1 Aufbau des Zahlensystems 1.1 1.1.1 Die Menge N der natürlichen Zahlen Definition Die mathematischen Eigenschaften dieser durch das Abzählen von Gegenständen motivierten Zahlenmenge lassen sich auf die fünf (sic!) sog. Peanoschen Axiome reduzieren. Wir wollen dies hier nicht ausführen. Die Null soll zu N gehören, N+ := {1, 2, 3, ...}. N := {0, 1, 2, 3, ...}, (1) In N sind Addition + und Multiplikation · erklärt. Beide Operationen sind kommutativ, a + b = b + a, a · b =: ab = ba (a, b ∈ N), (2) (in Produkten wird der Punkt · meist weggelassen) und assoziativ, a + (b + c) = (a + b) + c, a(bc) = (ab)c (a, b, c ∈ N). (3) Außerdem gilt das Distributivgesetz, a(b + c) = ab + ac (a, b, c ∈ N). (4) Die neutralen Elemente bezüglich + bzw. · sind 0 bzw. 1, a + 0 = a, a·1=a (a ∈ N). (5) N ist jedoch weder mit + noch mit · eine Gruppe (s. Abschnitt 1.2.2), da inverse Elemente fehlen (zu a = 2 wären diese x = −2 bzw. y = 21 ). Für a ∈ N und n ∈ N+ definieren wir die Potenz an := |a · a {z · ... · a} , n Faktoren (6) sowie a0 := 1, falls a 6= 0. (Der Ausdruck 00 ist dagegen nicht definiert.) 1.1.2 Primfaktorzerlegung Def.: Seien a, b ∈ N. a heißt Teiler von b, in Zeichen a|b, wenn es ein c ∈ N gibt, sodaß ac = b. p ∈ N heißt Primzahl, wenn es außer a = 1 und a = p keine Teiler von p gibt. 1 ist keine Primzahl. Die kleinsten Primzahlen sind p = 2, 3, 5, 7, 11, ... 1 Satz: Jede natürliche Zahl n ∈ N hat eine eindeutige Zerlegung n = 2n2 · 3n3 · 5n5 · ... (7) in Primfaktoren. Als Beispiel betrachten wir 504 = 23 · 32 · 7 : 1.1.3 n2 = 3, n3 = 2, n5 = 0, n7 = 1, np = 0 ∀ p ≥ 11. (8) Summenzeichen Häufig treten Summen vieler Zahlen auf, die eine systematische Folge bilden, etwa S = 20 + 30 + 42 + 56 + 72 + 90 = 310. (9) Hier hat jeder Summand die Form k(k+1), wobei k die Werte 4, 5, 6, 7, 8 und 9 durchläuft. Um dies zu verdeutlichen (und um nicht so viel schreiben zu müssen) schreibt man dafür S= 9 X k(k + 1) = 310. (10) k=4 Wegen k(k + 1) = k 2 + k gilt auch S= 9 X 2 (k + k) = k=4 1.1.4 9 X 2 k + k=4 9 X k = 271 + 39 = 310. (11) k=4 Beweisverfahren durch vollständige Induktion Dieses Verfahren dient zum Beweis von Aussagen, die eine unbestimmte natürliche Zahl n enthalten, und deren Richtigkeit für alle Werte n ∈ N dieser Zahl behauptet wird. Als Beispiel diene der Satz: Für jede natürliche Zahl n ∈ N+ gilt n X k=1 k ≡ 1 + 2 + ... + n = n(n + 1) . 2 (12) = 3·4 . Bsp.: Für n = 3 haben wir etwa 1 + 2 + 3 = 6. Dies ist tatsächlich gleich n(n+1) 2 2 Die Behauptung stimmt also für den Fall n = 3. Man kann aber in nur zwei (!) Schritten beweisen, daß sie für alle beliebigen Werte von n ∈ N+ richtig ist: 2 Induktionsbeweis: Schritt 1 (Induktionsbeginn): Wir überzeugen uns davon, daß die Behauptung für das kleinstmögliche n, also für n = 1, stimmt. Dies ist offenbar der Fall: 1 = 1·2 . 2 Schritt 2 (Induktionsschluß): Wir setzen nun voraus, daß die Behauptung für irgendeinen Wert n = N richtig ist, N X k = k=1 N(N + 1) , 2 (13) und versuchen nachzuweisen, daß sie dann auch für den nächsthöheren Wert n = N + 1 richtig sein muß. Wir müssen also zeigen, daß aus Gl. (13) folgt: N +1 X k = k=1 (N + 1)(N + 2) . 2 (14) Dazu spalten wir auf der linken Seite den letzten Term der Summe ab, N +1 X k = k=1 N X k + (N + 1). (15) k=1 Hier dürfen wir auf der rechten Seite die vorausgesetzte Gl. (13) einsetzen, N +1 X k=1 k = N (N + 1)(N + 2) N(N + 1) + (N + 1) = (N + 1) +1 = . 2 2 2 (16) Die Behauptung gilt also auch für n = N + 1. Damit ist sie aber für beliebige Werte von n bewiesen: Nach Schritt 1 gilt sie für n = 1, nach Schritt 2 dann aber auch für n = 2 und damit, abermals nach Schritt 2, auch für n = 3, etc. 1.2 1.2.1 Die Menge Z der ganzen Zahlen Definition Die Gleichung n + x = m, mit n, m ∈ N, hat nur dann eine Lösung x ∈ N, wenn n ≤ m. Um diesen ”Mangel“ zu beheben, definieren wir zu jedem n ∈ N+ eine neue Zahl −n ∈ / N, genannt das Negative von n, und nennen die so erweiterte Zahlenmenge Z, Z := {..., −2, −1, 0, 1, 2, ...} ≡ {0, ±1, ±2, ...}. (17) −(−n) = n. (18) Man sagt auch umgekehrt, die Zahl n ∈ N+ sei das Negative von −n, Addition und Multiplikation in Z erklären wir durch Beispiele, 5 + (−7) =: 5 − 7 = −7 + 5 = −2, −7 − 5 = −12; 3 (−7) · 5 = −35, (−7) · (−5) = 35.( 1.2.2 Die Gruppenaxiome Die Menge Z bildet bezüglich der Addition + eine Gruppe (Z, +), denn: (G1) Mit a, b ∈ Z ist auch a + b ∈ Z. (G2) Mit der Zahl 0 existiert ein neutrales Element, a + 0 = a ∀a ∈ Z. (G3) Zu jeder Zahl a ∈ Z gibt es ein eindeutiges Inverses −a, mit a + (−a) = 0. (G4) Es gilt das Assoziativgesetz, (a + b) + c = a + (b + c) ∀a, b, c ∈ Z. Die Gruppe (Z, +) ist sogar abelsch, denn: (GA) Es gilt das Kommutativgesetz, a + b = b + a ∀a, b ∈ Z. 1.3 1.3.1 Die Menge Q der rationalen Zahlen Definition Die Gleichung qx = p, mit p, q ∈ Z, hat nur dann eine Lösung x ∈ Z, wenn q|p. Um diesen Mangel zu beheben, definieren wir die rationalen Zahlen als Teilmenge von Z × N+ , n o p + Q := x = p ∈ Z, q ∈ N , p und q teilerfremd . (20) q (Damit ist, wie schon N und Z, auch die Menge Q abzählbar unendlich.) Die Rechenoperationen in Q sind erklärt durch x1 + x2 ≡ p1 q2 + p2 q1 p1 p2 + := , q1 q2 q1 q2 x1 x2 ≡ p1 p2 p1 p2 · := . q1 q2 q1 q2 (21) Die Elemente von Q heißen rationalen Zahlen. Im Fall q = 1 wird die rationale Zahl pq mit der ganzen Zahl p identifiziert, Z ⊂ Q. Anders als in Z\{0} hat aber jedes x ∈ Q\{0} ein Inverses x−1 bezüglich der Multiplikation, x= 1.3.2 p q ⇒ x−1 = sgn(p) q pq ≡ 2. |p| |p| (22) Die Körperaxiome Folglich bildet die Menge Q bezüglich Addition und Multiplikation einen Körper, denn: (K1) (Q, +) ist eine abelsche Gruppe. (K2) (Q\{0}, ·) ist eine abelsche Gruppe. (K3) In Q gilt das Distributivgesetz, a(b + c) = ab + ac ∀a, b, c ∈ Q. 4 1.3.3 Dezimalbrüche Jede rationale Zahl läßt sich als periodischer Dezimalbruch darstellen. So ist etwa 4 = 0.571428571... =: 0.571428, 7 40939 = 4.135252... = 4.1352. 9900 (23) Ein Spezialfall periodischer Dezimalbrüche sind die endlichen Dezimalbrüche, 7 = 1.4 = 1.4000... = 1.40. 5 (24) Damit existiert auch in Q, wie schon in N und in Z, eine Ordnungsrelation. 1.4 1.4.1 Die Menge R der reellen Zahlen Unvollständigkeit von Q Die rationalen Zahlen x ∈ Q liegen einerseits dicht auf der Zahlengerade, denn zwischen zwei verschiedenen Zahlen x1 , x2 ∈ Q liegen immer noch beliebig viele weitere, etwa die Zahl x3 = 21 (x1 + x2 ), x1 < x1 + x2 < x2 . 2 (25) Dennoch füllen diese Zahlen die Zahlengerade nicht vollständig aus. Bsp.: Die Gleichung x2 = 2 hat keine Lösung x ∈ Q. Wäre nämlich x = pq , mit zwei natürlichen Zahlen p, q ∈ N+ , so wäre p2 = 2q 2 . Dann würde, im Widerspruch zur Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung, der Primfaktor 2 links mit einer geraden, rechts aber mit einer ungeraden Potenz auftreten. 1.4.2 Vervollständigung von Q: Die Menge R Intervallschachtelung ergibt 1.412 < 2 < 1.422 oder, genauer, 1.4142 < 2 < 1.4152 , etc. Diese Verfeinerung, immer weiter getrieben, führt auf eine unendliche Folge (a1 , a2 , a3 , ...) = (1.41, 1.414, 1.4142, 1.41421, 1.414213, 1.4142135, ...) (26) endlicher Dezimalbrüche, an ∈ Q für alle n = 1, 2, 3, .... Für n → ∞ entsteht aber ein unendlicher nicht-periodischer Dezimalbruch, der mit keinem x ∈ Q identifizierbar ist, √ / Q. (27) lim an =: 2 ∈ n→∞ 5 Ein solcher Grenzwert heißt irrationale Zahl. Weitere wichtige irrationale Zahlen sind die Kreiszahl π und die Basis e des natürlichen Logarithmus, 3.1415926... < π < 3.1415927..., 2.7182818... < e < 2.7182819... (28) Die Erweiterung von Q um alle irrationalen Zahlen heißt die Menge R der reellen Zahlen. Im Gegensatz zu Q ist R in folgendem Sinne vollständig. Die oben definierte Zahlenfolge hat die Eigenschaft, daß es für jede beliebig klein vorgegebene rationale Zahl ǫ > 0 immer eine hinreichend große natürliche Zahl n0 gibt, sodaß |an − am | < ǫ ∀ n, m > n0 . (29) Folgen mit dieser Eigenschaft heißen Cauchy-Folgen. R ist vollständig, da jede CauchyFolge reeller Zahlen an ∈ R gegen eine reelle √ Zahl a ∈ R konvergiert. (Die entsprechende Aussage für Q ist falsch, wie das Beispiel 2 zeigt.) 6