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'Salome' von Richard Strauss in Bratislava
Ein Scherzo mit tödlichem Ausgang
Irgendwie wird es in der 'Salome' immer mehr oder weniger unfreiwillig komisch. Das muss
schon zur Dresdner Uraufführung 1905 so gewesen sein, denn mit der hochdramatischen
Sängerin Marie Wittich war an einen Tanz der sieben Schleier nicht zu denken. So kam man
auf die Idee des Tanzdoubles. Das ist heute selten geworden, aber auch heutige SalomeSängerinnen kommen nicht vom Broadway, und so sieht man mitunter bestenfalls lasziv
gemeinte Andeutungen bewegter Hüften, mehr nicht. Da kann auch die neue Inszenierung
des Slowakischen Nationaltheaters in Bratislava auf der großen Bühne des neuen Theaters
nicht so recht punkten.
Schade eigentlich, denn mit Jolana Fogašová steht hier eine Sängerdarstellerin für die
Titelpartie auf der Bühne, wie man sie sich nur wünschen kann. Das tätowierte Früchtchen
mit Schmollmund oder Trotzschnute ist gewöhnt, zu bekommen, was es will. Und weil die
verzogene Göre offensichtlich alles hat und dazu die Nase gestrichen voll hat vom höfischen
Gelaber, ertönt die Stimme des geheimnisvollen Typen aus der Tiefe dieses Welttheaters auf
wackeligen Bühnenbrettern gerade recht. Schon wittert die Prinzessin ein neues Abenteuer.
Heute würde man meinen, dieser asketische Heilsverkünder Jochanaan ist ein gefährlicher
Systemkritiker. Sein religiöser Eifer weist in Richtung Terrorverdacht. Somit ist er für die
einen ein Scheusal aus dem Bilderbuch politischer Nachrichtendienste, für andere ein Objekt
der Begierde. Für einen Regisseur ist es nicht leicht, sich für eine Variante der Erzählung
dieses Stoffes zu entscheiden. Die Exotik flirrender Farben des Nahen Ostens, die zu Beginn
des letzten Jahrhunderts in Mode war, mag heute nicht mehr in gleichem Maße zu
begeistern. Die historischen Anklänge in Anlehnung an die biblischen Motive im Hinblick auf
die verschwimmenden Situationen einer weltgeschichtlichen Zeit des Umbruchs verblassen
angesichts der noch immer virulenten Umbrüche und deren Nachwirkungen aus dem 20.
Jahrhundert. Offensichtlich stehen wir am Beginn des 21. Jahrhunderts erneut vor den
Herausforderungen einander sich bekämpfender religiöser und ethischer Unvereinbarkeiten.
Die Flunkerei von Richard Strauss mit dem tödlichen "Scherzo" im Hinblick auf seine
'Salome' hat neuen Ernst bekommen. Das Drama vollzieht sich ganz vorn, ganz nahe an der
Rampe des Welttheaters. Die Protagonisten stehen schon mit einem Bein über dem
Abgrund, überm garstigen Graben der Geschichte, aus dem jene Musik aufsteigt, deren
trügerische Verführungsmelodik nichts an Kraft verloren hat, deren kleingeistiges Gemecker
nicht den Rausch der Überwältigung aufhalten kann und deren klagende Töne der
Einsamkeit am Ende wieder mal ein Kind zurücklässt, das die Schuld trägt, das geschlachtet
werden muss, dieses Tier, dieses Ungeheuer namens Salome.
Gegen die Klangpräsenz dieser Aufführung unter der Leitung von Friedrich Haider mit dem
sich deutlich steigernden Orchester des Slowakischen Nationaltheaters kommen die
szenischen Ideen des Regisseurs Hans-Joachim Ruckhäberle nur bedingt an. Mitunter
beschränkt er sich auf die Organisation von Anordnungen der Solisten, als wohnte man einer
konzertanten Aufführung bei. Ab er kann auch mit konzentrierten Szenen Akzente setzten,
die sonst oft verloren gehen. So sind in Ruckhäberles Sicht die fünf diskutierenden Juden
keine gefährlichen oder gar albernen Karikaturen, sondern ernst zu nehmende, diskutierende
Menschen. Mit einem Sänger wie Jan Vacík in der Rolle des Herodes lässt sich ein so
verschlagener wie gewiefter König inszenieren, der seine Märchenbuchkrone mit der
absurden Verschmitztheit eines Lustspiel-Königs Peter von Georg Büchners Gnaden trägt.
Machtgier, Egoismus und Berechnungskunst zeichnen Denisa Hamarová als Herodias aus.
Tochter Salome, als Früchtchen wahrlich nicht weit vom Stamm gefallen, dürfte ihre wirkliche
Konkurrenz sein. Wie ernst ein Prophet mit den oratorischen Tönen eines Jochanaan
wirklich zu nehmen ist, kann auch diese Inszenierung nicht eindeutig klären. Mit Anton
Kermidtchiev erlebt man hier einen Charakterbariton mit heldischen Tönen. Für den Tenor
Tomáš Juhás mit seiner zu Herzen gehenden Liebesverzweiflung als Narraboth ist kein Platz
in dieser Opernwelt. Und eigentlich ist hier ja auch kein Platz für die Salome der Jolana
Fogašová mit ihrem erstaunlichen Rollendebüt. An dramatischer Kraft fehlt es ebenso wenig
wie an lyrischer Feinheit. Gelegentliche Ausflüge in die leichteren Gefilde des Klanges der
Soubrette kommen der charakterlichen Differenzierung dieser Partie sehr zugute.
So klingt in Bratislava das Richard-Strauss-Jahr aus mit einer Neuproduktion der 'Salome',
die ganz im Sinne des Operndirektors und Chefdirigenten des Slowakischen
Nationaltheaters, Friedrich Haider, einmal im Sinne einer unbedingt nötigen Erweiterung des
Repertoires zu sehen ist, zum anderen aber auch als längst überfällige Beendigung einer
unverständlichen Strauss-Abstinenz in Bratislava. In diesem Sinne darf man sich auf eine
weitere Entdeckung“ zum Ende der aktuellen Saison freuen, wenn Haider Ermanno WolfFerraris ganz selten zu erlebende Oper 'I gioielli della Madonna' auf die Bühne bringen wird.
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Kritik von Boris Michael Gruhl
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Richard Strauss: Salome
Ort: Slowakisches National Theater, 14.11.2014
Werke von: Richard Strauss
Mitwirkende: Friedrich Haider (Dirigent)
http://magazin.klassik.com/konzerte/reviews.cfm?task=review&PID=5876
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