Kultur-Nahversorger auf hohem Niveau

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KULTUR
Kultur-Nahversorger
auf hohem Niveau
NEUE – DIENSTAG, 20. SEPTEMBER 2016, SEITE 24
KURZ NOTIERT
Die Herbstschau des „milK-ressorts“ von
Harald Gfader widmet sich Hans Grünseis.
Salome (Claudia Wiedemer) beim
Blick durch den Lametta-Vorhang
(r.). Sie will die Lippen des Jochanaan küssen, tot oder lebendig.
Vorarlberg und der Kaiser
BREGENZ. Kaiser Franz Josef
H
MICHAEL ZANGHELLINI (2)
I. regierte die Donaumonarchie von 1848 bis 1916.
Mit seinem Namen blieb
eine Epoche verbunden, in
der sich auch Vorarlberg
nachhaltig verändert hat.
Das Vorarlberger Landesarchiv nimmt den 100.
Todestag des Kaisers (21.
November) zum Anlass,
um in einer Vortragsreihe
verschiedene Aspekte
seiner Zeit zu beleuchten.
Kommenden Mittwoch,
17 Uhr, startet die Reihe
mit einem Vortrag des
Historikers Lothar Höbelt
(Universität Wien) über
den Kaiser als Politiker.
Der Eintritt ist frei.
Eine Ode an Österreich
WIEN. Dem Verfassen einer
„Ode an Österreich“ –
dieser Aufgabe mussten
sich die Teilnehmer des
Wettbewerbs „Enjoy
Austria“ stellen. Dieser
ironische Beitrag einer
Kunstinitiative zur Migrationsthematik wurde im
Juli für Flüchtlinge und
Neo-Österreicher gestartet. Nun steht der Gewinner der Ausschreibung
fest: Mohammad Ibrahim
Rahimi konnte sich mit
„Unvaterland“ gegen die
Konkurrenz durchsetzen.
Swift-Literaturpreis 2016
ZÜRICH/WIEN. Wolf Haas
erhält den diesjährigen
„Jonathan Swift“, den
internationalen Literaturpreis für Satire und
Humor. Die mit 20.000
Franken (18.279,87 Euro)
dotierte Auszeichnung
wird dem österreichischen
Autor am 20. November
im Literaturhaus Zürich
überreicht. Der Preis
wurde im Vorjahr erstmals
verliehen, damals konnte
mit Eva Menasse ebenfalls
eine österreichische Autorin reüssieren.
Auch Frauen können böse sein
Das Liechtensteiner
TAK-Theater lässt zum
Saisonauftakt tief in
die dunkle Seele einer
zurückgewiesenen reichen Frau blicken.
ROBERT F. WEBER
M
aulwurfsblind. So blind
kann Liebe machen. Und
sie kann auch böse machen. Teuflisch böse.
Obgleich viele glauben, dass
das Böse vor allem eine Domäne der Männer ist, belehrt
das Theaterstück „Salome“ von
Oscar Wilde eines anderen.
Das erschreckend Böse beginnt harmlos. Das Anfangsbild
der Liechtensteiner Eigenproduktion wirkt fast weihnachtlich. Lange glitzernde Lametta-Streifen bilden einen
quaderförmigen Bühnenraum
auf der Bühne. Darin sind undeutlich Personen wahrzunehmen, die von Salomes Schönheit schwärmen. Äußerlich
mag die Gepriesene tatsächlich
schön sein, aber inwendig lauert eine wahre Bestie.
Auch Bestien begehren. So
begehrt Herodes Salome, welche die Tochter seiner Ehefrau
Herodias ist. Ein Begehren,
welches von Salome verständlicherweise weder goutiert
noch erwidert, sondern nur
verachtet wird.
Rücksichtsloses Begehren
Salome selbst begehrt dagegen Jochanaan. Der ist niemand Geringerer als Johannes
der Täufer. Bekannt nicht aus
Funk und Fernsehen, sondern
vor allem aus der Bibel. Übrigens genauso wie die anderen
handelnden Charaktere.
„Ich will deinen Mund küssen, Jochanaan“, fordert Salome. Allein, der Begehrte will
die „schöne Schlange“ nicht
küssen. Will ihre Lust nicht befriedigen, erkennt die Niederträchtigkeit der reichen Frau.
Johannes der Täufer ist kein
freier Mann. Er sitzt im Kerker, der auf der TAK-Bühne
von den oben beschriebenen
Lametta-Fäden gebildet wird.
Dieses reduzierte, nicht wechselnde Bühnenbild stammt von
David König. Die „königliche“
Ausstattung ist sehr effizient,
reicht vollkommen aus. Gutes
Theater bedarf weder vieler
Requisiten noch vieler Spieler. Gespielt wird „Salome“
übrigens von Fritz Hammel
(Herodes), Philip Heimke
(Jochanaan), Claudia Wiedemer (Salome) und Monika
Wiedemer (Herodias). Die Leistung der vier Schauspieler ist
gut, auch die Regie von Tim
Kramer überzeugt.
Jochanaan ist kein Freund
der herrschenden Klasse (wer
schon?), verflucht sie sogar.
Wie könnte ihm da Salome,
eine deren Angehörigen, gefallen? Er, der Prophet, kündigt
eine neue Zeit und damit auch
eine neue Weltordnung an.
Derartige Ankündigungen und
Überlegungen hat es anscheinend „immer“ schon gegeben.
Salome ist fasziniert vom
Charisma des Inhaftierten.
Will ihn besitzen, so wie Reiche alles besitzen wollen. Doch
Jochanaan weist sie zurück.
Von Leidenschaft (oder vielleicht doch eher Rache und
niedriger Besitzgier) getrieben, fordert Salome von ihrem
Stiefvater Herodes den Kopf
dessen, der sie verschmäht hat.
Fordert tatsächlich den Kopf
von Jochanaan.
Herodes verweigert erst vehement ihren bösen Wunsch.
Nicht, weil er ein anständiger
Mensch wäre, sondern weil er
ganz Politiker ist. Stammt er
doch aus einer nicht-judäischen
Oberschicht und befindet sich
in Abhängigkeit von Rom, von
dem sich viele Judäer unabhängig machen wollen. Außerdem
schwelen auch damals schon
die Konflikte zwischen Arm
und Reich und zwischen Vorderasien und Europa.
Da greift Salome zu den
Waffen einer Frau. Sie erfüllt
Herodes seinen sehnlichen
Wunsch und tanzt für ihn. Dann
fordert sie mit bösem Nachdruck den Kopf des Begehrten
und obsiegt diesmal. „Du wolltest mich deinen Mund nicht
küssen lassen. Ich will ihn jetzt
küssen. Ich will mit meinen
Zähnen hineinbeißen.“
Erschreckend. „Salome“ ist
übrigens das einzige tragische
Stück von Oscar Wilde. Bei seiner Uraufführung verursachte
es einen Skandal.
n „Salome“ ist auch vier Mal in
Vorarlberg zu sehen: Am 13., 14. und
15. Oktober im Theater am Saumarkt
in Feldkirch und am 19. Oktober in der
Remise in Bludenz, jeweils um 20 Uhr.
ans-Günther Grünseis ist
ein vergessener Künstler, dessen erstaunliches
Werk nicht nur den KünstlerAussteller Harald Gfader zu
begeistern vermag.
Grünseis (geboren 1906 in
Wiener Neustadt, gestorben
1986 in Wien), studierte an
der Akademie der Bildenden
Künste und hat 1964 an der
Biennale in Venedig teilgenommen.
Die Aufnahme in die Wiener
Künstlervereinigung
„Sezession“ wurde dem in
der Bundeshauptstadt lebenden Künstler allerdings
verwehrt. Eine schicksalhafte Ablehnung, war es
doch für die Künstler im
Nachkriegswien überlebensnotwendig, einer Künstlervereinigung anzugehören,
da es kaum Galerien gab, die
ein Werk wie das von Grünseis präsentieren und öffentlich machen hätten können.
Grünseis teilte das Los vieler bildender Künstler, die
ihr Brot als Zeichenlehrer
verdienen. Später kamen
auch Arbeiten im öffentlichen Raum dazu.
Im privaten Rahmen arbeitete er aber konsequent
an seiner künstlerischen
Entwicklung weiter. Aus
dem spätexpressionistischen
Gütersloh-Schüler
entwickelte er sich zu einem konstruktivistischen Maler, der
in seiner progressiven Bild-
auffassung neue Kunsträume
erschloss.
Bereits die frühen Arbeiten, die noch ganz der Farbigkeit und Gegenständlichkeit des Expressionismus
verhaftet sind, zeigen eine
feine, exzellente Machart.
Ab 1950 wandte er sich
dann völlig der Abstraktion
zu und deklinierte seine Formensprache über Jahrzehnte
zu einer immer subtileren
Formensprache durch.
Harald Gfader hält HansGünther Grünseis als Maler
für genauso bedeutsam wie
Fritz Wotruba für die Skulptur. Grünseis und Wotruba
haben demnach in ihrem jeweiligen Metier einer konstruktivistischen Kunstauffassung auf höchstem Niveau
entsprochen.
Während Hans-Günther
zeitlebens verkannt blieb,
gilt Fritz Wotruba als wichtigster Bildhauer im NachkriegsÖsterreich. Gfader und
sein Team haben aus dem
umfangreichen Nachlass von
Grünseis eine sehenswerte
Zusammenschau ausgewählt.
In der Vernissagerede und
im Gespräch mit der NEUEN
wird das Talent für die Kunstvermittlung des freischaffenden Künstlers Harald Gfader
deutlich. Seine Ausführungen
sind immer wieder von
einem befreienden Aha-Erlebnis begleitet.
Harald Gfader zwischen Arbeiten von Hans Grünseis.
WOLFGANG ÖLZ
WOLFGANG ÖLZ
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