Stiftung Schloss Neuhardenberg in Zusammenarbeit mit dem Kleist

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Stiftung Schloss Neuhardenberg in
Zusammenarbeit mit dem Kleist-Museum
Frankfurt (Oder) - "Was für ein Kerl!"
Heinrich von Kleist im 'Dritten Reich'
Die Vorgeschichte
Das Konzept einer Ausstellung zur Wirkung Heinrich von Kleists während des
Nationalsozialismus wurde seit 2004 zunächst auf einer Projektstelle am Kleist-Museum, später
in freier Tätigkeit von Martin Maurach erarbeitet.Von Anfang an wurde dabei die Aufgabe so
verstanden, dass auch die Rezeption im Widerstand und im Exil außerhalb des damaligen
Reichsgebietes wesentliche Bestandteile des Themas sein mussten. Das erwies sich im Verlauf
der Recherchen sehr bald als richtig. Die angestrebte Grundaussage der Ausstellung ist daher
auch die - für Kleist ja nicht ungewöhnliche - Ambivalenz des Umgangs mit seinem Werk, das als
Spiegelung der Widerstandsproblematik, als kulturelle Alternative zum Faschismus, aber eben
auch leider als scheinbares Arsenal von Rechtfertigungen für Angriffs- und Vernichtungskriege
sowie die vermeintliche Sehnsucht nach einem ,Führer' gedeutet werden konnte. Für diese
Vieldeutigkeit oftmals ein- und desselben Werks war eine adäquate mediale Sprache zu finden.
Das Vorgehen und die Quellen Die Vorbereitung der
Ausstellung schloss eine vom Kleist-Museum im Juni 2005
veranstaltete internationale Tagung ein, deren Ergebnisse in
den "Beiträgen zur Kleist-Forschung" vorliegen. Darin wurden
nicht nur zur Theatergeschichte, zu Film und Hörspiel und zur
Rezeption außerhalb Deutschlands neue Ergebnisse
vorgetragen, sondern auch grundsätzliche Fragen nach der
ästhetischen und politischen Attraktivität Kleists für die
Nationalsozialisten gestellt. Die Recherchen schlossen
Archivanfragen und Autopsien u.a. in Berlin, Köln, London,
Prag, Terezin (Theresienstadt) und Wiesbaden ein. Als eine
Art Leitfaden erwies sich dabei der im Kleist-Museum
aufbewahrte Teilnachlass des Vorsitzenden der
Kleist-Gesellschaft zwischen 1920 und 1945, Georg
Minde-Pouet. Am Anfang stellte sich die Frage, auf welcher
Ebene die Ausstellung prinzipiell strukturiert werden sollte:
anhand der ,Schicksale' einzelner Kleist-Werke, der
politischen Chronologie folgend, oder als bio-geographischer
Diskurs - es gab damals auch Stimmen, die Kleists Lebensreise
Parallelen zu Hitlers Umzug nach Deutschland andichteten.
Die Korrespondenz Minde-Pouets als Schlüssel zu
wesentlichen Momenten der Rezeption gab hier den
Ausschlag: Es wurde eine grob chronologische Struktur entworfen, die jeweils einzelne Werke
und herausragende Episoden der Rezeptionsgeschichte zurückbinden sollte an die politische
Ereignisgeschichte. Beispiele hierfür wären die Herausgabe der "Politischen und
journalistischen Schriften" Kleists durch den nach dem 20. Juli 1944 hingerichteten
Widerstandskämpfer Adam von Trott zu Solz, die Tourneen der Reichsautobahnbühne mit dem
"Zerbrochnen Krug", die Kleist-Aufführungen in deutsch besetzten Ländern wie Dänemark oder
der Tschechoslowakei, aber auch mentalitätsgeschichtliche Fragen, die sich an kleine Schriften
Kleists wie die "Von der Überlegung" knüpfen und nach den Psychogrammen deutscher Täter
fragen lassen. Die Gliederung Auf dieser Grundlage wurde eine vorläufige Liste von ca. 250
möglichen Exponaten erstellt und zusammen mit einer ausführlichen Darstellung der Fakten,
die die Grundlage des von Martin Maurach verfassten Begleitbuchs bildet, der Stiftung Schloss
Neuhardenberg im Spätherbst 2007 zur Realisierung übergeben. Das Konzept sah eine
Gliederung vor unter den Schlagzeilen
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Gemeinschaft (1),
Führergestalten (2),
Erziehungswesen (3),
Feindbilder / Vernichtungspropaganda (4),
Widerstand / Opfer / Exil (5)
und Krieg / unmittelbare Nachkriegszeit (6).
(1) umfasst die Strategien, mit denen eine scheinbar klassenlose Bildungs- und
,Volksgemeinschaft' in demagogischer Abgrenzung gegen die Weimarer Republik geschaffen
werden sollte, also Freilichtaufführungen, die Reichsautobahnbühne, Festspiele und besondere
Propagandaaktionen; (2) arbeitet Deutungen Kleistscher Figuren wie z.B. des Hermann und des
Kohlhaas als Prophetien des ,Führers' heraus; (3) stellt neben Kleists Behandlung im
Deutschunterricht auch spezifisch nationalsozialistische Bildungskonzeptionen wie die so
genannte Leibes- und Sprecherziehung vor, die sich teilweise auf Kleist beriefen; (4) fragt nach
der Instrumentalisierbarkeit Kleists für eine Politik des Rassenhasses; (5) rekonstruiert
gegenläufige Traditionen mit Hilfe der Spuren von Kleist-Lektüren im Widerstand,
Exilaufführungen und Hinweisen auf Kleist-Deutungen aus Opfersicht; (6) präsentiert
Kleist-Deutungen im Krieg und fragt nach deren möglichen Kontinuitäten in die Nachkriegszeit
hinein.
Unter dem Eindruck der Aufführung des "Prinz von Homburg" in Posen notiert
Propagandaminister Joseph Goebbels am 19. März 1941 in sein Tagebuch: "Das Haus rast
Beifall. Was für ein Kerl ist doch dieser Kleist gewesen!" Die von Caroline Gille unter
wissenschaftlicher Beratung von Martin Maurach kuratierte Ausstellung zeigt im Kleist-Museum
Frankfurt (Oder) und in der Ausstellungshalle von Schloss Neuhardenberg nicht nur die
Vereinnahmung Kleists durch die Nationalsozialisten, sondern auch seine Bedeutung für den
Widerstand und für die Intellektuellen im Exil.
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Eröffnung der Ausstellung im Schloss Neuhardenberg (Tel. 033476/600-0): Samstag, 16.
August 2008, 16 Uhr, Großer Saal
Eröffnung im Kleist-Museum Frankfurt (Oder) (Tel. 0335/53 11 55): Sonntag, 17. August 2008,
11 Uhr.
Zur Ausstellung - 17. August bis 9. November 2008 - erscheinen ein umfangreicher
Themenband von Martin Maurach im Verlag "Theater der Zeit" sowie ein bebildertes
Exponatenverzeichnis.
Martin Maurach / Wolfgang de Bruyn
AsKI-Newsletter KULTUR lebendig 1/2008
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