dapd, 17.04.2011 Festival nach Finanzskandal unter besonderer Beobachtung - Salzburger Osterfestspiele 2011 beginnen mit umstrittener "Salome" von Kultregisseur Stefan Herheim Salzburg (dapd-bay) Von Georg Etscheit Sind die Salzburger Osterfestspiele künstlerisch noch relevant? Oder sind sie nur ein Laufsteg der Superreichen und ein Selbstbedienungsladen für windige Kulturmanager? Diese Fragen stellen sich aktueller denn je, seit das von Herbert von Karajan 1967 gegründete Hochglanzfestival von einem millionenschweren und juristisch noch nicht geklärten Finanzskandal überschattet wurde. Über die Affäre stolperten vor gut einem Jahr nicht nur der frühere Geschäftsführer, sondern auch der bis dato hochangesehene Technikchef der Salzburger Sommerfestspiele. Für den Neuanfang unter Musikmanager Peter Alward hat man sich nun den jungen norwegischen Kultregisseur Stefan Herheim geholt, dessen "Salome"-Neuinszenierung am Samstagabend im Großen Festspielhaus eher zwiespältig aufgenommen wurde. Herheim zählt seit seiner heiß diskutierten Deutung von Wolfgang Amadeus Mozarts "Die Entführung aus dem Serail" bei den Salzburger Festspielen 2003 zu den begehrtesten und wagemutigsten Opernregisseuren der Gegenwart. Richard Strauss' Einakter nach einer Vorlage von Oscar Wilde erregte wegen seiner Freizügigkeiten schon bei der Uraufführung im Jahre 1905 die Gemüter. "Salome" sei die dekadenteste Oper, die je geschrieben wurde", sagte Sir Simon Rattle, der mit seinen Berliner Philharmoniker die Osterfestspiele musikalisch betreut, in einem Interview. Ein "durch und durch perverses Stück". Da ließ sich Herheim nicht lumpen und zog alle Register der modernen Theatertechnik, um das Drama der Männer mordenden Femme fatale in Szene zu setzen. Die Stieftochter des biblischen Königs Herodes versucht mit all ihren weiblichen Reizen, den in einem Verlies gefangenen Propheten Jochanaan zu bezirzen, wird jedoch von diesem brüsk abgewiesen und sogar mit einem Fluch bedacht. Ihre Rache ist ebenso perfide, wie originell. Als Dank für ihren "Tanz der sieben Schleier" verlangt sie von ihrem heftig widerstrebenden Stiefvater den abgeschlagenen Kopf des Jochanaan. Diese Story spielt bei Herheim und seiner Bühnenbildnerin Heike Scheele in einer Art Planetarium mit einem riesigen, drehbaren Teleskop in der Mitte der Bühne. Darüber wölbt sich eine Mondoberfläche, die im Verlauf des Abends immer wieder verwandelt. Einmal blicken gierige Augen aus den Mondkratern auf Salome und den Hofstaat des Königs Herodes und seiner Frau Herodias herab, mal mutiert der graue Mondstaub in eine glühende Sonnenscheibe. Herodes und sein Hofstaat verfolgen das Geschehen mit inbrünstiger Begeisterung. Unter ihnen erkennt man zahlreiche Potentaten der Weltgeschichte: Friedrich den Großen, Iwan den Schrecklichen, Kaiser Wilhelm II., Philipp II. von Spanien, Stalin und - Hitler. Mit erotischen Anspielungen geizt Herheim nicht. Das Teleskop ist unschwer als Phallussymbol auszumachen. Und immer, wenn die Männer der schönen Salome angesichtig werden, greifen sie sich lustvoll-schmerzhaft in den Schritt. Salome ist bei Herheim Täter und Opfer zugleich, mörderische Verführerin und Projektionsfläche anzüglicher Männerphantasien. Dass dieses Konzept am Ende nicht ganz aufgeht, liegt vor allem an der US-Sopranistin Emily Magee als Salome, die weder darstellerisch noch stimmlich wirklich überzeugt. Doch auch die anderen Protagonisten auf der Bühne, Stig Andersen als Herodes, Hanna Schwarz als Herodias und Iain Paterson als Jochanaan können sich gegen die von Dirigent Simon Rattle und den Berliner Philharmonikern entfesselten Klanggewalten oft nur schwer durchsetzen. Das Premierenpublikum im ausverkauften Festspielhaus, darunter adelige Prominenz wie Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, war hin- und hergerissen zwischen Begeisterung und Empörung und strebte nach einem kurzen Beifall-Buh-Scharmützel rasch zum Champagnerempfang. Nächstes Jahr steht mit Georges Bizets "Carmen" wieder eine Frauenoper auf dem Spielplan des Festivals, eine Koproduktion mit dem von Gerard Mortier, dem einstigen Intendanten der Salzburger Festspiele, geleiteten Teatro Real in Madrid.