weil sie Werke von hochkünstlerischem Wert sind; und bei den Musikstücken begeistern mich die „Années de Pèlerinage" neben der Sonate, die ich als besonderes Meisterwerk hervorheben möchte. Was mein Verhältnis zu Liszt betrifft, so meine ich, dass es auch in den Fällen, in denen es scheinbar nur auf technische Details ankommt, in jeder Passage neben dem äußeren Glanz auch wichtige poetische Inhalte vorhanden sind. „PV“: Lassen Sie uns bitte Ihre Eindrücke von der Liszt–Konferenz wissen? Pädagogische News Zeitschrift der Staatlichen „A.I. Herzen“ - Universität St. Petersburg, Ausgabe März 2012 Heribert Koch – Zauberei am Flügel Am 16. Februar fand an der Fakultät für Musik der Staatlichen Pädagogischen Universität Rostow (RGPU), die den Namen „A.I. Herzen“ trägt, im Rahmen einer Konferenz für Wissenschaft und Praxis zum Thema: „Franz Liszt. Après une lecture du génie" ein Konzert des Pianisten Heribert Koch aus Deutschland statt. Zum Konzertprogramm gehörten Werke von F. Liszt und es wurden auch erstmals Interpretationen von Musikstücken César Francks dargeboten, die in Russland unbekannt sind. Die Art und Weise der Interpretation kann man mit vollem Recht als eine glänzende Umsetzung bezeichnen, die von Intelligenz und Eleganz geprägt war. Herr Koch stellte in hohem Grad unter Beweis, dass er die Klaviertechnik beherrscht. Seine Interpretation zeichnete sich durch äußerste Genauigkeit hinsichtlich kleinster Details der Linien und Phrasierungen aus. Die Bandbreite der Emotionen in der Darbietung der Werke von F. Liszt war sehr groß: Vom Sentimentalen bis zum beginnenden mephistophelischen Empfinden. Heribert Koch zeigte, dass er eine breite Palette emotionaler Ausdrucksmittel beherrscht und bewies sein Können, alle Register zu ziehen: Mit dämonisch widerhallenden Bässen und märchenhaft tönendem Diskant in den hohen Oktaven. Ein Zauber erfasste die Zuschauer im Saal... Hinsichtlich der Auslegung des Fortissimo in der Interpretation von Herrn Koch ist zu sagen: Der dynamische Kontrast wurde mit einer seltenen Meisterschaft, einer gleichbleibenden Ausdrucksstärke im vollen Klang des Forte und im leisesten Klang des Pianissimo umgesetzt. In solchen Augenblicken vollbrachte Maestro Koch Wunder: Zeitweise schien es, als ob die Musik über den Häuptern der Zuschauer im Saale schwebte. Insgesamt war die Darbietung hoch geistig und gleichzeitig hinreißend. Die Werke von F. Liszt erklangen in der Interpretation von Herrn Koch in der besten Tradition des europäischen Klavierspiels. Als besonders wertvoll betrachtet der Autor des vorliegenden Artikels das Interview mit dem Maestro, zu welchem sich Heribert Koch freundlicherweise bereit erklärte und bei dem er auch seiner großen Dankbarkeit für A.V. Djatschkow Ausdruck verlieh, der sein ständiger und unersetzlicher Dolmetscher bei allen Veranstaltungen an der Fakultät für Musik der RGPU„A. I. Herzen“ bei dem Gespräch mit dem Pianisten aus Deutschland ebenfalls zugegen war. (A.V. Djatschkow ist Pianist, Dozent des Lehrstuhls für Musikund Instrumental-Unterricht an der o.g. Fakultät). Herr Koch bewies nicht nur seine einzigartige Intelligenz, sein Takt- und Feingefühl, sondern auch ein ungewöhnliches Gefühl für Humor: Der Humor des Maestro war sprichwörtlich funkensprühend! Das Interview verlief ungeachtet der Ernsthaftigkeit des Themas in einer ungezwungenen Atmosphäre. „PV“: Herr Koch, Sie sind zum ersten Male im Russischen Museum gewesen, die Arbeiten der russischen Künstler haben Sie beeindruckt. Im Zusammenhang damit eine Frage: Wie ist Ihr Verhältnis zur russischen Musik und zu den russischen Komponisten? Haben Sie vielleicht einen russischen Lieblingskomponisten? Es ist ja bekannt, dass Liszt sich sehr für das Schaffen der russischen Komponisten interessierte. Was können Sie von sich sagen: Beziehen Sie die Werke russischer Komponisten in Ihr Konzertprogramm mit ein? H. K.: Es fällt mir schwer, Ihnen einen Lieblingskomponisten zu nennen, und ich werde Ihnen auch keinen konkreten russischen Komponisten benennen. Ich spiele die Werke verschiedener Meister. Ich habe sowohl Skrjabin als auch Schostakowitsch in meinem Repertoire. Die Präludien und Fugen Schostakowitschs habe ich zu meiner Zeit unter der Leitung von Tatjana Nikolajewa durchgenommen. Ich werde auch weiterhin viele Werke russischer Komponisten in mein Repertoire aufnehmen, und zwar auch in jenes, das ich mit meinen Schülern erarbeite. So hat einer meiner Studenten das Erste Konzert von Tschaikowski aufgeführt, das ich persönlich nicht gespielt habe. Aber eine ganze Anzahl von Tschaikowskis Werken spiele ich sehr gern. Die Werke russischer Komponisten sind für mich genauso gängiges Repertoire wie auch für andere deutsche Pianisten. „PV“: Danke. Etwas möchte ich genauer wissen: Sie haben seinerzeit bei Tatjana Nikolajewa gelernt? H. K.: Sie war einige Male an die Musikakademie gekommen, an der ich studierte, und hatte dort Meisterkurse gegeben. Das hing mit ihren freundschaftlichen Beziehungen zum Direktor unserer Akademie zusammen. „PV“: Wenden wir uns nun einmal von den Werken und dem Schaffen russischer Komponisten unmittelbar dem Schaffen von Liszt zu. Was bedeutet es für Sie? Kann es sein, dass es hier einige Werke gibt, die Sie besonders lieben, oder könnten Sie dazu noch etwas Besonderes sagen? H. K.: Ja – zu Liszt....Wenn mir einmal ein Unglück zustieße und man stellte mich vor die Notwendigkeit, eines seiner Werke herauszugreifen und ich würde damit auf eine unbewohnte Insel verschlagen, dann würde ich natürlich Liszts Klaviersonate in hMoll auswählen, weil das eine ganz außergewöhnliche Komposition ist! Liszt hat ein so reiches Erbe hinterlassen, dass es schwer ist, bei der Auswahl irgendwo Stopp zu sagen und etwas auszusondern. Ich bin auch von seinen transzendentalen Etüden begeistert, H. K.: Es gab da viel Interessantes. Um einmal ein Beispiel zu nennen: Mich hat außerordentlich ein Vortrag interessiert, der sich mit der Symphonie von V. Stscherbatschew (Herr Koch sprach über den Vortrag von R.N. Slonimskaja „Von der Idee Liszts bis zur Zweiten Symphonie von Stscherbatschew“ – Anm. d. Autors) befasste. Sie wurde von Dantes Göttlicher Komödie angeregt, die anfangs eine Quelle der Inspiration für Liszt war. Das war außerordentlich interessant: Eine einzige Inspirationsquelle regte das Schaffen verschiedener Komponisten an, es entstanden daraus unterschiedliche individuelle Kompositionen. Und das alles vor dem Hintergrund kultureller Traditionen, die sich voneinander unterschieden. Das Wichtigste: Die Vorträge, die ich gehört habe, haben mir dazu verholfen, neue Gesichtspunkte im Schaffen von Liszt zu entdecken, sein Schaffen von einer ganz neuen Seite zu betrachten. Das ist ein sehr wichtiges Moment, da es für mich nicht so sehr von Bedeutung ist, mein Faktenwissen über einen Komponisten zu erweitern, als vielmehr die Ansichten anderer Menschen zu seinem Werk zu erfahren. Und deshalb bin ich bei der Auswahl meines Vortragsthemas davon ausgegangen; wiederum nicht aus dem Wunsch heraus, neue Fakten über die von mir ausgewählte Komposition von Liszt mitzuteilen, sondern um die Atmosphäre wiederzugeben, die dazu beitragen könnte, dass meine Zuhörer einen anderen Blickwinkel auf diese Komposition entwickeln; eine Atmosphäre zu schaffen, die die deutsche romantische Wahrnehmung, die ideelle Konzeption der Romantik als Schlüssel zum Verständnis der deutschen Seele und der romantischen Musik wiederbelebt. Ich habe versucht, die Ansicht der deutschen Kultur über die Musik Liszts vorzustellen. In seinem Schaffen gibt es viele Aspekte, die mit der deutschen Kultur zusammenhängen, aber natürlich ist Liszt ein ungarischer Komponist. Er ist genauso auch französischer Komponist. Er ist ein europäischer Komponist. Wir in Deutschland schätzen die russische Pianistenschule sehr. Wenn wir gegenseitig unsere Meinungen achten, dann bereichert uns das. Besonders wertvoll an einer solchen Konferenz ist, dass uns dieselben Fragen beschäftigen wie auch begeistern. Und eben das macht die hier durchgeführten Symposien zu so wichtigen Ereignissen. „PV“: Herr Koch, würden Sie uns etwas von der Uraufführung erzählen, die bei dem Konzert vorgestellt wurde? H.K.: Wenn wir auf César Franck zu sprechen kommen, können wir uns an die Violin-Sonate, seine Symphonie, Praeludium, Choral und Fuge und die Drei Choräle für Orgel erinnern. Das sind alles Werke, die er in seinen letzten zehn Lebensjahren geschrieben hat. Alles, was früher geschrieben wurde, ist tatsächlich unbekannt. Besonders die Musik seiner frühen Schaffensperiode, als sein Hauptaugenmerk dem Klavier galt (es hing mit dem Wunsch seines Vaters zusammen, dass sein Sohn Pianist werden möge). Der größere Teil dieser Musik ist völlig unbekannt und wurde nicht veröffentlicht. Die Musikstücke, die ich spielte, sind besonders interessant, weil er sie seiner Frau gewidmet hat. Sie wurden 1848 komponiert – in demselben Jahr, in dem er heiratete. Durch diese Ehe kam es zum Bruch mit dem Vater; damals begann ja der Komponist, seine Karriere als Pianist zu vernachlässigen. Somit lag zwischen den beiden Stücken, die ich zu Gehör brachte, und den Klavierstücken der späten Schaffensperiode eine Schaffenspause, die sich über einen Zeitraum von vierzig Jahren hinzog. Trotz der weit verbreiteten Meinung, dass die frühen Werke von César Franck nicht mehr als das Repertoire eines wandernden Virtuosen seien, sind die Stücke, die ich vorgestellt habe, echte lyrische Meisterwerke. Leider gelangten sie niemals der Öffentlichkeit zur Kenntnis. Das Manuskript wurde versteckt, und erst 1918 bekam es ein Musikwissenschaftler zu sehen, und hierbei auch nur die erste Seite. Und sogar in jüngsten Nachforschungen wird behauptet, dass sich das Manuskript in Privatbesitz befindet - an welchem Ort, ist nicht bekannt... Deshalb war ich glücklich, als mir vor einigen Jahren J.M. Fauquet - ein berühmter Kenner César Francks – einen Tipp gab, wo man nach diesem Werk suchen sollte. Er wusste davon, dass ich schon einige Arbeiten von Franck ausfindig gemacht und veröffentlicht hatte, darum gab er mir einen Fingerzeig; und so wurde meine Suche schließlich mit Erfolg und der Veröffentlichung dieser beiden Kompositionen gekrönt. Es ist in der Tat so, dass er fast vier Jahrzehnte nichts für das Klavier geschrieben hat, wenn man es aber ganz genau nehmen will, gab es damals ein ganz, ganz kleines Musikstück für ein Kind, das er einem Freund ins Album schrieb, aber das kann man nicht ernsthaft als "Werk" bezeichnen. Möglich ist, dass sein Schweigen – was das Klavier angeht – die Folge eines psychischen Traumas war und auf die Ambitionen seines Vaters zurückzuführen ist. Versetzen Sie sich doch einmal hinein, welche Namen der Vater seinem Sohn gab: César, August - die Namen der zwei bekanntesten römischen Kaiser. Man kann sich vorstellen, was das für ein Mensch war: äußerst ehrgeizig, mit hohen Erwartungen an seinen Sohn! Ich hielt es für möglich und angebracht, die Werke Francks in das Programm mit aufzunehmen, weil gerade Liszt der Erste war, der das Genie in César Franck erkannte. Liszt erkannte die hohe Qualität von Francks Schaffen, noch bevor Franck jene Musikstücke komponierte, die wir für seine Meisterwerke halten. „PV“: Wir danken Ihnen für dieses musikalische Geschenk, für diese Premiere in Russland. Besonderen Dank für die ausführlichen und erschöpfenden Antworten. Danke, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben. Würden Sie sagen, dass Sie nach Ihrer Teilnahme an dieser Konferenz mit neuen Anregungen nach Deutschland fahren und viele positive Emotionen und Eindrücke mitnehmen werden? H.K.: Unbedingt! Natürlich – ja! Die Teilnahme von Herrn Koch an der Konferenz und sein Interesse für die Veranstaltungen der Fakultät bilden die Grundlage für die weitere Zusammenarbeit, wie I.S. Awramkowa (Dekan) berichtete. In den Räumen der Fakultät für Musik der A.I.-Herzen– Universität kam es zu einem Gedankenaustausch darüber, welche Meinungen verschiedene kulturelle Traditionen – die deutsche und die russische Kulturtradition – über das Schaffen des großen europäischen Komponisten Ferencz (Franz) Liszt haben. Swetlana KURNOSOWA, Korrespondentin der „PV“ Anm.: im Sinne der Authentizität wurde auf eine stilistische Überarbeitung der übermittelten Übersetzung verzichtet. H.K.