Quantenmechanikvorlesung, Prof. Lang, SS04 Comptoneffekt Christine Krasser - Tanja Sinkovic - Sibylle Gratt - Stefan Schausberger - Klaus Passler Einleitung Unter dem Comptoneffekt versteht man die Streuung von Licht an freien oder schwach gebundenen Elektronen. Dieser Effekt ist im Spektralbereich der Röntgenstrahlung besonders ausgeprägt. Die einfallende Lichtwelle (Röntgenstrahlung) regt Elektronen in den Atomen zu erzwungenen Schwingungen an. Die Elektronen im Feld der positiven Kerne werden als klassische Oszillatoren behandelt, die ihrerseits Strahlung mit der Frequenz aussenden, mit der sie zur Schwingung angeregt worden sind. Diese Strahlung bezeichnet man als Rayleighsche Streustrahlung. Die Theorie der Rayleigh-Streuung wurde zunächst für das sichtbare Licht entwickelt. Mit ihr konnte man die blaue Farbe des Himmels erklären. Kurzwelliges Licht (blau) wird stärker gestreut als langwelliges Licht (rot). Die Streustrahlung hat die gleiche Frequenz wie die Primärstrahlung. Sie ist polarisiert. Bereits 1909 zeigte Barkla, dass diese Art der Streuung auch für Röntgenstrahlung gilt. Um 1922 untersuchte Arthur Holly Compton die Streuung von Röntgenstrahlen an Graphit und anderen leichten Elementen, d.h. an Elementen, bei denen die Elektronen schwach gebunden sind. Er beobachtete bei der Streuung von Röntgenstrahlen eine Wellenlängenverschiebung, die eine weitere Bestätigung der Quanten-Natur der Röntgenstrahlen darstellt. Arthur Holly Compton erhielt 1927 fur diese Entdeckung den Nobelpreis für Physik. Compton beobachtete, dass zusätzlich zu spektral unverschobener Streustrahlung der ursprünglichen Wellenlänge λ1 , noch eine spektral verschobene Komponente der Wellenlänge λ2 auftritt. Im Photonenmodell wird der Compton-Effekt als direkter elasitscher Stoß zwischen einem Photon mit der Energie h · ν und dem Impuls P~ = h̄ · ~k und einem schwach gebundenen Elektron des Streumaterials gedeutet. Arthur Holly Compton wurde am 10.September 1892 in Wooster, Ohio geboren. Er starb am 15.März 1962 in Berkeley, Kalifornien. Compton war 1923 bis 1945 Professor an der Universität Chicago und von 1945 bis 1954 Kanzler der Washington University in St. Louis. Sein Hauptarbeitsgebiet war die Röntgenspektroskopie. 1922 entdeckte er den Compton-Effekt, der von ihm kurz darauf theoretisch gedeutet wurde. Er erhielt dafür 1927 den Nobelpreis. 1 Experiment Schema der Messanordnung: Das am Streukörper (z.B. Graphit) gestreute Röntgenlicht wird als Funktion des Streuwinkels θ gemessen. Gemessene Streustrahlung für verschiedene Streuwinkel θ , nimmt von oben (0◦ ) nach unten (180◦ ) zu. Man sieht die verschobene Rayleigh- und die spektral verschobene Compton-Streustrahlung. 1921 beobachtete Compton, dass zusätzlich zu der spektral unverschobenen Streustrahlung noch eine spektral verschobene Komponente auftritt (siehe Grafik oben). Für die Wellenlängenverschiebung ∆λ besteht ein einfacher Zusammenhang mit dem Streuwinkel θ. Unabhängig vom Streumaterial gilt: ∆λ = λC (1 − cosΘ) mit der sogenannten Comptonwellenlänge: λC = h = 2.43 · 10−12 m me c Die Wellenlängenverschiebung ∆λ ist auch völlig unabhängig von der PrimärWellenlänge. Vom Streumaterial hängt nur die Intensität der Compton-Streuung 2 ab. Für leichte Materialien z ist sie besonders groß wegen der geringeren Absorption (Maximal bei θ = 180◦ ) Die Erklärung dieses Experiments war im Wellenbild für das Licht nicht möglich. Mit der Lichtquantenhypothese war das Experiment als Zusammenstoß zwischen zwei Teilchen beschrieben, dem Photon und dem Elektron. Dabei wird Impuls und Energie übertragen.Genauer gesagt handelt es sich um einen elastischen Stoß zwischen Lichtquanten und in äußeren Schalen von Atomen schwach gebundenen Elektronen mit der Anfangsgeschwindigkeit v0 . Die Bindungsenergie der Elektronen wird bei der Ableitung der Comptonverschiebung als so klein vorausgesetzt, dass sie gegenüber der Photonenenergie zu vernachlässigen ist. Herleitung der Compton Streuung Wir betrachten den Comptoneffekt wie einen elastischen Stoß zwischen Photon und Elektron. Energie- und Impulssatz müssen beide erfüllt sein. Impuls und kinetische Energie des Elektrons vor dem Stoß sind praktisch gleich Null. Wir rechnen relativistisch. Das führt zu folgenden Gleichungen. Es gilt der Energiesatz vor und nach dem Stoß, also hν + m0 c2 = hν 0 + mc2 Dabei ist m0 die Ruhemasse und m die Masse des Elektrons nach dem Stoß, ν und ν 0 sind die Frequenzen des Lichtes vor bzw. nach dem Stoß. Für den Impuls in y-Richtung vor und nach dem Stoß gilt 0= hν 0 · sin(ϑ) + mvsin(ϕ) c und für den Impuls in x-Richtung hν 0 hν = · sin(ϑ) + mvcos(ϕ) c c 3 Wir bringen hν 0 auf die linke Seite und kürzen ab: ∆ν = ν − ν 0 . Sodann drücken wir die bewegte Masse m durch die Ruhemasse m0 aus: m = m0 (1 − v 2 /c2 )(−1/2) . Dann quadrieren wir die Gleichung und mittels: hν + m0 c2 = hν 0 + mc2 1 hν − hν 0 + m0 c2 = m0 c2 q 1− v2 c2 h2 (∆ν)2 + 2m0 c2 h∆ν + m20 c4 = m20 c4 h2 (∆ν)2 + 2m0 c2 h∆ν = m20 c4 c2 1 1− v2 c2 c2 − m20 c4 − v2 und daraus folgt: h2 (∆ν)2 + 2m0 c2 h∆ν = m0 c4 v2 c2 − v 2 Wir eliminieren den Winkel ϕ, indem wir die Gleichungen nach sinϕ und cosϕ lösen und die Beziehung sin2 (ϕ) + cos2 (ϕ) = 1 anwenden. Wir setzten nun die aus den vorherigen Gleichungen sich ergebenden Ausdrücke für sinϕ und cosϕ ein, formen die Gleichung um und kommen auf sinϕ = cosϕ = ( ( hν 0 sinϑ · c mv hν hν 0 1 − cosϑ) c c mv hν 0 sinϑ 2 hν hν 0 1 2 ) +[ − (cosϑ) ] =1 c mv c c mv da: sin2 (ϕ) + cos2 (ϕ) = 1 ( h hν 0 sinϑ 2 · ) +[ · (ν − ν 0 cosϑ)]2 = 1 c mv cmv (hν 0 sinϑ)2 + [h(ν − ν 0 )cosϑ)]2 = c2 m2 v 2 mit: m = m0 (1 − v 2 /c2 )(−1/2) und: ∆ν = ν − ν 0 folgt: h2 ν 02 sin2 ϑ + (hν − hν 0 cosϑ)2 = m20 c2 v 2 4 1 1− v2 c2 h2 ν 02 sin2 ϑ + h2 ν 2 + h2 ν 02 cos2 ϑ − h2 νν 0 cosϑ = m20 c2 v 2 h2 (ν 02 + ν 2 − 2νν 0 cosϑ) = m20 c4 1 1− v2 c2 v2 c2 − v 2 h2 ((∆ν 0 )2 + 2νν 0 − 2νν 0 cosϑ) = m20 c4 v2 c2 − v 2 v2 c2 − v 2 Wir setzten die entsprechenden linken Seiten gleich, da die rechten Seiten übereinstimmen: h2 [(∆ν)2 + 2ν(ν − ∆ν)(1 − cosϑ)] = m20 c4 m0 c2 h∆ν = h2 ν(ν − ∆ν)(1 − cosϑ) Es gilt für die Umrechnung in Wellenlängen: λ= c ν ν 0 = ν 0 − ν + ν = ν − ∆ν c c c∆ν |∆λ| = | − |= ν ν − ∆ν ν(ν − ∆ν) Aus den letzten beiden Gleichungen folgt also: m0 c2 |∆λ| = ∆ν = h(1 − cosϑ) ν(ν − ∆ν) h (1 − cosϑ) = λc (1 − cosϑ) m0 c |∆λ| = ϑ 2h (sin )2 m0 c 2 wobei wir die Abkürzung λC = h(m0 c)−1 (”Comptonwellenlänge”) benutzten. 5 Compton Gleichung mittels Vierer-Vektor: Der Stoßvorgang lässt sich auch elegant als Vierer-Vektor anschreiben. Bei diese Methode ist der Rechenaufwand um vieles kleiner. Der Vierer-Vektor wird wie folgt definiert: P~ = (Energieanteil, Impuls in x−, Impuls in y−, Impuls in z − Richtung) Damit lässt sich der Stoßvorgang nun wie folgt anschreiben: vor Stoß: p~e− = (me c2 , 0, 0, 0) p~γ = (E, Ec , 0, 0) nach Stoß: 0 0 p~0γ 0 = (E 0 , Ec cos(ϑ), Ec sin(ϑ), 0) 0 0 p~0 = (E + me c2 − E 0 , E − E cos(ϑ), −E sin(ϑ), 0) e− c c c Impulserhaltung gilt: (~ pe− )2 = E 2 − c2 (px 2 + py 2 + pz 2 ) = m2 c4 (~ pe− )2 = (E + me c2 − E 0 )2 − c2 [( E0 E E0 − cos(ϑ))2 + (− sin(ϑ)2 )] = m2 c4 c c c E 2 + m2e c4 + E 02 + 2Eme c2 − 2EE 0 − 2me c2 E 0 − c2 [ +( E2 2EE 0 − ( )cos(ϑ)+ c2 c2 E 02 E0 )cos2 (ϑ) + ( 2 )sin2 (ϑ)] = 2 c c m2e c4 + E 02 + 2Eme c2 − 2EE 0 − 2E 0 me c2 + 2EE 0 cos(ϑ) − E 02 = me c4 me c2 (E − E 0 ) + 2EE 0 (cos(ϑ) − 1) = 0 1 1 − ) = 1 − cos(ϑ) E0 E 1 1 1 (1 − cos(ϑ)) = ( 0 − ) 2 me c E E me c2 ( 1 λ 1 = = ; E (hν) hc 6 1 λ0 = E0 hc 1 1 0 (1 − cos(ϑ)) = (λ − λ) me c2 hc λ0 − λ = bzw. mit: h (1 − cos(ϑ)) me c ϑ (1 − cosϑ) = 2sin2 ( ) 2 ϑ 2h sin2 ( ) λ0 − λ = me c 2 bzw. λ0 − λ = ∆λ h = λc me c λc ... Comptonwellenlänge ∆λ = λc (1 − cos(ϑ)) Der Compton Effekt auch Compton Streuung genannt, gilt neben Photoelektischen Effekt, dem Stern Gerlach Versuch, dem Doppelspaltexperiment und dem Frank-Hertz-Versuch, als einer der wichtigsten Versuche in der Quantenmechanik. Literaturliste • Tipler Paul A. 2000, Physik,Berlin:Spektrum Akademischer Verlag • Hacken Herman ; Wolf Hans Christian 2004, Atom und Quantenphysik, Berlin:Springer • Fließbach Thorsten, 2000, Quantenmechanik, Berlin:Spektrum Akademischer Verlag 7