach und Händel. Er schuf mit 3617 bis heute bekannten Werken auch nahezu doppelt so viel Musik, wie beide zusammen. Sein Ruf als Vielschreiber hat ihm bei der Nachwelt geschadet. Erst allmählich sickert auch jenseits jener Kreise, die die Werke, über die sie urteilen, auch kennen, durch, dass Telemann zum Geistreichsten, Fantasievollsten und Eigensinnigsten gehört, was das Spätbarock hervorgebracht hat. Keines seiner Instrumentalwerke ist autograf überliefert. Die meisten zeitgenössischen Abschriften bewahren die Sächsische Landesbibliothek Dresden und die Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt auf, wohingegen die Vokalmusiken eher für Hamburg aber auch für die Stadt der Kaiserkrönungen, Frankfurt a. M., komponiert wurden. Damit zeichnen sich Zentren seiner Rezeption und Wertschätzung ab. Die fünfstimmige Streichersonate in F-Dur, mit der unser Konzert beginnt, hat sich in einer Abschrift Johann Georg Pisendels erhalten, der sowohl mit Bach als auch mit Telemann befreundet und ab 1712 Erster Violinist, später Kapellmeister der Dresdner 76 KONZERT KAMMERKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN Hofkapelle war. Sie wurde also im Rahmen der Kammermusik des Sächsischen Hofes gespielt. Darauf weisen auch Einzeichnungen zur Artikulation hin, die möglicherweise von Pisendel selbst zu Aufführungszwecken eingetragen wurden. Der erste Satz ist Affetuoso überschrieben, soll also pathetisch vorgetragen werden. In der Orchestermusik – zum Beispiel bei Händel – hätte man hier einen punktierten französischen Rhythmus eingesetzt. Die Kammermusik sucht eigenständigere Wege. Telemann leitet einen charakteristischen fünfgliedrigen Versfuß aus dem Ionikus ab – lang lang kurz kurz lang – und fasst die fünf Stimmen zunächst zu Gruppen zusammen, die sich schnell emanzipieren und jene für Telemann so charakteristische, quecksilbrige Beweglichkeit und Leichtigkeit entwickeln. Man könnte ihn als den Jacques Offenbach unter den Barockkomponisten bezeichnen. Im mittleren Stück des 2. Teils unseres Programms formuliert er seine offenbach’sche oder besser: jean-paul’sche Seite auch verbal. Er publizierte die verschiedenen Sätze seiner Triosonate für zwei Traversflöten oder Violinen und Basso continuo A-Dur TWV 42: C1 nämlich mutwillig über ein Werk verstreut, das er in einem launigen Vorwort als „musicalisches Journal“, also als weltweit erste Zeitung in Noten bezeichnete. Es ist ein Sammelsurium aller möglichen Instrumentalstücke, Opernarien, Chöre, Kanons etc. „nach Italiänischer, Französischer, Englischer, Polnischer, etc. so ernsthaft- als lebhaft- und lustigen Ahrt“, an dem sich auch andere Komponisten beteiligen durften, soweit sie das Porto ihrer Einsendungen selber zahlten. Seinen satirischen Charakter enthüllt dieser so genannte Getreue Music- Meister von 1728 auch dadurch, dass er Tänze der Yahoos, der schlauen Pferde aus Swifts Gullivers Reisen enthält. Unsere Triosonate entpuppt sich als Suite mit französisch punktierter Ouvertüre, auf die vier Sätze folgen, die nach Damen der Antike benannt sind und den Charakter dieser Damen musikalisch deuten und beschreiben. Xantippe, der zänkische Frau des Sokrates, hatte Telemann bereits in seiner Oper Der geduldige Socrates ein Denkmal gesetzt. Da sie nicht ganz dicht ist, sind in dem ihr gewidmeten Stück immer die falschen Zählzeiten im Takt betont. Außerdem entwürdigt sie ihren Mann, indem sie in Oktavsprüngen Hoppe Hoppe Reiter auf ihm spielt. Die tugendhafte Lucretia ist das ganze Gegenteil. Laut Livius wurde sie im 6. Jh. v. Chr. von vom Sohn Königs Tarquinius‘, des Übermütigen vergewaltigt. Ihr Selbstmord löste die römische Revolution aus und führte zur Gründung der Republik. Ihr pathetisches Largo in feierlich punktierten Rhythmen gibt die Klage der Heldin wieder. Mit Corinna folgt wieder ein Miststück. Ovid berichtet von seiner Geliebten, dass sie toll im Bett war und hinreißend aussah, es aber mit jedem trieb und sich ihren Spaß daraus machte, den Dichter zu quälen. Telemanns Musik führt sie als koketten Wirbelwind vor, die komplizierte Beziehung als konfliktreich konzertierenden Dialog zweier Partner, die sich ständig ins Wort fallen oder gleichzeitig schimpfen, bis sie außer Atem geraten und kurz inne halten. Dann folgt wieder eine Heldenfrau als Fortsetzung der Lucretiasage. Der vertriebene König Tarquinius versuchte seinen Thron nämlich im Zuge der Latinerkriege zurück zu erobern. Ein Waffenstillstand zwischen den Parteien wurde KAMMERKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN KONZERT 77 durch Austausch von Geiseln gesichert. Der Römerin Clelia gelang es, mit einigen Gefährtinnen zu Pferd durch den reißenden Tiber schwimmend zu fliehen. Da die Römer den Waffenstillstand brauchten, um Kräfte zu sammeln, wurden die Geiseln rücküberstellt. König Porsena war so beeindruckt von Clelias Kampfgeist, dass er ihr mit der Hälfte der Geiseln ihrer Wahl die Freiheit schenkte. Sie wählte alle jungen Römer im Feindeslager aus und führte ihrem Vaterland damit frische Kämpfer zu. Das ihr gewidmete Stück ist Spirituoso, „feurig“ überschrieben. Der feurige Mut, das Draufgängertum der Heldenjungfrau drückt sich in den fallenden Solotriolen aus, die den Damm der Angst durchbrechen, sodass alle anderen ihrem Beispiel folgen. Den Beschluss macht die verzweifelte Königin Dido aus Vergils Aeneis, die – von Aeneas verlassen – Selbstmord begeht. Vorhalte lassen sie seufzen, Triller und Vorschläge die Stimme beben, bis sie sich in verzweifelten Sechzehntelläufen der Raserei überlässt. Die rhetorische Qualität dieser kleinen Szene unterstreicht Telemann durch die Vortragsanweisungen „triste“ und „disperato“. Telemanns Oboenkonzert in d-Moll ist vom modernen, konzertierenden Vivaldi-Typ, was vermuten lässt, dass es für den Dresdner Hofoboisten Johann Christian Richter komponiert wurde. Tatsächlich stammt die Hauptquelle aus der Sächsischen Landesbibliothek. Das Parallelwerk Bachs, mit dem der erste Konzertteil schließt, ist eine Rekonstruktion. Von dem Cembalokonzert BWV 1059 sind nur neun Takte überliefert, die eine Bearbeitung der Einleitungssinfonie der Kantate BWV 35 sind. Zwei weitere Sätze der Kantate könnten ebenfalls einem Instrumentalkonzert entnommen sein, sodass man schon im 19. Jahrhundert versuchte, diese „Urfassung“ zu rekonstruieren, für die sich aber eher die Oboe als Cembalo eignet. Das in der British Library verwahrte Manuskript von Händels Triosonate trägt den Vermerk, er habe sie mit 14 Jahren komponiert. Tatsächlich deutet die Corelli’sche Satzfolge darauf hin, dass sie während seines Italienaufenthaltes entstand. Telemanns e-Moll-Sonate scheint sich dagegen an der Gattung der Orchestersuite zu orientieren, die offenbar auch als größere Hausmusik aufzuführen war. von Boris Kehrmann SUSANNE REGEL Oboe Susanne Regel studierte Blockflöte, moderne Oboe und historische Oboeninstrumente bei Horst Wartha, Günter Theis und Katharina Arfken in Basel. Als Orchestermusikerin und als Solistin wirkte sie bei hunderten von Aufnahmen mit. Sie unterrichtet historische Oboeninstrumente an den Musikhochschulen in Karlsruhe und Trossingen. AVIAD GERSHONI Oboe Der in Nes Ziona in Israel geborene Avia Gershoni studierte an der Rubin Academy in Jerusalem und setzte seine Ausbildung in Italien fort. Er arbeitete mit vielen berühmten Barockorchester zusammen, so mit Il Giardino Armonico, Concerto Italiano, Il Pomo D’Oro, Les Arts Florissants und Capella Cracoviensis. Er wirkte mit bei Aufnahmen für Deutsche Grammophon, SONY BMG und Decca. 78 KONZERT KAMMERKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN CHRISTOPH TIMPE Violine In Freiburg geboren, studierte er Barock-Violine in London und Köln. Seit Mitte der 90er Jahre arbeitet er mit Musica Antiqua Köln, Concerto Köln und The Orchestra of the Age of Enlightenment zusammen. In den Folgejahren war er Konzertmeister des italienischen Orchesters Academia Montis Regalis. Heute ist er vor allem für seine Arbeit mit dem von ihm in Rom gegründeten Ensemble Accademia per Musica bekannt. JANA ANÝŽOVÁ Violine In Tschechien geboren, studierte sie Violine in Kremsier und Brünn. Schon während des Studiums konzertierte sie regelmäßige mit verschiedenen Ensembles, wie Collegium 1704, Musica Florea, Concerto Köln, Cappella Coloniensis, La Cetra Basel. Sie ist Mitbegründerin des Quartetto Quadrifoglio, das sich mit der Interpretation von Werken aus der tschechischen Musikliteratur beschäftigt. GABRIELLE KANCACHIAN Viola Sie kam 1987 nach einer Ausbildung in Melbourne zum Aufbaustudium an die Hochschule für Musik nach Köln, wo sie 1989 ihr Diplom erhielt. Seit 2000 beschäftigt sie sich mit der historischen Aufführungspraxis und spielt in Ensembles wie Concerto Köln, dem Freiburger Barockorchester, Capella Augustina und anderen. Zahlreiche Gastspiele führten sie bereits durch Europa, Asien und Amerika. CATHI AGLIBUT Viola Nach ihrem Violinstudium an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien wandte sie sich dem Studium historischer Aufführungspraxis zu. Sie ist Mitglied der Lauttencompagney Berlin und durch rege Konzerttätigkeit und zahlreiche CD-Produktionen mit vielen renommierten Barockensembles verbunden: L’Arpeggiata, Concerto Palatino, Göttinger Händelfestspielorchester, La Dolcezza. MARKUS MÖLLENBECK Violoncello Er war Solocellist von Musica Antiqua Köln unter Reinhard Goebel mit weltweiter Konzerttätigkeit bei den Musiciens du Louvre, dem Freiburger Barockorchester, La Stagione Frankfurt und bei der Capella Augustina. Als leidenschaftlicher Pädagoge unterrichtet er Meisterklassen in Michaelstein und Lübeck sowie in Berlin und Essen. Seit 2011 ist er Gastprofessor an der Musikakademie in Bydgoszcz in Polen. DAVID SINCLAIR Violone Der Kanadier David Sinclair ist einer der einflussreichen Kontrabassisten der Alte-Musik-Szene. Er ist international bekannt für seine Arbeit an der Wiederentdeckung des Wiener Kontrabasses und dessen Repertoire durch mehrere Solo-CD-Einspielungen, vor allem von Wiener Kontrabass-Konzerten (ARS Produktion). WOLFGANG KOSTUJAK Cembalo Wolfgang Kostujak absolvierte zunächst Musiktheorie-, sowie Orgel- und Cembalostudien bei Silvio Foretic, Arvid Gast, Wilfried Langosz und Ludger Rémy. Im Anschluss an seine künstlerische Reifeprüfung 1993 ging er für drei Jahre ans Sweelinck-Conservatorium, Amsterdam, wo er in der Klasse Bob van Asperen studierte. Seit 1998 lehrt er an der Folkwang Universität der Künste in Essen. KAMMERKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN KONZERT 79 80 81 3. SONDERKONZERT FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN Generalintendant a. D. Günter Könemann, dem Gründer der HÄNDEL-TAGE, seit 1985 HÄNDEL-FESTSPIELE KARLSRUHE, gewidmet ANNA FUSEK Flautino & Blockflöte CHRISTIAN CURNYN Dirigent MICHAEL FICHTENHOLZ Moderation DEUTSCHE HÄNDEL-SOLISTEN 1. Violine Andrea Keller, Wolfgang von Kessinger, Christoph Timpe, Helmut Hausberg, Michael Gusenbauer, Eva Scheytt, Dora Szilagyi* 2. Violine Christoph Mayer, Almut Frenzel, Jana Anýžová, Martin Kalista, Salma Sadek, Matthias Hummel Viola Jane Oldham, Klaus Bundies, Gabrielle Kancachian, Cathi Aglibut Violoncello Gerhart Darmstadt, Bernhard Hentrich, Markus Möllenbeck, Dmitri Dichtiar Violone David Sinclair, Michael Neuhaus Cembalo Rien Voskuilen Laute Sören Leopold Oboe Susanne Regel, Aviad Gershoni, Kristin Linde Fagott Rhoda Patrick, Marita Schaar, Heide Pantzier Horn Christian Binde, Reneé Allen, Karen Hübner Trompete Hannes Rux, Ute Rothkirch, Karel Mnuk Pauke Peter Hartmann *Stipendiatin der INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE 2016 MI 22.2. 19.00 GROSSES HAUS 2 Stunden 30 Minuten, eine Pause 82 KONZERT FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN PROGRAMM Georg Friedrich Händel (1685–1759) Concerto grosso D-Dur op. 6, Nr. 5 Andante larghetto Allegro Larghetto andante e piano Allegro ma non troppo Adagio Johann Sebastian Bach (1685–1759) Italienisches Konzert BWV 971 (Fassung für Blockflöte und Orchester) Concerto Andante Presto Franz Xaver Richter (1709–1789) Grave und Fuga in g-moll – Pause – Matthias Georg Monn (1717–1750) Sinfonia in H-Dur Allegro Andante molto Presto Antonio Vivaldi (1678–1741) Konzert für Flautino und Orchester RWV 443 [Allegro] Largo Allegro molto Georg Friedrich Händel Feuerwerksmusik HWV 351 Ouverture Bourrée La Paix La Réjouissance Menuett I und II FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN KONZERT 83 ZU DEN STÜCKEN MUSIKALISCHE REISE DURCH HÄNDELS EUROPA Auch wenn der Begriff der Nation im modernen Sinne zur Zeit Händels noch keine hundert Jahre alt war – der Begriff „natio“ bezeichnete im Mittelalter landsmannschaftliche Studentenverbindungen an Universitäten, der Begriff Ausländer hätte im Feudalismus, wo es auf den Erwerb möglichst vieler Vasallen ankam, keinen Sinn gemacht –, gab es Anfang des 18. Jahrhunderts schon Nationalstile. Um 1700 bildeten sich ein „französischer“, ein „italienischer“ und ein „englischer“ Stil heraus, um 1750 ein „Mannheimer Stil“, der dann um 1770 zur Grundlage der Wiener Klassik wurde. Deutschland in der Mitte Europas war das Land, das alle diese Stile begierig anzog und daraus den „vermischten Stil“ schuf. In diesem Sinne hatte August Wilhelm Schlegel die deutsche 84 Kultur als „melting pot“ und ihre Aufgabe als Vermittlerin definiert. In diesem Sinne prägte Goethe den Begriff „Weltliteratur“. In diesem Sinne auch bestimmte Emanuel Geibel 1861 „Deutschlands Beruf“ mit dem rasch böswillig uminterpretierten Schlagwort „An Deutschlands Wesen soll die Welt genesen“. „Deutschlands Wesen“ bestand nach Geibel nicht in Imperialismus, sondern in seiner ausgleichenden Befähigung zur Mediation zwischen den Völkern. In diesem Sinne unternimmt das heutige Konzert eine musikalische Reise durch das Europa der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in der ein reiselustiger, Italienbegeisterter junger Mann aus Halle ein Concerto grosso im Stile Corellis schrei- KONZERT FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN ben konnte und ein von Vivaldis Partituren begeisterter Leipziger Stadtbeamter, der keinen Fuß aus seiner mitteldeutschen Heimat setzte, ein „Concerto nach Italiaenischen Gusto“. Beide reicherten den „italiaenischen Gusto“ mit ausgefeilter Kontrapunktik an, die damals als nordeuropäisch, wenn nicht gar „typisch deutsch“ empfunden wurde, und schufen so etwas völlig Neues in jenem vermittelnden Sinne, der oben skizziert wurde. Händels Concerti grossi op. 6 sind im Gegensatz zu denen op. 3 Spätwerke vom September/Oktober 1739. Mit ihrer Satzfolge Langsam-Schnell-Langsam-Schell repräsentieren sie den alten Typ der so genannten Kirchensonate, wie der junge Händel sie 1707/08 bei Corelli in Rom auch in praxi kennen gelernt hatte. Corelli, der Meister des italienischen Instrumentalstils, nahm damals gerne junge Musiker aus den deutschsprachigen Ländern, die nach Italien reisten, unter seine Fittiche. Er brachte auch das Concerto grosso, das sich im Laufe des 17. Jahrhunderts in Italien entwickelte, um ca. 1680 in seine klassische Form, die ein knappes Jahrhundert später in die Form der Sinfonie mündete. Unter Concerto grosso versteht man eine Konzertform, in der solistische Episoden mit Tutti-Episoden abwechseln. Anders als beim Solokonzert, besteht die Solostimme aber nicht aus einem einzigen Instrument, sondern aus einer Gruppe von Soloinstrumenten, dem sogenannten Concertino. Sie wechseln mit den Passagen des vollen Orchesters, dem so genannten Concerto grosso, ab, in das auch das Concertino mit einstimmt. Die kontrapunktischen Passagen finden sich in den beiden schnellen Sätzen. Auf die Vorklassik weist dort die Arbeit mit zwei kontrastierenden Themen hin. Im Gegensatz zu Händel kannte Bach die italienische Musik hauptsächlich aus Partituren, wenn er nicht Gelegenheit hatte, reisende Virtuosen in Dresden oder an den anderen Orten seiner Tätigkeit zu hören. Bach war vor allem von dem modernen Stil Vivaldis fasziniert, wie sein so genanntes Italienisches Konzert für Cembalo Solo mit seiner dreisätzigen Anlage SchnellLangsam-Schnell und seiner aberwitzigen Virtuosität zeigt. Bach bearbeitete zahlreiche Solokonzerte Vivaldis. Den Orchestereffekt ahmt er auf dem Cembalo mit dem raffinierten Einsatz vollstimmigerer und „solistischerer“ Passagen nach, die er auch ausdrücklich mit „piano“- und „forte“-Angaben kennzeichnete. Anna Fusek dreht diesen Bearbeitungsschritt jetzt wieder um, indem sie Bachs Konzert in ein Blockflötenkonzert mit Orchester „rückübersetzt“. Damit erweitert sie nicht nur die spieltechnischen Möglichkeiten der Blockflöte, sondern stellt sich in einem Gedankenexperiment auch vor, wie Bachs Musik in der Klangwelt seines Vorbilds Vivaldi geklungen haben könnte. Im 2. Konzertteil hören sie dann ein authentisches Blockflötenkonzert Vivaldis, das C-Dur-Konzert RV 443, dessen schnelle Läufe und verzierte Arpeggien ebenfalls eher „violinistisch“ gedacht sind – Vivaldi war von Hause aus Geiger – und dessen empfindsamer Mittelsatz im wiegenden Siciliano-Rhythmus es zu besonderer Beliebtheit gebracht hat. Es ist eine veritable Opernarie für Blockflöte. Vivaldis Solokonzerte haben die Concerti grossi insofern hoch persönlich weiter FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN KONZERT 85 gedacht, als dass sie nun einen einzigen Superstarvirtuosen, der durchaus auch wild drauflos verzieren darf und soll, wenn er dazu noch Puste hat, selbstverliebt und eitel mit imitatorisch angelegten TuttiRitornellen alternieren lassen. Hier kann man sich nicht zurücklehnen und irgendwelche Stilmerkmale wiedererkennen, sondern befindet sich im freien Fall der Musikgeschichte, ohne das Netz einer Autorität zu erkennen, die einen auffängt. Hier sind wir allein mit der Musik. Harmonisch abenteuerlich ist ein anonym überliefertes Werkpaar aus Grave und Fuga in g-Moll, das wechselweise dem in Mannheim wirkenden Böhmen Franz Xaver Richter und dem in Italien und Dresden wirkenden Opernmeister Johann Adolph Hasse zugeschrieben wird. Die Großform entspricht einer Französischen Ouvertüre mit einem langsamen Einleitungssatz in feierlich punktierten Rhythmen, dem Grave, und einem anschließenden raschen Fugato, das hier eine ausgewachsene Orchesterfuge ist. Beide Teile sind mit ihren fortgesetzten Dissonanzen im 1. Teil und dem chromatisch fallenden Lamento-Thema im 2. von allerhöchster, geradezu elektrisierender Expressivität und fallen in ihrer Radikalität vollkommen aus dem Rahmen des Gesamtwerks der beiden Komponisten, denen sie zugeschrieben wurden, aber auch ihrer Zeit. Am ehesten noch könnte man sich Bach als Schöpfer solcher Harmonik und Dichte denken, der Schluss der Fuge klingt mit seinen Sequenzierungen aber wie Vivaldi unter Drogen. Der Umstand, dass diese aufregende Musik so überhaupt nicht einzuordnen, nicht mal im gesicherten Schubfach eines Komponisten abzulegen ist, dürfte der Grund dafür sein, dass sie so selten aufgeführt wird. Dagegen ist Matthias Georg Monns oder Manns, wie sich sein Bruder schrieb, Wiener Sinfonia in B-Dur pure Unterhaltungsmusik. Im freundlichen Kopfsatz alternieren die beiden Orchestergruppen nach Art Vivaldis miteinander, indem sie einander imitieren. Die Exposition wird brav wiederholt, bevor das Kopfthema in einer Art Durchführung moduliert und verarbeitet wird, die zweimalige Wiederholung der Exposition nach Rondo-Art schafft schließlich einen befriedigenden Abschluss. Die formale Klarheit und Logik, die so erreicht wird und verkürzt auch im Schluss-Allegro vorkommt, war um 1750 nicht nur eine sensationelle Errungenschaft, sondern auch eine musikalische Revolution. Damit tritt das alte Sonata da chiesa/da camera-Schema ab, kündigt sich die neue Sonatenhauptsatzform an, auf der die Sinfonik der folgenden 150 Jahre basieren wird. Es wäre also überheblich, über die „Naivität“ dieser Musik zu lächeln. Monn und seine Wiener Kollegen waren die Schönbergs des 18. Jahrhunderts. Sie hatten den Mut, das Alte hinter sich zu lassen, die Brücken zum Barockzeitalter hinter sich abzubrechen und völlig neue Formen zu definieren, die sie vielleicht nicht immer ebenso visionär füllen konnten. Trotzdem erleben wir hier, wie das Neue entsteht. 86 KONZERT FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN Gleichzeitig bewegte sich der 63-jährige Händel, der ein für seine Zeitgenossen bereits biblisches Alter erreicht hatte, mit seiner Feuerwerksmusik formal auf sicheren Bahnen. Verständlich. Man schreibt keine Experimentalmusik für ein Volksfest. Sie war ein Kompositionsauftrag Georges II., der 1749 damit die Ratifizierung des Aachener Friedens in den Vauxhall Gardens feiern wollte. 12.000 Zuschauer strömten zur Generalprobe. Die Uraufführung selbst fiel buchstäblich ins Wasser, da es regnete. Händel hielt sich an die traditionelle Form einer Suite, die aus einer Französischen Ouvertüre, wie sie oben charakterisiert wurde, sowie einer Reihe von Tanzsätzen bestand. Zwei davon nehmen auf den feierlichen Anlass Bezug: La Paix – Der Frieden und La Réjouissance – Die Freude. Experimentell aber war die riesige Orchesterbesetzung und meisterhaft die Erfindung und Durcharbeitung des Materials. Wie sehr Händel mit dem neuartigen Klang eines ungewöhnlichen Riesenorchesters experimentierte, zeigt der Umstand, dass er drei Einstudierungen brauchte, ehe er die definitive Instrumentation festlegte. Wenn man will, kann man auch darin etwas Visionäres sehen. Denn an jene über 100-köpfigen Riesenorchester, die damals als etwas völlig Ungewohntes sogar einen Händel unsicher machen konnten, haben wir uns heute gewöhnt. von Boris Kehrmann FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN KONZERT 87 ANNA FUSEK Flautino & Blockflöte Anna Fusek wurde 1981 in Prag geboren. Sie spielt seit ihrem 5., 6. und 8. Lebensjahr Violine, Blockflöte und Klavier. Zunächst erhielt sie Unterricht von Corinna Guzinski in Dortmund und Michael Wessel-Therhorn in Münster. Es folgten Studien bei Han Tol in Rotterdam und bei Christoph Huntgeburth in Berlin, wo sie 2005 ihr Künstlerisches Diplom abschloss. Sie studierte außerdem als DAAD-Stipendiatin historische Klaviere bei Edoardo Torbianelli und Blockflöte (Ensemble) bei Conrad Steinmann an der Schola Cantorum Basiliensis. 2008 kehrte sie zurück nach Berlin und nahm das Studium der Barockvioline bei Irmgard Huntgeburth an der Universität der Künste auf, das sie 2013 mit einem Künstlerischen Diplom beendete. Als Solistin war sie unter anderem in folgenden Konzerthäusern zu hören: 88 Musikverein Wien, Carnegie Hall New York, Concertgebouw Amsterdam, Philharmonie Berlin, Théatre des Champs-Elysées Paris, Walt Disney Concert Hall Los Angeles, Gran Teatro del Liceu Barcelona, Herkulessaal München und Rudolfinum Prag. Sie hat mit Künstlerpersönlichkeiten wie Andrea Marcon, René Jacobs, Christian Curnyn, Michael Sanderling, Richard Dindo, Andreas Dresen, Magdalena Kožená, Sara Mingardo und Reinhold Friedrich sowie Klangkörpern wie dem Venice Baroque Orchestra, der Akademie für Alte Musik Berlin, den Berliner Philharmonikern, dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, den Bremer Philharmonikern, dem Prager Barockorchester Collegium 1704, Il Pomo d’oro, dem Basler Barockorchester La Cetra, dem Hamburger Barockorchester Elbipolis, der Cappella Mediterranea, der Kammerakademie Potsdam sowie dem Ensemble Oriol zusammengearbeitet. KONZERT FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN CHRISTIAN CURNYN Dirigent Der britische Dirigent und Cembalist Christian Curnyn ist einer der meistgefragten Dirigenten des barocken Opernrepertoires. Er studierte Musik an der University of York und Cembalo an der Guildhall School of Music and Drama in London. 1994 gründete er die Early Opera Company. Zu den frühen Händel-Aufführungen gehören Ariodante für das BOC Covent Garden Festival sowie Orlando beim South Bank Centre Early Music Festival. 2005 gab er sein Debüt an der Scottish Opera als Dirigent von Semele, 2006 folgte Tamerlano. Mehrfach trat er bei den Händel Festspielen in Halle auf, 2008 auch in Karlsruhe mit Susanna. An der English National Opera debütierte er im gleichen Jahr mit einer Neuproduktion von Händels Partenope, 2010 am Chicago Opera Theater mit Cavallis Giasone. Zu seinen jüngsten Gastengagements gehören Händels Partenope an der Opera Australia und an der San Francisco Opera, Cavallis La Calisto an der Oper Frankfurt, Ramaus' Castor et Pollux an der Komischen Oper Berlin sowie Monteverdis Orfeo und Cavallis L’Ormindo am Royal Opera House in London. Nach seinem Debüt mit Platée übernahm er 2015/16 an der Oper Stuttgart die musikalische Leitung bei der Neuinszenierung von The Fairy Queen. Für Konzertdirigate gastierte er beim Ulster Orchestra und Hallé Orchestra, beim Stavanger Symphony Orchestra, bei The English Concert, beim Irish Baroque Orchestra und beim Scottish Chamber Orchestra für eine Tournee mit Nicola Benedetti gefolgt von einer Einspielung bei Decca. Zahlreiche weitere Aufnahmen liegen vor, außerdem wurde er mehrfach für seine Arbeit ausgezeichnet, zuletzt mit dem BBC Music Magazine Award 2013. FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN KONZERT 89 90 91 ARMINIO Oper von Georg Friedrich Händel HWV36 Libretto nach Antonio Salvi basierend auf der Tragödie „Arminius“ von Jean Galbert de Campistron Uraufführung am 12. Januar 1737 am Covent Garden Theatre in London In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln Aufführungsrechte Hallische Händel-Ausgabe Bärenreiter Arminio, Fürst der Chauken und Cherusker Tusnelda, Ehefrau Arminios, Tochter Segestes Segeste, Fürst der Chatten, Verbündeter Varos Varo, Oberbefehlshaber der römischen Armee am Rhein Sigismondo, Sohn Segestes, Liebhaber der Ramise Ramise, Schwester Arminios Tullio, Hauptmann Varos MAX EMANUEL CENCIC LAUREN SNOUFFER PAVEL KUDINOV JUAN SANCHO NICOLAS ZIÉLINSKI GAIA PETRONE OWEN WILLETTS ARMONIA ATENEA 1. Violine Sergiu Nastasa (Konzertmeister), Epameinontas Filippas, Georgios Panagiotopoulos, Angie Kasdas, Sofia Liu, Chryssa Koutsaftaki 2. Violine Carmen Otilia Alitei, Athanasios Martzoukos, Angeliki Fanarioti, Luise Ramos-Stahl Viola Laurentiu Octavian Matasaru, Ilias Livieratos Violoncello Iason Ioannou, Christopher Humphreys, Ilias Sakalak Violone Dimitris Tigkas Cembalo Markelos Chryssikopoulos Theorbo Theodoros Kitsos Oboe Dimitris Vamvas, Kristin Linde* Fagott Heide Pantzier* Horn Peter Bühl*, Tristan Hertweg* *Gäste der Armonia Atenea In Kooperation mit Parnassus Arts Productions WIEDERAUFNAHME FR 24.2. 19.00 GROSSES HAUS Weitere Vorstellungen 26.2. 15.00, 1.3. 19.00 3 Stunden 30 Minuten, Pausen nach dem 1. & 2. Akt Die in Koproduktion mit den INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELEN KARLSRUHE entstandene CD-Aufnahme ist bei Decca erschienen und am CD-Stand erhältlich. 92 OPER ARMINIO STATISTERIE DES BADISCHEN STAATSTHEATERS Kinder Arminios und Tusneldas Diener, Soldaten KYLE LIPPOTH / JONAS ROTHENBACHER SINAH EICHE / PHILINE SCHÜTTLE PAULINUS BURGER, ALAIN CERNY, CÉDRIC DUJARDIN, ALESSANDRO GOCHT, MATHIS HARANG, ALEXANDER KOLARCYK, CORNELIUS MARTJAN, MANUEL MÜLLER, MARKUS SCHMIDT, PHILIPP SCHWARTZ, SAMUEL SEIDEL, ALEXANDER SPRICK, ANDREAS STEFFEN, GASTON WEBER Musikalische Leitung GEORGE PETROU Regie MAX EMANUEL CENCIC Bühne HELMUT STÜRMER Kostüme HELMUT STÜRMER, CORINA GRĂMOŞTEANU Video ETIENNE GUIOL, ARNAUD POTTIER Licht HELMUT STÜRMER, CHRISTOPH HÄCKER Cembalo & Leitung der Rezitative MARKELOS CHRYSSIKOS, GEORGE PETROU Dramaturgie MICHAEL FICHTENHOLZ Musikalische Assistenz Olga Zheltikova Regieassistenz und Abendspielleitung Dimitris Dimopoulos Regieassistenz Amna Schaddad Bühnenbild-Assistenz Megan Roller Kostümassistenz Stefanie Gaissert Übertitel Achim Sieben Inspizienz Gabriela Muraro Leitung der Statisterie Oliver Reichenbacher Technische Direktion Harald Fasslrinner, Ralf Haslinger Bühne Helga Gmeiner, Margit Weber Leiter der Beleuchtung Stefan Woinke Licht Christoph Häcker Leiter der Tonabteilung Stefan Raebel Ton Gunter Essig, Jan Pallmer Leiter der Requisite Wolfgang Feger Werkstättenleiter Guido Schneitz Malersaal Giuseppe Viva Leiter der Theaterplastiker Ladislaus Zaban Schreinerei Rouven Bitsch Schlosserei Mario Weimar Polster- und Dekoabteilung Ute Wienberg, Bernhard Busse Kostümdirektorin Christine Haller Gewandmeister/In Herren Petra Annette Schreiber, Robert Harter Gewandmeisterinnen Damen Tatjana Graf, Karin Wörner, Annette Gropp Waffenmeister Michael Paolone, Harald Heusinger Schuhmacherei Thomas Mahler, Nicole Eyssele, Valentin Kaufmann Modisterei Diana Ferrara, Britta Hildebrandt Kostümbearbeitung Andrea Meinköhn Chefmaskenbildner Raimund Ostertag Maske Sabine Bott, Marion Kleinbub, Petra Müller, Sotirios Noutsos, Karin Grün, Inken Nagel, Niklas Klaiber ARMINIO OPER 93 ZUM INHALT 1. AKT Nachdem Arminio sieglos aus einem Kampf mit römischen Legionen zurückkehrt, drängt ihn seine Gattin Tusnelda zur Flucht. Arminio weigert sich, da er kein Verräter sein will. Als Tusnelda ihn aber daran erinnert, dass sie, wenn er falle, den Römern zur Beute werde, fliehen sie gemeinsam. Der Hauptmann Tullio überbringt Varo, dem römischen Feldherrn die Nachricht von Arminios Flucht. Varo ist verstimmt, weil dadurch der Glanz des Sieges gemindert wird; außerdem gesteht er seine Liebe zu Tusnelda. Tullio rät ihm, Amor zu bezwingen. Doch Varo beteuert, dass er für Ruhm und Liebe noch besser kämpfen werde. Segeste, Fürst der Chatten und Vater Tusneldas, verrät Arminio und übergibt Varo den Gefangenen und das unterworfene Reich der Germanen. Arminio verurteilt Segeste wegen seines Verrats an Vaterland, Tochter und Schwiegersohn. Tusnelda ist erschüttert von der Feindseligkeit zwischen ihrem Vater und ihrem Gatten. Segeste und Varo versuchen, Arminio umzustimmen: Er soll Frieden von Rom erbitten. Dieser will aber eher sterben, als dem Vaterland abzuschwören und so zum Verräter zu werden. Segeste ist über den Stolz seines Schwiegersohns entrüstet und will diesen lieber opfern, als den Frieden zu gefährden. Sigismondo, Segestes Sohn, deutet grauenhafte Träume als Voraussage unheilvollen Schicksals. Tusnelda überbringt ihrem Bruder Sigismondo und dessen Geliebter Ramise die Schreckensbotschaft von Arminios Gefangennahme. Ramise, Arminios Schwester, ist im Begriff, sich 94 OPER ARMINIO Rom und Varo zum Opfer zu bringen, um das Schicksal ihres Bruders zu erleichtern. Als sie von Segestes Verrat erfährt, fragt sie Sigismondo, wie er jetzt noch Arminios Schwester lieben könne. Jener beteuert dagegen seine Unschuld an den Verbrechen des Vaters. Ramise will gehen, Sigismondo und Tusnelda halten sie jedoch zurück. Ramise empfindet Grauen und erklärt, in ihrer Brust sei kein Platz mehr für die Liebe. Sigismondo ist verzweifelt und fleht seine Schwester um Hilfe an. Sie hat Mitleid mit ihm, bittet ihn aber, auch an ihr Herz zu denken. Ein Schmerz, der mit dem Weinen vergehe, sei ein schwaches Zeichen der Liebe, meint Tusnelda und erklärt, dass das Feuer einer starken Liebe nicht einmal der Tod löschen könne. Segeste tritt auf und fordert Sigismondo auf, seine Absichten zu ändern und nicht mehr an Ramise zu denken: Das Schicksal habe sich gewandelt, da Augustus Segestes Treue belohnen wird. Sigismondo will zwar gehorchen, kann es aber nicht; er wirft dem Vater sein Schwert vor die Füße, damit dieser ihn töte. Segeste bezeichnet seinen Sohn als Verräter und verlässt ihn zornig. Sigismondo bekennt, dass er sterben könne, aber nicht leben ohne zu lieben. 2. AKT Segeste offenbart Tullio, dass Recht Vernunft und die Tränen seiner Tochter der Tötung Arminios entgegen stünden. Wenn Tusnelda Varo heirate, werde sie ihre Tränen trocknen, meint Tullio. Segeste ist erfreut und verkündet, dass Arminio heute sein Schicksal erfahre: Unterwerfung unter Augustus oder Tod. Varo gibt Segeste einen Brief von Augustus, in dem dieser Varo für die Unterwerfung Germaniens dankt und verlangt, Arminio zu töten. Segeste will den Befehl des Kaisers ausführen. Er und Varo fragen sich jedoch, ob sie das Herz haben werden, Tusnelda zu quälen. Dem Vaterland und der Freiheit zuliebe erträgt der gefesselte Arminio den Druck der Ketten gern. Segeste kommt hinzu und rät ihm, sich dem Herrscher Roms zu beugen. Arminio nennt Segeste einen Verräter und bekundet, dass er zwar für die Freiheit sterben, Segestes Herz jedoch durch die nie nachlassende Reue gequält werde. Segeste rät seiner Tochter, ihren Gatten zu retten, indem sie ihn davon überzeugt, vor dem Kaiser das stolze Haupt zu senken. Eine große Seele ziehe einem sklavischen Leben einen glorreichen Tod vor, entgegnet Tusnelda. So werde er sterben, verkündet Segeste. Dann solle er auch sie töten, verlangt Tusnelda, denn sie könne von ihm nur ihren Tod oder Arminios Freiheit erbitten. Ramise bezeichnet Segeste als treulosen Fürsten und unmenschlichen Vater und versucht, ihn mit einem Dolch zu töten, was Sigismondo verhindert. Mit Arminios Tod werde Ramises Hochmut noch heute enden, meint Segeste und geht wütend ab. Um ihrer Liebe willen verlangt Ramise von Sigismondo, sich nicht ihrem Zorn in den Weg zu stellen. Da er seinen Vater nicht töten könne, fordert Sigismondo Ramise auf, ihn mit seinem Schwert zu töten. Sie wirft es auf die Erde, und Sigismondo nimmt es, um sich selbst zu durchbohren. Ramise gebietet Einhalt, nennt ihn einen getreuen Sohn eines Verräters und bleibt verwirrt zurück. Sigismondo fühlt sich zwischen seiner Liebe zur Schwester Arminios und zum Vater hin- und hergerissen und will keine Schuld auf sich laden. Arminio fordert von einem Wächter, Varo zu rufen. Die verzweifelte Tusnelda bittet ihren Gatten, sich Augustus zu unterwerfen. Als er dieses Ansinnen von sich weist, will auch sie seinem Beispiel folgen. Arminio will Varo zum Erben seines einzigen Schatzes – Tusnelda – machen, denn er weiß um Varos Begehren und findet beide einander würdig. Tusnelda vernimmt dies unter Seelenqualen. Arminio schickt sich in den Tod und wünscht den beiden seinen inneren Frieden. Varo ist verwirrt, er erwägt, Arminios Wunsch anzunehmen. Tusnelda weist jeden Gedanken daran zurück: Liebe und Treue verböten ihr, die Seine zu werden. Varo müsse, wenn er ihre Achtung erlangen wolle, zum Helfer seines Rivalen werden. Doch der Feldherr will Tusnelda an Tugend nicht nachstehen und fordert von sich selbst, Cupido zu trotzen. Wenn er ihr den Gatten zurückgebe, werde sie ihm ihrer beider Leben zu danken haben, versichert Tusnelda Varo. 3. AKT Auf dem Hof ist ein schwarz ausstaffiertes Blutgerüst aufgebaut, um das römische Soldaten mit ihren Standarten stehen. Der gefesselte Arminio erblickt die grausige Bühne, verachtet aber weiterhin den römischen Hochmut. Er sieht seine Hinrichtung ARMINIO OPER 95 Tusnelda steht vor einem Tisch, auf dem Arminios Schwert liegt und ein Becher mit Gift steht, den sie – in der Annahme Arminio sei tot – trinken will. Ramise hindert sie jedoch daran und teilt ihr mit, dass Arminio lebe, aber in Gefahr sei. Sie müssten ihn von den Fesseln befreien oder ihn rächen, wenn er doch tot sei, und dann selber sterben. Tusnelda ist einverstanden; sie nimmt den Becher an sich, Ramise Arminios Schwert, und beide machen sich gegenseitig Mut und hoffen auf ein günstigeres Schicksal. Frauen Gift und Schwert weg. Hin- und hergerissen zwischen seinem Hang zur Gerechtigkeit, seiner Liebe zu Ramise und seiner Treue zum Vater geht er, unschlüssig, was er tun soll. Zu den weinenden Frauen tritt der von Sigismondo befreite Arminio. Sigismondo bringt Arminio sein Schwert und drängt zum baldigen Aufbruch, damit er für die Freiheit Germaniens kämpfen könne. Arminio dankt und verabschiedet sich von der Schwester und Tusnelda, die ihm ein beständiges Herz voller Liebe verheißt, wenn er im Triumph zurückkehren wird. Ramise fragt Sigismondo, ob er hierbleiben wolle, um Segestes Zorn zum Opfer zu fallen. Wer schuldig sei, mag fliehen, antwortet Sigismondo, für seine etwaigen Fehler werde er selbst einstehen. Segeste kommt mit Wachen hinzu und wirft Sigismondo vor, dass er sich, statt seine Befehle auszuführen, von Ramise betören lasse. Sigismondo gesteht dem Vater die Befreiung Arminios, doch auch Ramise nimmt die Schuld auf sich, worauf Segeste beide fesseln lässt, ihnen den Tod verspricht und zornerfüllt geht. Sigismondo rät Ramise, beständig zu sein, um die Grausamkeit des Schicksals zu besiegen; er wird abgeführt. Ramise begehrt gegen die Trennung von ihrem Geliebten auf und vertraut auf den Beistand der Sterne. Sigismondo beklagt Arminios Geschick, als seine Schwester und seine Geliebte eintreffen und von ihm verlangen, Arminio zu befreien – anderenfalls würden sie sich umbringen. Sigismondo bittet sie einzuhalten, und verteidigt den Vater, weil dieser Augustus gehorchen müsse. Als daraufhin Tusnelda sich vergiften und Ramise sich erstechen will, nimmt Sigismondo den Tullio beschwört Segeste zu fliehen, denn Varo sei umgekommen, das Kastell erobert worden, und der hochmütige Arminio habe gesiegt. Segeste weigert sich, und Sigismondo will den Vater verteidigen. Dieser aber zeiht ihn des Verrats und schickt ihn fort. Arminio kommt mit Tusnelda und Ramise und nimmt Segeste das Schwert weg. Er beschwört ihn, seinen Hass als Triumph an und verlangt, zum Tode geführt zu werden. Varo befiehlt jedoch, dem Gefangenen die Fesseln abzunehmen. Segeste protestiert und verlangt Arminios Hinrichtung, die Varo zwar bestätigt, doch soll Arminio wie ein Krieger und nicht wie ein Verbrecher sterben dürfen. Plötzlich erscheint Tullio und ruft Varo und Segeste zu den Waffen, da Segismero, ein Führer der Cherusker, römische Truppen vernichtet habe. Arminio muss in den Kerker zurückkehren, ist sich aber sicher, dass im Gefängnis und in der Nähe des Todes seine Treue noch fester werde. Varo fordert von Segeste und seinen Leuten die Verteidigung der Burg, Tullio dagegen soll ihm folgen. 96 OPER ARMINIO fahren zu lassen – er habe das erfahrene Leid bereits vergessen. Segeste ist von so viel Großmut und Tugend überwältigt; er schwört Arminio Treue, beide umarmen sich. Arminio verkündet, dass seine Schwester mit Segestes Sohn vereint sein soll, dem er Freiheit und Leben verdanke. Tusnelda und ihr Mann bekennen einander ihre Liebe und Treue. Arminio fordert alle auf, sich nun der Freude zu überlassen. Alle bekennen, unfähig zu sein, eine solche Milde zu erfassen, und erklären, dass großer Mut Leid in Freude verwandle. Stephan Blaut © Bärenreiter Verlag, 2013 BESETZUNG DER URAUFFÜHRUNG Arminio Tusnelda Segeste Varo Sigismondo Ramise Tullio DOMENICO ANNIBALI Altkastrat ANNA STRADA DEL PÒ Sopran HENRY THEODORE REINHOLD Bass JOHN BEARD Tenor GIOACCHINO CONTI Soprankastrat FRANCESCA BERTOLLI Alt MARIA CATERINA NEGRI Alt ARMINIO OPER 97 ZUM STÜCK ZWISCHEN VERZWEIFLUNG UND HOFFNUNG: HÄNDELS ARMINIO Die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte von Arminio ist geprägt von einer Reihe misslicher Umstände, die von der Uraufführung bis ins 21. Jahrhundert reicht. Die Premiere am 12. Januar 1737 am Royal Opera House in Covent Garden wurde vom Londoner Publikum mit Desinteresse aufgenommen. Ein Grund war, dass es zu dieser Zeit in London ein Überangebot an Opernaufführungen und singenden Stars gab. Neben den von Händel veranstalteten und von König Georg II. unterstützten Opernaufführungen im „Königlichen“ Covent Garden gab es mit der so genannten Opera of the Nobility in London eine zweite Kompanie. Beide Opernunternehmen engagierten hochkarätige Gesangsstars, die sie – gemessen an den Gagen, die auf dem Kontinent gezahlt wurden – ausgesprochen großzügig entlohnten, was sie in den letztlich unvermeidlichen Ruin führte. Die britische Aristokratie war also „operngesättigt“, was sich an den Zuschauerzahlen zeigte. Beide Kompanien hatten gravierende Auslastungsprobleme. In den adeligen Opernkreisen amüsierte man sich bisweilen darüber, dass sogar der legendäre Kastrat Farinelli, der wohl berühmteste Opernsänger des 18. Jahrhunderts, der von der Opera of the Nobility engagiert wurde, mehr als einmal vor halbleerem Haus auftrat. Doch auch Händels Unternehmung steckte 1737 in der Krise: Kam Alcina in der Spielzeit 1735/36 noch auf 18 98 OPER ARMINIO Vorstellungen, folgten der Uraufführung von Arminio 1737 nur fünf weitere Vorstellungen, die – so berichtet Opernliebhaber Edward Holdsworth – schlecht besucht waren. So scheint es nur folgerichtig, dass Arminio nach der sechsten und letzten Vorstellung 198 (!) Jahre im Archiv verstaubte. Die Spielzeit 1736/37 bereitete dem Komponisten einige bittere Momente. Händel veröffentlichte mit Arminio, Giustino und Berenice in kurzen Abständen drei neu komponierte Opernwerke, die von den Wiederaufnahmen von Poro, Alcina, Partenope, Atalanta, Alexander’s Feast, Esther sowie einer neuen Fassung des Oratoriums Il trionfo del Tempo e della Verità ergänzt wurden. Trotz dieser engagierten Versuche gelang es ihm nicht, das Publikum zurückzugewinnen. Schlimmer noch: Aufgrund der drohenden Insolvenz sah er sich gezwungen, sein Sängerensemble aufzulösen. Die Tatsache, dass die Tage der konkurrierenden Adelsoper ebenfalls gezählt waren, spendete dem Komponisten, dessen schlechter Gesundheitszustand seinen Freunden Sorge bereitete, nur wenig Trost. Die großen Anstrengungen und Rivalitäten der letzten Jahre resultierten in einem Nervenzusammenbruch und in Teillähmungen seines rechten Arms, worüber auch die Londoner Presse im Mai 1737 berichtete. Der Sänger Domenico Annibali Anton Raphael Mengs Doch die ungünstigen Umstände der Entstehung und Uraufführung sind nicht die einzigen Gründe für das weitere Schicksal dieser Oper. Fast alle Händelforscher, angefangen mit Charles Burney, dem Zeitgenossen Händels und Autor der General History of Music, bis zu Winton Dean, dessen umfangreiches zweibändiges Werk Handel’s Operas aus dem Jahr 1987 die aktuelle Händel-Rezeption grundlegend geprägt hat, haben Arminio als unbedeutend eingeschätzt. Stellvertretend für ähnliche Einschätzungen sei an dieser Stelle Deans Urteil zitiert: „Vieles in der Partitur erinnert an Sachen, die Händel zuvor besser gesagt hat.“ Als Grund für die vermeintlich schlechte Qualität der Arminio-Komposition werden wiederholt die unglücklichen Lebensumstände Händels genannt, beispielsweise die große Eile, in der die Oper in dem kurzen Zeitraum zwischen dem 15. September und dem 14. Oktober 1736 entstand, oder auch die Tatsache, dass Arminio nach den großen Erfolgen von Ariodante und Alcina ein schwieriges Erbe antrat. Aber wie der Händeldirigent Alan Curtis im Booklet der ersten, von ihm geleiteten Arminio-Aufnahme schreibt, haben „viele Musikforscher und andere Kommentatoren […] die Oper als uninteressant und unwichtig abgetan, in vielen Fällen ohne sie gehört oder sich die Musik genau angesehen zu haben“. Kann es sein, dass sich bei einem erneuten genauen Studium der Partitur und beim erneuten Hören herausstellt, dass es ARMINIO OPER 99 sich bei alldem um ein Fehlurteil handelt und Arminio zu Unrecht vernachlässigt wurde? Händels Arminio-Text geht ursprünglich auf ein Libretto von Antonio Salvi zurück, das erstmals 1703 von Alessandro Scarlatti vertont worden war. Der deutschstämmige Händel fühlte sich von dem Sujet – mit dem spätantiken Konflikt zwischen Germanen und Römern im Mittelpunkt und der berühmten Varusschlacht als einem der Höhepunkte – angesprochen. Außerdem lag ihm – wie die Vorgängerwerke Rodelinda und Radamisto belegen – die Vertonung eines Familiendramas vor dem Hintergrund eines Krieges. Lange Rezitativpassagen waren beim Londoner Publikum eher unbeliebt und so konstruierte Händel in seinem Arminio mit kurzen Rezitativen zwischen den Arien einen Spannungsbogen, der sich von der ersten bis zur letzten Szene steigert. Er und sein unbekannter Bearbeiter kürzten Salvis Text für ihre Fassung radikal und strichen von den insgesamt 1323 Rezitativ-Zeilen mehr als tausend heraus! Zwar resultierten daraus auch dramaturgische Schwächen, von der die hohe musikalische Qualität und Intensität des Werks jedoch unberührt bleibt. Und wie wir aus der Operngeschichte mit Verdis Trovatore, Webers Freischütz oder Tschaikowskys Pique Dame wissen, steht eine schwache Vorlage einem großen Meisterwerk nicht im Weg. Musikalisch ist Arminio ein weiterer Beleg für Händels außergewöhnliche Erfindungsgabe und bietet den Interpreten weitreichend Gelegenheit, ihre vokale Kunstfertigkeit und Virtuosität zu präsentieren. Händels Sängerensemble von 1736/37 bestand aus bedeutenden Künstlerpersönlichkeiten seiner Zeit. Die Titelpartie war die erste von drei Partien, 100 OPER ARMINIO die Händel für den bedeutenden Alt-Kastraten Domenico Annibali kreierte. Die große Händelverehrerin Mary Pendarves, die die Londoner Opernkarriere des Komponisten treu verfolgte und kaum eine seiner Premieren verpasste, beschreibt den Sänger folgendermaßen: „Er verfügt über die besten Eigenschaften seiner Vorgänger Senesino und Carestini, mit ausgesprochen feinem Geschmack und gutem Schauspiel.“ In den ersten Szenen wird Arminio als Protagonist etabliert, der mit seiner Ergebenheit dem Vaterland und der Familie gegenüber sogar seine Gegner beeindruckt. Den heroischen Pathos dieser Figur gestaltet Händel in „Al par della mia sorte“ im 1. Akt mit großen Bögen und langen Phrasen. Mit dieser großen Arie beginnt die Reise des Titelhelden, die über die tragischen Reflexionen in „Duri lacci“, einer Gefängnisarie in dunklem f-Moll, und den großen emotionalen Ausbrüchen in „Si, cadro“, in der Arminio seinen Zorn in furiose Koloraturen fließen lässt, im 3. Akt im einzigen Recitativo accompagnato mündet, das als Trauermarsch komponiert ist. Die Partie gipfelt im gleichen Akt schließlich in der fulminanten Paradearie „Fatto scorta“, die Händel für Annibalis Wunderstimme schrieb. Neben „All’orror della procelle“ aus Riccardo Primo, komponiert für Senesino, und „Salda quercia“ aus Arianna in Creta, komponiert für Carestini, gilt diese Arie mit temperamentvollen Koloraturpassagen und riesigen Sprüngen vom Kopf- ins Brustregister zu den schwierigsten Arien Händels. Anna Strada del Pò, die Lieblingsprimadonna des Komponisten, gestaltete mit der Rolle von Arminios Gattin Tusnelda, gleichzeitig die Tochter von Segeste, eine ihrer dramatischsten Frauenportraits, die deutlich auf die anderen tragischen Heroinen Händels, wie Alcina und Ginevra in Ariodante, verweist. Tusneldas Arien sind im 1. Akt Ausdruck ihrer Angst vor dem tyrannischen Vater und die Sorge um den geliebten Mann, dessen Leben ständig bedroht ist. Ihre größte Momente hat sie aber im 2. Akt: „Al furor del mio consiglio“ ist ein Höhepunkt der Oper und zeigt Tusnelda, wie sie in einem Konflikt mit ihrem Vater ihrem Ehegatten die Treue hält. Die Schlussarie des 2. Aktes, die wie immer bei Händel ein besonderer Moment ist, steht dazu in starkem Kontrast: Mit einer zarten und doch ausdruckstarken Siziliana bittet Tusnelda Varo unter Tränen, ihr ihren Mann zurückzugeben. Die dunklen Seiten der Figur werden in der Musik des 3. Aktes zunächst vertieft, bevor sie wieder zu neuem Leben erwacht und ihren Gatten, der in den Kampf mit den Römern aufbricht, mit einem mitreißenden „Va, combatti“ verabschiedet. Die besondere Beziehung und Liebe zwischen Arminio und Tusnelda scheint Händel ein wichtiges Anliegen gewesen zu sein, die der Oper mit einem Duett der Ehegatten zu Beginn – nicht nur für Händel ungewöhnlich – und eines vor dem Schlusschor einen besonderen Rahmen gibt. Eine Rivalität, oder besser gesagt ein starker Kontrast zwischen zwei Sängerpersönlichkeiten faszinierte Händel und sein Publikum. Die Partie des Sigismondo ist die höchste, die Händel für einen Kastraten komponiert hat. Er schrieb sie für Gioacchino Conti, genannt Gizziello, und stellt damit den zweiten Starkastrat in ein besonderes Licht. Während Domenico Annibali den Titelhelden Arminio mit einem dunklen Alt verkörperte, war sein Kollege Conti, der bei der Premiere gerade einmal 22 Jahre alt war, und dessen Sigismon- do von ganz anderer Natur: ein schüchterner, zerbrechlicher Junge mit schlanker, kristallklarer Stimme. Die Figur wäre für die Studien moderner Psychoanalytiker nicht uninteressant: ein von Vater Segeste dominierter und als „effeminato“, als weibisch bezeichneter Sohn, der die ganze Oper vor einem unlösbaren Dilemma steht, der vom zentralen Konflikt zwischen Liebe und Pflicht am stärksten betroffen ist und der vergeblich versucht, seiner Verlobten sowie dem despotischen Vater treu zu sein. Wir lernen ihn mit einer meditativen Auftrittsarie „Non son sempre vaghe larve“ kennen. Händel lotet den schwärmerischen und unentschlossenen Charakter in „Posso morir“, der Schlussarie des 1. Aktes mit starken Tempo- und Dynamikkontrasten und im 3. Akt in „Il sangue al core favella“ weiter aus, wo er, um die Verwirrung und Angst Sigismondos musikalisch abzubilden, von der traditionellen Da-capo-Form abweicht. Nur einmal – in der großen Arie im 2. Akt „Quella fiamma“ – wirkt er entschlossen: Sein Gesang strebt bis zum funkelnd hohen C und erscheint – mit der Oboe als virtuosem Dialogpartner – als Abbild seiner flammenden Liebe. Das prächtige Solo hat Händel dem bedeutenden italienischen Oboisten und Komponisten Giuseppe Sammartini anvertraut. Die zweite Heldin der Oper ist Arminios Schwester Ramise, die bei der Premiere von der schönen italienischen Altistin Francesca Bertolli verkörpert wurde. Sie wirkt – wie ihr Geliebter Sigismondo – unreif und kindisch. Neben Arminio und ihrem Vater Segeste und deren politischen und persönlichen Ambitionen ist sie verloren – davon zeugt die fast komisch wirkende Hysterie ihrer ersten und letzten Arie, in denen die fieberhafte und aufgeregte Gesangslinie kaum zur Ruhe kommt. ARMINIO OPER 101 Auch wenn Händel für den Bassist Henry Theodore Reinhold, den Sänger des Segeste, nur eine einzige Arie komponiert hat, ist der Tyrann in vielen Rezitativen präsent. Wie ein schwarzer, bedrohlicher Schatten liegt der treulose und schlaue Politiker, der seine eigenen Kinder wie Schachfiguren in einem komplizierten politischen Spiel einsetzt, über vielen Szenen der Oper. Auch den beiden Römern Varo und Tullio verleiht Händel ein starkes Profil. Tullio, der Volkstribun, wurde 1737 von der für Hosenrollen bekannten Altistin Maria Caterina Negri gesungen. Aus ihren beiden Arien, die Händel mit langen tollkühnen und fast operettenhaften Koloraturpassagen ausstattet, spricht die Ironie des Komponisten, der hier einen starken Kontrast zwischen Tullios Musik und den hehren im Text proklamierten Ideen über Liebe und die Würde eines Römers erzeugt. Varo, der römische General, der sich in die Frau seines größten Feindes verliebt, ist einer der interessantesten Charaktere der Oper. Händel besetzte die Partie mit John Beard, für den er in den 1740er Jahre die großen Tenorpartien seiner Oratorien komponierte. Die Partie ist quantitativ mit nur zwei Arien, mit denen Händel unterschiedliche Facetten der Figur umreißt, von eher kleinem Umfang: „Al lumi i due rai“ im 1. Akt ist durchzogen von der Liebe, die die Angst in Varos Herz verdrängt und ihn zu neuen Heldentaten hinreißt, und im 3. Akt erweist er sich mit einem kämpferischen „Mira il ciel“ als neuer Herakles. In dieser prächtigen Aria guerriera (Kriegsarie) setzt Händel zum ersten und einzigen Mal Hörner ein und wertet dadurch die Partie bedeutend auf. Kurz nach der Arie vermeldet Tullio Varos Tod. Nach dem Tod dieses edelmütigen rö102 OPER ARMINIO mischen Generals erklingen im Schlusschor bezeichnenderweise keine Fanfaren und Händel lässt die Oper so, wie sie begonnen hat, im melancholischen Moll enden. Doch nicht nur das ansonsten konventionelle Lieto fine ist von einer verhangenen Stimmung geprägt. Von 33 Musiknummern steht in Arminio fast die Hälfte in Moll. Die Oper ist von der hochdramatischen Ouvertüre in h-Moll und dem melancholischen Schlusschor eingefasst – die Ouvertüre und das anschließende Menuett, das zu den populärsten Nummern der Oper in London wurde, künden die dramatischen Wechsel des 1. Aktes an, im Schlusschor haben wir bitteren Nachgeschmack der blutigen Geschichte. Können wir tatsächlich an ein Happy End für eine Familie glauben, in der der Vater mehrmals seine Tochter und seinen Sohn verraten hat und sein Bestes getan hat, seinen König und Schwiegersohn ermorden zu lassen? Dieser ungewöhnliche und seltsame Charakter von Arminio wurde schon von den Zeitgenossen Händels wenige Tagen nach der Premiere bemerkt. Der 4. Earl von Shaftesbury schrieb an seinen Freund James Harris: „Die Oper ist recht ernst, aber sehr präzise und in hohem Maße durchdacht; sie ist eine von Händels Lieblingen.“ Er schreibt weiter: „Ich befürchte aber, dass sie nicht sehr lange gespielt werden wird. Die Stadt mag sie nicht. Aber wie mein Vater sagt, ‚Harmonie ist Harmonie, auch wenn die ganze Welt barbarisch wird.’“ Vielleicht ist es heute an der Zeit, die erwähnte Harmonie von Arminio neu zu entdecken, auch wenn die Welt fast drei Jahrhunderte nach der Uraufführung nicht weniger barbarisch geworden ist ... von Michael Fichtenholz 103 MAX EMANUEL CENCIC & MICHAEL FICHTENHOLZ ÜBER ARMINIO GEGEN MODE, GEGEN ZEIT, GEGEN KONVENTIONEN Michael Fichtenholz: „Arminio“ gehört weder zu den bekanntesten noch zu den zweitbekanntesten Opern Händels. Normalerweise nimmt man solche vergessenen Werke in den Spielplan, weil alle anderen schon gemacht wurden. Wie war Ihr Weg zu „Arminio“? Was fasziniert Sie an dieser Oper? Max Emanuel Cencic: Ich finde die Qualität der Arien, die Qualität der Musik ausgesprochen gut. Das macht das Werk außergewöhnlich. Für mich ist es eine der besten Opern, die Händel je geschrieben hat. Dieser Meinung waren seine Bewunderer und sogar seine Kritiker schon bei der Uraufführung. Die Oper ist nicht durchgefallen, aber die Opernsituation war damals in London sehr angespannt. Arminio hatte das Pech, dass die Musik damals ins Hintertreffen geriet und das Publikum Sensationen sehen wollte. Das spiegelt sich auch in unserer Oper. Im Kern ist sie ein Konversationsstück. Die Varusschlacht ist bloß historische Kulisse. Je länger ich mich mit dem Stück beschäftige, desto deutlicher wird mir sein intimer Kern. Das „Konversationsstück“ war ein spezifisches Genre der französischen und englischen Malerei jener Zeit. Es zeigt Personen im Gespräch und hat gerne einen moralisierenden oder satirischen Unterton. Am bekanntesten sind heute William 104 OPER ARMINIO Hogarths Kupferstichzyklen The Rake’s Progress und The Harlot’s Progress. Händel wollte mit Arminio offenbar eine Oper à la Hogarth schaffen, um den Geschmack der Zeit zu treffen. Das scheint ihm mit der Gattung der italienischen Oper nicht mehr gelungen zu sein, wohl aber mit der des englischen Oratoriums. Als er sich dieser Gattung zuwandte, traf er den englischen Geschmack wieder und wurde vergöttert. Puritanismus und Nationalismus wurden damals in England sehr stark. Das ist auch der Grund, warum die italienische Oper dort niederging. Die beiden wichtigsten Argumente in der Polemik gegen Musiktheater lauteten 1. Oper ist Sünde und 2. Oper ist Ausländerkunst ... … die noch dazu aus einem katholischen Land kam. Genau. Sie verschafft Ausländern vom Kontinent Einfluss im Vereinigten Königreich. Und zweitens widerspricht sie der Ästhetik des Puritanismus. Puritaner bevorzugen Kirchenmusik. Unterhaltungsmusik ist in ihren Augen Sünde. Theater und besonders Opernhäuser wurden als Sündenpfuhl angesehen, wo die Leute hingingen, um sich zu vergnügen, zu essen und zu trinken, Liebschaften anzubandeln und sogar Sex zu haben – und eine Kunstform zu begehren, die katholisch war und mit dem Englischen nichts zu tun hatte. Also pure Sünde. Händel musste mehr gegen solche Vorurteile kämpfen als mit künstlerischen Fragen. Die Gesellschaft veränderte sich und er hat verzweifelt versucht, sich anzupassen. Mit dem Wechsel zum Oratorium ist ihm das gelungen. Nichtdestotrotz ist Arminio ein Meisterwerk mit einer Handlung, die sowohl tragisch als auch komisch ist. In dieser bizarren Mischung liegt der Bezug zur Bildgattung „Konversationsstück“. Sie stellte die Sitten der Zeit plakativ aus, sodass man sich fragt: Ist die Welt schon völlig psychopathisch, völlig gefühllos geworden? Was ist da los? Ein Beispiel: Damals gingen die Leute zum Vergnügen ins Londoner Irrenhaus Bedlam, um die armen Insassen zu begaffen. Und zwar mit Frauen, Kindern, der ganzen Familie. Man muss sich das einmal vorstellen … Solche Auswüchse spießte Hogarths The Rake’s ARMINIO OPER 105 Progress moralisierend auf. Arminio nimmt diesen puritanischen Standpunkt nicht ein. Aber die Grausamkeit und der Zynismus des Konversationsstücks sind deutlich in ihm zu spüren. Wie setzt Händel diese Ästhetik um? Es gibt zwei Paare. Arminio und Tusnelda sind das ideale Paar und Sigismondo und Ramise sind unkonventionell, um nicht zu sagen einfach lächerlich … … also eine Parodie auf das ideale Paar? Ja, genau, eine absolute Parodie. Sie verstoßen dauernd gegen die Normen und Konventionen. Dieses zweite Paar wird aber auf händelsche Art so dargestellt, dass es am Schluss doch zum Heldenpaar wird. Ramise bewahrt Tusnelda vor dem Selbstmord, Sigismondo verhilft Arminio zur Flucht. Das ist ein typisch händelsches Plädoyer für Toleranz. So etwas finden wir in vielen seiner Werke versteckt. Damit widerspricht er puritanischem Zeitgeist. Worin liegt Ihrer Meinung nach der tiefere Gehalt der Oper? Es ist für mich ein Familiendrama, in dem die Beständigkeit der Beteiligten auf den Prüfstand gestellt wird – und siegt. Da steckt nicht viel Philosophie dahinter. Aber der Rahmen und die Details sind sehr interessant. Wenn man genauer hinsieht, handelt es sich um einen System- und Politikwechsel. Wie gehen Leute in einer Umbruchszeit miteinander um? Wer schlägt sich auf welche Seite? Wer nutzt die Gelegenheit, um aufzusteigen, an die Macht zu kommen, 106 OPER ARMINIO die Macht zu missbrauchen? Bei Varus ist der Fall klar. Er benutzt seine Macht, um sich Tusnelda gefügig zu machen. Das ist pure Obsession. Er liebt sie nicht, sondern will mit ihr schlafen. Von dieser fixen Idee ist er so besessen, dass er sogar ihren Mann Arminio rettet, um seine Frau weiter erpressen zu können. Solange Arminio lebt, kann Varus Tusnelda haben. Wenn er stirbt, verweigert sie sich ihm. Das ist die sadistische Seite dieser Geschichte. Sie verlegen die Handlung aus dem Jahre 9 n. Chr. in die Zeit der Napoleonischen Kriege. Warum? Natürlich kann man die Geschichte in der Römerzeit spielen lassen, aber diese Ästhetik ist heute durch die Sandalenfilme der 50er und 60er Jahre wie Ben Hur und Cleopatra verbraucht und wirkt kitschig. Außerdem glaube ich nicht, dass es das war, was Händel an dem Stoff interessierte. Bei ihm wurde auch nicht in Römerkostümen gespielt, sondern mit Perücken und Krinolinen der Mode seiner Zeit. Das Publikum kannte sich damals zwar gut in der Antike aus, aber im modernen Kostüm und Bühnenbild konnte Händel die Geschichte den Zuschauern näher bringen. Er wollte, dass sie sich mit den Protagonisten identifizieren. Als Regisseur muss ich heute dasselbe tun und etwas finden, womit sich das Publikum identifizieren kann. Das ist für mich die Situation, in der sich das Heilige Römische Reich Deutscher Nation Anfang des 19. Jahrhunderts befand. Deutschland war damals in lauter kleine Fürstentümer zersplittert. Napoleon besetzte mit seinen Armeen das Rheinland, setzte die Fürsten ab und installierte neue Systeme. Er führte sogar ein neues Gesetzbuch ein, den Code Napoléon, dessen fortschrittliche Rechtsgrundsätze in unsere Rechtsprechung eingegangen sind. Das sind die deutlichen geschichtlichen Parallelen, die diese Zeit im süddeutschen Raum mit der Handlung des Arminio aufweist. Baden und Karlsruhe waren unmittelbar von diesen Vorgängen betroffen. Über Lieselotte von der Pfalz, die Schwägerin Ludwigs XIV., tangierte die Französische Revolution die Gegend sogar familiär. Darum dachte ich mir, dieser Systemwechsel hat mit der Karlsruher Lokalgeschichte zu tun, damit kann sich das hiesige Publikum identifizieren. Und er weist deutliche Parallelen zu dem Systemwechsel – Entmachtung der Kleinfürsten, Aufstieg des Imperiums – auf, der sich im Germanien Hermanns, des Cheruskers vollzog. Ich denke vor allem an die gescheiterte Flucht Arminios und Tusneldas zu Beginn der Oper. Das erinnert mich an die Flucht Marie-Antoinettes und Ludwigs XVI. 1791 aus Paris. Segeste erinnert an Philippe Égalité, einen Verwandten des Königs und Enkel Johannas von Baden-Baden, der schon zu Zeiten Ludwigs XV. in ständiger Opposition zu den Bourbonen stand. Eine weitere historische Parallele. Er wurde zum Kollaborateur der Revolution und verlor am Ende doch seinen Kopf. Ich war selbst erstaunt, wie perfekt diese Situation das Stück spiegelt. Wer in dieser Zeit nicht mit der Zeit ging, wurde umgebracht. Auf einen Zack! Und zwar auf der Guillotine. Ich habe mich da von Milo Formans Film Goyas Geister inspirieren lassen. Da geht es auch um diese große Zeitenwende. Der Film macht den Zeitgeist bis in kleinste Details nacherlebbar. Wer sich der neuen Epoche entgegenstellte, kam aufs Schafott. Andere, wie Pater Lorenzo Casamares, gespielt von Javier Bardem, Vorbild des Varus in meiner Inszenierung, wandeln sich total, vollziehen aber dann den Schritt zur nächsten Epoche nicht mit und scheitern später. Kann es da überhaupt ein Happy End geben? Es gibt keines. Varus stirbt, die Römer werden geschlagen, die Germanen siegen. Das ist eine Entweder-oder-Situation. Einer triumphiert, der andere unterliegt. Aber er stirbt nicht allein, sondern seine gesamte Armee geht mit ihm unter, was nicht auf der Bühne gezeigt wird. Arminio ist also keine Opera seria, wo am Ende alle einen fröhlichen Schlusschor singen. Darum stand für mich fest, dass Segeste geköpft wird und keine Gnade erhält. Was Arminio und Tusnelda widerfahren ist, ist unverzeihlich. Das gilt für alle Zeiten und Kriege. Heute bist du Gewinner, morgen gehst du aufs Schafott. Und so ist es auch in den „Konversationsstücken“. Dort gibt es immer Gewinner, Verlierer und ein zynisches Ende. Händel hat, glaube ich, versucht, in diese Richtung zu gehen, um an den Geschmack des Publikums heranzukommen. Es ist sicher kein Zufall, dass der Schlusschor in Moll steht. ARMINIO OPER 107 HELMUT STÜRMER SPRICHT MIT MICHAEL FICHTENHOLZ ÜBER ARMINIO UNERWARTETE FREIHEIT Sie haben Bühnenbilder für Opern aus den unterschiedlichsten Epochen entworfen, von den Anfängen über die großen romantischen Stücke und die klassischen Meisterwerke bis hin zu Uraufführungen wie jüngst Anton Lubtchenkos DOKTOR SCHIWAGO in Regensburg. Worin besteht die besondere Herausforderung, eine barocke Oper auszustatten? Paradoxer- und unerwarteterweise lässt die Barockoper dem Bühnenbildner viel mehr Freiheit als andere Werke. Ihre Libretti sind nicht gerade das Gelbe vom Ei. Die Geschichten können mehr oder weniger frei interpretiert werden. Ihr Sinn ergibt sich erst im Zusammenwirken mit Bühnenbild und Musik. Die größte Gefahr barocker Opern liegt in der Versuchung, sie allzu realistisch anzugehen. Auch das andere Extrem, ein solches Werk vollkommen abstrakt zu inszenieren, widerspricht der Musik. Ihre spezifische Herausforderung liegt darin, einen passenden Rahmen für diese besondere Musiksprache zu finden. Dieser Rahmen aber ist relativ frei. Er darf die Musik weder illustrieren noch verschleiern. Die Geschichte muss verständlich und nachvollziehbar sein. Welches der richtige Schlüssel ist, hängt von jedem einzelnen Werk selbst ab. Beim Arminio liegt er für mich in der traumartig schwebenden Bühnenbewegung. Unser Bühnenbild ist durch die technischen Möglichkeiten der Karlsruher Bühne inspiriert, die wir ausschöpfen. Sie verfügt über drei individuell steuerbare 108 OPER ARMINIO Drehringe, denen wir im Zentrum noch eine vierte Drehbühne hinzugefügt haben. Es geht um die Magie der Bewegung. Außerdem fordert uns die Barockoper auf, ästhetisch aus dem Vollen zu schöpfen. Sie übertreibt, darf aber nie in die Karikatur kippen. Sie haben bereits bei Leonardo Vincis ARTASERSE mit Max Emanuel Cencic als Titelheld zusammengearbeitet. Die Inszenierung ist faszinierend, weil ihre Buntheit, Opulenz und Extravaganz in Kostüm und Bühnenbild alle Grenzen sprengte. Bei ARMINIO halten sie sich in dieser Beziehung etwas zurück. Liegt das an der Musik? Absolut. Bei Arminio gibt es keine Bravourarien à la Artaserse, in denen die Koloraturen wie Wasserfälle über das Publikum niederprasseln. Vincis Stil verlangt äußerste Opulenz. In Arminio ist die Musiksprache zurückhaltender. Das muss sich auch im Bühnenbild wiederspiegeln. Ich hoffe, dass die relative Schlichtheit der Bühne die besondere Atmosphäre dieser Oper überzeugend vermittelt. Dazu dienen auch unsere diskreten Videobeiträge. Sie spielen keine illustrative Rolle, ersetzen auch nicht die Geschichte, sondern schaffen eine besondere Atmosphäre. Warum haben sie die Handlung in die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert verlegt? Ging es ihnen um die Brutalität und den Zynismus dieser Epoche oder um das Zeitalter der Empfindsamkeit und Frühromantik? Wir haben uns von Goya inspirieren lassen. Wenn man sich seine Bilder an- schaut, erkennt man deutlich die Grausamkeit jener Zeit, aber es ist eine Grausamkeit, die paradoxerweise gelegentlich auch feinfühlig sein kann und sogar eine gewisse Poesie entwickelt. Da ist eine neue Ästhetik entstanden, die mich sehr fasziniert. Es ist eine Kunst in Zeiten des Krieges und in einer solchen spielt auch Arminio. Die Figuren in diesem Werk sind zynisch, brutal, zugleich aber auch unglaublich sentimental. Vielleicht bringt der Überlebenswille in solchen Extremsituationen solche Paradoxien hervor. Ich kann mir nichts Romantischeres vorstellen, als die berühmten Weihnachtsfeiern in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs, von denen mir einmal erzählt wurde. Da haben deutsche und russische Soldaten an der Front zusammen gesessen und gefeiert und gemeinsam Weihnachtslieder gesungen. Und am nächsten Morgen sind sie wieder in ihre Unterstände gekrochen und haben sich gegenseitig totgeschossen. ARMINIO OPER 109 MAX EMANUEL CENCIC Arminio & Regie Max Emanuel Cencic ist einer der weltweit faszinierendsten und vielfältigsten Künstler, der sich für die Wiederentdeckung und Aufführung der Musik des 18. Jahrhunderts einsetzt. Als Countertenor und künstlerischer Leiter seiner Firma Parnassus Arts Productions ist er die treibende Kraft hinter Wiederentdeckungen und Produktionen wie Vincis Artaserse 2012 und Catone in Utica 2015 sowie Siroe von Hasse 2014. Von Händel hat er bisher Alessandro, Tamerlano und Faramondo produziert, im Februar folgt zu den INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELEN KARLSRUHE die Gesamtaufnahme des Arminio. Darüber hinaus produziert er seine eigenen Solo-CDs: Nach Rokoko wurde im Herbst 2015 mit großem Erfolg Arie Napoletane auf Decca veröffentlicht. Viele seiner CDs erhielten nationale und internationale Auszeichnungen, darunter der Preis der Deutschen Schallplattenkritik, der Echo Klassik in verschiedenen Sparten, zwei Grammy Nominierungen und der Diapason d’Or. Mit Siroe 110 OPER ARMINIO gab Max Emanuel Cencic außerdem sein Debüt als Opernregisseur. Die Produktion hatte ihre Premiere in Athen und war an der Opera Royal de Versailles und beim Budapester Frühlingsfestival 2015 zu sehen. Mit Arminio bei den HÄNDEL-FESTSPIELEN debütierte der facettenreiche Künstler erstmals in der Doppelfunktion als Sänger der Hauptrolle, als Co-Produzent und Regisseur an einem deutschen Staatstheater. Max Emanuel Cencic war Mitglied und Solist der Wiener Sängerknaben, bevor er 1992 seine Solokarriere als Sopranist begann und von 2001 an als Countertenor auftrat. Er gastiert an bedeutenden Opernhäusern und bei Festivals auf der ganzen Welt, wie etwa an der Wiener Staatsoper, der Bayerischen Staatsoper München, dem Théâtre des Champs Elysées, der Wigmore und Barbican Hall in London, der New Yorker Carnegie Hall, dem Wiener Musikverein und dem Amsterdamer Concertgebouw. GEORGE PETROU Musikalische Leitung Der in Griechenland geborene George Petrou machte nach seinem Musikstudium am Konservatorium Athen, am Royal College und an der Royal Academy of Music in London und vor seiner internationalen Dirigentenlaufbahn bereits als Konzertpianist Karriere. Seit 2012 ist er Künstlerischer Leiter des renommierten Orchesters Armonia Atenea (vormals Camerata Athen). Gemeinsam gehen sie regelmäßig auf Europatournee und gastieren unter anderem bei den Händelfestspielen Halle, der Opera Royal Versailles und in der Wigmore Hall London. 2014 debütierte Armonia Atenea als erstes griechisches Orchester bei den Proms der BBC und erhielten begeisterte Besprechungen. Zu den Höhepunkten 2016 gehörte das Debüt bei den Salzburger Pfingstfestspielen. Es sind in den letzten Jahren verschiedene viel umjubelte CDs auf Decca veröffentlicht worden: Dazu zählen die Gesamt- aufnahmen von Händels Alessandro und Hasses Siroe, Glucks Tenorarien mit Daniel Behle und Rokoko, ein Arienalbum von Max Emanuel Cencic mit Werken von Hasse. Internationales Aufsehen und euphorische Besprechungen erzielte außerdem Beethovens Prometheus. Parallel zur Karlsruher Opernproduktion erschien im Februar 2016 Händels Arminio. Mit einem Arienalbum für Franco Fagioli gaben Dirigent und Orchester im Herbst 2016 ihren Einstand beim Label Deutsche Grammophon. Für weitere Aufnahmen erhielt George Petrou Auszeichnungen wie den Gramophone-Editor’s Choice, Diapason d’Or und den Echo Klassik 2008. Der Künstler wird regelmäßig von großen europäischen Orchestern und Opernhäusern wie dem Nationaltheater Mannheim, der Oper Nizza, dem Staatstheater Darmstadt, dem Münchner Rundfunkorchester und dem belgischen B’Rock eingeladen. ARMINIO OPER 111 HELMUT STÜRMER Bühne & Kostüme Geboren in Temeswar, studierte Helmut Stürmer an der Nicolae-Grigorescu-Academy of the Arts in Bukarest bei Professor Paul Bortnovski. Dort wirkte er am Teatrul Bulandra von 1968 bis 1977 als Bühnenbildner. Weitere Stationen in Stuttgart, Frankfurt, Hamburg und Leipzig folgten, ebenso bei den Wiener Festwochen, am Wiener Burgtheater und an den Opernhäusern in Basel, Karlsruhe und Nürnberg. Helmut Stürmer gewann den Preis für das Beste Bühnenbild beim Ungarischen Theater Festival Pécs für Shakespeares Troilus und Cressida in der Regie von Silviu Purcarete und den Preis der Rumänischen Theatergewerkschaft für das beste Bühnenbild 2007/08 für Goethes Faust. Seit 1997 hat Stürmer Produktionen gemeinsam mit Silviu Purcarete verwirklicht. Darunter waren Tchechovs Drei Schwestern am Théâtre de l’Union, Limoges, Euripides’ Die Bakchen am Wiener Burgtheater, 112 OPER ARMINIO Aeschylus’ Oresteia am Norske Teatret Oslo und mehrere Werke für die Oper Bonn. In der Spielzeit 2012/13 entwarf Helmut Stürmer Bühne und Kostüme für drei neue Stücke Purcaretes: Rachmaninoffs Opern Francesca da Rimini und Aleko am Teatro Colòn Buenos Aires und L’Artaserse von Leonardo Vinci an der Opéra National de Lorraine und an der Opéra Royal de Versailles. Zu seinen jüngsten Werken zählen die Kostüm- und Bühnendesigns für Ionescus Macbeth der Royal Shakespeare Company und Eötvös’ Love and other Demons beim Glyndebourne Opera Festival, das auch in Vilnius, Köln und Straßburg gezeigt wurde. Weitere aktuelle Arbeiten sind Lubchhenkos Dr. Zhivago in Regensburg und Francesca da Rimini in Nancy. Am STAATSTHEATER hat er bereits unter anderem das Bühnenbild zu Der fliegende Holländer in der Regie Achim Thorwalds entworfen. CORINA GRĂMOŞTEANU Kostüme DIMITRIS DIMOPOULOS Regieassistenz Die rumänische Bühnen- und Kostümbildnerin wurde 1983 in Constanța geboren. Ihre künstlerische Ausbildung an der Bukarester Nationaluniversität der Theater- und Filmkunst Ion Luca Caragiale schloss sie 2006 ab. Neben Mitwirkungen an Kurzfilm- und anderen Projekten entwarf sie Bühnen- und Kostümbilder für Schauspielproduktionen an verschiedenen Theatern in Bukarest, darunter das Nationaltheater Bukarest, das Teatrelli Theater, das Metropolis oder das Odeon Theater. Es folgte eine Arbeit am Deutschen Staatstheater Temeswar, bevor sie 2015 am Theater Regensburg für Anton Lubtschenkos Oper Doktor Schiwago, inszeniert von Silviu Purcărete, die Kostüme kreierte. Dimitris Dimopoulos begann seine Bühnenlaufbahn 1996 als Stand-up-Comedian des Comedy-Ensembles Comedy Nights. Seit 2009 hat er zwei Soloshows geschrieben und in einer Reihe von Theatern und Bar-Theatern der größeren griechischen Städte aufgeführt. Als Schauspieler und Sänger wirkte er in diversen Kinderoperproduktionen der National Oper in Athen sowie anderer Theaterkompanien und Synchronsprecher-Agenturen mit. Am STAATSTHEATER KARLSRUHE stellte sie sich in der Spielzeit 2015/16 an der Seite von Helmut Stürmer mit dem Kostümbild zu Händels Arminio vor. Als Regieassistent hat er bei den Produktionen von Catone in Utica von Leonardo Vinci sowie Il Trovatore von Verdi mitgewirkt. Als Regisseur zeichnete er für die Produktionen Kafka Fragmente von Kurtag, Satanerie von Sakellaridis und Nachtlieder von Bujanowski verantwortlich. ARMINIO OPER 113 LAUREN SNOUFFER Tusnelda NICOLAS ZIÉLINSKI Sigismondo Lauren Snouffer studierte an der Rice University und der New Yorker Juilliard School und gehörte anschließend dem Houston Grand Opera Studio an. Zu ihren Opernpartien gehören die Héro in Berlioz’ Béatrice et Bénédict am Théâtre du Capitole de Toulouse, Pamina in Mozarts Zauberflöte sowie Adéle in Rossinis Graf Ory an der Seattle Opera, Partien in Mozarts Hochzeit des Figaro und Rossinis Italienerin in Algier an der Houston Grand Opera, in Rusalka und La clemenza di Tito an der Lyric Opera of Chicago sowie in Hasses Siroe mit und unter Max Emanuel Cencic am Königlichen Opernhaus Versailles, eine Produktion, die auch in Wien und Budapest gastierte und auf CD erschienen ist. George Petrous Einspielung von Händels Ottone mit Snouffer als Teofane wird demnächst bei Decca erscheinen. Am STAATSTHEATER KARLSRUHE gibt sie als Tusnelda in Händels Arminio 2017 ihr Debüt. Der französische Countertenor Nicolas Ziélinski lernte Violine, bevor er sich an den Konservatorien von Lille und Paris dem Gesang zuwandte. Den letzten Schliff holte er sich bei José van Dam in Brüssel am Opernstudio des Théâtre de la Monnaie und der ehrwürdigen Chapelle Musicale Reine Elisabeth. Er sang in Krzysztof Warlikowskis Inszenierung The Rake’s Progress an der Berliner Staatsoper die Türkenbab, in Lüttich den Orlofsky in der Fledermaus, Paris in Glucks Paride ed Elena, verschiedene Partien in Purcells Fairy Queen, Cavallis Eliogabalo in Calais, ein Händel-Recital unter Eduardo López Banzo in Madrid. Konzertant war der Counter unter anderem in Offenbachs Belle Hélène, Massenets Cendrillon und Saties Opernminiaturen in Frankreich, Italien und Portugal zu erleben. Sein Konzertrepertoire reicht von Vivaldi und Pergolesi über Messen und Requiems von Mozart und Saint-Saëns bis zu Rossinis Tancredi und Britten. 114 OPER ARMINIO GAIA PETRONE Ramise JUAN SANCHO Varo Die italienische Mezzosopranistin studierte in Rom und debütierte in Haydns La canterina. Es folgten Konzerte in Italien, den Niederlanden und im Wiener Musikverein. Gaia Petrone gewann mehrere Gesangswettbewerbe und nahm an der Academie européenne de musique du Festival d’Aix-en-Provence teil. An der Palm Beach Opera hatte sie in Rossinis Barbier von Sevilla, in Göteborg als Cenerentola großen Erfolg. Sie gastierte mit Vincis/Händels Semiramide bei den Händelfestspielen in Halle sowie mit Cavallis Elena in Nantes, Angers und Rennes. Von 2012 bis 2014 war sie Mitglied des Jungen Ensembles des Theater an der Wien, wo sie anschließend auch in Monteverdis Krönung der Poppea zu hören war. Ihr Debüt in England hatte sie mit Händels Messias unter Nathalie Stutzmann. In Toulouse triumphierte sie in Berlioz’ Béatrice et Bénédict. In der Partie der Ramise debütiert sie am STAATSTHEATER KARLSRUHE. Juan Sancho wurde 1982 in Sevilla geboren. Nach seinem Abschluss im Fach Klavier setzte er seine Studien an der Musikhochschule von Katalonien fort. Er arbeitete mit einigen bedeutenden Künstlern wie William Christie, Fabio Biondi, Alan Curtis und Diego Fasolis zusammen. Er debütierte an international renommierten Konzert- und Opernhäusern wie dem Teatro alla Scala Mailand, dem Barbican Center, Lincoln Center New York, Palais de Beaux Arts Brüssel und der Opéra National du Rhin. Weitere Engagements führten ihn an die Opéra national de Lorraine, Opéra de Versailles, das Festival in Aix-en-Provence und an die Oper Köln. Als Interpret für Alte Musik wirkte er bei den vielfach ausgezeichneten Produktionen von Vivaldis Farnace, Händels Alessandro und Hasses Siroe mit. ARMINIO OPER 115 OWEN WILLETTS Tullio PAVEL KUDINOV Segeste Erste Erfahrungen als Sänger sammelte Owen Willetts in der Chorschule der Lichfield Cathedral und studierte anschließend an der Royal Academy of Music. Gegenwärtige und zukünftige Engagements umfassen den Narciso in Agrippina bei den Händelfestspielen Göttingen, eine Tournee mit Les Musiciens du Louvre, den Eustazio in Rinaldo mit der Lautten Compagney Berlin, Händels Il trionfo am Opernhaus Halle und Pergolesis Stabat Mater mit dem Orchestra of the Age of Enlightenment. Er sang auch an der Opera North, Nederlandse Reisopera und an der Finnischen Nationaloper. Der aus Russland stammende Bass schloss seine musikalische Ausbildung am Sobinov Konservatorium in Saratov ab. Sein Europadebüt gab der Bass als Ruslan in Glinkas Ruslan und Ljudmila am STAATSTHEATER KARLSRUHE. Darauf folgten Engagements als Sarastro, Selim in Il turco in Italia, Colline in La Bohème an der Wiener Volksoper, König Heinrich in Lohengrin beim Festival dei Due Mondi in Spoleto. Des Weiteren war er als Alidoro in La Cenerentola, Escamillo in Carmen an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf, als Ibn Khakia in Iolanta am Teatro Nacional de São Carlos in Lissabon zu erleben. Sein Amerika-Debüt gab er als Arsace in Händels Partenope mit dem Boston Baroque Orchester. Er arbeitet gemeinsam mit den wichtigsten Künstlern für historische Aufführungspraxis wie Laurence Cummings, Christian Curnyn, Emmanuelle Haim, Marc Minkowski und Raphael Pichon. Pavel Kudinov gastierte unter anderem am Theater an der Wien, am Teatro Real in Madrid, am Theater Basel und an der Oper Leipzig. Eine intensive Zusammenarbeit verbindet ihn mit Dirigenten wie Christophe Rousset, Christopher Moulds und Marc Minkowski. 116 OPER ARMINIO ARMONIA ATENEA Orchester Armonia Atenea ist der neue internationale Name für die Camerata Athen. 1991 wurde das Orchester von der Gesellschaft der Freunde der Musik in Verbindung mit der Eröffnung der Athener Konzerthalle Megaron gegründet. Seitdem fungiert die Armonia Atenea als deren Hausorchester. Seit 2011 tritt das Orchester wechselweise im Megaron und im neuerbauten OnassisKulturzentrum in Athen auf. Die Armonia Atenea ist sowohl mit der historischen als auch mit der modernen Aufführungspraxis bestens vertraut. Das Orchester setzt sich mit einem weitgefächerten Konzertrepertoire von der Barockmusik bis hin zur zeitgenössischen Musik des 21. Jahrhunderts ernsthaft und erfolgreich auseinander. Der Dirigent und Echo-Klassik-Preisträger George Petrou ist derzeit der Künstlerische Leiter des Orchesters. Das Orchester ist auf den berühmtesten Bühnen der Welt ein willkommener Gast, wie beispielsweise beim Musikverein Wien, dem Théâtre des Champs Élysées in Paris, den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, sowie auch im Palais de Bozar in Brüssel, Arsenal von Metz, an der Opera von Monte Carlo und dem Grand Théâtre von Aix-en-Provence. Das Orchester hat eine reichhaltige Diskografie. Zu den letzten Veröffentlichungen gehören die Weltpremiere-Aufnahmen von Händels Alessandro Severo und Glucks Il Trionfo di Clelia. Die Einspielung von Händels Oper Alessandro mit einer Starbesetzung ist bei Decca erschienen und hat von der internationalen Presse höchstes Lob geerntet. In der Saison 2013/14 wurden fünf neue Aufzeichnungen veröffentlicht, darunter Rokoko, das Soloalbum des Countertenors Max Emanuel Cencic. Dieses Programm wurde 2014 als Vorkonzert zu den INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELEN in Karlsruhe präsentiert. ARMINIO OPER 117 118 119 ABENDSTERNE 1 IL POMO D’ORO – PATRIZIA CIOFI HÄNDEL – FRAUENLIEBE UND -LEBEN PATRIZIA CIOFI Sopran DONNA LEON Moderation MAXIM EMELYANYCHEV Cembalo und Dirigent IL POMO D’ORO 1. Violine Alfia Bakieva, Fani Vovoni, Lisa Immer, Anna Melkonyan 2. Violine Jonas Zschenderlein, Daniela Nuzzoli, Ayako Matsunag, Paolo Cantamessa Viola Giulio D’Alessio, Yoko Tanaka Violoncello Felix Knecht, Cristina Vidoni Violone Nicola Dalmaso Fagott Zoe Matthews SA 25.2. 20.00 CHRISTUSKIRCHE am Mühlburger Tor ca. 1 Stunde 15 Minuten, keine Pause Im Anschluss findet eine Autogrammstunde statt 120 ABENDSTERNE 1 IL POMO D’ORO – PATRIZIA CIOFI PROGRAMM Georg Friedrich Händel (1685–1759) FRAUENLIEBE – UND LEBEN Rodelinda, regina di Longobardi HWV19 (1725) „Morrai, si“ Arie von Rodelinda Alcina HWV35 (1735) „Ah, Ruggero crudel… Ombre pallide“ Recitativo accompagnato und Arie von Alcina Vincer se stesso é la maggior vittoria o Rodrigo HWV5 (1707) Passacaglia Siroe, re di Persia HWV24 (1728) „Or mi perdo di speranza“ Arie von Laodice Sonata a quattro in G-Dur, op. 5 Nr. 4 Allegro A tempo ordinario Allegro non presto Passacaille Gigue Menuet Alcina HWV35 (1735) „Ah mio cor“ Arie von Alcina Amadigi di Gaula HWV11 (1715) „Vanne lungi dal mio petto“ Arie von Melissa Sinfonia B-Dur HWV 339 Allegro Giulio Cesare in Egitto HWV17 (1724) „Se pietá“ Arie von Cleopatra „Da tempeste“ Aria von Cleopatra IL POMO D’ORO – PATRIZIA CIOFI ABENDSTERNE 1 121 ZUM PROGRAMM HÄNDEL: FRAUENLIEBE UND -LEBEN Jedes Frauenportrait bei Händel ist eine Art Biographie, die nicht aus einzelnen, in unterschiedlichen Affekten geschriebenen Arien besteht, sondern aus komplizierten Emotionen, in denen der Charakter einer Frau entsteht und sich weiterentwickelt. Wie die Realität ist seine Opernwelt bewohnt von glücklichen und unglücklichen Menschen, die lieben, leiden, hassen, verraten und mit jedem möglichen Mittel versuchen, ihre Ziele und ihr Glück zu erreichen – und manchmal fatal scheitern. Sogar der Tod, als Bühnengeschehen in der erhobenen Ästhetik der Barockoper eher unerwünscht, wird bei Händel zu einem Teil des Lebens – seine Helden, und noch grausamer, seine Heldinnen, sterben auf der Bühne in seinen Werken und erleiden manchmal einen furchtbaren Tod – wie Semele, die beim Erscheinen ihres Geliebten Jupiter mit Donner und Blitz verbrennt. Einen solchen Tod vertont 122 ABENDSTERNE 1 IL POMO D’ORO – PATRIZIA CIOFI Händel in seiner Musik eher mit sparsamen Mittel, ohne großes romantisches Pathos und ohne Ausschmückung. Was dabei interessant ist, dass Händels Heroinen nicht den Tod selbst fürchten – weder ihren eigenen, noch den Tod ihrer Männer oder Söhne, wenn das Leben zum unakzeptabel Kompromiss für die Familie wird. So ist Rodelinda, die sich der Macht des Tyrann Grimoaldo nicht zu fügen will, bereit, ihren kleinen Sohn Flavio zu opfern, um so das Gedenken an ihren geliebten Mann, den sie für tot hält, nicht zu verraten. Später wird sie zu einer wahren Rachegöttin, wenn sie dem heimtückischen Minister Garibaldo in ihrer großen Arie des 2. Akts „Morrai, si“ sagt, dass sie seinen abgeschlagenen Kopf als Stufe zu dem lombardischen Thron benutzen wird – an dem Tag, an dem nicht abgesetzte, sondern tatsächliche Königin werden wird. Francesca Cuzzoni, die erste Cleopatra in Giulio Cesare und erste Rodelinda Philippe Mercier, 1740 Macht ist ein anderer interessanter Begriff in der Frauenwelt der händelschen Opern. Sie verleiht zwar Einfluss und Glanz, wie zum Beispiel bei den Titelheldinnen der Opern Partenope und Berenice, garantiert aber keine innere Ruhe und auf keinen Fall Glück. Eher umgekehrt: Je mächtiger die Frau ist, desto schwerer lastet auf ihr das Unglück. In einer der berühmtesten Opern von Händel Alcina (1735), erleben wir die Frau, die die ganze Welt um sich herum verzaubern kann – sie verwandelt ihre Liebhaber in Tiere, Bäume und Steine – hat jedoch überhaupt keine Macht über ihr eigenes Herz. Sie ist leidenschaftlich in den Ritter Ruggiero verliebt und sein Verrat wird ihr zum härtesten Schlag – und löst in der Musik ihrer Arie „Ah, mio cor“ solche Tragik und Verzweiflung aus, dass diese sogar für Händel außerordentlich stark sind. Die Stimme und seufzende Streicher wandern von einer Moll-Tonart zu einer anderen – kein Dur-Tonart-Akkord, kein Sonnenstrahl ist in dieser Welt erlaubt! – und erst im mittleren Teil der Arie kommt Licht zum Vorschein, wenn bei der Zauberin Zorn und Wucht erwachen, bevor die Musik wieder im Da Capo in dunkles IL POMO D’ORO – PATRIZIA CIOFI ABENDSTERNE 1 123 Moll abstürzt. Später, in der großen Schlussszene des 2. Aktes „Ah, Ruggiero crudel … Ombre pallide“, ruft Alcina böse Geister aus der Hölle herauf, um Ruggiero zu vernichten – zu ihrer Verzweiflung kommen jedoch keine, und die Zauberin bleibt in ihrer Einsamkeit alleine, ohnmächtig und verlassen. Die andere Zauberin Händels, Melissa aus seiner früherem Londoner Werk Amadigi di Gaula ist ebenso verliebt: Sie ist vielleicht die arroganteste und grausamste von allen Heroinen, die in Opern von Händel Zauberkünste besitzen. Ihre Rachearie „Vanne lungi dal mio petto“ erzählt wichtige Punkt in ihrem Leben – nach zahlreichen Versuchen, Amadigis Herz zu gewinnen, ist Melissa entschlossen, ihn zu vernichten: Ihre Liebe bleibt unerwidert und nur sein Tod kann ihr die Seelenruhe zurück geben. Ruhe ist ein Luxus, den sich Händels Heldinnen nur selten leisten können. In Siroe (1728), einer der fünf Opern, die Händel für die „Rival Queens“ Francesca Cuzzoni und Faustina Bordoni komponiert hat, begegnen wir der jungen und verführerischen Adeligen Laodice, die aus Rache für ihre unerwiderte Liebe zum Erbprinz Siroe, diesen bei seinem Vater König Kosroe, anklagt, er habe sie vergewaltigt. Wenn der zornige Cosroe, dessen Mätresse Laodice ist, verkündet, dass er Siroe die Thron- 124 ABENDSTERNE 1 IL POMO D’ORO – PATRIZIA CIOFI folge entzieht, bekommt Laodice Gewissensbisse, die sie in ihrer Aria „Or mi perdo la speranza“ ausdrückt – in ihrer Wut ist sie zu weit gekommen. Vielleicht das beste biographische Vorbild einer Frauenrolle ist Cleopatra in Giulio Cesare (1724), einer Oper, die für viele führende Opernhäuser seit Jahrzehnten die erste Wahl im Bereich Barockoper bleibt. Alles, was wir über die weltberühmte ägyptische Königin wissen, ist in der Musik von Händel zu hören – die acht Arien von Cleopatra sind ein erstaunlicher Katalog von Emotionen und Bildern. Im Laufe der Oper wird sie vom neckischen kleinen Mädchen, das sich seiner Schönheit und seines Charme überaus bewusst ist, zu einer leidenschaftlichen jungen Frau, die tiefe Liebe und Hingabe entdeckt und für die der Tod ihres Geliebten ihren eigenen Tod bedeutet – und so betet sie in ihrer großen Arie „Se pieta“ an die Götter, Cesare vor seinen Feinden zu retten. Im 3. Akt, nachdem sie und Cesare ihre Feinde niedergeschlagen haben, freut sie sich über ihr wiedergewonnenes Glück in der Paradearie „Da tempeste“ mit Kaskaden virtuoser Koloraturen – da sehen wir die legendäre Cleopatra in ihrer Pracht: Königin, Zauberin, Göttin – und einfach glückliche Frau. von Michael Fichtenholz PATRIZIA CIOFI Sopran Die Italienerin studierte an der Accademia Chigiana ihrer Heimatstadt Siena, gewann zahlreiche internationale Wettbewerbe und debütierte 1989 am Teatro Comunale in Florenz. Seither ist sie auf allen großen Festivals und an allen großen Bühnen der Welt zu Gast, so unter anderen an der Mailänder Scala, der Opéra Bastille in Paris, dem Royal Opera House Covent Garden in London, in Berlin, Amsterdam, Bilbao, Madrid und Venedig sowie beim Maggio Musicale in Florenz und beim Rossini Festival in Pesaro. Sie hat unter Dirigentinnen und Dirigenten wie Alberto Zedda, Fabio Biondi, Bruno Campanella, James Conlon, Emmanuelle Haïm, René Jacobs, Lorin Maazel, Zubin Mehta, Riccardo Muti, Seiji Ozawa, Antonio Pappano, Evelino Pidò, Georges Prétre, Christophe Rousset und Marcello Viotti gearbeitet. der Belcanto-Literatur seit dem 18. Jahrhundert, der sie in besonderer und unverwechselbarer Weise mitreißendes Bühnenleben einhaucht. Sie hat viele der emblematischen Virtuosinnenpartien in den Opern Traettas, Mozarts, Rossinis, Bellinis, Donizettis, Meyerbeers, Verdis, Gounods, Offenbachs, Bizets und Massenets gesungen, darunter Verdis Traviata zur Eröffnung des wiederaufgebauten La Fenice am Ort der Uraufführung sowie die Titelpartie in Dinorah sowie die Marguérite de Valois in den Hugenotten im Rahmen des Meyerbeer-Zyklusses der Deutschen Oper Berlin. Ihr großes Repertoire reicht vom Barock bis zur Gegenwart mit Schwerpunkt auf IL POMO D’ORO – PATRIZIA CIOFI ABENDSTERNE 1 125 DONNA LEON Moderation Donna Leon, geboren 1942 in New Jersey, verließ als Studentin die USA, um in Perugia und Siena weiterzustudieren. Sie blieb im Ausland, arbeitete als Reiseleiterin in Rom, als Werbetexterin in London und als Lehrerin an amerikanischen Schulen in Europa und Asien. Sie lehrte englische und amerikanische Literatur an einer Universität in der Nähe von Venedig, wo sie sich 1981 niederließ. Zu ihrem Erstling kam Donna Leon über ihre Leidenschaft für die Oper. Während des Besuchs im venezianischen Opernhaus La Fenice ereiferte sich ihr Begleiter: „Ich könnte den Dirigenten umbringen!“ – „Ich mach’s für dich, aber in einem Roman“, beruhigte sie ihn. Das Resultat war Venezianisches Finale, der erste von bis heute vierundzwanzig Fällen für den inzwischen legendären Commissario. Die Brunetti-Romane machten sie weltberühmt, doch die Barockmusik ist ihr nicht weniger 126 ABENDSTERNE 1 IL POMO D’ORO – PATRIZIA CIOFI wichtig. Sie förderte zahlreiche Barockeinspielungen, so auch das Orchester IL POMO D’ORO. Es sind von ihr zwei kleine Bücher mit CD erschienen: Tiere und Töne mit Händel-Arien und Kurioses aus Venedig mit Vivaldi-Musik. Die Zusammenarbeit mit ihrer Freundin Cecilia Bartoli hat sie 2012 dazu veranlasst, einen Roman ohne ihre Hauptfigur Commissario Brunetti zu schreiben – jedoch ebenso spannend und voll kriminalistischer Finessen. Donna Leon lebt in Venedig und in der Schweiz. Ihre Bücher erscheinen in 34 Sprachen. MAXIM EMELYANYCHEV Dirigent Der 1988 geborene Dirigent, Pianist, Cembalist und Hornist studierte Klavier und Orchesterleitung am Konservatorium Nishni-Novgorod und gab mit zwölf Jahren sein Orchesterdebüt, bevor er seine Ausbildung bei Gennadi Roshdestvenski und Maria Uspenskaja am Moskauer Tschaikowski-Konservatorium fortsetzte. Zu seinen internationalen Wettbewerbssiegen gehören der Alte-Musik-Wettbewerb Brügge und der Internationale Hans-von-Bülow-Klavierwettbewerb Meiningen. Heute arbeitet er mit Künstlern wie Riccardo Minasi, Max Emmanuel Cencic, Dmitry Sinkovsky, Alexei Lubimov, Theodor Currentzis und Gennadi Roshdestvenski zusammen und leitet zahlreiche russische und internationale Orchester wie das Russische Kammerorchester, die Musica Viva Moskau, die Sinfonietta Sofia, das Philharmonische Orchester NishniNovgorod, Theodor Currentzis’ MusicAeterna, in dessen preisgekrönter Aufnahme von Mozarts Hochzeit des Figaro er den Klavierpart übernahm, sowie das Russische Nationalorchester. 2014/15 debütierte er bei IL POMO D’ORO und führte das Ensemble mit Händels Tamerlano nach Versailles, Hamburg, Wien und Köln. Im Teatro de la Mastranza, Sevilla, dirigierte er Mozarts Don Giovanni. Außerdem konzertierte er mit Katia und Marielle Labèque, Max Emanuel Cencic, Xavier Sabata und Franco Fagioli. Seit 2016 ist er Künstlerischer Leiter des Ensembles IL POMO D’ORO. IL POMO D’ORO – PATRIZIA CIOFI ABENDSTERNE 1 127 IL POMO D’ORO Orchester IL POMO D’ORO ist ein 2012 gegründetes italienisches Barockensemble, spezialisiert auf historische Aufführungspraxis. Gründer sind Gesine Lübben und Giulio d’Alessio. Das Orchester legt seinen Schwerpunkt auf die Barockoper, gleichzeitig führt das Ensemble auch Instrumentalmusik in verschiedenen Formationen auf. Zurzeit gibt es zwei Chefdirigenten. Es ist regelmäßig an bedeutenden Konzerthäusern und Theatern zu Gast, so am Théâtre Royal in Versailles, an der Wigmore Hall, am Theater an der Wien und am Théâtre des Champs Elysées. Der Name des Ensembles bezieht sich auf den Titel der Oper Il pomo d’oro von Antonio Cesti, die er 1666 anlässlich der Hochzeit von Kaiser Leopold I. und Margarita Teresa von Spanien in Wien komponierte. Diese Oper war krönender Abschluss der pompösen Feierlichkeiten. Die Produktion war mit zahlreichen Spezialeffekten auf 24 verschiedenen Bühnen, mit 50 unterschiedlichen 128 ABENDSTERNE 1 IL POMO D’ORO – PATRIZIA CIOFI Rollen und zehn Stunden Aufführungsdauer das wohl exzessivste und teuerste Werk des damals noch jungen Genres. IL POMO D’ORO hat drei Opern unter der musikalischen Leitung von Riccardo Minasi aufgenommen: Händels Tamerlano, Catone in Utica von Leonardo Vinci sowie Händels Partenope. Weitere Aufnahmen umfassen Haydns Konzerte für Cembalo und Geige, co-dirigiert von Maxim Emelyanychev als Cembalo-Solist und Riccardo Minasi als Geigen-Solist sowie ein VioloncelloRezital mit Edgar Moreau mit Werken von Haydn, Boccherini und Vivaldi. 2016 erschien eine Neueinspielung von Händels Ottone und ein Rezital mit Ann Hallenberg. Seit Januar 2016 ist Maxim Emelyanychev Musikalischer Leiter von IL POMO D’ORO. Zukünftig ist die Zusammenarbeit mit den Dirigenten Stefano Montanari und George Petrou geplant. 129 PREISTRÄGER KONZERT DES HÄNDELJUGENDPREISES DER HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE E. V. SO 26.2. 11.00 KLEINES HAUS 1 Stunde 15 Minuten 130 KONZERT PREISTRÄGER-KONZERT DES HÄNDEL-JUGENDPREISES Die HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE e. V. hat als eines ihrer Satzungsziele die Förderung junger Künstler, die sich mit den Werken Händels und der Barockzeit auseinandersetzen. Bereits seit 1989 lobt die Gesellschaft einen HÄNDEL-JUGENDPREIS für Schülerinnen und Schüler bis 20 Jahre aus; seit 2013 ist er für Bewerberinnen und Bewerber aus ganz Baden-Württemberg geöffnet. Entstanden ist er in Zusammenarbeit mit den Regierungspräsidien Karlsruhe und Freiburg; weitere Partner sind das STAATSTHEATER KARLSRUHE, das Badische Konservatorium, der SWR, die Badischen Neuesten Nachrichten und die Hochschule für Musik Karlsruhe. Eine namhaft besetzte Jury bewertet die Leistungen in drei Kategorien: • Kategorie A: Solostücke und Duos • Kategorie B: Kammermusikalische Stücke für drei bis neun Mitwirkende • Kategorie C: Werke für größere Ensembles wie Chor und Orchester Zusätzlich unterstützt die Jury in einigen Fällen Teilnehmer mit Förderpreisen und Coachingangeboten, um ihnen noch besseren historisch-informierten Zugang zur Aufführungspraxis der Barockzeit zu vermitteln. Die jungen Musiker, gefördert durch engagierte Musikpädagogen und Eltern, sind immer wieder für künstlerische Überraschungen gut. Eine erfolgreiche Teilnahme am Händel-Jugendwettbewerb und der Auftritt im STAATSTHEATER KARLSRUHE sind gelegentlich erste Schritte in eine professionelle musikalische Laufbahn. Prof. Dr. Peter Overbeck Vorsitzender der HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE e. V. Nähere Informationen zur HÄNDEL-GESELLSCHAFT: www.haendel-karlsruhe.de Anfragen unter [email protected] PREISTRÄGER-KONZERT DES HÄNDEL-JUGENDPREISES KONZERT 131 PROGRAMMFOLGE Die Preisträger sind fett hervorgehoben Maya Yoffe (*2006), Violine Olga Zheltikova, Cembalo Rebecca Krieg, Violoncello Betreuende Lehrkraft: Boris Yoffe 1. PREIS KATEGORIE A 1 Georg Friedrich Händel (1685–1759) Sonate D-Dur für Violine und b. c. (HWV 371) Affetuoso – Allegro– Larghetto– Allegro Begrüßung Michael Fichtenholz, Künstlerischer Leiter der INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE KARLSRUHE Amelie Gubbe (*1999), Violine 2. PREIS KATEGORIE A 2 Olga Zheltikova, Cembalo Rebecca Krieg, Violoncello Betreuende Lehrkraft: Jeanette Pitkevica, Mannheim Giuseppe Tartini (1692–1770) Sonate in g-Moll op.1, Nr.10 „Didone abbandonata“: Tempo moderato (quasi andantino) – Allegro con fuoco – Largo – Allegro comodo Olga Wegener (*2000), Kontrabass 2. PREIS KATEGORIE A 2 Olga Zheltikova, Cembalo Betreuende Lehrkraft: Dieter Läßle (JMS Göppingen) Henry Eccles (~1675/85–1735/45) Sonata Undecimo Largo –Corrente – Adagio 132 KONZERT PREISTRÄGER-KONZERT DES HÄNDEL-JUGENDPREISES Jan Jerlitschka (*1998), Countertenor 1. PREIS KATEGORIE A 2 Niels Pfeffer, Cembalo Betreuende Lehrkraft: Susanna Brändle (Knabenchor capella vocalis, Reutlingen) Antonio Vivaldi (1678–1741) aus dem Gloria D-Dur RV 589 „Qui sedes ad dexteram“ Georg Friedrich Händel aus Rinaldo (HWV 7) „Lascia, ch’io pianga“ (Arie des Rinaldo) Preisverleihung: Prof. Dr. Peter Overbeck und Wolfgang Sieber, HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE e. V. Sinfonietta Ulm 1. PREIS KATEGORIE C (Orchester des Humboldt-Gymnasiums Ulm und der Musikschule Ulm) Christoph Kächele, Leitung und Cembalo Georg Friedrich Händel Water Music Suite Nr. 2 & Nr. 3 (HWV 349/350) 1. Allegro 2. Alla Hornpipe 3. Minuet 4. Rigaudon 1 – Rigaudon 2 – Rigaudon 1 5. Lentement 6. Bourrée 7. Minuet 1 8. Minuet 2 9. Gigue 1 – Gigue 2 – Gigue 1 10. Minuet PREISTRÄGER-KONZERT DES HÄNDEL-JUGENDPREISES KONZERT 133 ABENDSTERNE 2 MUSIK FÜR DIE ENGEL KATHARINA RUCKGABER Sopran ILKIN ALPAY Sopran JAKUB JÓZEF ORLIŃSKI Countertenor CARSTEN WIEBUSCH Dirigent KAMMERCHOR DER CHRISTUSKIRCHE Sopran 1 Christine Buchthal, Lisa Hähnel, Antje Köhrer, Eva Kölbel, Heike Niehle-Ochi, Barbara Wagner, Christina Welker Sopran 2 Regine Grüger, Karin Haag, Irina Koslowsky, Gisela Meesmann, Verena Spellenberg, Sophie-Louise Stengel, Judith Stier Alt Alexandra Bär, Katharina Bergholz, Claudia Korta, Jutta Mahnke, Claudia Prutscher, Eva Reussner, Jane Schmahl, Violetta Schneider Tenor Michael Fischer, Joachim Fassnacht, Georg Kalbach (Solo), Michael Moritz, Benjamin Mues, Felix Krückels, Matthias Obert, Thomas Zimmermann Bass Niklas Axtmann, Florian Hartmann (Solo), Matthias Hofherr, Tobias La-Deur, Peter Limacher, Tobias Mohr, Ingo Müller, Ekkehard Regen, Tilman Skobowsky DEUTSCHE HÄNDEL-SOLISTEN 1. Violine Andrea Keller, Wolfgang von Kessinger, Christoph Timpe, Helmut Hausberg, Michael Gusenbauer, Eva Scheytt 2. Violine Christoph Mayer, Almut Frenzel, Jana Anýžová, Martin Kalista, Salma Sadek, Matthias Hummel Viola Jane Oldham, Klaus Bundies, Gabrielle Kancachian, Cathi Aglibut Violoncello Markus Möllenbeck, Gerhart Darmstadt, Dmitri Dichtiar, Bernhard Hentrich Violone David Sinclair, Michael Neuhaus Cembalo Rien Voskuilen Laute Sören Leopold Oboe Susanne Regel, Aviad Gershoni Fagott Rhoda Patrick SO 26.2. 20.00 CHRISTUSKIRCHE am Mühlburger Tor ca. 1 Stunden 30 Minuten 134 ABENDSTERNE 2 MUSIK FÜR DIE ENGEL PROGRAMM Georg Friedrich Händel (1685–1759) Ouvertüre g-Moll aus der Kantate „Donna che in ciel“ HWV 233 Antonio Vivaldi (1678–1741) Nisi Dominus, Psalm 126, RV 608 1. Nisi Dominus 2. Vanum est vobis 3. Surgite 4. Cum dederit 5. Sicut sagittae 6. Beatus vir 7. Gloria Patri 8. Sicut erat in principio 9. Amen Georg Friedrich Händel Sonate D-Dur aus dem Oratorium „Il trionfo del tempo e del inganno“ HWV 46a Arcangelo Corelli Concerto grosso op. 6, Nr.4 (1653–1713) 1. Adagio – Allegro 2. Adagio 3. Vivace 4. Allegro – Allegro Georg Friedrich Händel Dixit Dominus, Psalm 110, HWV 232 1. Dixit Dominus 2. Virgam virtutis 3. Tecum principium 4. Juravit Dominus 5. Tu es sacerdos 6. Dominus a dextris 7. Judicabit 8. Conquassabit 9. De torrente in via 10. Gloria Patri MUSIK FÜR DIE ENGEL ABENDSTERNE 2 135 ZUM PROGRAMM ITALIENISCHE REISE Nicht nur für Goethes künstlerischmenschliche Entwicklung war die Italienische Reise entscheidend. Noch einschneidendere Folgen hatte sie für Georg Friedrich Händel. Dessen Schaffen kann in eine Periode vor und nach Italien eingeteilt werden. Längere Zeit verbrachte er in den Opernzentren Venedig und Neapel, am Medici-Hof in Florenz sowie in Rom, dem Zentrum der geistlichen und Kammermusik. Dort lernte er die Stars der damaligen Musikszene kennen. Besonders scheinen ihn die wegweisenden Experimente des tiefsinnigen Klassizisten Corelli beeindruckt zu haben. Er traf aber auch mit dem Meister der neapolitanischen Oper Alessandro Scarlatti zusammen. Viele Melodien, Eindrücke, Anregungen, die der 21-jährige Cembalist des Hamburger Opernorchesters in diesen vier Jahren aufschnappte, sammelte und empfing, sollte er bis an sein Lebensende immer wieder neu verarbeiten, zitieren, variieren. Einiges aber brachte er auch aus seiner Hallenser und Hamburger Lehrzeit mit, so ein unscheinbares Motiv seiner ersten Oper Almira, auf dem er in Rom die gigantische Schlussfuge des Dixit Dominus aufbaute. Dieses Dixit Dominus ist anders als alles, was Händel je zuvor schrieb. Man ist ver136 ABENDSTERNE 2 MUSIK FÜR DIE ENGEL sucht, es für unmöglich zu halten, dass er den Festpsalm hätte komponieren können, ohne die extrovertiert-virtuose geistliche Musik Vivaldis in Venedig und die Kirchenmusik Roms mit eigenen Ohren erlebt zu haben. Der heutige Abend gibt uns Gelegenheit, die Motetten Vivaldis und Händels im Zusammenhang und vor dem Hintergrund Corellis, also in ihrem kulturellen Kontext zu hören. Wann Vivaldi sein Nisi Dominus schrieb, wissen wir nicht. Stilistische Gründe legen nahe, die Solomotette in die erste Periode zwischen 1703 und 1717 zu datieren. Seit 1703 war er Konzertmeister am Ospedale della Pietà. Händel hat sich den Besuch des musizierenden Waisenhauses, das ursprünglich eine wohltätige Einrichtung war, sich unter Vivaldi aber zum kommerziellen Konzertveranstalter entwikkelte, kaum entgehen lassen. Gleich nach seinem ersten Venedigaufenthalt vertonte er im Sommer 1707 den 126. – nach lutherischer Zählung 127. Psalm. Es ist seine erste erhaltene geistliche Komposition. Seine Hallenser Kirchenmusiken sind verloren. Der liturgische Ort der Psalmmotette ist der römisch-katholische Vespergottesdienst. Seine musikalischen Bestandteile sind ein Hymnus, fünf Psalmen und ein Magnificat. Welche Psalmen gesungen wurden, hing vom jeweiligen Ort und Fest ab. Die Psalmen, die wir heute hören, gehören also in größere, gottesdienstliche Zusammenhänge. Den Inhalt des 126. Psalms fasste Luther sprichwörtlich zusammen: „An Gottes Segen ist alles gelegen“. Vivaldis erste Vertonung – er ließ ihr mindestens noch eine weitere folgen – ist für Alt-Solo, Streicher und Basso continuo gesetzt. Er teilt den 2. Vers in zwei Perioden, sodass aus den fünf Originalversen musikalisch sechs Sätze werden. Abgeschlossen wird jeder Psalm durch die sogenannte Doxologie. Das einleitende Allegro ist ein ausgedehnter Konzertsatz in Form einer Kirchenarie, die als Ouvertüre dient. Erkennbar ist das an dem für Vivaldis Konzertform typischen Orchesterritornell, das im vorletzten Satz wiederkehrt und eine Klammer um das Werk bildet. Die Solostimme könnte auch von einer Solovioline interpretiert werden. Der 2. Satz nimmt sich im Gegensatz dazu als Continuo-Arie ohne Orchesterbegleitung zurück. Der 3. enthält ein opernhaftes Accompagnato-Rezitativ, in dem dramatische Schreie auf „surgite – steht auf“ mit erschöpften Ariosi auf „sederitis – wenn ihr euch hinsetzt“ abwechseln. Der 3. Vers ist sprichwörtlich geworden: „Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.“ Die Vorstellung des Schlafs lässt uns Vivaldi im 4. Satz mit einem Wiegenlied im Siciliano-Rhythmus sinnlich erleben. Ein kämpferisches Allegro stört uns im folgenden Satz auf. Das entspricht dem Text, in dem es kriegerisch heißt: „Wie Pfeile in der Hand des Helden, so sind Söhne der Jugendkraft“. Die Streicher gehen unisono mit den rasanten Läufen der Solostimme mit. Sie schießen wie Pfeile davon, aber immer im Einklang mit dem Solisten so wie die Söhne im Einklang mit dem Vater kämpfen. Das Fazit zieht die Continuo-Arie Nr. 6. Ihre Schlichtheit und Größe suggeriert, dass die Moral des Psalms ewig gültig ist. Den krönenden Abschluss bildet das Gotteslob Nr. 7–9. Dass es in drei Sätze unterteilt ist, spielt auf die Trinität an. Dabei erlaubt sich Vivaldi die Pointe, ausgerechnet das „Gloria“, den Lobgesang der Engel, in der verinnerlichten, wenn nicht gar depressiven Form eines d-Moll-Larghettos zu präsentieren. Wie wir aus dem Reisetagebuch eines Augen- und Ohrenzeugen seines Spiels, des Frankfurter Kaufmanns Konrad von Uffenbach, wissen, war er ein durchaus eitler Superstar, der nichts ausließ, um sein Publikum zu verblüffen. Vielleicht wollte er auch hier die Erwartungen der Hörer durchkreuzen. Der 8. Satz ist, wie bereits gesagt, eine Kurzfassung der Einleitung. Damit ist die Motette formal abgeschlossen. Die virtuosen Amen-Koloraturen bilden das Nachwort. Sie liefern den Engelsjubel nach. Wie sieht nun Händels Vertonung des 110. Psalms aus? Einerseits verwendet auch er Vivaldis Ritornellform, andererseits vertont er den Psalm aber als fünfstimmige, also weitaus aufwendigere Chorkantate mit Tutti- und Soloepisoden sowie eingelegten Solosätzen. Diese Pracht könnte dem Aufführungsort – Santa Maria in Monte Santo in Rom –, den dort vorhandenen Mitteln und dem Anlass einer Karmelitervesper geschuldet sein. Der Mittelteil des Einleitungssatzes erhebt sich über einem cantus firmus, ist also im Gegensatz zu Vivaldis konzertierendem Stil kontrapunktisch gedacht. Kontrapunkt galt als altmodisch, konzertierender Stil als modern. Händel bequemte sich dem konservativen MUSIK FÜR DIE ENGEL ABENDSTERNE 2 137 Geschmack des Kirchenstaates also an. Vielleicht spielte er auch einfach nur die deutsche Karte aus, denn der frostige Norden, aus dem er kam, galt im heißen Süden als Heimat des Kontrapunkts. Seine opernhaften Solokoloraturen klingen aber wieder ganz nach Vivaldi. Wie bei diesem folgt des Kontrastes wegen eine Continuo-Arie, die eher auf virtuose Geläufigkeit als auf Ausdruck setzt. Die Sopranarie in weichem g-Moll berührt dagegen mit warm empfundener Mütterlichkeit, die durch „ex utero genui te – aus dem Schoß habe ich dich geboren“ ausgelöst sein dürfte. Der 4. Satz ist nach dem Modell der alten Kirchensonate extrem kleinteilig. Seine aggressiven „non“-Einwürfe erinnern wieder an mitteldeutsche Expressivität, die wir 16 Jahre später aus den Turba-Chören der Bachschen Johannespassion kennen und deren Ruppigkeit das Publikum in Rom verblüfft haben dürfte. Händel teilt den 4. der 8. Psalmverse in zwei Teile, sodass das ebenso umfangreiche wie „gelehrte“ Fugato des 5. Satzes – durch den 4. wirkungsvoll vorbereitet – in der Mitte der Kantate zu stehen kommt. Die dreifache Hervorhebung als Fugato über doppeltem Kontrapunkt, als Achse des Gesamtwerkes und durch seine Akzentuierung durch ein auffälliges „Vorwort“, den 4. Satz, wird kein Zufall sein. Der Text handelt von der Einsetzung eines Priesterkönigs durch Gott. War dies eine Huldigung an den Papst und seine Familie? Wollte Händel sich ihre Protektion erschreiben? Was nach diesem Höhepunkt im zweiten Teil der Kantate folgt, ist die Beschreibung der Macht, die der Priesterkönig hat und 138 ABENDSTERNE 2 MUSIK FÜR DIE ENGEL ausübt. Sein Ton hebt sich vom ersten Teil ab. Er verbindet im kanonischen Einsatz der Soli in der ersten, dann des Tutti in der zweiten Hälfte Kontrapunktik mit konzertierendem Stil und raffinierter Textausdeutung durch Tonartensymbolik. Auf „confregit – zerschmettert“ lassen uns fallende Koloraturen hören, wie die feindlichen Könige niedergemäht werden. Auf die Schlacht folgt das Gericht, durch lange Noten als „stylus grave“ charakterisiert. Sie wechselt mit der Bestrafung im „stile concitato“ oder kämpferischen Stil ab. Das Staccato auf „Zerschmettern wird er die Häupter“ führt uns ihr Zähneklappern vor. Geht unsere Fantasie durch, wenn das Zähneklappern von „conquassabit“ in ein – vier Takte lang sogar dissonantes – Lachen übergeht und wir die Päpstlichen über den Untergang ihrer Feinde spotten hören, während die Streicher wie Henkersbeile niederfahren? Wahrscheinlich nicht, denn als Händel Italien durchreiste, wurde das Land durch Kämpfe zwischen päpstlichen Truppen und denen Kaiser Josephs I. erschüttert. Der deutsche Kaiser beanspruchte päpstliche Ländereien als Reichslehen und besetzte sie. Eine Koalition deutscher Fürsten wollte den Papst zur Marionette machen. Kein Jahr nach Uraufführung der Kantate marschierten brandenburgische Truppen sogar in den Kirchenstaat ein. Da muss es Clemens XI. wohl getan haben, dass ausgerechnet ein „Sassone“, ein „Sachse“ ihm den Sieg über die Ketzer prophezeite. Auf diesen musikalischen Horrorfilm folgt eine Paradiesvision, die sich aus einer gespenstisch wirkenden Instrumentaleinleitung herausschält. Sie klingt hohl wie Totengebein, weil ihre Harmonien nicht gefüllt sind. Der Vokalsatz konfrontiert zwei Soli mit einer verängstigten Menge in Gestalt allerdings nur der tiefen TuttiStimmen, während im Streichersatz das Herz beklommen schlägt. Die Doxologie, das Gotteslob, beginnt wieder im hackenden „stile concitato“, den die musikalische Rhetorik für Kampfszenen vorsieht. Gepriesen wird demnach ein kriegerischer Gott. Dazu passen die flammenden Koloraturen der Solisten, bei denen man unwillkürlich an gegenreformatorische Altartafeln denkt, auf denen der Erzengel Michael die Himmlischen Heerscharen mit dem Flammenschwert gegen den rebellischen Ex-Engel Luzifer und sein Gefolge führt: Ein treffliches Bild für Reformation und Gegenreformation, die beide aus gleicher Wurzel, dem Evangelium Christi stammen. Während der Chor wild kämpft, verkünden erst Bässe, dann allmählich aufsteigend und einander abwechselnd auch die anderen Stimmen in langen, ruhigen Noten die „Moral“ der Geschichte: „So war es zu Beginn, jetzt und alle Zeit.“ In diesem Cantus firmus klingt die Formel der katholischen Liturgie wie ein Kommentar zur Lage. Wie Satan sich gegen Gott empörte, so empören sich die Invasoren gegen den Papst. Darum werden sie ihre gerechte Strafe erleiden. Die „Amen“-Koloraturen klingen abschließend denn auch wieder wie das hoffnungsfrohe Lachen eines vorweggenommenen Sieges- und Freudenfestes. Wie im barocken Gottesdienst Instrumentalstücke, Sonaten und Konzerte stumme Handlungen der Liturgie begleiteten, so hören auch wir heute Abend drei Instrumentalstücke. Als Ouvertüre dient die Ein- leitung zur Marienkantate Donna, che in ciel, die undatiert überliefert ist, aber aus derselben Periode des ersten Römer Aufenthaltes Händels stammen dürfte wie sein Dixit Dominus. Mit ihrem feierlich punktierten ersten und fugierten zweiten Teil entspricht sie der Form einer Französischen Ouvertüre, wie sie in Hamburg beliebt war. Corelli, eng mit Händel befreundet, soll ihn seines altmodisch-französischen Stils wegen aufgezogen haben, worauf dieser das gescholtene Werk umkomponierte. Der 54-jährige Corelli war eine lebende Legende, als Händel ihn in Rom traf. Zu seinen Mäzenen gehörten Christina von Schweden, der König von Neapel sowie die Familien Ottoboni und Pampili, aus denen mehrere Päpste hervorgingen. Seine Empfehlungen waren also auch karrieretechnisch von großer Bedeutung. Doch dies war nicht alles für Händel. Noch 1739 erwies er ihm die Ehre, als er mit besonderer Sorgfalt seine zwölf Concerti grossi op. 6 als Hommage an Corellis gleichnamiges Opus komponierte. Händel muss den Meister des Concerto grosso ähnlich verehrt haben wie Mozart den des Streichquartetts, als dieser Haydn seine mit unendlicher Mühe komponierten Streichquartette op. 10 widmete. Das 4. der Concerti grossi op. 6 von Corelli ist sein modernstes, weil es die traditionelle Struktur der Kirchensonate mit dem Satzschema Langsam-Schnell-LangsamSchnell so überformt, dass sich hier bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Struktur der modernen Sinfonie ankündigt. Einem gehaltvollen Allegro folgt ein empfindsames Adagio, darauf ein Menuett und zum Schluss ein fulminantes Finale. von Boris Kehrmann MUSIK FÜR DIE ENGEL ABENDSTERNE 2 139 KATHARINA RUCKGABER Sopran ILKIN ALPAY Sopran Katharina Ruckgaber wurde in München geboren und ist seit der Spielzeit 2014/2015 Mitglied im Opernstudio der Oper Frankfurt. In der Spielzeit 2015/16 wird die junge Sopranistin an der Oper Frankfurt u. a. als Susanna in Le Nozze di Figaro, Die Stimme des Waldvogels in Siegfried, Frasquita in Carmen sowie in der Neuproduktion von Le cantatrici villani als Nunziella zu erleben sein. 2015 debutierte Katharina Ruckgaber als Fennimore in Kurt Weills Der Silbersee unter Iván Fischer im Konzerthaus Berlin. Weitere Auftritte hatte die Sängerin bei den Festspielen Mecklenburg Vorpommern, mit Bamberger Symphonikern, Kammerorchester München, am Gärtnerplatztheater München und Theater Darmstadt. Katharina Ruckgaber pflegt ein sehr vielseitiges Liedschaffen und gab u. a. einen Liederabend für die Hugo-Wolf-Akademie in Stuttgart, begleitet von Helmut Deutsch. Zuletzt war sie beim KurtWeillFest 2015 mit dem Gürzenich Quartett Köln mit einem Programm für Streichquartett und Sopran zu hören. Die türkische Sopranistin wurde 1990 in Ankara geboren. Als Sängerin im Staatlichen Kinderchor stand sie in verschiedenen Opern- und Ballettproduktionen, wie Turandot, I Pagliacci, Cavalleria Rusticana und La Bohème auf der Bühne der Staatsoper in Ankara. 2001 wirkte sie als Kindersolistin bei Nazim Oratorio von Fazil Say mit. 140 ABENDSTERNE 2 MUSIK FÜR DIE ENGEL 2007 begann sie ihre professionelle Ausbildung bei Oylun Erdayi. 2008 wurde sie an der Bilkent Universität aufgenommen und wirkte dort bei verschiedenen Konzerten und Opernaufführungen mit. Ilkin Alpay wurde beim 18. SiemensGesangswettbewerbs mit dem 1. Preis ausgezeichnet und ist seit der Spielzeit 2016/17 Mitglied des Karlsruher OPERNSTUDIOS. JAKUB JÓZEF ORLIŃSKI Countertenor Der polnische Countertenor studierte am Warschauer Frederyk-Chopin-Konservatorium und war gleichzeitig Mitglied im Opernstudio des Teatr Wielki sowie der Opera Narodowa, beide in Warschau. Zu seinen zahlreichen internationalen Wettbewerbspreisen gehören 2016 der Einzug ins Finale der Metropolitan Opera National Council Auditions sowie 2015 der 1. Preis der Marcella Sembrich International Vocal Competition. Zur Zeit studiert Orliński bei Edit Wiens an der renommierten New Yorker Juilliard School. Neben seiner Gesangskarriere ist Jakub Józef Orliński ein preisgekrönter Breakdancer, der in Werbefilmen internationaler Konzerne wie CROPP, Levi’s, Nike, Turbokolor, Samsung, Mercedes-Benz, MAC Cosmetics, Danon und Algida auftrat. In Polen war er als Cupido in Blows Venus and Adonis und Narciso in Händels Agrippina zu hören, in Aachen und Cottbus als Ruggiero in Händels Alcina, an der Oper Leipzig mit Purcell-Liedern in Mario Schröders Ballett Othello, in Gießen als Philippus in Telemanns Der misslungene Brautwechsel oder Richardus I. MUSIK FÜR DIE ENGEL ABENDSTERNE 2 141 CARSTEN WIEBUSCH Dirigent Carsten Wiebusch, geboren 1969 in Göttingen, studierte an den Musikhochschulen Düsseldorf und Stuttgart sowie an der Folkwanghochschule in Essen. Dabei gehörten Hans-Dieter Möller und Jon Laukvik, Orgel, Ralf Otto, Dirigieren und Thomas Palm, Klavier, zu seinen prägenden Lehrern. Er errang verschiedene Preise bei internationalen Orgelwettbewerben, so beim August-Gottfried-Ritter-Wettbewerb Magdeburg 1995 und Johann-SebastianBach-Preis Wiesbaden, 1. Preis 1995, und konzertierte in zahlreichen europäischen Ländern, in Russland und den USA. 1993 bis 1999 war er Organist an der spätromantischen Walcker-Orgel in Essen-Werden. Seit 1999 ist Carsten Wiebusch Kantor und Organist der Christuskirche Karlsruhe, einem der kirchenmusikalischen Zentren Südwestdeutschlands. Neben einer umfangreichen Orgelkonzerttätigkeit, zum Beispiel der Gesamtaufführung des 142 ABENDSTERNE 2 MUSIK FÜR DIE ENGEL Bach’schen Orgelwerkes, leitet er an der Christuskirche den Oratorienchor Karlsruhe und den Kammerchor, der sich einen hervorragenden Ruf als einer der führenden Chöre der Region erworben hat und bei Festivals wie den Moselfestwochen oder den HÄNDEL-FESTSPIELEN zu Gast war. Carsten Wiebusch hat bereits sowohl nahezu alle wichtigen Oratorien wie auch eine Reihe Karlsruher Erstaufführungen wie Messiaen oder Tippett dirigiert. Schwerpunkte seines Orgelrepertoires bilden die Werke Bachs, Regers, der französischen Romantik und der klassischen Moderne. Mehrere Komponisten schrieben Werke für ihn, zuletzt spielte er 2012 eine Uraufführung eines großen Orgelwerkes von Wolfgang Rihm. Als Organist, Dirigent und Klavierbegleiter liegen eine Reihe von Rundfunk- und Fernsehaufnahmen vor. Seit 2000 unterrichtet er eine Orgelklasse an der Musikhochschule Karlsruhe. KAMMERCHOR DER CHRISTUSKIRCHE Seit seiner Gründung durch Kirchenmusikdirektor Prof. Carsten Wiebusch im Jahre 2002 hat sich der Kammerchor der Christuskirche Karlsruhe einen hervorragenden Ruf erworben. Die etwa 35 semiprofessionellen Sängerinnen und Sänger sind bekannt für ihren gestalterisch leidenschaftlichen Chorklang. So zeichnet sich der Chor durch ein differenziertes, ausdrucksstarkes Klangspektrum aus. Das facettenreiche Repertoire des Chores legt den Schwerpunkt auf anspruchsvolle a-cappella-Werke aller Epochen, im Besonderen des 19. und 20. Jahrhunderts sowie Werke der Alten Meister. Aber auch die Aufführung großer Chor- und Orchesterwerke, teilweise in Kooperation mit dem Oratorienchor an der Christuskirche, ist ein regelmäßiger Bestandteil des Programms. Zusätzlich zu den vielfältigen Konzertaktivitäten ist dem Chor die Gestaltung von Kantatengottesdiensten ein wichtiges Anliegen. Der Kammerchor der Christuskirche Karlsruhe, einer der Preisträger des Landeschorwettbewerbs Baden-Württemberg 2013, war in bedeutenden Konzertreihen zu Gast, etwa bei den Mosel-Festwochen in Trier oder den HÄNDEL-FESTSPIELEN in Karlsruhe. Neben seiner starken Präsenz in der Region Karlsruhe gastiert der Chor in verschiedensten Kirchen, von St. Kilian Heilbronn, St. Michael Schwäbisch-Hall dem Dom zu Speyer im Süden Deutschlands bis hin zum Meißner Dom und der Kreuzkirche in Dresden. Neben der erfolgreichen Teilnahme beim 3. Internationalen Wettbewerb für Kammerchöre 2016 in Mosbach folgte der Kammerchor im Sommer 2016 einer Einladung zum Chorfest der Nordkirche in Lübeck um dort das Abschlusskonzert zu gestalten. MUSIK FÜR DIE ENGEL ABENDSTERNE 2 143 144 145 ABENDSTERNE 3 ANNA BONITATIBUS – HEROINEN DER ANTIKE ANNA BONITATIBUS Mezzosopran ANNE KATHARINA SCHREIBER Violine GUIDO LARISCH Violoncello NICOLETA PARASCHIVESCU Cembalo KRISTIAN NYQUIST Cembalo ERÖFFNUNGSKONZERT DER 32. INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE MO 27.2. 19.30 CHRISTUSKIRCHE am Mühlburger Tor ca. 1 Stunde 20 Minuten Im Anschluss findet eine Autogrammstunde statt 146 ABENDSTERNE 3 ANNA BONITATIBUS – HEROINEN DER ANTIKE PROGRAMM Claudio Monteverdi (1567–1643) Se i languidi miei sguardi Lettera amorosa a voce sola in genere rappresentativo Marco Uccelini (1603/10–1680) Sonata over Toccata Quinta a violino solo ’detta „La Laura Rilucente“ Georg Friedrich Händel Aria dal pasticcio ‚Semiramide riconosciuta’ (1685–1759) „Fuggi dagl’occhi miei“ (London, 1733) Pietro Locatelli (1695–1764) Sonate A-Dur op. 8 Nr. 10 für Violine, Violoncello und Basso continuo Cantabile – Allegro – Vivace Georg Friedrich Händel „O, numi eterni …“ („La Lucrezia“) Kantata HWV145 Recitativo Aria (Adagio) Recitativo Aria (Allegro) Recitativo Aria (Furioso – Adagio – Larghetto) Recitativo Arioso Joseph Haydn (1732–1809) Trio g-Moll für Cembalo, Violine und Violoncello, Hob. XV: 1 Moderato Menuetto Presto Joseph Haydn „Arianna a Nasso“ Kantata für die Stimme und Cembalo, Hob. XXVIb: 2 Recitativo Aria Recitativo Aria ANNA BONITATIBUS – HEROINEN DER ANTIKE ABENDSTERNE 3 147 ZUM PROGRAMM LIEBE, WUT, VERZWEIFLUNG Drei antike Heroinen und einen Schäfer werden sie heute Abend in Miniaturopern hören. In Monteverdis Liebesmadrigal Se i languidi miei sguardi wendet sich ein namenloser Hirte an eine Nymphe, der er hoffnungslos verfallen ist. Da seine schmachtenden Blicke nicht beachtet wurden, erklärt er sich ihr nun in einem Brief, den er mit Herzblut schreibt. Ihre Schönheit sei das Feuer, das ihn entzündet habe, ihre goldenen Haare die Ketten, die ihn schicksalhaft fesseln. Sie seien aus demselben Stoff, aus dem der Lebensfaden der Parzen gemacht sei. Diesen Liebesbrief publizierte Claudio Monteverdi 1619 gegen Schluss, also an hervorgehobener Stelle seines 7. Madrigalbuchs, das er, mittlerweile Kapellmeister von San Marco in Venedig, seinen früheren Arbeitgebern, der Familie Gonzaga in Mantua widmete. Vielleicht auch, um zu signalisieren, dass er weiterhin der weltlichen Musik, der „seconda prattica“ zugewandt sei. Die Überschrift des Stücks im Erstdruck tut kund, dass dieser Liebesbrief im „genere rappresentativo“, also im rezitierenden Stil der Oper gehalten und dass er „senza battuta“, also rhythmisch frei, dem natürlichen Fluss der Worte und dem Ausdruck des Affekts folgend vorzutragen sei. Semiramis ist die assyrische Königin, die mit den Hängenden Gärten eines der sieben Weltwunder der Antike erbauen ließ. Im Barock wurde sie als Frau mit männlichem Geist, männlicher Tatkraft und männlichem Durchsetzungsvermögen, kurz „virago“ bewundert. Nach dem Tod ihres Mannes zog Semiramis nämlich Männerkleidung an und gab sich als ihr Sohn aus, an dessen Stelle sie die Herrschaft übernahm. Als ihre Travestie aufflog, hatte sie sich als Herrscherin so glänzend bewährt, dass man ihre Rolle akzeptierte und ihre Regentschaft bestätigte. Davon handelt Leonardo Vincis Oper Semiramide 148 ABENDSTERNE 3 ANNA BONITATIBUS – HEROINEN DER ANTIKE riconosciuta – Die enttarnte Semiramis von 1729. Vier Jahre später griff Händel auf das Werk zurück, um es nach den Wünschen seiner Sänger mit Arien moderner Komponisten, darunter Vincis, Hasses, Leos, Feos, Sarros und Corsellis neu zu collagieren. Dieses Potpourri der schönsten Melodien war nötig, da der 48-Jährige in London schon zum Alten Eisen gehörte und ein Konkurrenz-Opernunternehmen ihm mit gefälligeren Werken einer jüngeren Generation das Wasser abgrub. Händel drehte den Spieß um, plünderte deren Werke, was vor Einführung des Urheberrechts kein Problem war, und „verbesserte“ sie. Semiramis’ Arie Fuggi dagl’occhi miei ist Vincis Oper entnommen und wurde von Händel für seinen Mezzostar Margherita Durastanti bearbeitet. Sie stammt aus dem letzten Akt und verleiht der Wut der Königin über ihren früheren Geliebten Ausdruck, weil er sie erkannt hat und ihr Inkognito lüften will. Die Römerin Lucrezia spielte in der Vertonung Telemanns schon im Kammerkonzert der Deutschen Händel-Solisten am 20. Februar eine Rolle. Sie wurde von dem Sohn eines Tyrannengeschlechts vergewaltigt, beging öffentlich Selbstmord und löste damit im 6. Jh. v. Chr. die Römische Revolution aus, die zur Gründung der Republik führte. Händels Kantate für Sopran, Streicher und Basso continuo entstand 1707 während der Italienischen Lehrjahre des Komponisten in Florenz. Sie ist das Meisterstück der Gattung Kammerkantate, zu der Händel rund 100 Beiträge liefert. In drei Paaren aus Rezitativ und Arie zeichnet der 22-Jährige den psychologischen Prozess einer Desillusionierung nach. In dessen Verlauf fällt Lucrezia vom Glauben an die Gerechtigkeit der göttlich verbürgten Weltordnung ab und sieht schließlich keinen anderen Ausweg mehr, als zur Selbstjustiz zu greifen. Ihr Selbstmord ist kein Zeichen von Schwäche, sondern eine bewusste Entscheidung für ein Leben in der Hölle, in der sie selbst zu jener Rachefurie werden kann, als die sie ihren Peiniger verfolgt. Dabei ermöglichen es die beweglichen Formen der Da-capo-Arie und des expressiven Rezitativs Händel, das Vorpreschen und Zurückschaudern der Heldin, den widersprüchlichen und impulsiven, letztlich semi- oder irrationalen Prozess der affektiven Entschluss-Fassung und Tat-Ausführung unerhört subtil und feingliedrig nachzuzeichnen. Da die Form der Kammerkantate nur für einen exklusiven Hörerkreis vornehmer Musikkenner und Kenner der antiken Mythologie geschaffen wurde, konnte Händel mit jugendlichem Draufgängertum Disharmonien einsetzen, um die Bitterkeit des Leids zu steigern und zu verfeinern, und die reine Schönheit der Melodie zerbrechen, wo die Heldin fast zerbricht. Auf ganz andere Weise komplex und psychologisch subtil arbeitete Joseph Haydn 1789 in seiner intimen Solokantate Ariadne auf Naxos. Sie erzählt von jener kretischen Königstochter, die dem attischen Prinzen Theseus half, den menschenfressenden Minotaurus, ihren Halbbruder, zu töten. Dank des nach ihr benannten Fadens fand Theseus wieder aus dem Labyrinth heraus, in dem man das Monster gesperrt hatte. Ariadne hatte sich damit jedoch gegen ihre Familie aufgelehnt und muss mit dem Geliebten fliehen. Da Theseus den Thron sei- ANNA BONITATIBUS – HEROINEN DER ANTIKE ABENDSTERNE 3 149 nes Vaters in Athen übernehmen soll, lässt er die Geliebte auf halbem Weg nachts auf der Insel Naxos zurück. Haydn nutzt wie Händel die für die Kammerkantate tradierte Grundform Rezitativ – Arie, verwischt aber die Grenzen durch bruchlose Übergänge zwischen Rezitativ und Arie. Auch die Da-capo-Struktur der Arie wird zugunsten einer rhapsodisch freien Gestaltung aufgegeben. Schließlich wird die Instrumentalbegleitung völlig neu definiert. Sie ist hier auf das Klavier reduziert, was bereits die Tendenz der Epoche der Empfindsamkeit zu Schlichtheit, jener berühmten „edlen Einfalt, stillen Größe“, reflektiert. Außerdem wird das Tasteninstrument zum Dialogpartner der verlassenen kretischen Prinzessin. Es scheint fast mit ihr zu sprechen, sie zu trösten, ihr Leid zu spiegeln und ihre Einsamkeit abmildern zu wollen. Hinter diesem sprechenden Klavier stehen die Erfahrungen einer neuen musikalischen Gattung, die Mitte des 18. Jahrhunderts in Frankreich und im mitteleuropäischen Raum in Mode kam: das Melodram. Hier wurde ganz auf Gesang verzichtet. Ein Deklamator oder eine Deklamatorin rezitierte einen Monolog, den die Musik affekt- und abwechslungsreich untermalte und bildlich ausdeutete. Haydn ersetzt den gesprochenen Text wieder durch Gesang, hält ihn aber ausgesprochen liedhaft. Gegen die Übertreibungen des Barock setzt die Empfindsamkeit auch hier ein neues ästhetisches Ideal. Wie im Melodram, „malt“ die Musik innere und äußere Vorgänge bildhaft nach. Wenn Ariadne den Felsen erklimmt, um nach dem verschwundenen Theseus Ausschau zu halten, steigt auch das Klavier in Akkordketten nach oben. Klar innerhalb der Vielfalt ist auch die Gliederung der Kantate gehalten. Der psychologisch-musikalische Prozess der Desillusionierung zerfällt in zwei harmonisch deutlich unterscheidbare Hälften. Der erste Teil, der uns die verliebte Ariadne vorführt, bewegt sich mit fast aufdringlich stabilen Dominant-Tonika-Kadenzen auf harmonisch sicherem Boden. Ariadne ist unerschütterlich in der Geborgenheit ihrer Liebe. Diesen sicheren Boden kann ihr Haydn nun durch den Kontrast umso wirkungsvoller entziehen, wenn sie langsam realisiert, was sie nicht glauben kann: Dass Theseus sie sitzen gelassen hat. Ab dem Moment, in dem sie im zweiten Rezitativ droht, ohnmächtig zu werden, schlingert sie von A-Dur ausgehend mit jedem Schritt durch alle möglichen Tonarten. Haydn hat es hier sogar unterlassen, überhaupt eine Grundtonart vorzuschreiben. Erst in der F-Dur-Arie findet diese harmonische Taumelei kurzfristig wieder Halt. Sie hat den Duktus eines Gebets, das an Glucks sanfte Heroinen erinnert, wird aber rasch wieder gebrochen und kippt im selbstdestruktiven Affekt nach f-Moll um. Ihr letzter Schrei „infedel“ ist ein Tritonus. Auch Ariadne hadert mit den Göttern, die für ethisch stabile Verhältnisse auf der Erde eben leider nicht garantieren können. von Boris Kehrmann 150 ABENDSTERNE 3 ANNA BONITATIBUS – HEROINEN DER ANTIKE ANNA BONITATIBUS Mezzosopran Die Süditalienerin absolvierte ihre Ausbildung in den Fächern Klavier und Gesang und wandte sich nach Siegen bei verschiedenen Wettbewerben verstärkt dem Studium des Barock- und Belcanto-Repertoires zu. Ihr Repertoire umfasst zurzeit rund 50 Opern. 1999 debütierte die Mezzosopranistin unter Riccardo Muti in Mozarts Don Giovanni an der Mailänder Scala sowie als Adalgisa in Bellinis Norma am Teatro San Carlo Neapel. Herausragenden Erfolg hatte sie zudem als Angelina in Rossinis Cenerentola an der Bayerischen Staatsoper München, am Teatro dell’ Opera in Rom, am Opernhaus Zürich und an der Opéra de Lyon sowie als Cherubino in Mozarts Le nozze di Figaro, für den sie unter anderem am Royal Opera House in London, am Pariser Théâtre des Champs-Elysées sowie am Teatro Regio von Turin gefeiert wurde. Ein umjubelter Isabella-Colbran-Liederabend führte sie ans Teatro San Carlo in Neapel, eine Rossini-Lied-Tournee, die auch auf CD verewigt wurde, durch Italien und Spanien. Unter William Christie war sie als Cavallis Didone in Caen, Luxemburg und Paris zu hören, unter Antonio Pappano als Cherubino am Covent Garden. Zu den Regisseuren, mit denen sie zusammengearbeitet hat, gehören Roberto De Simone, Laurent Pelly, Dario Fo, Jean-Louis Martinoty, Luca Ronconi, Pier Luigi Pizzi, Jerome Savary, Sir Jonathan Miller, Irina Brook, Sven-Eric Bechtolf, Toni Servillo, Andreas Homoki, David Alden, Beppe de Tomasi, Emilio Sagi, Bartlett Sher, Kasper Holten und Jürgen Flimm. Für die Deutsche Grammophon hat die Mezzosopranistin Händels Tolomeo und Vivaldis Andromeda liberata eingespielt, für Virgin Classics Scarlattis Lettere amorose und Händels Deidamia sowie für Sony ein Rossini- und ein Haydn-Album. ANNA BONITATIBUS – HEROINEN DER ANTIKE ABENDSTERNE 3 151 ANNE KATHARINA SCHREIBER Violine GUIDO LARISCH Violoncello Die Geigerin ist seit 1988 Gesellschafterin des Freiburger Barockorchesters, mit dem sie auch als Konzertmeisterin und Solistin in Konzerten und auf CDs zu hören ist. Sie arbeitet regelmäßig mit dem ensemble recherche, der Akademie für Alte Musik, dem Kammerorchester Basel und dem Collegium Vocale Gent zusammen. Außerdem ist Anne Katharina Schreiber seit über 20 Jahren Mitglied des Trio Vivente und spielt in verschiedenen Kammermusikformationen. Anne Katharina Schreiber unterrichtet an der Hochschule für Musik in Freiburg und der Ensemble-Akademie Freiburg. Neben seinem Cellostudium in Hannover und Detmold begann Guido Larisch 1977 mit dem Spiel auf dem Barockcello. In den folgenden Jahren war er bei vielen Ensembles wie Musica Alta Ripa oder dem Apponyi-Quartett engagiert, in jüngerer Zeit wurde er als Stimmführer und Continuo-Spezialist auch von verschiedenen Opernhäusern wie der Hamburgischen Staatsoper, der Bayerischen Staatsoper und dem Teatro Liceu Barcelona eingeladen. Seit 1989 ist Guido Larisch Mitglied des Freiburger Barockorchesters. Mehrere seiner CD-Einspielungen wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet. 152 ABENDSTERNE 3 ANNA BONITATIBUS – HEROINEN DER ANTIKE NICOLETA PARASCHIVESCU Cembalo KRISTIAN NYQUIST Cembalo Nicoleta Paraschivescu unterrichtet Orgel an der Musik-Akademie Basel (AMS) und ist Organistin an der Kirche St. Theodor in Basel. Orgel studierte sie an der Musikhochschule Gheorghe Dima in ClujNapoca (Klausenburg) bei Ursula Philippi. Danach erweiterte sie ihre Ausbildung mit einem Studium und Diplom in Alter Musik an der Schola Cantorum Basiliensis in den Fächern Orgel bei Jean-Claude Zehnder und Cembalo bei Andrea Marcon. Weitere musikalische Impulse erhielt sie von Enrico Baiano in Neapel. Konzerte führten sie in verschiedenen Ländern Europas und an renommierten Festivals. Sie ist Leiterin des Ensembles La Floridiana, mit dem sie für das Label SONY bereits zwei CDs mit Welterst-Einspielungen der Haydn-Schülerin Marianna Martines (1744–1812) aufgenommen hat. Weitere CD-Aufnahmen für audite, Guild und Gallo. Sein Cembalostudium absolvierte Kristian Nyquist in Karlsruhe und Paris bei Huguette Dreyfus sowie bei Meisterkursen, geleitet von Colin Tilney, Bob van Asperen und Gustav Leonhardt. Er erhielt Preise bei den Wettbewerben Concours Musical d’Île-deFrance und Prager Frühling. Sein Repertoire bei internationalen Konzerten als Solist und mit verschiedenen Kammermusikformationen umfasst Werke des 16. bis 21. Jahrhunderts. Seit 2006 ist er Dozent für Cembalo, Fortepiano, Generalbasspraxis und Kammermusik an der Hochschule für Musik Karlsruhe. ANNA BONITATIBUS – HEROINEN DER ANTIKE ABENDSTERNE 3 153 154 155 PRIMADONNEN! Abschlusskonzert der INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE KARLSRUHE SANDRINE PIAU Sopran VIVICA GENAUX Mezzosopran GEORGE PETROU Dirigent ARMONIA ATENEA 1. Violine Sergiu Nastasa (Konzertmeister), Epameinontas Filippas, Georgios Panagiotopoulos, Angie Kasdas, Sofia Liu, Chryssa Koutsaftaki 2. Violine Carmen Otilia Alitei, Athanasios Martzoukos, Angeliki Fanarioti, Luise Ramos-Stahl Viola Laurentiu Octavian Matasaru, Ilias Livieratos Violoncello Iason Ioannou, Christopher Humphreys, Ilias Sakalak Violone Dimitris Tigkas Cembalo Markelos Chryssikopoulos Theorbo Theodoros Kitsos Oboe Dimitris Vamvas, Aviad Gershoni* Fagott Heide Pantzier* *Gäste der Armonia Atenea DO 2.3. 20.00 GROSSES HAUS ca. 2 Stunden 30 Minuten, 1 Pause 156 KONZERT PRIMADONNEN! PROGRAMM Georg Friedrich Händel (1685–1759) Alessandro HWV21 (1726) Ouvertüre „Placa l’alma“ – Duett von Lisaura und Rossane Komponiert für Francesca Cuzzoni und Faustina Bordoni Giulio Cesare in Egitto HWV17 (1724) „Da tempeste“ – Arie von Cleopatra, Komponiert für Francesca Cuzzoni Alessandro HWV21 (1726) „L’armi implora dal tuo figlio“ – Arie von Rossane Komponiert für Faustina Bordoni Publio Cornelio Scipione HWV20 (1726) Ouvertüre Alcina HWV35 (1735) „Mi restano le lagrime“ – Arie von Alcina Komponiert für Anna Strada del Pò Tolomeo, re di Egitto HWV25 (1728) „Ti pentirai crudel“ – Arie von Elisa, Komponiert für Faustina Bordoni Rodelinda, regina di Longobardi HWV19 (1725) „Non ti basto, o consorte … Io t’abbraccio“ – Duett von Rodelinda und Bertrarido, Komponiert für Francesca Cuzzoni und Francesco Bernardi detto Senesino – Pause – Georg Friedrich Händel Alcina HWV35 (1735) „Ah, mio cor“ – Arie von Alcina, Komponiert für Anna Strada del Pò Radamisto HWV12a (1720) Chaconna Riccardo Primo, re d’Inghilterra HWV23 (1727) „Quel gelsomino“ – Arie von Pulcheria Komponiert für Faustina Bordoni Ottone, re di Germania HWV15 (1723) Concerto Alessandro HWV21 (1726) „Brilla nell’alma“ – Arie von Rossane, Komponiert für Faustina Bordoni Radamisto HWV12a (1720) „Se teco vive il core“ – Duett von Radamisto und Zenobia Komponiert für Margherita Durastanti und Anastasia Robinson PRIMADONNEN! KONZERT 157 ZUM PROGRAMM DIE ZEIT DER SIRENEN Eine Barockoper ohne Primadonna ist keine Barockoper. Wie alle bedeutenden Komponisten seiner Zeit befolgte Händel diese eiserne Regel ohne Ausnahme. Er war sogar derjenige, der diese Konvention begründet hatte und damit der Musik den Vorrang über den Text gab. Unabhängig vom Sujet und der Dramaturgie des Librettos, komponierte er der Hauptdarstellerin obligatorische sechs oder sieben Arien in die Kehle. Unter diesen Nummern, die sich stilistisch unterscheiden, findet sich immer ein Lamento, das heißt eine gefühlvolle Klage, und eine Aria di bravura, also eine schnelle Arie mit virtuosen Koloraturen und Verzierungen. Hinzu kommen ein oder zwei Duette mit dem Primo uomo, dem Ersten Mann, und besondere Auftrittskonventionen; beispielsweise die krönende Schlussarie am Ende des 1. oder 2. Aktes, wo das Publikum etwas Besonderes erwartete. 158 KONZERT PRIMADONNEN! Aber wie ist es, wenn sich zwei Primadonnen das Licht der Scheinwerfer teilen müssen? Händel, der doch grundsätzlich gerne mit den Konventionen spielte, war von dieser Idee fasziniert. Und wir wissen: Je schwieriger die Aufgabe, desto kreativer Händels Fantasie. Schon in seiner ersten italienischen Oper Rodrigo von 1707 begegnen wir zwei Frauen, die beide die Bühne beherrschen: der tugendhaften Esilena, Gattin des spanischen Königs Rodrigo, sowie der Aristokratin Florinda, die Rodrigo noch vor seiner Ehe entführt und geschwängert hat. Auch in Händels drei Zauberopern Rinaldo (1711), Teseo (1713) und Amadigi di Gaula (1715), mit denen der deutsche Komponist in London Triumphe feierte, finden wir zwei starke Frauen, die ebenfalls um einen Mann konkurrieren. In allen drei Fällen ist die eine die fromme, aber tapfere Geliebte des Titelhelden, und die andere, eine ambitio- nierte und mächtige Zauberin, der jedoch auch ihre Zauberkunst nicht helfen kann, den Helden und sein Herz zu gewinnen. Für beide Seiten hat Händel besondere musikalische Momente geschaffen und damit das Publikum vor die Qual der Wahl gestellt, eine Favoritin zu küren. Das Londoner Publikum hat die neue Mode schnell angenommen und verlangte nach einer Fortsetzung. Die nächste Ausgabe vom Kampf der Primadonnen folgte 1726, als zwei herausragende Sängerinnen für die von Händel geleitete Royal Academy of Music engagiert wurden. Die aus Parma stammende Francesca Cuzzoni (1696– 1778) war seit ihrem Londoner Debüt 1723 eine der wichtigsten Künstlerpersönlichkeiten der englischen Metropole; ihre Kollegin und Rivalin, die in Venedig geborene Faustina Bordoni (1697–1781) trat in diesem Jahr auf der britischen Insel zum ersten Mal auf. In der im Mai 1726 uraufgeführten Oper Alessandro komponierte Händel für die beiden zwei gleichwertige Partien: für die Cuzzoni die skythische Prinzessin Lisaura, für die Bordoni die persische Prinzessin Rossane, beide – wie sollte es anders sein – verliebt in den Titelhelden, den legendären König von Makedonien. Schon der erste Doppelauftritt der beiden Diven war eine Sensation: im Duett „Placa l’alma“, in dem sich beide Prinzessinnen über die Ankunft des Königs freuen, hat Händel die Anzahl der hohen Töne zwischen den zwei Sängerinnen mit mathematischer Genauigkeit verteilt; auch bei der Anzahl der Takte herrscht absolutes Gleichmaß! Und obwohl die Bordoni die tiefere und dunklere Stimme der beiden hatte, liegen beide Stimmen in der für bei- de Sängerinnen bequemen Tonart G-Dur gleich hoch und wechseln sich ab. Der Rivalinnenkampf endet in Alessandro so, dass der mächtige König am Schluss der Oper Rossane (Bordoni) seine Liebe und Lisaura (Cuzzoni) seine immerwährende Freundschaft schenkt. Doch bei allem Gleichmaß kann man sich fragen, ob Händel nicht doch die Bordoni, also die in London noch unbekannte Sängerin, musikalisch bevorzugt hat. Zwar hat auch Lisaura ganz bezaubernde Momente, doch sowohl den zartesten Moment – die lyrische Arie „L’armi implora dal tuo figlio“ – als auch die schwierigstes Arie der Oper, die fulminante Aria di bravura „Brilla nell’alma“, hat er für Rossane, also für die Bordoni vorgesehen. Francesca Cuzzoni, die unglückliche skythische Prinzessin, hatte gute Gründe, sich auch in Händels nächster Oper verlassen und vernachlässigt zu fühlen: In Admeto aus dem Jahr 1727 raubt ihr die Rivalin erneut den Titelhelden! Mit welcher Wehmut mag sie sich an die Zeit ihrer „absoluten Monarchie“ auf der Londoner Bühne erinnert haben, an die Jahre 1724 bis 1726, in denen Händel eine Paraderolle nach der anderen für sie kreierte. Zwei – die Cleopatra in Giulio Cesare von 1724 und die Titelpartie in Rodelinda (1725) – sind für immer in der Operngeschichte mit ihr verbunden. Vor allem Cleopatra, die legendäre ägyptische Königin, ist einer der vielseitigsten Charaktere in Händels Opernkosmos. In dieser Partie sind Tragisches und Komisches, Lyrisches und Dramatisches vereint. Ihre letzte Arie „Da tempeste”, nachdem sie alle SchicksalsPRIMADONNEN! KONZERT 159 schläge überstanden hat, ist ein reizvolles und virtuoses Allegro, in der die Sängerin mit perlenden Koloraturen glänzen kann. Rodelinda hingegen ist ganz anders gestaltet, zumindest in ihren dramatischen Momenten, wie beispielsweise am Ende des 2. Akts, nachdem die Heldin ihren Gemahl, den sie für tot hielt, wiedergefunden hat und sich wieder von ihm trennen muss. In dieser Szene erklingt eines der berühmtesten Duette Händels, in dem er die Stimme der Cuzzoni und die des Starkastraten Francesco Bernardi, genannt Senesino, in perfekten Einklang brachte. Am 6. Juni 1727 ereignete sich auf der Bühne des Londoner King’s Theatre der größte Opernskandal des 18. Jahrhunderts. Aufgeheizt durch ihre Verehrer haben die beiden Damen sich auf der Bühne einen Streit geliefert, der schließlich in eine echte Schlägerei ausartete – samt Haareraufen und Publikumsgejohle – und all das in Anwesenheit der königlichen Familie. Dieses Ereignis löste eine Welle von Pamphleten aus und führte dazu, dass die Spielzeit früher als geplant beendet wurde. Der offizielle Grund war der plötzliche Tod von König Georg I. am 11. Juni 1727, der Ruf der italienischen Oper war beschädigt. Nichtsdestotrotz standen in der nächsten Spielzeit die beiden Diven wieder zusammen auf der Bühne – als ob nichts geschehen wäre. Von nun an jedoch war die Cuzzoni diejenige, die sich am Ende der drei neuesten Opern Händels – Riccardo Primo 1727 und Tolomeo 1728 – der Zuneigung des Titelhelden erfreuen durfte. Umso abwechslungsreicher gestaltete 160 KONZERT PRIMADONNEN! Händel die Rollen der Bordoni. Während sie in Riccardo primo unter der Tyrannei ihres mächtigen Vaters litt, der sie gegen ihren Willen in seine Intrigen eingeweiht hat – Rezitativ und Arie „Quel gelsomino“ folgen der großen Auseinandersetzungsszene mit ihrem Vater Isacio –, kreierte sie in Tolomeo hingegen die Intrigen selbst. In ihrem herausragenden Auftritt im 3. Akt „Ti pentirai crudel“ droht sie den ägyptischen König Tolomeo sogar mit furchtbarer Rache. Während die beiden Primadonnen, „the rival Queens“, wie man Cuzzoni und Bordoni nannte, bei Händel gemischte Eindrücke hinterließen – in musikalischen und dramatischen Hinsicht stand ihm, nach seinen eigenen Aussagen, Cuzzoni etwas näher –, hat er die Sängerin, die seinen Vorstellungen von Opernkunst vollkommen entsprach, erst 1729 entdeckt: Anna Strada del Pò. Die in Bergamo geborene Sängerin, von der uns weder Geburts- noch Todesjahr bekannt ist, war keineswegs die etablierte Diva, vielmehr die eine vielversprechende junge Sängerin, aus der Händel einen Star der Londoner Szene formte. Die für Anna Strada geschriebenen Partien sprechen für sich: die mutige Adelaide in Lotario, die charmante neapolitanische Königin Partenope in der gleichnamigen Oper, die elegante Angelica in Orlando, die leidende Ginevra in Ariodante und die Zauberin Alcina, die Partie, die alle Opernprimadonnen nach ihr zu singen begehrten und immer noch begehren. Allein der Umfang ihrer großen Arie „Ah, mio cor“ im 2. Akt der Oper, in der sie von der Untreue ihres Geliebten erfährt und die mit über zehn Minuten die vielleicht längste Opernarie ist, die Händel je geschrieben hat – zeugt von der Bedeutung dieser Sängerin für Händel. Am Ende des Abends kehren wir mit dem Liebesduett von Radamisto und Zenobia in Radamisto von 1720 wieder zurück zu den ersten Jahrzehnten von Händels Karriere in London. Das Duett hat Händel überraschungsweise auch für zwei Damen geschrieben. Der Grund dafür ist, dass ihm in dieser Spielzeit kein Alt-Kastrat zur Verfügung stand, und er deswegen die Titelpartie Margherita Durastanti gab, der italienischen Mezzosopranistin, die er bereits in Italien kennengelernt und für die er schon mehrere Kantaten sowie die Titelrolle in Agrippina komponierte hatte. Die Partie der Zenobia war für seine andere Lieblingssängerin bestimmt, die englische Altistin Anastasia Robertson. Die beide Damen waren keine Rivalinnen. Im Gegenteil: Sie waren eng miteinander befreundet und haben ihre Zusammenarbeit sehr genossen. „Se teco vive il cor“ war das erste von mehreren Duetten, die Händel in seinen späteren Opern Flavio, Ottone, Floridante und Giulio Cesare für Durastanti und Robertson schuf: Das Publikum des 18. Jahrhunderts freute sich anscheinend nicht nur an zerrauften Haaren und Schlägereien. von Michael Fichtenholz PRIMADONNEN! KONZERT 161 SANDRINE PIAU Sopran Sandrine Piau studierte Harfe und Gesang am Pariser Konservatorium und schloss ihr Studium in Versailles ab. Sie wurde zunächst als Sängerin im Bereich der historischen Aufführungspraxis bekannt. Ihr Repertoire besteht jedoch heute aus der Musik unterschiedlicher Epochen. So singt sie Werke von Johann Sebastian Bach, Claude Debussy, Wolfgang Amadeus Mozart, Christoph Willibald Gluck, Carl Maria von Weber, Benjamin Britten und anderen. Sie arbeitet überwiegend als Opern- und Konzertsängerin auf großen Bühnen. Sie hatte in den vergangenen Jahren Auftritte in London, Bologna, Bordeaux und bei den Festivals von Salzburg, Montreux, Aix-en-Provence, Drottningholm und Dresden. Als Sopranistin arbeitet sie auch mit den Berliner Philharmonikern zusammen. Die Dirigenten, die mit ihr arbeiten, sind William Christie, Philippe Herreweghe, 162 KONZERT PRIMADONNEN! Frans Brüggen, Paul McCreesh, René Jacobs, Marc Minkowski, Kurt Masur und Jean-Christophe Spinosi. Sie hat einige CDs mit Liedern von Debussy und Arien Mozarts veröffentlicht. In Zusammenarbeit mit Christophe Rousset, Maurice Steger, Diego Fasolis und dem Freiburger Barockorchester hat sie sich als Spezialistin für Barockmusik einen hervorragenden Ruf ersungen. VIVICA GENAUX Mezzosopran Die in Alaska geborene Mezzosopranistin ist eine international führende Interpretin des Barock- und Belcanto-Repertoires. Sie erhielt zahlreiche Preise, darunter 2008 den Pittsburgh Opera MaecenasPreis, den Christopher Keene Award der New York City Opera und den ARIA Award 1997. Nach ihrem Debüt 1994 an der Florentine Opera/Milwaukee sang sie an den wichtigsten Häusern und bei den renommiertesten Festivals weltweit, wie beispielsweise an der Wiener Staatsoper, der Opéra de Paris, an der Bayerischen Staatsoper München, an der Metropolitan Opera in New York, in Montpellier, Straßburg und Paris sowie bei den Salzburger Pfingstfestspielen. Ihre Aufnahme mit Farinelli-Arien mit der Akademie für Alte Musik Berlin unter René Jacobs stand 2002 sieben Wochen an der Spitze der Klassikcharts. Konzerte führten die Sängerin nach Hamburg, Baden-Ba- den, Budapest, Luxemburg, Luzern, Wien und Paris. Mit der Sopranistin Simone Kermes und der Cappella Gabetta gestaltete sie das Projekt Rivalries, das von der legendären Konkurrenz zwischen den Barockdiven Faustina Bordoni und Francesca Cuzzoni inspiriert war. Das Programm wurde unter dem Namen Rival Queens auf CD veröffentlicht. Im September 2015 erschien Bellinis I Capuleti e i Montecchi mit Vivica Genaux als Romeo auf CD. Weitere Aufnahmen liegen bei Harmonia Mundi, Virgin oder Naïve, zum Beispiel L’oracolo in Messenia, Ercole sul Termodonte, L’Atenaide und Bajazet von Vivaldi, La Santissima Trinità von Scarlatti, Rinaldo und Arminio von Händel, Alahor in Granata von Donizetti sowie Bel Canto Arias, ein Album mit Liedern von Rossini und Donizetti. Am STAATSTHEATER KARLSRUHE war die Sängerin in der letzten Spielzeit in der Operngala I Capuleti e i Montecchi als Romeo zu erleben. PRIMADONNEN! KONZERT 163 GEORGE PETROU Musikalische Leitung Der in Griechenland geborene George Petrou machte nach seinem Musikstudium am Konservatorium Athen, am Royal College und an der Royal Academy of Music in London und vor seiner internationalen Dirigentenlaufbahn bereits als Konzertpianist Karriere. Seit 2012 ist er Künstlerischer Leiter des renommierten Orchesters Armonia Atenea, vormals Camerata Athen. Gemeinsam gehen sie regelmäßig auf Europatournee und gastieren unter anderem bei den Händelfestspielen Halle, der Opera Royal Versailles und in der Wigmore Hall London. 2014 debütierte Armonia Atenea als erstes griechisches Orchester bei den Proms der BBC und erhielt begeisterte Besprechungen. Zu den Höhepunkten 2016 gehörte das Debüt bei den Salzburger Pfingstfestspielen. Es sind in den letzten Jahren verschiedene viel umjubelte CDs auf Decca veröffentlicht worden: Dazu zählen die Gesamt164 KONZERT PRIMADONNEN! aufnahmen von Händels Alessandro und Hasses Siroe, Glucks Tenorarien mit Daniel Behle und Rokoko, ein Arienalbum von Max Emanuel Cencic mit Werken von Hasse. Internationales Aufsehen und euphorische Besprechungen erzielte außerdem Beethovens Prometheus. Parallel zur Karlsruher Opernproduktion erschien im Februar 2016 Händels Arminio. Mit einem Arienalbum für Franco Fagioli gaben Dirigent und Orchester im Herbst 2016 ihren Einstand beim Label Deutsche Grammophon. Für weitere Aufnahmen erhielt George Petrou Auszeichnungen wie den Gramophone-Editor’s Choice, Diapason d’Or und den Echo Klassik 2008. Der Künstler wird regelmäßig von großen europäischen Orchestern und Opernhäusern wie dem Nationaltheater Mannheim, der Oper Nizza, dem Staatstheater Darmstadt, dem Münchner Rundfunkorchester und dem belgischen B’Rock eingeladen. ARMONIA ATENEA Orchester Armonia Atenea ist der neue internationale Name für die Camerata Athen. 1991 wurde das Orchester von der Gesellschaft der Freunde der Musik in Verbindung mit der Eröffnung der Athener Konzerthalle Megaron gegründet. Seitdem fungiert die Armonia Atenea als deren Hausorchester. Seit 2011 tritt das Orchester wechselweise im Megaron und im neuerbauten OnassisKulturzentrum in Athen auf. Die Armonia Atenea ist sowohl mit der historischen als auch mit der modernen Aufführungspraxis bestens vertraut. Das Orchester setzt sich mit einem weitgefächerten Konzertrepertoire von der Barockmusik bis hin zur zeitgenössischen Musik des 21. Jahrhunderts ernsthaft und erfolgreich auseinander. Der Dirigent und Echo-Klassik-Preisträger George Petrou ist derzeit der Künstlerische Leiter des Orchesters. Das Orchester ist auf den berühmtesten Bühnen der Welt ein willkommener Gast, wie beispielsweise beim Musikverein Wien, dem Théâtre des Champs Élysées in Paris; den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik; sowie auch im Palais de Bozar in Brüssel; Arsenal von Metz, an der Opera von Monte Carlo und dem Grand Theatre von Aix-en-Provence. Das Orchester hat eine reichhaltige Diskografie. Zu den letzten Veröffentlichungen gehören die Weltpremiere-Aufnahmen von Händels Alessandro Severo und Glucks Il Trionfo di Clelia. Die Einspielung von Händels Oper Alessandro mit einer Starbesetzung ist bei Decca erschienen und hat von der internationalen Presse höchstes Lob geerntet. In der Saison 2013/14 wurden fünf neue Aufzeichnungen veröffentlicht, darunter Rokoko, das Soloalbum des Countertenors Max Emanuel Cencic. Dieses Programm wurde 2014 als Vorkonzert zu den INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELEN in Karlsruhe präsentiert. 165 166 167 32. INTERNATIONALE HÄNDEL-AKADEMIE 27.2. – 5.3. DOZIERENDE ANNA BONITATIBUS Gesang DEBORAH YORK Gesang ANNE KATHARINA SCHREIBER Violine, Kammermusik GUIDO LARISCH Violoncello, Basso-continuo-Praxis, Kammermusik KRISTIAN NYQUIST Cembalo, Basso-continuo-Praxis, Kammermusik VIVICA GENAUX Meisterkurs Gesang ABSCHLUSSKONZERT SO 5.3. 17.00 SCHLOSS GOTTESAUE Velte-Saal 168 INTERNATIONALE HÄNDEL-AKADEMIE Liebe Musikfreunde, die INTERNATIONALE HÄNDEL-AKADEMIE Karlsruhe wurde 1986 als Pendant zu den HÄNDEL-FESTSPIELEN des STAATSTHEATERS KARLSRUHE ins Leben gerufen, um den künstlerischen Produktionen der Festspiele Meisterkurse mit herausragenden Vertretern der Historischen Aufführungspraxis und wissenschaftliche Symposien zur Seite zu stellen und den Nachwuchs zu fördern. patrons in den Mittelpunkt: Vokalmusik aus Händels italienischer Zeit und instrumentale Kammermusik aus den Londoner Jahren, die im engen Zusammenwirken der Kurse von Anna Bonitatibus und Deborah York (Gesang), Anne Katharina Schreiber (Violine) und Guido Larisch (Violoncello) sowie Kristian Nyquist (Cembalo) erarbeitet und in zwei öffentlichen Veranstaltungen präsentiert werden. Die 32. INTERNATIONALE HÄNDELAKADEMIE ist geprägt von einer drastischen Reduktion der Fördermittel. Es werden zwar weniger Kurse als in den Vorjahren angeboten, diese Konzentration bietet aber die Chance zu einer besonders intensiven Zusammenarbeit der Kurse, für die wieder einige der besten Künstler ihres Fachs gewonnen werden konnten. Die AKADEMIE möchte sich künftig verstärkt jenen Bereichen zuwenden, die bisher wenig Beachtung fanden. Das Symposium wirft unter dem Titel Einsprüche – Widerworte bereits einige kritische Blicke auf Selbstverständlichkeiten und Konventionen der Historischen Aufführungspraxis. Unter dem Motto „Händel kompakt “stellt die AKADEMIE die Musik ihres Namens- Michael Fichtenholz, Prof. Dr. Thomas Seedorf Künstlerische Leitung INTERNATIONALE HÄNDEL-AKADEMIE 169 HÄNDEL AM MITTAG & HÄNDELWERKSTATT HÄNDEL AM MITTAG Die Mittagsgespräche sind eine einzigartige Gelegenheit, von anwesenden Künstlerpersönlichkeiten spannende und interessante Details zu erfahren und Aspekte ihres Lebens als Künstler kennenzulernen. Dabei sind nicht nur die Fragen nach Gesangstechnik und Repertoireauswahl für alle jungen Musiker relevant. Es werden auch ganz praktische Aspekte angesprochen: Karrieremanagement, Reiseplanung oder Kommunikation mit Agenten und Veranstaltern im Theater- und Konzertbereich. Händel am Mittag bietet die seltene Möglichkeit, diese praktische und oftmals vernachlässigte Seite eines Künstlerlebens aus erster Hand dargelegt zu bekommen: Im Gespräch werden Max Emanuel Cencic, Starcountertenor, der in Arminio in doppelter Funktion als Regisseur und Protagonist tätig ist, und Deborah York, eine der berühmtesten Barocksopranistinnen ihrer Generation, Rede und Antwort stehen. Künstlergespräch mit Max Emanuel Cencic DI 28.2. 14.00 SCHLOSS GOTTESAUE, VELTE-SAAL Künstlergespräch mit Deborah York SA 4.3. 13.00 SCHLOSS GOTTESAUE, VELTE-SAAL HÄNDELWERKSTATT Hier darf das Publikum einen Probenprozess hautnah begleiten! Die Händelwerkstatt ist eine Work-in-progress-Situation, bei der die Zuschauer einen unverstellten Blick hinter die Kulissen werfen dürfen. Es wird gezeigt, wie die Zusammenarbeit zwischen den Dozierenden und den Künstlern abläuft. Dazu werden an Werken gearbeitet, die nicht im Programm des Abschlusskonzerts zu hören sind. mit DozentInnen und TeilnehmerInnen der HÄNDEL-AKADEMIE FR 3.3. 20.00 STAATSTHEATER KARLSRUHE, STUDIO 170 INTERNATIONALE HÄNDEL-AKADEMIE Zu Q, um nur ein SUV zu sein. Der neue Audi Q5. Der Intelligentere seiner Art. Jeder Tag bringt neue Gelegenheiten – ergreifen Sie sie mit dem neuen Audi Q5. Denn ganz gleich, wo Ihre nächste Idee Sie hinführt: Sein optionaler quattro Antrieb mit ultra Technologie spart nicht an Dynamik. Aber an Kraftstoff. Alle Angaben basieren auf den Merkmalen des deutschen Marktes. Jetzt den neuen Audi Q5 erleben. Audi Zentrum Karlsruhe GmbH, Gerwigstr. 83, 76131 Karlsruhe, Tel.: 07 21 / 9 62 20-0, [email protected], www.audi-karlsruhe.de Audi Zentrum Karlsruhe GmbH, Sophienstr. 135, 76135 Karlsruhe, Tel.: 07 21 / 8 50 09-0, [email protected], www.audi-karlsruhe.de INTERNATIONALE HÄNDEL-AKADEMIE 171 SYMPOSIUM DER 32. INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE EINSPRÜCHE – WIDERWORTE HISTORISCHE AUFFÜHRUNGSPRAXIS IM GEGENLICHT DER KRITIK Im Rahmen des Symposiums suchen Musikwissenschaftler und Künstler Antworten auf ewig gültige Fragen der Historischen Aufführungspraxis: Stellt die Historische Praxis ein starres Korsett mit eisernen Regeln dar, die von der Zeit nicht beeinflusst werden und unveränderlich sind – oder gibt es Moden und Trends? Gibt es im Vergleich zwischen verschiedenen Ländern lokale Traditionen im Bereich der Alten Musik, die die Historische Aufführungspraxis beeinflussen und jeweils unterschiedlich prägen? Dabei werden auch besonders heikle Fragen in der Diskussion nicht ausgespart: Wieso haben heutzutage zwei Instanzen großen Einfluss auf die Inszenierung von Barockopern, die in der Barockzeit eigentlich überhaupt nicht existierten – Regisseur und Dirigent? Prof. Dr. THOMAS SEEDORF Professor an der Hochschule für Musik Karlsruhe Künstlerischer Leiter & Vorstandsmitglied der INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE Prof. Dr. ANSELM GERHARD Direktor des Instituts für Musikwissenschaft Bern & Professor für historische Musikwissenschaft Dr. TOBIAS PFLEGER Musikwissenschaftler, Forscher, Musikkritiker & Redakteur MICHAEL FICHTENHOLZ Künstlerischer Leiter der INTERNATIONALEN HÄNDELFESTSPIELE KARLSRUHE & INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE Prof. KRISTIAN NYQUIST Professor an der Hochschule für Musik Karlsruhe DO 2.3. 15.00 – 18.00 SCHLOSS GOTTESAUSE Hörsaal 172 INTERNATIONALE HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE Klassische Moderne und Gegenwartskunst 16. – 19. Februar 2017 Messe Karlsruhe | www.art-karlsruhe.de 173 NACHWEISE TEXTE Alle Texte sind Originalbeiträge für dieses Programmbuch. FOTOS Theresia Bauer Uli Regenscheit Fotografie Dr. Frank Mentrup Roland Fraenkle Prof. Dr. Peter Overbeck Felix Grünschloß Peter Spuhler Florian Merdes S. 7 Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Jacoby Michael Fichtenholz Felix Grünschloß S. 12/13 Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Norbert Stadler Günter Könemann Felix Grünschloß S. 20/21 Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Steffen Hauswirth S. 33, 37 Felix Grünschloß Christopher Moulds privat Floris Visser Allard Willemse Gideon Davey ONUK Carsten Wiebusch privat Alex Brok privat Klaus Bertisch privat Jennifer France Nick James Ed Lyon privat Terry Wey Patroklos Skafidas Katharine Tier Andrew Finden Dilara Baştar Felix Grünschloß Ks. Edward Gauntt privat Hannah Bradbury Feodor Lundin Yang Xu Felix Grünschloß Ilkin Alpay Felix Grünschloß Händel-Festspielchor Benjamin Cortez Deutsche Händel-Solisten privat S. 20/21 Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg Peter Neumann privat Sine Bundgaard privat David Hansen Tonje Thilesen Tuva Semmingsen Robin Skjoldborg Samuel Boden Marco Borggreve Morgan Pearse Kaupo Kikkas Kölner Kammerchor privat Badische Staatskapelle Falk von Traubenberg S. 71 Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg Uliana Alexyuk Mary Vostokova Eleazar Rodriguez Felix Grünschloß Km. Stephan Skiba Danica Schlosser 174 SERVICE Christian-Markus Raiser Felix Grünschloß Deutsche Händel-Solisten privat S. 80/81 Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, David Franck Anna Fusek Felix Broede Christian Curnyn Eric Richmond S. 90/91 Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg Domenico Annibali bpk | Staatliche Kunstsammlungen Dresden | Elke Estel | Hans-Peter Klut Arminio (Max Emanuel Cencic) Julien Benhamou Max Emanuel Cencic Anna Hoffmann George Petrou Ilias Sakalak Helmut Stürmer Felix Grünschloß Corina Grămoşteanu Adi Bulboaca Dimitris Dimopoulos privat Lauren Snouffer Claire McAdams Nicolas Zielinski privat Gaia Petrone privat Juan Sancho Julian Laidig Owen Willetts Felix Grünschloß Pavel Kudinov Felix Grünschloß Armonia Atenea Pappas S. 118/119 Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Arnim Weischer Patrizia Ciofi Anna Blum Donna Leon Regine Mosimann / © Diogenes Verlag Maxim Emelyanychev Emil Matveev Il pomo d’oro Julien Mignot S. 129 Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg Katharina Ruckgaber Wolfgang Runkel Jakub Józef Orliński Anita Wasik Kammerchor der Christuskirche privat S. 144/145 Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Steffen Hauswirth Anna Bonitatibus Frank Bonitatibus Anne Katharina Schreiber privat Guido Larisch privat Nicoleta Paraschivescu privat Kristian Nyquist Felix Grünschloß S. 154/155 Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Arnim Weischer Sandrine Piau Sandrine Expilly Vivica Genaux Christian Steiner S. 166/167 Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Steffen Hauswirth Sollten wir Rechteinhaber übersehen haben, bitten wir um Nachricht. Gehalts-/Bezügekonto; Genossenschaftsanteil von 15,– Euro/Mitglied 1) Voraussetzung: 0800/46 22 22 6 www.bbbank.de 0, Euro 1) Girokonto und Depot Die BBBank überzeugt immer mehr Kunden mit ihren Leistungen. Führen Sie Ihr Bankdepot und Ihr Gehalts-/Bezügekonto kostenfrei – ohne monatlichen Mindesteingang auf Ihrem Girokonto. Und genießen Sie den Service einer kompetenten Beraterbank. Gerne überzeugen wir auch Sie von unseren Vorteilen. Informieren Sie sich! 1) So muss meine Bank sein. INTERNATIONALE HÄNDEL-FESTSPIELE KARLSRUHE 2017 WEITERE INFORMATIONEN & TICKETS www.staatstheater.karlsruhe.de www.haendel-akademie.de SCHRIFTLICHE KARTENBESTELLUNGEN BADISCHES STAATSTHEATER KARLSRUHE Theaterkasse Hermann-Levi-Platz 1 76137 Karlsruhe [email protected] THEATERKASSE Hermann-Levi-Platz 1 Montag bis Freitag von 10.00 – 18.30 Samstag von 10.00 – 13.00 Telefon 0721 933 333 Fax 0721 3557 346 ABENDKASSE 1 Stunde vor Beginn der Vorstellung HOTEL-ARRANGEMENTS Informationen zu unseren Partnerhotels finden Sie auf www.staatstheater.karlsruhe. de unter Service/Hotel- und Gastrotipps. Redaktionsschluss 3.2.17 Änderungen vorbehalten 176 RESIDENZSCHLOSS LUDWIGSBURG Die Bilder in diesem Programmheft zeigen die Innen- und Außenräume des Residenzschlosses Ludwigsburg, eines der wenigen barocken Bauwerke, die die wechselvolle Geschichte der vergangenen Jahrhunderte nahezu unbeschadet überstanden haben. Die INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE bedanken sich bei den Staatlichen Schlössern & Gärten Baden-Württemberg für die Bereitstellung der Aufnahmen. Cover Morphée et Iris von Pierre-Narcisse Guérin, 1811, St. Petersburg, Eremitage IMPRESSUM Generalintendant Peter Spuhler Verwaltungsdirektor Michael Obermeier Kaufmännischer Direktor Johannes Graf-Hauber Künstlerische Leitung Michael Fichtenholz Produktionsleitung Eric Nikodym Künstlerische Leitung INTERNATIONALE HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE Michael Fichtenholz, Prof. Dr. Thomas Seedorf Marketing & Kommunikation Christiane Hein Redaktion Michael Fichtenholz, Christiane Hein, Boris Kehrmann, Raphael Rösler, Achim Sieben Gestaltung Danica Schlosser Druck medialogik GmbH FESTSPIELKALENDER FR 17.2. ERÖFFNUNG DER 40. INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE 2017 18.00 MITTLERES FOYER SEMELE Musikalisches Drama in drei Akten von Georg Friedrich Händel 19.00 GROSSES HAUS PREMIERE S. 22 SA 18.2. HÄNDEL MIT DONNA LEON 16.00 KLEINES HAUS S. 50 THEODORA Oratorium von Georg Friedrich Händel 19.30 GROSSES HAUS S. 52 SO 19.2. ÖKUMENISCHER FESTGOTTESDIENST 10.30 EV. STADTKIRCHE am Marktplatz S. 70 SEMELE 19.00 GROSSES HAUS S. 22 MO 20.2. KAMMERKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN 20.00 KLEINES HAUS S. 74 MI 22.2. 3. SONDERKONZERT – FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN 19.00 GROSSES HAUS S. 82 DO 23.2. SEMELE 19.00 GROSSES HAUS FR 24.2. ARMINIO Dramma per musica von Georg Friedrich Händel 19.00 GROSSES HAUS WIEDERAUFNAHME SA 25.2. SEMELE 15.00 GROSSES HAUS ABENDSTERNE 1 – IL POMO D’ORO – PATRIZIA CIOFI HÄNDEL – FRAUENLIEBE UND -LEBEN 20.00 CHRISTUSKIRCHE SO 26.2. PREISTRÄGERKONZERT DES HÄNDEL-JUGENDPREISES 11.00 KLEINES HAUS S. 22 S. 92 S. 22 S. 120 S. 130 Zeitlose MEISTERWERKE. Klang und Design perfekt GEHÄNDELT. Freytag media.net GmbH Karlstraße 32 76133 Karlsruhe www.freytag.de Erleben Sie eine breite Auswahl an hochwertigen TV- und HiFiLösungen. 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Der Vorverkauf läuft ab dem 7.2.17 für ABONNENTEN, Mitglieder der HÄNDELGESELLSCHAFT KARLSRUHE und Mitglieder der GESELLSCHAFT DER FREUNDE DES BADISCHEN STAATSTHEATERS. Am 17.2.17 startet der Vorverkauf für alle Besucher. WWW.STAATSTHEATER.KARLSRUHE.DE 40. INTERNATIONALE HÄNDEL-FESTSPIELE 2017 16.2. – 2.3.