Kapitel II Die Entstehungsgeschichte der konkreten (dialektischen

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Kapitel II
Die Entstehungsgeschichte der konkreten (dialektischen)
Vorstellung über den Anfang
Der Anfang als Erkenntnisprinzip
(Das Allgemeine und die Erfahrung)
In der Neuzeit wurden philosophische und wissenschaftliche Probleme in einer prinzipiell
anderen sozialen und geistigen Atmosphäre behandelt. Während die scholastische Philosophie
sich im Mittelalter von der wissenschaftlichen Naturerkenntnis abkehrte, Versuche und
Experimente mit Verachtung ablehnend, gingen in der Neuzeit grundsätzliche Veränderungen
vor sich. Forschung und Erklärung der Natur, aufmerksame Faktenansammlung und ihre
Verallgemeinerung galten als die wichtigste Aufgabe der sich entwickelnden Wissenschaft.
Bezüglich dieses Problems schrieb F. Engels: „Die gegenwärtige Naturforschung ist das
einzige, was zur wissenschaftlichen, systematischen, allseitigen Entwicklung führte, entgegen
den genialen naturphilosophischen Vermutungen der alten und sehr wichtigen, aber
sporadischen und größtenteils spurlos verschwundenen Entdeckungen der Araber, …beginnt
ihre Zeitrechnung mit der großen Epoche, die wir Deutschen… Reformation nennen…”
Und die Naturforschung ging damals unter den Bedingungen der allgemeinen Revolution vor
sich, und war selbst durch und durch revolutionär: ja, sie sollte sich das Recht auf Existenz
erkämpfen. Zusammen mit den großen Italienern, seit denen die neue Philosophie ihre
Zeitrechnung führt, lieferte sie Märtyrer für Scheiterhaufen und Kerker der Inquisition. Es ist
auch kennzeichnend, dass die Protestanten die Katholiken in der Verfolgung der freien
Naturforschung überbieten. Calvin verbrannte Servet, als jener kurz vor der Entdeckung des
Blutkreislaufes war, und ließ ihn dabei zwei Stunden am lebendigen Leibe schmoren; die
Inquisition begnügte sich wenigstens damit, dass sie Giordano Bruno einfach verbrannte” 1.
Die Renaissance war eine wirklich große Epoche. Sie versetzte der Religion einen gewaltigen
Schlag, wendete das menschliche Denken zur Natur und erklärte sie zum Gegenstand der
Wissenschaft und Philosophie. Für die sich entwickelnde Wissenschaft waren nur die sozialen
Bedingungen ungenügend, aber es war notwendig, eine ausreichende Anzahl von Fakten zur
Verallgemeinerung zu haben. Deshalb ist klar, warum solche Wissenschaften wie
Mathematik, Mechanik, die noch in der alten Welt dank der Schöpfungskraft von Euklid,
Archimedes u.a. entstanden waren, eine schnelle Reife erreichten. In dieser Epoche begannen
sich die entsprechenden Wissenschaften im Ergebnis der kreativen Bemühungen von
Kopernikus, Kepler, Galilei und im Zusammenhang mit den Bedürfnissen der sich
entwickelnden materiellen Produktion herauszubilden. Seit dieser Zeit begann tatsächlich die
wirkliche Entstehungsgeschichte der Wissenschaft, die wahre Erforschung der Natur und der
Fakten.
Eben dieser ideologische Kampf, die sozialhistorische Situation waren der Ausgangspunkt der
Philosophie von Bacon und Descartes. Sie beide erarbeiteten tiefschürfend den Begriff des
Anfangs, hauptsächlich in Zusammenhang mit der Erforschung des Anfanges in der
Wissenschaft und Erkenntnis. Wenn die alte Philosophie die Kategorie des Anfanges
hauptsächlich als Anfang des Seienden betrachtete, d.h. aus ontologischer Sicht, so wird
dieser Begriff in der Neuzeit immer mehr im Zusammenhang mit der Analyse der Natur der
Erkenntnis untersucht. Um diese Zeit wird zwar die ontologische Behandlung des Problems,
die Analyse und Erforschung des Anfangs des Seienden nicht unterbrochen, aber die
Fragestellung und ihre Lösung nehmen einen einigermaßen spezifischen Charakter an.
Die Philosophen der Neuzeit beschäftigen sich zum Unterschied von den alten nicht
unmittelbar mit der Aufdeckung des Anfangs des Seienden und der Welt, sondern sie
konzentrieren ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die Begründung und Ableitung dieser
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Anfänge (Gott, Substanz) von näher liegenden erkenntnistheoretischen Prinzipien. Eben
deshalb bekamen die Fragen nach dem Anfang von Wissenschaft und Erkenntnis der Neuzeit
eine vorrangige Bedeutung.
In der alten Philosophie entstanden vor allem Schwierigkeiten in ontologischer Beziehung.
Die Philosophen der Neuzeit lösten dieses Problem nicht, weil sie metaphysisch an die Sache
herangingen. In der neuen Philosophie entstanden auch andere Schwierigkeiten in der
Auffassung des Anfangs in Zusammenhang mit der Frage nach dem Anfang der Erkenntnis.
Vorwiegend bekämpften sich hier die Vertreter des Rationalismus und des Empirismus. Wenn
die Rationalisten die Quelle des menschlichen Wissens in den Begriffen, in den angeborenen
Prinzipien sehen, so finden sie die Empiriker in der unmittelbaren Erfahrung.
Die führenden Theoretiker des Rationalismus Descartes, Spinoza und Leibniz behaupteten
im Gegensatz zu den Empirikern, dass die Empfindung keine Quelle des wahren Wissens sein
kann. Aus der Sicht des Rationalismus ist die Quelle der wahren Erkenntnis die reine
Selbstbetätigung des Subjektes, d.h. die Vernunft. In ihrer Gnoseologie weisen sie nicht auf
den Entstehungsprozess der Ideen, der Begriffe hin. Die letzten nehmen sie direkt als fertige
Begriffsbestimmungen wie zum Beispiel Substanz, Unendlichkeit, Ausdehnung usw.
Nach Descartes war der Grundmangel der vorigen Philosophie und Wissenschaft das Fehlen
sicherer und unbedingt wahrer Anfänge. Viele Prinzipien und Grundsätze, mit denen sie
begannen und auf die sie sich bei der Errichtung des wissenschaftlichen Gebäudes stützten,
waren nicht direkt wahrheitsgetreu. „Aber keine Schlussfolgerung”, schrieb Descartes, „die
aus einem unklaren Anfang abgeleitet wurde, kann nicht offensichtlich sein, obwohl diese
Schlussfolgerung daraus ganz unbestritten abgeleitet wurde. Hieraus folgt, dass keine
Schlussfolgerung, die auf ähnlichen Anfängen basiert, zur zuverlässigen Erkenntnis
irgendeiner Erscheinung führen konnte, und dass sie uns folglich um keinen einzigen Schritt
auf der Weisheitssuche weiter voranbringen kann” 2.
Descartes maß der Klarheit und Offensichtlichkeit des Anfangs in der Philosophie und in der
ganzen Wissenschaft eine große Bedeutung bei. Die wahren Grundlagen des Wissens sollen
wir seiner Meinung nach in denjenigen Prinzipien sehen, die nicht mittelbare, sondern
unmittelbare Kenntnisse beinhalten, und ihrem Charakter nach nicht wahrscheinliche, sondern
absolute Wahrheiten sein sollen. Diese sicheren Kenntnisse sind für die Beweisführung vieler
Erscheinungen ausreichend. Jede Auseinandersetzung zwischen Wissenschaft und Realität
entsteht aus dem Fehlen solcher wahren Kenntnisse. Das Ideal der Wissenschaft sah er in
Arithmetik und Geometrie, deren Rolle darin bestand, dass man in ihnen von einfachen und
klaren Prinzipien ausgeht. Alle Wissenschaften, darunter auch die Philosophie, können ihren
Leitsätzen den Charakter des Allgemeinen geben, wenn sie den Methoden dieser
Wissenschaften folgen werden. Wie Spinoza ganz genau bemerkte, glaubte Descartes: „Wenn
er imstande wäre, klar und deutlich einfache Ideen wahrzunehmen, so könnte er zweifelsohne
ebenso klar und deutlich alle anderen Ideen verstehen, die aus diesen einfachen bestehen” 3.
Descartes war tief davon überzeugt, dass jedes Wissen, das nicht auf solchen Prinzipien und
Anfängen beruht, nur wahrscheinlich, aber nicht wirklich sein kann. Die Kenntnisse haben
nur deshalb irgendeinen Wert, weil sie auf unmittelbar sicheren Kenntnissen und Grundlagen
ruhen, die uns unbedingt zu wahren Zielen führen. Wer bei der Begründung der Wissenschaft
falsche Anfänge nutzt, ähnelt dem Wanderer, der sich mehr und mehr vom Ziel entfernt. Der
Philosoph maß einen enorm großen Wert seinem Ausgangsprinzip bei. „Die Anfänge”,
schrieb er, „die ich in diesem Buche anbiete, sind die echten Anfänge, mit deren Hilfe man
die höchste Stufe der Weisheit erreichen kann” 4. Weiter weist Descartes auf die wichtigsten
Kriterien dieser Anfänge hin: „Diese Anfänge sind durchaus klar, und zweitens, man kann aus
ihnen alles Übriggebliebene ableiten; außer diesen zwei Bedingungen braucht man für die
Anfänge keine anderen” 5.
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Das descartessche Verständnis des Anfanges spielte in der neuen Philosophie eine große
Rolle, es wurde in der Philosophie vieler Rationalisten beträchtlich weiter entwickelt. In der
Lehre von Descartes wird der Begriff des Anfangs vor allem als absolut zuverlässiger,
unmittelbar vollständig unableitbarer und unverkennbarer Grundsatz der Wissenschaft. Wenn
der Anfang ableitbar wäre, so wäre er nicht unbedingt einfach und klar, denn ein anderer
Grundsatz existierte in diesem Fall, der noch primärer wäre als dieser. Deshalb müssen die
Anfänge der Wissenschaft wahrhaftig primär sein. Aus diesem Grunde meinte Descartes, dass
der intuitive Erkenntnisakt wahrheitsgetreuer ist als die Deduktion, weil man mittels der
Intuition direkt einfache, klare und deutliche Wissenschaftsprinzipien beobachten kann.
Das Resultat der Intuition charakterisierte Descartes als den durch das Licht der Vernunft
natürlich geborenen „Begriff des klaren und aufmerksamen Geistes, dermaßen einfach und
klar, dass er keinen Zweifel daran aufkommen lässt, dass wir denken” 6. Den großen Wert der
Intuition sah er darin, dass Prinzipien und Grundsätze der Wissenschaft erst durch die
Intuition erkennbar sind, aber die daraus unmittelbar fließenden Grundsätze und Folgen
können sowohl durch die Intuition als auch durch die Deduktion erkannt werden. „Die sich
unmittelbar aus dem ersten Prinzip ergebenden Grundsätze, kann man sagen, lassen sich auf
dem intuitiven und deduktiven Wege im Zusammenhang mit ihrer Behandlungsart erfassen,
die Prinzipien selbst können jedoch nur auf dem intuitiven Wege, sowie umgekehrt, ihre
Einzelfolgen nur deduktiv erkannt werden” 7.
Wenn der Philosoph die Wichtigkeit der Intuition durch die Notwendigkeit der Erkenntnis des
Ausgangsprinzips der Wissenschaft begründet, so erläutert er die Deduktionsnotwendigkeit
dadurch, dass „es viele Erscheinungen gibt, die zwar nicht augenscheinlich sind, aber einer
zuverlässigen Erkenntnis offen stehen, wenn sie nur aus richtigen und verständlichen
Prinzipien durch den stufenartigen und ununterbrochenen Gedankenlauf bei scharfer Intuition
jedes Einzelgrundsatzes abgeleitet werden” 8.
Nach Descartes ist der Grundanfang nicht nur etwas Einfaches und Offenkundiges, sondern
noch etwas Absolutes. Nur das Absolute, nach seiner Meinung, enthält in sich die unbedingte
Klarheit und Einfachheit. Das Relative versteht er jedoch als etwas, was manches
Gemeinsame mit dem Absoluten hat, wodurch es mit dem Absoluten zusammengebracht und
daraus abgeleitet werden kann, der bekannten Regel folgend.
Die Hauptaufgabe der Wissenschaft sah Descartes darin, dass man vom Relativen ausgehend,
das Absolute erreicht, woher dann alle Grundsätze der Wissenschaft stufenweise abgeleitet
werden. Er war der Meinung, dass solche absolute, klare und verständliche Begriffe in der
Wissenschaft und Philosophie sehr rar sind. Sogar viele Grundsätze der Mathematik können
einer scharfen Kritik nicht standhalten. Deshalb ist es notwendig, sie gründlich zu fixieren.
Sie sind die einfachsten in jeder Reihe. „Alle anderen können wir nicht anders erkennen”,
schrieb Descartes, „als durch Ableitung aus diesen Dingen entweder unmittelbar und direkt,
oder durch zwei-drei verschiedene Schlüsse…, deren Anzahl auch fixiert werden sollte, um
zu wissen, um wie viele Stufen sie vom ersten einfachsten Grundsatz entfernt sind” 9.
Descartes betonte auch die Notwendigkeit einer gut durchdachten Methode bei der richtigen
Feststellung von Prinzipien der Wissenschaft. „Unter der Methode”, schrieb er „verstehe ich
präzise und einfache Regeln, deren strenge Einhaltung immer die Annahme des Falschen
anstelle des Wahren verhindert, ohne unnötigen Verbrauch der Denkkräfte, aber allmählich
und ununterbrochen die Kenntnisse erweiternd, trägt sie dazu bei, dass der Verstand die wahre
Erkenntnis von allem erreicht, was ihm zugänglich ist” 10. Die wichtigste Bedingung des
vollkommenen Wissens, ist seiner Meinung nach die theoretische Methode, die hilft, die
Intuition und Deduktion richtig anzuwenden. In der Erkenntnis ist die Methode ebenso
notwendig wie der Faden von Theseus für jeden, der das Labyrinth durchdringen will.
Deshalb wäre es besser, überhaupt nicht zu forschen als zu forschen ohne Methode, weil der
Mensch, der die Methode vernachlässigt, demjenigen ähnlich ist, „der versucht, mit einem
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Satz vom Boden aus das Hausdach zu erreichen, die Leiterstufen verachtend, die diesem
Zweck dienen” 11.
Eine wichtige Aufgabe der Methode besteht nach Descartes in der Herausarbeitung des
einfachen, absoluten Prinzips der Wissenschaft. Wir folgen streng der Methode, wenn wir die
dunklen und verworrenen Behauptungen der Wissenschaft auf einfache und klare reduzieren,
und erst dann bemühen wir uns, von den einfachsten Prinzipien der Intuition ausgehend, zur
Erkenntnis aller anderen stufenweise emporzusteigen. Er schrieb: „…Man muss mit den
einfachen und leichten Gegenständen beginnen und niemals zu den anderen übergehen,
solange ich nicht einsehe, dass ich daraus nichts mehr schöpfen kann” 12.
Die Vorteile der mathematischen Wissenschaft sieht der Philosoph darin, dass die
theoretische Methode eine längere Zeit in ihr spontan angewandt wurde. Descartes war davon
überzeugt, dass die Methode ihre weitere Entfaltung in allen Wissenschaften, insbesondere in
der Philosophie, findet. Er maß der Aufdeckung des bedingungslos Zuverlässigen eine sehr
große Bedeutung in der philosophischen Wissenschaft bei, die „die ersten Anfänge der
menschlichen Denkweise in sich beinhalten und ihre Aufgaben der Wahrheitsgewinnung in
Bezug auf einen beliebigen Gegenstand ausstrecken soll. Offen gestanden bin ich davon
überzeugt, dass sie allen anderen Wissensarten, die uns Menschen zur Verfügung stehen,
bevorzugt werden soll, denn sie ist ihre Quelle”13.
In seiner berühmten „Abhandlung über die Methode” formulierte er vier Grundregeln der
Methode, die sich nach seiner Meinung prinzipiell von den alten Grundsätzen der
scholastischen Logik unterscheiden, und die den Grundinhalt des neuen methodologischen
und logischen Prinzips der Naturforschung ausmachen.
Die erste Regel: niemals etwas als wahr anzunehmen, was nicht klar als solches erscheint; und
in die Urteile nur das aufnehmen, was sich so klar und bestimmt darbietet, dass es keine
Veranlassung gibt, es in Zweifel zu ziehen.
Die zweite Regel: jede der Schwierigkeiten in so viele Teile zu zerlegen als es nur möglich
und erforderlich ist, um sie in der besten Weise aufzulösen.
„Die dritte Regel: sich an eine bestimmte Ordnung der Gedanken zu halten, bei den
einfachsten und am leichtesten zu erkennenden Gegenständen beginnen, um nach und nach
bis zur Erkenntnis der zusammengesetzten aufzusteigen, und sogar dort eine Ordnung
voraussetzen, wo die Denkobjekte nicht in der natürlichen Weise aufeinanderfolgen”14.
Endlich die letzte Regel: überall so vollständige Aufzählungen und so allgemeine Übersichten
anzustellen, dass man sicher sein kann, nichts ausgelassen zu haben.
Die Ausarbeitung einer rationellen Methode hat jedoch für Descartes eine untergeordnete
Bedeutung. Er strebte danach, alle Regeln in der Philosophie auf der Suche nach dem
bedingungslosen Anfang zu realisieren, woher alle anderen Wissenschaften ihre Prinzipien
entlehnen werden. „Aber unter Berücksichtigung dessen, dass alle Prinzipien der
Wissenschaften der Philosophie entlehnt werden sollen, wo ich noch keine sicheren
Prinzipien herausfand, meinte ich, dass diese vor allem eben in ihr festgestellt sein müssen” 15.
Der Ausgangspunkt der Philosophie von Descartes bildet das Prinzip: alles zu bezweifeln.
Um den absolut sicheren Anfang zu finden, muss man, seiner Meinung nach, alles in der
sinnlichen und gedanklichen Erkenntnis bezweifeln, dem Zweifel alles Geistige und
Materielle aussetzen, sogar das eigene Sein und das Sein der mathematischen Wahrheiten.
Der Descartessche Zweifel unterscheidet sich jedoch grundsätzlich vom Skeptizismus, der
sich keine anderen Ziele hat, als den Zweifel selbst, der aber nur den Sinn hat, dass wir jedes
Vorurteil, jede Voraussetzung ablehnen müssen, die unmittelbar als wahr angenommen
werden, sondern wir müssen mit dem Denken beginnen, um etwas Festes zu erreichen und
den wahren Anfang zu erlangen.
Um dieses Ziel zu erreichen, so Descartes, muss man sich in erster Linie von allen Meinungen
befreien, „die auf Treu und Glauben angenommen werden, und alles von Anfang an, von
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Grund auf beginnen”16. Dabei ging er davon aus, dass er in seinem Leben mehrmals auf
falsche Meinungen stieß, die auf unzuverlässigen Grundlagen errichtet waren. Den
allgemeinen Zweifel brauchte er, um das Unzweifelhafte und Wahrheitsgetreue im Wissen
aufzudecken.
Um dieses Prinzip folgerichtig durchzuführen, ist es nicht notwendig, alle Meinungen und
Sätze zu kritisieren, es genügt, sich in den Grundlagen zurechtzufinden. „Da die Zerstörung
des Fundamentes unausweichlich zur Ruinierung des ganzen Gebäudes führt, so werde ich
meinen Angriff direkt auf die Prinzipien richten, auf denen früher alle meine Meinungen
basierten”17.
Im Ergebnis solch eines allgemeinen Zweifels will Descartes zum bedingungslos
glaubwürdigen Gedanken kommen, dessen Existenz nicht abgestritten werden kann. Den
radikalen Zweifel an allem voraussetzend und real angenommen, dass weder Himmel, noch
Gott, noch Erde, noch wir selbst existieren, „…immerhin können wir nicht voraussetzen, dass
wir nicht existieren, indem wir die Wahrheit all dieser Dinge bezweifeln”18.
Nach Descartes ist der Grundsatz: „Ich denke, also bin ich” die sicherste Grundlage aller
wahren Erkenntnis. In den „Grundlagen der Philosophie” schrieb er: „Ich denke, also bin ich,
ist wahr, deshalb ist es die erste und die sicherste aller Schlussfolgerungen, die jedem
erscheinen, der methodisch richtig seine Gedanken ordnet” 19.
Der Philosoph war davon überzeugt, dass es durch den umfassenden Zweifel unmöglich ist,
wahrheitsgetreue, klare und unverkennbare Grundlagen der Wissenschaft fallen zu lassen.
Eben darin liegt die Anerkennung dessen, dass das Zweifelnde existiert. „Die Existenz dieses
Bewusstseins nahm ich für den ersten Anfang an, woraus ich die Folge vollkommen klar
ableitete” 20.
Descartes schätzte die Grundlagen seiner Philosophie sehr hoch ein. Er schrieb: „dass es
unnötig ist, nach anderen, außerhalb meiner Anfänge zu suchen, um die höchsten Kenntnisse,
die dem menschlichen Verstand zugänglich sind, zu erreichen”21. Er war davon überzeugt,
dass er die absolute, glaubwürdige Wahrheit entdeckt hatte, aufgrund derer man alles wirklich
Existierende mit mathematischer Exaktheit erklären kann. Die reale Existenz desjenigen, der
denkt, bleibt nach Descartes eine nicht zu beseitigende Tatsache”. „Gut nachgedacht und alles
sorgfältig abgewogen”, schrieb Descartes, „muss man zur Schlussfolgerung gelangen und als
zuverlässig anerkennen, dass der Leitsatz „Ich bin, ich existiere” jedes Mal unausweichlich
ist, sobald ich ihn ausspreche oder mit meinem Verstand erfasse”22.
Der Philosoph unterzog den Leitsatz „Ich bin, ich existiere” einer tiefschürfenden logischgnoseologischen Analyse. Nach seiner Meinung ist es methodologisch falsch, das „Ich” durch
die nächste Art, d.h. durch den Begriff „Tier”, wie es in der aristotelischen Logik behandelt
wurde, zu bestimmen, weil der Begriff „Tier” selbst eine Klärung und Präzisierung braucht.
Solch eine Begriffsbestimmung charakterisiert Descartes als eine Bestimmung des
Unbekannten durch das Unbekannte. Diese Kritik des alten Bestimmungsprinzips hatte in
seiner Zeit eine völlig positive Bedeutung, weil ihre Spitze gegen Formalismus und
Scholastik in der Begriffsbestimmung gerichtet war. Descartes beschränkt sich nicht auf der
Kritik des alten Bestimmungsprinzips, sondern wandte sein logisch-gnoseologischen Prinzip
auf die wahre Bestimmung der Begriffsnatur an.
Nach Descartes ist das „Ich” in erster Linie eine Einheit vielfältiger Eigenschaften, eben das,
was Leib, Seele, Gefühle und Gedanken hat. Um den Gegenstand zu verstehen, meinte er, ist
es notwendig, ihn so gründlich wie möglich zu analysieren. Bei der Realisierung dieser
Forderung stellt es sich heraus, dass weder der Gang, noch das Essen, noch das Fühlen auf
Grund der Untrennbarkeit vom Leib zur eigentlichen Natur von „Ich” gehört. Man kann ganz
sicher an deren Existenz zweifeln. Deshalb ist nur „das Denken”, schrieb Descartes, „das
Attribut, welches mir gehört: es kann von mir nicht abgetrennt werden. Ich bin, ich existiere,
das ist ganz echt”23.
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Descartes als Rationalist betonte auch den Vorzug des Denkens, der intellektuellen Intuition
bei der Erkenntnis. Interessant ist sein Beispiel mit dem Wachsstück, das eben erst vom
Bienenstock geholt wurde. Es hat noch nicht seine sinnlichen Merkmale, Farbe, Form usw.
verloren. Wenn man es aber dem Feuer näher bringt, so verliert es naturgemäß diese
Merkmale. Niemand wird jedoch bezweifeln, dass das Wachs erhalten geblieben ist, trotz des
Verlustes der Honigsüße und des Blumendufts. Das letzte ist der sinnlichen Vorstellung
unzugänglich. „Ich bin nicht imstande”, schrieb Descartes, „das Unendliche durch meine
Vorstellungskraft zu erfassen; folglich entstand auch mein Wachsbegriff nicht durch meine
Vorstellungsfähigkeit”24. Somit kann die Vorstellungskraft die Verwandlung eines Dings in
eine andere Form auffangen, wenn die Sinnesorgane nur einzelne Merkmale der Gegenstände
erfassen. Das unendliche Wesen eines Gegenstandes ist nur im Begriff erkennbar.
„Man muss zugeben”, schrieb Descartes, dass ich nicht imstande bin, mit meiner Vorstellung
zu erfassen, was dieser Wachsklumpen ist, und dass nur mein Verstand es begreift. Ich
spreche nur über den einzelnen Klumpen, denn alles Vorhergesagte ist in Bezug auf das
Wachs überhaupt noch augenscheinlicher”25. Das Wesen der Dinge wird nicht durch die
Vorstellung erkannt, sondern unmittelbar durch das Denkvermögen erfasst. „Aber, wenn ich,“
schrieb Descartes, „das Wachs von seinen äußeren Formen unterscheide, und es entlarvend im
nackten Zustand betrachte, und wenn auch irgendein Fehler in meinem Urteil vorhanden
wäre, so bin ich selbstverständlich nicht imstande, ihn ohne Hilfe des menschlichen Geistes
zu verstehen”26.
Descartes begnügte sich nicht mit der Feststellung des Ausgangspunktes, des klaren und
durchsichtigen Erkenntnisprinzips, sondern stieg von ihm aus zu den „wahren Gründen” aller
körperlichen und geistigen Dinge empor. Dabei meinte er, dass wir eine Ideenvielfalt,
darunter auch die Idee eines vollkommenen Wesens, besitzen. Die Entstehungsursache vieler
dieser Ideen ist der Mensch selbst, aber er ist keinesfalls die Ursache der Gottesidee, eines
vollkommenen Wesens, denn das weniger Vollkommene kann nicht die Ursache eines mehr
Vollkommenen sein. Zum Anfangsgrund, nach Descartes, gehört die größere Realität als zur
Folge. Das Sein eines vollkommenen Wesens ist von seiner Existenz untrennbar.
In der descartesschen Philosophie unterscheidet sich der Leitsatz „ich denke” grundsätzlich
von dem wahren Anfang alles Leiblichen und Gedanklichen. Die Forschung mit dem
unmittelbar Glaubwürdigen zu beginnen, ist ein bestimmtes theoretischer Verfahren, um
weiter zum „wahrem Anfang” aufsteigen zu können.
Als wahrer Anfang tritt bei Descartes die Gottesidee, die absolut notwendig ist und ewig
existiert. Nach ihm wäre es gegen jede Vernunft, diese Idee als Hirngespinst oder Fiktion zu
betrachten, denn den Ideen gehört desto mehr Realität, je objektiver die Vollkommenheit
gehört ihren Ursachen ist. Der Philosoph denkt etwa so: in uns, in unserem Bewusstsein
finden wir die Idee eines vollkommenen Wesens. Deshalb sind nicht wir die Quelle all dieser
Vollkommenheit, sondern Gott, der real existiert.
Descartes hob hervor, dass wir nicht nur nicht die Ursache der Gottesidee, sondern auch nicht
die Grundursache für uns selber sind, denn daraus, dass wir in dieser Zeit existieren, folgt
nicht unsere Existenz in der Zukunft. Nur das vollkommene Wesen, Gott, ist solch eine wahre
Grundursache. Wären die Menschen der Grund ihrer selbst, so besäßen sie alle
Vollkommenheiten. In Wirklichkeit haben sie sie nicht. Diese Vollkommenheiten, so
Descartes, sind nur Gott eigen, und er ist der Grund alles Seienden.
Somit ist uns die Logik von Descartes klar. Im Laufe der Erkenntnis bringt er das
bedingungslos glaubwürdige Wissen an den Tag („Ich denke, also bin ich”), dann aber kommt
er durch Reduktion zum wahren Anfang alles Seienden, von dem alle materiellen und
geistigen Dinge abhängen. Wer den wahren Anfang, Gott, erkennt, der erkennt alle seinen
Attribute. „Wenn ich über mich selbst nachdenke”, schrieb Descartes, „so erkenne ich klar
meine Unvollkommenheit, und dadurch wird mir auch bewusst, dass der, von dem ich mich in
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Abhängigkeit befinde, nicht nur unbestimmt und potentiell alle großen Dinge, nach denen ich
strebe, und die Ideen, die in mir liegen, besitzt, sondern sie auch aktuell und tatsächlich
unendlich gebraucht, der ist folglich Gott” 27.
Im Laufe der Analyse der Beziehung des „vollkommenen Wesens” zu den endlichen
materiellen und geistigen Dingen, offenbarte sich das descartessche Verständnis der
Kausalität ganz deutlich. „So wie die objektive Existenzart”, schrieb Descartes, „den Ideen
kraft ihrer eigenen Natur gehört, gehört ebenso die formale Art und Weise der Existenz zu
den Ursachen dieser Ideen (mindestens den ersten und wichtigsten) kraft ihrer eigenen Natur.
Es kann zwar sein, dass eine Idee eine andere nach sich zieht, das kann aber nicht bis zur
Unendlichkeit fortdauern. Schließlich muss man an die erste Idee gelangen, deren Ursache als
Urbild angenommen werden könnte, oder als Original, das formal und richtig alle Realität
oder Vollkommenheit in sich birgt” 28.
Das descartessche Verständnis der Kausalität ist im Grunde genommen mechanistisch, denn
die Ursache-und-Folge-Beziehung betrachtet dieser Philosoph als gleichbedeutend, d.h. in der
Folge gibt es nichts, was in der Ursache früher nicht war. Deshalb gilt als Grundursache das,
was die ganze Realität formal und tatsächlich in sich enthält. Descartes versteht nicht das
Prinzip der Entwicklung. Infolgedessen behandelt er den Anfang und seine Erscheinungsform
als identisch. Aus diesem Grunde unterscheidet sich die descartessche Deduktion nicht von
der inhaltsreichen Deduktion, wo der Anfang als etwas Allgemeines und Abstraktes
behandelt wird und wo seine Verbindung mit den Erscheinungsformen nicht unmittelbar ist,
sondern durch das Besondere realisiert wird. Die descartessche Philosophie analysiert
tiefschürfend die Beziehung des bedingungslosen Anfangs zu den erschaffenen Dingen. Zum
Unterschied von den erschaffenen Dingen besitzt Gott als der wahre Anfang alle
Vollkommenheiten, er ist nicht übergroß, nicht leiblich, besteht nicht aus Einzelheiten. Die
ganze Vielfalt der leiblichen und gedanklichen Dinge wird unmittelbar nicht auf Gott
zurückgeführt, sondern gruppiert sich anfangs um die Substanz der Größe und Vernunft.
Wenn das Wahrnehmen, die Aufregung, das Gedächtnis zur gedanklichen Substanz gehören,
so zählen Gestalt, Bewegung, Anordnung und Teilbarkeit zur Substanz der Ausdehnung.
Nach Descartes existiert eine Substanz unabhängig von der anderen, zwischen ihnen gibt es
keine Verbindung. Unter der Substanz „können wir”, schreibt Descartes, „nur ein Ding
verstehen, das für seine Existenz nichts braucht als sich selbst”29. Streng genommen gehört
diese Definition nach Descartes nur Gott, alles andere aber hängt von ihm ab. Immerhin
bestimmt der Philosoph das Denken und die Ausdehnung als Substanzen zum Unterschied
von den gewöhnlichen Dingen. Im Folgenden bedarf die materielle und geistige Substanz
keiner Hilfe seitens eines „erschaffenen Dings”. Alle leiblichen und geistigen Dinge werden
auf diese zwei Substanzen, die sich „real” voneinander unterscheiden, zurückgeführt.
Unter dem realen Unterschied versteht Descartes den Unterschied zwischen den Substanzen,
d.h. über eine Substanz kann man unabhängig von den anderen nachdenken. Wenn Gott eine
denkende Substanz mit der leiblichen fester vereinigt hätte, schrieb Descartes, so „blieben
dennoch beide Substanzen real voneinander unterschiedlich, ohne diese Vereinigung zu
berücksichtigen”30. Descartes ließ die Idee der Einheit von Sein und Denken nicht zu. Dieser
Zentralgedanke der Descartesschen Philosophie wurde von Spinoza überwunden, der in seiner
Philosophie die Einheit von Denken und Sein erörterte. Er behandelte sie nicht als
selbständige Substanzen, sondern als Attribute einer und derselben Substanz. Die Lehre des
Spinoza von der Substanz ist eine große Errungenschaft des philosophischen Denkens. Hier
fand die Idee des materiellen Anfangs ihre weitere Entwicklung. Bei Spinoza trat der Anfang
als etwas Allgemeines auf, er ist auch nicht passiv. Die Substanz erscheint als Ursache von
sich selbst. Wenn die Materie der Alten eine wirkende Form verlangt, so benötigt die
Substanz von Spinoza nichts, sie ist der schöpferische Anfang selbst. Dagegen brauchen alle
endlichen Dinge eine Substanz. Die Welt ist zugleich Substanz und Akzidenz.
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Nach Spinoza gibt es keine Vielfalt von Substanzen, es existiert nur eine Substanz, deren
Attribute Denken und Ausdehnung sind. Spinoza lehnt entschieden die Idee von der Vielfalt
der Ideen ab. Aber was stellen einzelne Dinge dar? In ihrer Einzelheit können sie nicht eine
Substanz sein, weil die Substanz einzig ist; sie können auch ihre Attribute nicht sein, weil
Attribute ihrem Begriffe nach, der allgemeine Inhalt aller gleichartigen Dinge sind. Daher
betrachtet Spinoza einzelne Dinge als Modi der Attribute.
Spinoza definiert die Substanz so: „Unter der Substanz verstehe ich das, was allein für sich
existiert und sich durch sich selbst bestimmt, d.h. das, dessen Darstellung kein anderes Ding
benötigt, woraus es sich entwickeln könnte”31. Diese Definition ist die allgemeine
Charakteristik des absolut Seienden. Aus der Substanzdefinition von Spinoza folgt: erstens,
dass sie in jeder Beziehung unendlich ist. Wäre die Subsanz eingeschränkt, so würde sie
durch etwas anderes bestimmt, was ihrer Bestimmung widerspricht. Und daraus folgt,
zweitens, dass die Substanz, ihre eigene Realität in sich einschließend, nur einzig sein kann.
Diese unendliche Substanz nennt Spinoza Gott oder Natur. Er bestimmt auch die Attribute der
Substanz. „Unter dem Attribut”, schrieb Spinoza, “verstehe ich, dass der Verstand in der
Substanz ein Bestandteil ihres Wesens ist”32. Unter so einem Inhalt der Substanz versteht man
Denken und Ausdehnung. Wenn Descartes diese Bestimmtheiten als Substanzen behandelte,
so führte Spinoza sie auf den Begriff wahrhaft-allgemeine Einheitssubstanz zurück. Modi
bestimmt er als Zustände der einheitlichen Substanz, d.h. als etwas, das in dem anderen
existiert und durch das andere dargestellt wird.
In der Philosophie von Spinoza wird nur die Substanz als das bedingungslos Seiende
behandelt. Die Vielfalt der natürlichen Dinge wird als Spielarten und Modifikationen der
Substanz betrachtet. Da nichts außerhalb der Substanz existiert, so fließt alles, was sie
hervorbringt, notgedrungen aus ihrer eigenen Natur heraus. Aber darauf beschränkt sich die
spinozistische Philosophie nicht. Man muss noch nachweisen, auf welche Weise aus der
inneren Natur der Substanz die Vielfalt ihrer Erscheinungsformen von einzelnen Dingen
erfolgt. Nach Spinozas Überzeugung erscheint eine unendliche Zahl von Modi aus der
unendlichen Natur der Substanz. Diese Behauptung ist aber nicht ganz klar, denn sie nimmt
nur die mannigfaltige Existenz an, erklärt sie aber nicht. Es handelt sich um folgendes: wenn
man die Existenz der endlichen Dinge anerkennt, die in sich keinen Grund ihrer eigenen
Existenz besitzen, so setzen sie dabei zweifellos eine Substanz voraus und fließen aus ihrer
Natur. Aber die Aufgabe besteht nicht einfach in der Erklärung der Tatsache der Existenz von
endlichen Dingen, sondern in ihrer genetischen Ableitung. Der Natur der Substanz folgt aber
nicht die vielfältige und endliche Existenz. Und wenn Spinoza das Gegenteil behauptet, so
macht er das deshalb, weil er solch eine Existenz in der empirischen Wirklichkeit findet.
Somit konnte Spinoza das Prinzip des Historischen in der Substanz nicht erreichen. Deshalb
meinte Hegel, dass die Überwindung der Abstraktheit der spinozistischen Konzeption in der
Steigerung seines Prinzips bis zum Begriff der Substanz, zum Objekt liegt.
Der rationalistische Begriff des Erkenntnisanfangs wurde einer gründlichen Kritik in der
Philosophie von Locke unterzogen, der, nachdem er die Schwäche des rationalistischen
Prinzips nachgewiesen hatte, seinerseits die Grundthese des englischen Empirismus über die
Herkunft aller Kenntnisse aus der Empfindung begründete.
Die Lehre von Locke beginnt mit der Kritik der rationalistischen Theorie der angeborenen
Ideen. Auf Grund zahlreicher Tatsachen bewies Locke die Unzulänglichkeit dieser Theorie.
Nach seiner Meinung sind Empfindungen und Reflexionen die einzige Quelle unserer
Kenntnisse. Die konzentrierteste Untersuchung des ganzen Vorrats unserer Kenntnisse ist
nicht imstande, eine einzige Spur der Ideen, die sich aus anderen Quellen entwickelten, zu
entdecken. Ungeachtet dessen, dass der Hinweis auf die zweite Quelle unserer Erkenntnis ein
gewisser Rückzug von den Positionen des konsequenten Sensualismus ist, hatte die Lehre
Lockes von der sinnliche Herkunft des menschlichen Wissens eine große Bedeutung in der
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Geschichte der Philosophie. Den ganzen Inhalt des menschlichen Wissens betrachtete Locke
aus der Sicht seines Grundprinzips: „Im Intellekt gibt es nichts, was in der Empfindung nicht
gewesen wäre”.
Locke beschränkt sich nicht auf die Begründung der Frage nach dem sinnlichen Ursprung
unserer Kenntnisse, sondern untersuchte und unterzog zahlreiche Begriffe einer kritischen
Analyse. Da kam aber seine empirische Beschränktheit an den Tag, denn in Bezug auf die
kognitive Bedeutung einiger Gemeinbegriffe und Ideen fiel er in Agnostizismus.
Gemeinbegriffe und Ideen drücken nach Locke nicht die Macht des menschlichen Geistes aus,
sondern zeugen eher von seiner Schwäche. Zur Behandlung dieser Frage ging er von dem
Standpunkt des Nominalismus aus, den objektiven Gehalt der Gemeinideen verneiend. All
diese Ideen, nach Locke, entsprangen dem Verstand, und deshalb entspricht ihnen nichts in
der Wirklichkeit.
Locke kritisierte scharf die Idee der Substanz. Lockes Lehre von der Substanz ist
widerspruchsvoll, weil er, einerseits, in den Dingen ihre „Stütze” sieht, andererseits, die
Gesamtheit von Eigenschaften als Gattungswesen anerkennt. Das erste nennt er das
Unbekannte, das Unerkennbare, das zweite – das Zugängliche, das Erkennbare. Das Fehlen
der dialektischen Sicht führte Locke soweit, dass er die Erkennbarkeit der realen Substanz
verneinte. Locke wollte hartnäckig jenen Umstand nicht verstehen, dass das Wesen und die
Erscheinung gemeinsam auftreten, das Wesen erscheint, die Erscheinung ist wesentlich.
Auf die weitere Entwicklung der Philosophie hatte die Gnoseologie von Locke einen
zweifachen Einfluss. In ihr nehmen ihren Anfang die französischen Materialisten, einerseits,
Berkeley und Hume, andererseits. Der letzte, das skeptische Zurückweichen von Locke
konsequent entwickelnd, übte idealistische Kritik an der Kausalitätstheorie. Nach Hume
entspricht der Kausalverbindung in der Wirklichkeit nichts als eine Aufeinanderfolge der
Erscheinungen, und die scheinbare Allgemeinheit und Notwendigkeit der Kausalität ist nur
mit der subjektiven Gewohnheit des Menschen verbunden, die Aufeinanderfolge von
Erscheinungen und die Kausalverbindung zwischen ihnen zu identifizieren.
Hume verneinte die Möglichkeit der Urteile, die unsere Kenntnisse erweitern und zugleich
eine allgemeine und notwendige Bedeutung haben. Nach seiner Meinung erweitert die
Erfahrung unser Wissen, verleiht ihm aber nicht den Charakter der Allgemeinheit und der
Notwendigkeit. Das Wissen, das eine allgemeine und notwendige Bedeutung hat, gehört nur
der Vernunft und besitzt demzufolge nur analytischen Charakter. Hume verneinte entschieden
die Allgemeinheit und Notwendigkeit der Kategorien in der Philosophie und dadurch auch
ihren Erkenntniswert.
Wenn die Rationalisten als Anfang das Allgemeine, den Begriff betrachten, so konzentrieren
die Vertreter des Empirismus ihre Aufmerksamkeit auf das Sinnliche und Einzelne. Jede Seite
rückt einseitig entweder das Allgemeine oder das Einzelne in den Vordergrund. Deshalb
stoßen beide auf unüberwindliche Schwierigkeiten bei der Lösung von Problemen der
Erkenntnistheorie. Es handelt sich darum, dass das Wissen, der Begriff keine Summe von
Tatsachen, sondern etwas qualitativ Bestimmtes ist. Das bedeutet, dass jedes neue Wissen
eine Einheit von analytischen und synthetischen Momenten ist, es erweitert nicht nur unsere
ehemaligen Kenntnisse, sondern verleiht ihnen den Charakter des Allgemeinen. Im Grunde
genommen sind alle realen Ergebnisse der Wissenschaft, wie zum Beispiel die Grundsätze der
Euklidischen Geometrie und die der Newtonschen Physik, eben solcher Art. In der Geschichte
der neuen Philosophie konnten sowohl Empiriker als auch Rationalisten die Möglichkeit
solch eines theoretischen Wissens, das imstande wäre, sich zu erweitern und zugleich eine
allgemeine Bedeutung zu haben, nicht befriedigend erklären.
Die Rationalisten verstehen die Herkunft des Wissens analytisch, indem sie das Allgemeine,
den Begriff als Anfang vorbringen. Nach ihrer Auffassung gibt es in der Folge nichts, was
früher in der Basis nicht gewesen wäre. Zwischen Anfang und Form, Ursache und Wirkung
47
gibt es eine eindeutige Beziehung. Infolgedessen ist das Wissen, obwohl es in sich das
Allgemeine und das Notwendige enthält, nicht im Stande, das vormalige Wissen zu erweitern.
Das Moment des synthetischen Wissens können Empiriker leicht erklären, wobei sie direkt
vom Einzelnen und der sinnlichen Herkunft unseres Wissens ausgehen. Aber sie sind nicht
imstande, die Allgemeinheit und die Notwendigkeit des menschlichen Wissens rational zu
verstehen. Deshalb verneinen sie die Objektivität
der logischen Formen, der
Kausalitätstheorie, der Substanz. Eben deshalb waren Empiriker nicht im Stande, jene reale
Tatsache zu verstehen, die seit Platon bekannt war, dass in der Gesellschaft Formen und
Systeme der gegebenen Beziehungen und Normen bestehen, die unabhängig von einzelnen
Individuen existieren. Jedes Individuum hat in seiner praktischen Tätigkeit mit diesen Formen
zu tun, es eignet sich den Inhalt dieser Kategorien an und gebraucht sie. Aber diese Formen,
die Wesensart des allgemeinen theoretischen Wissens werden nicht auf die Empfindungen,
Wahrnehmungen eines einzelnen Menschen sowie eines Kollektivs zurückgeführt.
Freilich beseitigt das nicht die Tatsache, dass der Mensch auch durch seine Empfindungen
und Kontemplation die Welt erkennt. Aber die Empiriker übertreiben die Rolle des letzten.
Das Ideal der Philosophie des Empirismus ist die reine Kontemplation, die nach Möglichkeit
rein von den logischen Formen sein muss. Die Aktivität des menschlichen Denkens behandelt
der Empirismus als Hindernis bei der reinen und richtigen Betrachtung der Wahrheit. Aber
Locke kritisierte systematisch den Begriff der Substanz und Hume unterzog konsequent die
Kategorie der Kausalität der Kritik.
In der empirischen Philosophie wurde aber die Rolle des Denkens in der Erkenntnis darauf
zurückgeführt, dass es die Gegenstände vereinigt, abstrahiert und zerlegt. Deswegen wurde
das durch Sinnesorgane gewonnene Wissen, hier für reicher und konkreter gehalten, als das
durch das Denken erhaltene Wissen. Freilich leugnete die Philosophie des Empirismus die
Rolle der individuellen Vernunft, der Abstraktion nicht, aber sie verneinte die Rolle der
allgemeinen und der notwendigen logischen Formen.
Inwieweit die Empiriker das tätige Denken auf die einseitige Analyse und Verallgemeinerung
zurückführen, verstehen sie auch die Rolle der Begriffe als subjektive Bequemlichkeit. Als
prominenter Empiriker verstand Locke im Arbeitsgang der Verallgemeinerung und
Abstraktion nur die Verarmung der Erkenntnis. Die Abstraktion ist nur für die
Bequemlichkeit und Einschränkung der sinnlichen, in der Empfindung gegebenen Vielfalt
nötig.
Dabei spielte der Empirismus eine positive Rolle, weil er die Aufmerksamkeit der Forscher
auf Tatsachen, einzelne Realitäten lenkte. Von nun an wurden Dinge der Natur und
Verallgemeinerung sinnlicher Angaben in der Erkenntnis als wichtig erklärt. Diese
Philosophie schritt Hand in Hand mit der sich entwickelnden Wissenschaft, denn sie
interessierte sich nicht für das Ganze, wie es bei den griechischen Philosophen der Fall war,
sondern erforschte peinlich genau Tatsachen und Einzelheiten. Infolgedessen wurden viele
Grundsätze des Empirismus von den Vertretern der Wissenschaft begeistert aufgenommen.
Freilich war diese Begeisterung kurzfristig, weil der Empirismus das Wesen des theoretischen
Denkens nicht befriedigend erklären konnte. Die Grundsätze der empirischen Philosophie
erwiesen sich als zu eng und abstrakt für das umfassende Verständnis und die Erklärung der
Wesenheit des Wissens.
48
Die zweite Synthese (Kant)
Das Problem des Anfangs wurde von Kant in jener Zeit erarbeitet, wo die alte Philosophie
und Logik im Verständnis der Welt eine tiefe Krise des Wesens der Erkenntnis und des
theoretischen Denkens erlebte. Die dogmatische Philosophie und traditionelle Logik waren
nicht imstande, nicht nur die Angaben der sich entwickelnden Wissenschaft theoretisch
richtig zu verallgemeinern, sondern auch apodiktisch ihre eigenen Grundsätze zu fundieren.
Die vormalige Metaphysik strebte im Allgemeinen danach, den absoluten Anfang der Welt,
die „simple Eigenart der Seele”, das Sein, Gott usw. zu ergründen. Nach Kant bedeutete das,
dass sie den Rahmen jeglicher Erfahrung sprengte, ohne vorher das Wesen des
Menschenverstandes einer theoretischen Analyse und Kritik zu unterziehen. Man entwickelte
zahlreiche illusorische dogmatische Systeme, die beständig einander ablösten. „Wegen der
inneren Fehden,” schrieb Kant, „entartete die Herrschaft der Metaphysik allmählich zur vollen
Anarchie, und die Skeptiker, Nomaden gewissermaßen, jegliche dauernde Bodenbestellung
verachtend, zerstörten von Zeit zu Zeit die bürgerliche Einheit”33. Deswegen herrschte, laut
Kant, in der Denkatmosphäre volle Gleichgültigkeit in Bezug auf Metaphysik. Wenn man
früher die Metaphysik „die Königin aller Wissenschaften nannte”, so wurde sie später zum
Gegenstand der „Verachtung”.34 Solch ein Verachten der traditionellen Metaphysik
gegenüber ist ganz verständlich. „Man kann nicht auf ein Buch zeigen”, schrieb Kant, „wie
man zum Beispiel auf Euklids [Grundlagen] zeigt, und sagen: da ist die Metaphysik, hier
finden sie das Grundziel dieser Wissenschaft” 35.
Aber Kant leugnete nicht grundsätzlich die Bedeutung der ehemaligen Philosophie. Er sah
darin das Vorhandensein mancher apodiktischer Grundleitsätze, die er als analytische
behandelte und meinte, dass die synthetischen Grundsätze der traditionellen Metaphysik nicht
von einer Einheitsvernunft abgeleitet werden können. Infolgedessen widersprach
diesbezüglich eine Metaphysik immer der anderen. Eben das war, nach Kant, die
Erscheinungsursache des Skeptizismus, wo die Vernunft gegen sich selber wirkte. Solch eine
Denkweise konnte bei der völligen Verzweiflung aufkommen, eine befriedigende Lösung der
Vernunftsaufgaben zu erreichen.
Seine Kritik der alten Philosophie unterscheidet Kant grundsätzlich vom Skeptizismus. Der
Kampf gegen den Dogmatismus, nach Kant, konnte den Skeptizismus nicht begünstigen, der
die Metaphysik leichten Henzens rundweg verneinte. „Eher umgekehrt, die Kritik ist die
notwendige Vorbedingung für die Förderung einer stichhaltigen Metaphysik als
Wissenschaft”36.
Kant trat nicht gegen Metaphysik im Allgemeinen auf, sondern gegen die alte Metaphysik.
Seine „Kritik der reinen Vernunft” enthält eine positive Aufgabe, die künftige Metaphysik zu
begründen, eine tatkräftige Reinigung des Entstehungsweges
für diese Wissenschaft.
„Darunter verstehe ich,” schrieb Kant, „nicht die Kritik an Büchern und Systemen, sondern
die Kritik der Möglichkeiten der Vernunft im „Allgemeinen in Bezug auf alle Kenntnisse,
nach welchen sie unabhängig von jeglicher Erfahrung streben kann, also die Lösung der Frage
nach Möglichkeiten oder Unmöglichkeiten der Metaphysik im Allgemeinen und Feststellung
der Quellen sowie des Umfangs und der Grenzen der Metaphysik auf Grund der Prinzipien”37.
In seinen theoretischen Untersuchungen kritisierte Kant diejenigen scharf, die jede
Metaphysik, Philosophie leugneten. „Sobald sie zu denken beginnen”, schrieb er, „kommen
sie unausweichlich zu den metaphysischen Leitsätzen zurück, denen sie in Worten so eine
tiefe Verachtung ausdrücken”38. Diese Wissensart, behauptete er, muss man als das Seiende in
gewissem Sinne betrachten. Metaphysik liegt in uns tiefer als eine andere Wissenschaft.
Kant war sich zweifellos darin sicher, dass er fast alle grundsätzlichen Probleme der künftigen
Metaphysik löste. Davon ist die Rede in der „Kritik der reinen Vernunft”. „In dieser
Abhandlung…”, schrieb Kant „wage ich zu behaupten, dass es kein einziges metaphysisches
49
Problem gibt, das hier nicht gelöst würde, oder für dessen Lösung es wenigstens kein
Schlüssel gäbe.” 39
Natürlich stellten viele von Kants Vorläufern auch solche kategorische Behauptungen auf.
Aber sein wahres Verdienst liegt vor allem in der Fragestellung selbst, in der Zurückführung
des Problems über die Möglichkeiten der Naturkunde und der Metaphysik auf eine
erkenntnistheoretische Frage, auf die Frage der Möglichkeit allgemeinen synthetischen
Wissens, dessen Begründung zu einer Reform der vormaligen Philosophie und Logik führen
sollte.
Kant strebte nicht danach, das Problem der Weltstruktur im Großem und Ganzen zu lösen,
was die vormalige Metaphysik beanspruchte, sondern versuchte, die Möglichkeit eines
synthetischen apriorischen Wissens zu begründen. Solch eine Problemstellung hatte eine
große Bedeutung in der Geschichte der Logik und der Theorie der Erkenntnis. Das führte den
Philosophen zum Widerspruch mit der alten Denkweise, mit der traditionellen Logik,
verlangte eine Begründung der neuen Logik, wo die Prinzipien der Dialektik eine wesentliche
Bedeutung hatten.
Zum Unterschied von Hume, der die Möglichkeit des allgemeinen und synthetischen Wissens
verneinte, ging Kant von der Tatsache der Existenz apriorischer synthetischer Urteile aus.
Obwohl es schwer ist, laut Kant, die Möglichkeiten solcher Kenntnisse in der Metaphysik
nachzuweisen, existieren aber solche allgemeinen und notwendigen Kenntnisse zweifellos in
Mathematik und Naturkunde. Solche Grundsätze der Geometrie wie „eine gerade Linie ist die
kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten” sind synthetisch und apriorisch, denn der
Begriff der geraden Linie, möge man sie noch so genau wie möglich gliedern, beinhaltet nicht
die Vorstellung des kürzesten Weges. Eine ähnliche synthetische Bedeutung a priori hat der
Grundsatz der Naturkunde: „Jede Wandlung in der Natur hat ihre Ursache”.
Der Philosoph war davon überzeugt, dass es unmöglich ist, durch analytische Urteile und
Erfahrung die Möglichkeit und Notwendigkeit solcher wissenschaftlich-theoretischer
Kenntnisse wie die Grundsätze der Euklidischen Geometrie und der Newtonschen Physik zu
begründen. Jedes wirklich wissenschaftlich-theoretische Wissen, nach Kant, muss eine
allgemeine Bedeutung haben und gleichzeitig unsere Kenntnisse über den Gegenstand
erweitern. So zum Beispiel enthält das Urteil „die Sonne ist die Ursache der Wärme” keinen
Begriff der Wärme, möge man den Begriff der Sonne zigmal analysieren.
Solch ein Urteil, nach Kant, ist kein Resultat einer empirischen Verallgemeinerung durch
Induktion. Durch empirische Verallgemeinerung kann man nur das Urteil formulieren: „die
Sonne erwärmt den Stein”. Das Urteil des letzten Typs unterscheidet sich grundsätzlich von
dem ersten Urteil. Das letzte Urteil ist das Resultat der empirischen Wahrnehmung, es
konstatiert das, was bisher in der Erfahrung beobachtet wurde, und deshalb garantiert uns
absolut nicht für die Zukunft, weil die Subjekt-Prädikat-Beziehung hier notwendigerweise
nicht ausgedrückt bleibt. Kant war davon überzeugt, dass der Ausdruck der allgemeinen
Beziehung der Dinge für die Wissenschaft äußerst wichtig ist. Ohne diese Eigenschaft verlöre
die Wissenschaft einen jeglichen Wert.
Kant verstand tiefgründig, dass die Grundlagen der Newtonschen Physik und der
Euklidischen Geometrie eine nicht problematische, sondern eine allgemeine und notwendige
Bedeutung in jeder Erfahrung haben. Die Zentralaufgabe der Kantischen Kritik war der
Nachweis allgemeiner Möglichkeitsbedingungen eines synthetischen apriorischen Wissens.
Obwohl die Frageform über das synthetische Urteil a priori eine spezifisch Kantische
Fragestellung ist, bleibt sie bis heute aktuell. Für die Wissenschaft ist es immer wichtig, dass
die universellen Vorstellungen und Begriffe, die eine allgemeine und notwendige Bedeutung
haben, das Resultat der Tätigkeit eines Wissenschaftlers bilden sollen.
Für Kant ist es unmöglich, die Daten der Geometrie und Physik durch empirische
Verallgemeinerungen und Induktionen zu erhalten. Sie sind eine Form des theoretischen
50
Wissens und unterscheiden sich deswegen grundsätzlich von dem empirischen Wissen, das
keine allgemeine und notwendige Bedeutung hat. Selbst die Fragestellung nach dem
Unterscheid zwischen dem empirischen und theoretischen, zwischen dem allgemeinen und
notwendigen Wissen hat eine kolossale Bedeutung für Geschichte der Logik.
Aber die Dialektik von Kant liegt nicht in der Problemstellung selbst, sondern in jener
prinzipiellen Lösung, die der Philosoph erreicht. Kant ist vor allem davon überzeugt, dass die
synthetischen apriorischen Kenntnisse auf Grund von Regeln der allgemeinen Logik
unmöglich sind. Die allgemeine Logik stellt keineswegs die Frage nach der Gestaltung der
wissenschaftlich-theoretischen Kenntnisse. Solche Kenntnisse sind auch durch die
Erkenntnistheorie des Rationalismus und Empirismus unerreichbar. Der Rationalismus kann
nur die Möglichkeit des analytischen Wissens begründen, und der Empirismus ist nicht
imstande, seinen Urteilen eine allgemeine und notwendige Eigenart zu geben. Kant beweist
die Fruchtlosigkeit sowohl des Rationalismus als auch des Empirismus infolge ihrer
Einseitigkeit. Jede Richtung betont eine Seite und wirft die andere weg.
Kant verstand zutiefst in seiner Philosophie, dass die Einheit von Gegensätzen nötig ist, um
die Möglichkeit des synthetischen und apriorischen Wissens nachzuweisen, d.h. die Einheit
des Allgemeinen mit dem Einzelnen, des Notwendigen mit dem Zufälligen, der Form mit dem
Inhalt. Zwar formulierte Kant diesen Gedanken nicht ganz klar, aber er wandte ihn bei der
Begründung des synthetischen apriorischen Wissens an. Somit verzichtete Kant grundsätzlich
auf die alte Denkart, auf die alte Logik zur Begründung des synthetischen Wissens. Wenn die
abstrakte Identität und der abstrakte Unterschied für die ganze vorkantische Logik das einzige
Wissensprinzip war, so rückte Kant als Grundprinzip die Einheit des einen mit dem anderen
in den Vordergrund. Eben deshalb unterschied Hegel die kantische Logik von der
gewöhnlichen gedanklichen Logik.
Den wahren Sinn der kantischen Philosophie und Dialektik entstellten die Vertreter der
modernen westlichen Philosophie, insbesondere die Neokantianer. In der kantischen
Begründung des synthetischen apriorischen Wissens sehen sie nur die Bekundung der Idee
des kantischen gnoseologischen Dualismus. Es ist nur zu bedauern, dass solch eine unrichtige
Vorstellung von Kants Philosophie eine ziemlich große Verbreitung gefunden hat.
Die kantische Begründung des synthetischen apriorischen Wissens wäre ohne Anerkennung
des dialektischen Widerspruches unmöglich. Es ist auch unmöglich, sich damit einverstanden
zu erklären, dass das synthetische apriorische Wissen eine Folge des kantischen
gnoseologischen Dualismus sei. Kants Behauptung selbst, dass es hier keinen Widerspruch
gibt, soll uns nicht irreführen. Freilich erinnert uns die Form der kantischen Begründung an
den Dualismus, aber der Grundgedanke wird hier durchaus nicht auf den Dualismus
zurückgeführt, sondern auf die Anerkennung des Widerspruchs als Grundlage des
theoretischen Wissens.
Davon überzeugt uns auch die Tatsache, dass man gar keine Schaffung der neuen,
transzendentalen Logik braucht, um den prinzipienlosen Dualismus zu begründen. Die
kantische dualistische Form ist eine unentwickelte, schamhafte Form der Dialektik. Die
Anerkennung der Notwendigkeit von Einheit der gegensätzlichen Aspekte tritt bei Kant in
dualistischer Form auf.
Ähnliche Dinge kann man noch in der heutigen Zeit beobachten. So traten die Wellen von de
Broglie auf dem Gebiet der Quantenmechanik und der Korpuskularwellen-Aspekt in Form
des Korpuskularwellen-Dualismus auf. So wird er auch in der Literatur behandelt. Aber der
wahre heuristische Sinn dieses Prinzips besteht in der Anerkennung der Einheit von
gegensätzlichen Seiten.
Die Grundprinzipien der kantischen Dialektik traten klar in der transzendentalen Lehre von
den Anfängen auf. Hier handelt es sich vor allem um die transzendentale Synthese von Kant.
Wenn die Sensualisten die Rolle des sinnlichen Wissens übertrieben, und die Rationalisten
51
die Wahrhaftigkeit der Kenntnisse, die von den Empfindungen abgeleitet werden, verneinten,
so sieht Kant in der Sinnlichkeit und im Verstand zwei Seiten des geeinten allgemeinen
synthetischen Wissens. Eine Seite ist die Fähigkeit, Vorstellungen zu bekommen
(Empfänglichkeit für Eindrücke), die zweite ist die Fähigkeit, das Ding zu erkennen
(„Selbstbetätigung der Begriffe”). Das wahre Wissen geben uns der Verstand und die
Sinnlichkeit in ihrer Einheit. Selbst solch eine Fragestellung ist zutiefst dialektisch, ein Schritt
vorwärts im Vergleich mit der vorherigen Philosophie. Somit sind „weder die Begriffe, ohne
ihnen entsprechende, gewisse anschauliche Vorstellungen, noch die anschaulichen
Vorstellungen ohne Begriffe imstande, uns Kenntnisse zu geben”. Sinnlichkeit ist der Inhalt
der Erkenntnis, und der Begriff ist seine Form, die die Verbindung unter den
Erfahrungserscheinungen feststellt. Durch Sinnlichkeit werden die Gegenstände, nach Kant,
uns g e g e b e n, durch Verstand werden sie g e d a c h t. „Gedanken ohne Inhalt sind leer,
anschauliche Vorstellungen ohne Begriffe sind blind”. 40 Die Kategorien sind objektiv, wenn
sie gegenständlich sind, und die Betrachtungen sind objektiv, wenn sie den Kategorien
untergeordnet werden.
Kant beschränkt sich nicht auf das Konstatieren der Einheit von Sinnlichkeit und
Verstandeskategorien, sondern unterzieht jede Seite dieser einheitlichen theoretischen
Erkenntnis einer genauen Analyse. Er setzt sich mit der Frage auseinander, wie Gegenstände
und Erscheinungen den Verstandeskategorien zugeordnet werden. Die Gegenstände den
Kategorien zuzuordnen, bedeutet ein Urteil fällen, und die dieser Tätigkeit entsprechende
Fähigkeit heißt Urteilsfähigkeit. Nach Kant kann die allgemeine Logik, sich von jeglichem
Inhalt abstrahierend, keine Begründung der Urteilsfähigkeit geben. Etwas anderes ist die
transzendentale Logik, die sich vom Inhalt der Begriffe nicht abstrahiert, sondern lehrt, reine
Begriffe des Verstandes in Bezug auf Gegenstände richtig zu gebrauchen. Sie zeigt, ob der
Gegenstand den gegebenen Regeln des Verstandes unterliegt oder nicht, und schützt uns
kritisch vor Fehlern der Urteilsfähigkeit bei der Anwendung reiner Verstandsbegriffe.
Bei jeglicher Zuordnung des Gegenstandes zu einem Begriff soll, nach Kant, die Vorstellung
des ersten gleichartig mit dem letzten sein, d.h. der Begriff soll das beinhalten, was in dem
ihm zugeordneten Gegenstand dargestellt wird. So, zum Beispiel, ist es nicht schwer, ein
Urteil – der Teller ist rund – abzugeben, weil sowohl das Prädikat wie auch das Subjekt gleich
sinnlich sind, d.h. der empirische Begriff eines Tellers ist mit dem reinen geometrischen
Begriff der Rundheit gleichartig, weil die Rundheit, die im geometrischen Begriff gedacht
wird, im empirischen Begriff des Tellers anschaulich dargestellt ist. Anders sieht es aus, wenn
wir das Urteil „die Sonne ist die Ursache der Wärme” nehmen. Hier gesellt sich das Sinnliche
zum gedanklichen Begriff. Die gedanklichen Begriffe sind mit den empirisch anschaulichen
Vorstellungen gleichartig. Sie entstehen aus ganz unterschiedlichen Quellen. Apriorische
Kategorien können in keiner anschaulichen Vorstellung gefunden werden.
Daher kommt die Frage: Wie kann man die reinen Kategorien auf die Erscheinungen
anwenden? Darauf gibt uns die transzendentale Lehre die Antwort über die Urteilsfähigkeit,
die zeigt, wie reine Begriffe des Verstandes auf Erscheinungen im allgemeinen angewandt
werden. Die reinen gedanklichen Begriffe-Kategorien beziehen sich nur auf die Form des
Denkens, als apriorische Begriffe sind sie auf Erscheinungen unanwendbar. Um die
Kategorien des Verstandes auf Erscheinungen anzuwenden, braucht man etwas Drittes,
sowohl den Erscheinungen wie auch den Begriffen Gleichartiges. Diese vermittelnde
Vorstellung soll rein und nichtsdestoweniger intellektuell einerseits, und andererseits sinnlich
sein. Dieses Schema nennt Kant transzendental und seine Anwendung den Schematismus der
reinen Verstandsbegriffe.
Die Schemaidee ist in der kantschen Philosophie sehr interessant, denn hier wird in der
Ausgangsform die Bedeutung, die Rolle des Besonderen erfasst, wo das Allgemeine mit dem
Einzelnen verbunden wird. Dem Schema liegt die Form der Zeit zu Grunde. Nach Kant ist die
52
Zeit als formale, nach ihrer Herkunft apriorische Bedingung, jeder Erscheinung eigen, und ist
jedem Verstandesbegriff sowie jeder Form der anschaulichen Vorstellung gleichartig. Eben
deshalb betrachtet Kant die Zeit als notwendige Komponente des Begriffsschemas.
Das Begriffsschema muss man von der Gestalt unterscheiden, denn das Schema zieht nicht
die einzelne anschauliche Vorstellung in Betracht, sondern nur die Einheit in der Bestimmung
der Sinnlichkeit. Das Schema weist nur auf die allgemeine Art hin, wie die Gestaltform, dem
Begriff entsprechend, zu Stande kommt. Den reinen Begriffen zu Grunde liegen nicht die
Gestaltformen der Gegenstände, sondern nur ihre Schemata.
Nur die anschaulichen Objekte haben eine Gestalt, die reinen Begriffe aber besitzen sie nicht.
Und wirklich, keine Gestaltsform eines Gegenstandes fällt mit ihrem Begriff zusammen. Kant
weist zum Beispiel nach, dass keine Gestalt dem Begriff des Dreiecks im allgemeinem
adäquat ist, weil sie nicht im Stande ist, die Allgemeinheit des Begriffs zu erreichen, die alle
Dreiecke erfasst. Deshalb haben wir es, über alle Dreiecke im Allgemeinen sprechend, mit
dem Schema als einer Bestimmungsregel für unsere anschauliche Vorstellung zu tun, dem
bekannten allgemeinen Begriff entsprechend. Das Schema ist nicht im Stande, sinnliche
Erscheinung farbenreich zu bemalen, es kann nur in groben Zügen die Umrisse der Begriffe
skizzieren. Darin liegt, nach Kant, die in der Tiefe der menschlichen Seele verschlossene
Kunst, deren wahre Methoden wir kaum irgendwann der Natur entreißen werden…
Jede Erscheinung hat eine bestimmte Dauerhaftigkeit in der Zeit. Diese Dauerhaftigkeit der
Erscheinungen bildet nach Kant eine Zeitreihe. Die Vorstellung von der Zeitreihe zieht durch
die aufeinander folgende Addition gleicher Teile der Zeit, wobei jeder Teil von ihr eine
Einheit bildet, und deren Addition eine Zahl ergibt. Jede Erscheinung füllt fließend die Zeit
und bildet den Inhalt der Zeit. Aber die Erscheinungen füllen die Zeit nicht gleichartig: einige
bleiben, indem die anderen verschwinden, sie folgen aufeinander oder existieren zu gleicher
Zeit. Solch eine zeitliche Beziehung nennt Kant die Zeitordnung. Schließlich erfasst die Zeit
auf bestimmte Weise das Sein der Erscheinung in sich: die Erscheinung existiert entweder
ehemals, oder in einem bestimmten Moment, oder zu jeder Zeit. Wollen wir solch eine
Zeitbestimmung die Gesamtheit der Zeit nennen. Dadurch werden alle möglichen
Zeitbestimmungen erschöpft: sie ist eine Zeitreihe, der Inhalt der Zeit, die Ordnung der Zeit,
die Gesamtheit der Zeit. Jede Erscheinung besitzt eine bestimmte Zeitgröße, bildet einen
bestimmten Zeitinhalt, befindet sich in einer Beziehung zu den anderen Erscheinungen in
dieser oder jener Weise.
Wenn wir jetzt diese Zeitdefinitionen mit den reinen Begriffen vergleichen, so stellt es sich
heraus, dass die Zahl der Quantität, der Inhalt der Qualität, die Zeitordnung der Relativität
und endlich die Zeitgesamtheit der Modalität entspricht. Die Zahl ist ein Schema der
Quantität, der Zeitinhalt, die ausgefüllte Zeit ist ein Schema der Realität, indem die leere Zeit
das Schema der Negation ist. Die Zeitordnung hat eine dreifache Beziehung: eine
Erscheinung bleibt bestehen, indem die anderen verschwinden; das Verbleiben bei Ablösung
ist das Schema der Substanz; das Aufeinanderfolgen von Erscheinungen, wenn es regelrecht
vor sich geht, ist das Schema der Kausalität, und, der Regel entsprechend, der gleichzeitige
Verbleib der Erscheinungen ist das Schema der Kommunikation oder der Interaktion. Das
Sein ist zu einer beliebigen Zeit ein Schema der Möglichkeit, das Sein zu einer bestimmten
Zeit ist ein Schema der Wirklichkeit, das Sein zu jeder Zeit (immer) ist ein Schema der
Notwendigkeit.
Diese Schemata machen Erscheinungen und Kategorien einander zugänglich. Der Verstand
bindet Erscheinungen mit Hilfe der Kategorien zusammen; er ordnet mit Hilfe der Schemata
die ersten den zweiten unter, d.h. erzeugt Urteile durch das Schema der reinen
Einbildungskraft. So gibt Kant nicht nur Regeln, sondern auch eine Anleitung ihrer
Anwendung. Erscheinungen, die sich regelmäßig zu einer Zeit wiederholen, werden wir nicht
als Ursache und Wirkung verbinden; Erscheinungen, die in Zeit verlaufen, werden wir uns
53
nicht als Begriff der Sustanz vorstellen, und Erscheinungen, die zu jeder Zeit existieren,
werden wir nicht als Erscheinungen betrachten, die nur zufällig stattfinden. Weiter behandelt
Kant die Frage, auf welche Weise sich die Gesetzte des Verstandes aus den Kategorien der
reinen Verstandsbegriffe entwickeln. Die Grundbegriffe des reinen Verstandes, sagte er,
zerfallen nach den Kategorien der Art in vier Gruppen: Axiome der Betrachtung,
Antizipationen der Wahrnehmung, Analogien der Erfahrung und Postulate des empirischen
Denkens. Somit ist der Schematismus des reinen Verstandes, die transzendentale
Einbildungskraft in Kants Gnoseologie das Bindeglied zwischen Sinnlichkeit und Verstand,
worüber bis heute als über die einzigen Fähigkeiten der Erkenntnis die Rede war. Ihre
Funktion (Synthese genannt) besteht darin, die in Raum und Zeit gegebene Vielfalt zu binden.
Wenn die zu bindende Vielfalt uns in Erfahrung gegeben ist, so wird die Synthese empirisch,
wenn aber die Vielfalt uns a priori gegeben ist, so bleibt sie rein.
Das Streben, das Sinnliche und Gedankliche in Verbindung zu bringen, gehört zu den größten
Verdiensten der kantischen Philosophie. Dieser Umstand wurde von Hegel bemerkt, der
schrieb: „Infolgedessen wurden die reine Sinnlichkeit und der reine Verstand, die Kant uns
früher als etwas absolut Gegensätzliches darstellte, jetzt vereinigt. In dieser Ansicht ist schon
ein gewisser betrachtender Verstand oder eine vernünftige Betrachtung vorhanden; aber Kant
versteht das auf diese Weise nicht, er kommt mit seinen Gedanken knapp aus, er versteht
nicht, dass er diese zwei Bestandteile der Erkenntnis hier zusammen brachte und dadurch sie
„in sich” zeigte. Und wirklich, die Erkenntnis selbst ist die Einheit und die Wahrheit dieser
zwei Momente, aber bei Kant bleiben der denkende Verstand und die Sinnlichkeit als etwas
Besonderes, das nur auf äußere, oberflächliche Weise damit in Verbindung gebracht wurde,
ähnlich wie man ein Holzklötzchen mit dem Bein mittels eines Stricks verbindet”41.
In der Tat stellte Kant die Frage über die Einheit von Sinnlichkeit und Begriffen richtig,
konnte aber diese Frage wissenschaftlich nicht bis zum Ende lösen, weil er Dialektik und die
Einheit von Sinnlichkeit und Begriffen folgerichtig nicht durchführt und nicht weiß, dass das
Sinnliche die Quelle der Begriffe und Kategorien ist. Nach Kant sind das Sinnliche und die
Kategorien einander fremd, weil sie unterschiedlichen Quellen entstammen. Eben deshalb
sucht er seine Zuflucht bei der Zeitform, wodurch er künstlich, rein äußerlich Kategorien mit
Erscheinungen verbindet. Unterdessen werden die Kategorien nicht deshalb auf
Erscheinungen angewandt, weil es etwas Mittleres (Form der Zeit) gibt, das sie mit
Sinnlichkeit verbindet, sondern deswegen, weil die Kategorien selbst von der objektiven
materiellen Welt abstrahiert und infolgedessen auf die letzte angewandt werden.
Der Subjektivismus stört Kant, die Dialektik in der Erkenntnistheorie konsequent
anzuwenden. Weder Sinnlichkeit noch Begriffe spiegeln, nach Kant, den realen Inhalt der
objektiven Welt und ihre Gesetzmäßigkeiten wider. Es handelt sich deshalb bei Kant in
beiden Fällen um etwas rein Subjektives. Die kantische Gnoseologie ist voller unlösbarer
Widersprüche. In Anerkennung der Erfahrung als Quelle der Erkenntnis einerseits, und in der
Behauptung, die Erfahrung sei ohne die Verstandeskategorie unmöglich andererseits, liegt
Kants Widerspruch, sowie in der Anerkennung der Existenz von Dingen außer uns und in der
Verneinung der Möglichkeit, diese Dinge zu erkennen.
Selbst der Auffassung der Empfindungen als einer der Erkenntnisquellen der Philosophie von
Kant ist ein Widerspruch eigen. Kant behauptet, dass die Sinnlichkeit ein Resultat der
Einwirkung des Dings auf uns ist. Aber diese Gefühle, Empfindungen spiegeln nicht den
realen Inhalt der Dinge wider, sondern ergeben nur Erscheinungen, die, nach Kant, nichts
Gemeinsames mit den Dingen an sich haben. Zwischen unseren sinnlichen Kenntnissen und
den Dingen an und für sich gibt es grundsätzlich keine Ähnlichkeit. Die Empfindungen
formal erhebend und sie für den Inhalt der Erkenntnis haltend, verneint Kant ihre Bedeutung
als Quellen der Umwelterkenntnis.
54
Aber das behebt nicht die Richtigkeit jenes Grundsatzes, dass Kant bei der Erforschung der
Natur der Erkenntnis und des theoretischen Denkens einen Schritt vorwärts gemacht hat im
Vergleich mit der vorigen Philosophie und Logik.
In der traditionellen Formallogik werden allgemeine logische Formen und Kategorien nicht
speziell erforscht. In der kantischen Philosophie wurde die Tradition der aristotelischen
Metaphysik zum ersten Mal in der neuen Zeit fortgesetzt. Bei der Begründung des
synthetischen apriorischen Wissens wendet sich Kant den Kategorien als allgemeine Formen
und Gesetze des theoretischen Wissens zu. Deshalb ist die transzendentale Logik von Kant
keine Logik im traditionellen Sinne (reine Formen, Sprache der Wissenschaft), sondern sie
tritt als inhaltliche Logik der allgemeinen Bedingungen der wissenschaftlich-theoretischen
Erkenntnis auf. Daher ist die Bewegung des logischen Denkens von Kant zu Hegel und Marx
eine wirklich produktive Form der Entwicklung des logischen Denkens. Die neokantianische
Logik aber entfernte sich von den wahren Begriffen der Logik. Die Neokantianer bauschten
die schwache Seite der kantischen Philosophie, den Apriorismus und Agnostizismus von Kant
auf.
Nach Kant bekommt das theoretische Wissen seine Allgemeinheit und Notwendigkeit nur
dank den logischen Kategorien. So wie ein Standbild dank den künstlerischen Formen, der
Idee ein Standbild wird, so wird das Wissen allgemein und notwendig dank den logischen
Kategorien. Infolgedessen unterscheidet sich die transzendentale Logik, als Entwurf der
zukünftigen dialektischen Logik von Hegel, grundsätzlich von der allgemeinen Logik. In
erster Linie unterscheidet sie sich von der Formallogik als wissenschaftlich-theoretische
Anwendung der Vernunft im Akte des Denkens von der formalen, empirischen Beschreibung
der gegebenen Formen der Vorstellungen.
Wenn die Kompetenz der allgemeinen Logik in der Möglichkeit der analytischen Urteile, der
empirischen Beschreibung der vorhandenen Vorstellungen liegt, so besteht die Aufgabe der
transzendentalen Logik in Erforschung der Bedingungen und Möglichkeiten des apriorischen
synthetischen Wissens. Zum Unterschied vom empirischen, abstrakt-allgemeinen Wissen, das
eine beschränkte Bedeutung hat, beansprucht das theoretische Wissen die Allgemeinheit, es
bezieht sich auf jede mögliche Erfahrung. Deshalb wird nicht irgendeine abstrakt allgemeine
Eigenschaft des zu erforschenden Objekts in Form eines wissenschaftlich-theoretischen
Wissens zum Ausdruck gebracht, sondern die wesentliche Artbestimmtheit des Gegenstandes
erfasst.
Kant führte in die Logik Dialektik, die dialektische Behandlung der Erkenntnis ein. Das
bezieht sich vor allem auf die kantische Idee der aktiven Erkenntnis, der theoretischen
Denkweise. Zum Unterschied vom metaphysischen, kontemplativen Materialismus behandelt
Kant das Wesen des menschlichen Bewusstseins nicht als passive Widerspiegelung des
Objektes, sondern betont die Aktivität, die Tätigkeit des menschlichen Bewusstseins. Die
allgemeine Form dieser Aktivität bilden die logischen Kategorien, die, in unserem
Bewusstsein wurzelnd, die Möglichkeit und Wirklichkeit der wissenschaftlich-theoretischen
Erkenntnis bestimmen.
Kant war davon überzeugt, dass sich das Wissen in wahres theoretisches Wissen verwandelt,
dass es eine allgemeine Geltung nur dank den Kategorien, Normen bekommt, mit deren Hilfe
sich die Materialien der Kontemplation formieren. Empirisches Wissen, Urteil,
Wahrnehmung bekommen die Bedeutung der Objektivität und Wissenschaftlichkeit erst durch
die Kategorien des Verstandes. „Die Rezeptivität kann nur in Verbindung mit der
Selbsttätigkeit das Wissen erzeugen.” Die Kategorien des Verstandes sind Prinzipien und
Gesetze des Denkens, sie bilden die Grundelemente der menschlichen Erkenntnis.
Das wichtigste Problem der kantischen Philosophie bildet die Frage, wie die subjektive
Bedingung des Denkens eine objektive Bedeutung bekommt. Diesbezüglich spielte die
kantische Lehre von Kategorien, von synthetischen Urteilen und von der Ureinheit der
55
Apperzeption eine große Rolle in der Geschichte der Logik. Freilich, es gibt viel Idealismus
im kantischen Grundsatz über die Ureinheit der Apperzeption. Aber er enthielt rationelle
Momente über die Aktivität des erkennenden Subjekts. Diese Frage berührend, schrieb K.
Marx in seinen „Feuerbachthesen”: „Der Grundmangel des ganzen vorherigen Materialismus
– auch den Feuerbachschen einschließend – besteht darin, dass Gegenstand, Wirklichkeit,
Sinnlichkeit nur in Form des Objektes, oder in Form der Kontemplation, nicht aber als
menschliche sinnliche Tätigkeit, als Erfahrung subjektiv behandelt werden. Daher kam es,
dass die tätige Seite im Gegensatz zum Materialismus vom Idealismus entwickelt wurde, aber
nur abstrakt, weil der Idealismus die Wirklichkeit, die sinnliche Tätigkeit als solche natürlich
nicht kennt.” 42
Nach Kant sind Kategorien diejenige Normen, nach denen die Welt unserer Kontemplation
kraft der Einbildung („der bewusstlose Verstand”) errichtet wird, und nach denen „der
bewusste Verstand” denkt. Die Größe der kantischen Frageauslegung zeigt sich noch
deutlicher, wenn man die kantische transzendentale Logik mit der gnoseologischen
Feststellung der vorherigen Philosophie vergleicht. In der Lehre von den Gespenstern ließ
Bacon eine gewisse Aktivität des Menschen im Zuge seiner Erkenntnistätigkeit zu, aber darin
sah er etwas Negatives, ein Hindernis im Wege der objektiven Erkenntnis. Das Ideal des
menschlichen Bewusstseins, nach Bacon, ist seine Unberührtheit. Deswegen hält er für die
Grundbedingung der objektiven wahren Erkenntnis die Vertreibung von Götzen und
Gespenstern.
An dieselbe Konzeption hielten sich Voltaire und Rousseau in der Erziehungstheorie, als sie
die Gestalt eines von der Zivilisation unberührten Jünglings in die Literatur einführten. Wir
verstehen natürlich, dass die entfremdete soziale Wirklichkeit den Menschen verdirbt, und
deswegen kann ein abstrakter Mensch, der außerhalb der Sozialbeziehungen steht, keineswegs
ein Ideal sein. Selbst die philosophische Begründung eines solchen Menschen bleibt ein
Produkt historisch bestimmter sozialer Beziehungen.
Von Anfang an betonte Kant die Aktivität, die kategoriale Bedingtheit des menschlichen
Bewusstseins. Die Bedingungsmöglichkeit des wahren Wissens besteht, nach Kant, in der
tätigen Bearbeitung einer empirischen Tatsache vermittels der Denkkategorie. Den
Erkenntnisprozess behandelt er nicht als eine spiegelungstote Handlung, wo das Ding die
Ursache und das Bewusstsein die Folge ist, sondern als einen bilateralen Prozess, wo Ursache
und Wirkung beständig ihre Stellen wechseln. Selbst die Fragestellung nach den Kategorien
hatte eine wichtige Bedeutung, obwohl Kant die Rolle der letzteren übertrieb.
In der kantischen Philosophie unterscheiden sich die Erfahrungsurteile, die eine objektive
Bedeutung haben, weil sie eine beständige Bedeutung besitzen, von den
Wahrnehmungsurteilen, die nur eine subjektive Bedeutung haben. Es sei darauf hingewiesen,
dass die kantische Auffassung des Objektiven und Subjektiven mit der echt
wissenschaftlichen Auffassung dieser Frage nichts Gemeinsames hat, weil die Objektivität
eines Erfahrungsurteils von Kant nicht in jenem Sinne verstanden wird, dass der Inhalt dieser
Urteile das Wesen der realen Dinge, die außer uns und unabhängig von uns existieren,
widerspiegelt. In letzterem Sinne hat jedes Urteil für Kant nur einen subjektiven Charakter
unabhängig davon, ob von den Urteilen der Wahrnehmung oder von der Erfahrung die Rede
ist. Obwohl die Erfahrungsurteile allgemeine und notwendige Bestimmungen sind, bleiben sie
doch unsere Urteile, und sind, nach Kant, von den Dingen in sich durch eine
undurchdringliche Grenze abgetrennt. Kant versteht nicht den Umstand, dass die
Denkformen, die Erfahrungsurteile nicht deshalb objektiv sind, weil sie für jedes Bewusstsein
eine obligatorische Bedeutung haben, sondern deswegen, weil ihr Inhalt die Widerspiegelung
des Wesens der objektiven Welt ist. Theorien und Grundsätze haben für das ganze
Bewusstsein eine allgemeinobligatorische Bedeutung und besitzen deshalb die Festigkeit
eines Vorurteils, weil sie durch Erfahrung wiederholt bestätigt wurden.
56
Immerhin hat die kantische Einteilung in Wahrnehmungsurteile und Erfahrungsurteile eine
positive Bedeutung besonders dort, wo Kant den Übergang von den Wahrnehmungsurteilen
zu den Erfahrungsurteilen behandelt. Diesen Umstand kann man als eine der starken Seiten
der kantischen Philosophie betrachten, weil er hier das Problem der Beziehung zwischen dem
empirischen und dem theoretischen Wissen ziemlich tiefgründig stellt.
Der Übergang von Wahrnehmungen zu Erfahrungsurteilen ist, nach Kant, erst durch Begriffe
des Verstandes möglich, die Prädikate eines potenziellen Urteils sind. Nehmen wir ein
Beispiel von Kant selbst. Das Urteil „wenn die Sonne einen Stein bescheint, so wird er warm”
ist ein einfaches Wahrnehmungsurteil, das nur eine subjektive Bedeutung hat. „Wenn wir
diesem Urteil den Charakter der Allgemeinheit, der Objektivität geben wollen”, fügt Kant
hinzu, „so müssen wir ihm reine Verstandesbegriffe zufügen. Möge ein solcher Begriff der
Begriff der Kausalität sein. Er verbindet obligatorisch den Begriff der Wärme mit dem Begriff
der Sonne und verwandelt damit das subjektive Wahrnehmungsurteil in das objektive
Erfahrungsurteil, das eine allgemeine und notwendige Bedeutung hat.” Diesen Umstand
betonend, schreibt Kant, dass „das Erfahrungsurteil seine objektive Bedeutsamkeit nicht der
direkten Erkenntnis des Gegenstandes entlehnt (was unmöglich ist), sondern aus der
Bedingung der Allgemeingültigkeit der empirischen Urteile, ihre Allgemeingültigkeit, wie es
oben gesagt wurde, hängt ja nicht von den empirischen und überhaupt nicht von den
sinnlichen Bedingungen, sondern immer von dem reinen Verstandsbegriff ab.” 43
Somit ist es nach Kant klar, welche Erkenntniskraft die Begriffe (Kategorien) des Verstandes
haben. Das Erfahrungsurteil (das synthetische Urteil a priori) ist erst durch Begriffe des
Verstandes möglich. Sie schaffen die Möglichkeitsbedingungen eines synthetischen Urteils a
priori, dessen Begründung das Grundziel der „Kritik…” gewidmet ist.
Der Mangel der kantischen Philosophie besteht darin, dass sie Begriffe und Kategorien nur
aus der Sicht ihres Wertes betrachtet, d.h. die Kategorien haben nur eine Bedeutung, insofern
sie die Möglichkeit eines Erfahrungsurteils bedingen. An diese Seite der kantischen
Philosophie klammerte sich die neokantianische Schule und bauschte sie zu ihrer Zeit
einseitig auf, insbesondere Rickert, der die Widerspiegelung der objektiven Welt durch
Begriffe verneinte und sie nur als Erkennungswerte, als subjektive Werkzeuge der Erkenntnis
anerkannte. Ungeachtet des idealistischen Charakters bleibt die Idee von Kant von der
Verbindung der Kategorien mit den Urteilen genial, weil in ihr die Vorstellung von der
Verbindung und Abhängigkeit der Denkformen voneinander in Urform zum Ausdruck
gebracht wurde. Zweifelsohne halten die Beweisführung und der Ausgangspunkt der
kantischen Philosophie deswegen der Kritik nicht Stand, weil sie idealistisch sind. Nach
Kants Meinung vollzieht sich der Übergang von einem individuellen Wahrnehmungsurteil zu
den Erfahrungsurteilen nicht auf der Basis der Wirklichkeit, sondern durch das Hinzufügen
der apriorischen Verstandsbegriffe zu den sinnlichen Tatsachen. Aus diesem Grund enthält
die kantische Lehre von den Kategorien bedeutende Mängel.
Das bezieht sich vor allem auf die kantische Deutung der Kategorien als apriorische Produkte
des Verstandes. Bei aller Bedeutsamkeit der kantischen Fragestellung nach der Rolle der
Kategorien bei der Formierung des synthetischen Wissens versteht Kant nicht die wahre
Quelle ihrer Herkunft. Aus allen Kräften klammert sich Kant an die apriorische, die der
Erfahrung vorangehende Herkunft der Kategorien, weil er die Basis der Allgemeinheit und
der Notwendigkeit darin sieht.
Kant verstand, dass es unmöglich ist, die Allgemeinheit von Kategorien durch die
empirischen Verallgemeinerungen zu begründen. Darin ist er mit Hume einer Meinung, der
die Unmöglichkeit, die Kausalitätskategorien durch die empirische Aufeinanderfolge der
Erscheinungen zu begründen, nachgewiesen hat. Deshalb klammert er sich an die apriorische
Herkunft der Kategorien. Obwohl Kant in der Lehre vom synthetischen apriorischen Wissen
den Verstand zu überwinden sucht, bleibt er doch im Rahmen des verstandesmäßigen
57
Denkens, weil der Apriorismus sich als die äußerste Anstrengung der verstandesmäßigen
theoretischen Begründung erweist.
In der kantischen Lehre von den Kategorien bleibt der Psychologismus nicht überwunden,
weil er den Prozess der Erkenntnis als Resultat der Tätigkeit und der Anstrengungen eines
einzelnen Individuums behandelt. Wenn der Philosoph die Struktur des menschlichen
Wissens analysiert, findet er dort gemeinsam mit den sinnlichen Angaben auch Kategorien,
die als apriorische behandelt werden. Der Grund des kantischen Apriorismus liegt auch in
dem Nichtverständnis der Dialektik der individuellen und der gesellschaftlichen Erfahrung.
Im Grunde genommen kennt Kant nur die individuelle Erfahrung, die allgemein menschliche
Erfahrung aber versteht er als eine einfache Summe, als Wiederholung der individuellen
Erfahrung. Deshalb versteht er nicht die Herkunft der Kategorien, die eine allgemeine
Bedeutung haben, die sich auf alle Objekte der Kontemplation ohne Ausnahme beziehen.
Zum Unterschied von Hume versteht Kant, dass man die Kategorien auf die subjektive
Gewohnheit nicht zurückführen kann, dass sie eine objektiv allgemeine Bedeutung haben.
Aber er kann die Kategorien von der Erfahrung nicht ableiten, tritt für die Apriorität ein, weil
er die Erfahrung rein empirisch versteht.
Die kritische Überwindung des kantischen Apriorismus hat erst Hegel realisiert, freilich, auf
der Grundlage des objektiven Idealismus. Hegel sucht die Quellen der Herkunft von
Kategorien nicht in dem Bewusstsein des Individuums, sondern in der Selbstentwicklung des
Geistes, in der Tätigkeit des absoluten Bewusstseins, des bedingungslosen Subjekts, das
ursprünglich, objektiv und unabhängig nicht nur von dem empirischen Individuum und dem
Bewusstsein existiert, sondern auch vor der Natur und der menschlichen Gesellschaft. Die
logischen Kategorien, nach Hegel, treten als Stufen, Knotenpunkte in der Tätigkeit des
absoluten Denkens auf. Laut Hegel ist es falsch, „wenn man über Urteile spricht, dass sie
infolgedessen entstehen, dass dem Subjekt das Prädikat zugeschrieben wird. Das Subjekt ist
dabei als selbständig existierend, außerhalb von uns, und das Prädikat befindet sich in
unserem Kopfe. Dieser Vorstellung widerspricht die Kopula „ist”. Wenn wir sagen „diese
Rose ist rot”, oder „dieses Bild ist wunderschön”, so behaupten wir damit, dass nicht wir die
Rose von außen her rot sein ließen und das Bild wunderschön, sondern das machen die
eigenen Bestimmungen dieser Gegenstände aus.” 44 Es ist daraus ersichtlich, dass der Idealist
Hegel den Mangel der kantischen Gnoseologie richtig bemerkt hat, obwohl er selbst diese
Frage aus der Sicht des Idealismus begründete und glaubte, dass Dinge dank den Begriffen
existieren.
Die gegenwärtige Auffassung geht davon aus, dass nicht wir den Dingen, dem Subjekt das
Prädikat willkürlich zuschreiben, sondern dass unsere Urteile Widerspiegelungen der
objektiven Prozesse sind, in unseren Urteilen spiegeln sich die realen Verbindungen und
Beziehungen der Dinge wider. Wenn das Urteil „die Sonne erwärmt den Stein”
ausgesprochen wird, so schreiben wir die Kausalitätskategorie nicht den Tatsachen seitens
unseres Verstandes zu, wie Kant es meinte, sondern spiegeln nur in unserem Urteil die realen
Zusammenhänge der Dinge. Die Kategorien der Philosophie sind nicht reine Produkte des
Verstandes, sondern Widerspiegelungen der Gesetzmäßigkeiten der objektiven materiellen
Welt und zugleich Stufen, Knotenpunkte in der Erkenntnis.
Die Kategorien sind das Ergebnis zahlreicher Bestimmungen, Urteile, Erfahrungen. Die
Kategorien entwickelten sich historisch im Ergebnis der Erfahrung. Sich auf Grund der
Erfahrung entwickelnd, zahlreiche Urteile und Schlüsse in sich aufnehmend, nehmen die
Kategorien einen axiomatischen Charakter an. Im Zusammenhang damit treten sie als
Grundlagen der Urteile auf. Der wissenschaftliche Begriff der Kategorien unterscheidet sich
dadurch von der Lehre der kritischen Philosophie, dass, wenn die Kategorien, nach Kant, als
apriorische Form des Verstandes den Tatsachen von außen zugeschrieben, den Urteilen durch
Verstand zugefügt werden, um ihnen allgemeine Bedeutung zu verleihen, hier die Kategorien
58
als Widerspiegelungen von Gesetzmäßigkeiten der objektiven Welt behandelt werden und
unseren alltäglichen Urteilen zu Grunde liegen, insofern sie den inneren Zusammenhang der
Wirklichkeit ausdrücken. Die Kategorien würden nie unseren Urteilen zu Grunde liegen,
wenn sie das Wesen des objektiven Zusammenhangs nicht ausdrücken würden. Der
Zusammenfall der fortschreitenden Entwicklung der Kategorien und Urteile, zum Beispiel,
Wesen – kategorisches Urteil, Kausalität – kausales (konventionelles) Urteil, Notwendigkeit –
apodiktisches Urteil usw. wird dadurch erklärt, dass sowohl die Kategorien als auch die
Urteile die gemeinsame Grundlage besitzen, d.h. beide sind sie eine Widerspiegelung der
Wirklichkeit. In Wirklichkeit verläuft die Entwicklung vom Untersten zum Obersten. Und das
findet in der sukzessiven Entwicklung der Urteile und Kategorien seinen Ausdruck.
Das große Verdienst von Kant besteht darin, dass er das Problem des Zusammenhangs der
Kategorien und Urteile zum ersten Male in der Geschichte der Philosophie behandelte (in der
„Kritik der reinen Vernunft”). Aber nichts Gemeinsames hat der Grundsatz von Kant mit der
Wissenschaft, in dem die Begriffe nur vom Standpunkt ihres Wertes aus unabhängig von
ihrem objektiven Charakter gesehen werden. Das Wesen der Denkformen analysierend,
schrieb W.I. Lenin: „Auch über die Denkformen kann man nicht sagen, dass sie uns dienen,
denn sie ziehen „durch unsere Vorstellungen…”, sie sind „das Allgemeine als solches”. Die
Begriffe haben eine wirkliche Erkennungsbedeutung, weil die inneren Zusammenhänge, das
Wesen der Dinge und Erscheinungen in ihnen zum Ausdruck kommen. Diesen Umstand
betonend, schrieb W.I. Lenin: „…die Denkkategorien sind keine Hilfemittel des Menschen,
sondern ein Ausdruck der Gesetzmäßigkeit sowohl der Natur wie auch des Menschen”45.
Die kantische Philosophie verneint den objektiven Charakter der Gesetze der Natur und der
Gesellschaft. Nach Kant werden Gesetze der Natur vom Menschenverstand diktiert. „Der
Verstand schöpft nicht seine Gesetze (a priori) aus der Natur, sondern schreibt sie ihr zu”. 46
In Zusammenhang damit ist es notwendig, eine vorbreitete Meinung zu unterstreichen: Wenn
man über den subjektiven Idealismus von Kant spricht, so behält man eben diese Bestimmung
im Auge („der Verstand schreibt seine Gesetze der Natur zu”). Aber es darf nicht außer Acht
gelassen werden, wie er die Natur selbst versteht. Unterdessen ist die Natur für Kant eine
Tatsache der Erkenntnis. Er behandelt sie auf der subjektiven Ebene als „Gesamtheit der
möglichen Erfahrung”. Und die Denkkategorien sind Bedingungen „der möglichen
Erfahrung”. Die Kategorien und Gesetze des Verstandes sind, nach Kant, auch Bedingungen
der Natur. Nicht die Natur bedingt die Möglichkeit der Kategorien und Verstandesgesetze,
sondern, umgekehrt, die Kategorien und die Verstandesgesetze bestimmen die Möglichkeit
der Erfahrung und der Natur. Deshalb erschien es Kant ganz logisch, dass unser Verstand
nicht nur seine Gesetze der Natur aufzwingt, sondern sie im Grunde genommen schafft.
Indem Kant seine Position ähnlich dem Standpunkt von Berkeley sieht, klammert er sich mit
ganzer Kraft an das unerkennbare „Ding in sich”, das Kant als unabhängig von den
Verstandeskategorien erklärt. „Und wirklich,” schrieb Kant, „die Gesetze existieren nicht in
den Erscheinungen, sondern nur in Bezug auf das Subjekt, dem die Erscheinungen eigen sind,
weil es den Verstand eben so besitzt, wie die Erscheinungen nicht an und für sich existieren,
sondern nur in Bezug auf dasselbe Wesen, insofern es Gefühle besitzt. Die Gesetzmäßigkeit
der Dinge an und für sich wäre ihnen notwendigerweise auch außerhalb des sie erkennenden
Verstandes eigen. Aber Erscheinungen sind nur Vorstellungen von Dingen, in Bezug auf sie
bleibt es unbekannt, wie sie an und für sich sein können. Einfach als Vorstellungen werden sie
sich keinem Gesetz des Zusammenhangs als einem Gesetz, das die Verbindungsfähigkeit
vorschreibt, unterordnen.” 47
Dieser kantische Standpunkt wurde der berechtigten Kritik Hegels unterzogen. Wenn uns die
Eigenschaften der Dinge bekannt sind, behauptete Hegel, so kennen wir auch das Ding selbst.
Das unerkennbare Ding für sich ist eine leere und inhaltslose Abstraktion. Das unerkennbare
Ding in sich berührend, schrieb Engels, dass die Erfahrung der Menschen die Macht des
59
menschlichen Wissens demonstriert, auf ihrer Grundlage vollzieht sich ununterbrochen vor
unseren Augen die Verwandlung der Dinge in sich in ein Ding für uns; zwischen ihnen liegt
keine undurchdringliche Grenze, und der Unterschied wird auf das zurückgeführt, was schon
erkannt und was noch nicht erkannt ist.
Die kantische Philosophie behandelt die Frage nach der Herkunft der Kategorien und ihre
Erkenntnisrolle als eine Einheit. Diesen Umstand muss man zweifellos als eine positive
Erscheinung betrachten. Die Meinung von Hume über den Begriff analysierend, schrieb Kant:
„Es handelt sich ja nur um die Herkunft dieses Begriffs, aber nicht um die Notwendigkeit
seiner Anwendung; wenn man seine Herkunft erklärt hätte, so wären schon die Bedingungen
seiner Anwendung und die Sphäre seiner Verwendung an und für sich klar”48.
Der Marxismus betrachtet auch die Frage nach der gnoseologischen Rolle der Begriffe im
Zusammenhang mit der Frage nach ihrer Herkunft. Die Lösung dieses Problems durch den
Marxismus ist der kantischen Gnoseologie direkt entgegengesetzt. Der Erkennungswert der
Begriffe ist mit dem objektiven Charakter verbunden. Begriffe werden von der Wirklichkeit
abstrahiert und spiegeln das Wesen der Erscheinungen wider. Die erdachten und mit dem
objektiven Gang der Dinge nicht verbundenen Abstraktionen haben keine erkennungswerte
Bedeutung. Kant geht an die Kategorien ganz von einer anderen Seite heran. Freilich verneint
er die angeborenen Ideen, darin ist er mit Locke einig, der die Anhänger der Theorie von den
angeborenen Ideen faule Philosophen nannte. Zugleich ist Kant mit der Position von Locke
über die erfahrungsmäßige Herkunft unseres Bewusstseins nicht einverstanden, weil die
Erfahrung nur eine einzigartige und subjektive Vorstellung gibt. Nach Kant ist die wahre
erkennende Bedeutung der Begriffe, ihre Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit mit ihrer
apriorischen Herkunft unzertrennlich verbunden. Es ist daher selbstverständlich, dass die
Verstandeskategorien keineswegs empirische Produkte sind. In Bezug auf die
Kausalitätstheorie schrieb Kant, dass es notwendig ist, die Apriorität ihrer Herkunft
anzuerkennen, denn bei der gegenteiligen Auffassung ist sie es würdig, weggeworfen zu
werden. „Und wirklich”, schrieb er, „dieser Begriff verlangt unbedingt, dass ein A so sein
soll, damit ihm notwendig und nach der bedingungslos allgemeinen Regel ein anderes (B)
folgt. Erscheinungen geben natürlich viele Fälle für die Aufstellung einer Regel, als deren
Folge sich gewöhnlich etwas ereignet, aber sie beweisen nie, dass die Folge sich daraus mit
Notwendigkeit ergibt, daher besitzt die Synthese von Ursache und Wirkung solch einen
Vorzug, der auf keine Weise empirisch ausgedrückt werden kann: er besteht darin, dass die
Wirkung nicht einfach der Ursache angeschlossen wird, sondern von der Ursache herkommt
und aus ihr folgt. Die strenge Allgemeinheit der Regeln kann auch nicht die Eigenschaft der
empirischen Regeln sein, die nur die vergleichbare Allgemeinheit mit Hilfe der Induktion
erlangen, d.h. eine weite Anwendbarkeit. Die Anwendung reiner Verstandesbegriffe hätte sich
vollkommen geändert, wenn man sie nur als empirische Erzeugnisse behandelt hätte.” 49
Die Frage nach der Anwendung der Kategorien auf Erscheinungen untersucht Kant im
Abschnitt „Die transzendentale Deduktion”. Das Wesen der Deduktion charakterisierend,
schrieb Kant: „Deshalb nenne ich die Erklärung dessen, auf welche Weise Begriffe sich a
priori auf Gegenstände beziehen können, die transzendentale Deduktion…und unterscheide
sie von der empirischen Deduktion, die darauf hinweist, auf welche Weise der Begriff sich
dank der Erfahrung und dem Nachdenken über ihn verändert, und dann nicht die
Gesetzmäßigkeit betrifft, sondern nur die Tatsache, durch welche wir den Begriff begreifen.”
50
Nach Kant ist nur die transzendentale Deduktion in Bezug auf die Verstandesbegriffe
möglich, aber nicht die empirische.
In der Geschichte der Philosophie war Kant jener Denker, der als erster nach Aristoteles die
Kategorien tiefgründig untersuchte. In der Deduktion der Kategorien ging er viel weiter als
Aristoteles. Laut Kant beschrieb der Stagirit zufälligerweise die zehn logischen Kategorien,
aber er stellte ihren Erkenntniswert nicht fest, behandelte nicht ihren objektiven Charakter,
60
bestimmte nicht die Deduktion der Kategorien auf Grund eines einheitlichen Prinzips. „Da er
kein Prinzip hatte, so griff er sie auf, je nach dem sie ihm begegneten, und sammelte zuerst 10
Begriffe, die er Kategorien (Prädikamente) nannte. Dann schien es ihm, dass er noch fünf
solcher Begriffe fand, die er den vorigen unter dem Namen Postprädikamente hinzufügte.” 51
Kant beschrieb gewissenhaft seine Tabelle und das Prinzip des Herangehens an die logischen
Kategorien. Vor allem stellte er die Frage nach der Notwendigkeit eines einheitlichen Prinzips
bei der Kategoriendeduktion. Freilich leitete er sie von der Funktion des Urteils ab.
Nichtsdestoweniger bleibt die Fragestellung über die Notwendigkeit der Kategorienableitung
von einem einheitlichen Prinzip eine wertvolle Errungenschaft der Philosophie. „Diese
Einteilung”, schrieb Kant, „wurde systematisch aus dem allgemeinen Einheitsprinzip, nämlich
aus der Urteilsfähigkeit (die nichts anders ist als die Denkfähigkeit) erstellt; sie entwickelte
sich nicht aus fragmentarischer, aufs Geratewohl unternommener Suche nach reinen
Begriffen, deren Bestandsüberflusses man niemals sicher sein kann, denn man schlussfolgert
über sie nur aus der Induktionsgrundlage, geschweige denn, dass man durch die Induktion
niemals feststellen kann, warum eben diese und nicht die anderen Begriffe dem reinen
Verstand eigen sind.” 52
Es ist selbstverständlich, dass, laut Kant, „derselbe Verstand und dieselben Handlungen, die
durch analytische Einheit die logische Form des Urteils in Begriffen zu Stande bringt, auch
den transzendentalen Inhalt in seine Vorstellungen durch die synthetische Einheit der
Vielfältigkeit in der Beobachtung im allgemeinen hineinträgt, infolgedessen sie reine
Verstandsbegriffe genannt werden und a priori auf Objekte bezogen werden, was die
allgemeine Logik nicht geben kann.” 53
Die kantische Deduktion entbehrt auch nicht der Fehler, ihre Formelhaftigkeit wurde schon
von Hegel bemerkt. Wenn Hegel sich bei der Deduktion der Kategorien auf die Geschichte
der Erkenntnis stützt, so strebt Kant danach, sie von den gegebenen Urteilsformen abzuleiten.
Hier zeigen sich die Beschränktheit und der Formalismus der kantischen Deduktion.
Immerhin ist in ihr ein Schritt vorwärts im Vergleich mit der vorigen Philosophie gemacht
worden. Kant strebt vor allem danach, die Klassifikation der Kategorien nicht subjektiv,
sondern objektiv, durch das Hervorheben eines bestimmten Gegenstandgebietes zu
begründen. Der Wert solch eines Herangehens ist unverkennbar, wenn man in Betracht zieht,
dass in der philosophischen Literatur jenes Gegenstandsgebiet noch nicht festgestellt worden
ist, innerhalb dessen die Zusammenhänge und Zusammenwirkungen der philosophischen
Kategorien bestimmt werden.
Kant schätzte seine Tabelle der Kategorien hoch ein: „Im theoretischen Teil der Philosophie
ist diese Tabelle höchst nützlich und sogar dafür notwendig, einen vollständigen Plan der
Wissenschaft als etwas Ganzes zu entwerfen, die sich auf apriorische Begriffe stützt, und sie
systemhaft nach bestimmten Prinzipien einteilt; das versteht sich von selbst schon daraus,
dass die Tabelle der Kategorien alle ursprünglichen Begriffe des Verstandes und sogar ihre
Systemform im menschlichen Verstand enthält, folglich weist sie auf alle Momente der
spekulativen Wissenschaft, die erst errichtet werden soll, und sogar auf ihre Ordnung hin.” 54
Wir leugnen auch nicht die Tatsache, dass die Kategorien miteinander verbunden sind und
dass man sich bei ihrer Klassifizierung von einheitlichen Prinzipien leiten lassen soll. Reale
Verbindungen der Gegenstände und Erscheinungen liegen dem Zusammenhang der
Kategorien zu Grunde. In der Welt gibt es nichts Isoliertes, alles befindet sich in allgemeiner
Verbindung. Ihren Ausdruck findet sie in den Gesetzen der Dialektik. Die Kategorien sind
Momente dieser universalen Verbindung. Die leninsche Charakteristik der Kausalitätstheorie
als ein allgemeines, universelles Moment der Verbindung gilt auch in Bezug auf alle
Kategorien der Philosophie. Sie alle nähern sich ständig in ihrer Einheit dem Erfassen des
ganzheitlichen Weltbildes. W.I. Lenin schrieb: „Die Kategorien muss man ableiten (und nicht
willkürlich oder mechanisch nehmen) nicht erzählend, nicht „beteuernd”, sondern
61
„nachweisend”, den einfachsten Grundlagen folgend (das Sein, nicht das Werden) (ohne
andere zu nehmen), hier, in ihnen „die ganze Entwicklung in diesem Keime.” 55
Der Grundmangel der kantischen Philosophie besteht darin, dass sie die Begriffe nicht vom
Leben, von der realen Grundlage ableitet, sondern stellt sie als reine und apriorische hin.
Ungeachtet dessen, dass
Kant bei Ableitung der Kategorien auf Funktionen der
Verstandesurteile hinweist, als ob sich daraus die Kategorien ergäben (d.h. nach Kant soll es
ebenso viele Begriffsarten geben, wie viele Arten es bei den logischen Urteilen gibt), aber in
Wirklichkeit werden diese Kategorien von Kant durch Deduktion nicht abgeleitet, sondern der
vorkantischen Formallogik) entnommen. Diesen Umstand hat bereits Hegel zu seiner Zeit
bemerkt, der schrieb: „Kant kommt zu solchen Ergebnissen dadurch, dass er sie einfach in der
alten Fassung nimmt, die sie in der üblichen Logik bekamen. In der allgemeinen Logik, sagt
er, wird eben auf besondere Urteilsarten hingewiesen; da aber das Urteil eine gewisse Art von
Wechselbeziehung der Vielfältigkeit ist, so treten in ihm jene mannigfaltigen Funktionen des
Denkens auf, die das „Ich” „in sich” enthalten. Wir aber unterscheiden folgende Urteilsarten:
allgemeine, besondere und einzelne; bejahende, verneinende, unendliche; kategorische,
hypothetische, disjunktive, assertorische, problematische und apodiktische.” 56
Der Hauptgesichtspunkt der kantischen Philosophie ist die Idee der Systemhaftigkeit von
Kategorien. Dabei betonte Kant, dass es sich nicht um ein einfaches Aggregat handelt,
sondern um die innere Einheit des Wissens. Er glaubte, dass diese Relativität „nur durch die
Vermittlung von der Idee des apriorischen Verstandeswissens als Ganzes, und infolge der
daraus folgenden Teilung der Begriffe, die diese Ganzheitsidee bilden, möglich ist, deshalb ist
sie dadurch möglich, dass sie zu einem System zusammen geflochten wird.” 57
Kants Lehre von der Systemhaftigkeit der Kategorien ist höchst aktuell. Sie zeugt davon, dass
das Verständnis der Logik als ein System von innerlich zusammenhängenden Kategorien
durchaus keine Spezifik der Hegelschen Philosophie ist. Diese Idee in ihrer Urform wird von
Kant in seiner transzendentalen Logik entwickelt. Freilich hat er die Grundgesetze und
Prinzipien der Dialektik noch nicht erarbeitet. Aber selbst der Gedanke über die
Systemhaftigkeit des Wissens und der logischen Kategorien bedeutet eine wertvolle
Errungenschaft der Philosophie.
Die Grundaufgabe seiner „Kritik der reinen Vernunft” sah Kant nicht in der Herstellung des
Kategoriensystems, sondern in der Herausarbeitung seiner Hauptprinzipien. Diese Aufgabe
hielt Kant für die allerschwierigste. „Die ursprünglichen Grundbegriffe besitzend”, schrieb
Kant, „ist es nicht schwer, von ihnen abgeleitete und untergeordnete Begriffe hinzuzufügen,
und auf diese Weise den Stammbaum der reinen Vernunft in seiner Fülle darzustellen. Da für
mich hier nicht die Vollkommenheit des Systems wichtig ist, verschiebe ich diese Ergänzung
auf einen anderen Fall.”58
Kant meinte, „dass das volle Vokabular dieser Begriffe mit allen nötigen Erläuterungen nicht
nur möglich, sondern leicht realisiert werden kann” 59 und schlug die Methode für Erarbeitung
dieses Vokabulars vor. So muss man, sagte er, der Kausalitätskategorie die Prädikabilien von
„Kraft, Handlung, Leiden, den Modalitätskategorien die Prädikabilien von Entstehung,
Schwund und Veränderung usw. hinzufügen.
All das hatte zweifellos eine positive Bedeutung in der Geschichte der Philosophie, obwohl es
in der hegelschen und dialektisch-materialistischen Logik auf Grund tiefgreifenderer
theoretischer Prinzipien kritisch überwunden wurde. In seiner Logik verstand Hegel ganz klar,
dass die abstrakte Fragestellung nach dem System zu keinem Resultat führen wird. Deswegen
erarbeitete er spezifische, dialektisch-logische Prinzipien: Konkretheit, Historismus und
Logizismus, Aufstieg von Konkretheit zu Abstraktheit, Widersprüchlichkeit, vermittels derer
das System der Logik errichtet wird.
Nach der Ableitung der Kategorien geht Kant zur Analyse der zweiten Seite der Deduktion
über, die die Objektivität der Kategorien a priori, ihre Anwendbarkeit auf jede mögliche
62
Erfahrung nachweisen soll. In diesem Zusammenhang entsteht gesetzmäßig die Frage danach,
dass die reinen Vernunftbegriffe sich nur auf die Denkform beziehen, d.h. an und für sich
fehlt ihnen jeglicher Inhalt, sie stehen in keiner Relation zu irgendeinem Gegenstand, sind
absolut leer und können zu keiner Erkenntnis führen; aber wenn sie als apriorische Begriffe
keiner Erfahrung entlehnt worden sind, so ist es unklar, aus welchem Grund wir sie auf die
Gegenstände beziehen können. Anders gesagt, die reinen Begriffe, als von der ganzen
Erfahrung unabhängige Erscheinungen, sollen eine Bedeutung bei jeder Erfahrung haben. Als
ihrer Herkunft nach subjektive Erscheinungen erheben sie ihrer Bedeutung nach Anspruch auf
empirische Objektivität. Wie kann das sein? Auf diese Frage antwortet Kant, dass wir in der
Erfahrung nicht mit dem Dingen in sich zu tun haben. In Bezug darauf, was die Dinge in sich
darstellen, kann der Verstand uns so wenig wie auch die Sinnlichkeit lehren.
So wie wir kein Recht haben zu behaupten, dass Dinge in sich in Raum und Zeit sind, ebenso
haben wir kein Recht zu behaupten, dass sie eine Größe besitzen, dass sie Substanzen sind,
und sich in der Relation Ursache und Wirkung befinden usw.
Nach Kants Meinung haben wir es in der Wirklichkeit nur mit den Erscheinungen zu tun,
deren Möglichkeit durch Formen der Kontemplation und des Denkens bestimmt wird. Darum
ist es an und für sich klar, dass nicht Begriffe der Erfahrung entnommen werden, sondern dass
ihre Möglichkeit durch Kategorien der Vernunft bedingt ist. Die Denkkategorien werden auf
die Gegenstände angewandt, haben das Recht auf objektive Bedeutung deswegen, weil sie
selbst im Grunde genommen die Erfahrung und Gegenstände der Erkenntnis schaffen. „Den
Gegenstand” erklärt Kant nur als Gegenstand der Erkenntnis, ihn vom Ding in sich
unterscheidend.
Den Ausgangspunkt der kantischen Deduktion bildet jene allgemeine Tatsache, dass die uns
unmittelbar gegebene vielfältige Kontemplation uns immer als innerlich zusammenhängend
erscheint. Die Zusammenfügung der Vielfältigkeit kann im Allgemeinen durch Sinnesorgane
niemals wahrgenommen werden und folglich kann sie auch nicht in reiner Form der
sinnlichen, anschaulichen Vorstellung bestehen. Sie muss auf die Vernunfterfahrung reduziert
werden (abgesehen davon, ob wir uns ihrer bewusst sind oder nicht, oder ob diese
Zusammenfügung der Vielfältigkeit in einer auschaulichen Vorstellung oder in irgendwelchen
Begriffen realisiert wird), der „wir den allgemeinen Namen Synthese geben, um damit zu
betonen, dass wir …uns im Objekt nichts Zusammenhängendes vorstellen können, was wir
vorher selbst nicht zusammengefügt haben; unter allen Vorstellungen ist die Verbindung das
einzige, was durch das Objekt nicht gegeben ist, und vielleicht nur durch das Subjekt selbst zu
Stande kommt, denn sie ist ein Akt seiner Selbständigkeit”.60
Von dieser allgemeinen Tatsache der Vielfältigkeitsverbindung, die auf den Verstand
reduziert werden soll, ging Kant zur Einheit der Apperzeption über, auf die sich die
Vielfältigkeit der Kontemplation in einer bestimmten Relation von Anfang an beziehen muss,
um die Möglichkeit der Verbindung durch den Verstand erhalten zu können. Kant schenkt
dieser Einheit der Apperzeption in seiner Deduktion besondere Aufmerksamkeit. Kategorien
sind Bedeutungen der Einheit des Selbstbewusstseins, darin liegt nach Kant der
charakteristische Zug der Deduktion. Die Verbindung bestimmt notwendigerweise die
Ureinheit des Selbstbewusstseins, das aus der Verbindung nicht entstehen kann. Eher
umgekehrt, „sie macht den Begriff der Verbindung vor allem dadurch möglich, dass sie sich
der Vorstellung über die Vielfältigkeit anschließt.” 61 Diese Einheit geht, nach Kant, allen
Verbindungsbegriffen a priori voran.
Die ursprüngliche Einheit der Apperzeption unterscheidet Kant von dem empirischen
Bewusstsein, wo das „Ich” nur den entsprechenden Zustand ohne jeglichen Bezug auf die
„Ich”-Einheit darstellt. Freilich, Kant unterscheidet manchmal die Einheit der Apperzeption
von der Apperzeption selbst. Die Einheit der Apperzeption im ersten Fall wird als diejenige
Einheit verstanden, die durch das Bewusstsein in eine vielfältige Vorstellung hineingetragen
63
wird. Aber meistenteils versteht Kant die Einheit der Apperzeption im Sinne ihrer Identität
und setzt sie der reinen Apperzeption gleich. In Bezug auf die analytische Einheit der
Apperzeption ist das richtig, immerhin bildet die synthetische Einheit eine Kombination der
ursprünglichen Apperzeption mit den anderen Elementen der Erkenntnis. Die analytische
Einheit der Apperzeption, d.h. die Tatsache, dass ich die Identität meines „Ichs”, dem
Bewusstsein zuführen kann, und dass ich immer, wenn ich über diese Identität nachdenke, die
Vorstellung „ich denke” auslösen kann, unterscheidet sich von der synthetischen Einheit der
Apperzeption. Die analytische Einheit ist erst durch die synthetische Einheit möglich. Die
Menge der Vorstellungen muss ich zu einer Einheit verbinden und das als etwas von mir
produziertes verstehen, nur in diesem Fall kann ich die Identität meines „Ichs” als
verbindendes Subjekt dem Bewusstsein zuführen.
Die analytische Einheit des Selbstbewusstseins ist erst dann möglich, wenn die Vorstellungen
bewusst zusammengebracht werden, und sie setzt dadurch die allgemeine
Verbindungsmöglichkeit meiner Vorstellungen voraus, ihre Fähigkeit, in der Einheit meines
Bewusstseins verknüpft zu sein. „Somit”, schrieb Kant, „ist die synthetische Einheit der
Vielfältigkeit (des Inhalts) von Kontemplationen, die uns a priori gegeben ist, die Grundlage
der Identität der Apperzeption selbst, die meiner bestimmten Denkweise a priori vorangeht.
Aber nicht der Gegenstand schließt in sich die Verbindung ein, die ihm durch Wahrnehmung
entlehnt werden kann, und nur infolgedessen kann sie durch den Verstand erfasst werden,
sondern die Verbindung selbst ist eine Funktion des Verstandes, und der Verstand selbst ist
etwas Anderes, als die Fähigkeit a priori zu verbinden und die Vielfältigkeit (den Inhalt) der
gegebenen Vorstellungen der Apperzeptionseinheit zuzuordnen. Dieses Prinzip ist die
wichtigste Grundlage des ganzen menschlichen Wissens.” 62
Bevor wir weiter gehen, wollen wir hier eine Anmerkung machen. Bei Kant kommen viele
Termini in verschiedenen Bedeutungen vor. Vor allem bezieht sich das auf den Begriff des
Gegenstandes. Die Gegenstände, die eine Wirkung auf mich ausüben und dadurch in mir
Empfindungen auslösen, sind reale Dinge im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Kant nennt sie
„Dinge in sich”. Ihnen ist eine reale, von meinen Vorstellungen unterschiedliche Existenz
eigen, absolut unabhängig von meiner vorstellenden Tätigkeit. Hingegen, die mir gegebenen
Gegenstände (Kant nennt sie auch Objekte, das ist ein Ausdruck, den er in einzelnen Fällen
auch in Bezug auf die Dinge in sich gebraucht) sind meinen Betrachtungen identisch. Die
letzteren nennt Kant als Produkte meiner betrachtenden Tätigkeit ebenfalls Erscheinungen,
während Erscheinungen in den Fällen, wo der Ausdruck „Kontemplation” die Selbständigkeit
der Betrachtung unterscheidet, werden Gegenstände der Betrachtung genannt.
In der kantischen Deduktion werden Zusammenhänge und Beziehungen entstellt und, wie
man sagt, auf den Kopf gestellt.
Der Ausgangspunkt der Erkenntnis und der Ableitung von Kategorien ist nach Kant die
ursprüngliche Einheit des Selbstbewusstseins. Begriffe verbinden ja nur sinnliche
Wahrnehmungen, denen zufolge Gegenstände der Erfahrung entstehen, deren Gesamtheit
Kant die Natur nennt. Die Synthese der Begriffe von sinnlichen Wahrnehmungen vollzieht
sich a priori. Kant erklärt das dadurch, dass Raum und Zeit auch apriorische Formen, Formen
der Kontemplation sind. Deshalb können wir dank der Einbildungskraft das sinnliche Schema
der Begriffe schaffen, a priori die Sinnlichkeit von Raum und Zeit durch Begriffe vereinigen.
Da aber Raum und Zeit Formen aller Erscheinungen sind, ergibt sich, dass die Einheit des
Bewusstseins durch Denkkategorien die Natur schafft. Den Ausgangspunkt der Erkenntnis
und Kategorien bilden in Wirklichkeit Einheit, Verbindung und Gesetzmäßigkeiten der
objektiven Welt, die jeder Erkenntnis wirklich vorangehen. Der rationelle Kern der kantischen
Auslegung besteht darin, dass er in der Einheit des Selbstbewusstseins die wirkliche
ursprüngliche Einheit, Verbindung und Gesetzmäßigkeit der Welt erraten hat.
64
Mit besonderem Nachdruck betonte Kant den Gedanken, dass die ganze Welt unserer
Kontemplation durch Einbildungskraft nach den Normen der Kategorien gesetzmäßig geformt
wird, weswegen die Kategorien selbst und die aus ihnen fließenden Gesetze der Natur wieder
in ihr entdeckt werden können. Er behauptet mit voller Bestimmtheit, dass die
Wahrnehmungen selbst auch erst durch die mittels der Kategorien verbindende Tätigkeit
möglich werden. „Es gibt nur zwei Wege”, weist Kant hin, „auf welchen man die notwendige
Übereinstimmung der Erfahrung mit den Begriffen über seine Gegenstände denken kann:
entweder die Erfahrung macht diese Begriffe möglich, oder diese Begriffe machen die
Erfahrung möglich. Das erste kann in Bezug auf die Kategorien nicht sein (und auch auf die
reine sinnliche Betrachtung), weil sie apriorische und demzufolge von der Erfahrung
unabhängige Begriffe sind… Es bleibt folglich nur die zweite [Annahme] (sei es ein System
der Epigenese der reinen Vernunft), und zwar, dass die Kategorien im Allgemeinen in sich
seitens der Vernunft die Grundlagen der Möglichkeit jeder Erfahrung enthalten”.63
Somit werden die Kontemplationen, deren Komplexe die Welt der Erscheinungen bilden,
durch die Bearbeitung nach Normen der Kategorien des Materials der Empfindungen
zusammengestellt, deshalb kann die gedankliche Erkenntnis dieser Welt der Kontemplationen
(der Welt der Erfahrung) durch Untersuchung derjenigen ihrer Zusammenhänge stattfinden,
die in den Urteilen mit Hilfe der Kategorien realisiert werden. Damit endet die Deduktion der
kantischen Philosophie.
Hegel schätzte die kantische Philosophie hoch ein, besonders Kants Lehre von den
synthetischen apriorischen Urteilen und von der ursprünglichen Einheit der Apperzeption,
weil er hier den Anfang des dialektischen Problemverständnisses sah. Deswegen unterschied
Hegel deutlich die kantische transzendentale Logik von der so genannten gedanklichen Logik.
Nach der gedanklichen Logik, bemerkte Hegel, „besitze ich Begriffe ebenso, wie ich
irgendwelche äußeren Merkmale besitze”. Diese gedankliche Vorstellung von einem Begriff
wurde zum ersten Mal durch die kantische Philosophie erschüttert, die den wichtigen
Grundsatz aufstellte, wie Hegel betonte, dass die Einheit, die das Wesen des Urteils bildet, die
ursprüngliche Einheit der Apperzeption ist. Die kantische transzendentale
Kategoriendeduktion hielt Hegel für einen der schwierigsten Teile von Kants Philosophie,
weil sie verlangt, dass wir weiter als die verstandesmäßige Begriffsvorstellung gehen sollen.
Bei der verstandesmäßigen Untersuchung des Begriffs steht jede Vielfältigkeit außerhalb des
Begriffs. Ihnen ist nur die Form der abstrakten Allgemeinheit eigen. Das synthetische
apriorische Urteil bleibt abstrakt nicht allgemein, sondern stellt solch eine Allgemeinheit dar,
wo der Unterschied eine ebensolche wesentliche Bedeutung hat. „Diese ursprüngliche
Synthese der Apperzeption”, schrieb Hegel, „stellt eines der tiefsten Prinzipien der
spekulativen Entfaltung dar; sie enthält in sich den ersten Schritt zum wahren Verständnis der
Begriffsnatur…” 64 Zweifelsohne verstand Hegel richtig, dass das synthetische apriorische
Urteil nach seiner logischen Natur und die ursprüngliche Einheit der Apperzeption dem
Abstrakt-Allgemeinen, dem Quantitativ-Allgemeinen, das keine Synthese in seinem Inneren
bildet, gegenüber gestellt werden. Deshalb ist es unmöglich, ein synthetisches apriorisches
Urteil durch Regeln der allgemeinen Logik zu erklären.
Kants Lehre vom synthetischen apriorischen Urteil war ein bedeutendes Ereignis in der
Geschichte der Logik. Darin erarbeitete Kant ziemlich tiefgründig das Problem des Anfangs,
die Lehre von dem dialektischen konkreten Begriff als einer Einheit von zahlreichen
Bestimmungen.
Im kantischem synthetischen Urteil a priori sah Hegel nicht nur die Aufdeckung des
Allgemeinen, sondern auch die Betonung der Notwendigkeit der Unterscheidung. Gleichzeitig
kritisierte Hegel scharf die Beschränktheit und Inkonsequenz der kantischen Dialektik. „Aber
diesem ersten Schritt”, schrieb Hegel, „entspricht die weitere Ausarbeitung wenig. Schon der
65
Ausdruck „Synthese” führt wieder leicht zur Vorstellung von irgendeiner äußeren Einheit und
zur nackten Kombination solcher Elemente, die an und für sich getrennt sind”.65
Die Hegelsche Kritik an Kant ist begründet, sie wird aus der Sicht der folgerichtigen Dialektik
geführt. Allgemeines, Besonderes und Einzelnes sind nicht von außen her miteinander
gekoppelt. Das Allgemeine, der Begriff in seiner eigenen, immanenten Bewegung produziert
das Besondere und Einzelne, die dem Allgemeinen nicht fremd sind, sondern treten als seine
Bestimmtheiten auf.
Bei allen Unzulänglichkeiten der Hegelschen Auslegung der Dialektik des Allgemeinen,
Besonderen und Einzelnen ist seine Kritik an Kant zweifellos fruchtbar. Kant war das Prinzip
der Entwicklung im Grunde genommen fremd, er verstand nicht die innere Einheit von
Allgemeinem, Besonderem und Einzelnem. In Kants Philosophie bleiben die Bestimmtheiten
des Allgemeinen und Einzelnen ursprünglich selbständig, und erst später kommt die Synthese
durch das Besondere – durch Formen der Zeit hinzu. Deshalb tritt die Beziehung des
Allgemeinen zum Einzelnen bei Kant nicht als Resultat der eigenen, immanenten Tätigkeit
des Allgemeinen auf, sondern bleibt als etwas Äußeres, eine von außen kommende Relation.
Lenin schätzte die Hegelsche Kritik an Kant hoch ein. Hegel widerlegt Kant gerade
gnoseologisch, betonte Lenin, die kantische Zwiespältigkeit und Inkonsequenz enthüllend.
„Marxisten kritisierten (am Anfang des XX. Jahrhunderts) die Kantianer und Humisten mehr
nach der Art von Feuerbach (und Büchner) als nach der Art von Hegel.” 66 Eben dort schrieb
er: „Plechanow … widerlegt rundweg nur ihre Denkweise, aber korrigiert nicht (wie Hegel
Kant korrigierte) diese Denkweise, vertieft, verallgemeinert, erweitert sie nicht, auf den
Zusammenhang und die Übergänge aller und jeglicher Begriffe hinweisend.” 67
In Kants Philosophie bleibt auch wichtig, dass er das Prinzip der Triplizität bei der
Klassifizierung von Kategorien einführte. Wenn Aristoteles die Kategorien nur aufzählte, so
teilte Kant 12 Kategorien in vier Gruppen ein. Jede Gruppe enthält drei Kategorien. Hegel
schätzte diese Seite der kantischen Deduktion hoch ein: „Nachdem die kantische nur
instinktiv gefundene, noch tote, noch in einem Urteil nicht gefasste Dreifachheit (Triplizität)
in ihre absolute Bedeutung gehoben wurde, wurde demnach die wahre Form in ihrer echten
Bedeutung festgestellt, und der Begriff der Wissenschaft trat in den Vordergrund.” 68
Hegel unterstrich absolut richtig die Vorzüge und Mängel der von Kant verstandenen
Dreifachheit. In der kantischen Philosophie erreichte die Idee der Dreifachheit noch nicht die
allgemeinen Formen, die Bedeutung der Grundgesetze der Entwicklung, denn Kant konnte
das Entwicklungsprinzip in die Logik nicht einführen. Deswegen trat das Prinzip der
Dreifachheit nicht als Allgemeingesetz auf, sondern als eine lokale und enge Regel in dieser
oder jener Gruppe. Hier ist es wichtig, dass Kant das Prinzip der Dreifachheit zum ersten Mal
auf die Logik anzuwenden versuchte, aber er erreichte nicht die inhaltliche, allgemeine
Bedeutung dieses Prinzips. Dieses erstmalig von Kant entdeckte Prinzip, zwar in
eingeschränkter Form und in Hegelscher Logik substanziell weiterentwickelt, ist das
grundlegende und allgemeine Gesetz der Dialektik als Logik der wissenschaftlichen
Erkenntnis.
Freilich trat das Prinzip der Dreifachheit bei Kant noch nicht als immanente Logik des
Prozesses auf. Immerhin weist Hegel richtig darauf hin, dass demzufolge „die wahre Form in
ihrem echten Inhalt festgestellt wurde und der Begriff der Wissenschaft hervortrat.” Hier sah
Hegel den Anfang der wahren Systematisierung der Wissenschaft, den Anfang der
dialektisch-logischen Betrachtung der Kategorien.
66
Das konkrete Verständnis des Anfangs (Hegel)
Eine besondere Stellung im Verstehen und in der Analyse des Begriffs „Anfang” nimmt die
hegelsche Philosophie ein. Die vorhegelsche Forschung zum Begriff des Anfangs enthielt
schwerwiegende Mängel, obwohl es auch einzelne wichtige Ausarbeitungen dieser Frage gab.
Die hegelsche Deutung des Anfangs ist innerlich mit der ganzen Problematik seiner Logik,
mit der Begründung des Systems der theoretischen Tätigkeit verbunden, die Hegel als die im
Laufe der historischen Entwicklung entstandene [Tätigkeit] verstand und erklärte. Der wahre
Träger, das Subjekt dieser reinen Tätigkeit ist die absolute Idee, die verschiedene
Formgestaltungen in ihrer Selbstentwicklung durchmacht. „Weil sie”, schrieb Hegel, „in sich
allerlei Bestimmtheit enthält und ihr Wesen aus der Rückkehr zu sich selbst über die eigene
Selbstbestimmung oder die Isolierung besteht, so hat sie unterschiedliche Formationen, und
die Aufgabe der Philosophie besteht darin, sie in diesen verschiedenen Formationen zu
erkennen.”69
Nach Hegel „ist die logische Idee die Idee selbst in ihrem reinen Wesen, denn sie (die Idee)
ist durch reine Identität in ihren Begriff nicht eingeschlossen und hat nicht angefangen, in
irgendeiner Bestimmtheit der Form zu leuchten. Somit stellt die Logik die Selbstbewegung
der absoluten Idee dar… Die absolute Idee selbst hat ferner als ihren Inhalt nur das, dass ihre
eigene, vollzogene Totalität, der reine Begriff ihre Formbestimmung bildet. Eben diese
Bestimmtheit der Idee und der ganze Gang der Entfaltung dieser Bestimmtheit bilden den
Gegenstand der logischen Wissenschaft, aus diesem Gang der Entfaltung entstand die
absolute Idee für sich.”70
Die Logik und die reine theoretische Tätigkeit (Bewegung der absoluten Idee) fallen nach
Hegel zusammen. In diesem Zusammenhang entsteht das Problem über den Anfang der Logik
und des logischen Prozesses.
Hegel kritisierte scharf diejenigen, die den Anfang als eine subjektive, willkürliche Art der
Gegenstandsbetrachtung behandeln. „Das Bedürfnis, das zu finden, womit man beginnen soll,
scheint unwichtig zu sein im Vergleich mit der Notwendigkeit, das Prinzip zu finden, weil,
wie es scheint, nur das einzige von Interesse ist, einzig und allein liegt das Wesen im Prinzip;
wir interessieren uns dafür, was Wahrheit ist, was die absolute Grundlage aller Dinge und
Erscheinungen ist”.71
Solch ein Verhalten zum Anfang kann Hegel nicht befriedigen. Er betonte, dass man erst in
der neuesten Zeit die Schwierigkeiten beim Feststellen des Anfangs zu verstehen begann. In
den philosophischen Systemen begann man sorgfältig zu begründen, dass der Anfang der
Wissenschaft unmittelbar oder mittelbar, einzeln oder allgemein sein muss. In diesen Lehren
wurde die Frage über den Anfang metaphysisch, formal gestellt. Die Beschränktheit der
gedanklichen Gegenüberstellung des Allgemeinen und des Einzelnen hat schon Kant in seiner
Lehre von den synthetischen apriorischen Kenntnissen nachgewiesen. Deswegen schrieb
Hegel: „Es ist leicht zu behaupten, … es kann weder das eine noch das andere sein; folglich
finden beide Arten des Anfangs ihre Widerlegung.” 72
Nach Hegel entstehen alle Hauptprobleme und Schwierigkeiten, die mit der Begründung des
Anfangs zusammenhängen, auf einer breiteren Grundlage, als es sich die dogmatische
Philosophie vorstellt. Das Problem des Anfangs entsteht vor allem dann, wo man das Wesen
des reinen Denkens als Ganzes zu verstehen sucht, und sich bemüht, das Denken, die
theoretische Tätigkeit in ihrer organischen und notwendigen Verbindung wieder zu erzeugen.
„Die philosophische Darstellung des Gedankenreichs,” schrieb Hegel, „d.h. in seiner eigenen
immanenten Tätigkeit, oder, was auf dasselbe hinausläuft, in seiner notwendigen
Entwicklung, sollte deshalb ein neues Unterfangen sein, und man war gezwungen, alles von
Anfang an zu beginnen.” 73
67
Tatsächlich, solch eine dialektische Behandlung der theoretischen Tätigkeit, des Denkens in
seiner systemhaften Form begann grundsätzlich erst Hegel. In der vorhegelschen Logik hatten
wir nur Ansätze, einige Aspekte der konkreten, dialektischen Untersuchung. Freilich,
übertrieb Hegel übermäßig das Denken selbst, wobei er den Entwicklungsprozess der
Denkkonkretheit mit der Entstehung der Konkretheit selbst identifizierte. Daher behandelte er
die absolute Idee als eine einzig wahre Realität, und alles Übrige, Natur und Gesellschaft,
verstand er als Erscheinungsform dieser allgemeinen Grundlage.
Nach Hegel ist der Begriff des Anfangs mit der systematischen Entwicklung des Wissens, mit
der Begründung der Logik als eines Systems von idealen Wesenheiten verbunden. Deshalb
betrachtet er es als unbefriedigend, jede Aufforderung, das ganze Unternehmen direkt mit der
inneren Offenbarung zu beginnen, die außerhalb der Methode und Logik steht. Er deckte die
Logik auf, die innere Einheit der Methode mit dem Inhalt, der Form mit dem Prinzip. „So
entsteht die Aufforderung”, schrieb Hegel, „dass das Prinzip zugleich der Anfang ist, und das,
was sich als erstes (primus) für das Denken bietet, wäre auch das Erste im Laufe der
Denkbewegung.”74
Die hegelsche Analyse des Begriffs des Anfangs hat eine wichtige Bedeutung. Wenn seine
Vorgänger den Inhalt abstrakt der Form gegenüberstellten, so werden sie hier als dialektische
Einheit betrachtet. Die Logik versteht Hegel als eine reine theoretische Tätigkeit, die von
Anfang an mit einem gewissen Inhalt zu tun hat. Die Entfaltung dieses Inhaltes ist einer
bestimmten Methode untergeordnet, sie ist die Entwicklung und Aufgliederung des Inhalts
selbst, sie ist seine Seele.
In der theoretischen Tätigkeit fällt die Form der Inhaltsentwicklung mit dem Prozess ihrer
Vertiefung zusammen, es verläuft die Entwicklung von Einfachheit zu Kompliziertheit, von
Allgemeinheit zu Einzelheit, von Abstraktheit zu Konkretheit. Infolgedessen sind die
Prinzipien nicht alles, und alle ihre Vorzüge bestehen darin, dass sie der Anfang eines
bestimmten, sich innerlich entwickelnden Systems sind. Deshalb irren sich diejenigen, die
danach trachten, das Verständnis des Konkreten und des Systems nur auf Prinzipien zu
reduzieren, die bei weitem nicht den ganzen Inhalt des Objekts ausmachen, sie erreichen es
erst im Laufe der Entfaltung ihres Inhalts. Weiter bestimmt Hegel konkret den Begriffs des
Anfangs. Er betrachtet den logischen Anfang sowohl als etwas Mittelbares wie auch
Unmittelbares. Im Begriff des Systemanfangs befinden sich diese Bestimmtheiten des
Denkens in einer dialektischen Einheit. Die Kategorie des Seins tritt als logischer Anfang erst
im System des reinen Wissens auf, in der Logik. Es tritt hier als eine Unmittelbarkeit auf, aber
in einem anderen System als Resultat der historischen Entwicklung des Bewusstseins. Die
„Phänomenologie des Geistes” ist die Wissenschaft über das Bewusstsein, die Darstellung
dessen, dass das Bewusstsein den Begriff der Wissenschaft als Resultat hat eine Mittelbarkeit,
d.h. es zeigt sich als das reine Wissen. Folglich, das reine Wissen ist durch den ganzen
Verlauf der Bewusstseinsentwicklung vermittelt. „In dieser Wissenschaft über den
erscheinenden Geist”, schrieb Hegel, „geht man von dem empirischen, sinnlichen
Bewusstsein aus, und das letztere ist das wahre unmittelbare Wissen; eben so klärt sich, wie
sich die Sache mit diesem unmittelbaren Wissen verhält.”75
Grundlage der Logik ist nach Hegel nicht das unmittelbare Bewusstsein, nicht das
Bewusstsein eines Individuums in seinem Verhalten zum Gegenstand, sondern ein Gedanke,
der seine Gegensätzlichkeit zum Gegenstand überwunden, seine Bestimmtheiten als
Momente seiner Entwicklung in sich eingeschlossen hat, und dadurch zu reinem Wissen
geworden ist. Als solcher ist er der Anfang, die ärmste Bestimmtheit der Logik, obwohl er
durch das Ergebnis des ganzen historischen Verlaufs des empirischen Bewusstseins vermittelt
wird. Das Sein als Anfang ist in der Logik im System der reinen Wesenheiten absolut
notwendig, wenn man sich von allen Nebenumständen abstrahiert und nur den
gegenständlichen Bereich des Denkens betrachtet, d.h. „das wahrnimmt, was vorhanden ist.”
68
Als Anfang ist das Sein eine Zelle des Systems der reinen theoretischen Tätigkeit, die die
logische Entwicklung möglich macht. Solch eine Bedeutung hat nach Hegel das reine Wissen
nur in der Logik, aber das Sein tritt als etwas Besonderes und Inhaltsreiches in der
„Phänomenologie des Geistes” auf. „Das reine Wissen”, schrieb Hegel, “als etwas in dieser
Einheit Zusammengeflossenes, hat jede Beziehung zu einem anderen und zur Vermittlung
aufgehoben; sie ist das, was der Unterschiede bar ist; folglich das, was der Unterschiede
beraubt war, hört selbst auf, das Wissen zu sein; es gibt jetzt nur die reine Unmittelbarkeit.”76
Nach Hegel sind die Unmittelbarkeit und die Mittelbarkeit absolut nicht voneinander getrennt,
sondern sie bilden eine Einheit, d.h. der Gedanke verfügt über
diese Charakteristiken in
Abhängigkeit davon, wo die Sache behandelt wird. Die einfache Unmittelbarkeit aber ist das
reine Sein. Das Sein ist, nach Hegel, der höchstabstrakte Gedanke in der logischen Entfaltung
des Denkens, und daher tritt es als Ausgangspunkt der Logik auf.
Hegel gab folgende Definition des Anfangs: „… Der Anfang muss absolut sein, oder, was
hier gleichbedeutend ist, der absolute Anfang; er muss somit nichts voraussetzen, durch nichts
vermittelt sein, auch keine Grundlage haben; er muss umgekehrt selbst die Grundlage der
ganzen Wissenschaft sein, er muss deshalb etwas gänzlich Unmittelbares, oder genauer
gesagt, nur das Unmittelbarste sein. Er kann keine einzige Bestimmung in Bezug auf den
anderen haben, denn er kann keine Bestimmungen auch in sich intern besitzen, kann in sich
keinen Inhalt schließen, weil der Inhalt solcher Art eine Unterscheidung und
Wechselbeziehung des Verschiedenen zueinander wäre, folglich etwas Mittelbares.” 77
In Verbindung damit trat Hegel entschieden gegen diejenigen auf, die den Anfang als etwas
Hypothetisches verstanden. Auf die Unzulänglichkeit solch einer Betrachtungsweise
hinweisend, bemüht sich der große Dialektiker, ein allgemeines Schema und den Inhalt der
logischen Vorwärtsbewegung des Gedankens zu geben. Nach Hegel ist die
Vorwärtsbewegung des Gedankens zugleich Rückwärtsbewegung zur Basis. Nur in solch
einer Bewegung offenbart sich, dass der Anfang nicht etwas willkürliches, sondern wahr ist.
„Die Vorwärtsbewegung”, schrieb er, „ist die Rückkehr zur Basis, zum Ursprünglichen und
Wahrhaftigen”, wovon das abhängt, womit man beginnt, und wodurch es wirklich
hervorgebracht wird. So, zum Beispiel, wird das Bewusstsein auf seinem Wege von der
Unmittelbarkeit, womit es beginnt, zum absoluten Wissen wie zu seiner internsten Wahrheit
zurückgeführt. Dieses Letzte, die Basis ist auch zugleich das, woraus sich das Erste
entwickelt, das anfangs als Unmittelbares auftrat.” 78
Erstmalig in der Geschichte der Philosophie erforschte Hegel tiefschürfend die Dialektik des
Anfangs und Resultats, der Ursache und Wirkung. Nach Hegel sind die Begriffe des Anfangs
und Resultats keine abstrakten Gegensätze, weil die Bewegung, die logische Entwicklung
vom Abstrakten zum Konkreten ein ganzheitlicher Prozess, das Werden des Konkreten ist.
Der Anfangspunkt tritt erst als abstraktes Moment dieser Konkretheit auf. Diesen Umstand
illustrierte Hegel am Beispiel der Beziehung des konkreten Geistes zum unmittelbaren uns
abstrakten Sein. „So wird,” schreibt Hegel, „noch in größerem Maße der absolute Geist, der
sich als konkrete und letzte hohe Wahrheit des ganzen Seins ergibt, sich als frei
Entfremdender am Ende der Entwicklung und sich Befreiender erkannt, um die Gestalt des
unmittelbaren Seins anzunehmen, als Geist, der sich entschlossen hat, die Welt zu erschaffen,
in der alles enthalten ist, was in die Entwicklung, die diesem Resultat voranging, hineinpasste,
und was sich dank dieser Rücklage zusammen mit seinem Anfang in etwas bestimmtes, vom
Resultat wie vom Prinzip abhängendes, verwandelte.”79
In Hegels Philosophie wird das Konkrete als Produkt der Selbstbewegung, der
Selbstentwicklung dargestellt. Der Anfang der Möglichkeit hat in seiner Entwicklung den
ganzen Inhalt der künftigen Logik. Die logische Bewegung vom Anfang, vom Sein zur
absoluten Idee bildet, im Grunde genommen, die Selbstbegründung des Anfangs, die im
Laufe der Entwicklung noch tiefere und inhaltsreichere Bestimmtheiten bekommt. Deshalb
69
entsteht der Eindruck, dass das Resultat selbst die Basis und der Anfang das Resultat sei.
Deswegen erklärte Hegel mehrmals, „dass das Wesentliche für die Wissenschaft eben nicht
das ist, das als Anfang etwas Unmittelbares dient, sondern das, das ihre volle Ganzheit in
Wirklichkeit ein Kreislauf in sich selbst ist, in dem das Erste auch das Letzte sein wird, und
das Letzte auch das Erste.” 80
Dieser Grundsatz von Hegel hatte eine fundamentale Bedeutung für die wissenschaftliche
Erkenntnis. Hegel verfolgte die logische Bewegung des Gedankens vom Anfang bis zur
Konkretheit hin. Im Laufe der Bewegung des Gedankens verliert, nach Hegel, der Anfang
seine Einseitigkeit und Abstraktheit und wird immer inhaltsreicher und inhaltsreicher,
wodurch der Gedanke hervorgehoben wird, dass noch nicht die ganze Wahrheit in Form des
Anfangs der Erkenntnislogik erkannt wird, sondern nur ihre eine Seite. Nur der ganze Prozess
der theoretischen Entwicklung zeigt den Inhaltsreichtum, und die wahre Begründung des
Anfangs. Es wäre aber auch falsch, den Anfang als etwas Vorläufiges und Willkürliches zu
betrachten, dessen Wahrhaftigkeit nur im Resultate der theoretischen Forschung klargestellt
werden kann. In Wirklichkeit wird die Bedeutung des Anfangs eines theoretischen Systems,
seines objektiven Inhalts durch den Charakter des zu behandelnden Objekts festgestellt. „Aber
jener Umstand”, schrieb Hegel, „dass nur das Resultat sich als absolute Basis erweist,
bedeutet bei weitem nicht, dass die Vorwärtsbewegung dieser Erkenntnis etwas Vorläufiges
oder etwas Problematisches und Hypothetisches ist. Dieser Vorwärtszug der Erkenntnis muss
durch die Wesenheit der Dinge und durch den Inhalt selbst bestimmt werden. Der oben
behandelte Anfang ist nicht etwas Willkürliches, sondern etwas nur zeitweilig
Vermutetes…”81
Nach der Charakterisierung des Grundinhaltes des Anfangsbegriffs geht Hegel zur
Begründung des Anfangs in der Logik über. Für solch einen Anfang hält er das Sein, weil es
die unmittelbare, die ärmste Bestimmtheit vom System des reinen Wissens ist. Wenn das Sein
für seine Begründung etwas anderes benötigte, so wäre es inhaltsreich und, folglich, könnte es
nicht als Anfang des Systems behandelt werden. Alles Inhaltsreiche und Konkrete, nach
Hegel, benötigt Voraussetzungen, der Ausgangsanfang aber braucht sie nicht. Hegel betonte,
dass das reine Wissen als Ergebnis der bestimmten Deduktion, der bestimmten
Bewusstseinsentwicklung ein System, ein intern gebundenes Ganzes bildet, das einen Anfang
und ein Resultat hat. Am Anfang dieses Systems unterscheidet sich das reine Wissen nicht
vom reinen Sein, das aller Bestimmtheiten ledig ist. Deshalb liegt im reinen Wissen kein
Inhalt außer dem Sein, und es ist unmöglich, die Logik mit einem anderen Punkt zu beginnen.
Hegel kritisiert diejenigen, die die Wissenschaft nicht mit dem Sein, sondern mit der
Vorstellung über den Anfang beginnen wollen. „Auch mit dieser Handlungsart,” schreibt er,
„hätten wir keinen besonderen Gegenstand bekommen, weil der Anfang als Anfang des
Denkens völlig abstrakt, völlig allgemein sein soll, es soll gänzlich eine Form ohne jeglichen
Inhalt sein; wir hätten folglich nichts anderes als Vorstellungen über den nackten Anfang als
solchen. Wir müssen daher nur hinschauen, was wir in dieser Vorstellung haben.” 82 Das ist
zweifellos eine wertvolle Bemerkung. Es handelt sich darum, dass der Anfangsbegriff des
Anfangs erst innerhalb des Systems eine Bedeutung hat, aber die Vorstellung davon liegt
außerhalb dessen und bleibt daher eine Vorbemerkung. In der hegelschen Deutung des
Anfangs handelt es sich um die inhaltslose Bestimmtheit, die mit etwas zusammenfällt, „er ist
nicht das Sein, das zugleich auch das Sein ist, und auch das Sein, das zugleich auch das
Nichtsein ist”. Aber diese Gegensätze treten ursprünglich in unentwickelter Form auf, sie
befinden sich in einer unmittelbaren Einheit. Als Anfang darf man, nach Hegel, nicht etwas
Zusammengesetzes und Konkretes, das in sich das Mittelbare enthält, behandeln. Hegel
unterscheidet das Konkrete in der Vorstellung vom konkreten Gedanken. Der letzte ist das
notwendige Ergebnis der Gestaltung und Bewegung des Gedankens. Infolgedessen beginnt
der Gedanke nicht mit der Konkretheit, sondern er hat als seinen Ausgangspunkt nur das
70
einfache Unmittelbare. „Außerdem”, schrieb Hegel, „wenn man das Konkrete zum Anfang
macht, so fehlt es an Beweis, den die Vereinigung der im Konkreten enthaltenen
Bestimmungen braucht.” 83 Die Wissenschaft, nach Hegel, kann auch nicht direkt mit dem
Wesentlichen beginnen, denn das Wesentliche wäre in diesem Fall seinem Inhalt nach etwas
Abstraktes. Ein beliebiger als Anfang zu betrachtender Gegenstand wird unter der
Abstraktheit, der Leere des Daseins leiden.
Hegel übt an den Ansichten derer, die das „Ich” als Anfang betrachten, gerechtfertigte Kritik.
Dieser Gedanke, nach Hegel, entstand auf der Grundlage, dass man alle weiteren Inhalte von
dem ersten ableiten soll. Das alles scheint dem gesunden Menschenverstand nicht zu
widersprechen, denn das „Ich” ist wirklich auf den ersten Blick etwas Unbekanntes im
Vergleich mit den anderen Vorstellungen. In Wirklichkeit ist das „Ich” konkret. Damit das
„Ich” zum Anfang der Logik wird, ist eine hohe Abstraktion, „seine Reinigung von sich
selbst” nötig. Aber das wird schon kein gewöhnliches und unmittelbares „Ich” sein, sondern
ein Aufsteigen zum Standpunkt des reinen Wissens.
Die Forderung, mit dem unmittelbaren „Ich” zu beginnen, führt weg von der
Logikproblematik und hin zu den Problemen der „Phänomenologie des Geistes”, wo der
Prozess des Erhöhung des individuellen Bewusstseins auf das Niveau des reinen Wissens
realisiert wird. Ohne diese Deduktion, sagt Hegel, ist jeder Hinweis auf das Bewusstsein
unbegründet. Infolgedessen gehen alle Vorzüge, die aus diesem Anfang der Philosophie
entstehen, verloren.
Das reine Wissen ist ein Resultat der bekannten Bewegung der sinnlichen Glaubwürdigkeit
zum absoluten Wissen. Der Anfang der Logik kann nur das reine Wissen sein, in dem die
Gegensätze zwischen Bewusstsein und Gegenstand überwunden sind. Nach dem logischen
Gehalt ist er das Sein, ungeachtet dessen, welchen erhabenen Namen man ihm auch gibt und
wie man es auch absolut und ewig bestimmen würde.
In seiner Logik beschränkt sich Hegel nicht auf die Begründung des Anfangs, sondern
verfolgt tiefgründig den logischen Prozess des Aufstiegs vom Sein zur absoluten Idee hin. Als
Kernpunkt, als immanente Quelle dieser logischen Bewegung gilt das Gesetz der Identität der
Gegensätze.
Erstmalig in der Geschichte der Philosophie erarbeitete Hegel den Begriff der Kategorie. Alle
logischen Kategorien sind für ihn intern miteinander verbunden und bilden ein integriertes
System, das sich vom Niedrigsten zum Höchsten entwickelt. Die Kategorien treten als Stufen,
als Knotenpunkte des sich selbst entwickelnden ontologischen Denkens auf. Das Denken, die
theoretische Aktivität wird von Hegel als einzig wahre Realität behandelt.
Aber ein wichtiges Verdienst von Hegel besteht darin, dass er sich bemühte, das Wesen des
Denkens als Ganzes zu verstehen. Er untersuchte nicht irgendwelche einzelne Seiten und
Formen des Denkens, sondern war bestrebt, das ganzheitliche Denken in all seiner
organischen und notwendiger Verbindung vom Niedrigsten zum Höchsten, als einen Prozess,
der dem Prinzip des Aufstiegs vom Abstrakten zum Konkreten untergeordnet ist,
nachzubilden.
Nachdem er aber die Frage über das inhaltliche und sich entwickelnde Denken richtig gestellt
hatte, hypertrophierte Hegel das Denken selbst, interpretierte es als absolut selbständige
Realität. Er verzichtete auf so eine wichtige und wahre Charakteristik des Denkens wie die
Widerspiegelung der objektiven Realität. Deswegen wird das Verstehen des Denkens in
Hegels Philosophie entstellt, weil der Prozess der theoretischen Meisterung der konkreten
Wirklichkeit der Entstehung und Formbildung selbst der Wirklichkeit gleichgesetzt wird.
Infolgedessen behandelt er das Denken als das echte Objekt jeder Entwicklung und
Veränderung, und die Wirklichkeit wird als Produkt, als Erscheinungsform dieser
allgemeinen Basis verstanden. In Bezug auf diese Seite der hegelschen Philosophie schrieb
Marx: „Die Idee verwandelt sich in das selbständige Subjekt, und die echte Beziehung der
71
Familie und der Zivilgesellschaft zum Staat verwandelt sich in eine imaginäre innere
Tätigkeit der Idee”.84 Und weiter: „Die Wirklichkeit verwandelt sich in ein Phänomen, aber
die Idee hat keinen anderen Inhalt als dieses Phänomen. Die Idee hat auch kein anderes Ziel
als das logische: „ein unendlicher, wirklicher Geist für sich selbst zu werden…”85
Im Großem und Ganzen sind die Grundlagen der hegelschen Logik falsch und der Wahrheit
fremd. Idealistisch bleibt selbst der Begriff der Logik als einer „reinen” Wissenschaft, als
„Reich der reinen Begriffe”, die ursprünglich und unabhängig von der Natur existieren.
Ungeachtet dessen ist sie die dialektische Logik. Dort findet man zahlreiche fruchtbringende
Ideen: den Gedanken über den konkreten Begriff des Anfangs, über die Einheit des
Allgemeinen, des Besonderen und des Einzigen, über Gegensätze und Systemhaftigkeit der
Kenntnisse usw., die zweifellos zu den großen Errungenschaften des philosophischen
Denkens gehören. Deshalb interessieren wir uns in Hegels Logik in erster Linie für die
rationellen Momente seiner Dialektik und Logik. „Wenn diese vergessene Dialektik”, schrieb
Engels, „sogar von der Sicht des reinen Denkens zu solchen Resultaten führte…, besitzt sie
folglich jedenfalls etwas Größeres als einfach Sophistik und scholastische Raffiniertheit”.86
Denkformen und Kategorien behandelte Hegel vom Standpunkt der idealistischen Dialektik
aus. Er erforschte das Denken vom Gesichtspunkt des Verstandes und der Vernunft. Deshalb
soll das wahrlich-wissenschaftliche Herangehen an Begriffe den abstrakten Begriff von dem
konkreten unterscheiden. In der herkömmlichen Logik sieht man den Unterschied zwischen
dem Verstand und der Vernunft darin, dass man unter dem Verstand die Fähigkeit zur
Begriffsbildung im Allgemeinen versteht, in dem die Vernunftkraft in der Fähigkeit zu
Schlussfolgerungen liegt. Eine solche Meinung äußert auch Kant in der transzendentalen
Logik. Ungeachtet mancher Ähnlichkeiten in der Begriffseinteilung gibt es bei Kant und
Hegel grundsätzliche Unterschiede. Für Kant liegen die Urteilsformen den gedanklichen
Kategorien zu Grunde; für die Deduktion der Vernunft sind die Schlussfolgerungsformen
nötig. Hegel geht jedoch an diese Frage von einem anderen Standpunkt heran. Begriffe,
Urteile und Schlussfolgerungen behandelt er als Verstandesformen, wenn man sie formell und
abstrakt betrachtet. Konkret können alle Gedanken sein, wenn sie nur Inhaltsformen sind.
Konkretheit und Abstraktheit unterscheidet Hegel nach dem Grad ihrer „Wahrhaftigkeit”.
Wenn ein konkreter Begriff die Wahrheit erfasst, das Wesen aufdeckt, selbst Wesen und
Wahrheit ist, so ist der abstrakte Verstandesbegriff kraft seiner Einseitigkeit, Unbeweglichkeit
und Gegensatzlosigkeit nicht imstande, das Wesen aufzudecken. Daher kommt der
tiefgehende Grundsatz von Hegel, dass es keine abstrakte Wahrheit gibt, sie ist immer
konkret. Die Wahrheit wird nur durch einen konkreten Begriff erfasst, der eine Menge
zahlreicher intern gegensätzlicher Bestimmungen ist.
Verstandsbegriffe sind infolge ihrer Einseitigkeit nicht imstande, die Wahrheit zu erfassen.
Sie ergreifen nur einzelne Seiten des Ganzen. Nach Hegel wird die abstrakte, gedankliche
Untersuchungsart dadurch charakterisiert, dass eine Seite von der anderen abgerissen wird,
wobei eine ernste Entstellung der Wirklichkeit stattfindet, weil das Leben vernünftig,
gegensatzvoll, fließend, beweglich und veränderlich ist. Der Verstand aber vereinfacht, macht
grob, zerlegt, lässt das Lebendige absterben, er stoppt die Bewegung, führt die qualitative
Vielfalt nicht auf die quantitative, löst die Vielfältigkeit von zufälligen Naturerscheinungen in
der abstrakten Notwendigkeit auf usw. „Die lebendige Kreativität der Natur verstummt in der
Stille des Gedankens. Ihre uns mit Wärme umgebende Vollkommenheit, die sich in Tausende
von anziehenden und wundervollen Erscheinungen organisiert, verwandelt sich in trockene
Formen und formlose Allgemeinheiten, die dem trüben Nordnebel ähnlich sind”.87
Sich auf die dialektische Methode und auf den objektiven Idealismus stützend, bemüht sich
Hegel, den Bruch zwischen Leben und Philosophie zu überwinden, die Theorie solcher
Begriffe zu begründen, die das Lebendige nicht vereinfachen, es nicht grob machen, es nicht
72
absterben lassen, sondern es als Lebendiges zeigen, wenn auch nicht in der vollen
Farbenskala, so wenigstens in seiner wesentlichen Vielfalt.
Darin sah Hegel die Aufgabe der dialektischen Logik, die die Kategorien in ihrer Bewegung,
Gegensätzlichkeit und notwendigen Verbindung untersucht. „Damit diese toten Knochen der
Logik durch den Geist lebendig werden und auf diese Weise Inhalt und Fülle bekommen,
muss ihre Methode diejenige sein, die allein imstande ist, sie in eine reine Wissenschaft zu
verwandeln. In dem Zustand, in dem sie sich befindet, gibt es noch keine Vorahnung der
wissenschaftlichen Methode”.88
Hier charakterisierte Hegel das Wesen seiner dialektischen Methode. Jede Erscheinung, nach
Hegel, verneint sich selbst in ihrer Entwicklung. Der abstrakte Blickwinkel auf die Negation
entspricht nicht der Wahrheit. In der Vorwärtsbewegung des Gedankens zeigt das Negative
auch seine positive Seite. Um es bestimmter zu sagen, verwandelt sich das in sich
Widerspruchsvolle nicht in eine Null, löst sich nicht in einem absoluten Nichts auf, sondern in
der Verneinung seines eigenen Inhalts. Diese als Resultat erhaltene Negation ist ein reicherer
Begriff als der vorangehende, weil er sich durch die Negation bereichert hat. Er bildet eine
Synthese der in den vorhergehenden Bestimmungen enthaltenen Momente. „Er enthält
folglich in sich den alten Begriff, aber enthält mehr als diesen Begriff in sich, er wird zur
Einheit in sich selbst und seiner Gegensätzlichkeit.”89 Durch diese im Grunde genommen
idealistische dialektische Methode, die Hegel erstmalig in der “Phänomenologie des Geistes”
angewandt hatte, wurde die alte gedankliche Logik umgestaltet und die neue dialektische
Logik herausgearbeitet.
Hier tritt vor allem Hegels logische Lehre vom Inhaltsreichtum des Denkens auf. Er kritisiert
die Formallogik für die Loslösung des Denkens und der Begriffe vom Inhalt. „Wenn man
Logik als eine Lehre vom Denken betrachtet, so versteht man darunter, dass dieses Denken
nur eine nackte Form irgend einer Erkenntnis darstellt, dass Logik sich von jeglichem Inhalt
abstrahiert.” 90 Aber solch eine Behauptung ist an und für sich, sagt Hegel, nicht stichhaltig,
denn Logik hat das Denken zu ihrem Gegenstand, das eben ihren Grundgehalt ausmacht. Die
Inhaltlosigkeit der Denkform aber betrachtet Hegel als Resultat der gedanklichen Behandlung,
die nicht imstande ist, sie im Prozesse der Entwicklung zu verfolgen. Deswegen stellen sie
tote Formen dar, wo der „Geist nicht wohnt”, der ihre lebendige, konkrete Einheit bildet.
Hegel betonte mehrmals den richtigen Gedanken, dass, wenn Begriffe nur tote Denkformen
wären, es absolut unnötig wäre, sie zu kennen. „Aber in Wirklichkeit,” schrieb Hegel, „sind
die Begriffsformen, gerade im Gegenteil der lebendige Wirklichkeitsgeist, und in der
Wirklichkeit ist nur das wahr, was infolge dieser Formen durch sie und in ihnen wahr ist.
Aber die Wahrheit dieser Formen, an und für sich genommen, so wie auch ihre notwendige
Verbindung wurde bis auf heute niemals behandelt, und war nie Forschungsgegenstand”.91
Die Forderung der inhaltlichen Betrachtungsweise ist einer der hervorragenden Grundsätze
der hegelschen Logik. Hegel hatte Recht, als er gegen die metaphysische Loslösung der Form
vom Inhalt auftrat. Aber hier ist auch sein Idealismus zu sehen, da er Begriffe nicht vom
Leben ableitet, sondern umgekehrt, die reale Welt als Resultat der Selbstentwicklung der
Begriffe betrachtet. Für Hegel tritt der Begriff als Subjekt der Entwicklung auf, aber das echte
Subjekt, wie Marx bemerkte, verwandelt sich in das Prädikat. Auf diese Weise erscheint der
Gedanke selbst als Inhalt des Gedankens. Deshalb ist er, nach Hegel, so wenig formelhaft,
enthält so wenig Inhalt für die wirkliche und wahre Erkenntnis. „Logik…”, schreibt Hegel,
„muss man als System der reinen Vernunft, als Reich des reinen Gedankens verstehen. Dieses
Reich ist die Wahrheit, wie sie unverhüllt in sich und für sich selbst ist.”92
Dieser Grundsatz hält der Kritik nicht stand. Hegels Philosophie ist voll von unversöhnlichen
Widersprüchen, und in ihr verbinden sich auf Schritt und Tritt rationelle Momente mit den
idealistischen, mit mystischem Inhalt. Hegel hatte Recht, wo er schreibt, dass es keine
inhaltslose, leere Form gibt, jede Form ist inhaltsreich. Und dabei rückt er als Nachweis etwas
73
Idealistische in den Vordergrund: „Begriff ist Anfang des ganzen Lebens” usw. In der
marxistischen Behandlung ist ein Begriff keine leere Hülle, kein unveränderlicher Behälter,
sondern Widerspiegelung der objektiven Realität. Eine Form hat keine Bedeutung, wenn sie
keine Inhaltsform ist. „Logik ist eine Lehre nicht von äußeren Denkformen”, schrieb Lenin,
„sondern von Entwicklungsgesetzen „aller materiellen, natürlichen und geistigen Dinge”, d.h.
Entwicklung des ganzen konkreten Weltinhalts…” 93
Obwohl Hegel die dialektische Logik für eine einzig wahrhafte Logik hielt, verneinte er
jedoch auch die Formallogik nicht, sondern betonte mehrmals die Bedeutung der
aristotelischen Logik. Aber die Wahrheit ergibt nur die dialektische Logik, die die
Formallogik nur als Moment in sich einschließt, so wie der Verstand als Moment der
Vernunft auftritt. Den Grundfehler der so genannten Verstandeslogik sieht Hegel in ihrer
Formalität, im Fehlen innerer Verbindung. Ohne sich auf die allgemeine Kritik der
Formallogik zu beschränken, übt er am formal-logischen Prinzip der Einteilung der Begriffe,
zum Beispiel in klare und dunkle, in konkrete und kontradiktorische usw. detaillierte Kritik.
Aus der Sicht der heutigen Wissenschaft ist vieles der hegelschen Kritik schon veraltet, aber
es ist wichtig, dass er Form und Inhalt in ihrer Einheit zu betrachten verlangte, Begriffe sollen
seiner Meinung nach nicht abstrakte Bestimmungen des Gedankens bleiben, sondern in ihrem
inneren Unterschied verstanden werden.
Nach Hegel erhalten sogar solche geprüfte Bestimmungen des Gedankens wie Allgemeinheit,
Besonderheit und Einzelheit einen anderen Sinn, weil nur die quantitative Seite in diesen
Bestimmungen erfasst wird. Die Allgemeinheit wird als das behandelt, was weitestgehend als
Besonderes und das Besondere als das, was weitestgehend das Einzelne ist. Aus der Sicht der
hegelschen dialektischen Logik ist ein Begriff nicht nur die Möglichkeit der Quantität, aber
zugleich auch der Qualität, d.h. seine Bestimmungen sind auch qualitativ unterschiedlich.
Hegel betrachtet das Allgemeine, Besondere und Einzelne nicht als verschiedene
Begriffsarten, sondern als Momente des Konkreten, des Wahren, des Allgemeinen. Ein
konkreter Begriff ist nach Hegel nicht einfach ein allgemeiner Begriff, der dem einzelnen und
besonderen gegenübersteht, keine nackte und abstrakte Gemeinsamkeit, sondern solch eine
Allgemeinheit, die in sich selbst, in ihrer Entwicklung ihr Anderes, d.h. das Einzelne und
Besondere enthält. Konkret ist solch ein Begriff, der das Allgemeine nicht außerhalb des
Besonderen, sondern in sich selbst findet. Hegel bemerkt, dass ein konkreter allgemeiner
Begriff eine Ganzheit von Momenten des Allgemeinen, des Besonderen und Einzelnen ist.
„Das allgemeine jedoch”, sagt Hegel, „ist etwas Einfaches, das zugleich auch das
Allerreichste in sich selbst ist, weil es ein Begriff ist.”94 Ein Begriff ist keine abstrakte, in sich
selbst identische Allgemeinheit. Das Allgemeine ist deshalb konkret, weil es vielfältig in sich
selbst ist, aber nicht jede Vielfältigkeit ist etwas Wahrhaft-Konkretes.
Hegel unterscheidet das Sinnlich-Konkrete und das Wahrhaft-Konkrete. Das SinnlichKonkrete ist nur der Form nach konkret, aber dem Inhalt nach ist es abstrakt. Es ist
mannigfaltig und in sich selbst unterschiedlich, aber es erreicht das Wahrhaft-Konkrete, den
Begriff eines Dings nicht. In diesem Zusammenhang übt Hegel Kritik am Empirismus von
Locke. Wenn Spinoza und Malebranche ihre Philosophie mit der unterschiedslosen
Allgemeinheit beginnen, so tritt Locke dagegen auf. Er behauptet, dass das Einzelne,
Sinnliche, Begrenzte, unmittelbar Seiende die Hauptgrundlage der Erkenntnis bildet. Nach
Hegel weisen Descartes und Spinoza nicht auf den Velauf der Ideenentstehung hin. Sie
nehmen sie als Definitionen hin wie zum Beispiel Substanz, Unendlichkeit, Modus, Dehnung
usw., die keine absolut zusammenhängende Reihe bilden. Nach Hegels Meinung verließ
Locke den Weg der nackten Definitionen und machte den Versuch, allgemeine Begriffe
abzuleiten. Das ist ein unverkennbares Verdienst der lockeschen Philosophie.
Locke kritisiert zu Recht das abstrakt Allgemeine von Spinoza und Malebranche, verfällt aber
selbst in Einseitigkeit und Subjektivismus, als er die Existenz des Allgemeinen rundweg
74
verneint. Nach Lockes Meinung, wenn das Allgemeine, die Art existieren, so wären
Abweichungen von ihnen unmöglich. Hegel lehnt den Subjektivismus von Locke ab, der die
Objektivität des Allgemeinen verneint. In Bezug auf diese Frage betont er, dass „die Arten
nicht nur eine Gesamtheit ähnlicher Merkmale, die von uns errichtete Abstraktion darstellen,
dass sie nicht nur über gemeinsame Merkmale verfügen, sondern das echte innere Wesen der
Gegenstände selbst bilden; und ebenso dienen uns die Reihen nicht nur zur Erleichterung
unseres Tierartenüberblicks, sondern sind Leitersprossen der Natur.”95 Das ist eine der
tiefsinnigsten Grundlagen der hegelschen Logik. Hier betonte Hegel auch, dass das
Allgemeine dem Besonderen nicht gleichgültig ist; es stellt eine sich selber füllende
Allgemeinheit dar, die in sich das Besondere enthält. Für Hegel ist die Einheit von Einzelnem
und Besonderem wichtig. „Wenn Arten und Kräfte die innere Seite der Natur bilden und das
Äußere und Einzelne im Vergleich mit dieser Allgemeinheit vorübergehend und winzig ist, so
verlangen wir jedoch als die dritte Stufe etwas noch Interneres als das, was das Innere des
Innersten darstellt, und das ist dem Vorangehenden zufolge, die Einheit des Allgemeinen und
des Einzelnen.” 96
Nach Hegel ist das Auseinanderreißen des Allgemeinen, Besonderen und Einzelnen nicht
stichhaltig, denn solch eine abstrakte Allgemeinheit, die außerhalb des Besonderen liegt, wäre
selbst eine neue Besonderheit. Die Schwäche des Verstandes besteht darin, dass er gerade
jene Bestimmung beseitigt, die er selber festlegt. Der Verstand will in seiner Behandlung das
Besondere vom Allgemeinen loslösen, aber in der Tat stellt sich heraus, dass das Besondere
infolgedessen in das Allgemeine hineingeführt wird. Daher stellt sich das wirklich Seiende als
Einheit des Allgemeinen und des Besonderen heraus.
Das wahrhaft Allgemeine, als Einheit des Besonderen mit dem Einzelnen gesehen, stellt einen
lebendigen Gedanken her, von dem man sagen kann, dass tausend Jahre notwendig waren, um
zum Bewusstsein der Menschen vorzudringen. Dieser Grundsatz von Hegel ist im
Wesentlichen richtig. Zwischen dem Abstrakt-Allgemeinen und dem Wahrhaft-Allgemeinen
besteht ein großer Unterschied: ein allgemeiner Begriff ist nicht abstrakt, sondern konkret.
Hier fand Hegel eine wahre dialektische Kategorie heraus. Wenn das Allgemeine einen
konkreten Charakter hat, so ist es mit dem Besonderen und Einzelnen einig. Das konkrete
Allgemeine ist, nach Hegel, ein Resultat der Entwicklung, etwas Gewordenes. Über den
konkreten Begriff kann man sagen, dass er eine einfache Bestimmung ist, aber so einfach,
dass er den höchsten Grad von Unterschiedlichkeit und Bestimmtheit in seinem Inneren
enthält. Daher unterscheidet sich die Einfachheit der Begriffe grundsätzlich von der
Einfachheit des Daseins, das aller Bestimmtheit ledig ist, und bildet deswegen so eine
Einfachheit, die in ihrer Gegensätzlichkeit verschwindet; ihr Begriff ist das Werden.
Übrigens, das Werden ist der erste konkrete Begriff des logischen Systems von Hegel. Eben
im Werden wird die Abstraktheit der Kategorien des Seins und Nichts aufgehoben. Das
Werden ist die erste Konkretheit als Einheit der Gegensätze. Die große Rolle der Kategorie
des Werdens sieht man daran, dass ihr die heraklitische Etappe in der Philosophiegeschichte
entspricht. Der höchste Begriff, nach Hegel, ist die absolute Idee. Die Rolle und der Wert
anderer Kategorien des logischen Systems werden durch ihre Relation zur absoluten Idee
bestimmt, und die Rolle der philosophischen Systeme durch ihre Stelle in Bezug auf das
hegelsche System, das die Aufhebung der ganzen vorherigen Philosophie ist.
Somit ist der wahrhaft-allgemeine Begriff ein so einfacher Begriff, der zugleich das Reiche in
sich enthält. Wenn das abstrakte Allgemeine alles Besondere einfach verneint und dadurch
auf das Niveau des Besonderen sinkt, so verneint das konkrete Allgemeine das Einzelne und
Besondere, hebt sie hervor und unterscheidet sie von sich selbst nur, um sie zu vereinigen. Es
tritt nicht als nackte, metaphysische Negation auf, sondern bleibt als Einheit des Allgemeinen
und Besonderen, als ihre Synthese.
75
Außerdem, bei der Charakteristik des Begriffs des konkreten Allgemeinen vergleicht Hegel
ihn oft mit dem Sein, das, infolge seiner Armut in seinem anderen verschwindet, und als seine
Wahrheit eine andere von ihm unterschiedliche Bestimmung hat. Das Allgemeine als ein
konkreter Begriff verschwindet nicht in seinem anderen, bewahrt sich in ihm, kommt durch
ihn und infolge seiner zum Vorschein. Hegel schrieb darüber folgendes: „…Das Allgemeine,
wenn es sich in eine Bestimmung hineinlegt, bleibt darin eben das, was es ist. Es ist die Seele
jenes Konkreten, in dem es wohnt, ist nicht beengt und sich selber gleich in seiner Vielfalt
und Unterschiedlichkeit.” 97
Nach Hegel kann man über den allgemeinen Begriff nicht sagen, dass er „in sein Anderes
hinein scheint”, wie es bei den reflektierenden Bestimmungen vorkommt, die sich in ihrem
Anderen melden. Hegel zufolge ist es mit dem echten Allgemeinen ganz anders bestellt. Das
Allgemeine ist das Wesen dieser Bestimmungen. Das Wesen des konkreten Allgemeinen sieht
er darin, dass es sich selber und sein Anderes erfasst. Das Allgemeine, der Begriff tritt als das
Wesen seines Anderen auf.
Bei einem konkreten Begriff darf man nicht vom Allgemeinen sprechen, ohne die
Bestimmtheit zu erwähnen, die Besonderheit und Einzelheit ist. Die Bestimmtheit der
Allgemeinheit wird nicht von außen gegriffen, sie schließt ihre Bestimmtheit in sich als ihre
Negation ein. Nach Hegel ist der Begriff von dem Realen nicht abstrahiert. Es ist umgekehrt,
der Begriff produziert in seiner Entwicklung das Einzelne und Konkrete aus sich selbst. Bei
dem objektiven Idealisten Hegel wird die Entwicklung der realen Erscheinungen, wie es K.
Marx bemerkte, als „ein Resultat des in sich synthetisierenden, in sich vertiefenden und aus
sich selbst entwickelnden Denkens behandelt.” 98
Obwohl die hegelsche Vorstellung vom Begriff als einer Einheit des Allgemeinen, des
Besonderen und Einzelnen eine große Errungenschaft der vormarx’schen Logik ist, konnte
Hegel immerhin keine wissenschaftliche Lösung dieses Problems geben. An und für sich
führt das größte Prinzip, aus der Feder des objektiven Idealisten Hegel fließend, zu ganz
falschem Verständnis von Erscheinungen. Die hegelsche idealistische Dialektik mit der
materialistischen von K. Marx vergleichend, schrieb F. Engels: „Vergleichen Sie wenigstens
die Entwicklung der Ware zum Kapital bei Marx mit der Entwicklung des Seins zum Wesen
bei Hegel und Sie bekommen eine wunderbare Parallele: auf einer Seite ist eine konkrete
Entwicklung, wie sie in der Wirklichkeit vor sich geht, und auf der anderen Seite ist eine
abstrakte Konstruktion, wo im höchsten Grade geniale Gedanken und stellenweise sehr
wichtige Übergänge, wie zum Beispiel der Qualität in die Quantität und umgekehrt, in eine
scheinbare Selbstentwicklung eines Begriffs aus dem anderen verarbeitet werden.”99 Hegels
Lehre vom konkreten Begriff behandelt den Begriff in Einheit seiner Gegensätze. Die alte
Verstandesphilosophie leugnete die Gegensätze im Denken. In diesem Zusammenhang gehört
der kantischen Philosophie das Verdienst, dass sie die Notwendigkeit der Gegensätze, der
Antinomien, in der Vernunft nachgewiesen hat. Aber Kant sah in der Antinomie einen
Mangel der vernünftigen Erkenntnis. Das wird dadurch erklärt, dass das Verstandesdenken
noch auf ihm lastete. Aber es ist wichtig, dass Kant die Notwendigkeit der Widersprüche im
Denken zum Unterschied von der traditionellen Logik begründete, die im Widerspruch nur
die Willkür des Subjekts sah.
Der konkrete Begriff vereint den Gegensatz in der Identität und erkennt sie als Resultat eines
Prozesses an. Zuerst die unmittelbare Einheit, dann der Unterschied und endlich die
Versöhnung, die Synthese der Gegensätze – so ist das allgemeine Gesetz jeglicher
Entwicklung. Nach Hegels Meinung wird die Wahrheit nicht durch den abstrakt denkenden
Verstand und nicht durch die mystische Kontemplation erfasst, sondern durch die Vernunft,
und sie offenbart sich als Fähigkeit zum konkreten Begriff. Die Konkretheit ist so ein Begriff,
der seine Gegensätzlichkeit nicht aufgibt, sondern sich mit ihr vereint, und sich von der These
76
zur Antithese und mit ihr zur Synthese bewegt. Die Vernunft fixiert und verneint nicht die
Gegensätze, sie erkennt sie in der Lösung.
Der Gegenstand der Philosophie nach Hegel ist nicht das Relative, sondern das Absolute und
das Absolute ist nicht die ruhende Substanz, sondern ein lebendiges, in Unterschiede
zerfallendes und vermittels ihrer zur Identität zurückkehrendes Subjekt, das sich durch
Gegenstände entwickelt.
Das Absolute ist ein Prozess. Wenn die Wissenschaft der Wirklichkeit entsprechen will, so
muss sie eben solch ein Prozess sein. Philosophie ist eine Bewegung des Gedankens, ein
System von Begriffen, von denen jedes sich in das Nächste verwandelt, es aus sich selbst
eben so entwickelt, wie es selber aus dem Vorhergehenden entstand. Alles Wirkliche ist
Bewegung, und ihre Quelle ist Widerspruch. Ohne Widerspruch wäre keine Bewegung, kein
Leben möglich. Deshalb ist alles Wirkliche widerspruchsvoll und dennoch venünftig. Ein
Widerspruch ist nicht etwas Alogisches. Er ist das, was zum weiteren Denken zwingt. Man
muss ihn nicht vernichten, sondern „aufheben”, d.h. als etwas Negatives bewahren. Das spielt
sich dann ab, wenn einander widersprechende Begriffe zusammen in einem dritten gedacht
werden, in einem höheren oder weiteren, reicheren Begriff, dessen Momente sie werden. Jetzt
ist ihr Widerspruch überwunden. Aber diese Synthese ist nicht endgültig. Es entsteht ein
neuer Widerspruch, der seinerseits überwunden werden soll usw.
Jeder Einzelbegriff ist einseitig, unzureichend, er bedarf der Ergänzung durch seine
Gegensätzlichkeit und bildet erst in Verbindung mit ihr einen höchsten Begriff, der sich mehr
der Wahrheit nähert, aber erreicht sie noch nicht. Nach Hegel ist selbst der letzte und der
reichste Begriff – die absolute Idee – an und für sich noch keine volle Wahrheit. Zu dem
endgültigen Resultat gehört auch die ganze Entwicklung, die er durchgemacht hat. Nur dank
solch einer Dialektik der Begriffe entspricht die Philosophie der lebendigen Wirklichkeit. Die
Entwicklung der Begriffe ist die Wirklichkeit selbst. Der gedankliche Prozess ist kein
willkürliches Begriffspiel des denkenden Subjekts. Da die Welt und ihre Basis Entwicklung
ist, so kann sie nur durch Entwicklung erkannt werden. Das Gesetz, dem die Entwicklung
eines Begriffs folgt, sowohl in groben Zügen wie auch in Details, ist Bewegung vom Satz
zum Gegensatz und von ihm aus zur Vereinigung. Die Logik der Entwicklung des ganzen
Systems ist dem Gesetz der Negation der Negation untergeordnet. Auf diese Weise entsteht
ein Begriffssystem, weil seine dialektische Verarbeitung nicht nur die Aufdeckung der
inneren dialektischen Widersprüche in isolierten Einzelbegriffen ist, sondern auch die
Feststellung der dialektischen Wechselbeziehung, des Übergangs eines Begriffs in den
anderen. So eine Entwicklung der Begriffe ist, nach Hegel, eine objektive, aber nicht
subjektive Notwendigkeit, weil ein Begriff für ihn selbst die Objektivität der absoluten Idee
ist.
Die Bewegung der Wissenschaft zum konkreten ist dem wirklichen Gang der Entwicklung
der Objektivität selbst näher. Hegel betonte immer, dass die analytische vom Konkreten
ausgehende Handlungsart eine Einteilung ist, die nur im Subjekt außerhalb des Dings selbst
verläuft. Analyse hat mit dem fertigen Ganzen zu tun, das sie zerlegt. Aber die synthetische
Wiederherstellung des Konkreten gibt die Möglichkeit, die wirkliche Entwicklung des
Gegenstandes, mit den Anfangsstufen beginnend und mit dem Resultat endend, zu erforschen.
Die Analyse beginnt mit dem konkreten Ganzen, um es auf das Einfache zurückzuführen; die
Synthese beginnt mit dem Einfachen, und die Entwicklung dieses Einfachen, seine
allmähliche Komplikation verfolgend, ergibt die wahre Analogie der Entwicklung von
natürlichen und geistigen Erscheinungen, die sich tatsächlich von Einfachem zu
Kompliziertem entwickeln. Wie F. Engels sagt, „in der Geschichte sowie in ihrer literarischen
Widerspiegelung verläuft die Entwicklung im Großen und Ganzen auch von den einfachsten
Beziehungen zu den komplizierteren…”100 K. Marx bemerkte, dass „der Lauf des abstrakten
Denkens, vom Einfachsten zum Komplizierten emporsteigend, dem wahren, geschichtlichen
77
Prozess entspricht.”101 Folglich entspricht die Bewegung der Logik vom Abstrakten zum
Konkreten der objektiven dialektischen Entwicklung des Gegenstandes, seiner Entwicklung
vom Einfachen zum Komplizierten. Das ist eines der Bewegungsprinzipien der logischen
Wissenschaft, das der dialektischen Negation folgt.
Die empirische Wissenschaft beginnt mit dem Konkreten und geht von ihm zum Abstrakten,
Allgemeinen hin. Aber das ist eine Vorbereitungsetappe der wahren, ganzheitlichen,
systematischen, synthetisch abbildenden Wissenschaft, die nicht mit dem Konkreten, sondern
mit dem Abstrakten, Allgemeinen beginnen muss, und eben deswegen, weil es einfach ist.
„An und für sich genommen, ist das Allgemeine deshalb das erste Moment des Begriffs, weil
es das Einfache ist.” Dies behauptend führt Hegel Beispiele an, die beweisen sollen, dass ein
beliebiges systematisierendes Wissen, und nicht nur Logik, mit dem Einfachen, Abstrakten,
Allgemeinen beginnt, um dann zum Konkreten, Besonderen überzugehen.
Hegel kritisiert nicht einfach die abstrakten Begriffe der Verstandeslogik, sondern entwickelt
und stellt ihnen die konkreten Begriffe der dialektischen Logik gegenüber. Er übt gründliche
Kritik an den Gesetzen der Formallogik: an den Gesetzen der Identität, des Widerspruchs, des
ausgeschlossenen Dritten usw.
Nach Hegels Meinung verläuft das Denken nicht nach den Gesetzen der Formallogik. In der
Welt gibt es keine Erscheinung, die nach diesen Gesetzen verliefe, denn jede Bestimmtheit
des Seins ist im Grunde genommen der Übergang in das Gegensätzliche; die Negation jeder
Bestimmtheit ist eben so notwendig wie sie selbst.
Deswegen, wenn diese Kategorien durch solche abstrakten Sätze wie A=A ausgedrückt
werden, so entstehen ebenfalls auch kontroverse Sätze. Sowohl jene wie auch andere
Grundsätze erscheinen mit gleicher Notwendigkeit, und als unmittelbare Behauptungen sind
sie gleich rechtmäßig. Ein Grundsatz verlangt Nachweise seiner Wahrhaftigkeit dem anderen
gegenüber, und deshalb besitzen die erwähnten Behauptungen nicht den Charakter der
unwiderlegbaren Gesetze des Denkens.
Wahr ist nur eine konkrete Identität, die Unterschiede in sich intern hat. Sie unterscheidet sich
von einer abstrakten Identität. Die abstrakte Identität wird von Hegel als Ausdruck einer
leeren Tautologie charakterisiert. „So ist jene leere Tautologie, an die sich diejenigen
andauernd festhalten, die sie als etwas Gegebenes, etwas Wahres hinnehmen, und immer
belehrend mitteilen: Tautologie ist kein Unterschied, Tautologie und Unterschied sind
unterschiedlich.” 102
Nach Hegel sind abstrakte Identität und abstrakte Verschiedenheit einseitige Bestimmungen.
Die konkrete Identität ist eine Einheit von Identität und Unterschied. Konkrete Identität „ist in
ihrer Gleichheit mit sich selbst ungleich und widerspruchsvoll, aber in ihrer Entwicklung, in
ihrer Widersprüchlichkeit ist sie mit sich identisch…” 103
Die hegelsche Kritik an der abstrakten Identität ist im Grunde genommen richtig. Von der
abstrakten Identität gibt es deswegen keinen Übergang zum Unterschied, weil eine
notwendige Verbindung zwischen ihnen fehlt. Darauf hinweisend schrieb Hegel: „Wenn man
die Identität als etwas Unterschiedliches vom Unterschied behandelt, so bleibt bei uns auf
diese Weise einzig und allein nur der Unterschied. Dank diesem Umstand kann man den
Übergang zum Unterschied nicht beweisen, denn es fehlt der Ausgangspunkt, von dem aus
der Übergang vor sich gehen soll, für denjenigen, der fragt, auf welche Weise dieser
Übergang realisiert wird.” 104
Nach Hegels Meinung ist der abstrakte Unterschied, der von der Identität abweicht, auch nicht
stichhaltig. In seiner Einseitigkeit und Abstraktheit entspricht er nicht der Wahrheit. Solche
Bestimmungen wie Ähnlichkeit und Unähnlichkeit haben nur in ihrer Einheit eine Bedeutung.
Die Notwendigkeit der Identität und des Unterschieds hervorhebend, klagt Hegel über die
Naturwissenschaft seiner Zeit, die den Unterschied wegen der Identität und die Identität
wegen des Unterschieds vergisst. Nach Hegel hält sich die spekulative Logik an dem einzig
78
richtigen Gesichtspunkt fest, die „auf die Nichtigkeit des Abstrahierenden vom Unterschied,
von rein gedanklicher Identität hinweist, obwohl sie dann darauf besteht, allerdings eben so
energisch, dass wir uns nicht mit der einzig nackten Unterschiedlichkeit begnügen müssen,
sondern müssen die innere Einheit des ganzen Seienden erkennen.” 105
Weiter übt Hegel Kritik am „Gesetz des ausgeschlossenen Dritten” der Formallogik. Er
charakterisiert es als Gesetz des abstrakten Verstandes, das, statt den Wiederspruch vermeiden
zu wollen, unausweichlich in ihn hineinfällt. Das Streben, den Widerspruch zu vermeiden, ist
unbegründet, weil alle Dinge in sich selbst widerspruchsvoll sind. Die gedankliche Logik
jedoch hält den Widerspruch für etwas Unwahres, als ob der Widerspruch nicht eben so
wesentlich und innerlich bestimmt wie die Identität sei. Wenn man diese zwei Gesichtspunkte
vergleicht, so muss man den Widerspruch als eine tiefere und wesentlichere Bestimmung des
Gedankens anerkennen. Nach Hegel ist eine abstrakte Identität eine oberflächliche
Bestimmung, während „der Widerspruch… die Wurzel aller Bewegung und Vitalität ist; nur
insofern etwas einen Widerspruch in sich selbst hat, bewegt es sich, besitzt Impuls und
Aktivität.”106 In der Wirklichkeit sind die Widersprüche der Grundinhalt des Begriffs. Der
Widerspruch ist die echte allgemeine Kategorie, das Prinzip jeder Selbstbewegung.
Bei all seiner Bedeutung besitzt das hegelsche Verständnis des Widerspruchs wesentliche
Mängel. Die Gegensätzlichkeit der marxistischen dialektischen Methode offenbart sich in
Bezug auf die hegelsche besonders prägnant in der Lehre vom Widerspruch. Für Hegel
handelt es sich nicht um den Widerspruch der objektiven materiellen Welt, sondern um die
Selbstentwicklung der absoluten Idee. Der Inhalt des logischen Prozesses, der sich vom Sein
zum Wesen und von ihm zum Begriff entwickelt, bleibt für ihn die absolute Idee, die sich in
der Richtung zu sich selbst entwickelt. In ihrer Entwicklung produziert die absolute Idee
etwas Besonderes, das auch keine absolute Bestimmtheit bildet, sondern sich in der höheren
Synthese auflöst. Diese Frage streifend schrieb K. Marx: „Da die unpersönliche Vernunft
außerhalb sich selbst weder den Boden, auf den sie sich stellen könnte, noch das Objekt, dem
sie sich entgegenstellen könnte, noch das Subjekt, mit dem sie sich verbinden könnte, hat,
muss sie notgedrungen Purzelbäume schlagen, sich selbst hinstellend, sich
selbst
107
entgegensetzend und sich mit sich selbst verbindend: Satz, Gegensatz, Verbindung.”
In der hegelschen Logik handelt es sich somit um den rein logischen Prozess, um den sich
voraussetzenden und sich
selber entgegensetzenden Gedanken; der Kampf dieser
entgegengesetzten Elemente bildet die dialektische Bewegung und geht dann in ihre Synthese
über. Das Grundlaster der hegelschen Lehre von den Widersprüchen besteht darin, dass der
Widerspruch rationell nicht gelöst wird, sondern er versöhnt sich, hebt sich auf. „Auf diese
Weise”, schrieb K. Marx, „wiegen sich die Gegensätze gegenseitig auf, sie neutralisieren und
paralysieren einander. Die Verschmelzung dieser zwei sich einander widersprechenden
Gedanken ergibt einen neuen Gedanken, ihre Synthese”.108 In diesem Zusammenhang muss
man betonen, dass die idealistischen Mängel seiner Lehre vom Widerspruch zweifellos die
theoretische Grundlage des hegelschen Konservatismus bezüglich der preußischen absoluten
Monarchie bilden.
Die echt wissenschaftliche Aufdeckung der Wesensart des Widerspruchs ist nur aus der Sicht
des dialektischen Materialismus möglich, der den Widerspruch eines konkreten Begriffs als
Abbild des objektiven Widerspruchs der Dinge und Erscheinungen selbst betrachtet. Ihrem
Wesen nach ist die Bewegung die Auflösung der Widersprüche. Der Widerspruch ist die
Quelle der Bewegung. Die Bloßlegung des Widerspruchs im Objekt und die Wege seiner
rationalistischen Auflösung bleibt das Wichtige in der dialektisch-materialistischen Logik.
Die Frage nach den widersprüchlichen und einander ausschließenden Beziehungen im
Prozesse des Warenumtausches berührend schrieb K. Marx im „Kapital”: „Die Entwicklung
der Ware hebt diese Widersprüche nicht auf, schafft aber die Form für ihre Bewegung. So ist
überhaupt jene Methode, mit deren Hilfe die wirklichen Widersprüche aufgehoben werden”.
79
Dasselbe betonte auch F. Engels: „Da wir hier nicht den abstrakten Prozess des Denkens
behandeln, der nur in unseren Köpfen verläuft, sondern den wirklichen, einst stattgefundenen
oder noch immer stattfindenden Prozess, so entwickeln sich diese Widersprüche in der Praxis
und fanden wahrscheinlich ihre Lösung. Wir werden verfolgen, auf welche Weise sie
aufgehoben werden, und werden finden, dass es durch die Festlegung einer neuen Beziehung
erreicht wurde, deren zwei gegenüberliegende Seiten wir weiterentwickeln sollen usw.” 110
Im Rahmen der hegelschen dialektisch-idealistischen Logik blieb die echt wissenschaftliche
Lehre von der Natur des theoretischen Denkens, vom konkreten Begriff jedoch nicht
ausgearbeitet. Ihr Hauptmangel besteht darin, dass sie den Begriff nicht als eine logische
Form der Widerspiegelung der objektiven materiellen Wirklichkeit behandelt, sondern als
etwas selbständig Lebendes, als ideales „Subjekt”, als reines Denken, als „absolute Idee”, die
der objektiven materiellen Welt vorangeht.
Hegel zufolge ist Philosophie keine Widerspiegelung der objektiven materiellen Wirklichkeit,
sondern eine Darstellung der teleologischen Entwicklung der absoluten Idee. Das sich selbst
entwickelnde Denken, nach Hegel, stellt sich selbst als Objekt hin, erkennt und überwindet
sich selbst in der höchsten Synthese.
Hegels Vokabular ist ein Vokabular der vom Individuum entfernten „reinen Vernunft”. Die
wirkliche Welt erscheint für Hegel nur als Gesamtheit von Formen, Mustern, die als
Grundlage logische Kategorien haben. Folglich riss die hegelsche Philosophie das
menschliche Denken von seinem realen Fundament ab, hypostasierte das Denken und stellte
es als die einzig wahre Realität dar.
Hegel beschränkte sich nicht auf die Kritik der Gnoseologie des alten Materialismus, sondern
zeigte die Dialektik der Denkformen und deckte die innere Dialektik der
Bewusstseinsentwicklung auf. Aber die Naturwissenschaft jener Zeit war noch metaphysisch.
Dieser Umstand spielte eine bestimmte Rolle im Werden der hegelschen Philosophie und in
Hegels Verneinung der Widerspiegelung der Natur durch das Denken.
In der hegelschen Philosophie wird das reale Denken falsch und verzerrt verstanden, deshalb
musste sein System unvermeidlich fallen. Kritik an der hegelschen Philosophie wurde schon
von den Junghegelianern geübt. Aber das war die Kritik der Nachfolger von Hegel, die sein
System auf die Theologie anwandten, wobei sie weiterhin auf dem Boden seines Idealismus
blieben. Ganz anders ist es mit dem Materialisten Feuerbach bestellt, der die Grundlagen des
hegelschen Idealismus einer Kritik unterzog. Für Feuerbach ist die hegelsche Philosophie eine
Entfremdung der menschlichen Natur.
Gewiss, man muss dabei den feuerbachschen Anthropologismus im Auge haben, den er der
alten Philosophie gegenüberstellte. Feuerbach war bestrebt, sowohl Philosophie wie auch
Theologie auf Grund der menschlichen Natur zu erklären, die er nur als leiblich und physisch
verstand. Er kritisierte stets die idealistische Philosophie wegen ihrer Loslösung des Denkens
„vom Leib”. Diese Trennung, so meinte Feuerbach, ist erst in der Sphäre der Philosophie
möglich. In Wirklichkeit aber sind sie unzertrennlich. Die wahre Beziehung des Denkens zum
Sein, schrieb Feuerbach, ist folgende: „das Sein – das Subjekt, das Denken – das Prädikat”.111
Engels schrieb über den enorm befreienden Einfluss, den „Das Wesen des Christentums” von
Feuerbach auf seine Zeitgenossen ausübte. An Stelle der hegelschen abstrakten,
übermenschlichen, übernatürlichen „absoluten” Idee setzte er den sinnlich realen Menschen.
Natur und Mensch, das ist der wahre Gegenstand der Philosophie. Dabei betonte er die
Vielfältigkeit der Natur. Feuerbach stellte den Materialismus in seinen Rechten wieder her,
darin liegt sein Verdienst.
Feuerbach zeigte sehr prägnant und überzeugend die Mangelhaftigkeit des hegelschen
Idealismus. „Der absolute Geist” der hegelschen Philosophie, meinte Feuerbach, ist einfach
ein menschlicher Geist, aber ein abstrahierter und vom Menschen und vom realen Boden
isolierter Geist. Aber Feuerbach fehlte es an Verständnis der Rolle der hegelschen
109
80
Philosophie, des rationellen Kerns seiner Dialektik. Es ist unmöglich, den ganzen Reichtum
der dialektischen Begriffsentfaltung, die ganze Tiefe der hegelschen dialektischen Logik
richtig einzuschätzen, und ihn auf Grund des feuerbachschen an einer bestimmten Enge
leidenden Materialismus zu verstehen. Die hegelsche Philosophie wurde von Feuerbach nicht
überwunden, er lehnte sie einfach ab, erklärte sie für falsch und fehlerhaft.
Der Materialismus von Feuerbach war kontemplativ und metaphysisch; das gesellschaftliche
Leben verstand er idealistisch. Feuerbach verstand nicht die wahre Natur des Menschen, er
war nicht imstande, die Natur des menschlichen Denkens zu erklären. In Feuerbachs System
waren die Probleme, mit denen sich die alte Philosophie abgab, nicht gelöst, sie nahmen nur
eine andere Form an. Um den deutschen klassischen Idealismus zu überwinden, ist es nicht
ausreichend, das Primäre der Natur einfach zu konstatieren. Dafür sollte man bis zur
Philosophie des dialektischen Materialismus, bis zum materialistischen Verständnis der
Gesellschaft, bis zum Verständnis des Menschen als Gesamtheit der gesellschaftlichen
Beziehungen emporsteigen und die Abhängigkeit der Ideen und ihren Gesetzmäßigkeiten vom
Charakter der materiellen Produktion erblicken.
________________________________________________________________
1
Marx K., Engels F. Werke Bd. 20. S.345-347.
Descartes R. Ausgewählte Werke. Мoskau, 1950. S.416.
3
Spinoza B. Ausgewählte Werke. Bd.1. Мoskau, 1957. S.186.
4
Descartes R. Ausgewählte Werke. S.417.
5
Ebd.
6
Ebd. S.86.
7
Ebd. S.88.
8
Ebd. S.87.
9
Ebd. S.98.
10
Ebd. S.39.
11
Ebd. S.95.
12
Ebd. S.94.
13
Ebd. S.91.
14
Ebd. S.272.
15
Ebd. S.274.
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Spinoza B. Ausgewählte Werke. Bd.1. S.361
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Kant I. Werke. Bd.3. S.74
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Lenin W.I. Gesammelte Werke. Bd.29. S.84.
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Hegel. Die Wissenschaft der Logik. Bd.3.Мoskau,1972. S.36.
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Hegel. Werke.Bd.II. S.15.
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Marx К., Engels F. Соч.Bd.12. S.727.
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Ebd. Bd.13. S.497.
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Ebd. Bd.12. S.728-729.
102
Hegel. Werke Bd. V. S.484-485.
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Ebd. S.483.
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Ebd. Bd.1. S.199.
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Ebd. S.202.
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Ebd. Bd. V. S.520.
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Marx K., Engels F. Werke.Bd.4. S.130.
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Feuerbach L. Ausgewählte philosophische Werke.Bd.II.Мoskau,1955.
S.662.
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