Deutliche Kennzeichnung statt Schleichwerbung

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Ein schmaler Grat: Native Advertising
Herausforderung für Journalisten und Werbemacher
als
Katharina Pencz · 14. März 2016
Mit dem Aufkommen neuer Internetportale für Millenials tritt das Thema “Native
Advertising” für Medienmacher wieder in den Vordergrund. Journalistische Angebote
wie “bento“ oder “ze.tt” versprechen nicht nur innovative Inhalte, sondern erproben
auch die Nutzung neuer Werbeformate. Weil viele Nutzer inzwischen auf sogenannte
Ad-Blocker zurückgreifen, verlieren Werbebanner, Pop-ups und Co. ihre Attraktivität
als Werbemittel für Unternehmen. Native Advertising scheint für immer mehr Verlage
die Lösung zu sein, um digital Umsätze zu erzielen. Der Leser darf dabei aber nicht
außer Acht gelassen werden.
Seit dem Aufkommen der ersten Native Ads spaltet diese Werbeform die Medienwelt:
Kritiker sahen und sehen in Native Ads, zu Deutsch “native Werbung”, vor allem eine
Täuschung der Leser. Denn das Hauptmerkmal einer Native Ad ist, dass sie sich dem
Aussehen und dem (Lese-)Gefühl der journalistischen Angebote eines Onlinemediums
anpasst. Sie soll dabei vor allem einen Mehrwert für den Leser liefern – denn einen
plumpen Artikel darüber, wie toll ein Produkt ist, werden die Wenigsten anklicken.
Das käme der Verschriftlichung von Bannerwerbung gleich.
Stattdessen handelt es sich bei Native Ads um Artikel, die zwar von einem
Unternehmen in Auftrag gegeben werden, aber mehr ein konkretes Thema und
weniger ein Produkt behandeln. Das Unternehmen tritt hier sozusagen als Experte für
das entsprechende Thema auf. So kann hinter einem Artikel über Tipps zum
Fotografieren zum Beispiel ein Kamerahersteller stehen. Das Produkt (die Kamera)
selbst wird nicht vorgestellt, ein Hinweis auf den Auftraggeber wird aber über oder
unter dem Artikel platziert.
Deutliche Kennzeichnung statt Schleichwerbung
Noch wichtiger als der Mehrwert für den Leser ist die genaue Kennzeichnung des
Artikels als das, was er ist – nämlich Werbung. Und hier beginnt die Krux: Wird die
Native Ad nicht ausreichend und vor allen Dingen sichtbar genug als “Anzeige”,
“Sponsored Post” oder “Paid Post” (das sind aktuell die üblichsten Titel)
gekennzeichnet, fühlt sich der Leser getäuscht. Dadurch kann die Glaubwürdigkeit
eines gesamten Mediums infrage gestellt werden. In der aktuellen Debatte um
“Mainstream-Medien” ist dies durchaus ein Faktor, der nicht zu leicht genommen
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werden sollte. Gleichzeitig verliert die Native Ad ein wichtiges Attribut, wenn der
werbliche Inhalt deutlich gekennzeichnet ist. Schließlich fügt sie sich dann nicht mehr
hundertprozentig in den redaktionellen Inhalt des Mediums ein – sie sticht für den
Leser hervor, er kann die Werbung leichter ignorieren. Der ganze Sinn hinter Native
Advertising scheint damit ausgehebelt zu werden.
Doch Werber müssen verstehen, dass PR und Journalismus nicht vermischt werden
dürfen, ergo eine eindeutige Kennzeichnung Pflicht ist. Das perfekte und unauffällige
Einfügen einer Native Ad zwischen den journalistischen Inhalten gibt es demnach
nicht. Der Journalist und ehemalige Chefredakteur des “Handelsblatts”, Bernd
Ziesemer, schreibt dazu auf seinem Blog: “Unternehmen bringen mit
Schleichwerbung sich selbst und ihre Reputation in Gefahr. Denn mit vielen
Mischformen aus PR und Redaktion machen sich letztlich beide Seiten billig.”
Außerdem verstoßen Medien, die werbliche Inhalte verschweigen, gegen Ziffer 7 des
Pressekodex, wo es heißt: “Bezahlte Veröffentlichungen müssen so gestaltet sein, dass
sie als Werbung für den Leser erkennbar sind. Die Abgrenzung vom redaktionellen
Teil kann durch Kennzeichnung und/oder Gestaltung erfolgen.“
Native Advertising in der Praxis
Während in den USA schon seit Anfang 2014 auch einflussreiche Medien wie die
“New York Times” Native Advertising für ihre Werbekunden anbieten, halten sich
etablierte deutsche Medien noch zurück. In einem Interview mit der
Kommunikationsagentur Oliver Schrott sagte Jochen Wegner, Chefredakteur von “Zeit
Online”, dass man auch in deutschen Verlagen langfristig nicht auf Native Advertising
verzichten könne. Dennoch begegnet man dem Thema hier noch mit etwas mehr
Zurückhaltung: “Die Kollegen bei ze.tt , unserem Angebot für jüngere Leser,
erarbeiten gerade, wie man mit derlei bezahlten Inhalten umgehen soll. Wir bei Zeit
Online trauen uns das im Moment noch nicht, zumindest nicht im gleichen Umfang.
ze.tt ist für uns ein Test. Wir wollen sehen, ob das geht, ohne dass man dabei seine
Seele verliert”, so Wegner in dem Gespräch.
Noch gibt es keine Native Ads bei “ze.tt”, aber die Konkurrenz macht es vor: Auf
“bento”, dem Onlineangebot für Millenials von “Spiegel Online”, das im Herbst
vergangenen Jahres gelauncht wurde, werden bereits Native Ads geschaltet. Obwohl
“bento” die Beiträge mit einem neongrünen Kasten und dem Zusatz “Sponsored Post”
kennzeichnet, sowohl auf der Startseite als auch im Artikel selbst, hagelte es Kritik.
Dabei erklärt “bento” sogar in seinen FAQs, was Native Advertising ist, und weist
darauf hin, dass für die werblichen Artikel Mitarbeiter einer gesonderten Redaktion
verantwortlich sind.
Die Trennung von Journalismus und PR beginnt also richtigerweise schon in der
Redaktion. Dass die Kritiker dennoch unzufrieden mit dem Ergebnis sind –
Ausgangspunkt war diese erste Native Ad auf “bento” von einem Streaming-Medi-Adapter –, lässt sich auf die Angst vor einem Vertrauensverlust in die Medien
zurückführen.
Übrigens: Auch die Leser der “New York Times” sind sich noch zwei Jahre nach der
ersten Native Ad nicht einig darüber, ob Native Advertising eine akzeptable
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Werbeform für ein journalistisches Angebot ist. In den Kommentaren unter einem
Artikel, in dem die Nutzung von Native Advertising auf “nytimes.com” besprochen
wird, beschwert sich ein Leser, dass er nun nicht nur blinkende Pop-up-Werbungen
wegklicken, sondern bei jedem Artikel erst einmal nach den entsprechenden Hinweis
suchen müsste, wenn er keine Native Ads lesen möchte. Einem anderen Leser ist es
hingegen egal, ob und wie die “New York Times” werbliche Inhalte integriert – die
deutliche Markierung sei am wichtigsten.
Werbekunden oder Leser: Wo ist die Mitte?
Bei den Medien von Gruner + Jahr ist Native Advertising kein Tabuthema. Der
Vermarkter für die Onlinemedien des Verlags, G+J e|MS, bietet Unternehmen
verschiedene Werbeformate an, darunter auch Native Advertising. Dieses kann für
alle Online-Angebote – von “brigitte.de” bis “stern.de” – gebucht werden. Im Herbst
2014 hat der Vermarkter eine Studie herausgegeben, die “das Wirkpotenzial des
Werbeformats” Native Advertising untersucht. Dabei gaben 60 Prozent der Befragten
an, dass sie schon mal eine Native Ad gelesen haben beziehungsweise lesen würden.
Auf Anfrage erklärt Frank Vogel, Sprecher der Geschäftsleitung von G+J e|MS, dass
Lesern besonders die Glaubwürdigkeit der Kooperation zwischen einem Medium und
einem Unternehmen wichtig sei. “Je besser die werbende Marke und das Umfeld
zusammenpassen, desto größer die Wirkung der nativen Werbeformen. Marke und
Website sowie Marke und präsentierte Inhalte müssen zusammenpassen.” Er sagt
aber auch, dass die klare Kennzeichnung von redaktionellen und werblichen Inhalten
unerlässlich sei. So werden Native Ads bei Medien von Gruner + Jahr mit “Anzeige”
markiert. “Damit ist dieses Format auf den ersten Blick erkennbar und Irritationen
beim User werden vermieden”, so Vogel. Für die Produktion der werblichen Inhalte ist
übrigens auch hier ein gesondertes Team zuständig. Jede Native Ad muss außerdem
von der jeweiligen Redaktion freigeben werden.
Die iq digital media marketing GmbH betreibt Content Marketing und Native
Advertising (der Übergang zwischen beiden Werbeformen ist fließend) unter anderem
für die Onlineangebote der “Süddeutschen Zeitung”, der “Frankfurter Allgemeinen
Zeitung” und des “Handelsblatts”. Auch Christian Herp, Geschäftsführer von iq digital
media marketing, setzt sich für eine klare Kennzeichnung werblicher Inhalte ein, fügt
aber hinzu: “Die Art der Kennzeichnung obliegt den Verlagsvorgaben, das ist leider
noch nicht einheitlich geregelt.” Hiermit offenbart sich ein Dilemma, dass auch von
Kritikern immer wieder zur Sprache gebracht wird: Die Kennzeichnung ist nur halb so
viel wert, wenn der Leser auf jeder Website nach anderen Markierungen suchen muss,
um Native Ads zu entgehen. “Wir halten eine einheitliche Richtlinie für sinnvoll. Eine
Kennzeichnung als ‘Anzeige’ wäre für uns ausreichend für alle Arten von Werbung auf
einem Portal”, sagt Herp. Das Problem: Bisher hat sich noch niemand gefunden, um
eine einheitliche und vor allem verbindliche Richtlinie zu erstellen.
Fazit: Guter Journalismus kann nicht umsonst sein
Der Grat zwischen Native Advertising und Schleichwerbung ist ausgesprochen
schmal. Die Verlage stehen vor dem Problem, im digitalen Bereich ausreichende
Gewinne erzielen zu müssen, denn nur so lässt sich guter Journalismus finanzieren.
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Dabei greifen sie zunehmend auf Werbeformate wie Native Advertising zurück, die
jedoch, wenn sie nicht richtig angewendet werden, zu einem Vertrauensverlust in das
Medium führen können. Allerdings müssen sich hier auch die Leser fragen, ob sie
lieber blinkende Banner und Pop-up-Werbung ertragen möchten oder einen eindeutig
und im besten Fall überall einheitlich gekennzeichneten Native-Advertising-Beitrag.
Denn eins ist klar: Ohne Werbung wird die Umsonstkultur der Onlinemedien nicht
mehr lange überleben können. Dennoch dürfen sich die Verlage nicht ihrer
Verantwortung der unabhängigen Berichterstattung entziehen. Um diesem Vorwurf
entgehen zu können, sollte die baldige Erarbeitung einer einheitlichen Vorgabe für die
Nutzung von Content Marketing und Native Advertising in Onlinemedien eigentlich
oberste Priorität haben. Denn ohne Leser bringt auch der interessanteste werbliche
Artikel keine neuen Kunden.
Titelillustration: Esther Schaarhüls
Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen FachjournalistenVerbands (DFJV).
Die Autorin Katharina Pencz arbeitet als freie
Kulturjournalistin in Berlin. Für Funkhaus Europa, Radio
Bremen und DRadio Wissen ist sie als Hörfunkautorin
unterwegs und berichtet über Themen aus den Bereichen
Gesellschaft, Kultur und Stadtgeschehen. Außerdem bespricht
sie regelmäßig Kunstausstellungen in der Berliner Zeitung
und engagiert sich als ehrenamtliche Redakteurin bei dem
hyperlokalen Blog Neukoellner.net.
Dieser Beitrag wurde publiziert am Montag den 14. März 2016 um 16:00
in der Kategorie: Homepage-oneColumn, Onlinejournalismus.
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